Language of document : ECLI:EU:T:2014:859

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

8. Oktober 2014(*)

„Staatliche Beihilfen – Aluminium – Vertraglich gewährter Vorzugsstromtarif – Beschluss, der die Beihilfe für rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt – Kündigung des Vertrags – Vorläufige gerichtliche Aussetzung der Wirkungen der Kündigung des Vertrags – Neue Beihilfe“

In der Rechtssache T‑542/11

Alouminion AE mit Sitz in Maroussi (Griechenland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Dellis, N. Korogiannakis, E. Chrysafis, D. Diakopoulos und N. Keramidas,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou und É. Gippini Fournier als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt V. Chatzopoulos,

Beklagte,

unterstützt durch

Dimosia Epicheirisi Ilektrismou AE (DEI) mit Sitz in Athen (Griechenland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte E. Bourtzalas, D. Waelbroeck, A. Oikonomou, E. Salaka und C. Synodinos,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses 2012/339/EU der Kommission vom 13. Juli 2011 über die staatliche Beihilfe SA 26117 – C 2/10 (ex NN 62/09), die Griechenland zugunsten von Aluminium of Greece S.A. gewährt hat (ABl. 2012, L 166, S. 83),

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek sowie der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters V. Kreuschitz,

Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 2014,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Alouminion tis Ellados AE (im Folgenden: AtE), deren Rechtsnachfolgerin für die Sparte Aluminiumproduktion in Griechenland seit Juli 2007 die Klägerin Alouminion AE ist, schloss 1960 einen Vertrag (im Folgenden: Vertrag) mit der Streithelferin, der öffentlichen Stromversorgungsgesellschaft Dimosia Epicheirisi Ilektrismou AE (DEI), aufgrund dessen für sie ein Vorzugsstromtarif (im Folgenden: Vorzugstarif) galt.

2        Art. 2 Abs. 3 des Vertrags sah in seinen verschiedenen Fassungen seine Verlängerung für aufeinanderfolgende Zeiträume von fünf Jahren vor, sofern er nicht von einer der Parteien mit einer Frist von zwei Jahren durch Einschreiben mit Rückschein mit Anforderung einer an die andere Partei gerichteten Empfangsbestätigung gekündigt wird.

3        Aufgrund eines von AtE mit dem griechischen Staat geschlossenen Vertrags und formalisiert durch eine gesetzesvertretende Verordnung von 1969 sollte der Vertrag in seiner geänderten Fassung zum 31. März 2006 enden, es sei denn, er würde gemäß seinen Bestimmungen verlängert.

4        In dem Beschluss SG (92) D/867 vom 23. Januar 1992, Streitige Beihilfe zugunsten des Unternehmens A[tE], Beihilfe NN 83/91, vertrat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Ansicht, dass der Vorzugstarif keine staatliche Beihilfe darstellt.

5        Im Februar 2004 gab die DEI gegenüber AtE ihre Kündigung des Vertrags (im Folgenden: Kündigung) bekannt und kündigte ihr gegenüber Ende März 2006 den Vorzugstarif.

6        AtE focht die Kündigung vor den zuständigen nationalen Gerichten an.

7        Mit Beschluss Nr. 80/2007 vom 5. Januar 2007 setzte das Monomeles Protodikeio Athinon (mit einem Richter besetztes erstinstanzliches Gericht Athen, Griechenland) im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Wirkungen der Kündigung vorläufig und ex nunc bis zum Ergehen eines Sachurteils aus (im Folgenden: erste einstweilige Anordnung oder fragliche Maßnahme).

8        In der ersten einstweiligen Anordnung ging das Monomeles Protodikeio Athinon davon aus, dass die Kündigung auf der Grundlage der Vertragsklauseln und des anwendbaren nationalen rechtlichen Rahmens nicht wirksam sei.

9        Die DEI focht die erste einstweilige Anordnung vor dem Polymeles Protodikeio Athinon (Kollegialgericht erster Instanz Athen) an, das im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes ihrem Antrag mit Beschluss Nr. 72/2008 vom März 2008 (im Folgenden: zweite einstweilige Anordnung) ex nunc stattgab.

