Language of document : ECLI:EU:T:2019:532

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

12. Juli 2019(*)

„Staatliche Beihilfen – Von Frankreich im Zeitraum 1994 bis 2008 durchgeführte Beihilferegelung – Von der Région Île‑de‑France gewährte Investitionsbeihilfen – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Vorteil – Selektiver Charakter – Art. 107 Abs. 1 AEUV – Begründungspflicht – Begriffe ‚bestehende Beihilfe‘ und ‚neue Beihilfe‘ – Art. 108 AEUV – Art. 1 Buchst. b Ziff. i und v der Verordnung (EU) 2015/1589“

In der Rechtssache T‑292/17,

Région Île-de-France (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J.‑P. Hordies,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Armati, C. Georgieva-Kecsmar und M. T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2017/1470 der Kommission vom 2. Februar 2017 zu den Beihilferegelungen SA.26763 2014/C (ex 2012/NN), die von Frankreich zugunsten von Busverkehrsunternehmen in der Region Île-de-France durchgeführt wurden (ABl. 2017, L 209, S. 24),

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová sowie der Richter V. Valančius und U. Öberg (Berichterstatter),

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2018

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Région Île-de-France, wurde gemäß der Loi no 76‑394, du 6 mai 1976, portant création et organisation de la Région d’Île-de-France (Gesetz Nr. 76‑394 vom 6. Mai 1976 über die Errichtung und Organisation der Region Île-de-France) (JORF vom 7. Mai 1976, S. 2741) als öffentliche Einrichtung mit Rechtspersönlichkeit und finanzieller Eigenständigkeit errichtet. Gemäß Art. 6 dieses Gesetzes wurde sie vor allem mit der Festlegung der regionalen Personenverkehrs- und -transportpolitik in ihrem Gebiet und der Sicherstellung ihrer Umsetzung beauftragt.

2        Art. 17 des Gesetzes Nr. 76‑394 sah u. a vor:

„Der Conseil régional [(Regionalrat)] regelt durch seine Beschlüsse die Angelegenheiten, für die die Region zuständig ist …“

3        Am 20. Oktober 1994 erließ der Conseil régional d’Île-de-France (Regionalrat der Île-de-France, Frankreich) den Beschluss CR 34‑94 über die Beihilfe für die Verbesserung der Dienstleistungen des öffentlichen Personenverkehrs auf der Straße, die von Privatunternehmen oder Regiebetrieben bereitgestellt werden, um eine Reihe von zuvor zugunsten dieser Unternehmen durchgeführten Beihilfemaßnahmen zu verlängern. Zwei Beschlüsse, und zwar die Beschlüsse CR 44‑98 und CR 47‑01 (im Folgenden zusammen mit dem Beschluss CR 34‑94: streitige Beschlüsse) folgten in den Jahren 1998 bzw. 2001, bevor die eingeführte Beihilferegelung im Jahr 2008 aufgehoben wurde.

4        In Anwendung der streitigen Beschlüsse gewährte die Klägerin den öffentlich-rechtlichen Körperschaften in ihrem Gebiet, die mit privaten Unternehmen des öffentlichen Personenlinienverkehrs auf der Straße Vereinbarungen über den Linienbetrieb von Autobussen abgeschlossen hatten oder solche Linien direkt über einen Regiebetrieb betrieben (im Folgenden: betreffende öffentlich-rechtliche Körperschaften), Finanzhilfen. Die betreffenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften vergaben sodann die Beihilfen der Klägerin an diese Verkehrsunternehmen weiter (im Folgenden: Endbegünstigte).

5        Im Rahmen der durch die streitigen Beschlüsse eingeführten Beihilferegelung (im Folgenden: in Rede stehende Beihilferegelung) wurden die Beihilfen in Form von Investitionsbeihilfen gewährt (im Folgenden: streitige Finanzhilfen) und sollten die Anschaffung von Neufahrzeugen und die Installation neuer Ausstattungen durch die Endbegünstigten fördern, um das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbessern und negative externe Effekte im Zusammenhang mit dem im Gebiet der Klägerin besonders dichten Straßenverkehr zu beseitigen.

6        Nach Angaben der französischen Behörden kamen 135 Unternehmen im Zeitraum 1994 bis 2008 in den Genuss der in Rede stehenden Beihilferegelung. Die Verwendung der streitigen Finanzhilfen wurde durch Zusatzvereinbarungen zu den Betriebsvereinbarungen zwischen den betreffenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften und den Endbegünstigten geregelt. Die Zusatzvereinbarungen wurden vom Präsidenten des Regionalrats der Île-de-France gegengezeichnet und führten die den Endbegünstigten als Gegenleistung für die Zahlung dieser Finanzhilfen obliegenden Pflichten auf.

7        Am 17. Oktober 2008 wurde bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde über die mutmaßlich rechtswidrigen staatlichen Beihilferegelungen eingereicht, und zwar die Unterstützungsmaßnahmen, die im Zeitraum 1994 bis 2008 von der Klägerin in ihrem Gebiet und sodann ab 2008 durch den Syndicat des Transports d’Île-de-France (STIF, Frankreich) zugunsten bestimmter Busverkehrsunternehmen in demselben Gebiet durchgeführt wurden.

8        Mit Schreiben vom 11. März 2014 unterrichtete die Kommission die Französische Republik über ihre Entscheidung, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten. Mit der Veröffentlichung dieses Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2014, C 141, S. 38) forderte die Kommission die Beteiligten auf, zu den in Rede stehenden Maßnahmen Stellung zu nehmen.

9        Am 30. April 2014 unterbreitete die Französische Republik der Kommission ihre Stellungnahme. Sämtliche von den Beteiligten eingereichten Stellungnahmen, darunter die der Klägerin, wurden der Französischen Republik übermittelt, die sich nicht zu ihnen äußerte.

