Language of document : ECLI:EU:C:2023:907

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

TAMARA ĆAPETA

vom 23. November 2023(1)

Rechtssache C351/22

Neves 77 Solutions SRL

gegen

Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Antifraudă Fiscală

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunalul București [Regionalgericht, Bukarest, Rumänien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik [GASP] – Restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren – Beschluss 2014/512/GASP des Rates – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Art. 2, 6, 19 und 24 EUV – Art. 267 und 275 AEUV – Verbot von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärgütern – Umsetzung durch die Mitgliedstaaten – Geldbuße – Einziehung erhaltener Geldbeträge – Einwand des Verstoßes gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts und die Grundrechte – Grundsatz der Rechtssicherheit – Grundsatz nulla poena sine lege – Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 1 des Protokolls Nr. 1 zur Europäischen Menschenrechtskonvention – Eigentumsrecht“






I.      Einleitung

1.        Als Reaktion auf die grundlose Verletzung der Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine durch die Russische Föderation erließ die Europäische Union 2014 mehrere restriktive Maßnahmen gegen dieses Land. In der vorliegenden Rechtssache geht es um restriktive Maßnahmen, die durch den Beschluss 2014/512/GASP eingeführt wurden(2).

2.        Die wichtigste Frage, die sich in dieser Rechtssache stellt, ist die Frage, ob der Gerichtshof angesichts der Beschränkung seiner Zuständigkeit im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) durch Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV die Befugnis hat, Bestimmungen des genannten Beschlusses auszulegen.

3.        Parallel zu der vorliegenden Rechtssache ist der Gerichtshof mit den beiden verbundenen Rechtssachen KS und KD/Rat u. a. und Kommission/KS u. a. (Rechtssachen C‑29/22 P und C‑44/22 P; im Folgenden: Rechtssachen KS und KD) befasst, in denen ich meine Schlussanträge am selben Tag stellen werde. In diesen beiden Rechtssachen stellt sich ebenfalls die Frage, in welchem Umfang die Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rahmen der GASP eingeschränkt ist. Ich werde daher gegebenenfalls auf meine Schlussanträge in diesen Rechtssachen verweisen.

4.        Der größere Kontext der beiden Gruppen von Rechtssachen sind die laufenden Verhandlungen über den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (im Folgenden: EMRK). Mit Ausnahme einer verbleibenden Frage, nämlich des Umfangs der Zuständigkeit der Unionsgerichte im Bereich der GASP, scheinen alle anderen Verhandlungskapitel, die aufgrund des Gutachtens 2/13(3) eröffnet wurden, abgeschlossen zu sein.

II.    Sachverhalt, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

5.        Neves 77 Solutions SRL (im Folgenden: Neves) ist ein 2014 gegründetes Unternehmen, dessen Haupttätigkeit in der Vermittlung des Verkaufs von Gütern im Bereich der Luftfahrt besteht.

6.        Neves vermittelte ein Rechtsgeschäft zwischen dem ukrainischen Unternehmen SFTE Spetstechnoexport (im Folgenden: SFTE) und dem indischen Unternehmen Hindustan Aeronautics Limited (im Folgenden: Hindustan).

7.        Im Jahr 2009 schlossen die beiden Unternehmen einen Vertrag, in dem sich SFTE gegenüber Hindustan verpflichtete, mehrere Flugzeuge zu liefern bzw. zu reparieren und dabei in Russland hergestellte Komponenten zu verwenden. Nach der Invasion der Ukraine in der Region Krim durch Russland im Jahr 2014 verzichtete die SFTE jedoch darauf, die für diesen Auftrag benötigten Teile und Ausrüstungen direkt aus Russland zu beziehen.

8.        Am 4. Januar 2019 schloss SFTE mit Neves einen Vertrag über den Kauf von 32 Funkstationen R‑800L2E, die in die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert werden sollten. Am 8. Januar 2019 schloss Neves ihrerseits einen Vertrag mit einem portugiesischen Unternehmen über den Kauf von 32 Funkstationen R‑800L2E, von denen 20 in Russland hergestellt und von dort in die Vereinigten Arabischen Emirate exportiert wurden. Auf Anforderung von SFTE ließ Neves diese 20 Funkstationen dann an Hindustan in Indien liefern.

9.        Mit Schreiben vom 26. Juli 2019 teilte die rumänische Ausfuhrkontrollbehörde (im Folgenden: ANCEX) Neves mit, dass die Funkstationen R‑800L2E in die Kategorie ML11 der Liste der Militärgüter fielen, die gemäß dem Erlass Nr. 901/2019 des Ministers für auswärtige Angelegenheiten (im Folgenden: Erlass Nr. 901/2019) dem System der Kontrolle von Ausfuhren, Einfuhren und anderen Tätigkeiten unterlägen(4). In diesem Schreiben wurde auch darauf hingewiesen, dass der Außenhandel mit diesen Gütern nach rumänischem Recht nur auf der Grundlage der Registrierungsbestätigung und der von ANCEX erteilten Ausfuhrgenehmigungen durchgeführt werden dürfe.

10.      Mit Schreiben vom 29. Juli 2019 teilte ANCEX Neves ferner mit, dass die Vermittlungstätigkeit in Bezug auf die Funkstationen R‑800L2E in den Anwendungsbereich der mit dem Beschluss 2014/512/GASP eingeführten restriktiven Maßnahmen gegen Russland falle.

11.      In ihrer Antwort auf diese beiden Schreiben führte Neves aus, dass die in Rede stehenden Funkstationen für die zivile Verwendung bestimmt seien und dass der Erlass Nr. 901/2019, mit der die Militärgüterliste der Union in rumänisches Recht umgesetzt worden sei und auf die sich ANCEX stütze, zum Zeitpunkt der Lieferung dieser Güter nicht anwendbar gewesen sei. Auch Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512/GASP sei nicht anwendbar gewesen, da diese Funkstationen nicht an Russland verkauft worden seien.

12.      Am 6. und 9. August 2019 erhielt Neves von SFTE Beträge in Höhe von insgesamt 2 984 961,40 Euro als Zahlung für die gemäß dem Vertrag vom 4. Januar 2019 gelieferten Funkstationen.

13.      Am 12. Mai 2020 erließ die rumänische Steuerverwaltungsbehörde – Abteilung Steuerbetrug (im Folgenden: ANAF)(5) einen Ordnungswidrigkeitenbescheid gegen Neves. ANAF war der Auffassung, dass Neves eine Ordnungswidrigkeit nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Dringlichkeitsverordnung Nr. 202/2008 begangen habe, weil sie gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 der Dringlichkeitsverordnung sowie gegen Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512/GASP verstoßen habe. Diese Dringlichkeitsverordnung regelt die Art und Weise der Umsetzung internationaler Sanktionen, einschließlich der von der Union verhängten Sanktionen, auf nationaler Ebene. Die von ANAF angeführten Bestimmungen der Dringlichkeitsverordnung sehen vor, dass Rechtsakte zur Verhängung internationaler Sanktionen (einschließlich von Beschlüssen der Union im Rahmen der GASP) für Behörden und alle in Rumänien ansässigen natürlichen oder juristischen Personen verbindlich sind. Außerdem enthalten sie die Verpflichtung, dass natürliche oder juristische Personen den zuständigen Behörden melden müssen, wenn sie in einem Rechtsverhältnis oder tatsächlichen Verhältnis im Zusammenhang mit Tätigkeiten stehen, die unter internationale Sanktionen fallen.

