Language of document : ECLI:EU:C:2010:789

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

VERICA TRSTENJAK

vom 16. Dezember 2010(1)

Rechtssache C‑29/10

Heiko Koelzsch

gegen

Großherzogtum Luxemburg

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour d’appel [Luxemburg])

„Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom – Art. 6 – Arbeitsverträge – Zwingende Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer – Staat, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet – Arbeitnehmer, der seine Arbeit in mehreren Mitgliedstaaten verrichtet – Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens – Staat, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer einen wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber erfüllt – Erstes Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens von Rom“





Inhaltsverzeichnis


I – Einleitung

II – Rechtlicher Rahmen

A – Übereinkommen von Rom

B – Brüsseler Übereinkommen

C – Unionsrecht

1. Rom-I-Verordnung

2. Verordnung Nr. 44/2001

D – Nationales Recht

III – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

V – Vorbringen der Beteiligten

A – Zuständigkeit des Gerichtshofs

B – Vorlagefrage

VI – Würdigung durch die Generalanwältin

A – Einleitung

B – Zuständigkeit des Gerichtshofs

C – Die Frage, welche Rechtsgrundlage für die Staatshaftung in der vorliegenden Rechtssache besteht

D – Prüfung der Vorlagefrage

1. Das Übereinkommen von Rom und der Schutz des Arbeitnehmers als der schwächeren Partei

2. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens

3. Übertragbarkeit der Rechtsprechung zum Brüsseler Übereinkommen auf die Auslegung des Übereinkommens von Rom

a) Grammatikalische Auslegung

b) Historische Auslegung

c) Systematische Auslegung

d) Teleologische Auslegung

e) Grenzen der parallelen Auslegung

4. Vom nationalen Gericht zu berücksichtigende Kriterien

E – Ergebnis

VII – Entscheidungsvorschlag


I –    Einleitung

1.        Die vorliegende Rechtssache betrifft die Auslegung des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom (im Folgenden: Übereinkommen von Rom)(2). Dieses Übereinkommen wurde in dem Bestreben geschlossen, die Kollisionsnormen der Vertragsstaaten zu vereinheitlichen; dadurch wurde die Rechtssicherheit gestärkt und die Unsicherheit in Bezug auf das auf Vertragsverhältnisse anzuwendende Recht beseitigt. Das Übereinkommen von Rom wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I)(3) (im Folgenden: Rom-I-Verordnung)(4) ersetzt; diese Verordnung wird auf ab dem 17. Dezember 2009 geschlossene Verträge angewandt(5). Da in der vorliegenden Rechtssache der Arbeitsvertrag im Jahr 1998 geschlossen wurde, kommen darauf die Bestimmungen des Übereinkommens von Rom zur Anwendung.

2.        Der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) ist in der vorliegenden Rechtssache aufgerufen, eine Vorlagefrage zur Auslegung von Art. 6 des Übereinkommens von Rom im Zusammenhang mit dem auf Arbeitsverträge anzuwendenden Recht zu beantworten. Die vorliegende Rechtssache ist zwar nicht die erste Rechtssache, in der der Gerichtshof das Übereinkommen von Rom auslegen wird(6), jedoch die erste, in der Art. 6 dieses Übereinkommens hinsichtlich des auf Arbeitsverträge anzuwendenden Rechts ausgelegt werden wird(7). In diesem Rahmen wird der Gerichtshof vor allem prüfen müssen, ob die Rechtsprechung zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens, genauer gesagt, zur Auslegung des in dieser Bestimmung enthaltenen Begriffs „Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“ eine Inspirationsquelle bei der Auslegung von Art. 6 des Übereinkommens von Rom darstellen kann(8). Dabei wird er zum einen davon ausgehen müssen, dass in beiden Rechtsinstrumenten eine ähnliche Terminologie verwendet wird, zum anderen aber auch die Grenzen der parallelen Auslegung des Brüsseler Übereinkommens und des Übereinkommens von Rom zu respektieren haben.

3.        Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen H. Koelzsch, einem internationalen Berufskraftfahrer mit Wohnsitz in Deutschland, und dem Großherzogtum Luxemburg über einen Schadensersatzanspruch wegen vermeintlich falscher Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Rom durch luxemburgische Gerichte. H. Koelzsch trägt in dem Rechtsstreit vor, dass in der Frage der Kündigung seines Arbeitsvertrags deutsches und nicht luxemburgisches Recht anzuwenden sei, und beruft sich dabei auf im deutschen Recht vorhandene zwingende Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer. Da die luxemburgischen Arbeitsgerichte in dem Rechtsstreit luxemburgisches anstelle von deutschem Recht anwandten, erhob er gegen den Staat Luxemburg eine Schadensersatzklage wegen vermeintlich schlechten Funktionierens der luxemburgischen Justiz.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Übereinkommen von Rom

4.        Art. 3 („Freie Rechtswahl“) des Übereinkommens von Rom sieht vor:

„(1) Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen.

…“

5.        Art. 4 („Mangels Rechtswahl anzuwendendes Recht“) des Übereinkommens von Rom bestimmt:

„(1) Soweit das auf den Vertrag anzuwendende Recht nicht nach Artikel 3 vereinbart worden ist, unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Lässt sich jedoch ein Teil des Vertrages von dem Rest des Vertrages trennen und weist dieser Teil eine engere Verbindung mit einem anderen Staat auf, so kann auf ihn ausnahmsweise das Recht dieses anderen Staates angewendet werden.

…“

6.        Art. 6 („Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse von Einzelpersonen“) des Übereinkommens von Rom bestimmt:

„(1) Ungeachtet des Artikels 3 darf in individuellen Arbeitsverträgen die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach diesem Artikel mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre.

(2) Abweichend von Artikel 4 sind mangels einer Rechtswahl nach Artikel 3 auf Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse anzuwenden:

a) das Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist, oder

b) das Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, sofern dieser seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet,

es sei denn, dass sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist; in diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.“

7.        Das Erste Protokoll betreffend die Auslegung des am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften(9) (im Folgenden: Erstes Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens von Rom) bestimmt in Art. 1:

„Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entscheidet über die Auslegung

a) des am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, …

b) der Übereinkommen über den Beitritt der Staaten zu dem Übereinkommen von Rom, die nach dem Tag Mitglieder der Europäischen Gemeinschaften geworden sind, an dem es zur Unterzeichnung aufgelegt wurde,

…“

8.        Art. 2 des Ersten Protokolls über die Auslegung des Übereinkommens von Rom sieht vor:

„Folgende Gerichte können eine Frage, die bei ihnen in einem schwebenden Verfahren aufgeworfen wird und sich auf die Auslegung von Regelungen bezieht, die in den in Artikel 1 genannten Übereinkünften enthalten sind, dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegen, wenn sie eine Entscheidung darüber zum Erlass ihres Urteils für erforderlich halten:

(b) die Gerichte der Vertragsstaaten, sofern sie als Rechtsmittelinstanz entscheiden.“

B –    Brüsseler Übereinkommen

9.        Das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen)(10) sieht in Art. 5 vor:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden:

1. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre; wenn ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet; verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat, so kann der Arbeitgeber auch vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, in dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet bzw. befand“(11).

C –    Unionsrecht(12)

1.      Rom-I-Verordnung

10.      Im siebten Erwägungsgrund der Rom-I-Verordnung heißt es:

„Der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser Verordnung sollten mit der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (‚Brüssel I‘) … im Einklang stehen.“

11.      Art. 3 („Freie Rechtswahl“) der Rom-I-Verordnung bestimmt:

„(1) Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen.