10      Am 21. Juni 2016 erhielt die Kommission eine gemeinsame Mitteilung von vier der sieben Beteiligten, in der diese ihren Standpunkt nach der Verkündung des Urteils vom 6. Oktober 2015, Kommission/Andersen (C‑303/13 P, EU:C:2015:647), darlegten. Am 9. November 2016 ergänzte die Klägerin ihre Stellungnahme.

11      Am 2. Februar 2017 schloss die Kommission das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV ab und erließ den Beschluss (EU) 2017/1470 zu den Beihilferegelungen SA.26763 2014/C (ex 2012/NN), die von Frankreich zugunsten von Busverkehrsunternehmen in der Region Île-de-France durchgeführt wurden (ABl. 2017, L 209, S. 24, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

12      Im angefochtenen Beschluss vertrat die Kommission namentlich die Ansicht, die von der Klägerin im Rahmen der in Rede stehenden Beihilferegelung im Zeitraum 1994 bis 2008 gewährten streitigen Finanzhilfen stellten staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Da die Bedingungen des Handels zwischen den Mitgliedstaaten nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise beeinträchtigt worden seien, sei diese Regelung im Sinne von Art. 107 Abs. 3 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar. Allerdings gelangte sie zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehende Beihilferegelung unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig durchgeführt worden sei, weil die Beihilfen nicht angemeldet worden und als „neue Beihilfen“ einzustufen seien.

13      Der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses bestimmt:

Artikel 1

Die von [der Französischen Republik] im Zeitraum 1994 bis 2008 rechtswidrig durchgeführte Beihilferegelung in Form von Investitionsbeihilfen, die von der Region Île-de-France im Rahmen der Beschlüsse CR 34‑94, CR 44‑98 und CR 47‑01 gewährt wurden, ist mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Artikel 4

Dieser Beschluss ist an die Französische Republik gerichtet.“

II.    Verfahren vor den nationalen Gerichten

14      Im Mai 2004 beantragte der Syndicat autonome des transporteurs de voyageurs (Autonomer Verband der Personenverkehrsunternehmer, im Folgenden: SATV) beim Präsidenten des Regionalrats der Île-de-France die Aufhebung der streitigen Beschlüsse. Nach Ablehnung dieses Antrags erhob der SATV am 17. Juni 2004 beim Tribunal administratif de Paris (Verwaltungsgericht Paris, Frankreich) eine Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung des Präsidenten des Regionalrats der Île-de-France.

15      Mit Urteil Nr. 0417015 vom 10. Juli 2008 gab das Tribunal administratif de Paris (Verwaltungsgericht Paris) der Klage des SATV statt und gab der Klägerin auf, dem Regionalrat der Île-de-France einen neuen Beschluss zu unterbreiten, mit der Begründung, dass die in Rede stehende Beihilferegelung der Kommission nicht mitgeteilt worden sei. Es gab der Klägerin ferner auf, die streitigen Beschlüsse aufzuheben.

16      Die Klägerin legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, erließ aber auch den Beschluss CR 80‑08 vom 16. Oktober 2008 zur Aufhebung der streitigen Beschlüsse.

17      Mit Urteil Nr. 08PA 04753 vom 12. Juli 2010 bestätigte die Cour administrative d’appel de Paris (Verwaltungsberufungsgericht Paris, Frankreich) das Urteil des Tribunal administratif de Paris (Verwaltungsgericht Paris) Nr. 0417015 vom 10. Juli 2008. Die Klägerin legte gegen diese Entscheidung beim Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) Kassationsbeschwerde ein. Der Conseil d’État (Staatsrat) wies diese Beschwerde mit Urteil Nr. 343440 vom 23. Juli 2012 zurück und führte aus, der Umstand, dass der Markt des öffentlichen Personenlinienverkehrs im Gebiet der Klägerin dem Wettbewerb entzogen sei, sei für die Einstufung der streitigen Finanzhilfen als staatliche Beihilfen irrelevant, da die Endbegünstigten auch auf anderen, für den Wettbewerb geöffneten Märkten tätig gewesen seien.

18      Nach Zurückweisung der Drittwidersprüche mehrerer Beteiligter durch die Cour administrative d’appel de Paris (Verwaltungsberufungsgericht Paris) am 27. November 2015 legten die Endbegünstigten, die diese Drittwidersprüche eingelegt hatten, beim Conseil d’État (Staatsrat) Kassationsbeschwerde ein, die zum Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift noch anhängig war.

19      Infolge einer neuen Klageschrift, die vom SATV am 27. Oktober 2008 eingereicht worden war, gab das Tribunal administratif de Paris (Verwaltungsgericht Paris) mit Urteil Nr. 0817138 vom 4. Juni 2013 der Klägerin auf, die Vollstreckungstitel auszustellen, die die Rückforderung der streitigen Finanzhilfen ermöglichten. Am 27. November 2015 wies die Cour administrative d’appel de Paris (Verwaltungsberufungsgericht Paris) die Berufung der Region gegen diese Entscheidung zurück (Urteil Nr. 13PA 03172). Die Klägerin legte beim Conseil d’État (Staatsrat) Kassationsbeschwerde ein, die zum Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift noch anhängig war.

III. Verfahren und Anträge der Parteien

20      Mit Klageschrift, die am 16. Mai 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Art. 263 AEUV die vorliegende Klage auf teilweise Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses erhoben.

