Language of document : ECLI:EU:T:2022:404

URTEIL DES GERICHTS (Sechste erweiterte Kammer)

29. Juni 2022(*)

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionsbildmarke La Irlandesa 1943 – Absolute Nichtigkeitsgründe – Nichtigerklärung durch die Große Beschwerdekammer des EUIPO – Erstmals vor dem Gericht vorgelegte Beweise – Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung eines absoluten Nichtigkeitsgrundes – Marke, die geeignet ist, das Publikum zu täuschen – Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung [EU] 2017/1001) – Bösgläubigkeit – Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 59 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001)“

In der Rechtssache T‑306/20,

Hijos de Moisés Rodríguez González, SA mit Sitz in Las Palmas de Gran Canaria (Spanien), vertreten durch Rechtsanwalt J. García Domínguez,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Folliard-Monguiral, D. Hanf und E. Markakis als Bevollmächtigte,

Beklagter,

anderer Beteiligter im Verfahren vor der Großen Beschwerdekammer des EUIPO:

Irland,

und

andere Beteiligte im Verfahren vor der Großen Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Ornua Co-operative Ltd mit Sitz in Dublin (Irland), vertreten durch Rechtsanwalt E. Armijo Chávarri und Rechtsanwältin A. Sanz Cerralbo,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli sowie der Richter S. Frimodt Nielsen, J. Schwarcz (Berichterstatter), C. Iliopoulos und R. Norkus,

Kanzler: A. Juhász-Tóth, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage begehrt die Klägerin, die Hijos de Moisés Rodríguez González, SA, die Aufhebung der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 2. März 2020 (Sache R 1499/2016‑G) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 6. August 2013 meldete die Klägerin nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim EUIPO eine Unionsmarke an.

3        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:

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4        Die Marke wurde am 3. Januar 2014 für folgende Waren der Klasse 29 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung eingetragen: „Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; Konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier; Milch und Milchprodukte; Speiseöle und ‑fette“.

5        Am 7. Januar 2015 stellten Irland und die Streithelferin, Ornua Co-operative (vormals Irish Dairy Board Co-operative Ltd), einen Antrag auf Nichtigerklärung der angegriffenen Marke für alle oben in Rn. 4 genannten Waren.

6        Mit dem Antrag auf Nichtigerklärung wurde geltend gemacht, dass die Marke einen täuschenden Charakter gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 59 Abs. 1 Buchst. a und Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung 2017/1001) habe und dass ihre Eintragung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 59 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) bösgläubig beantragt worden sei.

7        Mit Entscheidung vom 15. Juni 2016 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Nichtigerklärung in vollem Umfang zurück. Sie war der Ansicht, Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 sei nicht anwendbar, da der täuschende Charakter der angegriffenen Marke zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung nachgewiesen werden müsse. Im vorliegenden Fall ergebe sich jegliche etwaige Täuschung aus der Benutzung dieser Marke nach dem Ende der zwischen der Klägerin und der Streithelferin geschlossenen Handelsvereinbarung, die von 1967 bis 2011 in Kraft gewesen sei. Eine solche Situation sei aber speziell von dem in Art. 51 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 58 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001) vorgesehenen Verfallsgrund erfasst. Die Nichtigkeitsabteilung wies ferner das Vorbringen nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zurück, da aus dem Umstand, dass die angegriffene Marke nach Beendigung der Handelsbeziehung mit der Streithelferin angemeldet worden sei, keine Schlussfolgerung hinsichtlich der Bösgläubigkeit gezogen werden könne.

8        Am 12. August 2016 legten Irland und die Streithelferin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde beim EUIPO ein.

9        Mit Entscheidung vom 6. Dezember 2017 verwies das Präsidium der Beschwerdekammern die Sache an die Große Beschwerdekammer.

10      Mit der angefochtenen Entscheidung stellte die Große Beschwerdekammer des EUIPO fest, dass die angegriffene Marke zum Zeitpunkt der Anmeldung in irreführender Weise benutzt worden sei. Ferner sei ihre Eintragung bösgläubig beantragt worden. Folglich hob die Große Beschwerdekammer die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung auf und erklärte die angegriffene Marke für nichtig.

 Anträge der Parteien

11      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

12      Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

13      Irland hat keine Klagebeantwortung eingereicht und somit in der vorliegenden Rechtssache keinen Antrag gestellt.

 Rechtliche Würdigung

14      Da für die Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts der Zeitpunkt der fraglichen Anmeldung, d. h. der 6. August 2013, maßgeblich ist, sind auf den Rechtsstreit die materiell-rechtlichen Vorschriften der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2021, Univers Agro/EUIPO – Shandong Hengfeng Rubber & Plastic [AGATE], T‑592/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:633, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). Da im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung bei Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass sie ab dem Datum ihres Inkrafttretens Anwendung finden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2021, Qx World/EUIPO – Mandelay [EDUCTOR], T‑84/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:555, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung), gelten für diesen Rechtsstreit die Verfahrensvorschriften der Verordnung 2017/1001.

15      Was die materiell-rechtlichen Bestimmungen betrifft, sind im vorliegenden Fall Bezugnahmen auf Art. 59 Abs. 1 Buchst. a und b sowie Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung 2017/1001 durch die Große Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung oder durch die Parteien des Verfahrens folglich als Bezugnahmen auf die inhaltsgleichen Art. 52 Abs. 1 Buchst. a und b sowie Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 zu verstehen.

 Zu den erstmals vor dem Gericht vorgelegten Unterlagen

16      Das EUIPO und die Streithelferin rügen die Unzulässigkeit der Anlagen A.6 bis A.8 zur Klageschrift. Diese Anlagen enthielten Unterlagen, die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vor dem EUIPO nicht vorgelegt worden seien und daher nach ständiger Rechtsprechung für unzulässig erklärt werden müssten.

17      Es ist festzustellen, dass die Anlagen A.6 bis A.8 zur Klageschrift erstmals vor dem Gericht vorgelegt worden sind, wie das EUIPO und die Streithelferin geltend machen. Die Anlagen A.6 und A.7 enthalten Unterlagen über Werbeausgaben sowie bestimmte Rechnungen und Daten über den Jahresumsatz unter der angegriffenen Marke. Sie sollen den Umfang des Marktanteils und die Bekanntheit dieser Marke auf den Kanarischen Inseln (Spanien) sowie die von dieser Marke erlangte Unterscheidungskraft belegen. Anlage A.8 enthält eine eidesstattliche Erklärung eines der Vertreter der Klägerin, die vom 15. Mai 2020, d. h. nach der am 2. März 2020 erlassenen angefochtenen Entscheidung, datiert.

18      Diese erstmals vor dem Gericht vorgelegten Unterlagen können nicht berücksichtigt werden. Denn die Klage beim Gericht ist auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 72 der Verordnung 2017/1001 gerichtet, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen. Somit sind die genannten Unterlagen zurückzuweisen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, EU:T:2005:420, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 18. März 2016, Karl-May-Verlag/HABM – Constantin Film Produktion [WINNETOU], T‑501/13, EU:T:2016:161, Rn. 17).