…“

12.      Art. 8 („Individualarbeitsverträge“) der Rom-I-Verordnung bestimmt:

„(1) Individualarbeitsverträge unterliegen dem von den Parteien nach Artikel 3 gewählten Recht. Die Rechtswahl der Parteien darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach den Absätzen 2, 3 und 4 des vorliegenden Artikels mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.

(2) Soweit das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht nicht durch Rechtswahl bestimmt ist, unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Der Staat, in dem die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird, wechselt nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend in einem anderen Staat verrichtet.

(3) Kann das anzuwendende Recht nicht nach Absatz 2 bestimmt werden, so unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat.

(4) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine engere Verbindung zu einem anderen als dem in Absatz 2 oder 3 bezeichneten Staat aufweist, ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.“

2.      Verordnung Nr. 44/2001

13.      Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(13) (im Folgenden: Verordnung Nr. 44/2001) regelt die Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge in Abschnitt 5. Im Rahmen dieses Abschnitts sieht Art. 18 der Verordnung Nr. 44/2001 vor:

„(1) Bilden ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt.

…“

14.      Art. 19 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„Ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann verklagt werden:

1. vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat, oder

2. in einem anderen Mitgliedstaat

a) vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, oder

b) wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet bzw. befand.“

D –    Nationales Recht

15.      Das deutsche Kündigungsschutzgesetz (im Folgenden: KSchG) bestimmt in § 15 („Unzulässigkeit der Kündigung“):

„(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats … ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats … innerhalb eines Jahres … unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

…“

III – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

16.      H. Koelzsch, wohnhaft in Osnabrück (Deutschland), wurde 1998 als internationaler Berufskraftfahrer bei der Aktiengesellschaft Gasa Spedition Luxembourg S.A. (im Folgenden: Gasa Spedition) mit Sitz in Luxemburg eingestellt. Zu diesem Zweck unterzeichneten H. Koelzsch und Gasa Spedition am 16. Oktober 1998 einen Arbeitsvertrag, in dem sie sich auf die ausschließliche Zuständigkeit der luxemburgischen Gerichte einigten. Zudem befand sich in diesem Vertrag eine Bestimmung, die auf das luxemburgische Arbeitsgesetz verwies(14).

17.      Gasa Spedition ist eine Tochtergesellschaft der dänischen Gesellschaft Gasa Odense Blomster A.m.b.a.. Unternehmensgegenstand ist die Beförderung von Blumen und anderen Pflanzen von Odense in Dänemark zu verschiedenen Orten vorwiegend in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Staaten. Die Beförderung erfolgt mit Lastkraftwagen, die an drei verschiedenen Orten in Deutschland (Kassel, Neukirchen/Vluyn, Osnabrück) stationiert sind. Die Lastkraftwagen sind in Luxemburg zugelassen und die Fahrer in Luxemburg sozialversichert.

18.      Gasa Spedition übernahm am 9. November 2001 die Gesellschaft dänischen Rechts Ove Ostergaard und benannte sie in „Ove Ostergaard Lux S.A.“ um.

19.      Der Direktor von Gasa Spedition kündigte H. Koelzsch mit Schreiben vom 13. März 2001 zum 15. Mai 2001. H. Koelzsch behauptete, ihm sei am 23. März 2001 mündlich fristlos gekündigt worden. Er machte geltend, er sei in Deutschland Ersatzmitglied des Betriebsrats von Gasa Spedition gewesen und die Kündigung habe nicht im Einklang mit zwingenden deutschen Kündigungsschutzvorschriften gestanden; nach diesen Bestimmungen hätten sowohl aktive Mitglieder als auch Ersatzmitglieder, die Aufgaben in diesem Organ erfüllt hätten, Anspruch auf Kündigungsschutz. Dabei berief er sich auf § 15 Abs. 1 KSchG, der die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern verbiete, und auf die Rechtsprechung des deutschen Bundesarbeitsgerichts, wonach dieses Kündigungsverbot auch für Ersatzmitglieder des Betriebsrats gelte(15).

20.      H. Koelzsch erhob beim Arbeitsgericht Osnabrück eine Klage, mit der er die Unrechtmäßigkeit der Kündigung geltend machte. Dieses Gericht erklärte sich für örtlich unzuständig. H. Koelzsch legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, die ebenfalls erfolglos blieb.

21.      Daraufhin erhob H. Koelzsch beim Tribunal de travail in Luxemburg eine Klage auf Schadensersatz wegen unrechtmäßiger Kündigung und auf Zahlung von rückständigem Lohn. Er trug vor, dass zwar auf den Arbeitsvertrag im Allgemeinen und auf seine Lohnansprüche luxemburgisches Recht anzuwenden sei, in der Frage der Kündigung aber deutsches Recht. Dieses Vorbringen begründete er mit dem Argument, dass er Ersatzmitglied des Betriebsrats gewesen sei, weshalb auf ihn § 15 Abs. 1 KSchG anzuwenden sei, der eine zwingende Bestimmung zum Schutz der Arbeitnehmer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens von Rom darstelle und dessen Anwendung daher nicht ausgeschlossen werden könne. Nach seiner Auffassung ist deswegen das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht nach Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom zu bestimmen.

22.      Das Tribunal de travail in Luxemburg entschied mit Urteil vom 4. März 2004, dass auf den gesamten Streitgegenstand luxemburgisches Recht anzuwenden sei, und wies das Klagebegehren als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurück. Dieses Urteil wurde von der Cour d’appel mit Urteil vom 26. Mai 2005 bestätigt; das Rechtsmittel gegen dieses Urteil wies die Cour de Cassation mit Urteil vom 15. Juni 2006 zurück.

23.      Daraufhin erhob H. Koelzsch beim Tribunal d’arrondissement in Luxemburg Klage gegen das Großherzogtum Luxemburg, mit der er die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 168 301,77 Euro zuzüglich gesetzlicher Zinsen wegen schlechten Funktionierens der Justiz nach dem luxemburgischen Gesetz vom 1. September 1988 über die Haftung des Staates und der öffentlich-rechtlichen Körperschaften (Loi du 1er septembre 1988 relative à la responsabilité civile de l’Etat et des collectivités publiques(16)) forderte. H. Koelzsch trug vor, er sei durch die Entscheidungen der luxemburgischen Gerichte geschädigt worden, da sie gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 des Übereinkommens von Rom verstoßen hätten, weil darin die zwingenden Bestimmungen des deutschen Rechts zum Schutz der Mitglieder des Betriebsrats nicht beachtet worden seien. Außerdem wurde nach Auffassung von H. Koelzsch das Unionsrecht verletzt, weil sein Antrag, dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen, zurückgewiesen worden sei. Das Tribunal d’arrondissement wies die Klage mit Urteil vom 9. November 2007 als unbegründet ab.

24.      H. Koelzsch legte gegen dieses Urteil bei der Cour d'appel (im Folgenden: vorlegendes Gericht) Berufung ein.

25.      Das vorlegende Gericht führt aus, dass das erstinstanzliche Gericht die Schadensersatzklage von H. Koelzsch als unzulässig hätte abweisen müssen, weil das Urteil, das im ersten Verfahren ergangen sei, in dem H. Koelzsch die Unrechtmäßigkeit der Kündigung geltend gemacht habe, rechtskräftig geworden sei. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ficht H. Koelzsch in dem Schadensersatzverfahren letztlich an, dass er bereits rechtskräftig im Verfahren vor den Arbeitsgerichten unterlegen sei. Das vorlegende Gericht betont jedoch, dass der Schadensersatzantrag von H. Koelzsch nicht als unzulässig angesehen werden könne, weil das Großherzogtum Luxemburg im Berufungsverfahren die Unzulässigkeit dieses Klageantrags nicht geltend gemacht habe und dessen Unzulässigkeit nicht von Amts wegen festgestellt werden könne. Da also das vorlegende Gericht als Berufungsgericht an die entsprechenden Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden sei, müsse es über die Klage entscheiden, weshalb es beschlossen habe, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen.

