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Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NICHOLAS EMILIOU

vom 14. März 2024(1)

Rechtssache C585/22

X BV

gegen

Staatssecretaris van Financiën

(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden [Oberster Gerichtshof der Niederlande])

„Vorabentscheidungsersuchen – Niederlassungsfreiheit – Art. 49 AEUV – Körperschaftsteuer – Gruppeninternes grenzüberschreitendes Darlehen, das für eine externe Übernahme abgeschlossen wurde – Unmöglichkeit, die Zinsen für eine solche Darlehensschuld vom steuerpflichtigen Gewinn abzuziehen – Rein künstliche Gestaltung – Begriff – Verhältnismäßigkeit“






I.      Einleitung

1.        Benjamin Franklins berühmtes Sprichwort, dass „in dieser Welt nichts sicher ist, außer dem Tod und den Steuern“, beschreibt eine universelle Wahrheit. Allerdings zeigt sich, dass es oft so ist, dass die menschliche Natur dazu neigt, sich genau dieser Unausweichlichkeit entziehen zu wollen.

2.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen steht im Zusammenhang mit Bestimmungen des nationalen Körperschaftsteuerrechts, die speziell auf die Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken abzielen. Nach diesen Vorschriften wird die Aufnahme einer Darlehensschuld durch einen Steuerpflichtigen bei einem verbundenen Unternehmen – zum Zweck des Erwerbs oder Zukaufs von Anteilen an einem anderen Unternehmen – unter bestimmten Umständen als künstliche Gestaltung angesehen, mit der die niederländische Steuerbemessungsgrundlage untergraben werden soll. Folglich kann diese Person die Darlehenszinsen nicht von ihrem steuerpflichtigen Gewinn abziehen, es sei denn, sie kann diese Vermutung widerlegen.

3.        Mit dem vorliegenden Ersuchen bittet der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) den Gerichtshof um Klarstellung seiner Rechtsprechung u. a. zur Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV, insbesondere zu der Frage, ob es mit dieser Freiheit vereinbar ist, dass die Steuerbehörden eines Mitgliedstaats einem Unternehmen, das einer grenzüberschreitenden Unternehmensgruppe angehört, das Recht verweigern, die von ihm für eine solche Darlehensschuld gezahlten Zinsen von seinem steuerpflichtigen Gewinn abzuziehen. Insbesondere wird der Gerichtshof ersucht, seine Feststellungen im Urteil Lexel(2) zu der Frage zu präzisieren, ob solche gruppeninternen Darlehen zu diesem Zweck als rein künstliche Gestaltungen angesehen werden können, auch wenn sie unter Bedingungen des freien Wettbewerbs abgeschlossen wurden und die Zinsen zum marktüblichen Satz angesetzt waren.

II.    Rechtlicher Rahmen

4.        Art. 10a der Wet op de vennootschapsbelasting 1969 (Körperschaftsteuergesetz 1969, im Folgenden: Körperschaftsteuergesetz) in der zum Zeitpunkt des Ausgangsrechtsstreits geltenden Fassung bestimmt:

„1.      Bei der Gewinnermittlung … sind Zinsen – einschließlich Aufwendungen und Wechselkursergebnissen – nicht abzugsfähig, wenn sie sich auf Schulden beziehen, die rechtlich oder tatsächlich unmittelbar oder mittelbar an ein verbundenes Unternehmen oder eine verbundene natürliche Person zu zahlen sind, sofern die Schulden rechtlich oder tatsächlich unmittelbar oder mittelbar mit einem der folgenden Rechtsgeschäfte im Zusammenhang stehen:

c.      dem Erwerb oder Zukauf von Anteilen an einem Unternehmen, das nach dem Erwerb oder Zukauf der Anteile zu einem mit dem Steuerpflichtigen verbundenen Unternehmen wird, durch den Steuerpflichtigen, durch ein mit dem Steuerpflichtigen verbundenes und der Körperschaftsteuer unterliegendes Unternehmen oder durch eine mit dem Steuerpflichtigen verbundene und in den Niederlanden ansässige natürliche Person.

3.      Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass:

a.      das Darlehen und das damit verbundene Rechtsgeschäft überwiegend auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhen oder

b.      eine nach niederländischen Kriterien angemessene Gewinn- oder Einkommensteuer letztlich auf die Zinsen bei der Person erhoben wird, an die die Zinsen rechtlich oder tatsächlich unmittelbar oder mittelbar zu zahlen sind … Eine auf den Gewinn erhobene Steuer ist nach den niederländischen Kriterien angemessen, wenn sie zu einer Abgabe in Höhe von mindestens 10 % des nach den niederländischen Kriterien ermittelten steuerpflichtigen Gewinns führt …

4.      Für die Zwecke dieses Artikels … gelten folgende Unternehmen als mit dem Steuerpflichtigen verbunden:

a.      ein Unternehmen, an dem der Steuerpflichtige zu mindestens einem Drittel beteiligt ist;

b.      ein Unternehmen, das eine Beteiligung von mindestens einem Drittel an dem Steuerpflichtigen hält;

c.      ein Unternehmen, an dem ein Dritter zu mindestens einem Drittel beteiligt ist, wenn dieser Dritte auch zu mindestens einem Drittel an dem Steuerpflichtigen beteiligt ist;

…“

III. Sachverhalt, nationales Verfahren und Vorlagefragen

5.        Die X BV (im Folgenden: X oder Kassationsbeschwerdeführerin) ist eine nach niederländischem Recht gegründete Holdinggesellschaft. Sie gehört zu einer multinationalen Unternehmensgruppe, dem u. a. die Gesellschaften A und C (im Folgenden: A und C) angehören.

6.        A ist die in Belgien ansässige Muttergesellschaft. Sie ist die einzige Gesellschafterin der Kassationsbeschwerdeführerin und Mehrheitsgesellschafterin von C.

7.        C ist eine interne Bank, die ebenfalls in Belgien ansässig ist. Sie bietet gruppeninterne Dienstleistungen an, zu denen finanzielle Umstrukturierungen und Management gehören. Zwischen 1999 und 2010 hatte sie nach belgischem Recht den Status eines „Koordinationszentrums“ (für Steuerzwecke), was bedeutete, dass sie von einer steuerlichen Vorzugsregelung profitierte, bei der ihr steuerpflichtiger Gewinn pauschal ermittelt wurde.

8.        Im Jahr 2000 erwarb X die Anteile der Gesellschaft F (im Folgenden: F) mit Sitz in den Niederlanden. Infolge dieses Erwerbs wurde F ein mit der Kassationsbeschwerdeführerin verbundenes Unternehmen.

9.        Diesen Erwerb finanzierte X mit bei C aufgenommenen Darlehen. Diese gewährte die Darlehen aus dem Eigenkapital, das A kurz zuvor als Kapitaleinlage zur Verfügung gestellt hatte. Die fraglichen Darlehen sahen eine marktübliche Verzinsung vor.

10.      Mit Wirkung vom 1. Januar 2001 wurden X und F zu einer steuerlichen Einheit zusammengefasst, wobei X als Muttergesellschaft bestimmt wurde. Insoweit wurde die von F und X geschuldete Steuer bei X erhoben. X konnte außerdem die an C gezahlten Zinsen von den von F erzielten Gewinnen abziehen. Aufgrund dieses Abzugs war die Körperschaftsteuerschuld der Einheit in den Niederlanden sehr niedrig.

11.      Im Jahr 2007 zog X in ihrer Körperschaftsteuererklärung die Zinsen für ihre bei C bestehenden Darlehen ab. Der Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen, Niederlande) lehnte diesen Abzug jedoch unter Berufung auf Art. 10a des Körperschaftsteuergesetzes ab.

12.      Die Kassationsbeschwerdeführerin focht diese Ablehnung vor der Rechtbank Gelderland (Bezirksgericht Geldern, Niederlande) und anschließend vor dem Gerechtshof Arnhem Leeuwarden (Berufungsgericht Arnheim-Leeuwarden, Niederlande) an.

13.      Mit Beschluss vom 20. Oktober 2020 stellte das letztgenannte Gericht fest, dass diese Beschränkung des Zinsabzugs mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Es stellte fest, dass der Zweck dieser Regelung (der darin bestehe, die Aushöhlung der niederländischen Steuerbemessungsgrundlage durch missbräuchliche Praktiken zu verhindern, bei denen künstlich erzeugte Zinsaufwendungen von den Gewinnen abgezogen würden) gerechtfertigt und verhältnismäßig sei.

14.      Die Kassationsbeschwerdeführerin legte gegen diese Entscheidung Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) ein.

15.      Nach ständiger Rechtsprechung dieses Gerichts stellen willkürlich und ohne wirtschaftliche Rechtfertigung eingegangene Schulden rein künstliche Gestaltungen dar, die nur dazu dienten, eine abzugsfähige Ausgabe zu schaffen, unabhängig davon, ob der Zinssatz mit dem identisch sei, der zwischen unabhängigen Unternehmen auf einer marktüblichen Grundlage vereinbart worden wäre.

16.      In Übereinstimmung mit den Feststellungen des Gerechtshof Arnhem Leeuwarden (Berufungsgericht Arnheim-Leeuwarden) ist das vorlegende Gericht daher der Auffassung, dass die vollständige Versagung des Zinsabzugs für Schuldner in solchen Fällen angemessen und verhältnismäßig sei, weil eine solche Maßnahme darauf abziele, Steuerumgehung zu bekämpfen, indem sie sich speziell auf die Fälle konzentriert, in denen die Schuld durch eine rein künstliche Gestaltung entstanden sei.

17.      Das vorlegende Gericht hat jedoch Zweifel, ob diese Auffassung in Anbetracht des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache Lexel richtig sei.

18.      Dieses Urteil könne nämlich in dem Sinne verstanden werden, dass gruppeninterne Transaktionen, wie z. B. die Aufnahme von Schulden bei einem mit dem Steuerpflichtigen verbundenen Unternehmen, nicht als rein künstliche Gestaltungen angesehen werden könnten, wenn sie unter Bedingungen des freien Wettbewerbs durchgeführt würden. Wäre eine solche Auslegung zutreffend, sei außerdem zweifelhaft, ob die vollständige Versagung des Abzugsrechts mit dem unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar sei.

19.      Schließlich möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Unterscheidung zwischen dem nationalen Recht, um das es in der vorliegenden Rechtssache gehe und das sich sowohl auf interne Umstrukturierungen als auch auf externe Übernahmen beziehe, und dem Recht, um das es im Urteil Lexel gegangen sei und das sich nicht auf externe Übernahmen bezogen habe, von Bedeutung sei.

20.      Vor diesem Hintergrund hat der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind die Art. 49, 56 und/oder 63 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach die Zinsen im Zusammenhang mit einer Darlehensschuld gegenüber einem mit dem Steuerpflichtigen verbundenen Unternehmen, die zum Erwerb oder Zukauf von Anteilen an einem Unternehmen, das nach diesem Erwerb oder Zukauf ein verbundenes Unternehmen darstellt, eingegangen wurde, bei der Ermittlung des Gewinns des Steuerpflichtigen nicht abgezogen werden, weil die betreffende Schuld als (Bestandteil einer) rein künstliche(n) Gestaltung einzustufen ist, und zwar unabhängig davon, ob diese Schuld als solche unter Bedingungen des freien Wettbewerbs eingegangen wurde?

