Language of document : ECLI:EU:T:2011:286

Verbundene Rechtssachen T‑204/08 und T‑212/08

Team Relocations NV u. a.

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für internationale Umzugsdienste in Belgien – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Preisfestsetzung – Marktaufteilung – Manipulation von Ausschreibungen – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006“

Leitsätze des Urteils

1.      Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen – Begriff

(Art. 81 Abs. 1 EG)

2.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Umsatz

(Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 13)

3.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Grundsatz der individuellen Festsetzung von Sanktionen

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission)

4.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Dauer der Zuwiderhandlung

(Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission)

5.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Abschreckender Charakter – Beurteilung

(Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 25)

6.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – Beurteilung

(Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 29)

7.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Mildernde Umstände – Genehmigung oder Ermutigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens durch die Behörden

(Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 29, letzter Gedankenstrich)

8.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Ermäßigung wegen der finanziellen Situation des Unternehmens – Voraussetzungen

(Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 35)

1.      Es wäre gekünstelt, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen, während es sich im Gegenteil um eine einheitliche Zuwiderhandlung handelt, die sich nach und nach sowohl durch Vereinbarungen als auch durch abgestimmte Verhaltensweisen konkretisiert hat.

Unter solchen Umständen ist ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die den Begriff von auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt haben und zur Mitwirkung an der Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit bestimmt waren, an einer solchen Zuwiderhandlung beteiligt hat, für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten.

Die Kommission hat, um das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung darzutun, zu beweisen, dass das Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte sowie bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.

Kartelle können nämlich nur dann als Bestandteile einer einheitlichen wettbewerbswidrigen Vereinbarung angesehen werden, wenn erwiesen ist, dass sie zu einem Gesamtplan gehörten, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde. Zudem kann die Teilnahme eines Unternehmens an den betreffenden Kartellen nur dann Ausdruck seines Beitritts zu dieser Vereinbarung sein, wenn es, als es an diesen Kartellen teilnahm, wusste oder hätte wissen müssen, dass es sich damit in die einheitliche Vereinbarung eingliederte.

Somit müssen für den Nachweis der Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung drei Voraussetzungen erfüllt sein, nämlich das Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, der vorsätzliche Beitrag dieses Unternehmens zu diesem Plan und die (bewiesene oder vermutete) Kenntnis des Unternehmens von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer.

Was das Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, anbelangt, kann der Begriff des gemeinsamen Ziels nicht durch einen allgemeinen Verweis auf die Verzerrung des Wettbewerbs auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt bestimmt werden, da die Beeinträchtigung des Wettbewerbs als Ziel oder Wirkung jedem von Art. 81 Abs. 1 EG erfassten Verhalten eigen ist. Eine solche Definition des Begriffs des gemeinsamen Ziels könnte dem Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilweise seinen Sinn nehmen, da sie zur Folge hätte, dass mehrere einen Wirtschaftssektor betreffende Verhaltensweisen, die nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten sind, systematisch als Bestandteile einer einheitlichen Zuwiderhandlung eingestuft werden müssten. Es sind somit bei der Einstufung unterschiedlicher Vorgänge als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung alle Umstände zu berücksichtigen, die ein Komplementaritätsverhältnis nachweisen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden) und im Zusammenhang damit das Ziel der verschiedenen fraglichen Handlungen.

(vgl. Randnrn. 33-37, 40)

2.      In Ziff. 13 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 heißt es: „Zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet die Kommission den Wert der von dem betreffenden Unternehmen … verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen.“ Dieser Bestimmung ist nicht zu entnehmen, dass allein der Umsatz mit Geschäften, die tatsächlich von den rechtswidrigen Verhaltensweisen betroffen sind, bei der Berechnung des relevanten Umsatzes berücksichtigt werden kann. So verweist der Wortlaut der Ziff. 13 dieser Leitlinien auf die „verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen“ und nicht auf die „vom Verstoß betroffenen Waren oder Dienstleistungen“. Mit der Formulierung in Ziff. 13 ist also der auf dem relevanten Markt erzielte Umsatz gemeint.

Diese Auslegung wird durch den Zweck der Wettbewerbsregeln der Union gestützt. Die Kommission muss für die Bestimmung des Grundbetrags der in Kartellsachen zu verhängenden Geldbußen nicht die einzelnen Vorgänge benennen, die vom Kartell betroffen waren. Die Unionsgerichte haben ihr eine solche Pflicht nämlich nie auferlegt, und nichts weist darauf hin, dass sich die Kommission in diesen Leitlinien eine solche Pflicht selbst auferlegen wollte. Zudem ist es in Kartellsachen, in denen es um naturgemäß heimliche Vorgänge geht, unvermeidbar, dass bestimmte Schriftstücke, die jeweils Teilhandlungen der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen belegen, nicht entdeckt werden.