26.      Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht mit Entscheidung vom 15. Januar 2010 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof nach dem Ersten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens von Rom folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die in Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht bestimmte Kollisionsnorm, nach der auf Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, dahin auszulegen, dass, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in mehreren Staaten erbringt, aber regelmäßig in einen von diesen zurückkehrt, dieser Staat als derjenige anzusehen ist, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

27.      Die Vorlageentscheidung ist am 18. Januar 2010 beim Gerichtshof eingegangen. Im schriftlichen Verfahren haben H. Koelzsch, die luxemburgische Regierung, die griechische Regierung und die Kommission Erklärungen eingereicht. In der Sitzung vom 26. Oktober 2010 haben die Vertreter von H. Koelzsch, der luxemburgischen Regierung und der Kommission mündliche Ausführungen gemacht und Fragen des Gerichtshofs beantwortet.

V –    Vorbringen der Beteiligten

A –    Zuständigkeit des Gerichtshofs

28.      Die Frage der Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung der Vorlagefrage behandelt nur die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen. Nach ihrer Auffassung ist der Gerichtshof für die Entscheidung über die Vorlagefrage zuständig, weil das vorlegende Gericht in dem betreffenden Verfahren als Rechtsmittelinstanz im Sinne von Art. 2 Buchst. b des Ersten Protokolls über die Auslegung des Übereinkommens von Rom entscheide.

B –    Vorlagefrage

29.      H. Koelzsch trägt vor, nach Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom sei mangels einer Rechtswahl auf den Arbeitsvertrag das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte. Da der Begriff des Staates/Ortes, in dem bzw. an dem der Arbeitnehmer „gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“, im Übereinkommen von Rom und im Brüsseler Übereinkommen der gleiche sei, sei er im Übereinkommen von Rom genauso auszulegen, wie der Gerichtshof ihn in seiner Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens ausgelegt habe. Aus dieser Rechtsprechung gehe hervor, dass das Brüsseler Übereinkommen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit in mehr als einem Vertragsstaat verrichte, nicht so ausgelegt werden könne, dass die Gerichte in jedem Vertragsstaat, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichte, zuständig seien(17), sondern dahin auszulegen sei, dass das Gericht in dem Ort zuständig sei, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer tatsächlich den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber erfülle, bzw. das Gericht in dem Ort, den der Arbeitnehmer zum tatsächlichen Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit gemacht habe. Nach Ansicht von H. Koelzsch befindet sich beim internationalen Transport, wenn der Fahrer die überwiegende Zeit in einem Vertragsstaat verbringe, von dem aus er seine berufliche Tätigkeit organisiere und in den er regelmäßig zurückkehre, der tatsächliche Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit in diesem Vertragsstaat. Bei Anwendung dieser Kriterien liege der tatsächliche Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit in Deutschland.

30.      Nach Ansicht der luxemburgischen Regierung ist Art. 6 des Übereinkommens von Rom dahin auszulegen, dass die Rechtswahl der Parteien dem Arbeitnehmer nicht den Schutz entziehen dürfe, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt werde, das objektiv anzuwenden sei. Dieses Recht könne nach Art. 6 des Übereinkommens von Rom das Recht des Staates sein, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte (Art. 6 Abs. 2 Buchst. a), oder das Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befinde, die den Arbeitnehmer eingestellt habe (Art. 6 Abs. 2 Buchst. b). Die luxemburgische Regierung macht geltend, H. Koelzsch habe gewöhnlich seine Arbeit nicht in ein und demselben Staat verrichtet, weshalb das anzuwendende Recht nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. b des Übereinkommens von Rom zu bestimmen sei. Nach Auffassung der luxemburgischen Regierung ist daher auf den Arbeitsvertrag in der vorliegenden Rechtssache luxemburgisches Recht anzuwenden.

31.      Die griechische Regierung betont zum einen, dass das Übereinkommen von Rom unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Rom-I-Verordnung auszulegen sei, und zum anderen, dass bei der Auslegung von Art. 6 des Übereinkommens von Rom auch die Rechtsprechung zum Brüsseler Übereinkommen beachtet werden müsse. Darauf aufbauend trägt die griechische Regierung vor, Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom sei dahin auszulegen, dass, wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeit in mehreren Staaten verrichte, aber regelmäßig in einen davon zurückkehre, dieser Staat derjenige sein könne, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte, vorausgesetzt, dass dies gleichzeitig auch der Staat sei, den er zum tatsächlichen Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit gemacht habe. Diese Beurteilung hat nach Ansicht der griechischen Regierung das nationale Gericht vorzunehmen. Wenn es nicht möglich sei, den Ort zu bestimmen, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte, und wenn der Staat, in dem sich die Niederlassung befinde, die den Arbeitnehmer eingestellt habe (Art. 6 Abs. 2 Buchst. b des Übereinkommens von Rom), keine Verbindung zum Arbeitsvertrag aufweise, könne das nationale Gericht Art. 6 Abs. 2 letzten Unterabsatz des Übereinkommens von Rom anwenden, wonach auf den Vertrag das Recht des Staats anzuwenden sei, zu dem der Arbeitsvertrag engere Verbindungen aufweise.

32.      Nach Auffassung der Kommission sind die Begriffe des Übereinkommens von Rom, um ihre einheitliche Auslegung zu gewährleisten, autonom bzw. unabhängig von den Begriffen im Recht der verschiedenen Vertragsstaaten auszulegen. Außerdem müssten angesichts der engen Verbindung zwischen dem Übereinkommen von Rom einerseits und dem Brüsseler Übereinkommen sowie der Verordnung Nr. 44/2001 andererseits und angesichts des häufigen Gebrauchs gleicher Begriffe in diesen Rechtsinstrumenten so weit wie möglich ihre Kohärenz und einheitliche Auslegung gewährleistet werden. Dass Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens in dem Sinne geändert worden sei, dass darin eine besondere Zuständigkeitsregelung für Arbeitsverträge aufgenommen worden sei, sei eine Folge der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung dieser Bestimmung gewesen, in der der Gerichtshof u. a. auch die in Art. 6 des Übereinkommens von Rom enthaltenen Arbeitnehmerschutzbestimmungen herangezogen habe.

33.      Im Zusammenhang mit dem Begriff „Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“ führt die Kommission aus, der Gerichtshof habe im Urteil Mulox(18) und in zwei späteren Urteilen (Rutten(19) und Weber(20)) zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens entschieden, dass im Fall eines Arbeitnehmers, der die Arbeit im Hoheitsgebiet mehrerer Vertragsstaaten verrichte, als Erfüllungsort für die vertragliche Verpflichtung der Ort anzusehen sei, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine Pflichten gegenüber seinem Arbeitgeber hauptsächlich erfülle. Daher sei Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom so auszulegen, dass im Fall eines Arbeitnehmers, der die Arbeit in mehreren Vertragsstaaten verrichte, der Ort, an dem er im Sinne dieser Bestimmung gewöhnlich seine Arbeit verrichte, jener Ort sei, den er zum tatsächlichen Mittelpunkt seiner Tätigkeit gemacht habe. Zur Bestimmung dieses Ortes sei vor allem der Umstand zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer den Großteil der Arbeitszeit in ein und demselben Staat verbringe, in dem die für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit verwendeten Fahrzeuge stationiert seien, von dem aus die Fahrerwechsel organisiert würden und in den er nach jeder beruflichen Auslandsfahrt zurückkehre.