10      Somit verwendete die DEI zum einen zwischen der Kündigung und der ersten einstweiligen Anordnung sowie seit der zweiten einstweiligen Anordnung nicht den Vorzugstarif. Zum anderen kam der Vorzugstarif zwischen der ersten einstweiligen Anordnung und der zweiten einstweiligen Anordnung (im Folgenden: fraglicher Zeitraum) AtE und danach der Klägerin zugute.

11      Im Juli 2008 wurden bei der Kommission Beschwerden wegen mutmaßlicher staatlicher Beihilfemaßnahmen zugunsten der Klägerin und wegen des darin u. a. geschaffenen Vorzugstarifs erhoben.

12      Mit Schreiben vom 27. Januar 2010 unterrichtete die Kommission die Hellenische Republik über ihren Beschluss, das in Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehene Verfahren u. a. im Hinblick auf den Vorzugstarif einzuleiten, in dem sie die Beteiligten innerhalb einer Frist von einem Monat seit dem Zeitpunkt seiner Veröffentlichung (im Folgenden: Eröffnungsbeschluss) zur Äußerung aufforderte.

13      Der Eröffnungsbeschluss wurde am 16. April 2010 im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. C 96, S. 7) veröffentlicht.

14      Im Eröffnungsbeschluss äußerte die Kommission Zweifel, inwieweit der Vorzugstarif, der von der DEI gegenüber AtE und danach gegenüber der Klägerin während des fraglichen Zeitraums in Rechnung gestellt wurde, dem Tarif der übrigen Großindustriekunden für Hochspannungselektrizität entsprach, da der Vorzugstarif im März 2006 enden sollte, aber durch die erste einstweilige Anordnung verlängert worden war.

15      Die Stellungnahme der Hellenischen Republik ging am 31. März 2010 bei der Kommission ein.

16      Die Stellungnahme der Klägerin ging der Kommission am 12. Mai 2010, am 3. März und am 4. Mai 2011 sowie die der DEI am 17. Mai 2010 zu. Die Kommission leitete diese Stellungnahmen an die Hellenische Republik weiter, um ihr Gelegenheit zu geben, darauf zu antworten. Ihre Stellungnahmen gingen am 16. Juli und am 6. August 2010 sowie am 16. Mai 2011 ein.

17      Am 1. Dezember 2010 ersuchte die Kommission die griechischen Behörden um ergänzende Informationen, worauf die Hellenische Republik mit Schreiben vom 11. Februar 2011 antwortete.

18      Am 31. Mai und am 4. Juli 2011 gingen der Kommission weitere Stellungnahmen der Klägerin zu.

19      Am 13. Juli 2011 erließ die Kommission den Beschluss 2012/339/EU über die staatliche Beihilfe SA 26117 – C 2/10 (ex NN 62/09), die Griechenland zugunsten von AtE und Alouminion gewährt hat (ABl. 2012, L 166, S. 83, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

20      In Art. 1 des angefochtenen Beschlusses entschied die Kommission, dass die Hellenische Republik zugunsten von AtE und zugunsten der Klägerin als ihrer Rechtsnachfolgerin durch die Anwendung des Vorzugstarifs während des fraglichen Zeitraums, nämlich von Januar 2007 bis März 2008, unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig eine staatliche Beihilfe in Höhe von 17,4 Mio. EUR gewährt habe.

21      Die Kommission entschied ferner, dass diese Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei, und forderte die Hellenische Republik auf, die Beihilfe von der Klägerin zurückzufordern (vgl. Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses).

 Verfahren und Anträge der Parteien

22      Mit Klageschrift, die am 6. Oktober 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

23      Die Klägerin hat in der Klageschrift beim Gericht den Antrag gestellt, im Rahmen einer Beweisaufnahme nach Art. 65 Buchst. d seiner Verfahrensordnung ein Sachverständigengutachten einzuholen.

24      Mit Schriftsatz, der am 30. Januar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die DEI ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt.

25      Der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts hat dem Antrag der DEI auf Zulassung als Streithelferin mit Beschluss vom 27. März 2012 stattgegeben.

26      Die Streithelferin hat ihren Streithilfeschriftsatz am 11. Juni 2012 eingereicht.

27      Die Kommission und die Klägerin haben ihre Stellungnahmen zu diesem Streithilfeschriftsatz am 19. bzw. am 23. November 2012 eingereicht.

28      Infolge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist die Berichterstatterin der Vierten Kammer zugeteilt worden, an die die vorliegende Rechtssache deshalb verwiesen worden ist.