Ferner kann der Teil des Umsatzes, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, einen zutreffenden Anhaltspunkt für das Ausmaß einer Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt liefern. Insbesondere stellt der Umsatz, der mit den Erzeugnissen erzielt wurde, die Gegenstand einer beschränkenden Verhaltensweise waren, ein objektives Kriterium dar, das zutreffend angibt, wie schädlich sich diese Verhaltensweise auf den normalen Wettbewerb auswirkt.

(vgl. Randnrn. 61-66)

3.      Bei Begehung einer Zuwiderhandlung durch mehrere Unternehmen ist die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu der Zuwiderhandlung zu prüfen. Dies ist die logische Folge des Grundsatzes der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen, wonach ein Unternehmen nur für Handlungen bestraft werden darf, die ihm individuell zur Last gelegt werden; dieser Grundsatz gilt in allen Verwaltungsverfahren, die zu Sanktionen nach den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft führen können. Die Schwere der Zuwiderhandlung ist individuell zu beurteilen, und zwar anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören. Die Tatsache, dass sich ein Unternehmen nicht an allen Bestandteilen eines Kartells beteiligt oder aber bei seiner Beteiligung eine weniger bedeutende Rolle gespielt hat, ist bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen.

Die Beurteilung der individuellen Umstände erfolgt jedoch nicht im Rahmen der Prüfung der Schwere der Zuwiderhandlung, also bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße, sondern im Rahmen der Anpassung des Grundbetrags anhand von mildernden und erschwerenden Umständen.

Der Kommission steht es frei, bestimmte Aspekte der „Schwere“ im Sinne des Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 im Rahmen der mildernden und erschwerenden Umstände und nicht im Rahmen der „Schwere“ im Sinne ihrer Leitlinien für die Festsetzung von Geldbußen zu berücksichtigen.

Diese Leitlinien haben zu einer grundlegenden Änderung der Berechnungsmethode für Geldbußen geführt. Erstens wurde die Einteilung der Zuwiderhandlungen in drei Kategorien („minder schwer“, „schwer“ und „sehr schwer“) aufgegeben. Das derzeitige System, das eine Bandbreite von 0 % bis 30 % vorsieht, ermöglicht eine feinere Abstufung nach der Schwere der Zuwiderhandlungen. Zweitens wurden die Pauschalbeträge abgeschafft. Seither errechnet sich der Grundbetrag anhand des mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehenden Umsatzes jedes einzelnen Unternehmens. Mit dieser neuen Methode kann daher das Ausmaß der individuellen Beteiligung des einzelnen Unternehmens an der Zuwiderhandlung im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung einfacher berücksichtigt werden. Mit ihr kann auch einer etwaigen Verringerung der Schwere einer einheitlichen Zuwiderhandlung im Laufe der Zeit Rechnung getragen werden.

Zwar sind die relative Schwere des Tatbeitrags zur Zuwiderhandlung und die besonderen Umstände der Sache zu berücksichtigen, doch steht es der Kommission in Anwendung dieser Leitlinien frei, dies bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung oder bei der Anpassung des Grundbetrags anhand von mildernden und erschwerenden Umständen zu tun. In den Fällen, in denen die Kommission diesen letzteren Ansatz wählt, muss die Beurteilung der mildernden und erschwerenden Umstände jedoch eine angemessene Berücksichtigung der relativen Schwere des Tatbeitrags zu einer einheitlichen Zuwiderhandlung und einer etwaigen Veränderung dieser Schwere im Laufe der Zeit zulassen.

(vgl. Randnrn. 84-87, 89-90, 92)

4.      Zur Multiplikation des nach dem Umsatz errechneten Wertes mit der Anzahl der Jahre der Beteiligung an der Zuwiderhandlung sieht Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nur vor, dass „[b]ei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße … sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen [ist]“, ohne Hinweis darauf, wie die Berücksichtigung der Dauer konkret zu erfolgen hat. Die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Multiplikation mit der Anzahl der Jahre der Beteiligung an der Zuwiderhandlung entspricht einer Erhöhung des Betrags um 100 % pro Jahr. Dieser Ansatz stellt einen grundlegenden Methodenwechsel für die Berücksichtigung der Dauer des Kartells dar. Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 steht einer solchen Fortentwicklung jedoch nicht entgegen.