14.      Gegen Neves wurde daher eine Geldbuße von 30 000 rumänischen Lei (RON) (ca. 6 000 Euro) verhängt, und der Betrag von 14 113 003 RON (2 984 961,40 Euro), der dem Gegenwert der Beträge entspricht, die sie am 6. und 9. August 2019 von SFTE erhalten hatte, wurde eingezogen.

15.      In dem Ordnungswidrigkeitenbescheid führte ANAF aus, dass Neves, obwohl sie von ANCEX darüber informiert worden sei, dass die Funkstationen R‑800L2E in der Liste der Militärgüter aufgeführt seien, die der Regelung für die Kontrolle der Ausfuhr, Einfuhr und sonstiger Tätigkeiten unterlägen, und dass die dieses Gut betreffende Vermittlungstätigkeit in den Anwendungsbereich des Beschlusses 2014/512/GASP falle, die Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Verkauf dieser Güter fortgesetzt habe, indem sie die erhaltenen Geldbeträge auf einem rumänischen Bankkonto vereinnahmt habe.

16.      Neves focht diesen Bescheid vor der Judecătoria Sectorului 1 București (Gericht erster Instanz Stadtbezirk 2 Bukarest, Rumänien) an. Mit Urteil vom 2. November 2020 wurde die Klage von Neves als unbegründet abgewiesen.

17.      Neves legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest, Rumänien), dem vorlegenden Gericht in der vorliegenden Rechtssache, ein.

18.      Das vorlegende Gericht führt aus, dass Neves auf der Grundlage der nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der restriktiven Maßnahmen der Union eine verwaltungsrechtliche Sanktion in Form einer Geldbuße sowie eine zusätzliche Sanktion in Form der Einziehung der Beträge, die sie für ihre Vermittlungstätigkeit von SFTE erhalten habe, auferlegt worden sei. Mit den nationalen Vorschriften sei die gesonderte Pflicht eingeführt worden, den zuständigen Behörden jede Tätigkeit zu melden, die in den Anwendungsbereich des in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512/GASP vorgesehenen Verbots von Vermittlungsdiensten falle, und zwar unter Androhung der automatischen Einziehung aller sich aus der Verletzung der betreffenden Pflicht ergebenden Beträge.

19.      Im Hinblick auf das Vorbringen von Neves zur mangelnden Verhältnismäßigkeit der Sanktion der vollständigen Einziehung im Licht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) zu dem in Art. 1 des Protokolls Nr. 1 zur EMRK garantierten Eigentumsrecht(6) stelle sich die Frage, ob den nationalen Umsetzungsmaßnahmen bestimmte allgemeine Grundsätze des Unionsrechts und Rechte aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) entgegenstehen.

20.      Darüber hinaus sei fraglich, ob das in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512/GASP enthaltene Verbot von Vermittlungsdiensten auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar sei, in dem es um aus Russland stammende Güter gehe, die nicht physisch in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingeführt worden seien.

21.      Das vorlegende Gericht stellt fest, dass die Bestimmungen des Beschlusses 2014/512/GASP, um deren Auslegung ersucht wird, bisher noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Gerichtshofs gewesen seien und dass sich die Umstände der vorliegenden Rechtssache von denen unterschieden, die zu dem Urteil Rosneft(7) geführt hätten.

22.      Unter diesen Umständen hat das Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Kann der Beschluss 2014/512/GASP, insbesondere seine Art. 5 und 7, im Licht der Grundsätze der Rechtssicherheit und nulla poena sine lege dahin ausgelegt werden, dass er (als zivilrechtliche Sanktion) eine nationale Maßnahme zulässt, die die vollständige Einziehung der Beträge aus einer Tätigkeit wie der in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512/GASP genannten erlaubt, wenn feststeht, dass eine nach nationalem Recht als Ordnungswidrigkeit eingestufte Handlung begangen wurde?

2.      Ist Art. 5 des Beschlusses 2014/512/GASP dahin auszulegen, dass er es den Mitgliedstaaten gestattet, nationale Maßnahmen zu erlassen, die die automatische Einziehung aller Beträge vorsehen, die sich aus einer Verletzung der Pflicht zur Meldung einer in den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512/GASP fallenden Tätigkeit ergeben?

3.      Findet das Verbot des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512/GASP Anwendung, wenn die Güter, bei denen es sich um Militärausrüstungen handelt, die Gegenstand von Vermittlungstätigkeiten waren, nie physisch in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats eingeführt wurden?

23.      Die Europäische Kommission hat schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht. Darüber hinaus haben die rumänische Regierung und die Kommission im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 62 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs schriftlich zusätzliche Fragen beantwortet, darunter eine Frage zur Zuständigkeit des Gerichtshofs in der vorliegenden Rechtssache.

24.      In der Sitzung vom 27. Juni 2023 haben Neves, die niederländische und die österreichische Regierung, der Rat und die Kommission mündliche Ausführungen gemacht.

III. Würdigung

A.      Restriktive Maßnahmen der Union im Allgemeinen und die in der vorliegenden Rechtssache einschlägigen im Besonderen

1.      Erlass und Umsetzung restriktiver Maßnahmen

25.      Im Rahmen der GASP kann der Rat nach Maßgabe der in Art. 21 EUV genannten Ziele der GASP die Verhängung restriktiver Maßnahmen gegen Drittländer, Organisationen oder Einzelpersonen beschließen.

26.      Allgemein ausgedrückt besteht der Zweck restriktiver Maßnahmen darin, eine Änderung in der Politik oder im Handeln des Landes oder des Landesteils, der Regierung, der Organisationen oder der Einzelpersonen zu bewirken(8). Gemäß der Weltkarte der EU-Sanktionen(9) sind derzeit über 40 (meist länderbezogene) restriktive Maßnahmen der Union in Kraft.

27.      Restriktive Maßnahmen werden vom Rat auf der Grundlage von Art. 29 EUV beschlossen und auf Unions- oder nationaler Ebene umgesetzt.

28.      Maßnahmen, die Fragen betreffen, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten oder in geteilte Zuständigkeiten fallen, die noch nicht auf Unionsebene ausgeübt worden sind, werden nur auf nationaler Ebene umgesetzt. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, da sie rechtlich verpflichtet sind, im Einklang mit den Beschlüssen des Rates im Rahmen der GASP zu handeln(10). Bisher wurden Maßnahmen wie Waffenembargos und Reiseverbote unmittelbar von den Mitgliedstaaten umgesetzt(11).

29.      Restriktive Maßnahmen, die in die Zuständigkeit der Union fallen, werden grundsätzlich auf Unionsebene umgesetzt. So werden Maßnahmen, die auf die vollständige oder teilweise Aussetzung oder Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen zu einem Drittstaat abzielen, einschließlich des Einfrierens von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen, vom Rat auf gemeinsamen Vorschlag des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und der Kommission als Verordnung nach Art. 215 AEUV (im Folgenden: Verordnung nach Art. 215) erlassen(12). Diese Verordnungen sind verbindlich und gelten unmittelbar in der gesamten Union, so dass eine einheitliche Anwendung der restriktiven Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten gewährleistet ist(13). Außerdem kann eine Verordnung nach Art. 215, anders als ein GASP-Beschluss, unmittelbar Verpflichtungen für Einzelpersonen in den Mitgliedstaaten begründen. Selbst wenn die restriktiven Unionsmaßnahmen durch eine Verordnung nach Art. 215 umgesetzt werden, können allerdings zu ihrer praktischen Durchführung zusätzliche Maßnahmen auf nationaler Ebene erforderlich sein.