VI – Würdigung durch die Generalanwältin

A –    Einleitung

34.      Vorausgeschickt sei, dass das Übereinkommen von Rom, wie sich aus seiner Präambel ergibt, geschlossen wurde, um auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts die Rechtsvereinheitlichung fortzusetzen, die mit dem Brüsseler Übereinkommen begonnen hatte(21). Außerdem lässt sich der Präambel des Übereinkommens von Rom entnehmen, dass sein Ziel darin besteht, unabhängig davon, wo das Urteil erlassen werden soll, einheitliche Normen für die Bestimmung des auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts zu schaffen(22). Wie aus dem Giuliano/Lagarde-Bericht über das Übereinkommen von Rom(23) hervorgeht, wurde dieses Übereinkommen zu dem Zweck geschlossen, die Schwierigkeiten zu beseitigen, die sich aus der Unterschiedlichkeit der Kollisionsnormen im Bereich des Vertragsrechts ergeben, und die Rechtssicherheit sowie den Schutz erworbener Rechte im Bereich des Privatrechts zu stärken(24).

35.      In der vorliegenden Rechtssache stellt sich erstmals in der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Frage, wie Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom auszulegen ist. Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom bestimmt das mangels einer Rechtswahl der Parteien auf Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse anzuwendende Recht; diese Bestimmung kann aber auch dann angewandt werden, wenn – wie hier – die Rechtswahl dazu führen würde, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre (Art. 6 Abs. 1). Im Rahmen von Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom besteht die Grundregel in der Anwendung des Rechts des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (Buchst. a), subsidiär wird das Recht des Staates angewandt, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, sofern dieser seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet (Buchst. b). In Ausnahmefällen kann auch das Recht des Staates anzuwenden sein, zu dem der Arbeitsvertrag engere Verbindungen aufweist (Art. 6 Abs. 2 letzter Unterabsatz).

36.      Weiter ist darauf hinzuweisen, dass – wie die Kommission zu Recht betont – die Begriffe des Übereinkommens von Rom autonom und unabhängig von ihrer Definition im Recht der Vertragsstaaten auszulegen sind; dabei ist von der Systematik und dem Zweck des Übereinkommens auszugehen, um seine einheitliche Anwendung in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten. Den Grundsatz der autonomen Auslegung hat der Gerichtshof bereits mehrmals im Rahmen der Auslegung des Brüsseler Übereinkommens(25) und der Verordnung Nr. 44/2001(26) bestätigt, er gilt meines Erachtens aber auch für das Übereinkommen von Rom.

B –    Zuständigkeit des Gerichtshofs

37.      Im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Entscheidung über die Vorlagefrage ist der Kommission beizupflichten, nach deren Auffassung der Gerichtshof für die Entscheidung über diese Frage zuständig ist. Nach Art. 2 Buchst. b des Ersten Protokolls über die Auslegung des Übereinkommens von Rom, das seit 1. August 2004 in Kraft ist, können die Gerichte der Vertragsstaaten, sofern sie als Rechtsmittelinstanz entscheiden, dem Gerichtshof im Rahmen eines bei ihnen schwebenden Verfahrens eine Frage, die sich auf die Auslegung des Übereinkommens von Rom bezieht, zur Vorabentscheidung vorlegen. Da das vorlegende Gericht in dem betreffenden Verfahren als Rechtsmittelinstanz entscheidet, ist der Gerichtshof für die Beantwortung seiner Vorlagefrage zuständig.

C –    Die Frage, welche Rechtsgrundlage für die Staatshaftung in der vorliegenden Rechtssache besteht

38.      Zu beachten ist, dass einander im Ausgangsverfahren H. Koelzsch und das Großherzogtum Luxemburg gegenüberstehen. Es handelt sich also um die Klage eines Einzelnen gegen den Staat, mit der der Betreffende Schadensersatz wegen schlechten Funktionierens der nationalen Justiz fordert. Obwohl das vorlegende Gericht keine Frage zur Rechtsgrundlage für eine solche Haftung stellt, möchte ich einige kurze Erläuterungen dazu machen, um ein falsches Verständnis dieser Problematik zu verhindern.

39.      Das erstinstanzliche nationale Gericht hat sich hinsichtlich der Rechtsgrundlage für die Haftung der nationalen Gerichte für eine etwaige falsche Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Rom auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Köbler(27) berufen, in dem der Gerichtshof entschieden hat, dass der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten zum Ersatz von Schäden verpflichtet sind, die einem Einzelnen durch ihnen zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht (jetzt Unionsrecht) entstehen, auch dann anwendbar ist, wenn der fragliche Verstoß in einer Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts besteht, sofern die verletzte Gemeinschaftsrechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht(28). Das vorlegende Gericht ist aber abweichend vom erstinstanzlichen Gericht der Auffassung, die Rechtsprechung des Urteils Köbler könne nicht auf die vorliegende Rechtssache übertragen werden.

40.      Es ist zu betonen, dass das Urteil Köbler in der vorliegenden Rechtssache aus zwei Gründen nicht herangezogen werden kann.

41.      Erstens ist das Übereinkommen von Rom nicht Teil des Unionsrechts, sondern ein völkerrechtlicher Vertrag, den die Vertragsstaaten geschlossen haben(29). Daher können meines Erachtens die Grundsätze, die der Gerichtshof im Urteil Köbler aufgestellt hat, in der vorliegenden Rechtssache nicht angewandt werden, da sie der Gerichtshof im Rahmen des Unionsrechts aufgestellt hat.

42.      Zweitens beruht die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Auslegung der Bestimmungen des Übereinkommens von Rom nicht auf dem in Art. 267 AEUV geregelten System der Vorabentscheidungsersuchen, sondern die Vertragsparteien haben sich unabhängig davon und mit besonderen, dem Übereinkommen von Rom beigefügten Protokollen darauf geeinigt(30). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die nationalen Gerichte nach dem Ersten Protokoll über die Auslegung des Übereinkommens von Rom zwar die Möglichkeit haben, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, nicht aber auch die Pflicht. Art. 2 dieses Protokolls sieht nämlich vor, dass die in diesem Artikel angeführten Gerichte den Gerichtshof um Vorabentscheidung ersuchen „können“(31). Das im Rahmen des Übereinkommens von Rom vorgesehene System der Vorabentscheidungsersuchen unterscheidet sich also wesentlich von dem System, das nach Art. 267 AEUV im Rahmen des Unionsrechts gilt.

43.      Daher verlangt meines Erachtens das Unionsrecht von den Vertragsstaaten des Übereinkommens von Rom nicht, dem Einzelnen Schäden zu ersetzen, die durch Verstöße gegen dieses Übereinkommen entstanden sind. Natürlich hindert das die Vertragsstaaten des Übereinkommens nicht daran, eine solche Haftung der Gerichte in ihren nationalen Rechtsvorschriften zu regeln, wie dies etwa Luxemburg mit dem Gesetz vom 1. September 1988 über die Haftung des Staates und der öffentlich-rechtlichen Körperschaften(32) getan hat.

D –    Prüfung der Vorlagefrage

44.      Mit seinem Vorabentscheidungsersuchen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom dahin auszulegen ist, dass, wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeit in mehreren Staaten verrichtet, aber regelmäßig in einen von diesen zurückkehrt, dieser Staat als derjenige anzusehen sei, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.