21      Die Klägerin beantragt,

–        die Klage für zulässig zu erklären;

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit die Kommission darin die in Rede stehende Beihilferegelung als „staatliche Beihilferegelung“ eingestuft hat;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

22      Die Kommission beantragt,

–        die Klage für unzulässig zu erklären;

–        hilfsweise, die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

IV.    Rechtliche Würdigung

A.      Zulässigkeit

23      Ohne mit gesondertem Schriftsatz eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts zu erheben, beantragt die Kommission, die Klage mangels Klagebefugnis und Rechtsschutzinteresses der Klägerin als unzulässig abzuweisen.

24      Die Klägerin macht geltend, die Klage sei zulässig, obwohl der angefochtene Beschluss nicht an sie gerichtet sei, weil sie hinsichtlich des angefochtenen Beschlusses sowohl über eine Klagebefugnis als auch über ein Rechtsschutzinteresse verfüge.

25      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter befugt ist, anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob es nach den Grundsätzen einer geordneten Rechtspflege gerechtfertigt ist, die Klage als unbegründet abzuweisen, ohne vorher über die Zulässigkeit zu entscheiden (Urteile vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C‑23/00 P, EU:C:2002:118, Rn. 51 und 52, sowie vom 14. September 2015, Brouillard/Gerichtshof, T‑420/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:633, Rn. 18).

26      Unter den Umständen des vorliegenden Falles ist nach Auffassung des Gerichts aus Gründen der Verfahrensökonomie vorab die Begründetheit der Klage zu prüfen, ohne zuvor über deren Zulässigkeit zu entscheiden.

B.      Begründetheit

27      Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen zwei Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 1 Buchst. b Ziff. i und v der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV (ABl. 2015, L 249, S. 9), da die Kommission im angefochtenen Beschluss zu Unrecht festgestellt habe, dass die im Rahmen der in Rede stehenden Beihilferegelung im Zeitraum 1994 bis 2008 gewährten Beihilfen neue Beihilfen seien, die mangels Anmeldung rechtswidrig durchgeführt worden seien. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt, da die Kommission im Rahmen ihrer Beurteilung der Einstufung der streitigen Finanzhilfen als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht hinreichend begründet habe, inwiefern diese Finanzhilfen selektiv seien und den Endbegünstigten einen unrechtmäßigen wirtschaftlichen Vorteil verschafften.

28      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ausdrücklich beantragt, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit die Kommission darin festgestellt habe, dass die streitigen Finanzhilfen eine staatliche Beihilferegelung darstellten.

29      Aus der Überschrift der zur Stützung der vorliegenden Klage geltend gemachten Klagegründe lässt sich jedoch nicht ableiten, dass sie darauf gerichtet sind, die Einstufung der streitigen Finanzhilfen als staatliche Beihilfen in Frage zu stellen.

30      Aus der Überschrift der geltend gemachten Klagegründe ergibt sich nämlich, dass diese, was den zweiten betrifft, nur auf die Feststellung der unzureichenden Begründung abzielen, mit der der angefochtene Beschluss in Bezug auf die Einstufung der streitigen Finanzhilfen als staatliche Beihilfen behaftet sei, und dass mit dem ersten die Beurteilung des neuen Charakters der in Rede stehenden Beihilferegelung durch die Kommission in diesem Beschluss beanstandet wird.

31      Es geht jedoch klar aus der Klageschrift hervor, dass die Klägerin mit dem zweiten Klagegrund, der zwar so formuliert ist, dass er nur einen Verstoß gegen die Begründungspflicht rügt, der Kommission in Wirklichkeit auch vorwirft, zu dem Ergebnis gelangt zu sein, dass die Kriterien der Selektivität und des Vorteils im vorliegenden Fall erfüllt seien. Mit diesem Klagegrund möchte sie daher sowohl die Feststellung eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht erwirken als auch die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage stellen, und zwar mit der Begründung, dass die streitigen Finanzhilfen keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten.

32      Zudem geht sowohl aus den von der Klägerin in ihren Schriftsätzen formulierten als auch aus den von ihr in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Argumenten hervor, dass der Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses nicht nur darauf abzielt, die Einstufung der streitigen Finanzhilfen als staatliche Beihilfen in Frage zu stellen, sondern auch darauf, den neuen Charakter der in Rede stehenden Beihilferegelung zu bestreiten. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der erste Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 1 Buchst. b Ziff. i und v der Verordnung 2015/1589 geltend gemacht wird, der Stützung dieses Antrags dienlich ist.

33      In Anbetracht dessen ist davon auszugehen, dass die Klagegründe den Antrag der Klägerin auf teilweise Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses, mit der Begründung, dass zum einen keine staatliche Beihilfe in Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliege und zum anderen die in Rede stehende Beihilferegelung fälschlicherweise als neue Beihilferegelung eingestuft worden sei, stützen.

34      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Klagegrund einer fehlenden oder unzureichenden Begründung auf den Nachweis einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften gerichtet ist und daher eine als solche von der Beurteilung der Unrichtigkeit der Gründe des angefochtenen Beschlusses, deren Kontrolle zur Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit des Beschlusses gehört, gesonderte Prüfung erfordert (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, EU:C:1998:154, Rn. 67, sowie vom 15. Dezember 2005, Italien/Kommission, C‑66/02, EU:C:2005:768, Rn. 26).

35      Daher ist der zweite Klagegrund, da er vor allem auf die Feststellung eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht und eines Beurteilungsfehlers der Kommission bei der Einstufung der streitigen Finanzhilfen als staatliche Beihilfen abzielt, vor dem ersten Klagegrund zu prüfen, der sich auf die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses bezieht.