30.      GASP-Beschlüsse nach Art. 29 EUV und Verordnungen nach Art. 215 haben nicht unbedingt denselben Inhalt. Ein GASP-Beschluss kann Maßnahmen umfassen, die innerhalb und außerhalb der Zuständigkeiten des AEU‑Vertrags liegen. In einem solchen Fall würde eine Verordnung nach Art. 215 nicht den gesamten Inhalt des Beschlusses umsetzen(14). Wird ein GASP-Beschluss durch eine Verordnung nach Art. 215 umgesetzt, kann er in dieser Verordnung näher ausgeführt werden.

2.      In der vorliegenden Rechtssache einschlägige restriktive Maßnahmen gegen Russland

31.      Als Reaktion auf die russische Invasion der ukrainischen Region der Krim hat die Europäische Union bereits im März 2014 den Beschluss 2014/145/GASP(15) erlassen. Dieser Beschluss sah gegenüber bestimmten Personen Reisebeschränkungen und das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen vor. Er wurde durch die Verordnung 269/2014(16) umgesetzt.

32.      In der Folge führte der Rat, da Russland den Forderungen der Europäischen Union nicht nachkam, mit dem Beschluss 2014/512/GASP ein Bündel weiterer restriktiver Maßnahmen der Union ein. Es wurden Beschränkungen in Bezug auf Finanzdienstleistungen, Güter mit doppeltem Verwendungszweck, sensible Technologien und Militärgüter eingeführt(17). Diese Maßnahmen wurden angesichts der anhaltenden militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine mehrfach geändert(18). Die vorliegende Rechtssache betrifft jedoch nur die durch den Beschluss 2014/512/GASP erlassenen Maßnahmen.

33.      In Art. 2 dieses Beschlusses sind verschiedene Verbote in Bezug auf Rüstungsgüter und zugehörige militärische Güter festgelegt(19). Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses enthält ein Verbot von Vermittlungsdiensten in Bezug auf Militärgüter. Danach sind untersagt:

„technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder andere Dienste im Zusammenhang mit militärischen Aktivitäten und der Bereitstellung, Herstellung, Instandhaltung und Nutzung von Rüstungsgütern und zugehörigen Gütern aller Art, einschließlich Waffen und Munition, Militärfahrzeugen und ‑ausrüstung, paramilitärischer Ausrüstung und entsprechenden Ersatzteilen unmittelbar oder mittelbar für eine natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung in Russland oder zur Verwendung in Russland zu erbringen“(20).

34.      Am selben Tag wie den Beschluss 2014/512/GASP erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 AEUV die Verordnung Nr. 833/2014(21) zur Umsetzung des Beschlusses. Die Verordnung Nr. 833/2014 enthielt ursprünglich kein Verbot von Vermittlungsdiensten für Militärgüter(22). Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung war verboten:

„für natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland unmittelbar oder mittelbar technische Hilfe im Zusammenhang mit den in der Gemeinsamen Militärgüterliste aufgeführten Gütern und Technologien oder im Zusammenhang mit der Bereitstellung, Herstellung, Wartung und Verwendung der in dieser Liste aufgeführten Güter zu erbringen“.

35.      Erst kürzlich, am 23. Juni 2023, änderte der Rat Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 833/2014(23) und fügte nach den Worten „technische Hilfe“ die Worte „oder Vermittlungsdienste“ ein(24). Diese Änderung ist jedoch in zeitlicher Hinsicht nicht auf das Ausgangsverfahren anwendbar.

36.      Das Verbot von Vermittlungsdiensten in Bezug auf Militärgüter gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512/GASP war daher zum maßgebenden Zeitpunkt nicht durch die Verordnung 833/2014 umgesetzt gewesen.

37.      Zu den Gründen, aus denen dieses Verbot nicht in einer Verordnung nach Art. 215 umgesetzt wurde, hat der Rat Folgendes ausgeführt: Für die Ausfuhr von Waffen gelte der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP(25), der alle derartigen Ausfuhren regele und nicht nur solche in Länder, gegen die die Union ein Waffenembargo verhängt habe. Er bestimme, dass die Mitgliedstaaten für jede Ausfuhr von Militärgütern eine Genehmigung erteilen müssten. Daher könne niemand Waffen aus der Europäischen Union exportieren, ohne bei der zu diesem Zweck in jedem Mitgliedstaat eingerichteten Stelle eine Genehmigung einzuholen. Nach diesem Gemeinsamen Standpunkt seien die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Genehmigung für eine Waffenausfuhr zu verweigern, wenn diese u. a. gegen ein Waffenembargo verstoße, das für die Mitgliedstaaten verbindlich sei(26). Um die Anwendung dieses Gemeinsamen Standpunkts zu erleichtern, sei eine Gemeinsame Militärgüterliste der Europäischen Union beschlossen worden(27). Alle in dieser Liste aufgeführten Güter unterlägen den Ausfuhrkontrollen gemäß dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP(28).

38.      Dieses allgemeine System zur Regelung von Waffenexporten sei der Grund dafür, dass Verbote direkter Waffenexporte in Länder, die Sanktionen (Waffenembargos) unterlägen, nicht in Verordnungen nach Art. 215 aufgenommen würden. Solche Verordnungen müssten immer dann erlassen werden, wenn die Durchsetzung restriktiver Maßnahmen es erfordere, Einzelpersonen in den Mitgliedstaaten Pflichten aufzuerlegen, weil dies nicht unmittelbar durch einen GASP-Beschluss selbst erfolgen könne. Da jedoch alle Mitgliedstaaten Genehmigungssysteme hätten schaffen und für alle Waffenexporteure auf ihrem Hoheitsgebiet die Pflicht hätten vorsehen müssen, eine solche Genehmigung einzuholen, bestehe kein Bedarf für eine Verordnung nach Art. 215.

39.      Allerdings enthalte der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP keine eindeutige Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, Genehmigungspflichten für Vermittlungsdienste im Zusammenhang mit Militärgütern vorzuschreiben, auch wenn Art. 1 Abs. 2 des Gemeinsamen Standpunkts vorsehe, dass Anträge auf Ausfuhrgenehmigungen auch Anträge auf Lizenzen für Waffenvermittlertätigkeiten umfassten(29). Aus diesem Grund sei die Handhabung nicht einheitlich: Manchmal werde es als notwendig erachtet, das Verbot von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärgütern durch eine Verordnung nach Art. 215 umzusetzen, manchmal nicht(30).

40.      Auch wenn ich die Erläuterungen des Rates nicht für überzeugend halte, ändert dies nichts daran, dass das Verbot von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärgütern nicht in die Verordnung Nr. 833/2014 in der hier einschlägigen Fassung aufgenommen worden war.