45.      Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen zutreffend ausführt(33), ist diese Frage so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen möchte, ob auf Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom die Auslegung übertragen werden kann, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens vorgenommen hat(34). In dieser Rechtsprechung hat der Gerichtshof nämlich nicht nur den Ort berücksichtigt, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichtet, sondern auch den Ort, von dem aus er diese Arbeit verrichtet. Daher möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob auch im Rahmen des Übereinkommens von Rom für die Bestimmung des auf einen Arbeitsvertrag anzuwendenden Rechts der Umstand relevant sein kann, dass der Arbeitnehmer regelmäßig in einen bestimmten Staat zurückkehrt. In der Würdigung im Rahmen der vorliegenden Schlussanträge nehme ich den Standpunkt ein, dass diese Rechtsprechung auf die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom übertragbar ist, jedoch mit einer teilweisen Präzisierung der Auslegung, die das vorlegende Gericht vorschlägt.

46.      Bei der Auslegung des Begriffs „Staat, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“ in Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom werde ich in den vorliegenden Schlussanträgen eine schrittweise Prüfung vornehmen. Zunächst werde ich kurz das System vorstellen, das durch das Übereinkommen von Rom zum Schutz des Arbeitnehmers als der schwächeren Partei eingeführt wurde. Anschließend werde ich die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens darlegen und unter Anwendung der verschiedenen Auslegungsmethoden argumentieren, dass diese Rechtsprechung auf die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom übertragbar ist. Zuletzt werde ich die Kriterien behandeln, die das vorlegende Gericht bei der Beurteilung, in welchem Staat oder von welchem Staat aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, zu berücksichtigen hat.

1.      Das Übereinkommen von Rom und der Schutz des Arbeitnehmers als der schwächeren Partei

47.      Die Grundregel, die das Übereinkommen von Rom für die Bestimmung des auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts aufstellt, ist die Willensfreiheit der Parteien bei der Wahl des auf das Vertragsverhältnis anzuwendenden Rechts; dieser Grundsatz ist in Art. 3 des Übereinkommens von Rom festgelegt(35). Wenn die Parteien keine Rechtswahl treffen, bestimmt sich das anzuwendende Recht nach Art. 4 dieses Übereinkommens, das als grundlegendes Kriterium die Anwendung des Rechts des Staats vorsieht, zu dem der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist.

48.      Art. 6 des Übereinkommens von Rom, der das auf Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse anzuwendende Recht regelt, ist eine lex specialis im Verhältnis zu den Art. 3 und 4 dieses Übereinkommens. Zum einen dürfen die Parteien nicht durch eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag dem Arbeitnehmer den Schutz entziehen, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das mangels einer Rechtswahl anzuwenden gewesen wäre (Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens von Rom)(36). Zum anderen sind in Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens Sonderegeln vorgesehen, die mangels einer Rechtswahl anzuwenden sind: In diesem Fall ist das Recht des Staats anzuwenden, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, bzw. – wenn kein Staat feststellbar ist, in dem die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird – das Recht des Staats, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat. Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom enthält im letzten Unterabsatz zudem eine besondere Klausel, wonach keine dieser Bestimmungen anzuwenden ist, wenn der Arbeitsvertrag engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist – in diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden(37).

49.      Weiter ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung – allerdings zum Brüsseler Übereinkommen – festgestellt hat, dass sich Arbeitsverträge von anderen Verträgen, auch von Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen, dadurch unterscheiden, dass sie eine dauerhafte Beziehung begründen, durch die der Arbeitnehmer in einer bestimmten Weise in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert wird; der Arbeitnehmer hat einen Bezug zu dem Ort, an dem die Tätigkeiten verrichtet werden(38). Außerdem hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass bei der Auslegung der entsprechenden Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens die Zielsetzung zu berücksichtigen ist, dem Arbeitnehmer als der schwächeren Partei einen angemessenen Schutz zu gewährleisten(39). Diese allgemeinen Feststellungen zu Arbeitsverträgen sind meines Erachtens auch bei der Auslegung der Bestimmungen des Übereinkommens von Rom relevant.

50.      Der Zweck von Art. 6 des Übereinkommens von Rom besteht also im Schutz des Arbeitnehmers, der die sozial und wirtschaftlich schwächere Partei ist(40). Dieser Schutz wird dadurch erreicht, dass auf den Vertrag das Recht des Staates anzuwenden ist, zu dem der Arbeitsvertrag die engsten Verbindungen aufweist. In der Lehre wird darauf hingewiesen, dass Arbeitnehmer aufgrund der Arbeit in einem bestimmten Staat dem Einfluss des geschäftlichen und politischen Umfelds in diesem Staat ausgesetzt sind und dass ihnen daher der Schutz gewährleistet werden muss, den der Gesetzgeber in diesem Staat – unter Berücksichtigung dieses Umfelds – geschaffen hat(41). Das Übereinkommen von Rom folgt also in dieser Hinsicht eindeutig dem Grundsatz des favor laboratoris. Daher ist es sinnvoll, Buchst. a von Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom weit auszulegen, um dadurch besser das Ziel des Schutzes des Arbeitnehmers als der schwächeren Partei zu erreichen.

2.      Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens

51.      Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens bereits mehrmals über Fälle entschieden, in denen ein Arbeitnehmer seine Arbeit in mehr als einem Vertragsstaat verrichtet hat. Die Entwicklung dieser Rechtsprechung und damit auch der Kriterien für die Bestimmung des Orts, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, ist schrittweise erfolgt; im Folgenden wird die Rechtsprechung zur Auslegung dieser Bestimmung dargelegt(42).

52.      Zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bei der Auslegung dieser Vorschrift im Zusammenhang mit Arbeitsverträgen von seiner früheren Rechtsprechung in den Urteilen De Bloos und Tessili zur allgemeinen Bestimmung der Zuständigkeit für Verträge abgewichen ist(43). Der Gerichtshof hat Arbeitsverträge von anderen Verträgen unterschieden und im Bestreben nach einem stärkeren Schutz der Arbeitnehmer im Urteil Ivenel entschieden, dass für die Bestimmung der Zuständigkeit im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens diejenige Verpflichtung als maßgeblich anzusehen ist, die für diesen Vertrag charakteristisch ist(44), also die Pflicht zur Verrichtung der Arbeit.

53.      Über den Fall eines Arbeitnehmers, der seine Arbeit in mehr als einem Vertragsstaat verrichtet, hat der Gerichtshof zum ersten Mal im Jahr 1993 im Urteil Mulox entschieden(45). In diesem Urteil hat er entschieden, dass Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass als Ort, an dem die für den Vertrag charakteristische Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, bei einem Arbeitsvertrag, zu dessen Erfüllung der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehr als einem Vertragsstaat ausübt, der Ort anzusehen ist, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber hauptsächlich erfüllt(46).

54.      Im Jahr 1997 hat der Gerichtshof im Urteil Rutten die Auffassung vertreten, dass sich Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens auf den Ort bezieht, den der Arbeitnehmer zum tatsächlichen Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit gemacht hat(47). In der Begründung hat er außerdem darauf hingewiesen, dass es sich um den Ort handelt, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil der Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt(48).

55.      Im Urteil Weber aus dem Jahr 2002 hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass der Ort, an dem der Arbeitnehmer im Sinne dieser Bestimmung gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, der Ort ist, an dem oder von dem aus er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt(49). Er hat außerdem darauf hingewiesen, dass im Fall eines Arbeitnehmers, der seine Tätigkeit in mehreren Vertragsstaaten ausübt, grundsätzlich die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses für die Bestimmung des Ortes, an dem der Betroffene im Sinne der genannten Vorschrift gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat, zu berücksichtigen ist und dass dies mangels anderer Kriterien der Ort ist, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeitszeit geleistet hat(50).

