Language of document : ECLI:EU:T:2008:80

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

18. März 2008(*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Kontrolle von Zusammenschlüssen – Entscheidung, mit der ein Zusammenschluss für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird – Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 – Antrag auf Aussetzung des Vollzugs und auf Erlass einstweiliger Anordnungen – Maßnahme, die gegen die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Organen verstößt – Zuständigkeit der Kommission – An einen Streithelfer gerichtete einstweilige Anordnungen – Antrag auf Aussetzung des Vollzugs – Zulässigkeit – Fehlender fumus boni iuris – Fehlende Dringlichkeit – Fehlen eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens – Von zukünftigen und ungewissen Ereignissen abhängiger Schaden – Unzureichende Gründe – Abwägung sämtlicher Belange“

In der Rechtssache T‑411/07 R

Aer Lingus Group plc mit Sitz in Dublin (Irland), vertreten durch A. Burnside, Solicitor, und Rechtsanwälte B. van de Walle de Ghelcke und T. Snels,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch X. Lewis, E. Gippini Fournier und S. Noë als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

unterstützt durch

Ryanair Holdings plc mit Sitz in Dublin (Irland), vertreten durch J. Swift, QC, V. Power, A. McCarthy und D. W. Hull, Solicitors, sowie Rechtsanwalt G. M. Berrisch,

Streithelferin,

wegen Antrags auf, erstens, Erlass einer gegen die Kommission gerichteten einstweiligen Anordnung, bestimmte Maßnahmen bezüglich der Beteiligung von Ryanair Holdings plc am Kapital der Antragstellerin zu erlassen, zweitens, hilfsweise, Erlass einer gegen die Kommission oder gegen Ryanair Holdings plc gerichteten Anordnung mit gleicher Wirkung sowie, drittens, Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Kommission C(2007) 4600 final vom 11. Oktober 2007, mit der der Antrag der Antragstellerin auf Eröffnung eines Verfahrens nach Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 24, S. 1) und Erlass einstweiliger Maßnahmen gemäß Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung abgelehnt wurde,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

 Rechtlicher Rahmen

1        Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 24, S. 1) sieht vor:

„(1) Ein Zusammenschluss wird dadurch bewirkt, dass eine dauerhafte Veränderung der Kontrolle in der Weise stattfindet, dass

a)      zwei oder mehr bisher voneinander unabhängige Unternehmen oder Unternehmensteile fusionieren oder dass

b)      eine oder mehrere Personen, die bereits mindestens ein Unternehmen kontrollieren, oder ein oder mehrere Unternehmen durch den Erwerb von Anteilsrechten oder Vermögenswerten, durch Vertrag oder in sonstiger Weise die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über die Gesamtheit oder über Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen erwerben.

(2)      Die Kontrolle wird durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch:

a)      Eigentums- oder Nutzungsrechte an der Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens des Unternehmens;

b)      Rechte oder Verträge, die einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Organe des Unternehmens gewähren.

(3)      Die Kontrolle wird für die Personen oder Unternehmen begründet,

a)      die aus diesen Rechten oder Verträgen selbst berechtigt sind, oder

b)      die, obwohl sie aus diesen Rechten oder Verträgen nicht selbst berechtigt sind, die Befugnis haben, die sich daraus ergebenden Rechte auszuüben.

…“

2        In Art. 8 der Verordnung Nr. 139/2004 heißt es:

„…

(4)      Stellt die Kommission fest, dass ein Zusammenschluss

a)      bereits vollzogen wurde und dieser Zusammenschluss für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt worden ist oder

b)      unter Verstoß gegen eine Bedingung vollzogen wurde, unter der eine Entscheidung gemäß Absatz 2 ergangen ist, in der festgestellt wird, dass der Zusammenschluss bei Nichteinhaltung der Bedingung das Kriterium des Artikels 2 Absatz 3 erfüllen würde oder – in den in Artikel 2 Absatz 4 genannten Fällen – die Kriterien des Artikels 81 Absatz 3 des Vertrags nicht erfüllen würde,

kann sie die folgenden Maßnahmen ergreifen:

–        Sie kann den beteiligten Unternehmen aufgeben, den Zusammenschluss rückgängig zu machen, insbesondere durch die Auflösung der Fusion oder die Veräußerung aller erworbenen Anteile oder Vermögensgegenstände, um den Zustand vor dem Vollzug des Zusammenschlusses wiederherzustellen. Ist es nicht möglich, den Zustand vor dem Vollzug des Zusammenschlusses dadurch wiederherzustellen, dass der Zusammenschluss rückgängig gemacht wird, so kann die Kommission jede andere geeignete Maßnahme treffen, um diesen Zustand soweit wie möglich wiederherzustellen.

–        Sie kann jede andere geeignete Maßnahme anordnen, um sicherzustellen, dass die beteiligten Unternehmen den Zusammenschluss rückgängig machen oder andere Maßnahmen zur Wiederherstellung des früheren Zustands nach Maßgabe ihrer Entscheidung ergreifen.

In den in Unterabsatz 1 Buchstabe a) genannten Fällen können die dort genannten Maßnahmen entweder durch eine Entscheidung nach Absatz 3 oder durch eine gesonderte Entscheidung auferlegt werden.

(5)      Die Kommission kann geeignete einstweilige Maßnahmen anordnen, um wirksamen Wettbewerb wiederherzustellen oder aufrechtzuerhalten, wenn ein Zusammenschluss

a)      unter Verstoß gegen Artikel 7 vollzogen wurde und noch keine Entscheidung über die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt ergangen ist;

b)      unter Verstoß gegen eine Bedingung vollzogen wurde, unter der eine Entscheidung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b) oder Absatz 2 des vorliegenden Artikels ergangen ist;

c)      bereits vollzogen wurde und für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wird.“

 Sachverhalt

3        Die Antragstellerin Aer Lingus Group (im Folgenden: Antragstellerin oder Aer Lingus) ist eine Aktiengesellschaft und die nicht kaufmännisch tätige Holding der Aer Lingus Limited, einer internationalen Niedrigpreisfluglinie mit Sitz in Irland, die Linienflüge von und nach den Flughäfen Dublin, Cork und Shannon anbietet. Nach Privatisierung von Aer Lingus im Jahr 2006 durch die irische Regierung, die einen Anteil von 25,35 % behielt, wurden ihre Aktien am 2. Oktober 2006 zum Handel zugelassen.

4        Am 23. Oktober 2006 gab Ryanair Holdings plc (im Folgenden: Ryanair), die zuvor zwischen dem 27. September und dem 5. Oktober 2006 über ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft Coinside Limited einen Anteil von 19,21 % an Aer Lingus erworben hatte, ein öffentliches Übernahmeangebot für das gesamte Aktienkapital von Aer Lingus ab.

5        Am 30. Oktober 2006 reichte Ryanair bei der Kommission nach Art. 4 der Verordnung Nr. 139/2004 die Anmeldung eines geplanten Zusammenschlusses durch die beabsichtigte Übernahme von Aer Lingus ein.

6        Während der Laufzeit des Übernahmeangebots erwarb Ryanair weitere Anteile an Aer Lingus, so dass sie am 28. November 2006 25,17 % des Aktienkapitals von Aer Lingus hielt.

7        Am 20. Dezember 2006 erließ die Kommission eine Entscheidung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 139/2004 (im Folgenden: Verordnung), mit der der zweite Abschnitt des Verfahrens eröffnet wurde. In dieser Entscheidung ging die Kommission davon aus, dass der vorstehend erwähnte getrennte Erwerb von Anteilen und das öffentliche Übernahmeangebot von Ryanair einen einzigen Zusammenschluss im Sinne des Art. 3 der Verordnung darstellten.

8        Am 27. Juni 2007 erließ die Kommission die Entscheidung C(2007) 3104, mit der der angemeldete Zusammenschluss gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wurde (im Folgenden: Verbotsentscheidung). Sie kam zu dem Ergebnis, dass der angemeldete Zusammenschluss insbesondere wegen der Schaffung einer beherrschenden Stellung von Ryanair und Aer Lingus bei 35 Flugverbindungen von und nach Dublin, Shannon und Cork und der Schaffung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung bei 15 anderen Flugverbindungen von und nach Dublin und Cork im Sinne von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung den Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt oder einem Teil desselben erheblich behindere.

9        Mit Klageschrift, die am 10. September 2007 bei der Kanzlei des Gerichts erster Instanz einging und das Aktenzeichen T‑342/07 erhielt, erhob Ryanair Klage auf Nichtigerklärung der Verbotsentscheidung.

10      Im Anschluss an die Verbotsentscheidung erwarb Ryanair weitere 4,3 % des Aktienkapitals von Aer Lingus und erhöhte damit ihren gesamten Anteil auf 29,4 %.

11      Während des Verfahrens bei der Kommission vor Erlass der Verbotsentscheidung forderte Aer Lingus die Kommission auf, eine Entscheidung gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung zu treffen und Ryanair aufzugeben, sich von ihrer Minderheitsbeteiligung an Aer Lingus zu trennen, falls die Kommission den Zusammenschluss untersagen sollte.

12      Am 27. Juni 2007 teilte die stellvertretende Generaldirektorin der Generaldirektion Wettbewerb Aer Lingus in einem Schreiben mit, dass nach Meinung der mit der Fusionskontrolle befassten Dienststellen die Kommission gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung nicht befugt sei, Ryanair zur Aufgabe ihrer Minderheitsbeteiligung aufzufordern, weil es keinen Anhaltspunkt dafür gebe, dass Ryanair mit einem Anteil von 25,22 % an Aer Lingus in der Lage sein sollte, diese de iure oder de facto nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung zu beherrschen. Aus den gleichen Gründen stehe der Kommission keine Befugnis zum Erlass einstweiliger Maßnahmen nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung zu.

13      Am 17. August 2007 beantragte Aer Lingus bei der Kommission, gegen Ryanair gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung ein Verfahren zu eröffnen und nach deren Art. 8 Abs. 5 einstweilige Maßnahmen zu erlassen, um Ryanair an der Ausübung ihrer Stimmrechte bei Aer Lingus zu hindern, oder, hilfsweise, formell festzustellen, dass die Kommission keine Befugnis zum Erlass solcher Maßnahmen besitze. Ergänzend beantragte Aer Lingus, die Kommission solle ausdrücklich Stellung zur Auslegung von Art. 21 der Verordnung beziehen.

14      Am 11. Oktober 2007 erließ die Kommission die Entscheidung C(2007) 4600 final, mit der der Antrag von Aer Lingus abgelehnt wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Die angefochtene Entscheidung

15      In der angefochtenen Entscheidung stellte sich die Kommission auf den Standpunkt, dass ein Zusammenschluss gemäß Art. 3 der Verordnung nur vorliege, wenn ein Unternehmen die Kontrolle erlange, wobei unter Kontrolle die Möglichkeit der Ausübung eines bestimmenden Einflusses zu verstehen sei. Zu Art. 8 Abs. 4 der Verordnung verwies sie darauf, dass nach dieser Vorschrift, wenn ein Zusammenschluss bereits vollzogen worden sei, den beteiligten Unternehmen aufgegeben werden könne, den Zusammenschluss rückgängig zu machen, insbesondere durch die Veräußerung aller erworbenen Anteile oder Vermögensgegenstände, um den Zustand vor dem Vollzug des Zusammenschlusses wiederherzustellen.