B.      Umformulierung der Fragen und Zuständigkeit des Gerichtshofs

41.      Das Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest) hat seine Vorlagefragen als Fragen zur Auslegung einiger Bestimmungen des Beschlusses 2014/512/GASP abgefasst. Wie sich aus seinen Erläuterungen zu den Gründen der Vorlage ergibt, ersucht es den Gerichtshof aber im Wesentlichen um Hinweise zur Vereinbarkeit nationaler Umsetzungsmaßnahmen mit unionsrechtlichen Grundrechten und Grundsätzen.

42.      Nach rumänischem Recht werden Personen, die unter Verstoß gegen die restriktiven Maßnahmen der Union Vermittlungsdienste erbringen, mit einer Verwaltungsstrafe und der Einziehung des gesamten Gewinns aus der verbotenen Tätigkeit als zivilrechtlicher Sanktion belegt. Diese Sanktionen beruhen auf Entscheidungen des nationalen Gesetzgebers bei der Anwendung restriktiver Maßnahmen der Union, einschließlich der gegen Russland verhängten. Diese Maßnahmen sind nicht durch den Beschluss 2014/512/GASP vorgeschrieben, und es gibt auch keinen Verfahrensbeteiligten, der dies vorgetragen hätte.

43.      Somit erfordern die ersten beiden Fragen, auch wenn sie so formuliert sind, dass mit ihnen um die Auslegung einiger Bestimmungen des Beschlusses 2014/512/GASP ersucht wird, in Wirklichkeit nicht die Auslegung dieses Beschlusses. Sie erfordern vielmehr, dass der Gerichtshof bestimmte, vom vorlegenden Gericht angeführte Grundsätze des Unionsrechts auslegt, nämlich die Rechtssicherheit, nulla poena sine lege und das Eigentumsrecht.

44.      Ich schlage daher vor, die ersten beiden Vorlagefragen umzuformulieren.

45.      Die erste Frage geht im Wesentlichen dahin, ob die Grundsätze der Rechtssicherheit und nulla poena sine lege sowie das Eigentumsgrundrecht dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Maßnahmen entgegenstehen, die die vollständige Einziehung der Erlöse aus der nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512/GASP verbotenen Tätigkeit vorsieht.

46.      Mit der zweiten Frage wird im Kern gefragt, ob diese unionsrechtlichen Rechte und Grundsätze dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Maßnahmen entgegenstehen, die vorsehen, dass eine solche Einziehung bei einer Verletzung der Pflicht zur Meldung einer in den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512/GASP fallenden Tätigkeit automatisch erfolgt.

47.      Die dritte Frage erfordert die Auslegung des Beschlusses 2014/512/GASP selbst, soweit er sich auf den Begriff der Vermittlungsdienste bezieht, die nach diesem Beschluss untersagt sind.

48.      Meines Erachtens ist der Gerichtshof durch nichts daran gehindert, die ersten beiden Fragen in der umformulierten Form zu beantworten. Der Gerichtshof ist für die Auslegung der allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze und der Grundrechte, wie sie in der Charta zum Ausdruck kommen, zuständig. Dies gilt selbst dann, wenn die Auslegung des Gerichtshofs für die Prüfung erheblich ist, die ein nationales Gericht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit nationaler Maßnahmen zur Durchführung der GASP vornimmt.

49.      Wie ich in meinen Schlussanträgen in den Rechtssachen KS und KD(31) ausführe, ist der Gerichtshof für die Auslegung der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und der Grundrechte, wie sie in der Charta zum Ausdruck kommen, auch dann zuständig, wenn diese Auslegung für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des GASP-Beschlusses erheblich ist. Dies ist nicht die Situation, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht. Hätte der Beschluss 2014/512/GASP selbst die Einziehung als eine von den Mitgliedstaaten umzusetzende Maßnahme vorgeschrieben, wäre das Ersuchen eines nationalen Gerichts allerdings ein Ersuchen um Prüfung der Gültigkeit einer GASP-Maßnahme. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Entscheidung über ein solches Vorabentscheidungsersuchen wird durch Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV nicht ausgeschlossen.

50.      Ich halte diese Auslegung von Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV für erforderlich, weil sie eine Ausnahme von der allgemeinen Zuständigkeit des Gerichtshofs nach den Verträgen regeln und daher einschränkend auszulegen sind(32). Bei dieser Auslegung schließen diese Vertragsbestimmungen die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Überprüfung der Vereinbarkeit von GASP-Maßnahmen, einschließlich solcher mit allgemeiner Geltung, mit den unionsrechtlich geschützten Grundrechten nicht aus. Eine Auslegung von Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV, bei der die Zuständigkeit des Gerichtshofs in solchen Fällen ausgeschlossen wäre, wäre mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Union unvereinbar. Damit würde der Gerichtshof seiner verfassungsmäßigen Aufgabe beraubt, dafür zu sorgen, dass die Organe und Einrichtungen der Union nicht gegen unionsrechtlich garantierten Grundrechte verstoßen. Das würde dazu führen, dass der Einzelne ohne wirksamen gerichtlichen Schutz seiner in der Union verankerten Grundrechte bliebe. Dies kann nicht die Absicht der Verfasser der Verträge gewesen sein, als sie die Zuständigkeit des Gerichtshofs im Bereich der GASP begrenzten.

51.      Die Absicht der Verfasser der Verträge dürfte im Gegenteil gewesen sein, die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Auslegung von GASP-Maßnahmen nur insoweit auszuschließen, als es sich um die Klärung ihrer Bedeutung für die Zwecke ihrer Anwendung in den Mitgliedstaaten handelt. Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV sind somit dahin auszulegen, dass sie eine derartige Zuständigkeit ausschließen. Dies werde ich in meiner Antwort auf die dritte Frage näher erläutern.

C.      Erste und zweite Frage

52.      Die ersten beiden Fragen beziehen sich auf die mögliche Rechtswidrigkeit der nach rumänischem Recht verhängten Einziehungsmaßnahmen. Das vorlegende Gericht hat drei mögliche Gründe für eine Rechtswidrigkeit angeführt: einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, den Grundsatz nulla poena sine lege und das Eigentumsrecht.

53.      Nach meiner Ansicht und den Ausführungen der Kommission sind die beiden zuerst genannten Grundsätze in der vorliegenden Rechtssache nicht einschlägig.

54.      Der Grundsatz der Rechtssicherheit in dem Sinne, in dem er von Neves geltend gemacht worden ist, steht der rückwirkenden Anwendung einer neuen Rechtsvorschrift auf einen vor ihrem Inkrafttreten entstandenen Sachverhalt entgegen(33). In der vorliegenden Rechtssache trägt Neves vor, dass der Erlass Nr. 901/2019, mit dem Rumänien die Liste der Rüstungsgüter festgelegt und damit die Unionsliste umgesetzt habe, zu dem Zeitpunkt, zu dem sie das Geschäft über die in Rede stehenden Funkstationen abgeschlossen habe, noch nicht in Kraft gewesen sei. Der Erlass Nr. 901/2019 enthält jedoch eine Liste von Militärgütern, die mit der Liste im Erlass Nr. 156/2018 übereinstimmt, der zum maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft war. Daher stellt sich das Problem der rückwirkenden Gesetzesanwendung hier nicht.