56.      Zu erwähnen ist noch die Rechtssache Pugliese, die sich ebenfalls auf Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens bezog, von den Rechtssachen Mulox, Rutten und Weber aber dadurch unterschied, dass die Arbeitnehmerin ihre Arbeit nur in einem Vertragsstaat verrichtete, in dem ihr die Versetzung zu einem anderen Arbeitgeber bewilligt wurde; dabei handelte es sich jedoch nicht um den Ort, der in dem Arbeitsvertrag festgelegt worden war, den sie mit dem ersten Arbeitgeber geschlossen hatte(51). In Bezug auf den Rechtsstreit zwischen dem Arbeitnehmer und dem ersten Arbeitgeber hat der Gerichtshof entschieden, dass der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber einem zweiten Arbeitgeber erfüllt hat, als der Ort angesehen werden kann, an dem er gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat, wenn der erste Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Abschlusses des zweiten Vertrags selbst ein Interesse an der Erfüllung der vom Arbeitnehmer für den zweiten Arbeitgeber an einem von diesem bestimmten Ort zu erbringenden Leistung hatte(52).

57.      Obwohl in dieser Rechtsprechung teilweise unterschiedliche Begriffe und Kriterien für die Bestimmung des Orts, an dem der Arbeitnehmer im Sinne von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, verwendet werden, können wir meines Erachtens festhalten, dass das auf den Ort abzustellen ist, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt, und dass dieser Ort unter Berücksichtigung der Umstände jedes Einzelfalls zu bestimmen ist.

3.      Übertragbarkeit der Rechtsprechung zum Brüsseler Übereinkommen auf die Auslegung des Übereinkommens von Rom

58.      In der vorliegenden Rechtssache stellt sich die Frage, ob die Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens, die der Gerichtshof in den Urteilen Mulox, Rutten, Weber und Pugliese vorgenommen hat, im Wege der Analogie auf Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom übertragen werden kann. Meines Erachtens ist diese Frage zu bejahen, und auch in der Lehre wird eine Übertragung dieser Rechtsprechung befürwortet(53). Ob diese Rechtsprechung auf das Übereinkommen von Rom übertragbar ist, prüfe ich im Folgenden anhand mehrerer Auslegungsmethoden, und zwar der grammatikalischen, der historischen, der systematischen und der teleologischen Auslegung. Zuletzt mache ich noch auf die Grenzen der parallelen Auslegung des Brüsseler Übereinkommens und des Übereinkommens von Rom aufmerksam.

a)      Grammatikalische Auslegung

59.      Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom bestimmt, dass mangels einer Rechtswahl Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse „das Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“, anzuwenden ist(54).

60.      Zwar kann bei alleiniger Betrachtung des Wortlauts dieser Bestimmung, in der die Wortkombination „in dem“ verwendet wird, nicht der Schluss gezogen werden, dass auch das Recht des Staates einschlägig sein kann, „von dem aus“ der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichtet. Trotzdem bin ich der Auffassung, dass drei Argumente für die Auslegung sprechen, dass auch der Staat zu berücksichtigen ist, „von dem aus“ der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichtet.

61.      Das erste Argument besteht in der Gleichartigkeit der auszulegenden Begriffe im Brüsseler Übereinkommen und im Übereinkommen von Rom. Sowohl in Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens als auch in Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom ist vom Ort bzw. Staat die Rede, an dem [bzw. in dem] der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, doch wird dieser Begriff nicht definiert(55). Der Gerichtshof hat daher im Fall des Brüsseler Übereinkommens – unabhängig vom Wortlaut, wonach es um den Ort geht, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet – auch die Berücksichtigung des Ortes zugelassen, von dem aus der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichtet.

62.      Zweitens ist zu berücksichtigen, dass auch der Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom bzw. die Tatsache, dass diese Bestimmung auf das Recht des Staates verweist, „in dem“ der Arbeitnehmer die Arbeit verrichtet, nicht einer Auslegung entgegensteht, wonach auch die Arbeit in dem Staat relevant ist, „von dem aus“ der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichtet. Der Arbeitnehmer kann nämlich seine Arbeit gewöhnlich genau in dem Staat verrichten, von dem aus er diese Arbeit verrichtet. Der Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom ist meines Erachtens in dieser Hinsicht semantisch offen.

63.      Drittens sei betont, dass allein die Tatsache, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit von einem bestimmten Vertragsstaat aus verrichtet, nicht genügt, damit auf die Rechtssache das Recht dieses Staats anzuwenden ist. Wenn wir analog die Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens heranziehen, können wir feststellen, dass der Gerichtshof in dieser Rechtsprechung verlangt hat, dass der Arbeitnehmer in einem bestimmten Vertragsstaat oder von einem bestimmten Vertragsstaat aus tatsächlich den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber erfüllen muss(56). Grundlegendes Kriterium war also nach dieser Rechtsprechung der tatsächliche Mittelpunkt der vom Arbeitnehmer ausgeübten beruflichen Tätigkeit. Wenn der Arbeitnehmer z. B. nur regelmäßig in einen bestimmten Vertragsstaat zurückkehrte und den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen in einem anderen Staat erfüllte, könnte es sich bei dem ersteren Staat meines Erachtens nicht um den Staat handeln, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.

64.      Die grammatikalische Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom schließt deshalb meines Erachtens nicht aus, dass für die Bestimmung des auf den Arbeitsvertrag anzuwendenden Rechts das Recht des Staates herangezogen wird, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.

b)      Historische Auslegung

65.      Im Rahmen der historischen Auslegung ist vor allem der Giuliano/Lagarde-Bericht über das Übereinkommen von Rom(57) zu untersuchen, und zwar der Teil, in dem es um das Verhältnis zwischen den Buchst. a und b des Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom geht. In dem Bericht wird ausgeführt, dass Buchst. a dieses Artikels anzuwenden sei, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich in einem einzigen Staat verrichte, selbst wenn er sie vorübergehend in einem anderen Staat verrichte, während Buchst. b anzuwenden sei, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit gewöhnlich nicht in einem einzigen Staat verrichte(58).

66.      Auf der Grundlage dieses Berichts kann meines Erachtens nicht der Schluss gezogen werden, dass Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom so auszulegen ist, dass er auch den Fall erfasst, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich von einem bestimmten Vertragsstaat aus verrichtet, doch schließt der Bericht meines Erachtens eine solche Auslegung auch nicht aus. Dieser Bericht ist nämlich nicht verbindlich, sondern nur akademischer und analytischer Natur, da ihn eine Expertengruppe erstellt hat; er repräsentiert daher nicht den endgültigen gesetzgeberischen Willen der Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens(59).

67.      Es ist zu erwähnen, dass auch aus dem Cruz/Real/Jenard-Bericht über das Übereinkommen von San Sebastián(60), der zum Brüsseler Übereinkommen in der durch das Übereinkommen von San Sebastián geänderten Fassung(61) erstellt wurde, nicht hervorgeht, dass Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens dahin ausgelegt werden kann, dass für die Zuständigkeitsbestimmung im Zusammenhang mit Arbeitsverträgen auch der Ort relevant sein kann, von dem aus der Arbeitnehmer die Arbeit verrichtet(62). Das hat den Gerichtshof jedoch nicht daran gehindert, im Urteil Mulox – das nur einige Jahre nach der Erstellung des Berichts erging – anzuerkennen, dass auch der Ort relevant sein kann, von dem aus der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt(63).

68.      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Urteilen Mulox und Rutten sowie anderen Urteilen zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens zeigt also deutlich, dass der Gerichtshof zur Auslegung dieser Bestimmung einen anderen Standpunkt vertreten hat als die Experten in den angeführten Berichten. Daher ist meines Erachtens ein solches Ergebnis auch im Hinblick auf die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom möglich.