16      Die Kommission entschied indessen, dass der im vorliegenden Fall festgestellte Zusammenschluss nicht vollzogen worden sei, da Ryanair nicht die Kontrolle über Aer Lingus erworben habe. Die während des Verfahrens bei der Kommission durchgeführten Transaktionen könnten daher nicht als Vollzug des angemeldeten Zusammenschlusses betrachtet werden.

17      Die Kommission unterstrich insbesondere, dass die Minderheitsbeteiligung von Ryanair ihr weder de iure noch de facto die Kontrolle über Aer Lingus im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung verschafft habe. Außerdem gebe es, selbst wenn Minderheitsbeteiligungen unter bestimmten Umständen zur Feststellung einer Beherrschung führen könnten, keinen Hinweis darauf, dass solche Umstände im vorliegenden Fall gegeben seien. Tatsächlich stünden nach den ihr vorliegenden Informationen die Rechte von Ryanair als Minderheitsgesellschafter (insbesondere das Recht zur Blockierung sogenannter „special resolutions“ [Sonderbeschlüsse] nach irischem Gesellschaftsrecht) ausschließlich in Zusammenhang mit Rechten zum Schutz von Minderheitsbeteiligungen und verschafften keine Kontrolle über Aer Lingus. Außerdem verwies die Kommission darauf, dass Aer Lingus selbst nicht behaupte, dass die erworbene Minderheitsbeteiligung zu einer Kontrolle von Ryanair über Aer Lingus führe.

18      Die Kommission stellte schließlich fest, dass der vorliegende Fall sich vom Sachverhalt früherer Fälle unterscheide, in denen Art. 8 Abs. 4 der Verordnung angewandt worden sei, wie etwa in der Entscheidung der Kommission vom 30. Januar 2002 (Sache COMP/M.2416 – Tetra Laval/Sidel, ABl. 2004, L 38, S. 1, im Folgenden: Sache Tetra Laval/Sidel) und in der Entscheidung 2004/276/EG der Kommission vom 30. Januar 2002 zur Anordnung einer Trennung von Unternehmen gestützt auf Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (Sache COMP/M.2283 – Schneider/Legrand, ABl. 2004, L 101, S. 134, im Folgenden: Sache Schneider/Legrand). In diesen Fällen sei im Gegensatz zum vorliegenden Fall ein Erwerb bereits erfolgreich vollzogen gewesen, und der Erwerber habe die Kontrolle über das Zielunternehmen übernommen.

19      Zum Antrag von Aer Lingus auf Erlass einstweiliger Maßnahmen durch die Kommission nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung verweist diese darauf, dass die Fassung dieser Vorschrift sich ebenfalls darauf beziehe, dass ein Zusammenschluss „bereits vollzogen wurde und für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wird“; mithin sei sie nicht zuständig, im vorliegenden Fall einstweilige Maßnahmen zu ergreifen.

20      Zum Antrag von Aer Lingus, die Kommission solle ihren Standpunkt zur Auslegung des Art. 21 der Verordnung festlegen, verweist die Kommission darauf, dass ein solches Begehren darauf hinauslaufe, eine rechtlich bindende Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift an die Mitgliedstaaten zu richten; zu einer solchen Maßnahme sei sie offensichtlich nicht befugt.

 Verfahren

21      Mit Klageschrift, in das Register der Kanzlei des Gerichts am 19. November 2007 unter dem Aktenzeichen T‑411/07 eingetragen, hat die Antragstellerin gemäß Art. 230 Abs. 4 EG Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung erhoben.

22      Mit besonderem Schriftsatz, am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts unter dem Aktenzeichen T‑411/07 R eingetragen, hat die Antragstellerin den Erlass einstweiliger Anordnungen und die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung gemäß den Art. 242 EG und 243 EG sowie Art. 104 der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz beantragt.

23      Am 12. Dezember 2007 hat die Kommission ihre schriftliche Stellungnahme zu diesem Antrag auf einstweilige Anordnungen eingereicht.

24      Mit Schriftsatz, der am 27. November 2007 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat Ryanair ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt.

25      Mit Schriftsatz, der am 4. Dezember 2007 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat Aer Lingus erklärt, sie erhebe keine Einwände gegen den Antrag von Ryanair auf Zulassung als Streithelferin und nehme bezüglich keines der von ihr in der Rechtssache T‑411/07 R beim Gericht eingereichten Dokumente Vertraulichkeit in Anspruch.

26      Mit Schriftsatz, der am 5. Dezember 2007 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat die Kommission erklärt, sie erhebe keine Einwände gegen den Antrag von Ryanair auf Zulassung als Streithelferin.

27      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 7. Dezember 2007 ist Ryanair als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden, und ihr ist die Einreichung eines Streithelferschriftsatzes nachgelassen worden, den sie am 19. Dezember 2007 eingereicht hat.

28      Am 24. Januar 2008 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.

 Anträge der Beteiligten

29      Die Antragstellerin beantragt beim Präsidenten des Gerichts,

–        der Kommission aufzugeben, von Ryanair zu verlangen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache oder in der Rechtssache T‑342/07, je nachdem, welche Entscheidung später ergeht,

–        ihre Stimm- oder sonstigen Rechte aus ihrer Beteiligung an Aer Lingus nicht auszuüben (unter uneingeschränktem Einschluss der Beteiligung an oder der Stimmabgabe in Versammlungen oder der Beantragung von Hauptversammlungen), soweit nicht die Kommission eine Ausnahme zulässt;

–        die betreffenden Anteile einem Treuhänder zu übertragen und über sie nicht anders als durch Übertragung an einen Käufer und nach Maßgabe eines von der Kommission gebilligten Verfahrens zu verfügen;

–        ihre Beteiligung an Aer Lingus nicht zu erweitern;

–        hilfsweise, jede Anordnung mit gleicher Wirkung gegen die Kommission und/oder Ryanair zu erlassen, die der Präsident für sachdienlich hält;

–        den Vollzug der Entscheidung der Kommission vom 11. Oktober 2007 (C[2007] 4600 final), mit der der Antrag der Antragstellerin, ein Verfahren gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung zu eröffnen, abgelehnt wurde, soweit erforderlich auszusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

30      Die Kommission beantragt,

–        den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs zurückzuweisen;

–        den Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnungen zurückzuweisen;

–        der Antragstellerin die Kosten aufzuerlegen.

31      Ryanair beantragt,

–        den Antrag zurückzuweisen;

–        der Antragstellerin die der Streithelferin entstandenen Kosten aufzuerlegen.

 Gründe

32      Gemäß den Art. 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Art 225 Abs. 1 EG kann das Gericht erster Instanz, wenn es dies den Umständen nach für erforderlich hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

33      Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz bestimmt, dass ein Antrag auf einstweilige Anordnungen den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, anführen sowie die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft machen muss. Der über den Antrag entscheidende Richter kann somit die Aussetzung des Vollzugs einer Maßnahme und/oder einstweilige Anordnungen beschließen, wenn die Notwendigkeit der Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht und dargetan ist, dass sie insofern dringlich sind, als sie zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache erlassen werden und ihre Wirkungen entfalten müssen. Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen fehlt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Oktober 1996, SCK und FNK/Kommission, C‑268/96 P[R], Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30). Zugleich sind, soweit erforderlich, die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. Februar 2001, Österreich/Rat, C‑445/00 R, Slg. 2001, I‑1461, Randnr. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Weiterhin verfügt der über den Antrag entscheidende Richter im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen und kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Juli 1995, Kommission/Atlantic Container Line u. a., C‑149/95 P[R], Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 23, und Beschluss des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichtshofs vom 3. April 2007, Vischim/Kommission, C‑459/06 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

 Zulässigkeit

 Vorbringen der Beteiligten

35      Die Kommission macht geltend, dass der Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen sei, weil keine der beantragten Anordnungen im Rahmen eines Verfahrens der einstweiligen Anordnung erlassen werden könne.

36      Erstens gingen die beantragten Anordnungen über das hinaus, was die Antragstellerin im Hauptverfahren, das nicht zur automatischen Trennung von Ryanair von seiner Minderheitsbeteiligung führen könne, erreichen könnte. Wenn Aer Lingus im Hauptverfahren obsiegen sollte, habe die Kommission die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergäben.

37      Zudem beantrage die Antragstellerin den Erlass von Anordnungen, die bis zum Urteil in der Hauptsache oder in der Rechtssache T‑342/07, je nachdem, welches später ergehe, wirksam bleiben sollten. Eine Ausweitung der Dauer der beantragten Anordnungen über den Abschluss der Hauptsache hinaus würde aber die Vorläufigkeit des Verfahrens der einstweiligen Anordnung in Frage stellen. Außerdem dürfe sich der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnungen nicht auf ein anderes und getrenntes Verfahren beziehen, an dem die Antragstellerin nicht beteiligt sei.

38      Zu dem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung macht die Kommission zweitens geltend, dass nach gefestigter Rechtsprechung ein solcher Antrag gegenüber einer ablehnenden Entscheidung grundsätzlich nicht in Frage komme.

39      Drittens verweist die Kommission, was den Antrag betrifft, der Präsident des Gerichts solle Ryanair aufgeben, die Ausübung ihres Minderheitsstimmrechts zu unterlassen oder bestimmte positive Schritte zu unternehmen, darauf, dass die Antragstellerin auf diese Weise die Rechtsprechung zu umgehen suche, wonach der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter keine Anordnungen gegenüber Personen treffen dürfe, die nicht Parteien des Rechtsstreits seien.

40      Die Zulassung von Ryanair als Streithelferin verschaffe dieser keine Parteistellung.

41      Viertens vertritt die Kommission zu dem Antrag, der Präsident solle jede Anordnung gleicher Wirkung gegen die Kommission und/oder Ryanair erlassen, die er für sachdienlich halte, die Meinung, dieser Antrag sei vage und ungenau und genüge daher nicht den Kriterien, die die Verfahrensordnung vorsehe. Er müsse daher als unzulässig zurückgewiesen werden.

42      In ihrem Streithilfeschriftsatz unterstützt Ryanair das Vorbringen der Kommission und führt aus, dass der Antrag als unzulässig zurückgewiesen werden müsse. Insbesondere gehe der beantragte Beschluss über das hinaus, was in der Hauptsache erreicht werden könnte, und verleite den für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter dazu, das institutionelle Gleichgewicht zwischen den Gemeinschaftsorganen außer Acht zu lassen und die Rolle der Kommission zu übernehmen. Die einstweiligen Maßnahmen würden im Kern nicht gegen die Kommission, sondern gegen Ryanair gefordert, die indessen in diesem Rechtsstreit nicht Partei sei. Ryanair und anderen Betroffenen würden daher die ihnen aufgrund der Verordnung und der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zustehenden Verfahrensgarantien und insbesondere ihre Verteidigungsrechte genommen.