55.      Der Grundsatz nulla poena sine lege bezieht sich auf die Gesetzmäßigkeit und Vorhersehbarkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen(34). Da es sich bei der Einziehung, die in den nationalen Maßnahmen vorgeschrieben ist, aber nicht um eine strafrechtliche, sondern um eine zivilrechtliche Sanktion handelt, ist nicht ersichtlich, wie dieser Grundsatz vorliegend zur Anwendung kommen könnte.

56.      Allerdings greift die Einziehung zweifellos in das Eigentumsrecht ein, wie es in Art. 17 Abs. 1 der Charta garantiert ist. Dieses Recht ist nicht absolut und kann gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden, um anerkannte dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen zu erreichen.

57.      Um das vorlegenden Gerichts bei der Klärung der Frage, ob eine Einschränkung des Eigentumsrechts zulässig ist, um die öffentlichen Ziele des Beschlusses 2014/512/GASP zu erreichen, zu unterstützen, bedarf es einer Auslegung der Charta.

58.      Eine ähnliche Frage hat der Gerichtshof bereits im Urteil Rosneft geprüft(35). In jener Rechtssache hat der Gerichtshof das Vorbringen zurückgewiesen, wonach bestimmte Vorschriften des Beschlusses 2014/512/GASP, mit denen individuelle restriktive Maßnahmen verhängt wurden, und die entsprechenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 833/2014 ungültig seien, weil damit die Einziehung von Vermögenswerten und ein Eingriff in Eigentumsrechte ermöglicht würden. Der Gerichtshof hat auf sein Urteil Bosphorus(36) verwiesen, in dem er die Auffassung vertreten hat, dass restriktive Maßnahmen definitionsgemäß Auswirkungen haben, die die Eigentumsrechte und die freie Berufsausübung beeinträchtigen und die er in dem betreffenden Fall als gerechtfertigt angesehen hat, auch wenn sie Parteien schädigen, die für die Situation, die zum Erlass der Sanktionen geführt hat, nicht verantwortlich sind. Der Gerichtshof hat im Urteil Rosneft festgestellt, dass solche Beschränkungen erst recht im Hinblick auf die Folgen restriktiver Maßnahmen für Organisationen, gegen die diese Maßnahmen gerichtet sind, gerechtfertigt sind(37).

59.      Im Urteil Rosneft hat der Gerichtshof weiter ausgeführt, dass die restriktiven Maßnahmen gegen Russland die Ziele verfolgen, die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu schützen und eine friedliche Beilegung der Krise in diesem Land zu unterstützen. Ihre Verwirklichung ist Teil des übergeordneten Ziels der Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit im Einklang mit Art. 21 EUV(38). Diese Ziele rechtfertigten nach Ansicht des Gerichtshofs Eingriffe in das Eigentumsrecht der Klägerin.

60.      Festzuhalten ist also, dass die Ziele der restriktiven Maßnahmen gegen Russland eine Beschränkung des Rechts auf Eigentum rechtfertigen können. Damit stellt sich als Nächstes die Frage, ob die Einziehung eine verhältnismäßige Maßnahme zur Erreichung dieser legitimen Ziele ist und ob es nicht einen übermäßigen Eingriff darstellt, bei einer unterlassenen Meldung der durch die restriktiven Maßnahmen verbotenen Tätigkeit die automatische Einziehung vorzuschreiben.

61.      Nationale Maßnahmen zur Umsetzung der restriktiven Maßnahmen der Union müssen so gestaltet sein, dass die Ziele der restriktiven Maßnahmen erreicht werden. In diesem Sinne müssen sie eine abschreckende Wirkung haben. Bei der Wahl der insoweit geeigneten Maßnahmen verfügen die Mitgliedstaaten über einen Entscheidungsspielraum. Dies ist notwendig, da die Situation in jedem Mitgliedstaat anders sein kann. Welche Maßnahmen ausreichen, um Unternehmen und Einzelpersonen davon abzuhalten, sich an verbotenen Tätigkeiten zu beteiligen, lässt sich möglicherweise nur länderspezifisch beantworten. Meines Erachtens kann es, wie von der Kommission ausgeführt, tatsächlich notwendig sein, zusätzlich zu einer Geldbuße die Einziehung vorzusehen, da die Verhängung der Geldbuße allein nicht die gewünschte Wirkung entfalten kann, weil ihre Höhe im Vergleich zu den für die verbotene Tätigkeit erhaltenen Beträgen nicht ins Gewicht fällt.

62.      Aber auch wenn ein nationales Gericht den nationalen Besonderheiten Rechnung tragen kann, muss es doch auch die Anforderungen des Unionsrechts in Bezug auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigen. Gemäß Art. 52 Abs. 3 der Charta ist bei der Auslegung von Art. 17 der Charta die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 1 des Protokolls Nr. 1 zur EMRK, der den Schutz des Eigentumsrechts als Mindestschutzschwelle festlegt, zu berücksichtigen(39).

63.      In den Fällen, in denen der EGMR Einziehungsmaßnahmen als unverhältnismäßig angesehen hat, belasteten diese den Einzelnen übermäßig, da dabei Gesichtspunkte wie die rechtmäßige Herkunft der eingezogenen Beträge und eine fehlende Absicht, die Behörden zu täuschen, nicht berücksichtigt wurden. In einigen Fällen ging es auch darum, ob die Einziehung eine zusätzliche Strafe darstellte(40).

64.      Im vorliegenden Fall wird die Einziehung als automatische Maßnahme verhängt, und zwar dann, wenn die Meldung der verbotenen Tätigkeit unterlassen wird. Es ist zuzugeben, dass sich eine automatische Einziehung, bei der dem Gericht eine Beurteilung der zugrunde liegenden Umstände nicht möglich ist, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich als problematisch erweisen könnte. Nach dem rumänischen Recht scheint jedoch der Automatismus der Einziehung daran anzuknüpfen, dass eine verbotene und damit rechtswidrige Tätigkeit nicht gemeldet wurde. Wenn also der Richter feststellt, dass die Tätigkeit rechtmäßig war, hätte dies nicht automatisch die Einziehung zur Folge.

65.      Aus diesem Grund, den zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, halte ich die automatische Einziehung für eine Beschränkung des Eigentumsrechts, die in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ziel steht, Personen davon abzuhalten, gegen die gegen Russland verhängten restriktiven Maßnahmen zu verstoßen, die ihrerseits zur Erreichung legitimer öffentlicher Ziele erlassen wurden(41).

66.      Die erste und die zweite Frage sind daher meines Erachtens dahin zu beantworten, dass nationale Maßnahmen, die die vollständige Einziehung der Erlöse aus einer unter Verstoß gegen den Beschluss 2014/512/GASP ausgeführten Tätigkeit vorsehen, eine verhältnismäßige Beschränkung des Eigentumsrechts darstellen. Dies gilt selbst dann, wenn die Einziehung eine automatische Folge der unterlassenen Meldung der Tätigkeit bei den zuständigen nationalen Behörden ist.

D.      Dritte Frage

67.      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Verbot des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512/GASP auch dann gilt, wenn die Militärgüter, die Gegenstand von Vermittlungsgeschäften waren, zu keinem Zeitpunkt physisch in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingeführt wurden.