1.      Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht und Beurteilungsfehler bei der Einstufung der streitigen Finanzhilfen im Hinblick auf Art. 107 Abs. 1 AEUV

a)      Zum Verstoß gegen die Begründungspflicht

36      Die Klägerin macht als Erstes geltend, der angefochtene Beschluss weise einen Begründungsmangel auf, da sich die Kommission damit begnügt habe, in diesem Beschluss festzustellen, dass die in Rede stehende Beihilferegelung de facto unter den Wirtschaftsteilnehmern des Sektors des öffentlichen Linienverkehrs auf der Straße eine Auswahl treffe und diesen Wirtschaftssektor gegenüber anderen Sektoren bevorzuge. Die Frage der Selektivität der Beihilfen werde nur in drei Erwägungsgründen des angefochtenen Beschlusses (nämlich in dessen Erwägungsgründen 222 bis 224) behandelt.

37      Als Zweites ergebe sich der Begründungsmangel, durch den der angefochtene Beschluss gekennzeichnet sei, daraus, dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, inwiefern die Endbegünstigten nach der Gewährung der streitigen Finanzhilfen im Rahmen der in Rede stehenden Beihilferegelung über spezielle Handlungsspielräume verfügten. Die Kommission sei in ihrer Analyse vor allem nicht darauf eingegangen, auf welche Weise die Endbegünstigten durch diese Finanzhilfen die Auswirkungen etwaiger Belastungen hätten abfedern und einen wirtschaftlichen Vorteil hätten erlangen können.

38      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Ihrer Ansicht nach enthält der angefochtene Beschluss detaillierte Erläuterungen sowohl zum Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils als auch zum selektiven Charakter dieses Vorteils. Da in den streitigen Beschlüssen kein Hauptparameter für die Abschreibung des erhaltenen Vorteils festgelegt worden sei, habe sie auf rechtlich hinreichende Weise auf das Vorliegen eines unrechtmäßigen wirtschaftlichen Vorteils zugunsten der Endbegünstigten geschlossen.

39      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 296 Abs. 2 AEUV die Rechtsakte mit einer Begründung zu versehen sind. Außerdem umfasst nach Art. 41 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union das Recht auf eine gute Verwaltung die Verpflichtung der Verwaltung, ihre Entscheidungen zu begründen.

40      Nach ständiger Rechtsprechung hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext ab, in dem er erlassen wurde. Die Begründung muss die Überlegungen des Organs so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass der Unionsrichter die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle wahrnehmen kann und es dem Betroffenen möglich ist, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit er seine Rechte verteidigen und prüfen kann, ob die Entscheidung in der Sache begründet ist oder nicht (Urteil vom 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, T‑228/99 und T‑233/99, EU:T:2003:57, Rn. 278).

41      In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Aspekte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 Abs. 2 AEUV genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil vom 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, T‑228/99 und T‑233/99, EU:T:2003:57, Rn. 279).

42      Zwar braucht die Kommission nicht auf alle Argumente einzugehen, die die Betroffenen vor ihr geltend gemacht haben, doch muss sie die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anführen, denen in der Systematik der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, T‑228/99 und T‑233/99, EU:T:2003:57, Rn. 280).

43      Bei der Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe gebietet die Begründungspflicht, dass die Gründe angegeben werden, aus denen die Kommission diese Maßnahme unter den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV subsumiert (Urteil vom 13. Juni 2000, EPAC/Kommission, T‑204/97 und T‑270/97, EU:T:2000:148, Rn. 36).

44      Insoweit ist erstens festzustellen, dass die Kommission, bevor sie auf das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne von Art.107 Abs. 1 AEUV schloss, auf die Argumente der französischen Behörden und der Beteiligten eingegangen ist, die sie im 198. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aufgelistet hat und die auf den Nachweis gerichtet waren, dass die Beihilfen von der Klägerin als Gegenleistung für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gewährt worden und nicht geeignet gewesen seien, den Endbegünstigten entsprechend den im Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415, Rn. 87 bis 94), genannten Bedingungen einen solchen Vorteil zu verschaffen.

45      Die Kommission hat vor allem in den Erwägungsgründen 201 bis 207 des angefochtenen Beschlusses dargelegt, aus welchen Gründen sie zu der Auffassung gelangt ist, dass die streitigen Finanzhilfen nicht die Kosten der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen ausgleichen sollten, sondern als Ergänzung zu der bereits bestehenden vertraglichen Regelung zwischen den Unternehmen des öffentlichen Linienverkehrs im Gebiet der Klägerin und den betreffenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften dienten, um Investitionen zu fördern. Sie hat ausgeführt, die Tatsache, dass der durch diese Finanzhilfen verschaffte Vorteil durch eine mögliche Abschreibung der von diesen Körperschaften an die Endbegünstigten gezahlten Beträge korrigiert werden könne, um ihre gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auszugleichen, sei für die Zwecke einer solchen Analyse nicht relevant.

46      In Anbetracht der eingehenden Untersuchung, die die Kommission im angefochtenen Beschluss bezüglich der Frage vorgenommen hat, ob die streitigen Finanzhilfen den Endbegünstigten einen Vorteil verschafften, kann ihr im vorliegenden Fall nicht vorgeworfen werden, im Rahmen der Prüfung, ob dieses Kriterium erfüllt war, keine hinreichende Begründung geliefert zu haben.

47      Was zweitens das Kriterium der Selektivität der streitigen Finanzhilfen und die entsprechende Begründung im angefochtenen Beschluss anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung dartun muss, dass die in Rede stehende Maßnahme zwischen Unternehmen differenziert, die sich im Hinblick auf das mit ihr verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Lage befinden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2011, Kommission/Niederlande, C‑279/08 P, EU:C:2011:551, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Insoweit hat die Kommission in den Erwägungsgründen 222 und 223 zum einen ausgeführt, die streitigen Finanzhilfen beträfen nur die privaten Unternehmen des öffentlichen Verkehrs, mit denen die betreffenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen hätten, so dass nur der Sektor des öffentlichen Personenlinienverkehrs auf der Straße im Gebiet der Klägerin von diesen Finanzhilfen betroffen sei. Zum anderen werde vor der Gewährung der Finanzhilfen eine Auswahl unter den Unternehmen dieses Sektors getroffen, um jene zu bestimmen, die mit der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Gebiet der Klägerin betraut seien.