69.      Aus der historischen Auslegung lässt sich demnach nicht der Schluss ziehen, dass die Rechtsprechung zu Art. 5 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens auf die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom übertragbar ist, doch schließt meines Erachtens die historische Auslegung die Übertragung dieser Rechtsprechung nicht aus.

c)      Systematische Auslegung

70.      Die systematische Auslegung spricht für eine parallele Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom und Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens. Diese Auslegung umfasst zwei Aspekte. Zum einen ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass in der Vergangenheit der Wortlaut von Art. 6 des Übereinkommens von Rom die Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens beeinflusste, zum anderen ist auch der Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 der später erlassenen Rom-I-Verordnung zu beachten.

71.      Das Brüsseler Übereinkommen enthielt – im Gegensatz zum Übereinkommen von Rom – bei seinem Erlass und auch nach den Änderungen in den Jahren 1978(64) und 1982(65) noch keine Sondervorschriften für die Zuständigkeit bei Arbeitsverträgen, sondern sah nur vor, dass, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die vertragliche Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, Klage erhoben werden kann.

72.      In diesem Zeitraum hat der Gerichtshof die Rechtssache Ivenel(66) entschieden, in der er über die Frage zu befinden hatte, auf welche Verpflichtung für die Anwendung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens abzustellen ist, wenn es um einen Arbeitsvertrag geht. Bei der Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens hat sich der Gerichtshof im Urteil Ivenel auf Art. 6 des Übereinkommens von Rom berufen. Er hat darauf hingewiesen, dass nach diesem Artikel des Übereinkommens von Rom auf Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, es sei denn, dass sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist(67). Angesichts dessen hat er entschieden, dass im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens diejenige Verpflichtung als maßgeblich anzusehen ist, die für diesen Vertrag charakteristisch ist(68), und ist damit für Arbeitsverträge von der früheren Rechtsprechung zur Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten aus Verträgen abgewichen(69).

73.      Diese Rechtsprechung und mittelbar natürlich auch der Wortlaut von Art. 6 des Übereinkommens von Rom hatten Einfluss darauf, dass später, im Jahr 1989, mit dem Übereinkommen von San Sebastián(70) Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens so geändert wurde, dass er für Arbeitsverträge eine besondere Zuständigkeit vorsah. Damit wurde auch in das Brüsseler Übereinkommen eine besondere Zuständigkeitsregelung für Arbeitsverträge aufgenommen(71).

74.      Im Rahmen der systematischen Auslegung ist noch ein weiterer Grund zu erwähnen, der für die Übertragung der Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens auf die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom spricht, und zwar die Tatsache, dass der Unionsgesetzgeber diese Rechtsprechung im Verfahren zum Erlass der Rom-I-Verordnung berücksichtigt hat, die an die Stelle des Übereinkommens von Rom trat. Nach Art. 8 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung unterliegt nämlich, soweit das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht nicht durch Rechtswahl bestimmt ist, der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet(72).

75.      Diese legislative Änderung ist meines Erachtens unter zwei Gesichtspunkten wichtig.

76.      Zum einen ist sie wichtig, weil sie klar zeigt, dass der Gesetzgeber der angeführten Bestimmung dieses Rechtsinstruments des internationalen Privatrechts den gleichen Bedeutungsgehalt geben wollte, wie ihn – nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs – der Begriff „Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“ in Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens hat(73). Art. 8 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung hat zwar einen anderen Wortlaut als Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom und auch Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens, es handelt sich jedoch nur um eine klarere Formulierung bzw. eine Kodifizierung der ständigen Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens(74).

77.               Zum anderen ist diese legislative Änderung wichtig, weil sie zeigt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Rom-I-Verordnung weit auszulegen und das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht nach Möglichkeit nach dieser Vorschrift zu bestimmen ist(75). Art. 8 Abs. 2 Buchst. b soll nach Auffassung des Unionsgesetzgebers seltener zur Anwendung gelangen(76). Maßgeblich ist also der Mittelpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers, auch wenn er seine Tätigkeit von dort aus nur organisiert(77).

78.      Ziel der Kodifizierung der Kollisionsnormen in der Rom-I-Verordnung war es, das Übereinkommen von Rom zu ersetzen(78) und gleichzeitig auch eine grundsätzliche Kontinuität mit diesem Übereinkommen zu gewährleisten(79). Daher ist es sinnvoll, die Bestimmungen des Übereinkommens von Rom so auszulegen, dass die Gewährleistung dieser Kontinuität ermöglicht wird und begonnen werden kann, die Rom-I-Verordnung ohne größere Auslegungsänderungen anzuwenden.

79.      Die systematische Auslegung spricht meines Erachtens daher für die Übertragung der Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens auf die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom.

d)      Teleologische Auslegung

80.      Ein Grund, der vom teleologischen Standpunkt aus für die Übertragung der Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens auf die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom spricht, ist das Bestreben nach einem Gleichlauf von forum und ius, also danach, dass das für die Entscheidung der Rechtssache zuständige Gericht das Recht seines Staates anwendet(80). Unter idealen Umständen soll nach den Zuständigkeitsregeln das Gericht in jenem Staat zuständig sein, dessen Recht nach den Regeln des internationalen Privatrechts anzuwenden ist. Auf diese Weise wendet dieses Gericht das Recht an, das es am besten kennt, womit die Wahrscheinlichkeit einer falschen Anwendung (fremden) Rechts sinkt und zugleich die zeitaufwendige und oft auch finanziell aufwendige Feststellung fremden Rechts vermieden wird.

81.      Eine einheitliche Auslegung der Begriffe des Staates bzw. Ortes, in bzw. an dem der Arbeitnehmer „gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“, in Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom und Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens kann somit zum Gleichlauf von forum und ius beitragen, da auf der Grundlage einer solchen einheitlichen Auslegung für Rechtsstreitigkeiten aus Arbeitsverträgen in der Regel das Gericht in dem Ort zuständig ist, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, und dieses Gericht zugleich auch sein Recht (lex loci laboris(81)) anwenden wird. Daher bin ich der Auffassung, dass diese Begriffe im Brüsseler Übereinkommen und im Übereinkommen von Rom einheitlich auszulegen sind.

e)      Grenzen der parallelen Auslegung

82.      Ungeachtet dessen möchte ich allgemein darauf hinweisen, dass bei der parallelen Auslegung gleicher oder ähnlicher Begriffe in Kollisionsnormen und Normen zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit Vorsicht geboten ist, da beide Normenkomplexe unterschiedliche Ziele verfolgen(82). Während der Zweck von Kollisionsnormen in der Bestimmung des auf die vertragliche Verpflichtung (im vorliegenden Fall auf den Arbeitsvertrag) anzuwendenden Rechts besteht, liegt der Zweck der Normen für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit in der Bestimmung des zuständigen Gerichts. Kollisionsnormen (dazu gehört das Übereinkommen von Rom) führen daher in der Regel zur Bestimmung des Rechts eines einzigen Staates, während der Kläger nach den Regeln über die Bestimmung des international zuständigen Gerichts – zumindest in einigen Fällen – auch die Möglichkeit einer Wahl des Forums für seine Klage haben kann(83).