68.      Mit dieser Frage bittet das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Auslegung einer allgemeinen Bestimmung eines GASP-Beschlusses, mit dem restriktive Maßnahmen gegen ein Drittland verhängt werden.

69.      Der Gerichtshof hatte noch keine Gelegenheit zur Klärung, ob Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV eine solche Zuständigkeit ausschließen.

70.      Nach meiner Auffassung ist die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Auslegung von Bestimmungen der GASP-Maßnahmen nach Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV in der Tat insoweit ausgeschlossen, als es darum geht, die Bedeutung dieser Bestimmungen zu klären.

71.      Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Zweck der in den beiden Vertragsbestimmungen enthaltenen Zuständigkeitsbeschränkung. Bei diesen Bestimmungen ging es den Verfassern der Verträge im Wesentlichen um einen Ausschluss des Gerichtshofs vom politischen Entscheidungsprozess im Rahmen der GASP. Ist der Gerichtshof befugt, zwischen mehreren möglichen Bedeutungen einer gesetzlichen Regelung zu wählen, hat dies zwangsläufig Einfluss auf die politische Entscheidung, die der oder die Verfasser dieser gesetzlichen Regelung getroffen haben. Dies gilt unabhängig davon, dass die richterliche Auslegung u. a. dadurch beschränkt ist, dass Regelungen im Einklang mit der Absicht ihres Verfassers bzw. ihrer Verfasser auszulegen sind. Eine solche Absicht ist aber nicht immer offensichtlich, was bedeutet, dass sie selbst zu einer Frage der gerichtlichen Auslegung wird(42).

72.      Steht dieser Standpunkt im Widerspruch zu meiner Auffassung, dass der Gerichtshof die Einhaltung der Grundrechte bei allen GASP-Maßnahmen, einschließlich der Maßnahmen mit allgemeiner Geltung, prüfen kann (siehe Nrn. 49 und 50 der vorliegenden Schlussanträge)? Schließlich erfordern die gedanklichen Schritte der gerichtlichen Überprüfung ein Verständnis der auszulegenden Vorschrift und der Regelung, anhand deren sie ausgelegt wird. Daher muss der Gerichtshof bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer GASP-Maßnahme mit der Charta nicht nur die Charta, sondern auch die GASP-Bestimmung auslegen, deren Rechtmäßigkeit geprüft wird. Ein solcher Widerspruch besteht jedoch nicht, wenn man davon ausgeht, dass der Gerichtshof bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit an die Bedeutung gebunden ist, die der Verfasser der überprüften Maßnahme beimisst und die er entweder als Partei in einem Klageverfahren vor dem Gerichtshof oder als Beteiligter am Vorabentscheidungsverfahren geltend macht. Was der Gerichtshof ungeachtet der Zuständigkeitsbeschränkung nach Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV beurteilen kann, ist die Frage, ob eine GASP-Bestimmung, wie sie von ihrem Verfasser verstanden wird, im Licht der unionsrechtlichen Grundrechte und Grundsätze zulässig ist.

73.      Wird der Gerichtshof, wie in der vorliegenden Rechtssache, hingegen im Vorabentscheidungsverfahren mit einem Ersuchen um Klärung der Bedeutung einer für das vorlegende Gericht unklaren GASP-Bestimmung befasst, ist er mit einer Bestimmung konfrontiert, der zwangsläufig unterschiedliche Bedeutungen beigemessen werden können. Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens muss der Gerichtshof dann entscheiden, welche Bedeutung die „richtige“ ist.

74.      Man kann sich zu Recht fragen, warum der Gerichtshof bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Bestimmung der vom Verfasser dargelegten Bedeutung zu folgen hat, bei der Auslegung im Vorabentscheidungsverfahren der Bestimmung aber eine andere Bedeutung als die vom Verfasser vorgetragene beimessen kann.

75.      Der Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Zielsetzung der zwei Arten von Gerichtsbarkeit, die der Gerichtshof ausübt. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer GASP-Maßnahme (z. B. im Rahmen von Nichtigkeitsklagen, Vorabentscheidungen über die Gültigkeit oder Schadensersatzklagen) zielt darauf ab, festzustellen, dass eine Bestimmung in der vom Rat beabsichtigten Bedeutung im Widerspruch zur Unionsrechtsordnung steht. Mit anderen Worten: Der Gerichtshof darf nicht in Frage stellen, was der Rat gemeint hat, aber er darf prüfen, ob das, was der Rat gemeint hat, im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen der Union steht.

76.      Im Gegensatz dazu geht es im Rahmen eines die Auslegung betreffenden Vorabentscheidungsersuchens um die Bedeutung der Bestimmung, so wie sie von verschiedenen Akteuren, wie ihrem Verfasser bzw. ihren Verfassern, den Parteien des Ausgangsverfahrens und dem vorlegenden Gericht selbst, verstanden wurde. Nach dem Abschluss des Entscheidungsprozesses führt die Bestimmung gewissermaßen ein „Eigenleben“. Wenn es möglich ist, ihr bei ihrer Anwendung mehrere Bedeutungen zuzuschreiben, (und dies ist nur dann möglich, wenn diese Bedeutungen nicht gegen die Grundrechte und Grundsätze der Union verstoßen), gibt es keinen Grund, warum eine Bedeutung Vorrang vor einer anderen haben sollte. Im Interesse der Einheitlichkeit hat die Verfassungsordnung der Union dem Gerichtshof die Befugnis übertragen, eine der möglichen Bedeutungen zu bestimmen. Diese Befugnis wurde in der GASP ausgeschlossen.

77.      Diese Beschränkung der Zuständigkeit geht zwangsläufig mit einem Verlust an Einheitlichkeit des GASP-Rechts einher. Da der Begriff der Vermittlungsdienste unterschiedlich ausgelegt werden kann, kann er vor den Gerichten eines Mitgliedstaats eine bestimmte Bedeutung haben und vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats eine andere Bedeutung. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Verfasser der Verträge die Möglichkeit solcher Abweichungen in Kauf genommen haben, als sie die Zuständigkeit des Gerichtshofs durch Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV beschränkt haben. Es ist denkbar, dass die Verfasser der Verträge es vorgezogen haben, solche Divergenzen durch politische und nicht durch juristische Mechanismen zu lösen. Wenn dem Gerichtshof die Aufgabe, die Einheitlichkeit zu gewährleisten, in der Weise übertragen werden soll, wie er sie nach dem AEU‑Vertrag wahrnimmt, müsste die auf diesen beiden Artikeln beruhende Beschränkung der Zuständigkeit durch eine Änderung der Verträge aufgehoben werden.

78.      Wird ein GASP-Beschluss jedoch nicht, wie im vorliegenden Fall, von den Mitgliedstaaten, sondern von der Union durch eine Verordnung nach Art. 215 umgesetzt, verfügt der Gerichtshof über eine umfassende Auslegungsbefugnis in Bezug auf diese Verordnung und kann sie im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens ausüben(43). Eine Verordnung nach Art. 215 ist eine Maßnahme nach dem AEU‑Vertrag, mit der die Union festlegt, welche Bedeutung sie einer Bestimmung eines GASP-Beschlusses beimisst. Da möglicherweise nicht klar ist, welche Bedeutung die Union gewählt hat, ist es nach den Verträgen Aufgabe des Gerichtshofs, dies zu klären, um die einheitliche Anwendung der Verordnung zu gewährleisten.