49      Die Kommission ist daher im 224. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gelangt, dass der selektive Charakter der in Rede stehenden Beihilferegelung sowohl auf Ebene des betreffenden Sektors als auch innerhalb dieses Sektors, zwischen den Unternehmen, denen die streitigen Finanzhilfen gewährt worden seien, und denen, die von dieser Regelung ausgeschlossen gewesen seien, habe beobachtet werden können.

50      Daraus folgt, dass die Kommission hinreichend detaillierte Erklärungen geliefert hat, um es der Klägerin zu ermöglichen, die Gründe zu verstehen, aus denen sie zur Auffassung gelangte, dass die streitigen Finanzhilfen im Sinne der oben in Rn. 47 angeführten Rechtsprechung zwischen den Endbegünstigten und den Unternehmen, die sich in Bezug auf das mit den streitigen Beschlüssen verfolgte Ziel in einer mit diesen Begünstigten vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Lage befanden, differenzierten.

51      Unter diesen Umständen kann die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, im Rahmen ihrer Beurteilung zum einen des selektiven Charakters der in Rede stehenden Beihilferegelung und zum anderen des den Endbegünstigen verschafften unrechtmäßigen wirtschaftlichen Vorteils gegen die Begründungspflicht verstoßen zu haben.

b)      Zum Beurteilungsfehler bei der Einstufung der streitigen Finanzhilfen als staatliche Beihilfen im Hinblick auf Art. 107 Abs. 1 AEUV und insbesondere die Kriterien des wirtschaftlichen Vorteils und der Selektivität

1)      Zur sachlichen Richtigkeit der Beurteilung des wirtschaftlichen Vorteils

52      Nach Ansicht der Klägerin hat die Kommission im angefochtenen Beschluss zu Unrecht festgestellt, dass das in Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgesehene Kriterium des wirtschaftlichen Vorteils erfüllt sei. Letztere habe vor allem nicht angegeben, worin genau die möglichen Belastungen für die Endbegünstigten bestanden hätten und auf welche Art die streitigen Finanzhilfen hätten diese Lasten verringern und ihnen daher einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen können.

53      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie führt aus, in den streitigen Beschlüssen seien die Hauptparameter für eine mögliche Abschreibung des von den Endbegünstigten erlangten Vorteils nicht festgelegt gewesen. Unter Berücksichtigung der im 209. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegten Erwägungen, nämlich vor allem der Tatsache, dass bei einer Lektüre der streitigen Beschlüsse nichts darauf schließen lasse, dass die streitigen Finanzhilfen ordnungsgemäß abgeschrieben worden seien, sei sie daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die im Rahmen der in Rede stehenden Beihilferegelung gewährten Beihilfen den Endbegünstigten einen unrechtmäßigen wirtschaftlichen Vorteil verschafft hätten.

54      Insoweit ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 207. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, dass die Klägerin, soweit die streitigen Finanzhilfen einen Teil der Investitionskosten abdecken sollten, die normalerweise von den Unternehmen des Marktes des öffentlichen Linienverkehrs getragen würden, durch die Gewährung dieser Finanzhilfen Handlungsspielräume für die Endbegünstigten eröffnet habe, die dadurch ihre Eigenmittel für andere Zwecke hätten verwenden können.

55      Die detaillierten Komponenten der Analyse im 207. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses sind ausreichend, um das Vorbringen der Klägerin zu verwerfen, wonach die Kommission nicht erläutert habe, inwiefern es die streitigen Finanzhilfen ermöglichten, die Belastungen für die Endbegünstigten zu verringern.

56      Da die Klägerin kein weiteres Argument vorgetragen bzw. keinen weiteren Beweis vorgelegt hat, um die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Beurteilung betreffend das in Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgesehene Kriterium des wirtschaftlichen Vorteils in Frage zu stellen, und sich im Übrigen mit der Behauptung der Fehlerhaftigkeit dieser Beurteilung begnügt hat, ist die sachliche Richtigkeit dieser im angefochtenen Beschluss enthaltenen Beurteilung betreffend das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils nicht in Zweifel zu ziehen.

2)      Zur sachlichen Richtigkeit der Beurteilung der Selektivität

57      Die Klägerin bestreitet, dass die streitigen Finanzhilfen selektiv seien. Insoweit macht sie geltend, sie habe über keinerlei Ermessen bei der Gewährung dieser Finanzhilfen verfügt. Alle auf dem Markt des Personenlinienverkehrs tätigen Wirtschaftsteilnehmer seien gegen schlichte Vorlage eines Dossiers für diese Finanzhilfen in Frage gekommen, sofern sie mit einer der betreffenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen gehabt hätten. Von den 150 Betreibern öffentlicher Linienverkehrsdienste, die ihre Tätigkeiten in ihrem Gebiet ausübten, hätten somit mehr als 130 Wirtschaftsteilnehmer von den im Rahmen der in Rede stehenden Beihilferegelung gewährten Beihilfen profitiert.

58      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie macht vor allem geltend, dass, wie die Klägerin selbst eingeräumt habe, bestimmte Unternehmen, die ihre Tätigkeiten auf dem Markt des öffentlichen Personenlinienverkehrs der Île-de-France ausübten, vom Kreis der Endbegünstigten ausgeschlossen gewesen seien. Die Tatsache, dass eine Vielzahl von Unternehmen davon habe profitieren können, reiche nicht aus, um die Selektivität der streitigen Finanzhilfen in Frage zu stellen.