 Richterliche Würdigung

43      Ohne klar geltend zu machen, dass der vorliegende Antrag insgesamt als unzulässig zurückgewiesen werden müsse, meint die Kommission doch, dass keinem der Anträge der Antragstellerin im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes entsprochen werden könne.

44      Jeder dieser Anträge ist getrennt zu prüfen.

45      Was zunächst die Dauer der beantragten Anordnungen anlangt, so ist gemäß Art. 107 § 4 der Verfahrensordnung ein Beschluss der von der Antragstellerin beantragten Art nur eine einstweilige Regelung und greift der Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache nicht vor. Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich die Dauer einer solchen Anordnung nicht über die des Verfahrens in der Hauptsache hinausgehen darf, auf die sie sich bezieht. Demgemäß muss der Antrag, da das Begehren der Antragstellerin auf Maßnahmen „bis zur Entscheidung in der Hauptsache oder in der Rechtssache T‑342/07, je nachdem, welche Entscheidung später ergeht“, die Geltung einstweiliger Anordnungen über den Zeitpunkt der Urteilsverkündung in der Hauptsache hinaus bedingen würde, zurückgewiesen werden. Einstweilige Anordnungen, die im vorliegenden Verfahren erlassen werden könnten, dürfen nur bis zur Urteilsverkündung in der Hauptsache gelten.

46      Was zweitens den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung angeht, so ist gegen eine ablehnende Verwaltungsentscheidung ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs nicht gegeben, weil die Anordnung einer Aussetzung keine Änderung der Lage des Antragstellers herbeiführen könnte (Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichtshofs vom 31. Juli 1989, S./Kommission, C‑206/89 R, Slg. 1989, 2841, Randnr. 14, Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 30. April 1997, Moccia Irme/Kommission, C‑89/97 P[R], Slg. 1997, I‑2327, Randnr. 45, und vom 21. Februar 2002, Front national und Martinez/Parlament, C‑486/01 P[R] und C‑488/01 P[R], Slg. 2002, I‑1843, Randnr. 73).

47      Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Kommission den Antrag der Antragstellerin, gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung ein Verfahren zu eröffnen und nach deren Art. 8 Abs. 5 einstweilige Maßnahmen zu erlassen, um Ryanair an der Ausübung ihrer Stimmrechte bei Aer Lingus zu hindern, oder aber formell festzustellen, dass die Kommission keine Befugnis hierzu besitze, zurück. Die Aussetzung des Vollzugs dieser ablehnenden Verwaltungsentscheidung hätte für sich keinerlei Einfluss auf die Voraussetzungen für die Ausübung des Minderheitsstimmrechts von Ryanair und somit keine der Antragstellerin nützliche Wirkung.

48      Da eine Anordnung der Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung ohne Interesse für die Antragstellerin wäre, ist dieser Antrag zurückzuweisen, es sei denn, eine Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung wäre notwendig, um einem der anderen von Aer Lingus gestellten Anträge auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen entsprechen zu können, wenn der Präsident sie für zulässig und begründet halten sollte.

49      Drittens ist zu dem Antrag, der Kommission aufzugeben, von Ryanair zu verlangen, ihre Stimm- oder sonstigen Rechte aus ihrer Beteiligung an Aer Lingus nicht auszuüben, die betreffenden Anteile einem Treuhänder zu überlassen und über sie nicht anders als durch Übertragung an einen Käufer zu verfügen sowie ihre Beteiligung an Aer Lingus nicht zu erweitern, darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich der Erlass einstweiliger Maßnahmen, die einen mit der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen Organen in der von den Verfassern des EG-Vertrags beabsichtigten Weise unvereinbaren Eingriff in die Ausübung einer der Kommission zukommenden Befugnis darstellen würden, nicht in Betracht kommt (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 2. Oktober 1997, Eurocoton u. a./Rat, T‑213/97 R, Slg. 1997, II‑1609, Randnr. 40, und vom 11. Juli 2002, Sacilor Lormines/Kommission, T‑107/01 R, Slg. 2002, II‑3193, Randnrn. 52 und 53).

50      Sollte im vorliegenden Fall im Urteil in der Hauptsache entschieden werden, dass die Kommission, wie die Antragstellerin geltend macht, befugt ist, Maßnahmen gemäß Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung zu treffen, wäre es Sache der Kommission, sollte sie dies im Rahmen ihrer Kontrollbefugnisse bei Zusammenschlüssen für notwendig erachten, die ihr geeignet erscheinenden Wiederherstellungsmaßnahmen und gemäß Art. 233 EG die sich aus dem Urteil des Gerichts ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Wenn daher diesem Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes stattgegeben würde, so würde der Kommission aufgegeben, genau bestimmte Folgen aus dem Nichtigkeitsurteil zu ziehen, und es würde somit eine Maßnahme angeordnet, die über die Befugnisse des Gerichts der Hauptsache hinausgeht (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 16. Januar 2004, Arizona Chemical/Kommission, T‑369/03 R, Slg. 2004, II‑205, Randnr. 67).

51      Nach dem mit dem EG-Vertrag und der Verordnung geschaffenen Gewaltenteilungssystem ist es indessen Sache der Kommission, wenn sie es im Rahmen der Kontrollbefugnisse, die ihr bei Zusammenschlüssen und insbesondere gemäß Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung zustehen, für erforderlich hält, die ihr geeignet erscheinenden Wiederherstellungsmaßnahmen zu ergreifen. Mithin ist der erste Antrag von Aer Lingus, soweit er auf eine Anordnung des Präsidenten an die Kommission abzielt, Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung in bestimmter Weise anzuwenden, als unzulässig zurückzuweisen.

52      Zum Antrag der Antragstellerin, der Präsident des Gerichts solle jede Anordnung mit gleicher Wirkung gegen die Kommission und/oder Ryanair erlassen, die er für sachdienlich halte, macht die Kommission geltend, dieser Antrag sei unklar und daher unzulässig. Sie stützt dieses Vorbringen auf die gefestigte Rechtsprechung des Gerichts, wonach Anträge auf einstweilige Anordnungen nach Art. 243 EG nicht unklar und ungenau sein dürfen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 12. Februar 1996, Lehrfreund/Rat und Kommission, T‑228/95 R, Slg. 1996, II‑111, Randnr. 58, und vom 2. Juli 2004, Sumitomo Chemical/Kommission, T‑78/04 R, Slg. 2004, II‑2049, insoweit im Rechtsmittelverfahren bestätigt, C‑381/04 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).

53      Der über den Antrag entscheidende Richter kann indessen in Fällen, in denen die vom Antragsteller begehrten Maßnahmen inhaltlich hinreichend klar dem übrigen Antrag entnommen werden können, zu dem Ergebnis kommen, dass dieser seiner Natur nach nicht unklar und ungenau ist, und ihn als zulässig behandeln. Im vorliegenden Fall ergibt sich vor dem Hintergrund des ersten Antrags eindeutig, dass die Antragstellerin einstweilige Anordnungen anstrebt, um insbesondere sicherzustellen, dass Ryanair bis zur Verkündung des Urteils in der Hauptsache ihre Rechte als Anteilseignerin nicht ausübt. Wie die Kommission in Nr. 25 ihrer Stellungnahmen ausgeführt hat, „[möchte] die Antragstellerin in Wirklichkeit Ryanair daran hindern, ihr Minderheitsstimmrecht auszuüben“. Die für diese Zwecke beantragten Maßnahmen werden im ersten Antrag der Antragstellerin deutlich. Demnach ist der Antrag auf „jede Anordnung gleicher Wirkung gegen die Kommission und/oder Ryanair, die der Präsident für sachdienlich hält“, im vorliegenden Fall hinreichend klar, um die Voraussetzungen der Verfahrensordnung zu erfüllen.

54      Soweit zum einen ein solcher Antrag praktisch auf eine Anordnung des Präsidenten des Gerichts gerichtet ist, dass die Kommission ihr Ermessen gemäß Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung in bestimmter Weise ausüben solle, ist er indessen, wie vorstehend dargelegt, unzulässig.

55      Soweit der Antrag zum anderen auf eine Anordnung des Präsidenten an die Streithelferin gerichtet ist, macht die Kommission geltend, dass der über den Antrag entscheidende Richter keine Anordnung an Personen richten könne, die nicht Parteien des Rechtsstreits seien, dass Ryanair nicht als Partei des Rechtsstreits behandelt werden könne und dass folglich keine Anordnung gegen sie erlassen werden könne. Außerdem seien nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichts, selbst wenn Ryanair aufgrund ihrer Streithelferstellung als Partei des Rechtsstreits betrachtet werden sollte, in einer Situation wie der hier vorliegenden, in der die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragten Maßnahmen erhebliche Auswirkungen auf die Rechte und Interessen Dritter, wie etwa hier der anderen Anteilseigner von Aer Lingus, haben könnten, die nicht Parteien des Rechtsstreits seien und deshalb nicht gehört werden könnten, solche Maßnahmen nur zu rechtfertigen, wenn erkennbar wäre, dass die Antragstellerin andernfalls in eine Lage geriete, die ihre Existenz bedrohen könnte (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 6. Juli 1993, CCE Vittel und CE Pierval/Kommission, T‑12/93 R, Slg. 1993, II‑785, Randnr. 20).

56      Nach dem klaren Wortlaut von Art. 243 EG kann der „Gerichtshof … in den bei ihm anhängigen Sachen die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen“. Diese weite Fassung soll offensichtlich dem über den Antrag entscheidenden Richter ausreichende Befugnisse an die Hand geben, damit er jede Anordnung treffen kann, die er für erforderlich hält, um die volle Wirksamkeit des künftigen Urteils in der Hauptsache zu garantieren, und damit sicherzustellen, dass der Rechtsschutz durch die Gemeinschaftsgerichte keine Lücke aufweist (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. Juli 2001, Kommission/NALOO, C‑180/01 P[R], Slg. 2001, I‑5737, Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der über den Antrag entscheidende Richter, um die volle Wirksamkeit des Art. 243 EG sicherzustellen, Anordnungen, falls erforderlich, unmittelbar gegen dritte Personen treffen kann. Ein solch weiter Beurteilungsspielraum muss unter angemessener Berücksichtigung der Verfahrens- und insbesondere der Verteidigungsrechte der Adressaten der einstweiligen Anordnungen und der von diesen Maßnahmen betroffenen Parteien genutzt werden. Der über den Antrag entscheidende Richter hat natürlich bei der Entscheidung, ob er die in derartigen Rechtsstreitigkeiten beantragten einstweiligen Anordnungen erlässt, zudem den Grad des fumus boni iuris und das unmittelbare Bevorstehen eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens im konkreten Fall angemessen zu berücksichtigen. Mithin lässt sich, selbst wenn ein Dritter in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht die Möglichkeit der Anhörung hatte, nicht ausschließen, dass unter außergewöhnlichen Umständen und unter Berücksichtigung der Vorläufigkeit der einstweiligen Maßnahmen Anordnungen an ihn gerichtet werden können, wenn sich zeigt, dass der Antragsteller ohne diese Maßnahmen in eine Lage geriete, die seine Existenz bedrohen könnte.