79.      Konkret bedeutet dies, dass es, wenn die Verordnung Nr. 833/2014 Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512/GASP vollständig umgesetzt hätte, indem sie das Verbot von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärgütern aufgenommen hätte, Sache des Gerichtshofs wäre, auszulegen, ob der Begriff der Vermittlungsdienste Tätigkeiten im Zusammenhang mit Gütern umfasst, die nie physisch in das Gebiet eines Mitgliedstaats eingeführt wurden. Die Auslegung des Gerichtshofs würde jedoch nur diese Verordnung und nicht den GASP-Beschluss betreffen.

80.      In diesem Sinne kann dem Argument der Kommission nicht gefolgt werden, wonach der Gerichtshof für die Auslegung des Beschlusses 2014/512/GASP zuständig sei, weil das Verbot von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärgütern durch die Verordnung Nr. 833/2014 hätte umgesetzt werden müssen. Selbst wenn es zuträfe, dass der Rat die Vermittlungsdienste irrtümlich nicht in eine Verordnung nach Art. 215 aufgenommen hat, hätte die Auslegung des Begriffs der Vermittlungsdienste in dieser Verordnung nämlich keinen Einfluss auf die Bedeutung dieses Begriffs im GASP-Beschluss. Aus diesem Grund bedarf es keiner Prüfung der Frage, ob nach den Verträgen eine Verpflichtung zur Umsetzung des Verbots von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärgütern bestand.

81.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, sich hinsichtlich der Beantwortung der dritten Frage für unzuständig zu erklären.

IV.    Ergebnis

82.      Ich schlage dem Gerichtshof vor, die vom Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest, Rumänien) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Der Grundsatz der Rechtssicherheit, der Grundsatz nulla poena sine lege und das Eigentumsgrundrecht stehen nationalen Maßnahmen nicht entgegen, die die vollständige Einziehung der Erlöse aus einer unter Verstoß gegen den Beschluss 2014/512/GASP ausgeführten Tätigkeit vorsehen. Dies gilt selbst dann, wenn die Einziehung eine automatische Folge der unterlassenen Meldung der Tätigkeit bei den zuständigen nationalen Behörden ist.

Der Gerichtshof ist für die Entscheidung über die dritte Frage nicht zuständig.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Beschluss 2014/512/GASP des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2014, L 229, S. 13).


3      Vgl. Gutachten 2/13 (Beitritt der Europäischen Union zur EMRK) vom 18. Dezember 2014 (EU:C:2014:2454, Rn. 153 bis 258), in dem der Gerichtshof erläutert hat, aus welchen Gründen der Entwurf des Vertrags über den Beitritt der Union zur EMRK in der damals vorgeschlagenen Fassung nicht im Einklang mit den Verträgen stand.


4      Wie in der Vorlageentscheidung angegeben, ersetzte der Erlass Nr. 901/2019, der vom 5. Juli 2019 bis zum 6. Oktober 2021 in Kraft war, den vorherigen Erlass Nr. 156/2018 des Außenministers zur Genehmigung der Liste der Militärgüter, die der Regelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Einfuhr und sonstigen Tätigkeiten unterliegen, der vom 5. März 2018 bis zum 4. Juli 2019 in Kraft gewesen war. Die Anhänge dieser Erlasse enthielten insbesondere die Kategorie ML11 mit dem Titel „Elektronikgeräte, ,Raumfahrzeuge‘ und Bauteile, die in dieser Liste anderweit nicht spezifiziert sind“.


5      Wie im Vorlagebeschluss angegeben, hatte das rumänische Nationale Amt für die Prävention und Bekämpfung von Geldwäsche zuvor eine Anzeige gegen Neves wegen einer mutmaßlichen Straftat der Geldwäsche eingereicht, die jedoch am 11. Mai 2020 mit der Begründung zu den Akten gelegt wurde, dass keine Straftat begangen worden sei.


6      Das vorlegende Gericht bezieht sich auf das Urteil des EGMR vom 6. April 2009, Ismayilov/Russland (CE:ECHR:2008:1106JUD003035203), und das Urteil des EGMR vom 9. Oktober 2009, Moon/Frankreich (CE:ECHR:2009:0709JUD003997303).


7      Urteil vom 28. März 2017 (C‑72/15, EU:C:2017:236; im Folgenden: Urteil Rosneft).


8      Vgl. z. B. Leitlinien zur Umsetzung und Evaluierung restriktiver Maßnahmen (Sanktionen) im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Generalsekretariat des Rates, Brüssel, Dok. 5664/18, 4. Mai 2018 (im Folgenden: Sanktionsleitlinien), Nr. 4.


9      Verfügbar unter: https://www.sanctionsmap.eu/#/main.


10      Vgl. Art. 29 Satz 2 EUV.


11      Vgl. z. B. Nr. 7 der Sanktionsleitlinien (siehe oben, Fn. 8). Vgl. dazu z. B. Portela, C., European Union sanctions and foreign policy: When and why do they work?, Routledge, London/New York, 2010, insbesondere S. 19 bis 28; Eckes, C., EU restrictive measures against natural and legal persons: From counterterrorist to third country sanctions, Common Market Law Review, Bd. 51(3), 2014, S. 869.


12      Art. 215 Abs. 1 AEUV entspricht im Wesentlichen dem früheren Art. 60 EG über restriktive Maßnahmen im Kapital- und Zahlungsverkehr und dem früheren Art. 301 EG über die Aussetzung, Einschränkung oder vollständige Einstellung der Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern. Darüber hinaus kann der Rat gemäß Art. 215 Abs. 2 AEUV restriktive Maßnahmen gegen natürliche oder juristische Personen sowie Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten ergreifen, wofür vor dem Vertrag von Lissabon der frühere Art. 308 EG (jetzt Art. 352 AEUV) heranzuziehen war. Vgl. hierzu Urteil vom 19. Juli 2012, Parlament/Rat (C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 51 bis 53).


13      Vgl. Urteil Rosneft, Rn. 89, und Urteil vom 6. Oktober 2020, Bank Refah Kargaran/Rat (C‑134/19 P, EU:C:2020:793, Rn. 38).


14      So können beispielsweise Beschränkungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zwar in GASP-Beschlüssen enthalten sein, ohne aber in Verordnungen nach Art. 215 aufgenommen zu werden. Vgl. hierzu Urteil vom 6. Oktober 2020, Bank Refah Kargaran/Rat (C‑134/19 P, EU:C:2020:793, Rn. 41).


15      Beschluss 2014/145/GASP des Rates vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 16), zuletzt geändert durch den Beschluss (GASP) 2023/1767 des Rates vom 13. September 2023 (ABl. 2023, L 226, S. 104).


16      Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 6), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2023/1215 des Rates vom 23. Juni 2023 (ABl. 2023, L 159 I, S. 330).


17      Vgl. Beschluss 2014/512/GASP, Erwägungsgründe 7 bis 12.


18      Dieser Beschluss wurde zuletzt geändert durch den Beschluss (GASP) 2023/1517 des Rates vom 20. Juli 2023 (ABl. 2023, L 184, S. 40).