2.      Bei Verneinung von Frage 1: Sind die Art. 49, 56 und/oder 63 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Abzug von Zinsen im Zusammenhang mit einer als (Bestandteil einer) rein künstliche(n) Gestaltung eingestuften Darlehensschuld gegenüber einem mit dem Steuerpflichtigen verbundenen Unternehmen, die zum Erwerb oder Zukauf von Anteilen an einem Unternehmen, das nach diesem Erwerb oder Zukauf ein verbundenes Unternehmen darstellt, eingegangen wurde, bei der Ermittlung des Gewinns des Steuerpflichtigen vollständig versagt wird, auch sofern diese Zinsen als solche den Betrag nicht übersteigen, der zwischen unabhängigen Unternehmen vereinbart worden wäre?

3.      Macht es für die Beantwortung der Fragen 1 und/oder 2 einen Unterschied, ob sich der betreffende Erwerb oder Zukauf der Anteile a) auf ein Unternehmen bezieht, das bereits vor diesem Erwerb oder Zukauf ein mit dem Steuerpflichtigen verbundenes Unternehmen war, oder b) auf ein Unternehmen, das erst nach diesem Erwerb oder Zukauf zu einem mit dem Steuerpflichtigen verbundenen Unternehmen wird?

21.      Die Kassationsbeschwerdeführerin, die belgische, die spanische und die niederländische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Die Kassationsbeschwerdeführerin, die spanische und die niederländische Regierung sowie die Kommission haben in der Sitzung vom 15. November 2023 mündlich verhandelt.

IV.    Würdigung

22.      Die drei Fragen des vorlegenden Gerichts ergeben sich aus den niederländischen Körperschaftsteuervorschriften. Diese Fragen betreffen insbesondere den folgenden Problembereich. Während ein in den Niederlanden steuerlich ansässiges Unternehmen nach diesen Vorschriften grundsätzlich die Zinsen für die von ihm aufgenommenen Schulden von seinem steuerpflichtigen Gewinn abziehen und so seine Steuerschuld verringern kann, schränkt die angefochtene Bestimmung, Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes, diese Möglichkeit in Bezug auf gruppeninterne Darlehen ein.

23.      Diese Bestimmung ist anwendbar, wenn der Steuerpflichtige eine Darlehensschuld mit einem verbundenen Unternehmen (d. h. einem anderen Unternehmen der Unternehmensgruppe, zu der er gehört, z. B. einer internen Bank) zur Finanzierung des Erwerbs oder Zukaufs von Anteilen an einem Unternehmen eingeht, das bereits vor diesem Erwerb oder Zukauf ein mit dem Steuerpflichtigen verbundenes Unternehmen war (interne Umstrukturierung), oder an einem Unternehmen, das erst danach zu einem mit dem Steuerpflichtigen verbundenen Unternehmen wird (externe Übernahme).

24.      In beiden Fällen sind die Zinsen für diese Schulden nicht abzugsfähig, selbst wenn die Zinskosten denen entsprechen, die mit einem nicht verbundenen Unternehmen, z. B. einer externen Bank, vereinbart worden wären. Der Grund dafür ist, dass diese Bestimmung die Vermutung aufstellt, dass eine solche Schuld, die mit einem anderen Unternehmen derselben Unternehmensgruppe eingegangen wurde, eine rein künstliche Gestaltung darstellt (oder Teil davon ist)(3), deren einziger Zweck es ist, die niederländische Steuerbemessungsgrundlage auszuhöhlen.

25.      Nach Art. 10a Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes kann der Steuerpflichtige diese Vermutung jedoch widerlegen und solche Zinsen von seinem steuerpflichtigen Gewinn abziehen, indem er entweder nachweist, dass a) dem Darlehen tatsächlich überwiegend wirtschaftliche Erwägungen zugrunde liegen oder b) auf die Zinsen letztlich eine nach niederländischen Kriterien angemessene Gewinn- oder Einkommensteuer (nämlich etwa 10 %) bei dem Unternehmen erhoben wird, das das Darlehen gewährt hat.

26.      Mit seinen drei Fragen, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob diese nationale Regelung mit Art. 49 AEUV über die Niederlassungsfreiheit, Art. 56 AEUV über die Dienstleistungsfreiheit und/oder Art. 63 AEUV über den freien Kapitalverkehr vereinbar ist.

27.      Da sich diese Fragen auf mehrere Grundfreiheiten beziehen, muss zunächst festgestellt werden, welche Freiheit auf den vorliegenden Fall anwendbar ist (Abschnitt A). Anschließend prüfe ich, ob das in Rede stehende nationale Gesetz eine Beschränkung der betreffenden Freiheit zur Folge hat (Abschnitt B) und ob eine solche Beschränkung zulässig ist (Abschnitt C).

A.      Die Niederlassungsfreiheit ist die relevante Grundfreiheit

28.      Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Feststellung, unter welche Grundfreiheit eine nationale Regelung fällt, auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen(4).

29.      Wie die beteiligten Regierungen und die Kommission vortragen, ist es offensichtlich, dass Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes im Hinblick auf seinen Gegenstand die Niederlassungsfreiheit betrifft, die in Art. 49 AEUV garantiert ist.

30.      In dieser Hinsicht geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass nationale Rechtsvorschriften, die nur die Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe regeln, vorwiegend die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV betreffen. Ebenso fällt eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es dem Inhaber ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, in den Anwendungsbereich dieser unionsrechtlichen Vorschrift(5).

31.      Ich weise erneut darauf hin, dass Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes Anwendung findet, wenn eine Schuld von einem Steuerpflichtigen i) bei einem „verbundenen Unternehmen“ aufgenommen wird und ii) zur Finanzierung des Erwerbs oder Zukaufs von Anteilen an einem Unternehmen dient, das bereits vor dem Erwerb oder Zukauf mit dem Steuerpflichtigen „verbunden“ war, oder an einem Unternehmen, das später mit dem Steuerpflichtigen „verbunden“ wird. Gemäß Art. 10a Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes gelten Unternehmen für die Zwecke der ersten Bestimmung als „verbunden“, wenn sie unmittelbar oder mittelbar mindestens 33,3 % der Anteile an dem jeweils anderen Unternehmen halten oder wenn ein drittes Unternehmen 33,3 % der Anteile an beiden Unternehmen hält.

32.      Die angefochtenen Bestimmungen betreffen daher nur Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe, da ihr Zweck auf gruppeninterne Darlehen beschränkt ist. Außerdem gelten sie nur für Zinsen auf ein solches Darlehen, das der Steuerpflichtige zu dem Zweck aufgenommen hat, einen so hohen Prozentsatz an Anteilen zu erwerben, dass er einen sicheren Einfluss auf das Zielunternehmen ausüben kann(6). In der Vorlageentscheidung heißt es nämlich, dass X tatsächlich einen deutlich größeren Anteil an F hält als das nach diesen Bestimmungen erforderliche Minimum.

33.      Daher halte ich es für angebracht, das in Rede stehende nationale Recht ausschließlich im Licht von Art. 49 AEUV zu prüfen und die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen ausschließlich im Licht von Art. 49 AEUV zu beantworten(7).

B.      Eine solche nationale Regelung führt zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

34.      Ich weise darauf hin, dass mit der Niederlassungsfreiheit, die Art. 49 AEUV den Unionsbürgern gewährt, gemäß Art. 54 AEUV für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Europäischen Union haben, das Recht verbunden ist, ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, eine Zweigniederlassung oder eine Agentur auszuüben(8).

35.      Im vorliegenden Fall argumentiert X, dass Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes eine Einschränkung dieser Freiheit mit sich bringe, weil diese Bestimmung grenzüberschreitende Sachverhalte weniger günstig behandele als rein interne.

36.      Konkret macht X geltend, dass der Steuerpflichtige, wenn er eine Darlehensschuld mit einem in den Niederlanden ansässigen verbundenen Unternehmen (z. B. der internen Bank der Unternehmensgruppe, zu der er gehöre) eingehe, die Zinsen für dieses Darlehen systematisch von seinem steuerpflichtigen Gewinn abziehen könne, da die Bedingung in Art. 10a Abs. 3 Buchst. b des Körperschaftsteuergesetzes immer erfüllt sei. Das verbundene Unternehmen werde in Bezug auf diese Zinsen offenkundig einer Gewinn- oder Einkommensteuer unterworfen, die „nach niederländischen Kriterien angemessen“ sei, da der niederländische Steuersatz von 10 % gelte. Gehe der Steuerpflichtige dagegen eine solche Darlehensschuld mit einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen verbundenen Unternehmen ein, sei es für ihn schwieriger, die Darlehenszinsen abzuziehen, da diese Bedingung nicht immer erfüllt sei (da andere Mitgliedstaaten möglicherweise eine niedrigere Gewinn- oder Einkommensteuer auf ein solches Unternehmen anwendeten, wie es Belgien zum maßgeblichen Zeitpunkt in Bezug auf C getan habe). Sei dies nicht der Fall, könnte der Steuerpflichtige diesen Vorteil nur dann erlangen, wenn er die Bedingung von Art. 10a Abs. 3 Buchst. a erfülle, d. h., wenn er nachweise, dass das Darlehen und die damit verbundene Transaktion überwiegend auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhten. Das vorlegende Gericht und die Kommission stimmen mit dieser Einschätzung überein.

37.      Die niederländische Regierung macht dagegen geltend, dass die Niederlassungsfreiheit nicht beschränkt werde. Im Ausgangsverfahren habe nur A (die Muttergesellschaft) mit Sitz in Belgien von dieser Grundfreiheit Gebrauch gemacht, indem sie insbesondere ihre Tochtergesellschaft X in den Niederlanden gegründet habe. Die Niederlassungsfreiheit solle die Inländerbehandlung einer solchen Muttergesellschaft in dem Mitgliedstaat, in dem sie eine Tochtergesellschaft gründe, sicherstellen, indem sie jede Diskriminierung aufgrund des Sitzes verbiete. Im vorliegenden Fall führe Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes nicht zu einer solchen Diskriminierung. Was die Möglichkeit für ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen betreffe, Zinsen für gruppeninterne Darlehen abzuziehen, gelte diese Bestimmung nämlich unabhängig davon, ob die Muttergesellschaft ihren Sitz in den Niederlanden oder in einem anderen Mitgliedstaat habe(9).

38.      Hilfsweise macht die niederländische Regierung geltend, dass selbst dann, wenn der Sitz der Darlehensgeberin (der gruppeninternen Bank) für die Beurteilung des Vorliegens einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit relevant wäre, keine unterschiedliche Behandlung vorläge, die einer solchen Beschränkung gleichkäme. Denn Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes gelte unterschiedslos für Schulden, die zwischen verbundenen, in den Niederlanden ansässigen Unternehmen eingegangen würden, und für Schulden, die zwischen verbundenen, in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen eingegangen würden, und die in Art. 10a Abs. 3 Buchst. b festgelegte Bedingung könne auch dann erfüllt sein, wenn die interne Bank ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat habe. Die spanische Regierung teilt im Wesentlichen diese Auffassung.

39.      Ich stimme mit X und der Kommission überein.

40.      Zwar ist hier, wie die niederländische Regierung vorträgt, vor allem zu prüfen, ob Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch A einschränkt, da sie als einzige Gesellschaft von dieser Freiheit u. a. dadurch Gebrauch gemacht hat, dass sie eine Tochtergesellschaft (X) in einem anderen Mitgliedstaat (den Niederlanden) als ihrem Sitzstaat (Belgien) gegründet hat. Ich räume auch ein, dass diese Bestimmung keine Diskriminierung aufgrund des Sitzes dieser Gesellschaft beinhaltet. Nach dieser Vorschrift wäre die Tochtergesellschaft von A, X, auf die gleiche Weise behandelt worden, wenn A in den Niederlanden statt in Belgien niedergelassen gewesen wäre.