57      Ryanair ist durch Beschluss des Präsidenten vom 7. Dezember 2007 als Streithelferin zugelassen worden und hat am 19. Dezember 2007 ihren Streithilfeschriftsatz eingereicht. Außerdem hat Ryanair wie alle am vorliegenden Verfahren Beteiligten Gelegenheit gehabt, ihren Standpunkt in der Sitzung eingehend vorzutragen. Im vorliegenden Verfahren werden daher die Standpunkte von Ryanair berücksichtigt.

58      Somit ist der Antrag, der Präsident solle gegenüber Ryanair jede andere von ihm für zweckdienlich erachtete Anordnung treffen, als zulässig anzusehen.

59      Das Vorbringen der Kommission, dass einstweilige Anordnungen, die eine Aussetzung der Rechte von Ryanair aus ihrer Beteiligung an Aer Lingus bewirkten, sich auf Dritte und insbesondere auf andere Anteilseigner von Aer Lingus auswirken könnten, obwohl diese im vorliegenden Verfahren nicht angehört worden seien, und dass eine Anordnung, die sich gegen sie auswirken könnte, nicht erlassen werden dürfe, kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen. Die weiten Befugnisse des über den Antrag entscheidenden Richters sind nämlich, soweit es um eine Auswirkung auf die Rechte und Interessen Dritter geht, nur in den Fällen begrenzt, in denen diese Rechte und Interessen schwer beeinträchtigt werden könnten (Beschluss CCE Vittel und CE Pierval/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnr. 20). Außerdem können solche Anordnungen auch bei schwerer Beeinträchtigung dieser Rechte und Interessen getroffen werden, falls nicht „erkennbar wäre, dass die Antragstellerin [damit] in eine Lage geriete, die ihre Existenz bedrohen könnte“ (Beschluss CCE Vittel und CE Pierval/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Beurteilungen nimmt der über den Antrag entscheidende Richter bei der Abwägung der verschiedenen betroffenen Interessen vor. Mithin lässt sich nicht ausschließen, dass im vorliegenden Verfahren, wenn alle Voraussetzungen erfüllt wären, trotz einer etwaigen Beeinträchtigung der Rechte und Interessen anderer Anteilseigner von Aer Lingus einstweilige Anordnungen getroffen werden könnten.

 Zur Begründetheit

 Zum fumus boni iuris

–       Vorbringen der Beteiligten

60      Die Antragstellerin bringt vor, die vorgenannten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte belegten, dass die Richtigkeit der Auslegung von Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung durch die Kommission in der angefochtenen Entscheidung stark umstritten sei.

61      Die Antragstellerin wendet sich zunächst gegen die Angabe in Nr. 12 der angefochtenen Entscheidung, dass „negative Auswirkungen nicht eintreten [können], weil Ryanair die Kontrolle über Aer Lingus nicht erworben hat und nicht erwerben wird“. Dies widerspreche den Tatsachen, einer vernünftigen Wirtschaftstheorie und früheren Entscheidungen der Kommission.

62      Zum ersten Punkt betont die Antragstellerin, dass Ryanair ihre Beteiligung benutzt habe, um Zugang zu den vertraulichen Strategieplänen von Aer Lingus zu gewinnen, Sonderbeschlüsse blockiert habe, die Aer Lingus bei der Kapitalsuche und/oder bei Erwerbungen behilflich gewesen wären, zwei außerordentliche Hauptversammlungen mit dem Ziel beantragt habe, strategische Entscheidungen von Aer Lingus umzustoßen, und ihre Vorstandsmitglieder mit Prozessen wegen Verletzung gesetzlicher Pflichten ihr als Anteilseignerin gegenüber bedroht habe.

63      Dies alles habe dazu geführt, die Geschäftsleitung von Aer Lingus abzulenken und das Unternehmen in Auseinandersetzungen und Rechtsstreitigkeiten mit Ryanair zu verwickeln; damit sei Aer Lingus unvermeidlich als effektiver Wettbewerber von Ryanair geschwächt worden.

64      Zum zweiten Punkt bringt die Antragstellerin vor, vernünftige wirtschaftliche Grundsätze sprächen dafür, dass Minderheitsbeteiligungen wie die Beteiligung von Ryanair an Aer Lingus den Wettbewerb zwischen den betroffenen Unternehmen verzerrten. Da Ryanair als Anteilseignerin von Aer Lingus insbesondere einen Anteil an den Gewinnen von Aer Lingus beanspruchen könne, habe sie keinerlei Anreiz, mit Aer Lingus in Wettbewerb zu treten, da sie ein gegenläufiges Interesse an der Maximierung des Werts ihrer Beteiligung habe und sicherstellen wolle, dass Aer Lingus Gewinne erziele. Beteiligungen wie die von Ryanair trügen erheblich zu wettbewerbswidrigen Ergebnissen bei.

65      Zum dritten Punkt beruft sich die Antragstellerin zur Stützung ihres Antrags auf die Entscheidungen Tetra Laval/Sidel and Schneider/Legrand der Kommission.

66      In diesen beiden Entscheidungen habe die Kommission festgestellt, dass unter besonderen Umständen die Beibehaltung einer Minderheitsbeteiligung die Wiederherstellung effektiver Wettbewerbsbedingungen behindern und unverhältnismäßige Auswirkungen auf das Zielunternehmen haben würde.

67      Zweitens ist nach Auffassung der Antragstellerin die Auslegung des Art. 8 Abs. 4 und 5 durch die Kommission unzutreffend. Die Kommission sei einer reinen Wortinterpretation gefolgt, während eine extensivere Auslegung mit dem Ziel der Verordnung besser vereinbar sei.

68      In der Rechtssache Frankreich u. a./Kommission (C‑68/94 und C‑30/95, Slg. 1998, I‑1375) habe der Gerichtshof und in der Rechtssache Gencor/Kommission (T‑102/96, Slg. 1999, II‑753) habe das Gericht erster Instanz angesichts zweier möglicher Auslegungen anderer Vorschriften der Verordnung als im vorliegenden Fall entschieden, dass die engere Auslegung der Verordnung teilweise ihre Wirksamkeit nehmen würde, die weitere Auslegung hingegen dem Wortlaut der Verordnung entspreche, obwohl dies dort nicht zum Ausdruck komme.

69      Desgleichen Richtung macht die Antragstellerin geltend, dass die natürliche Bedeutung des Art. 8 Abs. 4 und 5 mit der Ausübung der in diesen Vorschriften vorgesehenen Befugnisse zur Beurteilung einer Beteiligung wie der von Ryanair übereinstimme, während die Auslegung der Kommission die Gemeinschaft gegenüber der Wettbewerbsverzerrung, die durch die im Rahmen des verbotenen Zusammenschlusses erworbene Beteiligung entstanden sei, wehrlos lasse und somit nicht mit dem Ziel der Verordnung übereinstimme.

70      Die Antragstellerin verweist insbesondere darauf, dass die Auslegung der Kommission die Erwägungsgründe 2, 5, 7, 8, 14, 20 und 23 der Verordnung nicht berücksichtige.

71      Soweit es Art. 8 Abs. 4 betreffe, nehme die Kommission, statt sich von den Erwägungsgründen leiten zu lassen, in Nr. 10 der angefochtenen Entscheidung eine reine Wortauslegung vor und gehe davon aus, dass „der in dieser Sache geprüfte Zusammenschluss nicht vollzogen worden [ist]“ und dass „[d]ie während des Verfahrens bei der Kommission durchgeführten Transaktionen daher nicht als Teil eines vollzogenen Zusammenschlusses betrachtet werden [können]“.

72      Der erste Fehler der Kommission sei es gewesen, die Transaktionen, die sie zu prüfen habe, als irgendwie verschieden von dem in der Verbotsentscheidung behandelten Zusammenschluss zu betrachten. Aus Nr. 12 der Verbotsentscheidung gehe klar hervor, dass die verschiedenen Transaktionen, auf die sie sich beziehe, integraler Bestandteil des verbotenen Zusammenschlusses seien. Da die Kommission in ihrer Entscheidung vom 20. Dezember 2006 anerkannt habe, dass diese Transaktionen und das öffentliche Übernahmeangebot Teil eines einheitlichen Zusammenschlusses im Sinne des Art. 3 der Verordnung seien, habe sie somit den Zusammenschluss, für den Art. 8 Abs. 4 der Verordnung gelte, unzutreffend bestimmt. Für die Anwendung dieses Artikels müssten zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Es müsse ein Zusammenschluss vorliegen, und dieser müsse als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt anzusehen sein.

73      Da die zweite Voraussetzung erfüllt sei, gehe es hauptsächlich um den Nachweis, dass der so definierte Zusammenschluss vollzogen worden sei. In dieser Beziehung habe die Kommission zu Unrecht die Bedeutung von „vollzogen“ in Art. 8 Abs. 4 mit „Kontrolle begründet“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung gleichgesetzt. Art. 8 Abs. 4 Buchst. a beziehe sich nicht auf die „Begründung der Kontrolle“ und verwende nur das Wort „vollzogen“. Dass der Zusammenschluss nie voll durchgeführt worden sei, weil die Kommission ihn verhindert habe, bedeute nicht, dass er nicht, wenn auch nur teilweise, aufgrund der in Nr. 12 der Verbotsentscheidung genannten Transaktionen vollzogen worden sei.

74      Zur Stützung dieser Behauptung hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung neue Beweise in Form von Pressemitteilungen der Kommission angeboten, die belegen sollen, dass es gängige Praxis der Kommission sei, Schritte unterhalb der Schwelle der Kontrollübernahme als „Vollzug“ zu behandeln. Die vorgenannten Dokumente zeigten, dass die Kommission in der Vergangenheit überraschende Durchsuchungen durchgeführt habe, um festzustellen, ob die Parteien eines Zusammenschlusses einen von der Kommission geprüften Erwerb entgegen Art. 7 Abs. 1 der Verordnung vollzogen hätten.

75      Drittens führt die Antragstellerin einen auf Art. 7 der Verordnung beruhenden Antragsgrund an. Gemäß Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung dürfe ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung nicht vollzogen werden, bevor er für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt worden sei. Art. 7 Abs. 2 bestimme, dass Abs. 1 der Verwirklichung von Vorgängen nicht entgegenstehe, bei denen die Kontrolle entweder im Wege eines öffentlichen Übernahmeangebots oder im Wege einer Reihe von Rechtsgeschäften mit Wertpapieren erworben werde, sofern der Zusammenschluss unverzüglich bei der Kommission angemeldet werde und der Erwerber die mit den Anteilen verbundenen Stimmrechte nicht oder nur aufgrund einer von der Kommission nach Abs. 3 erteilten Freistellung ausübe.