29      Gemäß Art. 64 § 2 Buchst. a der Verfahrensordnung hat das Gericht die Kommission aufgefordert, bestimmte Dokumente vorzulegen. Die Kommission ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

30      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

31      Die Kommission, unterstützt durch die Streithelferin, beantragt,

–        die Klage insgesamt abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

32      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zehn Klagegründe, die erstens und hauptsächlich gegen die Einstufung der fraglichen Maßnahme als neue Beihilfe (erster, zweiter, dritter und vierter Klagegrund), zweitens, und hilfsweise, gegen die Einstufung des Vorzugstarifs als staatliche Beihilfe (fünfter, sechster, siebter und achter Klagegrund) sowie drittens, und äußerst hilfsweise, gegen die aus der fraglichen Maßnahme resultierende Verpflichtung zur Rückforderung der neuen Beihilfe (neunter und zehnter Klagegrund) gerichtet sind.

33      Zunächst ist der erste Klagegrund zu prüfen, mit dem Fehler betreffend das Vorliegen einer neuen Beihilfe geltend gemacht werden.

34      Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss im Hinblick auf die Einstufung der fraglichen Maßnahme als neue Beihilfe folgende Auffassung vertreten:

„8      A[tE] wurde 1960 gegründet. Der griechische Staat gewährte dem Unternehmen bestimmte Vorrechte, zu denen die Stromversorgung zu einem günstigen Tarif gehörte. Gemäß der Satzung, in der die Vorrechte festgelegt sind, sollte die Stromversorgung mit dem vergünstigten Tarif im März 2006 enden, sofern A[tE] fristgerecht zwei Jahre zuvor von der DEI darüber informiert worden war. Am 26. Februar 2004 (also mehr als zwei Jahre vor Ablauf des Vorrechts) hat die DEI die betreffende Mitteilung fristgerecht an A[tE] gesandt und daraufhin Ende März 2006 den [Vorzugstarif] gekündigt.

9      Folglich zahlte A[tE] von März 2006 bis Januar 2007 den üblichen [Tarif].

10      Allerdings hat A[tE] die Kündigung des Vorzugsstromtarifs vor Gericht angefochten, und im Januar 2007 hat ein erstinstanzliches Gericht die vorläufige Wiederanwendung des Vorzugsstromtarifs bis zum Ergehen eines gerichtlichen Sachurteils angeordnet. Daraufhin legte die DEI Berufung gegen diesen vorläufigen Beschluss ein, der im März 2008 aufgehoben wurde (das Sachurteil steht noch aus).

11      Aufgrund der Gerichtsbeschlüsse gelangte der Vorzugsstromtarif von Januar 2007 bis März 2008 gegenüber A[tE und danach gegenüber der Klägerin] erneut zur Anwendung. In [dem fraglichen Zeitraum] [haben] A[tE und danach die Klägerin] laut Angaben der griechischen Behörden 17,4 Mio. EUR weniger bezahlt, als nach dem [‚üblichen‘] Tarif … zu zahlen gewesen wären.

f) [Die fragliche Maßnahme] stellt eine rechtswidrige Einnahme dar

34      [Die Klägerin] vertritt die Ansicht, dass [die] erste [einstweilige Anordnung] keine wesentliche Änderung des [vertraglich vereinbarten Vorzugstarifs] bewirkt hat. Folglich sei [der Klägerin] mit [der ersten einstweiligen Anordnung] keine neue Beihilfe gewährt worden, sondern die Maßnahme des [Vorzugstarifs] sei als bestehende Beihilferegelung weiter in Kraft geblieben.