 Zur Begründetheit

 Vorbemerkungen zu den Klagegründen der Klägerin und zum Aufbau der angefochtenen Entscheidung

19      Die Klägerin macht zwei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 rügt, der sich auf Marken bezieht, die geeignet sind, das Publikum zu täuschen, und zweitens einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung, der bösgläubig angemeldete Marken betrifft.

20      Die angefochtene Entscheidung stützt ihre Begründung auf zwei Pfeiler, die dem ersten und dem zweiten Klagegrund entsprechen.

21      Ruht der verfügende Teil einer Entscheidung auf mehreren Begründungspfeilern, von denen jeder allein schon den verfügenden Teil tragen würde, so ist diese Entscheidung grundsätzlich nur dann aufzuheben, wenn jeder dieser Pfeiler Rechtsfehler aufweist. Ein Irrtum oder ein anderer Rechtsfehler, der nur einem der Begründungspfeiler anhaftet, genügt in diesem Fall nicht, um die Aufhebung der streitigen Entscheidung zu rechtfertigen, da dieser Fehler den von dem Organ, das Urheber dieser Entscheidung ist, beschlossenen verfügenden Teil nicht entscheidend hätte beeinflussen können (Urteil vom 20. Januar 2021, Jareš Procházková und Jareš/EUIPO – Elton Hodinářská [MANUFACTURE PRIM 1949], T‑656/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:17, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 29. Januar 2020, Vinos de Arganza/EUIPO – Nordbrand Nordhausen [ENCANTO], T‑239/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:12, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Folglich kann die angefochtene Entscheidung nur dann aufgehoben werden, wenn beide Begründungspfeiler der Großen Beschwerdekammer Rechtsfehler aufweisen.

23      Außerdem ist festzustellen, dass die Große Beschwerdekammer, bevor sie bestimmt hat, ob die angegriffene Marke täuschend und ob ihre Anmeldung bösgläubig erfolgt sei, die dieser Marke eigenen Merkmale geprüft hat, die als Grundlage für die in der angefochtenen Entscheidung dargelegte Begründung dienen. Daher ist zunächst zu klären, ob diese Prüfung ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, bevor über die beiden von der Klägerin vorgebrachten Klagegründe entschieden wird.

 Zu den der angegriffenen Marke eigenen Merkmalen und zu den von ihr erfassten Waren

24      Die Große Beschwerdekammer hat festgestellt, dass es sich bei der angegriffenen Marke um ein Bildzeichen handele, das aus den Wörtern „la“ und „irlandesa“ in weißen Buchstaben auf einem grünen, gelb umrahmten Etikett bestehe und unterhalb dieser Wörter eine ebenfalls gelbe Zeichnung und die Aufschrift „1943“ in kleinen Lettern enthalte.

25      Sodann hat die Große Beschwerdekammer aus dem Umstand, dass es sich bei den in der Marke enthaltenen Wörtern um spanische Wörter handele, geschlossen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die spanischsprachigen Durchschnittsverbraucher seien, für die die fraglichen Waren, nämlich Lebensmittel der Klasse 29, bestimmt seien. Das Wortelement der angegriffenen Marke sei das dominierende Element und bedeute für diese Verbraucher eindeutig, dass jemand (eine Frau) oder etwas irischer Herkunft sei.

26      Es sei allgemein bekannt, dass die Farbe Grün verwendet werde, um Irland zu repräsentieren, z. B. bei internationalen Feierlichkeiten wie dem Saint Patrick's Day. Irland sei wegen seiner grünen Landschaften als „Smaragdinsel“ bekannt. Diese Farbe bestärke das Publikum in seiner Wahrnehmung, dass die mit der angegriffenen Marke versehenen Waren irischer Herkunft seien, zumal es sich bei diesen Waren um Lebensmittel handele, die in Irland hergestellt werden könnten und von denen einige, wie Fleisch, Fisch und Butter, für ihre Qualität bekannt seien, wenn sie aus Irland stammten.

27      Die Beurteilung der Großen Beschwerdekammer in Bezug auf die der angegriffenen Marke eigenen Merkmale und die Bedeutung der Marke für die maßgeblichen Verkehrskreise ist nicht zu beanstanden.

28      Das Wortelement dominiert nämlich aufgrund seiner relativen Größe und seiner zentralen Position in der angegriffenen Marke, insbesondere im Verhältnis zu der Aufschrift „1943“ in kleinen Lettern. Es dominiert auch im Verhältnis zur gelben Zeichnung, die sich unmittelbar unter ihm befindet. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass bei Marken, die wie im vorliegenden Fall aus Wort- und Bildelementen bestehen, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Kennzeichnungskraft der Wortelemente die der Bildelemente übertrifft, weil ein Durchschnittsverbraucher zur Bezugnahme auf die fragliche Ware eher den Namen der Marke nennen als ihr Bildelement beschreiben wird (vgl. Urteile vom 7. Mai 2015, Cosmowell/HABM – Haw Par [GELENKGOLD], T‑599/13, EU:T:2015:262, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 5. Mai 2021, Grangé und Van Strydonck/EUIPO – Nema [âme], T‑442/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:237, Rn. 38).

29      Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift vor dem Gericht eingeräumt, mit den Antragstellern im Nichtigkeitsverfahren zumindest bezüglich der folgenden Bedeutungen des Wortelements „la irlandesa“ der angegriffenen Marke übereinzustimmen: „Person irischer Herkunft, aus Irland“ oder „irische Frau“, mit dem diesen Wörtern hinzugefügten weiblichen bestimmten Artikel „la“. Sowohl das Wörterbuch der spanischen Sprache der Königlichen Spanischen Akademie als auch das Collins Wörterbuch der englischen Sprache enthielten diese Bedeutungen, bei denen es sich um die in der vorliegenden Rechtssache relevanten Bedeutungen handele.

30      Somit ist festzustellen, dass das dominierende Wortelement der angegriffenen Marke im Spanischen eine solche Bedeutung hat, was die Schlussfolgerung der Großen Beschwerdekammer stützt, dass dieses Element für die spanischsprachigen Durchschnittsverbraucher eindeutig auf eine irische Herkunft hinweise.

31      Was die in der angegriffenen Marke enthaltene grüne Farbe betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass allgemein bekannte Tatsachen definiert sind als Tatsachen, über die jedermann Bescheid wissen kann oder über die man sich aus allgemein zugänglichen Quellen informieren kann (vgl. Urteile vom 13. Dezember 2018, Monolith Frost/EUIPO – Dovgan [PLOMBIR], T‑830/16, EU:T:2018:941, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 10. Juni 2020, Louis Vuitton Malletier/EUIPO – Wisniewski [Darstellung eines Schachbrettmusters], T‑105/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:258, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Die Große Beschwerdekammer hat zu Recht festgestellt, dass allgemein bekannt ist, dass die Farbe Grün verwendet wird, um Irland zu repräsentieren. Sie hat überzeugend ausgeführt, dass diese Farbe diese Rolle bei der irischen Feier des Saint Patrick's Day spielt und dass Irland wegen seiner grünen Landschaften als „Smaragdinsel“ bekannt ist.