41.      Allerdings ist der Begriff der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht auf eine solche Diskriminierung beschränkt. Zwar zielen die diese Freiheit betreffenden Bestimmungen des AEUV darauf ab, dass ausländische Staatsangehörige und Gesellschaften im Aufnahmemitgliedstaat genauso behandelt werden wie die Staatsangehörigen und Gesellschaften dieses Staates, doch hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Niederlassungsfreiheit sehr weit gefasst ist. Alle Maßnahmen, die ihre Ausübung unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen, sind nämlich als Beschränkungen dieser Freiheit anzusehen(10).

42.      Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass, wenn die angefochtenen Bestimmungen des niederländischen Rechts eine steuerlich ansässige Tochtergesellschaft (wie X) einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft (wie A) hinsichtlich der Möglichkeit des Abzugs von Zinsen für ein gruppeninternes Darlehen unterschiedlich behandeln, je nachdem, ob die gruppeninterne Bank, die dieses Darlehen gewährt hat (hier C), in den Niederlanden oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, diese unterschiedliche Behandlung geeignet ist, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch diese Muttergesellschaft weniger attraktiv zu machen.

43.      Ein solcher Unterschied könnte die Muttergesellschaft davon abhalten, ihre Unternehmensgruppe so zu strukturieren, wie sie es wünscht, indem sie ihre interne Bank in einem anderen Mitgliedstaat als den Niederlanden ansiedelt. De facto benachteiligt sie grenzüberschreitende Unternehmensgruppen, deren Existenz auf der Ausübung der Niederlassungsfreiheit beruht, im Vergleich zu Gruppen, die „nur“ in den Niederlanden ansässig sind. Erstere sind nämlich im Gegensatz zu Letzteren häufig so strukturiert, dass sich ihre interne Bank in einem anderen Mitgliedstaat befindet.

44.      Die Argumentation ist dieselbe, wenn man die Betrachtungsweise umkehrt und stattdessen von dem von der niederländischen Regierung angeführten hypothetischen Fall ausgeht, dass A ihren Sitz in den Niederlanden hätte. Auch in diesem Fall wäre eine solche Ungleichbehandlung geeignet, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch die Gründung einer internen Bank in einem anderen Mitgliedstaat für diese Gesellschaft weniger attraktiv zu machen(11). Wenn diese Gesellschaft dies täte, könnte sie nämlich im Vergleich zu einer ähnlichen Gesellschaft, die von dieser Freiheit keinen Gebrauch macht und stattdessen eine interne Bank in den Niederlanden gründet, benachteiligt werden.

45.      Das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Lexel(12) bestätigt meines Erachtens diese Auslegung. Ich erinnere daran, dass es in dieser Rechtssache darum ging, dass eine schwedische Gesellschaft, die zu einer internationalen Unternehmensgruppe gehörte, nach schwedischem Recht die Zinsen für eine Darlehensschuld nicht abziehen konnte, die sie bei der gruppeninternen Bank, d. h. einer anderen Gesellschaft mit Sitz in Frankreich, eingegangen war. Die Muttergesellschaft dieser Unternehmensgruppe hatte ihren Sitz ebenfalls in Frankreich. In diesem Fall bestand die Ungleichbehandlung darin, dass ein solcher Abzug möglich gewesen wäre, wenn sich die interne Bank in Schweden befunden hätte. Der Gerichtshof vertrat zu Recht die Auffassung, dass dieser Unterschied eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt(13).

46.      Zweitens möchte ich anmerken, dass die angefochtenen Bestimmungen des niederländischen Rechts in der Tat eine solche Ungleichbehandlung aufgrund des Sitzes der internen Bank von Unternehmensgruppen zu schaffen scheinen.

47.      Zwar unterscheiden die einschlägigen Bestimmungen des niederländischen Rechts, wie die niederländische Regierung vorträgt, nicht unmittelbar danach, ob die interne Bank, die dem Steuerpflichtigen das fragliche gruppeninterne Darlehen gewährt hat, ihren Sitz in den Niederlanden oder in einem anderen Mitgliedstaat hat(14). Insbesondere ist das in Art. 10a Abs. 3 Buchst. b des Körperschaftsteuergesetzes festgelegte Kriterium nicht, ob diese Bank in Bezug auf diese Zinsen einer Gewinn- oder Einkommensteuer „in den Niederlanden“ unterworfen ist. Dies ist ein wichtiger Unterschied zu der Rechtssache, in der das Urteil Lexel ergangen ist, in der eine ähnliche Voraussetzung für den Abzug solcher Zinsen darin bestand, dass die interne Bank in Schweden steuerpflichtig war(15).

48.      Wie X jedoch argumentiert, kann das in Art. 10a Abs. 3 Buchst. b des Körperschaftsteuergesetzes verwendete Kriterium (nämlich, dass die interne Bank auf diese Zinsen „einer nach niederländischen Kriterien angemessenen Gewinn- oder Einkommensteuer“ unterworfen wird, d. h. von mindestens 10 %) zwar objektiv erscheinen, de facto aber grenzüberschreitende Sachverhalte benachteiligen(16).

49.      Die gegenteiligen Argumente der niederländischen Regierung haben zwar ein gewisses Gewicht. Diese macht in Analogie zum Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Köln-Aktienfonds Deka(17) geltend, dass dieses Kriterium nicht spezifisch für den niederländischen Markt sei, so dass es nur erfüllt werden könne, wenn Steuerpflichtige gruppeninterne Darlehen von in den Niederlanden ansässigen Banken erhielten. Zum maßgeblichen Zeitpunkt wendeten alle Mitgliedstaaten einen Körperschaftsteuersatz von 10 % oder mehr an. Somit sei diese Voraussetzung im Allgemeinen auch dann erfüllt, wenn ein solches Darlehen von internen Banken mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten aufgenommen werde, es sei denn, die betreffende Bank komme (wie C) in den Genuss einer steuerlichen Vorzugsregelung in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sei. Außerdem gebe es Fälle, in denen die Darlehenszinsen in den Niederlanden mit einem niedrigeren Satz als 10 % besteuert würden. Folglich gebe es Fälle, in denen die Voraussetzungen von Art. 10a Abs. 3 Buchst. b des Körperschaftsteuergesetzes nicht erfüllt seien, obwohl die interne Bank ihren Sitz in diesem Mitgliedstaat habe. Eine Muttergesellschaft wie A werde also nicht davon abgehalten, eine solche Bank in einem anderen Mitgliedstaat als den Niederlanden zu errichten, und auch nicht benachteiligt, wenn sie dies tue.

50.      Meines Erachtens müssen die nationalen Rechtsvorschriften jedoch nicht auf Kriterien zurückgreifen, die für einen nationalen Markt spezifisch sind oder ausschließlich den dort ansässigen Unternehmen zugutekommen, um grenzüberschreitende Sachverhalte de facto zu benachteiligen. Die entscheidende Frage ist in diesem Zusammenhang, ob die darin verwendeten Kriterien geeignet sind, grenzüberschreitende Sachverhalte stärker zu beeinträchtigen als rein innerstaatliche. Um festzustellen, ob dies hier der Fall ist, ist der (potenzielle) Anteil der Unternehmensgruppen mit inländischen Banken in den Niederlanden, die die in Art. 10a Abs. 3 Buchst. b des Körperschaftsteuergesetzes festgelegte Bedingung nicht erfüllen können, mit dem (potenziellen) Anteil der Unternehmensgruppen mit inländischen Banken in anderen Mitgliedstaaten, die durch diese Bedingung benachteiligt würden, zu vergleichen(18).

51.      Obwohl es Sache des vorlegenden Gerichts ist, dies zu überprüfen, ist wohl die zweite Kategorie von Unternehmensgruppen im Verhältnis stärker von der fraglichen Bedingung betroffen als die erste.

52.      Zum einen hat die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die in Art. 10a Abs. 3 Buchst. b des Körperschaftsteuergesetzes festgelegte Bedingung praktisch immer erfüllt ist, wenn die interne Bank ihren Sitz in den Niederlanden hat. Darlehenszinsen werden in den Niederlanden nämlich nur dann mit einem niedrigeren Satz als 10 % besteuert, wenn das Darlehen von einer Stiftung oder einem Verein gewährt wird, der keine gewerbliche Tätigkeit ausübt. In der mündlichen Verhandlung hat X vorgetragen und die niederländische Regierung bestätigt, dass diese Ausnahmeregelung niemals in Bezug auf interne Geschäftsbanken wie C angewandt werde und dass es im niederländischen Recht keine andere Ausnahmeregelung gebe. Daher sei der Anteil der Unternehmensgruppen mit internen Banken mit Sitz in den Niederlanden, die diese Bedingung nicht erfüllen könnten, vernachlässigbar.

53.      Zum anderen räumt die niederländische Regierung ein, dass die Bedingung in Art. 10a Abs. 3 Buchst. b des Körperschaftsteuergesetzes nicht erfüllt sei, wenn die interne Bank ihren Sitz in einem Mitgliedstaat habe, der eine steuerliche Vorzugsregelung auf eine solche Bank anwende. Es ist davon auszugehen, dass es in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union verschiedene Varianten solcher Regelungen gibt. Darüber hinaus stellt die Kommission nicht zu Unrecht fest, dass zwar in allen Mitgliedstaaten ein allgemeiner oder theoretischer Körperschaftsteuersatz von 10 % gelte, der tatsächliche Satz jedoch häufig niedriger sei. Alles in allem könnte ein hinreichend großer Teil der Unternehmensgruppen mit internen Banken in anderen Mitgliedstaaten als den Niederlanden benachteiligt werden.

54.      Schließlich überzeugt mich das Argument der spanischen Regierung nicht, dass eine solche Ungleichbehandlung durch die in Art. 10a Abs. 3 Buchst. a des Körperschaftsteuergesetzes vorgesehene alternative Bedingung abgemildert werde, die es einem Steuerpflichtigen erlaube, die Zinsen für ein gruppeninternes Darlehen abzuziehen, wenn er die wirtschaftlichen Erwägungen, die dem fraglichen Darlehen und dem damit verbundenen Vorgang zugrunde lägen, nachweisen könne. Diese Vorschrift stellt nämlich im Hinblick auf den Zinsabzug eine Belastung des Steuerpflichtigen dar, die er (praktisch) nie zu tragen hätte, wenn die interne Bank, die das Darlehen gewährt hat, ihren Sitz in den Niederlanden hätte (da in diesem Fall, wie oben ausgeführt, die Bedingung in Art. 10a Abs. 3 Buchst. b praktisch immer erfüllt wäre). Dies bestätigt die in Rede stehende Ungleichbehandlung.

C.      Eine solche Beschränkung ist nach Art. 49 AEUV zulässig

55.      Jedoch teile ich die Auffassung der beteiligten Regierungen und der Kommission, dass die mit Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes verbundene Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV zulässig ist. Wie in den folgenden Unterabschnitten dargelegt wird, ist diese Beschränkung nämlich durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt (Unterabschnitt 1). Außerdem ist diese Beschränkung geeignet, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten legitimen Ziels sicherzustellen (Unterabschnitt 2), und geht nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Unterabschnitt 3).