59      Insoweit ist festzuhalten, dass die Gewährung der streitigen Finanzhilfen, wie die Klägerin selbst in ihren Schriftsätzen eingeräumt hat, vom Abschluss einer Betriebsvereinbarung zwischen den Endbegünstigten und den betreffenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften abhing.

60      Daraus folgt, dass Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten oder anderen französischen Regionen für die Gewährung der streitigen Finanzhilfen nicht in Frage kamen und dass nur die Unternehmen, die auf dem Markt des Personenlinienverkehrs tätig waren und ihre Tätigkeiten im Gebiet der Klägerin ausübten, in den Genuss der durch die im Rahmen der in Rede stehenden Beihilferegelung gewährten Beihilfen bezuschussten Ausstattung kommen konnten. Genauer gesagt konnten nur diese Unternehmen die so bezuschusste Ausstattung in anderen Teilen der Union und des französischen Hoheitsgebiets nutzen, in denen sie sich mit den Betreibern öffentlicher Verkehrsdienste im Wettbewerb befanden, die diese Beihilfen nicht erhalten hatten.

61      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist daher festzustellen, dass die streitige Beihilferegelung, wenngleich eine Vielzahl von Unternehmen, die in ihrem Gebiet Tätigkeiten des öffentlichen Linienverkehrs auf der Straße ausübten, von den streitigen Finanzhilfen profitieren konnten, Differenzierungen enthielt, die geeignet waren, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen zu begünstigen, die sich in Bezug auf das mit dieser Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befanden.

62      Unter diesen Umständen ist der Schluss zu ziehen, dass es die von der Klägerin vorgebrachten Argumente nicht zulassen, die Beurteilung in Frage zu stellen, die die Kommission im angefochtenen Beschluss hinsichtlich der Selektivität der streitigen Finanzhilfen vorgenommen hat.

63      Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerin betreffend die von der Kommission im angefochtenen Beschluss hinsichtlich der Selektivität der streitigen Beihilferegelung vorgenommene Beurteilung und somit der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2.      Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 1 Buchst. b Ziff. i und v der Verordnung 2015/1589 dadurch, dass die in Rede stehende Beihilferegelung zu Unrecht als neue Beihilferegelung eingestuft wurde

64      Die Klägerin hält die in Rede stehende Beihilferegelung für eine bestehende Beihilferegelung nach Art. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung 2015/1589, weil die Möglichkeit der betreffenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Unternehmen des öffentlichen Personenverkehrs auf der Straße Finanzhilfen zu gewähren, vor dem Inkrafttreten des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (nunmehr AEU-Vertrag) in Frankreich am 1. Januar 1958 durch Art. 19 des Décret no 49‑1473, du 14 novembre 1949, relatif à la coordination et à l’harmonisation des transports ferroviaires et routiers (Dekret Nr. 49‑1473 vom 14. November 1949 über die Koordinierung und Harmonisierung des Eisenbahn- und Straßenverkehrs (JORF vom 15. November 1949, S. 11104, im Folgenden: Dekret von 1949) eingeführt worden sei.

65      Da der angefochtene Beschluss zudem kein genaues Ergebnis betreffend den Zeitpunkt der Einführung der in Rede stehenden Beihilferegelung enthalte, könne die Kommission nicht ausschließen, dass diese Regelung in einem ursprünglich dem Wettbewerb entzogenen Markt eingeführt worden sei und daher eine bestehende Beihilferegelung gemäß Art. 1 Buchst. b Ziff. v der Verordnung 2015/1589 darstelle.

66      Was das Vorbringen der Klägerin anlangt, wonach die in Rede stehende Beihilferegelung durch die Vorschriften des Dekrets von 1949 eingeführt worden sei, weist die Kommission darauf hin, dass sie im 236. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gekommen sei, dass diese Vorschriften keinen der Hauptparameter dieser Regelung genau festlegten, nämlich vor allem weder ihre Laufzeit, ihr Budget, die Definition ihrer Begünstigten, die Art der finanzhilfefähigen Wirtschaftsgüter noch die anwendbaren Finanzhilfesätze, und dass sie keinen Anspruch auf Finanzhilfen begründeten.

67      Was zudem das Vorbringen der Klägerin betreffend den Zeitpunkt angeht, ab dem die streitigen Finanzhilfen geeignet waren, den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt zu beeinträchtigen, macht die Kommission geltend, dass die Endbegünstigten – wie das Tribunal administratif de Paris (Verwaltungsgericht Paris) im Urteil Nr. 0417015 vom 10. Juli 2008 festgestellt habe – sowohl auf dem Markt des Personenlinienverkehrs als auch auf dem Markt der Personenbeförderung im Gelegenheitsverkehr tätig gewesen seien. Der Markt der Personenbeförderung im Gelegenheitsverkehr sei aber bereits im Jahr 1979 liberalisiert worden. Folglich habe die in Rede stehende Beihilferegelung unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Einführung, soweit sie zwischen 1979 und 2008 liege, ab ihrer Einführung den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten auf diesem Markt beeinträchtigen können.

68      Als Erstes ist zu prüfen, ob die in Rede stehende Beihilferegelung, wie die Klägerin vorträgt, durch das Dekret von 1949 zu einem Zeitpunkt eingeführt wurde, der vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Frankreich liegt, und daher eine bestehende Beihilferegelung nach Art. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung 2015/1589 darstellte.