33      Über diese repräsentative Rolle der Farbe Grün für Irland kann zwar nicht unbedingt jedermann Bescheid wissen, doch kann man sich aus allgemein zugänglichen Quellen über sie informieren.

34      Insoweit verweist die Klägerin in der Klageschrift auf ein von ihr vor der Nichtigkeitsabteilung vorgebrachtes Argument, wonach die Farbe Grün nur ein Element einer „Anspielung des [angegriffenen] Zeichens auf Frische (grüne Wiesen) und Sonne (gelb)“ sei. Dieses Argument kann jedoch keinen Erfolg haben, denn selbst wenn man annimmt, dass die Farbe Grün eine solche Rolle spielt, widerspricht dies nicht der von der Großen Beschwerdekammer festgestellten allgemein bekannten Tatsache, dass diese Farbe Irland repräsentiert. Im Übrigen hat die Klägerin vor dem Gericht keine Beweise vorgelegt, um die Richtigkeit dieser allgemein bekannten Tatsache zu bestreiten.

35      Ohne dass über die Frage der allgemeinen Qualität der aus Irland stammenden Waren entschieden zu werden braucht, ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass die Klägerin auch nicht bestritten hat, dass in diesem Land Fleisch, Fisch und Milchprodukte hergestellt werden. Diese drei Arten von Waren werden von der angegriffenen Marke erfasst.

36      Folglich ist die Große Beschwerdekammer angesichts des dominierenden Wortelements „la irlandesa“ und seiner Bedeutung für die maßgeblichen Verkehrskreise, die durch die Farbe Grün, die es umgibt, verstärkt wird, zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass die spanischsprachigen Verbraucher, wenn die angegriffene Marke ohne weitere Angaben auf den von ihr erfassten Waren angebracht wäre, auf den ersten Blick und ohne weiteres Nachdenken einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Bedeutung dieses Wortelements und einer Eigenschaft dieser Waren, nämlich ihrer geografischen Herkunft, herstellen würden und sie daher beim Anblick der auf diesen Waren angebrachten Marke glauben würden, dass diese Waren aus Irland stammten.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009

37      Der erste Klagegrund besteht aus drei Teilen. Mit dem ersten Teil wirft die Klägerin der Großen Beschwerdekammer vor, die für Verfallsgründe geltenden Voraussetzungen auf ein Nichtigkeitsverfahren angewandt zu haben. Mit dem zweiten Teil macht sie geltend, Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 sei in der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft angewandt worden. Was schließlich den dritten Teil des ersten Klagegrundes betrifft, ist sie der Ansicht, dass die Große Beschwerdekammer die erworbene Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke hätte berücksichtigen müssen.

38      Zunächst ist der dritte Teil, danach sind der erste und der zweite Teil des ersten Klagegrundes zusammen zu prüfen.

–       Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes, wonach die Große Beschwerdekammer die erworbene Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke hätte berücksichtigen müssen

39      Die Klägerin wirft der Großen Beschwerdekammer vor, bestimmte Gesichtspunkte nicht berücksichtigt zu haben, die darauf hindeuteten, dass die angegriffene Marke im Laufe der Zeit Unterscheidungskraft erlangt habe. Sie beruft sich insoweit auf die seit 1967 ununterbrochene Benutzung der Marke, auf den Umstand, dass sie die Einzige sei, die diese Marke in Spanien benutzt habe, und auf den hohen Anteil am Buttermarkt, den sie seit Langem aufgrund derselben Marke auf den Kanarischen Inseln halte.

40      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

41      Wie das EUIPO zu Recht ausführt, gelten die Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009, die die durch ihre Benutzung erworbene Unterscheidungskraft einer Marke als Ausnahme von bestimmten absoluten Eintragungshindernissen oder Nichtigkeitsgründen behandeln, nicht für Marken, die als täuschend angesehen werden. Denn weder Art. 7 Abs. 3 noch Art. 52 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 3 und Art. 59 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) verweisen auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung. Diese beiden Bestimmungen verweisen ausschließlich auf die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bis d der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Gründe (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bis d der Verordnung 2017/1001).

42      Folglich ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes als ins Leere gehend zurückzuweisen.

–       Zum ersten und zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes, wonach die Große Beschwerdekammer die für Verfallsgründe geltenden Voraussetzungen nicht auf ein Nichtigkeitsverfahren hätte anwenden dürfen und Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 fehlerhaft angewandt worden sei

43      Im Rahmen des ersten Teils des ersten Klagegrundes weist die Klägerin darauf hin, dass das Markenrecht der Europäischen Union zwischen Nichtigkeitsgründen und Verfallsgründen unterscheide. Im vorliegenden Fall habe die Große Beschwerdekammer aber die Vorschriften über den Verfall zu Unrecht auf ein Nichtigkeitsverfahren angewandt, was eine Situation der Rechtsunsicherheit schaffe.

44      Ein Nichtigkeitsverfahren erfordere eine Beurteilung zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke, die sich insbesondere auf ihre Art, ihre Bestandteile und die mit ihr gekennzeichneten Waren beziehe, während in Verfallsverfahren die Benutzung der Marke durch ihren Inhaber nach ihrer Eintragung geprüft werde. Die Große Beschwerdekammer habe den Fehler begangen, die Nichtigkeit der angegriffenen Marke im Hinblick auf die Benutzung nach ihrer Eintragung zu begründen, statt auf den Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen.

45      Die Nichtigkeitsabteilung habe zu Recht angenommen, dass die Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren versucht hätten, den täuschenden Charakter der angegriffenen Marke nachzuweisen, indem sie sich auf Handlungen gestützt hätten, die lange nach ihrer Anmeldung beim EUIPO vorgenommen worden seien, dass diese Handlungen in einem Verfallsverfahren hätten relevant sein können, nicht aber in einem Nichtigkeitsverfahren, und dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung kein offensichtlicher Widerspruch zwischen der angegriffenen Marke und den mit ihr gekennzeichneten Waren bestanden habe, was einen täuschenden Charakter ausschließe.

46      Die redliche Benutzung der angegriffenen Marke müsse bis zum Beweis des Gegenteils vermutet werden, der sich auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Marke beziehen müsse und nicht nur auf ihre spätere Benutzung durch den Inhaber.