Auch wenn die Kommission zuweilen bei der Erhöhung der Geldbuße anhand der Dauer die im Laufe der Zeit eingetretene Entwicklung einer Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, schreibt keine Bestimmung dieser Leitlinien vor, in einem solchen Fall einen Multiplikationskoeffizienten zu wählen, der 2 nicht übersteigt, oder den anhand der Schwere ermittelten Umsatzanteil zu ermäßigen.

(vgl. Randnrn. 107-110)

5.      Ziff. 25 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 sieht vor: „[U]nabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung fügt die Kommission einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes … hinzu, um die Unternehmen von vornherein an der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten oder Mengeneinschränkungen abzuschrecken.“

Soweit die Kommission bei allen Adressaten ihrer Entscheidung denselben Zusatzbetrag festsetzt und dies damit begründet, dass sie alle an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilgenommen hätten, die eine Preisfestsetzung und/oder eine Marktaufteilung umfasst habe, wird der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt.

Ferner zeigt der Wortlaut der Ziff. 25 dieser Leitlinien („inclura“, „will include“ und „fügt hinzu“), dass die Erhebung eines Zusatzbetrags bei offenkundigen Zuwiderhandlungen ein automatischer Vorgang ist, für den keine weiteren Faktoren vorliegen müssen.

(vgl. Randnrn. 116-117)

6.      Nach Ziff. 29 dritter Gedankenstrich der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 muss das betroffene Unternehmen, um in den Genuss einer Ermäßigung der Geldbuße aufgrund mildernder Umstände zu kommen, „Beweise [erbringen], dass die eigene Beteiligung sehr geringfügig war und sich das Unternehmen der Durchführung der gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Vereinbarungen in dem Zeitraum, in dem sie ihnen beigetreten war, in Wirklichkeit durch eigenes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt entzogen hat“.

Die Formulierung „wie beispielsweise“ zeigt indes, dass die Liste der Umstände in Ziff. 29 dieser Leitlinien nicht erschöpfend ist. Ferner sind die besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Frage, ob ein Unternehmen an allen Bestandteilen einer Zuwiderhandlung teilgenommen hat oder nicht, zu berücksichtigen, wenn nicht bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung, dann zumindest im Rahmen der Anpassung des Grundbetrags anhand mildernder oder erschwerender Umstände. Diese Verpflichtung war nämlich einer der Gründe, die dem Gerichtshof die Feststellung ermöglicht haben, dass der Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung nicht dem Grundsatz widerspricht, dass die Verantwortlichkeit für Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht persönlichen Charakter hat. Die im dritten Gedankenstrich der Ziff. 29 genannten Kriterien allein sind nicht geeignet, diese Möglichkeit zu gewährleisten.

(vgl. Randnrn. 126-127)

7.      Nach Ziff. 29 letzter Gedankenstrich der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 kann „[d]er Grundbetrag der Geldbuße … verringert werden, wenn die Kommission … [eine] Genehmigung oder Ermutigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens durch die Behörden oder geltende Vorschriften [feststellt]“. Die Kenntnis des wettbewerbswidrigen Verhaltens allein würde aber nicht die stillschweigende „Genehmigung oder Ermutigung“ dieses Verhaltens durch das Organ im Sinne der Ziff. 29 letzter Gedankenstrich dieser Leitlinien einschließen. Ein mutmaßliches Unterlassen kann nämlich nicht mit einem positiven Tun wie einer Genehmigung oder Ermutigung gleichgesetzt werden.

(vgl. Randnrn. 131, 134)

8.      Eine Ermäßigung der Geldbuße nach Ziff. 35 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 kommt unter drei kumulativen Voraussetzungen in Betracht: Antragstellung im Verwaltungsverfahren, besonderes soziales und ökonomisches Umfeld, fehlende Leistungsfähigkeit des Unternehmens, wobei dieses eindeutig nachweisen muss, dass die Verhängung einer Geldbuße seine wirtschaftliche Überlebensfähigkeit unwiderruflich gefährden und seine Aktiva jeglichen Wertes berauben würde.

Die Stellung eines Antrags auf Ermäßigung der Geldbuße ist kein bloßes Formerfordernis, sondern ein Erfordernis, ohne das keine zuverlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Situation erfolgen kann, da die Kommission dann nicht über die relevanten Informationen wie z. B. interne Daten des betreffenden Unternehmens verfügt, die eine Beurteilung seiner wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit ermöglichen.

(vgl. Randnrn. 171, 176)