1.      Die Beschränkung ist gerechtfertigt

56.      Die beteiligten Regierungen und die Kommission machen geltend, dass die mit Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes verbundene Beschränkung der Freizügigkeit aus Gründen der Bekämpfung der missbräuchlichen Steuerumgehung gerechtfertigt sei. Das spezifische Ziel dieser Vorschrift bestehe nämlich darin, Verhaltensweisen zu verhindern, die darin bestünden, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu dem Zweck zu schaffen, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten in den Niederlanden erzielte Gewinne geschuldet wird. Das vorlegende Gericht teilt diese Auffassung.

57.      Nach ständiger Rechtsprechung stellt ein solches Ziel einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses im Bereich der Besteuerung dar(19). Meines Erachtens besteht kein Zweifel daran, dass Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes tatsächlich dieses Ziel verfolgt und daher durch einen solchen zwingenden Grund gerechtfertigt werden kann.

58.      Der Gerichtshof hat eine solche Feststellung bereits in seinem Urteil X und X in Bezug auf eine Bestimmung desselben Gesetzes (allerdings in einer früheren Fassung) getroffen, die im Wesentlichen mit Art. 10a Abs. 1 Buchst. c identisch war. Der einzige Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass die frühere Fassung nur interne Umstrukturierungen betraf, während Art. 10a Abs. 1 Buchst. c auch für externe Übernahmen gilt(20). Das mit beiden Bestimmungen verfolgte Ziel ist jedoch das gleiche. Wie der Gerichtshof in diesem Urteil festgestellt hat, „soll verhindert werden, dass das Eigenkapital einer Unternehmensgruppe künstlich als von einem niederländischen Gruppenmitglied aufgenommene Kreditmittel erscheint und die Darlehenszinsen vom steuerbaren Ergebnis in den Niederlanden abgezogen werden“(21), während diese Zinsen ansonsten nicht (angemessen) besteuert werden. Der Zweck des Verbots des Abzugs von Zinsen für gruppeninterne Darlehen wird ausdrücklich durch die Regel bestätigt, dass Darlehenszinsen gemäß Art. 10a Abs. 3 Buchst. a abgezogen werden können, wenn ein solches Darlehen und die damit verbundene Transaktion wirtschaftlich gerechtfertigt sind.

2.      Die Beschränkung ist geeignet

59.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs umfasst das Erfordernis der „Geeignetheit“ einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zwei kumulative Kriterien: Die fragliche Maßnahme muss zum einen geeignet sein, die Erreichung dieses Ziels zu gewährleisten, und zum anderen „tatsächlich dem Anliegen gerecht [werden und] in kohärenter und systematischer Weise durchgeführt“ werden(22).

60.      Dass der vorliegende Fall das erste Kriterium erfüllt, ist unbestritten. Indem Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes vorsieht, dass ein Steuerpflichtiger von seinem steuerpflichtigen Gewinn keine Zinsen für ein gruppeninternes Darlehen abziehen kann, das eine rein künstliche Gestaltung zur Aushöhlung der niederländischen Steuerbemessungsgrundlage darstellt (oder Teil davon ist), kann diese Regelung solche Gestaltungen vereiteln. Diese Regelung trägt klar zur Erreichung des verfolgten Ziels bei(23).

61.      Dass im vorliegenden Fall auch das zweite Kriterium erfüllt ist, wird dagegen von X bestritten. Sie macht geltend, dass Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes künstliche gruppeninterne Darlehen nicht konsequent und systematisch bekämpfe. Wenn nämlich die Zinsen für ein solches Darlehen in dem Mitgliedstaat, in dem die Darlehensgeberin ansässig sei, zu einem angemessenen Satz besteuert würden, könne die in den Niederlanden ansässige Darlehensnehmerin diese Zinsen (gemäß Art. 10a Abs. 3 Buchst. b dieses Gesetzes) abziehen, auch wenn das Darlehen und/oder die damit verbundene Transaktion wirtschaftlich nicht gerechtfertigt seien.

62.      Meines Erachtens steht die Tatsache, dass die angefochtenen Bestimmungen den Abzug von Zinsen auf ein gruppeninternes Darlehen in dem von X genannten Fall zulassen, in Wirklichkeit mit dem verfolgten Ziel im Einklang. Zwar kann die Zulassung eines solchen Abzugs in diesem Fall zu einer Verlagerung des steuerpflichtigen Gewinns von den Niederlanden in den Mitgliedstaat führen, in dem die Darlehensgeberin ansässig ist. Wenn die Zinsen jedoch in diesem Mitgliedstaat zu einem angemessenen Satz besteuert werden, wird die Besteuerung nicht vollständig vermieden. Die Bekämpfung der Steuervermeidung könnte daher die Verweigerung dieses Abzugs in dem fraglichen Fall nicht rechtfertigen(24).

3.      Die Beschränkung ist notwendig

63.      Meines Erachtens geht die mit den angefochtenen Vorschriften des niederländischen Rechts verbundene Beschränkung nicht über das hinaus, was zur Erreichung ihres legitimen Zwecks erforderlich ist, da die Anwendung dieser Bestimmungen auf rein künstliche Gestaltungen beschränkt ist (a), und die Folgen, die sich aus der Charakterisierung eines Geschäfts als solches ergeben, nicht übermäßig sind (b).

a)      Die Anwendung der angefochtenen Vorschriften ist auf rein künstliche Gestaltungen beschränkt

64.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind nationale Rechtsvorschriften, die im Hinblick auf das Ziel, rein künstliche Gestaltungen zu verhindern, die darauf ausgerichtet sind, der auf die Gewinne aus den im Inland ausgeübten Tätigkeiten geschuldeten Steuer zu entgehen, als erforderlich anzusehen, wenn sich die Anwendung dieser Vorschriften auf solche Gestaltungen beschränkt und rechtmäßige Transaktionen außer Acht lässt(25).

65.      Die Frage, ob die niederländische Regelung dieses Erfordernis erfüllt, hat der Gerichtshof in seinem Urteil X und X offengelassen. Die beteiligten Regierungen und die Kommission sind jedoch der Ansicht, dass diese Voraussetzung erfüllt sei. Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes erfasse nämlich nur solche Vorgänge, die nicht der wirtschaftlichen Realität entsprächen, d. h., wenn gruppeninterne Darlehen mit einem Steuerpflichtigen in den Niederlanden zu dem einzigen (oder hauptsächlichen) Zweck abgeschlossen würden, eine Schuld zu begründen, die von den steuerpflichtigen Gewinnen dieses Steuerpflichtigen abgezogen werden könne und so die niederländische Steuerbemessungsgrundlage aushöhle. Beruhten das Darlehen und die damit verbundene Transaktion hingegen überwiegend auf triftigen wirtschaftlichen Gründen, finde diese Bestimmung gemäß Art. 10a Abs. 3 Buchst. a des Gesetzes keine Anwendung.

66.      X ist anderer Meinung. Ihrer Ansicht nach ergibt sich die gegenteilige Schlussfolgerung aus dem Urteil Lexel. In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof die Vereinbarkeit der schwedischen Körperschaftsteuervorschriften mit Art. 49 AEUV geprüft, insbesondere die Bestimmungen über den Abzug von Zinsaufwendungen. Ähnlich wie die niederländische Regelung sahen diese Bestimmungen im Wesentlichen vor, dass ein solcher Abzug ausnahmsweise nicht zulässig war, wenn das steuerpflichtige Unternehmen das fragliche Darlehen bei einem verbundenen Unternehmen aufgenommen hatte, es sei denn, es wurde nachgewiesen, dass dieses Darlehen in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt war und somit nicht nur zur Schaffung einer abzugsfähigen Schuld abgeschlossen wurde. Auch die schwedische Regierung machte damals geltend, dass diese Bestimmungen darauf abzielten, rein künstliche Gestaltungen zu verhindern, die darauf abzielten, sich der Steuer zu entziehen, die normalerweise auf die Gewinne aus den im Inland ausgeübten Tätigkeiten zu zahlen sei. Der Gerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass die schwedischen Bestimmungen nicht mit dieser Begründung gerechtfertigt werden konnten, da ihre Anwendung nicht auf solche Gestaltungen beschränkt war. Der Gerichtshof hat hierzu Folgendes ausgeführt:

„53      Wie die [schwedische] Steuerverwaltung in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen eingeräumt hat, betrifft diese Bestimmung [zur Ausnahme von der Abzugsfähigkeit] nämlich Verbindlichkeiten aus privatrechtlichen Geschäften, nicht jedoch ausschließlich künstliche Konstruktionen. Somit können, je nach Bewertung der Ziele des fraglichen Geschäfts durch die Steuerverwaltung, unter die Ausnahmebestimmung auch Geschäfte fallen, die unter Bedingungen des freien Wettbewerbs geschlossen wurden, d. h. unter Bedingungen, die denjenigen entsprechen, die zwischen unabhängigen Gesellschaften Anwendung fänden.

54      Mit anderen Worten stellt der fiktive Aspekt des fraglichen Geschäfts keine maßgebliche Bedingung für die Verweigerung des Abzugsrechts dar, da die Absicht der betreffenden Gesellschaft, eine Verbindlichkeit hauptsächlich aus steuerlichen Gründen einzugehen, ausreichend ist, um die Verweigerung des Abzugsrechts zu rechtfertigen. …

56      Festzustellen ist, dass Geschäfte vom Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung [zur Abzugsfähigkeit] umfasst sein können, die unter Bedingungen des freien Wettbewerbs geschlossen wurden und folglich keine rein künstlichen oder fiktiven Konstruktionen darstellen, die zu dem Zweck errichtet wurden, die auf aus Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne normalerweise zu entrichtende Steuer zu umgehen.“

67.      Daraus folgt nach Ansicht von X, dass die nationalen Steuerbehörden ein gruppeninternes Darlehen (oder die Reihe von Transaktionen, zu denen es gehört) nicht als eine rein künstliche Gestaltung betrachten und den Zinsabzug aus diesem Grund verweigern könnten, nur weil dieses Darlehen aus steuerlichen Gründen abgeschlossen worden sei. Eine solche Vorgehensweise sei für eine Unternehmensgruppe völlig legitim. Ein solches Darlehen sei nur dann künstlich, wenn und soweit die von der Darlehensnehmerin an die Darlehensgeberin gezahlten Zinsen den Betrag überstiegen, auf den sich die beiden Gesellschaften zu marktüblichen Bedingungen geeinigt hätten, d. h. wenn der anzuwendende Zinssatz höher sei als der marktübliche Zinssatz, auf den sich die Gesellschaften geeinigt hätten, wenn sie nicht Teil derselben Unternehmensgruppe gewesen wären. Werde ein solches Darlehen hingegen zu marktüblichen Bedingungen gewährt, so könne es unabhängig von seinem Zweck nicht als künstlich angesehen werden. Dies sei bei den zwischen X und F abgeschlossenen Darlehen der Fall(26).

68.      Da Art. 10a Abs. 1 Buchst. c und Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes fälschlicherweise auf den Zweck abstelle, zu dem ein gruppeninternes Darlehen aufgenommen worden sei (sei es zur Steuervermeidung oder aus wirtschaftlichen Gründen), und nicht auf die für dieses Darlehen geltenden Bedingungen, könne der Zinsabzug nicht nur bei Darlehen mit überhöhten Zinssätzen (die, wie oben dargelegt, künstlich seien), sondern auch bei Darlehen versagt werden, für die der marktübliche Zinssatz gelte (und die deshalb nicht als solche angesehen werden könnten). Wie in der Rechtssache, in der das Urteil Lexel ergangen sei, sei der Anwendungsbereich dieser Bestimmungen also nicht auf rein künstliche Gestaltungen beschränkt, sondern umfasse auch rechtmäßige Transaktionen.