47      In Beantwortung des ersten Teils des ersten Klagegrundes macht das EUIPO geltend, die Große Beschwerdekammer habe nach dem anwendbaren Recht den Antrag auf Nichtigerklärung unter Zugrundelegung des Zeitpunkts der Anmeldung der angegriffenen Marke geprüft. Nach Ansicht des EUIPO ist diese Marke schon an sich täuschend, insbesondere in Anbetracht ihrer Farben, ihrer Bildelemente und der Bekanntheit Irlands für die von der angegriffenen Marke erfassten landwirtschaftlichen Waren. Mangels einer ausdrücklichen Beschränkung des Warenverzeichnisses auf Waren irischer Herkunft führe die angegriffene Marke die maßgeblichen Verkehrskreise hinsichtlich ihrer geografischen Herkunft in die Irre. Die Beweise aus der Zeit nach der Anmeldung der Marke, wie der Katalog von 2014, bestätigten lediglich die Beurteilung, die die Große Beschwerdekammer pflichtgemäß unter Zugrundelegung des Zeitpunkts der Anmeldung der angegriffenen Marke vorgenommen habe.

48      Was den ersten Teil des ersten Klagegrundes betrifft, stimmt das Vorbringen der Streithelferin im Wesentlichen mit dem Vorbringen des EUIPO überein.

49      Im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes führt die Klägerin aus, die Verbindung der angegriffenen Marke mit Irland reiche für sich genommen nicht aus, um den Verbraucher hinsichtlich der Art der Waren oder ihrer geografischen Herkunft irrezuführen, da das Zeichen als Anspielung aufgefasst werde, insbesondere weil es Zahlen- und Bildelemente enthalte. Das Zeichen werde somit als Marke und nicht als Hinweis auf eine geografische Herkunft wahrgenommen.

50      Darüber hinaus rügt die Klägerin, dass sich die angefochtene Entscheidung auf frühere Entscheidungen der Oficina Española de Patentes y Marcas (Spanisches Patent- und Markenamt) stütze, mit denen ähnliche Markenanmeldungen der Klägerin mit dem Element „la irlandesa“ zurückgewiesen worden seien, sowie auf eine Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des EUIPO, mit der eine solche Marke für nichtig erklärt worden sei. Diese Entscheidungen beträfen andere Marken, die gerade Butter und in bestimmten Fällen auch Milchprodukte kennzeichneten, während die in der vorliegenden Rechtssache angegriffene Marke die Waren der Klasse 29 in ihrer Gesamtheit kennzeichne.

51      In Beantwortung des zweiten Teils des ersten Klagegrundes vertritt das EUIPO die Auffassung, das Vorbringen der Klägerin, die angegriffene Marke habe einen anspielenden Charakter, überzeuge nicht. Zu den in der angefochtenen Entscheidung angeführten früheren Entscheidungen entgegnet das EUIPO, sie seien in Bezug auf die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise relevant gewesen und die Große Beschwerdekammer habe zur Bestätigung ihrer eigenen Schlussfolgerungen berechtigterweise auf sie verweisen können.

52      Die Streithelferin schließt sich im Wesentlichen dem Vorbringen des EUIPO zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes an.

53      Es ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 die Marke für nichtig erklärt wird, wenn sie eingetragen worden ist, obwohl sie geeignet ist, das Publikum zum Beispiel über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der Ware oder Dienstleistung zu täuschen.

54      Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Prüfung eines Antrags auf Nichtigerklärung allein der Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke maßgeblich (Beschlüsse vom 24. September 2009, Bateaux mouches/HABM, C‑78/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:584, Rn. 18, und vom 23. April 2010, HABM/Frosch Touristik, C‑332/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:225, Rn. 41). Die Rechtsprechung lässt jedoch die Berücksichtigung nach diesem Zeitpunkt liegender Umstände unter der Voraussetzung zu, dass sich diese Umstände auf die Situation zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke beziehen (Urteil vom 3. Juni 2009, Frosch Touristik/HABM – DSR touristik [FLUGBÖRSE], T‑189/07, EU:T:2009:172, Rn. 19 und 28).

55      Die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Fälle setzen voraus, dass sich eine tatsächliche Irreführung des Verbrauchers oder eine hinreichend schwerwiegende Gefahr einer solchen feststellen lässt (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2017, Alpirsbacher Klosterbräu Glauner/EUIPO [Klosterstoff], T‑844/16, EU:T:2017:759, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Die Beurteilung des in Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 genannten Eintragungshindernisses kann nur in Bezug auf die fraglichen Waren oder Dienstleistungen und in Bezug auf die Wahrnehmung der Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise erfolgen (vgl. Urteil vom 22. März 2018, Safe Skies/EUIPO – Travel Sentry [TSA LOCK], T‑60/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:164, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Außerdem setzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 eine hinreichend spezifische Bezeichnung der potenziellen Merkmale der von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen voraus. Nur wenn der angesprochene Verbraucher zu der Annahme veranlasst wird, dass die Waren und Dienstleistungen bestimmte Merkmale besitzen, die sie in Wirklichkeit nicht besitzen, wird er durch die Marke getäuscht (vgl. Urteil vom 29. November 2018, Khadi and Village Industries Commission/EUIPO – BNP Best Natural Products [Khadi Ayurveda], T‑683/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:860, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) findet Art. 7 Abs. 1 der Verordnung auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen.

59      Im vorliegenden Fall hat die Große Beschwerdekammer zunächst die der angegriffenen Marke eigenen Merkmale geprüft, um ihre Bedeutung für die maßgeblichen Verkehrskreise unter Berücksichtigung der in der Markenanmeldung genannten Waren festzustellen. Sie war der Auffassung, dass spanischsprachige Verbraucher beim Anblick der auf den fraglichen Waren angebrachten angegriffenen Marke glauben würden, dass diese Waren aus Irland stammten.

60      Die Große Beschwerdekammer hat aus dieser Beurteilung der angegriffenen Marke abgeleitet, dass diese die maßgeblichen Verkehrskreise „bereits zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung“ getäuscht habe. Um diese Schlussfolgerung zu „bestätigen“, hat sie die von den Antragstellern im Nichtigkeitsverfahren vorgelegten Beweise berücksichtigt, u. a. eine Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des EUIPO vom 25. September 2002, mit der eine der angegriffenen Marke ähnliche Marke mit dem Element „la irlandesa“ für nichtig erklärt worden war. Unter den Beweisen haben sich auch folgende Unterlagen aus der Zeit nach dem Zeitpunkt der Anmeldung befunden:

–        der Online-Katalog der Klägerin aus dem Jahr 2014;

–        Fotografien von im Jahr 2016 hergestellten und im selben Jahr in Spanien gekauften Lebensmitteln mit der angegriffenen Marke.

61      Nach Ansicht der Großen Beschwerdekammer ist aus diesen Beweisen, insbesondere aus den Informationen auf den Verpackungen der Waren und deren Etiketten, in sehr kleiner Schrift oder in Form von Ländercodes bzw. gesundheitsbezogenen Kennzeichnungen, hervorgegangen, dass diese Waren in anderen Ländern als Irland hergestellt worden seien. Die Klägerin habe im Übrigen in ihren Erklärungen vor der Großen Beschwerdekammer eingeräumt, dass die angegriffene Marke „nicht nur auf Waren aus Irland beschränkt [sei]“.