35      Die Kommission kann dem Argument [der Klägerin] nicht folgen. Nach den ursprünglichen Bedingungen für die Gewährung des Vorzugsstromtarifs, der eine bestehende Beihilferegelung darstellte, sollte die Beihilfe mit der Maßgabe einer rechtzeitigen Unterrichtung durch die DEI im März 2006 auslaufen. Sobald diese Bedingung erfüllt war, besaß die bestehende Beihilferegelung entsprechend den ursprünglichen Bedingungen für die Gewährung des Vorzugsstromtarifs keine Gültigkeit mehr. Folglich stellt jede Gewährung eines vergünstigten Stromtarifs, die per definitionem einer staatlichen Beihilfe entspricht (wie dies hier der Fall ist), eine neue Beihilfe dar, ungeachtet dessen, dass deren Bedingungen mit denen der zuvor bestehenden Beihilferegelung übereinstimmen können. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs heißt es ausdrücklich, dass die Verlängerung einer bestehenden Beihilferegelung eine neue Beihilfe darstellt und bei der Kommission angemeldet werden muss [Urteile vom 12. Juli 1973, Kommission/Deutschland, 70/72, Slg, EU:C:1973:87, Rn. 14, und vom 11. September 2003, Belgien/Kommission, C‑197/99 P, Slg, EU:C:2003:444, Rn. 109]. Dies gilt umso mehr auch dann, wenn eine abgelaufene bestehende Beihilferegelung einige Monate später wieder aktiviert wird.

36      Da die Kommission nicht gemäß Artikel 108 AEUV über die neue Beihilfe unterrichtet wurde, ist die Beihilfe rechtswidrig.“

35      Nach Auffassung der Klägerin beruht der angefochtene Beschluss auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler, da die Kommission darin als Erstes die Ansicht vertreten habe, dass der Vertrag im März 2006 ausgelaufen sei, weil der Vertrag auch seine Verlängerung für Zeiträume von fünf Jahren vorgesehen habe, soweit er nicht fristgerecht und in einer bestimmten Form gekündigt werde, so dass der Vertrag nicht automatisch im März 2006 ausgelaufen sei.

36      Die Kündigung sei jedoch nicht mit der nationalen Gesetzgebung vereinbar, nach der eine Pflicht zur Lieferung von Elektrizität bestehe, und begründe den Missbrauch einer beherrschenden Stellung.

37      Als Zweites beruhe der angefochtene Beschluss insoweit auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler, als die Kommission die Ansicht vertreten habe, dass die erste einstweilige Anordnung den Vorzugstarif verlängert habe, weil dieser Beschluss keinesfalls der Hauptsache des Rechtsstreits vorgegriffen habe und er nur vorläufige Rechtskraft mit der einzigen Wirkung gehabt habe, die Wirkungen der Kündigung ex nunc auszusetzen.

38      Als Drittes beruhe der angefochtene Beschluss auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler, da die Kommission die Ansicht vertreten habe, dass die erste einstweilige Anordnung durch die zweite einstweilige Anordnung „aufgehoben“ worden sei, weil nach dem nationalen Verfahrensrecht die zweite einstweilige Anordnung zum „Widerruf“ der ersten geführt habe, d. h. ohne Rückwirkung zu entfalten.

39      Als Viertes beruhe der angefochtene Beschluss auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler, da die Kommission die Ansicht vertreten habe, dass die fragliche Maßnahme aufgrund eines rechtlichen Rahmens erlassen worden sei, der dem der bestehenden Beihilfe „ähnlich“ sei, während diese Maßnahme den Vorzugstarif unverändert beibehalten habe, so dass sie keine neue Beihilfe darstellen könne.

40      Die Kommission selbst trägt vor, sie habe in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass die erste einstweilige Anordnung eine neue Beihilfe begründet habe, über die sie hätte unterrichtet werden müssen, wenn sie nicht rechtswidrig sein solle.

41      Als Erstes sei somit der Vertrag gemäß seinen Bestimmungen tatsächlich im März 2006 ausgelaufen, im Gegensatz zu dem, was aus der ersten vorläufigen Anordnung ersichtlich sei, die von einer fehlerhaften Auslegung des anwendbaren nationalen Rechts ausgehe.

42      Als Zweites habe die erste einstweilige Anordnung eine Maßnahme dargestellt, die sicherlich vorläufig und im vorliegenden Fall ausdrücklich zeitlich begrenzt gewesen sei, aber Rechte mit Ex‑nunc-Wirkungen begründet habe, so dass sie eine neue Maßnahme dargestellt habe.