69.      Diese Debatte steht im Mittelpunkt der ersten Frage des vorlegenden Gerichts. Es liegt auf der Hand, dass die Frage, ob Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes nur auf „rein künstliche Gestaltungen“ anwendbar ist, nicht beantwortet werden kann, wenn die Bedeutung dieses Begriffs selbst streitig ist. Ebenso klar ist, dass die beteiligten Regierungen und die Kommission auf der einen Seite und X auf der anderen Seite insoweit sehr unterschiedliche Ansätze vertreten. Der erste Ansatz besteht darin, auf den Zweck abzustellen, für den ein Darlehen aufgenommen wurde. Der zweite Ansatz konzentriert sich nur auf die für dieses Darlehen geltenden Bedingungen. Der erste Ansatz verschafft den niederländischen Steuerbehörden einen wesentlich größeren Handlungsspielraum als der zweite, der im Gegenzug den Steuerpflichtigen mehr Sicherheit bietet(27). Nach dem ersten Ansatz können die nationalen Steuerbehörden ein gruppeninternes Darlehen als „rein künstliche Gestaltung“ (oder als Teil einer solchen „Gestaltung“) einstufen und aus diesem Grund den Zinsabzug verweigern, wenn es hauptsächlich zum Zweck der Erlangung eines Steuervorteils aufgenommen wurde, unabhängig von den für das Darlehen geltenden Bedingungen. Nach dem zweiten Ansatz ist ein gruppeninternes Darlehen gegen solche Folgen „immun“, solange seine Bedingungen, einschließlich des Zinssatzes, sozusagen „normal“ sind, auch wenn es zu steuerlichen Zwecken aufgenommen wurde.

70.      An dieser Stelle möchte ich hervorheben, dass die beteiligten Regierungen und die Kommission zwar einen beträchtlichen Teil ihres jeweiligen Vorbringens darauf verwendet haben, zu erklären, dass „ihr“ Ansatz nicht im Widerspruch zum Urteil Lexel stehe, weil i) der vorliegende Fall von der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, zu unterscheiden sei und/oder ii) dieses Urteil nicht in der von X vorgeschlagenen Weise gelesen werden könne. Ich bin von diesen Erklärungen jedoch nicht überzeugt. Aus der vorstehenden Nr. 66 ergibt sich, dass die angefochtenen Bestimmungen des niederländischen Rechts in allen relevanten Aspekten(28) eine auffallende Ähnlichkeit mit den in der Rechtssache Lexel in Rede stehenden Vorschriften aufweisen. Diese Vorschriften zielen nämlich auf das gleiche Ziel ab: gruppeninterne Darlehen, die ausschließlich (oder hauptsächlich) zum Zweck der Erlangung eines Steuervorteils aufgenommen wurden. Die allgemeine Frage ist also dieselbe: ob und inwieweit ein solches Darlehen als eine „rein künstliche Gestaltung“ (oder als Teil einer solchen „Gestaltung“) angesehen und von den Steuerbehörden als solche behandelt werden kann. Außerdem ist das Urteil Lexel weder vage noch zweideutig und kann daher in dieser Frage auch nicht unterschiedlich ausgelegt werden. Meines Erachtens kann es nur so gelesen werden, wie X es verstanden hat(29). Der Gerichtshof war nämlich der Auffassung, dass der Zweck, zu dem das Darlehen abgeschlossen wurde, nicht relevant ist, und hat stattdessen zwischen Darlehen unterschieden, die unter Bedingungen des freien Wettbewerbs abgeschlossen wurden (die er als echt ansah), und solchen, die nicht unter diesen Bedingungen abgeschlossen wurden (die er als künstlich ansah). Es stellt sich daher nur noch die Frage, ob der Gerichtshof im vorliegenden Fall das Urteil Lexel bestätigen oder von ihm abweichen sollte.

71.      Meines Erachtens ist der von den beteiligten Regierungen und der Kommission vorgeschlagene Ansatz der richtige. Folglich lege ich dem Gerichtshof nahe, den Ansatz, den er in seinem Urteil Lexel zu der in Rede stehenden Frage gewählt hat, zu überdenken.

72.      Die Niederlassungsfreiheit, wie sie in Art. 49 AEUV garantiert ist, bietet eine recht breite Möglichkeit zur steuerlichen „Optimierung“. Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass europäische Unternehmensgruppen diese Freiheit rechtmäßig nutzen können, um Tochtergesellschaften in Mitgliedstaaten zu gründen, um in den Genuss eines günstigeren Steuersystems zu gelangen(30). So könnte sich A, wie X vorträgt, rechtmäßig dafür entscheiden, die interne Bank seiner Gruppe, C, zu genau diesem Zweck in Belgien zu errichten. Ebenso kann C anderen Unternehmen der Gruppe, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, wie X in den Niederlanden, durchaus Darlehen gewähren. Grenzüberschreitende gruppeninterne Darlehen sind nicht von vornherein missbräuchlich(31). Zwar kann ein solches Darlehen zu einer Verringerung der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer der Darlehensnehmerin in dem Mitgliedstaat führen, in dem sie ansässig ist. Durch den Abzug der Darlehenszinsen von ihren steuerpflichtigen Gewinnen verringert die Darlehensnehmerin nämlich ihre Steuerschuld in diesem Mitgliedstaat. Ein Teil der von ihr erzielten Gewinne wird nämlich in Form von Zinsaufwendungen von dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig ist, in den Mitgliedstaat verlagert, in dem die Darlehensgeberin ihren Sitz hat. Dies ist jedoch etwas, was die Mitgliedstaaten in einem integrierten Binnenmarkt wie dem der Europäischen Union grundsätzlich hinnehmen müssen.

73.      Dennoch hat der Gerichtshof in dieser Hinsicht eine klare Grenze gezogen. Es ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass das Unionsrecht, einschließlich der Niederlassungsfreiheit, nicht für missbräuchliche Zwecke herangezogen werden kann. Der Begriff „rein künstliche Gestaltungen“ ist in diesem Sinne zu verstehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es missbräuchlich, wenn in verschiedenen Mitgliedstaaten niedergelassene Wirtschaftsteilnehmer „künstliche Transaktionen ohne wirtschaftliche oder geschäftliche Rechtfertigung“ (oder, anders ausgedrückt, „die die wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht widerspiegeln“) durchführen und damit die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Steuervorteils nur formal erfüllen, „deren Hauptzweck die Erlangung [dieses] Vorteils ist“(32).

74.      Darüber hinaus hat der Gerichtshof in seinem Urteil X (In Drittländern ansässige Zwischengesellschaften)(33) im Hinblick auf den durch Art. 63 AEUV garantierten freien Kapitalverkehr ausgeführt, dass „die künstliche Schaffung der Voraussetzungen, um unberechtigt der Besteuerung in einem Mitgliedstaat zu entgehen oder dort unberechtigt einen Steuervorteil in Anspruch zu nehmen, bei grenzüberschreitendem Kapitalverkehr in verschiedenen Formen erfolgen kann“. In diesem Zusammenhang hat er festgestellt, dass der Begriff „rein künstliche Gestaltung“ geeignet ist, „jede Vorkehrung [zu] umfassen, bei der das Hauptziel oder eines der Hauptziele darin besteht, durch Tätigkeiten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erzielte Gewinne künstlich in [ein anderes Land] mit niedrigem Besteuerungsniveau zu transferieren“.

75.      Diese Auslegung gilt meines Erachtens auch für die unter die Niederlassungsfreiheit fallenden gruppeninternen Transaktionen. Diese Auslegung steht nämlich in völligem Einklang mit der oben in Nr. 73 gegebenen Erläuterung. Im Übrigen sind der freie Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit in Bezug auf nationale Rechtsvorschriften über gruppeninterne Transaktionen wie die angefochtene niederländische Regelung untrennbar miteinander verbunden. Die Niederlassungsfreiheit wird nämlich dadurch eingeschränkt, dass Kapital nicht frei zwischen Gesellschaften derselben Unternehmensgruppe zirkulieren kann. Daher könnten diese Vorschriften theoretisch anhand beider Grundfreiheiten geprüft werden. Es gibt also keinen Grund, je nach der anwendbaren Freiheit unterschiedliche Kriterien anzuwenden.

76.      Zusammenfassend ist, wie die beteiligten Regierungen und die Kommission vortragen, für die Feststellung, ob ein gruppeninternes Darlehen eine „rein künstliche Gestaltung“ darstellt (oder Teil davon ist), das von den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern verfolgte Ziel entscheidend. Ein gruppeninternes Darlehen stellt eine solche „Gestaltung“ dar, wenn dieser Vorgang ausschließlich (oder hauptsächlich) mit dem Ziel durchgeführt wird, einen Steuervorteil (wie den Abzug der Darlehenszinsen vom steuerpflichtigen Gewinn) zu erlangen, was sich daran zeigt, dass er im Übrigen einer wirtschaftlichen und/oder geschäftlichen Rechtfertigung entbehrt (oder, anders ausgedrückt, „die wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht widerspiegelt“). Ob dies der Fall ist, ist im Wege einer Analyse des gesamten Sachverhalts zu ermitteln(34).

77.      Wie die niederländische Regierung bemerkt und der Gerichtshof im Urteil Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation(35) angedeutet hat, können insoweit zwei Fälle unterschieden werden.

78.      Zum einen kann ein gruppeninternes Darlehen, das aus triftigen wirtschaftlichen und/oder geschäftlichen Gründen abgeschlossen wurde, bestimmte Bedingungen enthalten, die nicht „die wirtschaftlichen Gegebenheiten widerspiegeln“ entsprechen. Bei einer ansonsten rechtmäßigen Transaktion kann ein übermäßig hoher Zinssatz vereinbart werden (künstlich, da die Unternehmensgruppe diese Zinsen letztlich an sich selbst zahlt), um in dem Mitgliedstaat, in dem die Darlehensnehmerin ansässig ist, in den Genuss eines entsprechend hohen Steuerabzugs zu kommen. Der Fremdvergleichsgrundsatz (d. h. die Frage, ob nicht verbundene Unternehmen unter vergleichbaren Umständen die gleichen Bedingungen vereinbart hätten) dient als objektiver Maßstab, um festzustellen, ob dies tatsächlich der Fall ist(36).

79.      Zum anderen können verbundene Unternehmen ein Darlehen, das insgesamt keine wirtschaftliche und/oder geschäftliche Rechtfertigung hat, auch zu dem alleinigen (oder hauptsächlichen) Zweck abschließen, Zinszahlungen am Sitz des Unternehmens, dem das Darlehen gewährt wird, zu erzielen. Entgegen den Ausführungen des Gerichtshofs in Rn. 54 des Urteils Lexel und wie oben in Nr. 76 ausgeführt, ist dieses Motiv, das durch das Fehlen einer Rechtfertigung belegt wird, ein entscheidender Gesichtspunkt. Schon aus diesem Grund ist ein solches Darlehen als „rein künstlich“ anzusehen. Die Frage, ob die für dieses Darlehen geltenden Bedingungen denen entsprechen, die von nicht verbundenen Unternehmen unter ähnlichen Umständen vereinbart worden wären, ist demgegenüber unerheblich. Wie die niederländische Regierung vorträgt, kann ein solches Darlehen nicht allein deshalb als „die wirtschaftlichen Gegebenheiten widerspiegelnd“ angesehen werden, weil der anwendbare Zinssatz zum Marktwert festgesetzt wird. Dieses Darlehen spiegelt nämlich nicht „die wirtschaftlichen Gegebenheiten wider“, weil es ohne die Beziehung zwischen den Unternehmen und den angestrebten Steuervorteil niemals aufgenommen worden wäre(37). Genau auf solche künstlich erzeugten Schulden zielt Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes ab.