62      Die Große Beschwerdekammer hat sich ferner zur „Bestätigung“ des täuschenden Charakters der Marke auf spanische Gerichtsentscheidungen und eine Entscheidung des Spanischen Patent- und Markenamts berufen, die alle vor dem Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke ergangen seien.

63      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Art. 52 bis 54 der Verordnung Nr. 207/2009 (die Art. 53 und 54 sind jetzt die Art. 60 und 61 der Verordnung 2017/1001) die Gründe für die Nichtigkeit einer Unionsmarke regeln, während eine gesonderte Bestimmung, Art. 51 der Verordnung Nr. 207/2009, die Verfallsgründe betrifft.

64      Zudem stellt der täuschende Charakter einer Marke einen absoluten Nichtigkeitsgrund nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 und darüber hinaus einen Verfallsgrund nach Art. 51 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung dar.

65      Art. 51 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sieht jedoch ausdrücklich vor, dass sich der irreführende Charakter einer eingetragenen Marke, der es rechtfertigt, dass diese Marke für verfallen erklärt wird, aus ihrer Benutzung ergibt, während in Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung, wonach eine Marke, die trotz ihres täuschenden Charakters eingetragen worden ist, für nichtig erklärt wird, nicht auf eine solche Benutzung Bezug genommen wird.

66      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass bei der Prüfung eines Antrags auf Verfallserklärung im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 grundsätzlich auf die tatsächliche Benutzung der Marke abzustellen ist, also auf Umstände, die nach ihrer Anmeldung liegen, während dies bei der Prüfung eines Antrags auf Nichtigerklärung gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 nicht der Fall ist. Die Prüfung eines solchen Antrags auf Nichtigerklärung setzt nämlich den Nachweis voraus, dass das den Gegenstand der Markenanmeldung bildende Zeichen selbst geeignet war, den Verbraucher zum Zeitpunkt der Anmeldung zu täuschen, wobei es unerheblich ist, wie das Zeichen später verwaltet worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juni 2017, W. F. Gözze Frottierweberei und Gözze, C‑689/15, EU:C:2017:434, Rn. 55 und 56).

67      Dieser Grundsatz wird durch die Rechtsprechung bestätigt, wonach für die Prüfung eines Antrags auf Nichtigerklärung allein der Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke maßgeblich ist (Beschlüsse vom 24. September 2009, Bateaux mouches/HABM, C‑78/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:584, Rn. 18, und vom 23. April 2010, HABM/Frosch Touristik, C‑332/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:225, Rn. 41) und wonach nach dem Zeitpunkt der Anmeldung der Marke liegende Umstände nur unter der Voraussetzung berücksichtigt werden können, dass sie sich auf die Situation zu diesem Zeitpunkt beziehen (Urteil vom 3. Juni 2009, FLUGBÖRSE, T‑189/07, EU:T:2009:172, Rn. 19 und 28).

68      Bei der Nichtigkeitsprüfung stellt sich mit anderen Worten die Frage, ob die Marke aus Gründen, die bereits zum Zeitpunkt der Markenanmeldung vorlagen, von Anfang an nicht hätte eingetragen werden dürfen, wobei die Berücksichtigung späterer Umstände nur dazu dienen kann, den zu diesem Zeitpunkt gegebenen Sachverhalt zu klären.

69      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Große Beschwerdekammer die angegriffene Marke zu Recht mit der Begründung für nichtig erklärt hat, dass sie geeignet sei, das Publikum über die geografische Herkunft der fraglichen Waren zu täuschen.

70      Wie oben in Rn. 36 festgestellt, ist die Große Beschwerdekammer zutreffend davon ausgegangen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die angegriffene Marke als Hinweis darauf wahrnehmen, dass die von ihr erfassten Waren irischer Herkunft sind.

71      Für die Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 musste die Große Beschwerdekammer wiederum prüfen, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, ob zum Zeitpunkt der Anmeldung ein Widerspruch zwischen der Information, die die angegriffene Marke vermittelte, und den Eigenschaften der in der Anmeldung genannten Waren bestand (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Oktober 2016, Caffè Nero Group/EUIPO [CAFFÈ NERO], T‑29/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:635, Rn. 45 bis 50, und vom 13. Mai 2020, SolNova/EUIPO – Canina Pharma [BIO‑INSECT Shocker], T‑86/19, EU:T:2020:199, Rn. 70 bis 87). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Verzeichnis der von der angegriffenen Marke erfassten Waren keine Angaben zu deren geografischer Herkunft enthielt und daher Waren aus Irland erfassen konnte. Im Unterschied zu dem Sachverhalt, über den das Gericht in den oben angeführten Rechtssachen CAFFÈ NERO (T‑29/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:635) und BIO‑INSECT Shocker (T‑86/19, EU:T:2020:199) entschieden hat, bestand daher im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke kein Widerspruch zwischen dieser und den gekennzeichneten Waren, so dass nicht festgestellt werden konnte, dass die Marke zu diesem Zeitpunkt einen täuschenden Charakter hatte.

72      Da zum Zeitpunkt der Anmeldung kein Widerspruch zwischen der angegriffenen Marke und den von ihr erfassten Waren bestand, hat die Große Beschwerdekammer der Klägerin zu Unrecht vorgeworfen, das Warenverzeichnis nicht auf Waren aus Irland beschränkt zu haben. Eine solche Beschränkung des Warenverzeichnisses war nämlich nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009, der die Eintragung von Marken verhindern soll, die geeignet sind, das Publikum zu täuschen, nicht erforderlich.

73      Da die angegriffene Marke nicht als täuschend zum Zeitpunkt der Anmeldung im Jahr 2013 angesehen werden kann, konnten außerdem die von der Großen Beschwerdekammer berücksichtigten späteren Beweise aus den Jahren 2014 und 2016 einen solchen täuschenden Charakter nicht bestätigen. Aus der Verfahrensakte ergibt sich, dass nicht nachgewiesen worden ist, dass sich diese späteren Beweise auf die Situation zum Zeitpunkt der Markenanmeldung beziehen; folglich findet die Rechtsprechung des Urteils vom 3. Juni 2009, FLUGBÖRSE (T‑189/07, EU:T:2009:172), die die Berücksichtigung solcher Beweise erlauben könnte, im vorliegenden Fall keine Anwendung.

74      Im Übrigen hat die Große Beschwerdekammer darauf hingewiesen, dass „nachgewiesen worden ist – und [die Klägerin] nicht bestritten hat –, dass die Marke bereits vor dem Zeitpunkt ihrer Anmeldung benutzt wurde“. Sie erläutert jedoch nicht, wie diese Benutzung der angegriffenen Marke vor der Anmeldung „nachgewiesen worden ist“ und wie eine solche frühere Benutzung die Täuschungseignung dieser Marke beweisen soll.