76      Die Antragstellerin macht geltend, dass die Abs. 1 und 2 von Art. 7 der Verordnung gemeinsam Ryanair daran hindern sollten, ihre Stimmrechte auszuüben, falls keine von der Kommission nach Abs. 3 erteilte Freistellung vorliege.

77      Die Kommission ist der Auffassung, dass die Antragstellerin das Vorliegen eines fumus boni iuris, der den Erlass der beantragten Anordnungen rechtfertigen würde, nicht dargetan habe. Als Ausgangspunkt hält sie fest, dass die Verordnung nur für Zusammenschlüsse im Sinne von Art. 3 und nicht für den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung gelte, die keine Kontrolle im Sinne von Art. 3 Abs. 2, d. h. keinen bestimmenden Einfluss, verschaffe, und dass die Beteiligung von Ryanair an Aer Lingus ihr unstreitig keine Kontrolle über dieses Unternehmen verschaffe.

78      Die Kommission macht zweitens geltend, dass die Festlegung mehrerer Transaktionen als Teil einer einheitlichen Maßnahme des Zusammenschlusses sicherstelle, dass sämtliche Transaktionen bei der Kommission angemeldet würden, und den Grundsatz der „einen Anlaufstelle“ sichere. Das gebe ihr indessen keine Zuständigkeit für die Kontrolle über Minderheitsbeteiligungen als solche.

79      Die Kommission weist drittens darauf hin, dass Art. 21 Abs. 3 der Verordnung, wenn erst der einzelne im Verwaltungsverfahren festgestellte Zusammenschluss aufgelöst sei, die Mitgliedstaaten nicht länger daran hindere, ihr nationales Wettbewerbsrecht auf eine solche Minderheitsbeteiligung anzuwenden.

80      Zur teleologischen Auslegung der betreffenden Vorschriften vertritt die Kommission viertens die Auffassung, dass die Auslegung dieser Vorschriften durch Aer Lingus dem allgemeinen Zweck der Verordnung, Zusammenschlüsse im Sinne von Art. 3 zu kontrollieren, zuwiderlaufe.

81      Schließlich stützten ihre früheren Entscheidungen gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung den Standpunkt von Aer Lingus nicht, dass ein Zusammenschluss auch ohne den Erwerb der Kontrolle als vollzogen angesehen werden könne, weil in allen früheren Fällen die Kontrolle erworben gewesen sei.

–        Richterliche Würdigung

82      Die Antragstellerin macht im Kern geltend, die Kommission habe sich zu Unrecht geweigert, gegen die Minderheitsbeteiligung von Ryanair an Aer Lingus gemäß Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung tätig zu werden. Die betreffende Minderheitsbeteiligung habe erhebliche negative Auswirkungen auf den Wettbewerb, und die Kommission habe sich zu Unrecht auf den Standpunkt gestellt, dass sie in diesem Fall nicht gemäß Art. 8 Abs. 4 und 5 zum Einschreiten befugt sei.

83      Zur ersten Rüge, die sich auf die Behauptung in Nr. 12 der angefochtenen Entscheidung bezieht, dass „negative Auswirkungen nicht eintreten [können], weil Ryanair die Kontrolle über Aer Lingus nicht erworben hat und nicht erwerben wird“, ergibt eine Prüfung der angefochtenen Entscheidung, dass diese Feststellung aus dem Zusammenhang gerissen ist, nicht Grundlage für den Entschluss der Kommission war, die von der Antragstellerin beantragten Maßnahmen nach Art. 8 Abs. 4 und 5 nicht zu ergreifen, und daher für dieses Verfahren unerheblich ist. Der Grund für die angefochtene Entscheidung war nämlich, dass nach Auffassung der Kommission ein Zusammenschluss unter den gegebenen Umständen nicht vollzogen worden war und die Kommission daher nicht zum Erlass von Maßnahmen gemäß Art. 8 Abs. 4 und 5 bezüglich der fraglichen Minderheitsbeteiligung befugt war, und zwar unabhängig davon, ob diese Minderheitsbeteiligung möglicherweise Wettbewerbsprobleme aufwerfen würde oder nicht.

84      Mithin bedürfen die Argumente der Antragstellerin zur Stützung dieses Antrags, mit denen belegt werden soll, dass er mit dem Sachverhalt des Falles, einer „vernünftigen Wirtschaftstheorie“ und früheren Kommissionsentscheidungen in Einklang steht, keiner weiteren Prüfung.

85      Angesichts des Vorbringens der Beteiligten, wie es vorstehend dargestellt und in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, ist die Hauptfrage, die der Präsident in diesem Verfahren zu beantworten hat, soweit es um den fumus boni iuris geht, die, ob die Antragstellerin einen hinreichenden fumus boni iuris dafür dargetan hat, dass die Kommission den Ausdruck „vollzogen“ in Art. 8 falsch dahin ausgelegt hat, dass er den Erwerb der Kontrolle bedeute, und dass das Erfordernis des „Vollzugs“ so ausgelegt werden muss, dass es durch alle Maßnahmen oder Schritte erfüllt wird, die der Anmelder unternimmt, um den Zusammenschluss zu vollziehen. Die Frage ist mit anderen Worten, ob der „teilweise Vollzug“ oder der Vollzug eines der Teile, die zusammen den einzelnen angemeldeten Zusammenschluss ausmachen, einen „Vollzug“ dieses Zusammenschlusses darstellen und die Befugnisse der Kommission nach Art. 8 Abs. 4 und 5 auslösen kann.

86      Zur Stützung ihrer Auslegung des Art. 8 Abs. 4 und 5 führt Aer Lingus die Urteile an (siehe oben, Randnr. 68), in denen der Gerichtshof und das Gericht erster Instanz entschieden haben, dass angesichts zweier möglicher Auslegungen der Verordnung die Auslegung den Vorzug verdient, die die Zielssetzung dieser Verordnung besser zum Tragen bringt.

87      Zu der von der Antragstellerin angeführten Rechtsprechung ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil Frankreich u. a./Kommission (oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 168) und das Gericht im Urteil Gencor/Kommission (oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 148) entschieden haben, dass die Vorschriften der betreffenden Verordnung im Hinblick auf die Zielsetzung der Verordnung auszulegen sind, da der genaue Anwendungsbereich dieser Vorschriften allein anhand ihres Wortlauts nicht ermittelt werden kann.

88      Demnach ist vor einer Prüfung des Art. 8 Abs. 4 und 5 im Hinblick auf die Zielsetzung der Verordnung als Erstes zu ermitteln, ob der Wortlaut der betreffenden Vorschriften nicht hinlänglich klar ist und die beiden unterschiedlichen Auslegungen zulässt, die die Antragstellerin vorgetragen hat.

89      In dieser Hinsicht ist zunächst festzuhalten, dass die Bedeutung des englischen Begriffs „implementation“ sowohl „the having accomplished some aim“ (die Erreichung eines Ziels) als auch „the carrying into effect“ (das Zurwirkungbringen) umfassen und damit grundsätzlich Ungewissheit bezüglich des genauen Sinns der Vorschriften des Art. 8 Abs. 4 und 5 entstehen lassen kann. Obwohl die Perfekt-Präsens-Wendung „has already been implemented“ (bereits vollzogen [ist]) in Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung darauf hindeuten könnte, dass sie sich auf „die Erreichung eines Ziels“ bezieht, kann diese Überlegung allein doch nicht als ausreichend für die Festlegung, und sei es auch im Sinne eines fumus boni iuris, des Umfangs der Zuständigkeiten der Kommission nach Art. 8 der Verordnung betrachtet werden.

90      Es entspricht indessen gefestigter Rechtsprechung, dass die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung der Gemeinschaftsverordnungen eine isolierte Betrachtung nur einer Sprachfassung einer Vorschrift ausschließt; sie gebietet vielmehr, die Vorschrift im Licht der anderen Sprachfassungen auszulegen und anzuwenden (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1996, Lubella, C‑64/95, Slg. 1996, I‑5105, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung). Demgemäß muss sichergestellt werden, dass die englische Fassung des Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung dem betreffenden Ausdruck nicht eine von den anderen Sprachfassungen abweichende Bedeutung zukommen lässt; dieser muss im Licht der anderen Sprachfassungen ausgelegt und angewandt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 1997, Ebony Maritime und Loten Navigation, C‑177/95, Slg. 1997, I‑1111, Randnrn. 29 bis 31). Insoweit sei darauf hingewiesen, dass der Wendung „has already been implemented“ in der französischen Fassung des Art. 8 Abs. 4 „a déjà été réalisée“, in der italienischen Fassung „è già stata realizzata“ und in der deutschen Fassung „bereits vollzogen wurde“ entspricht. So wie der Ausdruck „vollzogen“ in den Beispielen anderer vorstehend angeführter Sprachfassungen verwendet wird, zeigt sich, dass das Wort „Vollzug“ in Art. 8 Abs. 4 und 5 jedenfalls auf den ersten Blick den vollständigen Vollzug des Zusammenschlusses umfasst.

91      Zweitens lässt sich diese Schlussfolgerung auf den ersten Blick durch den Vergleich der französischen Fassung des Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung mit der französischen Fassung anderer Gemeinschaftsvorschriften bestätigen, in der der Ausdruck „Vollzug“ eindeutig eher „mise en oeuvre“ (Durchführung) als „réalisation d’un objectif“ (Erreichung eines Ziels) bedeutet. Für eine solche Verwendung dieses Ausdrucks findet sich ein Beispiel im dritten Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. L 140, S. 1), wonach „Anmeldungen im vereinfachten Verfahren … nur akzeptiert werden [sollten], wenn die Kommission in regelmäßigen Abständen über die Anwendung der betreffenden bestehenden Beihilfe unterrichtet wurde“. Dem Ausdruck „Anwendung“ entspricht in diesem Fall in der französischen Fassung des dritten Erwägungsgrundes „mise en oeuvre“ und nicht „réalisation“.

92      Drittens ist zu bedenken, dass die Kommission, sobald ihr die Befugnisse gemäß Art. 8 Abs. 4 zustehen, den beteiligten Unternehmen aufgeben kann, „den Zusammenschluss rückgängig zu machen“; dieser Ausdruck bedeutet auf den ersten Blick, dass ein Zusammenschluss im Sinne von Art. 3 der Verordnung vorliegt, nämlich der Erwerb der Kontrolle. In diesem Kontext ist festzuhalten, dass Ryanair im vorliegenden Fall aufgrund ihrer Minderheitsbeteiligung unstreitig nicht in der Lage ist, die Antragstellerin de iure oder de facto zu kontrollieren.

93      Mithin kann festgestellt werden, ohne dass das Vorbringen der Antragstellerin zur Zielrichtung der Verordnung eingehender geprüft werden müsste, dass die Antragstellerin das Vorliegen des fumus boni iuris nicht dargetan hat.