19      Vgl. insoweit auch den zehnten Erwägungsgrund des Beschlusses 2014/512/GASP, in dem es heißt: „[D]ie Mitgliedstaaten [sollten] den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr von Rüstungsgütern und zugehörigen Gütern aller Art nach Russland untersagen. Die Beschaffung von Rüstungsgütern und zugehörigen Gütern aller Art aus Russland sollte ebenfalls untersagt werden.“


20      Hervorhebung nur hier.


21      Verordnung Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2014, L 229, S. 1). Diese Verordnung wurde mehrfach geändert, zuletzt durch die Verordnung (EU) 2023/1214 des Rates vom 23. Juni 2023 (ABl. 2023, L 159 I, S. 1).


22      Ursprünglich bezog sich das Verbot von Vermittlungsdiensten auf Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck (Art. 4 Abs. 1 Buchst. c, jetzt Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 833/2014). Mit späteren Änderungen dieser Verordnung wurde das Verbot von Vermittlungsdiensten ausgedehnt u. a. auf Güter, die zu den militärischen, technologischen und industriellen Fähigkeiten Russlands beitragen (Art. 2a und 3k), Feuerwaffen (Art. 2aa), Güter betreffend Erdöl- und Erdgas (Art. 3, 3b, 3m und 3n), die Luft- und Raumfahrt (Art. 3c) und die Seeschifffahrt (Art. 3f), Eisen und Stahl (Art. 3g), Luxusgüter (Art. 3h) und Gold (Art. 3o).


23      Vgl. Verordnung 2023/1214 (siehe oben, Fn. 21), Art. 1 Nr. 19.


24      Die Bestimmung lautet nunmehr: „für natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland unmittelbar oder mittelbar technische Hilfe oder Vermittlungsdienste im Zusammenhang mit den in der Gemeinsamen Militärgüterliste aufgeführten Gütern und Technologien oder im Zusammenhang mit der Bereitstellung, Herstellung, Wartung und Verwendung der in dieser Liste aufgeführten Güter zu erbringen“ (Hervorhebung nur hier).


25      Gemeinsamer Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (ABl. 2008, L 335, S. 99). Allgemein gilt, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 1 dieses Gemeinsamen Standpunkts Anträge auf Ausfuhrgenehmigung (zu denen u. a. auch Anträge auf Lizenzen für Waffenvermittlertätigkeiten gehören) für Gegenstände der Gemeinsamen Militärgüterliste der Union in jedem Einzelfall anhand mehrerer (acht) Kriterien prüfen müssen, die in Art. 2 des Gemeinsamen Standpunkts aufgeführt sind.


26      Vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP.


27      Vgl. Art. 12 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP. Die Gemeinsame Militärgüterliste der EU wurde ursprünglich im Jahr 2000 vereinbart (ABl. 2000, C 191, S. 1) und danach mehrfach aktualisiert, zuletzt am 20. Februar 2023 (ABl. 2023, C 72, S. 2).


28      Diese Gemeinsame Militärliste wird jedoch auch für andere Zwecke verwendet, auch außerhalb der GASP. Vgl. beispielsweise Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (ABl. 2009, L 146, S. 1), zuletzt geändert durch die Delegierte Richtlinie (EU) 2023/277 der Kommission vom 5. Oktober 2022 (ABl. 2023, L 42, S. 1).


29      Der Rat hat ferner ausgeführt, dass die Situation in Bezug auf Vermittlungsdienste seines Erachtens nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2003/468/GASP des Rates vom 23. Juni 2003 betreffend die Überwachung von Waffenvermittlungsgeschäften (ABl. 2003, L 156, S. 79) auch nicht eindeutiger sei.


30      Tatsächlich gibt es derzeit mehrere restriktive Maßnahmen der Union (Zentralafrikanische Republik, Demokratische Republik Kongo, Iran, Nordkorea, Südsudan, Sudan, Terrorismus [restriktive Maßnahmen in Bezug auf ISIL (Da’esh) und Al-Qaida] und Venezuela), in denen sowohl im GASP-Beschluss als auch in der Verordnung nach Art. 215 ein Verbot von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärgütern festgelegt ist. Bei einer Reihe anderer restriktiver Maßnahmen der Union (Belarus, Libanon, Myanmar [Birma] und Simbabwe) findet sich ein solches Verbot von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärgütern hingegen nur im GASP-Beschluss, nicht aber in der Verordnung nach Art. 215.


31      Siehe Nrn. 53 bis 155 meiner Schlussanträge in den Rechtssachen KS und KD.


32      So der Gerichtshof in den Urteilen vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat (C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 70; im Folgenden: Urteil Mauritius), vom 12. November 2015, Elitaliana/Eulex Kosovo (C‑439/13 P, EU:C:2015:753, Rn. 42), und vom 19. Juli 2016, H/Rat u. a. (C‑455/14 P, EU:C:2016:569, Rn. 40).


33      Vgl. z. B. Urteil vom 25. Januar 2022, VYSOČINA WIND (C‑181/20, EU:C:2022:51, Rn. 47).


34      Vgl. z. B. Urteil vom 3. Mai 2007, Advocaten voor de Wereld (C‑303/05, EU:C:2007:261, Rn. 49 und 50).


35      Vgl. Urteil Rosneft, insbesondere Rn. 148 bis 151.


36      Vgl. Urteil vom 30. Juli 1996, Bosphorus (C‑84/95, EU:C:1996:312, Rn. 22). Dieses Urteil wurde im Zusammenhang mit der Umsetzung des Embargos gegen die Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) erlassen.


37      Urteil Rosneft, Rn. 149.


38      Urteil Rosneft, Rn. 150.


39      Vgl. beispielsweise Urteile vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen) (C‑235/17, EU:C:2019:432, Rn. 72), und vom 5. Mai 2022, BPC Lux 2 u. a. (C‑83/20, EU:C:2022:346, Rn. 37).


40      Vgl. z. B. EGMR, Urteil vom 15. Januar 2021, Karapetyan/Georgien (CE:ECHR:2020:1015JUD006123312, § 37). Vgl. hierzu z. B. auch EGMR, Urteil vom 6. April 2009, Ismayilov/Russland (CE:ECHR:2008:1106JUD003035203, § 35), und EGMR, Urteil vom 24. September 2021, Imeri/Kroatien (CE:ECHR:2021:0624JUD007766814, § 86). Insbesondere bestätigte der EGMR die Verhängung einer Geldbuße und einer Einziehungsmaßnahme unter Umständen, in denen das klagende Unternehmen seine Tätigkeiten ohne die nach nationalem Recht erforderlichen Genehmigungen ausgeübt hatte, vgl. EGMR, Urteil vom 24. April 2017, S.C. Fiercolect Impex S.R.L./Rumänien (CE:ECHR:2016:1213JUD002642907, insbesondere §§ 62 bis 73).


41      Die Kommission hat außerdem darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall eine automatische Einziehung gegen Neves verhängt worden sei, weil sie nach einer Warnung ihrer nach nationalem Recht bestehenden Pflicht, die Tätigkeit nicht ohne vorherige Meldung gegenüber den zuständigen Behörden durchzuführen, vorsätzlich nicht nachgekommen sei.


42      Vgl. Nr. 112 meiner Schlussanträge in den Rechtssachen KS und KD.


43      Vgl. hierzu Urteil Rosneft, Rn. 106.