75      Hinsichtlich der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des EUIPO vom 25. September 2002 sowie der spanischen Gerichtsentscheidungen und einer Entscheidung des Spanischen Patent- und Markenamts, die in der angefochtenen Entscheidung genannt sind und vor dem Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke liegen, ist darauf hinzuweisen, dass weder die Entscheidungspraxis des EUIPO noch die Entscheidungen nationaler Behörden für das Gericht bindend sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. März 2012, Ella Valley Vineyards/HABM – HFP [ELLA VALLEY VINEYARDS], T‑32/10, EU:T:2012:118, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 28. Oktober 2020, Electrolux Home Products/EUIPO – D. Consult [FRIGIDAIRE], T‑583/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:511, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Entscheidungen erlauben es nicht, über den durch das Unionsrecht geschaffenen Beurteilungsrahmen hinauszugehen, der für die Prüfung eines Antrags auf Nichtigerklärung erforderlich ist, wie er dem vorliegenden Fall zugrunde liegt, da dieser Rahmen nicht derselbe ist wie derjenige, der für die Prüfung eines Antrags auf Verfallserklärung gilt.

76      Nach alledem ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes unbegründet, sein erster und zweiter Teil, die zusammen geprüft worden sind, aber begründet, da die Große Beschwerdekammer Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 fehlerhaft angewandt hat.

77      Dieser dem ersten Pfeiler der angefochtenen Entscheidung anhaftende Rechtsfehler kann jedoch nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen, wenn auch deren zweiter Pfeiler Rechtsfehler aufweist.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

78      Die Klägerin macht geltend, die Große Beschwerdekammer habe nicht nachgewiesen, dass sie bei der Anmeldung der angegriffenen Marke bösgläubig gewesen sei. Sie habe über 40 Jahre lang ähnliche Marken mit dem Element „la irlandesa“ benutzt, die immer noch gültig seien, und aus der Beendigung ihrer Handelsbeziehung mit der Streithelferin im Jahr 2011 könne nicht auf ihre Bösgläubigkeit geschlossen werden. Die Große Beschwerdekammer habe sich zu Unrecht auf Beispiele von Rechtsstreitigkeiten oder zurückgewiesenen Eintragungen in Bezug auf ähnliche Marken mit dem Element „la irlandesa“ konzentriert und bestimmte Merkmale der angegriffenen Marke, insbesondere ihre Bildelemente, ihre Farbe und den Umstand, dass sie auf eine geografische Herkunft anspiele, fälschlicherweise als Indizien für die Bösgläubigkeit der Klägerin angesehen.

79      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

80      Nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 wird die Marke für nichtig erklärt, wenn der Anmelder bei der Anmeldung der Marke bösgläubig war.

81      Derselben Vorschrift ist zu entnehmen, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob der Anmelder bösgläubig war, der Zeitpunkt der Anmeldung durch den Betreffenden ist (Urteil vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, C‑529/07, EU:C:2009:361, Rn. 35). Die Benutzung der angegriffenen Marke kann jedoch ein Element darstellen, das zur Kennzeichnung der Absicht, die der Anmeldung dieser Marke zugrunde liegt, zu berücksichtigen ist, einschließlich der Benutzung nach dem Zeitpunkt dieser Anmeldung (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Februar 2012, Carrols/HABM – Gambettola [Pollo Tropical CHICKEN ON THE GRILL], T‑291/09, EU:T:2012:39, Rn. 76, vom 8. Mai 2014, Simca Europe/HABM – PSA Peugeot Citroën [Simca], T‑327/12, EU:T:2014:240, Rn. 48, und vom 23. Mai 2019, Holzer y Cia/EUIPO – Annco [ANN TAYLOR und AT ANN TAYLOR], T‑3/18 und T‑4/18, EU:T:2019:357, Rn. 126).

82      Der Begriff der Bösgläubigkeit nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist in den Rechtsvorschriften in keiner Form definiert, abgegrenzt oder wenigstens beschrieben (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013, SA.PAR./HABM – Salini Costruttori [GRUPPO SALINI], T‑321/10, EU:T:2013:372, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 8. März 2017, Biernacka-Hoba/EUIPO – Formata Bogusław Hoba [Formata], T‑23/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:149, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach der Rechtsprechung lässt sich dieser Begriff nicht auf einen begrenzten Katalog konkreter Umstände beschränken. Das im Allgemeininteresse liegende Ziel dieser Vorschrift, das darin besteht, missbräuchliche oder den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwiderlaufende Markeneintragungen zu verhindern, würde gefährdet, wenn Bösgläubigkeit nur durch erschöpfend aufgeführte Umstände nachgewiesen werden könnte (vgl. Urteil vom 21. April 2021, Hasbro/EUIPO – Kreativni Dogadaji [MONOPOLY], T‑663/19, EU:T:2021:211, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Jede Berufung auf eine Bösgläubigkeit muss umfassend beurteilt werden, wobei alle im Einzelfall erheblichen Faktoren zu berücksichtigen sind (Urteil vom 12. September 2019, Koton Mağazacilik Tekstil Sanayi ve Ticaret/EUIPO, C‑104/18 P, EU:C:2019:724, Rn. 47).

84      Im Rahmen der umfassenden Beurteilung nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 können nach ständiger Rechtsprechung die Herkunft des angegriffenen Zeichens und seine Benutzung seit seiner Schaffung, die unternehmerische Logik, in die sich die Anmeldung dieses Zeichens als Unionsmarke einfügte, sowie die Geschehensabfolge bei der Anmeldung berücksichtigt werden (vgl. Urteil vom 21. April 2021, MONOPOLY, T‑663/19, EU:T:2021:211, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      Darüber hinaus ist die Absicht des Anmelders zum Zeitpunkt der Anmeldung zu berücksichtigen, ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das anhand der objektiven Fallumstände bestimmt werden muss (Urteile vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, C‑529/07, EU:C:2009:361, Rn. 41 und 42, und vom 8. März 2017, Formata, T‑23/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:149, Rn. 44). Insoweit ist die Absicht des Markenanmelders zu prüfen, wie sie sich aus den objektiven Umständen und seinen konkreten Handlungen, seiner Rolle und Position, seiner Kenntnis von der Benutzung der älteren Marke, vertraglichen, vorvertraglichen oder nachvertraglichen Beziehungen mit dem Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren, dem Bestehen gegenseitiger Pflichten und Verpflichtungen, und – allgemeiner ausgedrückt – aus allen objektiven Situationen ableiten lässt, die durch einen Interessenkonflikt gekennzeichnet sind und in denen der Markenanmelder tätig geworden ist (Urteil vom 11. Juli 2013, GRUPPO SALINI, T‑321/10, EU:T:2013:372, Rn. 28).