94      Diese Feststellung kann nicht durch die Behauptung der Antragstellerin in Frage gestellt werden, die Kommission halte einen teilweisen Vollzug auch bei Schritten unterhalb der Schwelle der Übernahme der Kontrolle nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung für ausgeschlossen und fordere die Beteiligten auf, solche Schritte zu unterlassen. Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie, obwohl sie in der Frage, ob Art. 7 der Verordnung dem Erwerb von Minderheitsbeteiligungen entgegenstehe, nie einen amtlichen Standpunkt geäußert habe, bei Erörterungen mit Anmeldern die Politik verfolgt habe, den Erwerber aufzufordern, die Ausübung von Stimmrechten, gleichgültig, ob diese auf einer Kontrollübernahme oder einer Minderheitsbeteiligung beruhten, bis zum Abschluss des Verfahrens zu unterlassen. Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach der oben in Randnr. 42 untersuchten Zuständigkeitsverteilung die Auslegung des Gemeinschaftsrechts Sache des Gerichtshofs und nicht der Kommission ist und somit die Praxis der Kommission, auch wenn sie wegen der Schaffung begründeter Erwartungen von Bedeutung ist, in diesem Zusammenhang nicht entscheidend ist. Zweitens wäre es, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung betont hat, selbst wenn Art. 7 Abs. 1 der Verordnung so auszulegen wäre, dass er bis zur Prüfung durch die Kommission nur einen Wechsel der Kontrolle und nicht Schritte unterhalb der Schwelle des Wechsels der Kontrolle wie etwa die Ausübung von Stimmrechten aufgrund von Minderheitsbeteiligungen verbietet, angesichts der strengen Fristen, innerhalb deren die Kommission einen angemeldeten Zusammenschluss zu prüfen hat, sowie des Zusammenwirkens von Faktoren, die zur Übernahme der Kontrolle in einem konkreten Fall führen könnten, durchaus legitim, wenn die Kommission die Beteiligten auffordern würde, keinerlei Schritte zu unternehmen, die zu einem Wechsel der Kontrolle führen könnten. Zusätzlich könnten es die Anmelder, auch wenn dies auf den ersten Blick kein Erfordernis nach der Verordnung ist, als vorteilhaft ansehen, einer solchen Aufforderung nachzukommen, um das Verwaltungsverfahren der Kommission zu erleichtern und damit das Risiko zu vermeiden, dass diese es für erforderlich halten könnte, in den Betrieben der Beteiligten Durchsuchungen durchzuführen und festzustellen, ob die von den Anmeldern unternommenen Schritte nicht tatsächlich zu einem Wechsel der Kontrolle geführt haben.

95      Bei den Pressemitteilungen, die nach Meinung der Antragstellerin belegen, dass es gängige Praxis der Kommission ist, Schritte unterhalb der Schwelle der Kontrollübernahme als „Vollzug“ anzusehen, ist zunächst zu beachten, dass die Antragstellerin den Grund, weshalb diese Pressemitteilungen – eine von ihnen aus dem Jahr 1997 – zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht zur Verfügung gestanden haben sollen und erst in einem so späten Abschnitt des Verfahrens vorgelegt worden sind, nicht hat erklären können. Es genügt hier jedoch unabhängig von der Frage der Zulässigkeit dieses verspäteten Beweisantritts der Hinweis, dass dies bezüglich der Bedeutung des Worts „Vollzug“ ohne Beweiswert ist. Insbesondere sind die Angaben in den erwähnten Pressemitteilungen ohne Einfluss auf die vorstehenden Erwägungen.

96      In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Streithelferin geäußert, dass die Inanspruchnahme der Zeit des Gerichts durch einen verspäteten Beweisantritt dieser Art an eine Missachtung des Gerichts grenze. Der Präsident hält die Beweise jedoch, ohne über diese schwere Rüge befinden zu müssen, auf jeden Fall für unschlüssig, so dass auch in dieser Hinsicht festgestellt werden kann, dass die Antragstellerin das Vorliegen eines fumus boni iuris nicht dargetan hat.

97      Mit der ersten Rüge, dass die Beteiligung von Ryanair an Aer Lingus ernsthafte Wettbewerbsprobleme aufwerfe, macht die Antragstellerin geltend, dass die Weigerung der Kommission, Maßnahmen nach Art. 8 Abs. 4 der Verordnung zu ergreifen, um Ryanair zur Trennung von ihrer Minderheitsbeteiligung zu bewegen, gegen frühere Kommissionsentscheidungen verstoße, und verweist insbesondere auf die Entscheidungen Tetra Laval/Sidel und Schneider/Legrand der Kommission. Insoweit sollte der Vollständigkeit halber festgestellt werden, dass dieses Vorbringen die vorstehend erzielten Ergebnisse nicht beeinträchtigen kann. Insbesondere der Umstand, dass die Kommission in den Sachen Tetra Laval/Sidel and Schneider/Legrand entschieden hat, dass die Beibehaltung einer Minderheitsbeteiligung an dem Zielunternehmen in der angemeldeten Transaktion, die nach der Verordnung untersagt worden war, die Wiederherstellung eines effektiven Wettbewerbs behindern würde, und daher die Trennung von sämtlichen erworbenen Anteilen angeordnet hat, ist im Kontext des vorliegenden Verfahrens unerheblich. Mit den vorstehenden Ergebnissen ist es vielmehr durchaus vereinbar, dass die Befugnisse der Kommission in diesen Fällen durch den „Vollzug“ der Transaktion, d. h. durch die Übernahme der Kontrolle, ausgelöst worden waren. Sobald die Befugnisse der Kommission zustanden, war diese, wie in Art. 8 Abs. 4 der Verordnung speziell geregelt, berechtigt, den Unternehmen die Rückgängigmachung des Zusammenschlusses aufzugeben, insbesondere durch Auflösung der Fusion oder durch Veräußerung aller erworbenen Anteile oder Vermögensgegenstände, um den Zustand vor dem Vollzug des Zusammenschlusses wiederherzustellen.

98      Zu dem auf Art. 7 gestützten Vorbringen der Antragstellerin, dass Ryanair, weil der geplante Erwerb noch nicht für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt worden sei, im Rahmen der angemeldeten Transaktion Wertpapiere nur erwerben und ein öffentliches Übernahmeangebot nur weiterverfolgen dürfe, wenn sie die mit den Wertpapieren verbundenen Stimmrechte nicht ausübe, sofern keine Freistellung durch die Kommission vorliege, genügt die Feststellung, dass die vorstehend dargelegte Auslegung des Ausdrucks „Vollzug“ mutatis mutandis gleichermaßen für das auf Art. 7 der Verordnung gestützte Vorbringen der Antragstellerin gelten muss.

99      Demnach hat Aer Lingus auch für diesen Antragsgrund das Vorliegen eines fumus boni iuris nicht dargetan.

100    Die Antragstellerin macht schließlich geltend, dass die von der Kommission vertretene Auslegung des Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung in Verbindung mit dem in Art. 21 Abs. 3 an die Mitgliedstaaten gerichteten Verbot, ihr innerstaatliches Wettbewerbsrecht auf Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung anzuwenden, zu einer Lücke führe, die mit dem Ziel der Verordnung unvereinbar sei. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die gleiche Fallgestaltung, bei der ein Unternehmen eine Minderheitsbeteiligung an einem Wettbewerber hält, die nicht zu einer Kontrolle führt, und bei der der Wettbewerber der Auffassung wäre, dass diese Minderheitsbeteiligung dem Wettbewerb abträglich sei, durchaus auch in Fällen vorkommen könnte, in denen die Minderheitsbeteiligung nicht im Kontext eines Zusammenschlusses erworben wird. Bei dieser Fallgestaltung wäre die Verordnung eindeutig nicht anwendbar, und die fehlende Möglichkeit für die Kommission, diese Minderheitsbeteiligung gemäß Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung zu überprüfen, würde eindeutig nicht als Lücke in der Fähigkeit der Kommission verstanden werden, einen unverzerrten Wettbewerb sicherzustellen.

101    Zur Anwendung von Art. 21 der Verordnung ist zunächst festzustellen, dass Art. 21 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 der Verordnung zu verstehen ist. Art. 21 Abs. 1 bestimmt, dass die Verordnung allein für Zusammenschlüsse im Sinne des Art. 3 gilt. Demgemäß liegt unter Umständen wie denen der vorliegenden Rechtssache, bei denen ein angemeldeter Zusammenschluss von der Kommission für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt und demzufolge das entsprechende öffentliche Übernahmeangebot zurückgezogen wurde, ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne des Art. 3 der Verordnung nicht vor. Ebenso wenig kann unter solchen Umständen ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung von den Beteiligten ins Auge gefasst werden, weil ein solcher Zusammenschluss gegen eine bereits vorliegende Entscheidung der Kommission verstoßen würde. Auf dieser Grundlage lässt sich, wie die Kommission in ihrer schriftlichen Stellungnahme ausgeführt hat, nicht sagen, dass Art. 21 Abs. 3 der Verordnung auf den ersten Blick anwendbar sei, da kein Zusammenschluss, für den allein die Verordnung gilt, vorliegt oder geplant ist. Die verbleibende Minderheitsbeteiligung hängt auf den ersten Blick nicht mehr mit dem Erwerb der Kontrolle zusammen, gehört nicht mehr zu einem „Zusammenschluss“ und fällt daher nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung. Infolgedessen steht Art. 21, der nach dem achten Erwägungsgrund der Verordnung sicherstellen soll, dass bedeutsame Strukturveränderungen nach dem Prinzip der einzigen Anlaufstelle nur von der Kommission geprüft werden, unter diesen Umständen grundsätzlich der Anwendung der nationalen Wettbewerbsvorschriften durch die nationalen Wettbewerbsbehörden und die nationalen Gerichte nicht entgegen.

102    Insoweit ergibt sich aus der Anfechtung der Entscheidung der Kommission, den Zusammenschluss für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären, beim Gericht kein sachlicher Unterschied, weil Klagen beim Gerichtshof gemäß Art. 242 EG keine aufschiebende Wirkung haben. Außerdem könnten die zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörden, wenn sie durch Erwägungen der Verfahrensökonomie gehindert würden, endgültige Maßnahmen zu treffen, vorläufige Maßnahmen treffen, um jedem Bedenken wegen des Ausstehens der Entscheidung des Gerichts zu begegnen.

103    Ferner ist, was das Vorliegen einer Regelungslücke angeht, darauf hinzuweisen, dass zwar eine Minderheitsbeteiligung der besagten Art in der Verordnung auf den ersten Blick nicht geregelt sein kann; es ist jedoch zu bedenken, dass die Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags, insbesondere die Art. 81 EG und 82 EG, von der Kommission auf das Verhalten der beteiligten Unternehmen nach dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung angewandt werden können. Insoweit kann gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) die Kommission bei Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG oder Art. 82 EG „alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind“.

104    Auch wenn Art. 81 EG auf den ersten Blick in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der fragliche Verstoß auf den Erwerb von Aktien auf dem Markt zurückgeht, schwer anzuwenden und es mithin schwierig sein mag, eine Willensübereinstimmung festzustellen, könnte die Antragstellerin von der Kommission verlangen, ein Verfahren nach Art. 82 EG zu eröffnen, wenn sie der Auffassung wäre, dass Ryanair eine beherrschende Stellung auf einem oder mehreren Märkten einnimmt und diese missbraucht, indem sie sich in die Geschäftsstrategie eines unmittelbaren Wettbewerbers einmischt und/oder ihre Minderheitsbeteiligung bei einem unmittelbaren Wettbewerber benutzt, um dessen Stellung zu schwächen.