43      Als Drittes räumt die Kommission zwar ein, dass sich die Berechnungsweise des Vorzugstarifs nicht verändert habe, führt jedoch verschiedene Gründe an, um zu belegen, dass es sich um eine neue Beihilfe handele, und zwar sei erstens die rechtliche und vertragliche Grundlage der Beihilfe gerichtlich festgesetzt worden; zweitens ergebe sich die materielle Grundlage der Beihilfe nicht mehr aus einem Vertrag zwischen den Parteien, sondern sei einseitig durch das begünstigte Unternehmen mittelbar (indirekt) gegenüber dem Staat mittels eines zivilrechtlichen Verfahrens festgelegt worden; drittens bestünden die Gründe des Allgemeininteresses aus dem Jahr 1960 nicht mehr, und es gehe ausschließlich um die Rentabilität des begünstigten Unternehmens, und viertens sei die Geltungsdauer der Beihilfe ungewiss und auf jeden Fall ohne Bezug zur wirtschaftlichen Logik, die während der Festsetzung der ursprünglichen Geltungsdauer des Vertrags maßgebend gewesen sei.

44      Daraus folge im Licht der Rechtsprechung, dass die erste einstweilige Anordnung durch die Verlängerung des Vorzugstarifs eine neue Beihilfemaßnahme dargestellt habe.

45      In ihrem Streithilfeschriftsatz führt die Streithelferin verschiedene Gründe zur Stützung des Vorbringens der Kommission an.

46      Zum einen ermöglichten ihr die Bestimmungen des Vertrags im Gegensatz zum Vorbringen der Klägerin, diesen mit Wirkung zum 31. März 2006 zu kündigen, was sich so auch aus der zweiten einstweiligen Anordnung ergebe, wobei diese, was das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angehe, abschließend gewesen sei.

47      Zum anderen habe die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten, dass die fragliche Maßnahme eine bestehende Beihilfe verlängert habe, so dass durch diese Maßnahme eine neue Beihilfe gewährt worden sei.

48      Vorab weist das Gericht zum einen darauf hin, dass nach Art. 108 Abs. 3 AEUV jede Einführung einer neuen Beihilfe vor ihrer Durchführung der Kommission mitgeteilt werden muss und dass jede neue Beihilfe, die ohne Genehmigung der Kommission gewährt wird, rechtswidrig ist.

49      Zum anderen wird nach Art. 1 Buchst. c und b der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. L 83, S. 1) eine neue Beihilfe durch „alle Beihilfen, also [durch] Beihilferegelungen und [durch] Einzelbeihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen“ begründet, und eine bestehende Beihilfe wird durch „genehmigte Beihilfen, also [durch] Beihilferegelungen und [durch] Einzelbeihilfen, die von der Kommission oder vom Rat [der Europäischen Union] genehmigt wurden“, begründet.

50      Als neue Beihilfen sind somit Maßnahmen anzusehen, die nach dem Inkrafttreten des EG-Vertrags erlassen worden und auf die Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen gerichtet sind, wobei sich diese Umgestaltung auf bestehende Beihilfen beziehen kann (Urteil vom 20. Mai 2010, Todaro Nunziatina & C., C‑138/09, Slg, EU:C:2010:291, Rn. 46).

51      Im vorliegenden Fall hat die Kommission im 35. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses anerkannt, dass der 1960, also vor dem Beitritt der Hellenischen Republik zu den Europäischen Gemeinschaften, vertraglich gewährte Vorzugstarif zumindest bis zum Erlass der fraglichen Maßnahme, d. h. vor dem Erlass der ersten einstweiligen Anordnung, eine bestehende Beihilfe darstellte.

52      Hingegen befand die Kommission in demselben 35. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die fragliche Maßnahme die bestehende Beihilfe durch die Veränderung der Geltungsdauer des Vertrags und damit der Geltungsdauer des darin begründeten Vorrechts in Gestalt des Vorzugstarifs verlängert habe.

53      Zwar ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass mit der Verlängerung einer bestehenden Beihilfe eine neue Beihilfe eingeführt wird, die sich von der verlängerten Beihilfe unterscheidet, und dass die Änderung der Geltungsdauer einer bestehenden Beihilfe als eine neue Beihilfe anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Dezember 2013, Kommission/Rat, C‑111/10, Slg, EU:C:2013:785, Rn. 58, und Kommission/Rat, C‑121/10, Slg, EU:C:2013:784, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 6. März 2002, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, T‑127/99, T‑129/99 und T‑148/99, Slg, EU:T:2002:59, Rn. 175).