86      Der Nachweis der Umstände, die darauf schließen lassen, dass der Inhaber einer Unionsmarke bei deren Anmeldung bösgläubig war, obliegt demjenigen, der den Antrag auf Nichtigerklärung stellt und sich auf diesen Grund stützen will (vgl. Urteil vom 26. Februar 2015, Pangyrus/HABM – RSVP Design [COLOURBLIND], T‑257/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:115, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87      Bis zum Beweis des Gegenteils wird Gutgläubigkeit vermutet (vgl. Urteil vom 8. März 2017, Formata, T‑23/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:149, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88      Im vorliegenden Fall führt die Große Beschwerdekammer mehrere Gesichtspunkte auf, die ihrer Ansicht nach den Schluss zulassen, dass die Klägerin bei der Anmeldung der angegriffenen Marke bösgläubig gewesen sei.

89      Erstens wiederholt die Große Beschwerdekammer ihre Feststellung, wonach die angegriffene Marke den spanischsprachigen Verbraucher irreführe, indem sie eine eindeutige geografische Verbindung zu Irland herstelle, obwohl die fraglichen Waren nicht aus diesem Land stammten.

90      Zweitens seien wegen dieses täuschenden Charakters Marken mit dem Element „la irlandesa“, die der im vorliegenden Fall fraglichen Marke ähnlich seien und spezifischere Warenverzeichnisse erfassten, vom EUIPO und den spanischen Justiz- und Verwaltungsbehörden für nichtig erklärt oder zurückgewiesen worden, und die Klägerin habe davon, da diese für sie nachteiligen Entscheidungen in den Jahren 2000, 2001 und 2002 lange vor dem Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke im Jahr 2013, erlassen worden seien, zwangsläufig zu diesem Zeitpunkt Kenntnis gehabt. Diese Kenntnis werde dadurch bestätigt, dass die Klägerin später spanische Eintragungen ähnlicher Marken erhalten habe, indem sie in die Warenbeschreibung ausdrücklich eine geografische Beschränkung in Bezug auf Irland aufgenommen habe, was sie in Bezug auf die angegriffene Marke nicht getan habe.

91      Drittens sei die Klägerin über viele Jahre hinweg die alleinige Handelsvertreterin der Streithelferin gewesen und habe von dieser lose irische Butter gekauft, die sie verpackt und auf den Kanarischen Inseln verkauft habe. Die von der Klägerin im Jahr 1967 angemeldete spanische Marke La Irlandesa habe den Verkauf von Butter irischer Herkunft in Spanien fördern sollen, diese Marke sei aus der Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und der Streithelferin hervorgegangen und sei mit der irischen Herkunft der Waren verbunden, die die Klägerin im Rahmen dieser Beziehung habe verkaufen dürfen. Nach der Beendigung dieser Handelsbeziehung im Jahr 2011 habe die Klägerin weiterhin Waren unter Marken mit den Wörtern „la“ und „irlandesa“ verkauft, obwohl sie nicht irischer Herkunft gewesen seien. Die Klägerin habe weder eine berechtigte unternehmerische Logik dargetan, die die Anmeldung der angegriffenen Marke erkläre, noch die wirtschaftliche Logik ihrer Benutzung nach Beendigung der Handelsbeziehung mit der Streithelferin im Jahr 2011. Die Klägerin habe daher nur einen ungerechtfertigten Vorteil aus einer beendeten Handelsbeziehung erlangen wollen, um weiterhin vom Image irischer Waren zu profitieren.

92      Viertens habe die Klägerin in Anbetracht der täuschenden Benutzung der angegriffenen Marke, der früheren Entscheidungen des EUIPO und der spanischen Behörden sowie der früheren und nunmehr beendeten Handelsbeziehung mit der Streithelferin bei der Anmeldung der angegriffenen Marke die Absicht gehabt, das Publikum weiterhin hinsichtlich der geografischen Herkunft der betreffenden Waren irrezuführen und aus dem guten Image der irischen Waren einen Vorteil zu ziehen. Die Klägerin habe daher eine unredliche Absicht gehabt, indem sie die angegriffene Marke absichtlich angemeldet habe, um eine gedankliche Verbindung mit Irland herzustellen.

93      Angesichts all dieser Umstände hat die Große Beschwerdekammer auf die Bösgläubigkeit der Klägerin bei der Anmeldung der angegriffenen Marke geschlossen. Folglich hat sie diese Marke auch aus diesem Grund für nichtig erklärt.

94      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Große Beschwerdekammer nach der oben in Rn. 81 angeführten Rechtsprechung bei der Entscheidung der Frage, ob die Klägerin bei der Anmeldung der angegriffenen Marke bösgläubig war, auf Beweise aus der Zeit nach der Anmeldung der angegriffenen Marke, da diese Beweise Indizien darstellten, die sich auf die Situation zum maßgeblichen Zeitpunkt bezogen, und selbst auf die Benutzung der angegriffenen Marke nach der Anmeldung stützen durfte.

95      Im vorliegenden Fall ist erstens hinsichtlich der täuschenden Benutzung der angegriffenen Marke zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin jahrzehntelang im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehung mit der Streithelferin Butter irischer Herkunft unter dieser Marke verkauft hat, dass sie nach Beendigung dieser Beziehung weiterhin Lebensmittel unter der Marke verkauft hat und dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Lebensmittel, darunter Milchprodukte und Wurstwaren, nicht irischer Herkunft gewesen ist. Jedenfalls hat die Klägerin nicht behauptet, dass alle Waren, die sie unter der angegriffenen Marke verkauft habe, aus Irland stammten.

96      Mit anderen Worten hat die Klägerin unter der angegriffenen Marke Waren verkauft, obwohl ein nicht unerheblicher Teil dieser Waren nicht irischer Herkunft gewesen ist und daher nicht der Wahrnehmung der Waren durch die maßgeblichen Verkehrskreise entsprochen hat.

97      Dieser Umstand ist zwar für die Prüfung des auf Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 gestützten ersten Klagegrundes unerheblich, nicht aber für die Prüfung des zweiten Klagegrundes, der die Bösgläubigkeit der Klägerin betrifft.

98      Sobald nämlich die Klägerin die Benutzung der angegriffenen Marke auf andere Waren als Butter irischer Herkunft erstreckt hat, konnten die spanischsprachigen Verbraucher, die die maßgeblichen Verkehrskreise bilden, hinsichtlich der geografischen Herkunft dieser Waren irregeführt werden, da sie jahrzehntelang daran gewöhnt waren, dass die angegriffene Marke auf Butter aus Irland angebracht war. Ein solches Verhalten ist ein Indiz für Bösgläubigkeit, da es zeigt, dass die Klägerin mit der Anmeldung der angegriffenen Marke den Vorteil aus der gedanklichen Verbindung mit Irland unberechtigterweise auf Waren ohne diese geografische Herkunft übertragen wollte, insbesondere nach Beendigung ihrer Handelsbeziehung mit der Streithelferin, die sie mit irischer Butter belieferte.