105    Zudem ist der Hinweis angebracht, dass diese Vorgehensweise für Fälle wie den vorliegenden gilt, in dem alle Beteiligten darin übereinstimmen, dass kein Wechsel der Kontrolle im Sinne der Verordnung stattgefunden hat. Sollte sich indessen später herausstellen, dass Ryanair aufgrund ihrer Minderheitsbeteiligung die Kontrolle über Aer Lingus besitzt oder erworben hat, so könnte Art. 8 Abs. 4 und 5 zur Anwendung gelangen.

106    Demgemäß hat die Antragstellerin auch in Bezug auf diesen Antragsgrund, mit dem eine mit dem Ziel der Verordnung unvereinbare Lücke gerügt wird, das Vorliegen eines fumus boni iuris nicht dargetan.

107    Damit steht fest, dass die Antragstellerin insgesamt das Vorliegen eines fumus boni iuris nicht dargetan hat.

 Dringlichkeit

–       Vorbringen der Beteiligten

108    Die Antragstellerin ist der Auffassung, das Erfordernis der Dringlichkeit sei in dieser Rechtssache gegeben, insbesondere da die Gefahr bestehe, dass Ryanair Aer Lingus ihre Vorstellungen jederzeit aufdrängen könne.

109    Die Antragstellerin bringt erstens vor, dass Ryanair bei der gegenwärtigen Beteiligungsstruktur von Aer Lingus bereits die Macht habe, Sonderbeschlüsse zu verhindern, die eine Mehrheit von 75 % erforderten. Sie trägt weiter vor, dass Ryanair ihre Minderheitsbeteiligung bei Aer Lingus bereits benutzt habe, um den Vorschlag eines Sonderbeschlusses zu blockieren, der Aer Lingus ermächtigt hätte, Zusatzaktien in Höhe von höchstens 5 % ihres gezeichneten Aktienkapitals auszugeben, ohne diese zuvor den Stammaktionären anbieten zu müssen.

110    Zweitens sei das Gewicht von Ryanair bei der Abstimmung über ordentliche Beschlüsse praktisch bedeutender als das Gewicht, das ihr ihre Beteiligung vermittle, und zwar aus einer Reihe von Gründen. Das aktuelle Stimmgewicht von Ryanair tendiere gegen 40 %, wenn man davon ausgehe, dass in einer Hauptversammlung nur für etwa 80 % der Anteile an Aer Lingus Stimmen abgegeben würden, was aufgrund des Ausgangs der ersten und bisher einzigen Hauptversammlung von Aer Lingus das wahrscheinliche Ergebnis wäre. Dieses Gewicht werde weiter dadurch verstärkt, dass Ryanair der größte Anteilseigner von Aer Lingus mit einer ganz bedeutenden Luftfahrterfahrung sei und daher einen potenziell ganz erheblichen Einfluss auf andere Anteilseigner haben könne.

111    Drittens soll der Antragstellerin zufolge die Möglichkeit bestehen, dass die irische Regierung, der zweitgrößte Anteilseigner von Aer Lingus, sich nicht an Beschlüssen der Anteilseigner beteilige, die die strategische Ausrichtung des Unternehmens beträfen. Außerdem könne die irische Regierung unter bestimmten Umständen ebenfalls gehalten sein, sich nicht an der Abstimmung zu beteiligen, z. B., wenn sie an dem betreffenden Geschäft beteiligt sei. Das könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn sie den Abschluss eines Geschäfts mit der staatlich kontrollierten Dublin Airport Authority plane. Unter solchen Umständen könnte die Beteiligung von Ryanair tatsächlich mehr als 50 % der wahrscheinlich abgegebenen Stimmen darstellen.

112    Zusätzlich führt Aer Lingus eine Reihe von Beispielen für Umstände an, unter denen Ryanair sich in Geschäfte von Aer Lingus einmischen könnte, indem sie sich der vorstehend dargestellten Sachverhaltsgestaltungen bedient. Ryanair könne ihre Beteiligung an Aer Lingus benutzen, um ihre Kampagne gegen das Terminal 2 des Flughafens Dublin zu fördern, das für die Expansionspläne von Aer Lingus von entscheidender Bedeutung sei. Ebenso könne Ryanair wegen ihrer Vorliebe für Boeing-Flugzeuge mit den Plänen von Aer Lingus, Flugzeuge von Airbus anzuschaffen, in Konflikt geraten. In ihren Schriftsätzen berichtete Aer Lingus von den Absichten von Ryanair, sich dem Beschluss des Vorstands von Aer Lingus zu widersetzen, eine Reihe von Flugrouten aufzugeben und neue zu eröffnen. In der Anhörung ist indessen bestätigt worden, dass solche Versuche keinen Erfolg hatten. Nach Auffassung der Antragstellerin würde der Schaden, der durch die Ausübung des Stimmrechts aufgrund der Minderheitsbeteiligung von Ryanair entstehen würde, falls der Vorstand in einer Frage der Geschäftspolitik eine Niederlage erleiden sollte, schwerwiegend und nicht wiedergutzumachen sein, und der entstehende Bruch im Geschäft von Aer Lingus könnte weder durch das Urteil des Gerichts in der Hauptsache noch auf andere Weise beseitigt werden.

113    In der Anhörung hat die Antragstellerin versucht, als neues Beweismaterial eine Information einzuführen, die sich u. a. auf einen Vertrag mit Airbus über die Lieferung von Großraumflugzeugen bezog, der noch der Zustimmung der Anteilseigner kurz nach der Anhörung bedurft habe und ein Schlüsselelement ihrer Geschäftsstrategie sein solle, um die durch den Abschluss von „Open Sky“-Verträgen eröffneten Möglichkeiten zu nutzen. Wenn die Initiativen des Vorstands nicht kurzfristig die Zustimmung der Anteilseigner von Aer Lingus erhalten sollten, würde Aer Lingus einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden, da sie nach Verkündung des Urteils in der Hauptsache nicht mehr über diese Möglichkeiten verfügen würde.

114    Schließlich fordert die Antragstellerin, das Gericht solle im vorliegenden Fall den „Vorbeugungsgrundsatz“ anwenden, da es, sobald glaubhaft gemacht sei, dass eine nicht zu vernachlässigende Gefahr bestehe, dass Ryanair ihr einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen oder zu diesem Schaden beitragen werde, Schutzmaßnahmen erlassen könne, ohne den ergänzenden Nachweis abzuwarten, dass diese Gefahr tatsächlich bestehe.

115    Die Kommission macht im Kern geltend, dass das Erfordernis der Dringlichkeit nicht erfüllt sei.

–       Richterliche Würdigung

116    Nach ständiger Rechtsprechung richtet sich die Dringlichkeit eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz nach der Notwendigkeit, eine einstweilige Anordnung zu treffen, damit der Antragsteller keinen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet. Dieser hat somit glaubhaft zu machen, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden zu erleiden (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. November 2001, Duales System Deutschland/Kommission, T‑151/01 R, Slg. 2001, II‑3295, Randnr. 187 und die dort angeführte Rechtsprechung).

117    Ist der Schaden vom Vorliegen einer Mehrzahl von Faktoren abhängig, so genügt es, dass er mit einem hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist (Beschluss Arizona Chemical u. a./Kommission, oben in Randnr. 50 angeführt, Randnr. 71; vgl. in diesem Sinne auch Beschlüsse des Gerichtshofs vom 29. Juni 1993, Deutschland/Rat, C‑280/93 R, Slg. 1993, I‑3667, Randnrn. 32 bis 34, und des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1999, HFB u. a./Kommission, C‑335/99 P[R], Slg. 1999, I‑8705, Randnr. 67). Dem Antragsteller obliegt es jedoch, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solch schweren und irreparablen Schadens begründen sollen (Beschluss Arizona Chemical u. a./Kommission, Randnr. 72; vgl. auch in diesem Sinne Beschluss HFB u. a./Kommission, Randnr. 67).

118    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der über den Antrag entscheidende Richter, um feststellen zu können, ob der vom Antragsteller befürchtete Schaden schwer und irreparabel ist und daher den Erlass einstweiliger Anordnungen rechtfertigt, über konkrete Beweise verfügen muss, die ihm erlauben, die genauen Folgen zu erkennen, die das Ausbleiben einstweiliger Maßnahmen aller Wahrscheinlichkeit nach für jedes der beteiligten Unternehmen haben würde.

119    Vorab ist daher zu betonen, dass das Vorbringen der Antragstellerin, der Präsident solle den „Vorbeugungsgrundsatz“ anwenden, und das Gericht sei befugt, „Schutzmaßnahmen“ zu ergreifen, ohne den Nachweis abzuwarten, dass die von ihr geltend gemachte Gefahr tatsächlich bestehe, offensichtlich unvereinbar mit den Grundsätzen und der Rechtsprechung in Bezug auf den vorläufigen Rechtsschutz ist; ihm kann daher nicht gefolgt werden.

120    Im vorliegenden Fall bringt die Antragstellerin vor, dass die Einmischung ihres Anteilseigners und Hauptwettbewerbers Ryanair in ihre geschäftlichen Angelegenheiten sie in eine extrem schwierige Lage bringen und sie demzufolge einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden würde. Sie hat insbesondere eine Reihe von Fallgestaltungen vorgetragen, bei denen Ryanair in der Lage sein könnte, den Ausgang der Abstimmung über eine Reihe von Gegenständen zu beeinflussen, die von entscheidender Bedeutung für die Wachstumspläne seien, die der Vorstand von Aer Lingus für dieses Unternehmen festgelegt habe.

121    Insoweit ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin nicht behauptet, dass Ryanair in der Lage sei, Aer Lingus zu kontrollieren. Angesichts der Definition der Kontrolle in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung kann nicht davon ausgegangen werden, dass Ryanair „entscheidenden Einfluss“ auf Aer Lingus ausüben kann.

122    Weder in ihren Schriftsätzen noch in der Anhörung hat die Antragstellerin, obwohl sie breiten Raum hatte, ihren Standpunkt darzulegen, hinreichend konkretes Beweismaterial zu der Art des Schadens, der für Aer Lingus auf dem Spiel stehen soll, zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieses Schadens und zu der Frage vorgelegt, ob dieser Schaden tatsächlich schwer und nicht wiedergutzumachen ist. So hat die Antragstellerin kein ausreichend konkretes Beweismaterial vorgelegt, um für jedes von ihr angeführte Beispiel u. a. ermitteln zu können, ob und wann eine Abstimmung stattfinden müsste, warum eine Abstimmung vor der Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache notwendig wäre und wieso Ryanair unter den gegebenen Umständen allein in der Lage wäre, sich einem Vorschlag des Vorstands zu widersetzen oder ihre eigenen Entscheidungen durchzusetzen. Außerdem hat Aer Lingus keinen ausreichenden Beweis für ihr Vorbringen beigebracht, dass der zu erwartende Schaden sowohl schwer als auch nicht wiedergutzumachen sei.