54      Allerdings ist auch entschieden worden, dass für die Anwendung von Art. 108 Abs. 1 und 3 AEUV bei der Frage, ob eine neue Beihilfe oder die Umgestaltung einer bestehenden Beihilfe vorliegt, Maßstab die Bestimmungen sind, in denen sie vorgesehen sind, sowie die dort vorgesehenen Modalitäten und Beschränkungen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. August 1994, Namur-Les assurances du crédit, C‑44/93, Slg, EU:C:1994:311, Rn. 28). Daher wird die ursprüngliche Beihilferegelung nur dann in eine neue Beihilferegelung umgewandelt, wenn die Änderung sie in ihrem Kern selbst betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil Todaro Nunziatina & C., oben in Rn. 50 angeführt, EU:C:2010:291, Rn. 46 und 47).

55      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die erste einstweilige Anordnung die Wirkungen der Kündigung des Vertrags, aufgrund dessen der Vorzugstarif gewährt worden war, ausgesetzt hat, so dass die erste einstweilige Anordnung ausdrücklich den Vorzugstarif während des fraglichen Zeitraums vorläufig beibehalten hat. Allerdings ist festzustellen, dass dieses Tätigwerden des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters weder das Ziel noch die Wirkung gehabt hat, den Kern der bestehenden Beihilfe zu verändern. Dieses Tätigwerden hat tatsächlich weder die vertraglichen oder legislativen Bestimmungen hinsichtlich des Vorzugstarifs umgestaltet, noch die Modalitäten oder die Beschränkungen dieses Tarifs umgestaltet, sondern hat nur in einer Beurteilung der Vorschriftsmäßigkeit der Kündigung des Vertrags bestanden.

56      Daher hat der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, anstatt eine neue Beihilfe zu gewähren, wie dies die Kommission angenommen hat, lediglich vorläufig den Rechtsstreit entschieden, der bei ihm hinsichtlich der Frage anhängig gemacht worden war, ob der Vertrag, der dem Vorzugstarif zugrunde lag, aufgehört hat, seine Wirkungen zu entfalten. Daraus folgt zwangsläufig, dass die Aussetzung der Kündigung des Vertrags infolge der ersten einstweiligen Anordnung nichts zu einem neuen Vorteil feststellt, der sich von der bestehenden Beihilfe unterscheidet.

57      Somit kann die erste einstweilige Anordnung nicht als Einführung oder Umgestaltung einer Beihilfe im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV angesehen werden.

58      Andernfalls wäre das nationale Gericht, wenn es vorläufig in einem Rechtsstreit über einen Vertrag wie im vorliegenden Fall zu entscheiden hat, tatsächlich und rechtlich gezwungen, der Kommission nicht nur die neuen Beihilfen oder die Umgestaltungen von Beihilfen im eigentlichen Sinne, die einem Unternehmen, das Nutznießer einer bestehenden Beihilfe ist, gewährt werden, anzuzeigen und ihrer präventiven Kontrolle zu unterstellen, sondern alle Maßnahmen, die die Auslegung und die Durchführung dieses Vertrags betreffen, die sich auf das Funktionieren des Binnenmarkts, auf den Wettbewerb oder auch nur auf die tatsächliche Geltungsdauer von Beihilfen, die im Grundsatz weiter bestehen, für einen bestimmten Zeitraum auswirken können, und obwohl die Kommission keinen Beschluss über die Genehmigung oder über die Unvereinbarkeit erlassen hat.

59      Demnach ist festzustellen, dass die Kommission den angefochtenen Beschluss durch die Einstufung der fraglichen Maßnahme als neue Beihilfe rechtswidrig erlassen hat.

60      Das Vorbringen der Kommission und der Streithelferin in ihren Schriftsätzen vor dem Gericht steht dieser Schlussfolgerung nicht entgegen.

61      Das Gericht hat zwar tatsächlich zunächst in der Rechtssache, die zum Urteil Diputación Foral de Álava u. a./Kommission (oben in Rn. 53 angeführt, EU:T:2002:59) geführt hat, entschieden, dass, selbst wenn die fraglichen Vorteile nur die Fortschreibung einer Maßnahme, bei der es sich um eine bestehende Beihilfe handelt, darstellen sollten, diese doch wegen der Änderung der Geltungsdauer der betreffenden Beihilfe als eine neue Beihilfe anzusehen ist.