80.      Wie die beteiligten Regierungen und die Kommission anmerken, würde es die Möglichkeiten der nationalen Steuerbehörden, missbräuchliche Steuervermeidung zu bekämpfen, ernsthaft einschränken, wenn gruppeninterne Transaktionen, für die es keine wirtschaftliche und/oder geschäftliche Rechtfertigung gibt, niemals als „rein künstliche Gestaltungen“ angesehen werden könnten, wenn sie unter Bedingungen des freien Wettbewerbs durchgeführt werden. Der Fremdvergleichsgrundsatz würde so zu einem unerwünschten „sicheren Hafen“ für multinationale Unternehmensgruppen werden. Ihre klugen Steuerberater könnten sich alle möglichen komplizierten Gestaltungen ausdenken, deren einziger Zweck es ist, die Körperschaftsteuerschuld eines Unternehmens in einem Mitgliedstaat zu umgehen und seine Gewinne in einen anderen Staat mit einem niedrigeren Steuersatz zu verlagern. Solange diese Berater darin geschickt Bedingungen formulieren, die den marktüblichen entsprechen, wären diese Gestaltungen gegen Gegenmaßnahmen der Steuerbehörden „immun“(38).

81.      Dies wäre umso weniger wünschenswert, da die nationalen Steuerbehörden nach dem allgemeinen Verbot des Missbrauchs des Unionsrechts nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, die Erlangung von Steuervorteilen durch „rein künstliche Gestaltungen“ zu verhindern. In der Tat sind wirksame Maßnahmen gegen Steuervermeidung nicht nur zur Sicherung des souveränen Rechts der Mitgliedstaaten, die in ihrem Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte und Gewinne zu besteuern, sondern auch für das Funktionieren des Binnenmarkts im Allgemeinen unerlässlich. Die missbräuchliche Steuerumgehung beeinträchtigt den wirtschaftlichen Zusammenhalt und das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts, da sie die Wettbewerbsbedingungen verzerrt(39).

82.      Die zunehmenden Auswirkungen der Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage und der Gewinnverlagerungsstrategien multinationaler Unternehmensgruppen auf die Staatskassen der Mitgliedstaaten und das Funktionieren des Binnenmarkts haben die Europäische Union dazu veranlasst, sich mit diesem Thema zu befassen. Der Unionsgesetzgeber hat insoweit verschiedene Maßnahmen ergriffen, darunter die Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts(40) (im Folgenden: Richtlinie zur Bekämpfung der Steuervermeidung)(41). Diese Richtlinie enthält in Art. 6 eine „Allgemeine Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch“, die im Licht der oben in Nr. 73 angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs formuliert wurde und entsprechend auszulegen ist(42). Wenn die nationalen Steuerbehörden gruppeninterne Transaktionen, für die es keine wirtschaftliche und/oder geschäftliche Rechtfertigung gibt, nicht als „rein künstliche Gestaltungen“ behandeln könnten, wenn sie unter Bedingungen des freien Wettbewerbs durchgeführt werden, würde diese Politik untergraben. Außerdem würde die fragliche „Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch“ einen erheblichen Teil ihrer Wirksamkeit verlieren. Ein großer Teil der Transaktionen, die nicht „aus triftigen wirtschaftlichen Gründen …, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln“, vorgenommen werden, sondern bei denen „der wesentliche Zweck … darin besteht, einen steuerlichen Vorteil zu erlangen“ (um den Wortlaut dieser Bestimmung zu verwenden), würden nicht mehr erfasst.

83.      Aus den oben dargelegten Gründen bin ich der Ansicht, dass der Gerichtshof im vorliegenden Fall von den Rn. 53, 54 und 56 des Urteils Lexel abweichen sollte(43). Gruppeninterne Darlehen, die ohne stichhaltige geschäftliche und/oder wirtschaftliche Rechtfertigung zu dem alleinigen (oder wesentlichen) Zweck gewährt werden, eine abzugsfähige Schuld am Sitz der Darlehensnehmerin zu begründen, stellen „rein künstliche Gestaltungen“ dar, unabhängig davon, ob sie unter Bedingungen des freien Wettbewerbs durchgeführt werden. Nationale Bestimmungen, die auf solche Darlehen abzielen, müssen im Hinblick auf das Ziel, solche „Gestaltungen“ zu verhindern, als notwendig erachtet werden.

84.      Nachdem dies geklärt ist, sind noch einige von X vorgebrachte Argumente zum Anwendungsbereich von Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes zu prüfen.

85.      Erstens macht X geltend, dass die niederländischen Steuerbehörden diese Vorschrift auf ein unbestimmtes Spektrum gruppeninterner Transaktionen anwenden könnten, weil ihr Anwendungsbereich von einer vage und mehrdeutig formulierten Bedingung abhänge, nämlich davon, ob das Darlehen und das damit verbundene Rechtsgeschäft „überwiegend auf geschäftlichen Erwägungen beruhen“ (gemäß Art. 10a Abs. 3 Buchst. a dieses Gesetzes). Die angefochtene niederländische Regelung entspreche daher nicht dem Grundsatz der Rechtssicherheit, da die Unternehmen nicht mit hinreichender Genauigkeit vorhersehen könnten, welche Transaktionen von den Steuerbehörden als missbräuchlich angesehen werden könnten.

86.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit vor allem, dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für die Steuerpflichtigen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sein müssen(44).

87.      Hierzu ist festzustellen, dass die angefochtene niederländische Regelung ähnlich formuliert ist wie andere Vorschriften zur Verhinderung von Missbrauch, die im nationalen Recht und im Unionsrecht zu finden sind. Insbesondere hängt die Anwendung der in Art. 6 der Richtlinie zur Bekämpfung der Steuervermeidung niedergelegten „[a]llgemeine[n] Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch“ auf einen bestimmten Umsatz in ähnlicher Weise davon ab, ob dieser Umsatz „aus triftigen wirtschaftlichen Gründen …, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln“, vorgenommen wird und bei ihm nicht „der wesentliche Zweck … darin besteht, einen steuerlichen Vorteil zu erlangen“. Dabei handelt es sich freilich um offene Begriffe, die naturgemäß eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf ihren Anwendungsbereich schaffen. Darüber hinaus erfordert die Feststellung, ob diese Voraussetzungen in einem bestimmten Fall erfüllt sind, wie ich bereits in Nr. 76 dargelegt habe, eine Gesamtbeurteilung einer Reihe von Tatsachen und Umständen von Fall zu Fall, was ebenfalls zu einer gewissen Unsicherheit führt.

88.      Dieser Grad an Ungewissheit ist jedoch eine unvermeidliche und hinnehmbare Nebenwirkung solcher Vorschriften zur Verhinderung von Missbrauch. Wie Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache SGI festgestellt hat(45), müssen „Vorschriften, die missbräuchlichen Praktiken begegnen sollen, … notwendigerweise unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, um möglichst viele denkbare Gestaltungen zu erfassen, die zur Steuerumgehung geschaffen werden“. Darüber hinaus sollen diese Bestimmungen Verhaltensweisen bekämpfen, die als rechtmäßig getarnt sind und daher schwer zu erkennen sind.

89.      Daraus folgt nicht, dass die Anwendung einer solchen Regelung in das völlige Ermessen der Steuerbehörden gestellt und damit in ihren Auswirkungen unvorhersehbar wäre. Wie das vorlegende Gericht und die niederländische Regierung ausführen, wird die Frage, ob eine bestimmte Regelung „rein künstlich“ ist, anhand objektiver und nachprüfbarer Elemente entschieden(46).

90.      Wie in Nr. 79 ausgeführt, ist die entscheidende Frage, ob das fragliche gruppeninterne Darlehen ohne die Beziehung zwischen den Unternehmen und dem angestrebten Steuervorteil niemals aufgenommen worden wäre. Die Art der Analyse, die bei einer solchen Prüfung vorzunehmen ist, ist hinreichend klar. Die Würdigung der relevanten Tatsachen und Umstände umfasst eine Prüfung der Gesamtstruktur und des offensichtlichen Zwecks der Gestaltung, zu der dieses Darlehen gehört. Wie das vorlegende Gericht ausführt, geht es dabei im Wesentlichen um folgende Fragen: Hätte der betreffende Steuerpflichtige ein Interesse daran gehabt, die fragliche Gestaltung zu schaffen, wenn es den Steuervorteil nicht gegeben hätte? Erscheint die Struktur der Gestaltung angesichts ihres erklärten Zwecks übermäßig komplex und umfasst sie insbesondere Schritte, die (wenn sie sich nicht auf die Steuerschuld auswirken würden) unnötig erscheinen? Dies sind Fragen, die für Steuerfachleute und multinationale Unternehmensgruppen nicht schwer zu beantworten sein dürften, da sie ihr Verhalten entsprechend regeln können(47).

91.      In der Rechtssache des Ausgangsverfahrens führen das vorlegende Gericht und die niederländische Regierung aus, dass der Erwerb eines fremden Unternehmens und die Aufnahme eines Darlehens zu diesem Zweck durch ein steuerpflichtiges Unternehmen bei einem verbundenen Unternehmen im Allgemeinen als „überwiegend auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhend“ im Sinne von Art. 10a Abs. 3 Buchst. a des Körperschaftsteuergesetzes angesehen würden, während die Gestaltung im Zusammenhang mit dem Erwerb von F durch X wegen ihres komplexen Charakters und der (offenbar) unnötigen Schritte, die damit verbunden gewesen seien, als „rein künstlich“ angesehen worden sei. Ich erinnere daran, dass es sich dabei um folgende Schritte handelte: i) die Umleitung der Eigenmittel von A auf C, ii) die anschließende Umwandlung dieser Mittel in ein X gewährtes Darlehen, iii) den Erwerb von F durch X und iv) die Bildung einer einzigen steuerlichen Einheit zwischen F und X, damit die von X an C gezahlten Zinsen von den von F in den Niederlanden erzielten steuerpflichtigen Gewinnen abgezogen werden konnten(48).

92.      Insbesondere der Umstand, dass das X gewährte Darlehen mit von A „umgeleiteten“ Mitteln gewährt wurde, verunreinige prima facie die gesamte Gestaltung. Dies wirft die Frage auf, ob dieses Darlehen wirklich notwendig war, und warum X und nicht A F erworben hat. Die Kommission macht geltend, dass in einem kontrafaktischen Szenario, das die wirtschaftliche Realität widerspiegele, F von A erworben worden wäre und somit weniger Schritte für diesen Erwerb erforderlich gewesen wären. In diesem Szenario würde X jedoch in Bezug auf die von ihr und F in den Niederlanden erzielten Gewinne Dividenden an A zahlen. Eine solche Ausschüttung würde nicht zu einer Verringerung der Körperschaftsteuerschuld in den Niederlanden führen. Im Gegensatz dazu wurde bei der Konstruktion, nach der F von X durch ein von C mit von A umgeleiteten Mitteln gewährtes Darlehen erworben wurde, die Steuerschuld dieser beiden Gesellschaften in diesem Mitgliedstaat fast auf null reduziert, da X die Zinsen für dieses Darlehen von den von ihr und F in den Niederlanden erzielten steuerpflichtigen Gewinnen abzog(49).