69      Das Dekret von 1949 bestimmte insbesondere:

Artikel 2

Die Dienste des Personenverkehrs, die in Anwendung der Vorschriften von Art. 7 des Gesetzes vom 5. Juli 1949 Koordinierungs- und Harmonisierungsmaßnahmen unterworfen werden, sind

2. die nachfolgend aufgeführten … Dienste des öffentlichen Personenverkehrs auf der Straße:

die Liniendienste, einschließlich der saisonalen und periodischen Dienste …;

die Gelegenheitsdienste, d. h. jene, die zwar auf Anfrage erbracht werden, jedoch allgemeine Bedürfnisse der Öffentlichkeit befriedigen und jedes Jahr in bestimmten Zeiträumen erbracht werden …

Artikel 19

Eine Gebietskörperschaft kann einen Straßenverkehrsdienst bezuschussen, indem sie mit einem Unternehmen einen Vertrag schließt, der zusätzlich zu den Pflichten, die sich aus seiner Betriebsordnung ergeben, die diesem auferlegten Pflichten festlegt.

Der gemäß diesem Vertrag festgelegte Tarif muss allen in den vorstehenden Artikeln enthaltenen Vorschriften entsprechen.“

70      Was die Frage betrifft, ob die streitigen Finanzhilfen ihren Ursprung im Dekret von 1949 haben, ist erstens darauf hinzuweisen, dass sich die im Dekret von 1949 vorgesehenen Modalitäten für die Gewährung der Beihilfen von jenen unterschieden, die für Beihilfen galten, die gemäß dem Beschluss CR 34‑94 gewährt wurden. Wie die Kommission zu Recht geltend macht, wurden die streitigen Finanzhilfen im Rahmen des Beschlusses CR 34‑94 von der Klägerin den öffentlich-rechtlichen Körperschaften gewährt, bevor sie an die Endbegünstigten weitervergeben wurden. Einen solchen Weitergabemechanismus gab es im Rahmen des Dekrets von 1949 nicht.

71      Zweitens geht aus dem Urteil Nr. 343440 des Conseil d’État (Staatsrat) vom 23. Juli 2012 hervor, dass die gemäß dem Beschluss CR 34‑94 gewährten Beihilfen nur den Erwerb von Material durch die öffentlichen Verkehrsunternehmen der Île-de-France erleichtern sollten, ohne dass die in Rede stehende Beihilferegelung bezweckt oder bewirkt hätte, den Endbegünstigten im Gegenzug tarifliche Verpflichtungen aufzuerlegen. Dies war nicht der Fall bei Art. 19 des Dekrets von 1949, der ganz allgemein für die französischen Gebietskörperschaften die Möglichkeit vorsah, Beihilfeverträge mit diesen Unternehmen zu schließen, und zugleich auf die Kontrolle der angewandten Tarife abzielte. So bestimmte Art. 11 dieses Dekrets, dass „für die Dienste, die einen Vertrag mit einer Gebietskörperschaft haben, … die Tarife gemäß dem Vertrag zwischen dem Unternehmen und der Körperschaft, die die Beihilfe zahlt, festgelegt [werden]“.

72      Drittens enthielten die streitigen Beschlüsse keinen Verweis auf das Dekret von 1949. Sie erwähnten lediglich den Code général des collectivités territoriales (Allgemeines Gesetz über die Gebietskörperschaften), die Loi no 82‑1153, du 30 décembre 1982, d’orientation des transports intérieurs (Gesetz Nr. 82‑1153 vom 30. Dezember 1982 über den Binnenverkehr) (JORF vom 31. Dezember 1982, S. 4004) und mehrere frühere nach nationalem Recht erlassene Beschlüsse und Dekrete, zu denen das Dekret von 1949 nicht gehörte.

73      Viertens waren die streitigen Beschlüsse Teil eines besonderen rechtlichen Rahmens zur Organisation des Verkehrs in der Île-de-France, der erstmals in der Ordonnance no 59‑151, du 7 janvier 1959, relative à l’organisation des transports de voyageurs dans la région parisienne (Beschluss Nr. 59‑151 von 7. Januar 1959 über die Organisation des Personenverkehrs in der Region Paris) (JORF vom 10. Januar 1959, S. 696), annähernd zehn Jahre nach dem Erlass des Dekrets von 1949, festgelegt wurde.

74      Aus alledem ergibt sich, dass das Dekret von 1949 nicht die Rechtsgrundlage für die in Rede stehende Beihilferegelung war.

75      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Klägerin vor dem Gericht keine hinreichenden Beweise für die Feststellung vorgelegt hat, dass die in Rede stehende Beihilferegelung als bestehende Beihilferegelung nach Art. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung 2015/1589 einzustufen ist.

76      Was als Zweites die Frage anlangt, ob die in Rede stehende Beihilferegelung als bestehende Beihilferegelung gemäß Art. 1 Buchst. b Ziff. v der Verordnung 2015/1589 einzustufen ist, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Begriff „Entwicklung des Binnenmarktes“ in dieser Vorschrift dahin verstanden werden kann, dass es sich um eine Änderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten in dem von der fraglichen Maßnahme betroffenen Sektor handelt. Eine solche Änderung kann sich insbesondere durch die Liberalisierung eines Marktes ergeben, der ursprünglich dem Wettbewerb entzogen war (vgl. entsprechend Urteil vom 24. März 2011, Freistaat Sachsen und Land Sachsen-Anhalt/Kommission, T‑443/08 und T‑455/08, EU:T:2011:117, Rn. 188).

77      Daraus folgt, dass eine Beihilferegelung für einen Markt, der ursprünglich dem Wettbewerb entzogen war, bei der Liberalisierung dieses Marktes als bereits bestehende Beihilferegelung anzusehen ist (Urteil vom 15. Juni 2000, Alzetta u. a./Kommission, T‑298/97, T‑312/97, T‑313/97, T‑315/97, T‑600/97 bis T‑607/97, T‑1/98, T‑3/98 bis T‑6/98 und T‑23/98, EU:T:2000:151, Rn. 143).