62      In der Rechtssache, die zum Urteil vom 1. Juli 2010, Italien/Kommission (T‑53/08, Slg, EU:T:2010:267), geführt hat, die die Verlängerungen eines Vorzugstarifs zugunsten eines Unternehmens betraf, hat das Gericht zwar ebenfalls entschieden, dass diese Verlängerungen eine „neue“ Beihilfe darstellten.

63      Das Gericht ist jedoch nur deshalb zu diesen Beurteilungen gelangt, weil diese − alles andere als automatischen − Verlängerungen ein gesetzgeberisches Tätigwerden benötigten, um den ursprünglich festgesetzten Vorteil zu ändern (Urteile Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, oben in Rn. 53 angeführt, EU:T:2002:59, Rn. 11 bis 20, und Italien/Kommission, oben in Rn. 62 angeführt, EU:T:2010:267, Rn. 70).

64      Nun ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall der Vorzugstarif nicht durch ein gesetzgeberisches Tätigwerden geändert worden ist und dass durch die erste einstweilige Anordnung der ursprüngliche nationale rechtliche Rahmen nicht geändert worden ist.

65      Das Gericht hat zwar danach in der Rechtssache, die zum Urteil vom 20. September 2011, Regione autonoma della Sardegna/Kommission (T‑394/08, T‑408/08, T‑453/08 und T‑454/08, Slg, EU:T:2011:493) geführt hat, entschieden, dass Beihilfen, die auf einer Rechtsgrundlage gewährt werden, die von der in der Genehmigungsentscheidung zugelassenen Regelung wesentlich abweicht, als neue Beihilfen eingestuft werden müssen.

66      Jedoch schließt diese letzte Rechtssache nicht aus, dass zum einen die ursprüngliche Beihilfe von der Kommission gebilligt worden war und dass zum anderen die neue Beihilfe durch einen neuen, im Gegensatz zur Genehmigungsentscheidung der Kommission stehenden Rechtsakt gewährt worden war (Urteil Regione autonoma della Sardegna/Kommission, oben in Rn. 65 angeführt, EU:T:2011:493, Rn. 175 bis 177).

67      Im vorliegenden Fall kann nun nicht ernsthaft bestritten werden, dass die fragliche Maßnahme nicht zum Ziel gehabt hat, den rechtlichen Rahmen des Vorzugstarifs im Hinblick auf den von einer Genehmigungsentscheidung der Kommission gewährten Vorzugstarif zu ändern, unabhängig von der Frage der Auswirkung des Beschlusses vom 23. Januar 1992 (siehe oben, Rn. 4) auf die vorliegende Rechtssache, in dem es insoweit aber nicht um eine von der Kommission genehmigte, sondern um eine vor dem Inkrafttreten des Vertrags gewährte bestehende Beihilfe ging.

68      Im vorliegenden Fall ist schließlich nicht nur die rechtliche und vertragliche Grundlage der Beihilfe nicht kraft der ersten einstweiligen Anordnung durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt worden, sondern sie besteht weiterhin aus dem Vertrag und dem maßgeblichen nationalen Recht, so wie in der ersten einstweiligen Anordnung vorläufig ausgelegt, unabhängig von der Frage des wirtschaftlichen Kontexts, der während des Vertragsschlusses maßgebend war und unabhängig von der Frage der Möglichkeit und der Vorschriftsmäßigkeit der Kündigung, die zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht Gegenstand eines Sachurteils war.

69      Daher ist dem ersten Klagegrund stattzugeben und der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären, ohne dass über die anderen Klagegründe oder über den Antrag der Klägerin auf Beweisaufnahme entschieden zu werden braucht.

 Kosten

70      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr außer ihren eigenen Kosten die Kosten der Klägerin gemäß deren Antrag aufzuerlegen.

71      Die Streithelferin trägt nach Art. 87 § 4 Abs. 3 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss 2012/339/EU der Kommission vom 13. Juli 2011 über die staatliche Beihilfe SA 26117 – C 2/10 (ex NN 62/09), die Griechenland zugunsten von Aluminium of Greece S.A. gewährt hat, wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Alouminion AE.

3.      Die Dimosia Epicheirisi Ilektrismou AE (DEI) trägt ihre eigenen Kosten.

Prek

Labucka

Kreuschitz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Oktober 2014.

Unterschriften



* Verfahrenssprache: Griechisch.