93.      Das vorlegende Gericht und die niederländische Regierung heben hervor, dass es in einem solchen Fall Sache des Steuerpflichtigen sei, die wirtschaftlichen und/oder geschäftlichen Gründe, die den Schritten der Gestaltung und insbesondere der „Umleitung“ der geliehenen Mittel zugrunde lägen, plausibel zu machen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs wird dem Steuerpflichtigen ordnungsgemäß und ohne ihn übermäßigen Verwaltungszwängen zu unterwerfen, die Möglichkeit eingeräumt, Beweise dafür vorzubringen(50). Wenn die Steuerbehörden im Licht der vom Steuerpflichtigen vorgelegten Erklärungen und Beweise die Gestaltung immer noch als künstlich ansehen, kann der Steuerpflichtige die Entscheidung dieser Behörden vor Gericht anfechten. Im Ausgangsverfahren gelang es X schlichtweg nicht, solche Beweise vorzulegen, und die nationalen Gerichte bestätigten die Entscheidung der Steuerbehörden.

94.      X erwidert, dass in der Praxis der niederländischen Steuerbehörden und Gerichte unklar sei, welche wirtschaftlichen und/oder geschäftlichen Gründe geltend gemacht werden könnten, um eine solche „Umleitung“ von Mitteln zu rechtfertigen. Bislang seien Erklärungen immer abgelehnt worden. Außerdem berücksichtigten diese Behörden und Gerichte in diesem Zusammenhang keine Erwägungen, die sich auf die Struktur der betreffenden Unternehmensgruppe bezögen, wie z. B. die Tatsache, dass die Darlehensgeberin im Allgemeinen (wie in der vorliegenden Rechtssache C) eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung dieser Gruppe spiele(51).

95.      Meines Erachtens wird es bei der Anwendung einer Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch wie Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes immer Grauzonen geben. Dies macht diese Vorschrift nicht mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar. Im vorliegenden Fall wird die Praxis der Steuerbehörden und der niederländischen Gerichte die von X hervorgehobene Frage nach und nach klären. In diesem Zusammenhang beschränke ich mich auf die Feststellung, dass die Steuerbehörden und Gerichte bei der Beurteilung, ob eine Regelung als künstlich oder wirtschaftlich gerechtfertigt anzusehen ist, alle stichhaltigen wirtschaftlichen Gründe, einschließlich der finanziellen, berücksichtigen sollten(52). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der von X angeführte Grund als solcher zu qualifizieren ist. Es wäre Sache des vorlegenden Gerichts, diese Frage zu beurteilen.

96.      Zweitens beanstandet X die Verteilung der Beweislast nach den angefochtenen Bestimmungen des niederländischen Rechts. Konkret macht sie geltend, dass Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes eine allgemeine Missbrauchsvermutung einführe, die über das hinausgehe, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich sei(53). Die niederländischen Steuerbehörden könnten einem Steuerpflichtigen auf der Grundlage dieser Vorschrift den Abzug der von ihm für ein gruppeninternes Darlehen gezahlten Zinsen verweigern, ohne dass sie auch nur einen Anscheinsbeweis für einen Missbrauch beibringen müssten, während der Steuerpflichtige, um diesen Steuervorteil zu erlangen, nach Art. 10a Abs. 3 Buchst. a des Gesetzes nachweisen müsse, dass das Darlehen und das damit verbundene Rechtsgeschäft überwiegend auf wirtschaftlichen Erwägungen beruhe.

97.      Ich bin anderer Meinung. Wenn die nationalen Steuerbehörden einem Steuerpflichtigen einen Steuervorteil wegen Missbrauchs verweigern wollen, obliegt ihnen im Allgemeinen die Beweislast dafür, dass der Steuerpflichtige versucht, diesen Vorteil durch eine „rein künstliche Gestaltung“ zu erlangen, wobei alle relevanten Fakten und Umstände des Falles im Licht der oben erörterten Kriterien zu berücksichtigen sind(54). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Mitgliedstaaten daran gehindert sind, in ihrem nationalen Recht gesetzliche Vermutungen aufzustellen, sofern diese spezifisch sind und auf ausreichenden Gründen beruhen.

98.      In der vorliegenden Rechtssache gelten Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes und die Verpflichtung des Steuerpflichtigen, die Echtheit der fraglichen Gestaltung nachzuweisen, grundsätzlich nur für Fälle, in denen ein gruppeninternes Darlehen von einem steuerpflichtigen Unternehmen an ein verbundenes Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gewährt wurde, bei dem die von diesem Unternehmen vereinnahmten Zinsen nicht oder nicht zu einem angemessenen Satz besteuert werden(55). Diese besonderen Umstände können zu Recht als Anhaltspunkte für ein Verhalten angesehen werden, das auf eine missbräuchliche Steuerhinterziehung hinauslaufen könnte und eine Umkehr der Beweislast rechtfertigt(56).

99.      Wenn die nationalen Steuerbehörden festgestellt haben, dass ein solches gruppeninternes Darlehen in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fällt und somit möglicherweise zu Zwecken der Steuerumgehung abgeschlossen wurde, ist es nicht unverhältnismäßig, wenn diese Behörden vom Steuerpflichtigen den Nachweis des wirtschaftlichen und/oder geschäftlichen Charakters der Gestaltung verlangen und den Abzug der Darlehenszinsen versagen, wenn er dies nicht tut(57). Schließlich ist der Steuerpflichtige am ehesten in der Lage, Erklärungen und Beweise für die Motive der von ihm getätigten Transaktionen zu liefern. Im Übrigen hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass „die zuständigen Steuerbehörden durch nichts daran gehindert sind, von den Steuerpflichtigen die Nachweise zu verlangen, die sie für die zutreffende Festsetzung der betreffenden Steuern … als erforderlich ansehen, und die beantragte [Vergünstigung] bei Nichtvorlage dieser Nachweise gegebenenfalls zu verweigern“(58).

b)      Die Folgen, die sich daraus ergeben, dass eine Transaktion als eine solche Gestaltung angesehen wird, sind nicht übermäßig

100. Gemäß Art. 10a Abs. 1 Buchst. c des Körperschaftsteuergesetzes wird der Abzug der Darlehenszinsen bei der Ermittlung des Gewinns des Steuerpflichtigen, dem das Darlehen gewährt wird, in den Niederlanden in vollem Umfang ausgeschlossen, wenn ein gruppeninternes Darlehen als rein künstliche Gestaltung (unter den im vorstehenden Unterabschnitt genannten Bedingungen) eingestuft wird.

101. Das vorlegende Gericht ist zwar der Auffassung, dass sich eine solche Konsequenz logisch aus der Feststellung der Künstlichkeit des Darlehens ergibt, es fragt sich jedoch (insbesondere mit seiner zweiten Frage), ob im Licht von Rn. 51 des Urteils Lexel eine vollständige Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug über das hinausgeht, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist. In dieser Randnummer hat der Gerichtshof nämlich festgestellt, dass in Fällen, in denen die Steuerbehörden der Auffassung sind, dass ein Darlehen, das ein Steuerpflichtiger mit einem verbundenen Unternehmen abgeschlossen hat, eine rein künstliche Gestaltung darstellt, „der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit [es erfordert], … dass das Abzugsrecht nur insoweit versagt wird, als die Zinsen den Betrag übersteigen, der ohne eine besondere Beziehung zwischen den Vertragspartnern vereinbart worden wäre“(59).

102. Ich stimme mit den beteiligten Regierungen und der Kommission überein, dass dies nicht der Fall ist. Insofern sollten auch hier die beiden in den Nrn. 78 und 79 genannten Szenarien unterschieden werden.

103. Besteht die Künstlichkeit in einem ungewöhnlich hohen Zinssatz, der in einem ansonsten echten gruppeninternen Darlehen vereinbart wurde, so besteht zum einen die Antwort nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darin, den über dem marktüblichen Satz liegenden Teil der Zinsbelastung zu korrigieren. Es würde über das Ziel, rein künstliche Gestaltungen zu verhindern, hinausgehen, wenn der Abzug dieser Zinsen vollständig verweigert würde.

104. Wenn das Darlehen an sich keine wirtschaftliche und/oder geschäftliche Rechtfertigung hat und ohne die Beziehung zwischen den Unternehmen und dem angestrebten Steuervorteil niemals aufgenommen worden wäre, ist es zum anderen völlig logisch und verhältnismäßig, den Abzug der gesamten Zinsen und nicht nur eines Teils davon zu verweigern. Eine solche rein künstliche Gestaltung muss nämlich von den Steuerbehörden bei der Berechnung der geschuldeten Körperschaftsteuer außer Acht gelassen werden. Ohne das Darlehen gibt es keine Zinsen, die abgezogen werden könnten.

105. Würden die Steuerbehörden im zweiten Szenario den Abzug nur eines Teils der Darlehenszinsen verweigern, wäre die Kohärenz der Regelung zur Verhinderung von Missbrauch in Frage gestellt. Denn entgegen dem verfolgten Ziel würde dem Steuerpflichtigen ein Teil (oder sogar der gesamte) mit missbräuchlichen Mitteln angestrebte Steuervorteil gewährt werden(60).

V.      Ergebnis

106. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Art. 49 AEUV

ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der die Zinsen für ein Darlehen, das bei einem mit dem Steuerpflichtigen verbundenen Unternehmen aufgenommen wurde, bei der Ermittlung des Gewinns dieses Unternehmens nicht abzugsfähig sind, wenn der Abschluss dieses Darlehens überwiegend nicht durch wirtschaftliche Erwägungen, sondern durch das Ziel motiviert war, eine abzugsfähige Schuld zu begründen, selbst wenn der darin vorgesehene Zinssatz nicht über dem liegt, der zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen vereinbart worden wäre. In diesem Fall ist der Zinsabzug in vollem Umfang zu versagen.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Urteil vom 20. Januar 2021, Lexel (C‑484/19, EU:C:2021:34) (im Folgenden: Urteil Lexel).


3      Eine solche Gestaltung kann nämlich aus mehreren Schritten bestehen, von denen einer die Gewährung des Darlehens ist (siehe z. B. unten, Nr. 92).


4      Vgl. u. a. Urteil vom 16. Februar 2023, Gallaher (C‑707/20, EU:C:2023:101, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung) (im Folgenden: Urteil Gallaher).


5      Urteil Gallaher, Rn. 56 bis 58 und die dort angeführte Rechtsprechung.


6      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Oktober 2022, Finanzamt Bremen (C‑431/21, EU:C:2022:792, Rn. 25 und 26).


7      Zwar führt das in Rede stehende nationale Gesetz auch zu Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs (siehe unten, Nr. 75), aber derartige Auswirkungen sind die unvermeidliche Konsequenz einer solchen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigen daher keine eigenständige Prüfung. Vgl. Urteil Gallaher, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung.


8      Vgl. u. a. Urteil vom 8. Oktober 2020, Impresa Pizzarotti (Einer gebietsfremden Gesellschaft gewährter außerordentlicher Vorteil) (C‑558/19, EU:C:2020:806, Rn. 21).