99      Insoweit sind etwaige Informationen auf den Verpackungen und Etiketten der von der Klägerin verkauften Waren für sich genommen nicht geeignet, die Gefahr einer Irreführung des Verbrauchers zu zerstreuen. Da diese Informationen in sehr kleiner Schrift oder in Form von Ländercodes bzw. gesundheitsbezogenen Kennzeichnungen angegeben werden, ist nicht sicher, dass sie von den maßgeblichen Verkehrskreisen stets wahrgenommen werden.

100    Was zweitens die Rechtssachen betrifft, in denen Marken mit dem Element „la irlandesa“, die der im vorliegenden Fall fraglichen Marke ähnlich sind, vom EUIPO und den spanischen Justiz- und Verwaltungsbehörden in den Jahren 2000, 2001 und 2002 für nichtig erklärt oder zurückgewiesen worden sind, so trifft es zu, dass sie das Gericht nicht binden und es jedenfalls nicht erlauben, zu bestimmen, ob die angegriffene Marke täuschend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 207/2009 ist. Sie bestätigen aber, dass die angegriffene Marke von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Hinweis darauf aufgefasst werden konnte, dass die Waren, auf denen sie angebracht war, irischer Herkunft waren. Diese Rechtssachen weisen auch darauf hin, dass die Benutzung der angegriffenen Marke für Waren, die nicht irischer Herkunft sind, hinsichtlich ihres möglicherweise täuschenden Charakters umstritten war. Dieser Umstand war der Klägerin zum Zeitpunkt der Anmeldung dieser Marke zwangsläufig bekannt und ist daher geeignet, das Vorliegen ihrer Bösgläubigkeit zu diesem Zeitpunkt zu untermauern.

101    Drittens und letztens hat sich die Große Beschwerdekammer zu Recht auf die ihr vorgelegten Beweise gestützt, mit denen u. a. die Geschehensabfolge bei der Anmeldung der angegriffenen Marke nachgewiesen werden kann, um zu dem Schluss zu gelangen, dass die Klägerin eine Geschäftsstrategie zur gedanklichen Verbindung mit den Marken mit dem Element „la irlandesa“ verfolgt hat, die mit der früheren Handelsbeziehung zwischen der Klägerin und der Streithelferin in Zusammenhang standen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Mai 2014, Simca, T‑327/12, EU:T:2014:240, Rn. 63, und vom 23. Mai 2019, ANN TAYLOR und AT ANN TAYLOR, T‑3/18 und T‑4/18, EU:T:2019:357, Rn. 164), um weiterhin einen Vorteil aus dieser beendeten Beziehung und den mit ihr im Zusammenhang stehenden Marken zu ziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Mai 2019, Moreira/EUIPO – Da Silva Santos Júnior [NEYMAR], T‑795/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:329, Rn. 49 bis 51 und 55).

102    Aus den vorstehenden Erwägungen lässt sich ableiten, dass die Eintragung der angegriffenen Marke den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwidergelaufen ist. Die Große Beschwerdekammer hat daher zu Recht festgestellt, dass die Klägerin bei der Anmeldung der angegriffenen Marke bösgläubig war.

103    Keines der Argumente der Klägerin ist geeignet, diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen.

104    Was ihr Vorbringen betrifft, dass sie über 40 Jahre lang auf europäischer oder nationaler Ebene eingetragene ähnliche Marken mit dem Element „la irlandesa“ benutzt habe, die immer noch gültig seien, und dass sich die Große Beschwerdekammer nicht nur auf Rechtsstreitigkeiten oder zurückgewiesene Anmeldungen habe konzentrieren dürfen, genügt es, erneut darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Rahmen seiner Rechtmäßigkeitskontrolle weder an die Entscheidungspraxis des EUIPO gebunden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 2020, FRIGIDAIRE, T‑583/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:511, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung) noch an eine auf der Ebene eines Mitgliedstaats ergangene Entscheidung, in der die Eintragungsfähigkeit eines Zeichens als nationale Marke bejaht wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 2021, Jakober/EUIPO [Form einer Tasse], T‑658/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:795, Rn. 41). Dieses Vorbringen ist somit zurückzuweisen.

105    Das Vorbringen der Klägerin, ihre Bösgläubigkeit lasse sich nicht aus der Beendigung ihrer Handelsbeziehung mit der Streithelferin im Jahr 2011 ableiten, ist zurückzuweisen, weil die Marken mit dem Element „la irlandesa“, wie die angegriffene Marke, mit dieser Beziehung in Zusammenhang standen und ihre Beendigung ein relevanter Umstand für die Beurteilung der Absicht der Klägerin bei der Anmeldung der angegriffenen Marke ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2019, Kuota International/EUIPO – Sintema Sport [K], T‑136/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:265, Rn. 45). Die Klägerin hat die angegriffene Marke nämlich nach Beendigung dieser Beziehung weiterhin für Waren benutzt, die nicht aus Irland stammen, obwohl die irische Herkunft der Waren ein wesentlicher Aspekt der Handelsbeziehung und der ursprünglichen Benutzung dieser Marke gewesen ist.

106    Schließlich ist zu dem Vorwurf, die Große Beschwerdekammer habe bestimmte Merkmale der angegriffenen Marke, insbesondere ihre Bildelemente, ihre Farbe und den Umstand, dass sie auf eine geografische Herkunft anspiele, als Indizien für Bösgläubigkeit angesehen, zum einen darauf hinzuweisen, dass die Große Beschwerdekammer, wie oben in den Rn. 24 bis 36 angeführt, zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die spanischsprachigen Verbraucher beim Anblick der auf den fraglichen Waren angebrachten angegriffenen Marke angesichts der Merkmale dieser Marke selbst glauben mussten, dass diese Waren aus Irland stammten. Zum anderen musste die Große Beschwerdekammer nach der oben in Rn. 83 angeführten Rechtsprechung im Rahmen einer umfassenden Beurteilung alle im Einzelfall erheblichen Faktoren berücksichtigen und durfte daher als einen dieser Faktoren die Wahrnehmung der angegriffenen Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise in Bezug auf die fraglichen Waren berücksichtigen.

107    Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

108    Nach alledem ist festzustellen, dass der Umstand, dass der erste Klagegrund begründet ist, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung hat, da der zweite Klagegrund, der sich gegen den zweiten Pfeiler dieser Entscheidung richtet, unbegründet ist und dieser zweite Pfeiler allein den verfügenden Teil dieser Entscheidung rechtfertigen kann (vgl. Urteile vom 29. Januar 2020, ENCANTO, T‑239/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:12, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 20. Januar 2021, MANUFACTURE PRIM 1949, T‑656/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:17, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

109    Die Klage ist daher abzuweisen.

 Kosten

110    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

111    Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Hijos de Moisés Rodríguez González, SA trägt die Kosten.

Marcoulli

Frimodt Nielsen

Schwarcz

Iliopoulos

 

Norkus

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. Juni 2022.

 

Unterschriften      

 

*      Verfahrenssprache: Englisch.