78      Gemäß Art. 1 Buchst. b Ziff. v der Verordnung 2015/1589 ist jedoch der Zeitpunkt der Liberalisierung einer Tätigkeit durch das Unionsrecht allein zu dem Zweck zu berücksichtigen, um auszuschließen, dass nach diesem Zeitpunkt eine Maßnahme, die vor der Liberalisierung keine Beihilfe darstellte, als bestehende Beihilfe eingestuft wird (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Januar 2018, EDF/Kommission, T‑747/15, EU:T:2018:6, Rn. 369).

79      Im vorliegenden Fall geht aus dem angefochtenen Beschluss, insbesondere aus dessen 18. Erwägungsgrund Buchst. a und seinen Erwägungsgründen 19, 183 und 186 hervor, dass die Kommission der Ansicht war, dass die in Rede stehende Beihilferegelung im Jahr 1994 eingeführt und im Jahr 2008 aufgehoben worden sei, mit der Folge, dass die gemäß früheren Beschlüssen gewährten Beihilfen als Bestandteile einer Beihilferegelung anzusehen seien, die von jener zu unterscheiden sei, die durch die Beschlüsse CR 34‑94 ff. eingeführt worden sei.

80      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Loi no 93‑122, du 29 janvier 1993, relative à la prévention de la corruption et à la transparence de la vie économique et des procédures publiques (Gesetz Nr. 93‑122 vom 29. Januar 1993 über die Verhinderung von Korruption und über die Transparenz des Wirtschaftslebens und der öffentlichen Verfahren) (JORF vom 30. Januar 1993, S. 1588), durch die der Markt des Personenlinienverkehrs im gesamten französischen Hoheitsgebiet mit Ausnahme des Gebiets der Klägerin liberalisiert wurde, im Jahr 1993, also vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses CR 34‑94, erlassen wurde und dass der letztgenannte Zeitpunkt nach der von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Analyse mit dem Zeitpunkt der Einführung der in Rede stehenden Beihilferegelung zusammenfällt.

81      In Anbetracht dessen vertrat die Kommission im angefochtenen Beschluss zu Recht die Ansicht, dass die Endbegünstigten die Ausrüstung, die durch die streitigen Finanzhilfen finanziert worden sei, ab 1994 auf anderen für den Wettbewerb geöffneten Märkten des öffentlichen Personenlinienverkehrs hätten nutzen können und dass diese Finanzhilfen daher geeignet gewesen seien, ab diesem Zeitpunkt den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

82      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Schlussfolgerung der Kommission, wonach alle in Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Kriterien für diesen Zeitraum erfüllt gewesen seien, der Analyse entspricht, die in den Entscheidungen der nationalen Gerichte enthalten ist, nämlich insbesondere im Urteil Nr. 0417015 des Tribunal administratif de Paris (Verwaltungsgericht Paris) vom 10. Juli 2008 und im Urteil Nr. 08PA 04753 der Cour administrative d’appel de Paris (Verwaltungsberufungsgericht Paris) vom 12. Juli 2010, die namentlich im 226. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführt sind.

83      Selbst wenn im Übrigen die Kommission, wie die Klägerin behauptet, einen Fehler begangen hätte, als sie die Auffassung vertrat, dass die in Rede stehende Beihilferegelung erst 1994 eingeführt worden sei, könnte dieser Fehler allein nicht ausreichen, um die Schlussfolgerung zu widerlegen, dass diese als neue Beihilferegelung anzusehen ist. Aus den Erwägungsgründen 226 und 237 des angefochtenen Beschlusses geht nämlich hervor, dass selbst dann, wenn man davon auszugehen hätte, dass die in Rede stehende Beihilferegelung ab 1979 oder spätestens im Jahr 1994 eingeführt wurde, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Markt des Personenlinienverkehrs noch dem Wettbewerb entzogen war, die Endbegünstigten die teilweise von der Klägerin bezuschusste Ausstattung im Rahmen einer für den Wettbewerb geöffneten Tätigkeit des Gelegenheitsverkehrs nutzen konnten.

84      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keinen Beweis dafür vorgelegt, dass der Markt des Gelegenheitsverkehrs im Zeitraum vor der Einführung der in Rede stehenden Beihilferegelung oder bei ihrer Einführung nicht Gegenstand des Handels zwischen den Mitgliedstaaten war. Sie hat sich darauf beschränkt, in der mündlichen Verhandlung geltend zu machen, dass dieser Markt im Vergleich mit dem des öffentlichen Personenlinienverkehrs marginal gewesen sei.

85      Die Cour administrative d’appel de Paris (Verwaltungsberufungsgericht Paris) hatte jedoch bereits in ihrem Urteil Nr. 15PA 00385 vom 27. November 2015 zu Recht auf die Bedeutung des Marktes der Personenbeförderung im Gelegenheitsverkehr hingewiesen. Daher hat die Kommission auf der Grundlage der Entscheidungen der nationalen Gerichte festgestellt, dass die in Rede stehende Beihilferegelung als eine Regelung anzusehen sei, die ab ihrer Einführung den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und den Wettbewerb beeinträchtigt habe, und auf dieser Grundlage ihre Einstufung als bestehende Beihilfe gemäß Art. 1 Buchst. b Ziff. v der Verordnung 2015/1589 verneint.

86      Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission keinen Verstoß gegen Art. 1 Buchst. b Ziff. i und v der Verordnung 2015/1589 begangen hat.

87      Daher ist der erste Klagegrund zurückzuweisen und die Klage insgesamt abzuweisen.

 V.      Kosten

88      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

89      Da die Klägerin in vorliegenden Fall unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Région Île-de-France trägt neben ihren eigenen Kosten auch die der Europäischen Kommission entstandenen Kosten.

Pelikánová

Valančius

Öberg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Juli 2019.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Französisch.