9      Die niederländische Regierung verweist entsprechend auf das Urteil Gallaher, Rn. 69 bis 74.


10      Urteil vom 21. Dezember 2023, Cofidis (C‑340/22, EU:C:2023:1019, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


11      Vgl. entsprechend Urteil vom 22. Februar 2018, X und X (C‑398/16 und C‑399/16, EU:C:2018:110, Rn. 32) (im Folgenden: Urteil X und X).


12      Rn. 35 bis 41.


13      Vgl. in diesem Sinne auch das Urteil vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 95) (im Folgenden: Urteil Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation).


14      Vgl. entsprechend Urteil X und X, Rn. 35.


15      Vgl. Urteil Lexel, Rn. 12 und 38.


16      Vgl. entsprechend Urteil vom 9. September 2021, Real Vida Seguros (C‑449/20, EU:C:2021:721, Rn. 20 und 21).


17      Urteil vom 30. Januar 2020 (C‑156/17, EU:C:2020:51, Rn. 56).


18      Vgl. entsprechend Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach (C‑437/17, EU:C:2018:627, Nr. 24).


19      Vgl. u. a. Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 51 und 55).


20      Zu diesen Begriffen siehe oben, Nr. 22.


21      Urteil X und X, Rn. 48.


22      Vgl. u. a. Urteil vom 7. September 2022, Cilevičs u. a. (C‑391/20, EU:C:2022:638, Rn. 74 und 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23      Vgl. entsprechend dazu Urteil Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Rn. 77.


24      Vgl. entsprechend Urteil vom 12. Dezember 2002, Lankhorst-Hohorst (C‑324/00, EU:C:2002:749, Rn. 37).


25      Vgl. Urteil Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Rn. 79.


26      Nach Ansicht von X wird dies durch die Tatsache belegt, dass eine unabhängige Geschäftsbank ein Darlehen zu denselben Konditionen angeboten habe.


27      Siehe in diesem Zusammenhang unten, Nrn. 80 und 87.


28      Erstens betonen die beteiligten Regierungen und die Kommission, dass die schwedischen Rechtsvorschriften eindeutig auf rein innerstaatliche und grenzüberschreitende Sachverhalte anwendbar seien, während dies bei den niederländischen Vorschriften nicht der Fall sei (vgl. Abschnitt B dieser Schlussanträge). Dieser Unterschied ist jedoch für die Auslegung des Begriffs „rein künstliche Gestaltung“ unerheblich. Zweitens macht die Kommission geltend, dass in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, sowohl die interne Umstrukturierung, zu deren Zweck die fraglichen Darlehen gewährt worden seien, als auch die Darlehen selbst wirtschaftlich gerechtfertigt gewesen seien, und dass nur die für die Darlehen geltenden Bedingungen künstlich gewesen seien. Ich bin mir nicht sicher, ob dies tatsächlich der Fall war; jedenfalls hat der Gerichtshof in der Rechtssache Lexel seine Argumentation sehr allgemein formuliert, ohne Bezug zu den besonderen Umständen der Rechtssache.


29      Vgl. hierzu auch van der Weijden, M., „ECJ Lexel AB Decision Casts a Shadow Over Dutch Interest Limitation Provision“, European Tax Blog, 21. Juni 2021, und Garcia Prats, G., et al., „Opinion Statement ECJ-TF 1/2021 on the ECJ Decision of 20 January 2021 in Lexel AB (Case C‑484/19) Concerning the Application of the Swedish Interest Deductibility Rules (30 June 2021)“, European Taxation, Bd. 61, Nr. 6, 2021.


30      Vgl. u. a. Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 34 bis 38).


31      Vgl. Urteil Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Rn. 73.


32      Vgl. u. a. Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 96, 124 und 125 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch entsprechend Urteil vom 21. Dezember 2023, BMW Bank u. a. (C‑38/21, C‑47/21 und C‑232/21, EU:C:2023:1014, Rn. 282 und 283).


33      Urteil vom 26. Februar 2019 (C‑135/17, EU:C:2019:136, Rn. 84).


34      Vgl. zu diesem letzten Aspekt Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 125 und die dort angeführte Rechtsprechung).


35      Rn. 81.


36      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2010, SGI (C‑311/08, EU:C:2010:26, Rn. 58 und 71 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Art. 9 des von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgearbeiteten Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen.


37      Vgl. in diesem Sinne Urteil Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Rn. 81.


38      Meiner Ansicht nach soll der Fremdvergleichsgrundsatz verhindern, dass gerechtfertigte wirtschaftliche Transaktionen zu unlauteren Steuerzwecken manipuliert werden. Er sollte nicht dazu verwendet werden, Transaktionen zu legitimieren, die von vornherein wirtschaftlich nicht gerechtfertigt waren.


39      Vgl. Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 107).


40      Richtlinie vom 12. Juli 2016 (ABl. 2016, L 193, S. 1).


41      Vgl. auch Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. 2011, L 64, S. 1), geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates vom 25. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen (ABl. 2018, L 139, S. 1).


42      Ich weise darauf hin, dass die Richtlinie zur Bekämpfung der Steuervermeidung auf den Fall des Ausgangsverfahrens zeitlich nicht anwendbar ist. Die Bestimmungen dieser Richtlinie gelten nämlich seit dem 1. Januar 2019. Der Sachverhalt des vorliegenden Rechtsstreits hat sich vor diesem Zeitpunkt ereignet.


43      Ich verstehe die Zwangslage, in der sich der Gerichtshof befinden würde, sollte er meiner Einschätzung zustimmen. Das Urteil Lexel wurde von einer Kammer mit fünf Richtern erlassen, so wie es auch in der vorliegenden Rechtssache der Fall sein wird. In Anbetracht der Tatsache, dass die in Rede stehenden Randnummern des Urteils Lexel nicht die Auffassung widerspiegeln, die in der allgemeinen Rechtsprechung, zu der auch die Entscheidungen der Großen Kammer sowohl vor als auch nach dem Urteil Lexel gehören (siehe oben, Nrn. 73 und 74), zu den Begriffen „rein künstliche Gestaltung“ und „Rechtsmissbrauch“ vertreten wird, könnte man jedoch die Auffassung vertreten, dass dieses Urteil bereits stillschweigend aufgehoben worden ist. Der Gerichtshof benötigt keine Ermächtigung der Großen Kammer, um diese Tatsache im vorliegenden Fall zu bestätigen.


44      Vgl. u. a. Urteil vom 11. Juni 2015, Berlington Hungary u. a. (C‑98/14, EU:C:2015:386, Rn. 74, 76 und 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).


45      Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache SGI (C‑311/08, EU:C:2009:545, Nr. 70).


46      Vgl. zu diesem Erfordernis Urteil vom 21. Januar 2010, SGI (C‑311/08, EU:C:2010:26, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).


47      Vgl. entsprechend meine Schlussanträge in der Rechtssache Belgian Association of Tax Lawyers u. a. (C‑623/22, Nrn. 93 bis 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).


48      Siehe oben, Nrn. 8 bis 10.


49      Siehe oben, Nr. 10.


50      Vgl. u. a. Urteil vom 21. Januar 2010, SGI (C‑311/08, EU:C:2010:26, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).


51      X erklärt, dass die fragliche Gestaltung angesichts der Struktur der Unternehmensgruppe von A als wirtschaftlich gerechtfertigt hätte angesehen werden müssen. Die allgemeine Finanzierung der Unternehmensgruppe sei nämlich am Sitz von C zentralisiert (siehe oben, Nr. 7), die zu diesem Zweck über erhebliches Personal und Vermögen verfügt. Aus diesem Grund sei der Erwerb von F über ein von C gewährtes Darlehen abgewickelt worden. Es würden regelmäßig Mittel von A an C überwiesen, weil Letztere zur Erfüllung ihrer Aufgaben Kapital benötige.


52      Vgl. entsprechend elfter Erwägungsgrund der Richtlinie zur Bekämpfung der Steuervermeidung.


53      X verweist auf die Urteile vom 7. September 2017, Eqiom und Enka (C‑6/16, EU:C:2017:641, Rn. 31, 32 und 36), und vom 20. Dezember 2017, Deister Holding und Juhler Holding (C‑504/16 und C‑613/16, EU:C:2017:1009, Rn. 61 und 62).


54      Vgl. entsprechend Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 142).


55      Werden die Zinsen in dem anderen Mitgliedstaat zu einem angemessenen Satz besteuert, greift die Bedingung in Art. 10a Abs. 3 Buchst. b des Körperschaftsteuergesetzes, und der Abzug kann nicht verweigert werden, wie in Abschnitt B dieser Schlussanträge erläutert.


56      Vgl. entsprechend Urteil vom 26. Februar 2019, X (In Drittländern ansässige Zwischengesellschaften) (C‑135/17, EU:C:2019:136, Rn. 86). Vgl. dagegen Urteil vom 20. Dezember 2017, Deister Holding und Juhler Holding (C‑504/16 und C‑613/16, EU:C:2017:1009, Rn. 65, 67 und 71). Offensichtlich ist der Unionsgesetzgeber der gleichen Auffassung. Insoweit enthält Anhang IV der Richtlinie 2011/16 für die Zwecke der in dieser Richtlinie vorgesehenen Meldepflichten eine Liste von „Kennzeichen“, d. h. von Merkmalen oder Eigenschaften von Gestaltungen, die „auf ein potenzielles Risiko der Steuervermeidung hindeute[n]“ (vgl. Art. 3 Nr. 20 der Richtlinie). So heißt es in Teil II Abschnitt C Nr. 1 Buchst. d von Anhang IV der Richtlinie, dass eine Gestaltung, „die abzugsfähige grenzüberschreitende Zahlungen zwischen zwei oder mehr verbundenen Unternehmen umfasst und bei der … die Zahlung … im Hoheitsgebiet, in dem der Empfänger steuerlich ansässig ist, in den Genuss von einem präferentiellen Steuerregime [kommt]“, ein solches „Kennzeichen“ darstellen kann.


57      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Januar 2010, SGI (C‑311/08, EU:C:2010:26, Rn. 73), und vom 5. Juli 2012, SIAT (C‑318/10, EU:C:2012:415, Rn. 53).


58      Vgl. u. a. Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 141 und die dort angeführte Rechtsprechung).


59      Vgl. auch Urteil Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Rn. 83.


60      Der Gerichtshof hat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung gefragt, ob die Steuerbehörden nicht sogar die von der Darlehensnehmerin an die Darlehensgeberin gezahlten Zinsen als (verdeckte) Ausschüttung behandeln sollten (siehe dazu oben, Nr. 92). In diesem Fall könnte sich die Steuerschuld der Darlehensnehmerin erheblich erhöhen, und zwar nicht nur, weil der steuerpflichtige Gewinn nicht um den Betrag der gezahlten Zinsen gemindert werden könnte, sondern auch, weil diese Gesellschaft durch die Behandlung dieser Zinsen als Ausschüttung je nach den geltenden Steuervorschriften bei diesem Vorgang körperschaftsteuerpflichtig werden könnte (vgl. entsprechend Urteil Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Rn. 38 und 39). Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, wäre es meines Erachtens in der Tat verhältnismäßig und somit mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn die Steuerbehörden so verfahren würden. Die angemessene Behandlung der Zinsen ist jedoch eine Angelegenheit, über die die nationalen Steuerbehörden im Licht ihres nationalen Rechts zu entscheiden haben (vgl. entsprechend Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie zur Bekämpfung der Steuervermeidung).