123    Das Vorbringen der Antragstellerin läuft mithin auf bloß hypothetische und nicht substantiierte Darlegungen hinaus, die dem Erfordernis, dass der Schaden mit ausreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehbar sein muss, nicht gerecht werden.

124    Was insbesondere erstens das Vorbringen betrifft, Ryanair habe bereits nach der gegenwärtigen Beteiligungsstruktur die Macht, besondere Beschlüsse, die eine Mehrheit von 75 % erforderten, zu blockieren, und habe dies bereits einmal getan, so hat Aer Lingus keine konkreten Beweise beigebracht, die belegen, dass eine dieser besonderen Beschlussfassungen erforderlich wäre, bevor das Gericht in der Hauptsache entscheidet. Außerdem hat Aer Lingus keine konkreten Beweise beigebracht, die mit dem erforderlichen Grad von Wahrscheinlichkeit zeigen, dass Ryanair einem solchen hypothetischen Sonderbeschluss entgegentreten würde, und ebenso wenig konkrete Beweise, die die Behauptung stützen könnten, dass ein solcher Widerstand Aer Lingus wahrscheinlich einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen würde. Bezüglich des Hinweises auf die einzige besondere Beschlussfassung, der Ryanair bisher mit Erfolg entgegengetreten ist, hat Aer Lingus keinen konkreten Beweis für ihre Behauptung beigebracht, dass es ihr wahrscheinlich einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen würde, wenn es dem Vorstand nicht gelänge, die Bezugsrechte der Aktionäre zu beseitigen.

125    Was zweitens das Vorbringen von Aer Lingus betrifft, dass das Stimmgewicht von Ryanair bei normalen Beschlüssen praktisch bedeutsamer sei als das Gewicht aufgrund ihrer Beteiligung, ist erneut darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin mit diesem Vorbringen nicht geltend macht, dass Ryanair de iure oder de facto die Kontrolle über sie ausübe. Ferner hat Aer Lingus keine konkreten Beweise dafür beigebracht, dass vor der Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache eine normale Beschlussfassung vorgesehen war. Zudem hat Aer Lingus keinen konkreten Beweis dafür vorgelegt, dass ihr eine solche Opposition einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen würde.

126    In diesem Zusammenhang hat Aer Lingus die Auffassung vertreten, dass die Beteiligung von Ryanair den Wettbewerb vornehmlich im Kontext zweier Fragen beeinträchtigen könnte, nämlich beim Vorhaben des Vorstands von Aer Lingus, Flugzeuge von Airbus zu erwerben, und bei den Plänen des Vorstands in Bezug auf Terminal 2 des Flughafens von Dublin.

127    Was das Vorhaben des Vorstands von Aer Lingus, Flugzeuge von Airbus zu erwerben, betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Annahme von Aer Lingus, Ryanair werde sich diesem Erwerb widersetzen, auf der allgemeinen Vermutung beruht, dass Ryanair, da es eine reine Boeing-Flotte besitze, versuchen werde, Aer Lingus den Kauf von Boeing-Flugzeugen aufzuzwingen, sowie auf einer Pressemitteilung, nach der Ryanair erklärt haben soll, sie werde sicherstellen, dass die Flotte von Aer Lingus auf eine reine Boeing-Flotte umgestellt werde. Insoweit hat Ryanair in der Anhörung, ohne von Seiten der Antragstellerin Widerspruch zu erfahren, erklärt, dass diese Absicht zu einer Zeit geäußert worden sei, als der Erwerb geplant gewesen sei, und dass mit dem Gedanken, die Flotte von Aer Lingus auf eine reine Boeing-Flotte umzustellen, die Integration von Aer Lingus in Ryanair habe erleichtert werden sollen. Obwohl Ryanair die Entscheidung der Kommission, mit der der Erwerb von Aer Lingus für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wurde, angefochten hat und auf dieser Grundlage gesagt werden könnte, Ryanair beabsichtige letztlich immer noch, sich Aer Lingus einzuverleiben, kann nach dem beigebrachten Beweismaterial nicht davon ausgegangen werden, dass eine ausreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass Ryanair dem Vorhaben von Aer Lingus, Flugzeuge von Airbus zu erwerben, entgegentreten würde.

128    Weiterhin hat Aer Lingus zwar in der mündlichen Verhandlung erklärt, der Erwerb von Airbus-Großraumflugzeugen sei geplant und müsse von den Aktionären kurz nach der mündlichen Verhandlung gebilligt werden, doch hat sie nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, dass, wenn eine solche Billigung erforderlich sein sollte, die Beteiligung an der Abstimmung in der Hauptversammlung so niedrig wäre, dass den Stimmen von Ryanair genug Gewicht zukäme, um die Billigung dieses Erwerbs zu verhindern oder gar den Erwerb von Boeing-Flugzeugen durchzusetzen. Schließlich hat, selbst wenn man unterstellt, dass Ryanair in der Lage wäre, sich dem Erwerb von Airbus-Flugzeugen zu widersetzen, Aer Lingus nicht geltend gemacht, dass ihre Option notwendig auslaufe, wenn der Vertrag nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt genehmigt sein sollte.

129    Auch für die Behauptung von Aer Lingus, die irische Regierung könne entscheiden oder durch irische Rechtsvorschriften gezwungen sein, sich bei einer Abstimmung der Anteilseigner der Stimme zu enthalten, sind keine konkreten Beweise beigebracht worden, die belegen, dass zu einer konkreten Frage, bei der die irische Regierung sich der Stimme enthalten könnte, eine Beschlussfassung der Anteilseigner erforderlich wäre, bevor das Gericht in der Hauptsache entscheidet. Außerdem hat Aer Lingus keine konkreten Beweise beigebracht, die mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit belegen, dass diese Enthaltung wahrscheinlich zu einer Ablehnung des Vorschlags des Vorstands führen würde. Bezüglich des speziellen Falls von Terminal 2 hat Aer Lingus keine konkreten Beweise für ihre Behauptung beigebracht, dass es eines Beschlusses der Anteilseigner bedürfte, und auch keinen konkreten Beweis dafür, dass die irische Regierung durch irische Rechtsvorschriften gezwungen wäre, ihr Stimmrecht nicht auszuüben. Schließlich ist kein Beweis für die Behauptung beigebracht worden, dass die ausbleibende Zustimmung der Anteilseigner zum Vorhaben des Vorstands Aer Lingus wahrscheinlich einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen würde.

130    Außerdem hat die Antragstellerin mit ihren Darlegungen zu den vorstehenden Fragen nicht glaubhaft gemacht, dass der Schaden, den Aer Lingus erleiden würde, von anderer als finanzieller Art wäre.

131    Ein finanzieller Schaden kann nach ständiger Rechtsprechung nur unter außergewöhnlichen Umständen als ein nicht oder nur schwer wiedergutzumachender Schaden angesehen werden, da er Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein kann. Ein finanzieller Schaden rechtfertigt den Erlass einstweiliger Anordnungen nur dann, wenn sich der Antragsteller ohne diese Maßnahme in einer Situation befände, die vor der Entscheidung in der Hauptsache seine Existenz gefährden könnte oder seine Marktstellung unwiederbringlich ändern würde (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 3. Dezember 2002, Neue Erba Lautex/Kommission, T‑181/02 R, Slg. 2002, II‑5081, Randnr. 84, vom 20. Juli 2000, Esedra/Kommission, T‑169/00 R, Slg. 2000, II‑2951, Randnr. 45, vom 27. Juli 2004, TQ3 Travel Solutions Belgium/Kommission, T‑148/04 R, Slg. 2004, II‑3027, Randnr. 46, und vom 10. November 2004, Wam/Kommission, T‑316/04 R, Slg. 2004, II‑3917, Randnr. 29). Insoweit genügt die Feststellung, dass die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht hat, dass ohne die beantragten einstweiligen Anordnungen ihre Existenz bedroht wäre oder ihre Marktposition unwiederbringlich geändert würde, bevor eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache ergeht.

132    In der Anhörung hat die Antragstellerin angeboten, in nichtöffentlicher Sitzung und in Abwesenheit der Streithelferin neues und spezifischeres Material zu den vorstehend angeführten Schadensbeispielen vorzulegen. Als Beispiel für die Art der Informationen, die sie in nichtöffentlicher Sitzung vorlegen könnte, hat sie erläutert, dass bald eine Abstimmung der Anteilseiger erforderlich sein werde, um einen Ankauf von Airbus-Flugzeugen zu billigen, und dass Einzelheiten dazu höchst vertraulich seien. Sie hat indessen nicht erklärt, inwieweit diese zusätzlichen Informationen das Erfordernis der Dringlichkeit des Erlasses einstweiliger Maßnahmen erfüllen sollen. Sie hat außerdem nicht erklärt, weshalb diese zusätzlichen Informationen nicht mit ihrem schriftlichen Antrag und erst in einem so späten Abschnitt des Verfahrens gegeben werden konnten. Schließlich ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen zur Zulässigkeit eines Antrags auf einstweilige Maßnahmen gegen Ryanair oder mit Auswirkungen auf Ryanair, dass in Abwesenheit von Ryanair erhobene Beweise nicht als Grundlage für einstweilige Anordnungen verwendet werden dürfen, weil dies zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte von Ryanair führen würde. Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz, die auf der Vorläufigkeit einstweiliger Anordnungen beruht, gilt für Fälle, bei denen ohne die beantragten einstweiligen Anordnungen die Existenz eines Antragstellers bedroht wäre. Wie bereits erwähnt, hat indessen Aer Lingus zu keinem Zeitpunkt dieses Verfahrens geltend gemacht, dass ohne einstweilige Anordnungen ihre Existenz gefährdet wäre.

133    Auf jeden Fall gibt es unabhängig davon, ob diese neuen Beweise zulässig sind oder nicht, keinen Beleg dafür, dass diese zusätzlichen Informationen das Ergebnis hätten ändern können, zu dem die vorstehende Würdigung durch den Präsidenten geführt hat.

134    Folglich hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne die beantragten einstweiligen Anordnungen einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden würde.

135    Demgemäß hat die Antragstellerin den erforderlichen fumus boni iuris und die Notwendigkeit einstweiliger Maßnahmen zur Verhinderung eines drohenden schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens nicht dargetan. Der Antrag auf einstweilige Anordnungen ist daher zurückzuweisen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil, wie sich aus den Erwägungen in Randnr. 56 dieses Beschlusses ergibt, ein besonders überzeugender fumus boni iuris und das Vorliegen eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens glaubhaft gemacht werden müssten, ehe die beantragten Anordnungen gegen Ryanair erlassen werden könnten, weil sie sich beträchtlich auf die Rechte und Interessen von Ryanair als Anteilseigner von Aer Lingus auswirken würden.

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

beschlossen:

1.      Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird zurückgewiesen.

2.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 18. März 2008

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Englisch.