83.      Daher möchte ich betonen, dass ich in der vorliegenden Rechtssache nicht für eine allgemeine vereinheitlichte Auslegung aller gleichen oder vergleichbaren Begriffe im Übereinkommen von Rom und im Brüsseler Übereinkommen eintrete. Meines Erachtens ist es wichtig, vor allem darauf hinzuweisen, dass nicht von einer allgemeinen Vermutung ausgegangen werden kann, alle gleichen oder vergleichbaren Begriffe müssten einheitlich ausgelegt werden, sondern dass die Frage, ob eine einheitliche Auslegung zu erfolgen hat, immer auf den Einzelfall bezogen zu prüfen ist(84). Zudem ist anzumerken, dass manchmal sogar Begriffe desselben Bereichs nicht einheitlich ausgelegt werden können. So hat der Gerichtshof z. B. im Urteil C(85) zur Auslegung der Verordnung Nr. 2201/2003(86) entschieden, dass der Begriff „Zivilsache“ in dieser Verordnung autonom auszulegen ist, und sich dabei weder auf die Definition dieses Begriffs im Brüsseler Übereinkommen noch auf die in der Verordnung Nr. 44/2001 gestützt. Allerdings ist in Bereichen, in denen die Vorschriften der Rechtsinstrumente beider Bereiche denselben Schutzzweck (z. B. den Schutz der Arbeitnehmer oder der Verbraucher) verfolgen, eine einheitliche Auslegung der Begriffe näherliegend(87).

4.      Vom nationalen Gericht zu berücksichtigende Kriterien

84.      Das Kriterium des Staates, in dem bzw. von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, hängt also von den Umständen jedes Einzelfalls ab.

85.      In der vorliegenden Rechtssache muss das nationale Gericht daher beurteilen, in welchem bzw. von welchem Vertragsstaat aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Im Vorabentscheidungsverfahren, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, muss nämlich das nationale Gericht jegliche Würdigung des Sachverhalts selbst vornehmen(88). Auch in seiner Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, festzustellen, an welchem Ort bzw. in welchem Staat der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet(89). Der Gerichtshof kann dem nationalen Gericht jedoch klare Kriterien an die Hand geben, anhand deren es entscheiden kann.

86.      Wir können feststellen, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens unterschiedliche Kriterien zur Beurteilung der Frage herangezogen hat, ob der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich in einem bestimmten Vertragsstaat verrichtet, wobei es natürlich auf den der jeweiligen Rechtssache zugrunde liegenden Sachverhalt ankam.

87.      So verrichtete der Arbeitnehmer in der Rechtssache Mulox die Arbeit eines Direktors für internationales Marketing. Sein Büro hatte er in Frankreich (Aix-les-Bains), und zunächst verkaufte er Produkte in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und in den skandinavischen Staaten, später arbeitete er jedoch nur noch in Frankreich(90). Der Gerichtshof hat in diesem Urteil für die Bestimmung des Ortes, an dem der Arbeitnehmer im Sinne von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens gewöhnlich seine Arbeit verrichtete, die Tatsache berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer ein Büro in einem Vertragsstaat und in diesem Staat seinen Wohnsitz hatte, von dort aus seine Arbeit verrichtete, dorthin nach getaner Arbeit zurückkehrte und zum Zeitpunkt des Entstehens des Rechtsstreits seine Arbeit nur in diesem Staat verrichtete(91).

88.      In der Rechtssache Rutten lebte der Arbeitnehmer in den Niederlanden und war bei einer niederländischen Tochtergesellschaft eines englischen Unternehmens beschäftigt(92). Zu zwei Dritteln seiner Arbeitszeit übte er seine Tätigkeit in den Niederlanden aus, wo er auch ein Büro hatte, zu einem Drittel im Vereinigten Königreich, in Belgien, in Deutschland und in den USA(93). Der Gerichtshof hat in dieser Rechtssache berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit zu zwei Dritteln in einem Vertragsstaat ausübte und in diesem Staat ein Büro hatte, von dem aus er die Arbeit für seinen Arbeitgeber organisierte und wohin er nach jeder Geschäftsreise zurückkehrte(94).

89.      Das Urteil Weber betraf einen Arbeitnehmer, der mehrere Jahre als Koch auf Schiffen und auf Einrichtungen am Festlandsockel arbeitete, einige Monate aber auch auf einem in den dänischen Hoheitsgewässern eingesetzten Kranschiff(95). In diesem Urteil hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass der Arbeitnehmer – anders als die Arbeitnehmer in den Rechtssachen Mulox und Rutten – nicht über ein Büro in einem Vertragsstaat verfügte, das den tatsächlichen Mittelpunkt seiner Tätigkeit gebildet und von dem aus er seine Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber hauptsächlich erfüllt hätte(96). Daher hat der Gerichtshof das zeitliche Kriterium als ausschlaggebend angesehen und auf den Staat abgestellt, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeitszeit verbracht hat(97).

90.      Das Urteil Pugliese betraf eine italienische Staatsangehörige, die in einer italienischen Gesellschaft beschäftigt war, der jedoch eine Versetzung an einen Arbeitsplatz in einer Gesellschaft mit Sitz in Deutschland bewilligt wurde, mit der sie ebenfalls einen Arbeitsvertrag schloss(98). Der Gerichtshof hatte also vor dem Hintergrund zu entscheiden, dass die Arbeitnehmerin nacheinander zwei Arbeitsverträge mit zwei verschiedenen Arbeitgebern schloss, wobei der erste Arbeitgeber über den Vertragschluss mit dem zweiten Arbeitgeber informiert war und der Aussetzung des ersten Arbeitsvertrags zugestimmt hatte(99). Es stellte sich die Frage, in welchem Staat die Arbeitnehmerin – für die Zwecke der Bestimmung des Gerichts, das für die Entscheidung des Rechtsstreits zwischen der Arbeitnehmerin und dem ersten Arbeitgeber zuständig war – gewöhnlich ihre Arbeit verrichtete. Der Gerichtshof war der Auffassung, dass der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber einem zweiten Arbeitgeber erfüllt, als der Ort angesehen werden kann, an dem er gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, wenn der erste Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Abschlusses des zweiten Vertrags selbst ein Interesse an der Erfüllung der vom Arbeitnehmer für den zweiten Arbeitgeber an einem von diesem bestimmten Ort zu erbringenden Leistung hatte(100).

91.      Auch in der Literatur finden wir unterschiedliche Kriterien für die Feststellung, in welchem Staat bzw. an welchem Ort der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. So wird in der Literatur z. B. als Kriterium für die Unterscheidung zwischen gewöhnlicher und vorübergehender Verrichtung der Arbeit die Zeit angeführt, die der Arbeitnehmer für die Verrichtung der Arbeit in einem bestimmten Staat aufwendet, und die Bedeutung der betreffenden Tätigkeit genannt(101). Obwohl die Zeit ein relevantes Kriterium darstellt, soll sie aber nicht ausschlaggebend sein; wesentlich sei, dass der Arbeitnehmer einen bestimmten Staat zum Mittelpunkt seiner Tätigkeit gemacht habe(102). In der Literatur wird als relevantes Kriterium auch die Absicht der Vertragsparteien hervorgehoben(103). Es wird ferner darauf hingewiesen, dass festzustellen sei, ob der Kernbereich der Ausübung der Tätigkeit in einen anderen Vertragsstaat verlagert werden könne(104).

92.      Auch in der vorliegenden Rechtssache muss der Gerichtshof dem nationalen Gericht aufzeigen, welche Kriterien es bei der Beurteilung, in welchem Staat der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, heranziehen soll.

93.      Im Zusammenhang mit etwaigen relevanten Kriterien ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Art der Tätigkeit, die H. Koelzsch ausübt, sich von der Art der Tätigkeit unterscheidet, um die es in den bisher zu Art. 5 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens entschiedenen Rechtssachen ging, insbesondere aber von derjenigen in den Rechtssachen Mulox und Rutten. Vor allem ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Tätigkeit dergestalt ist, dass H. Koelzsch kein Büro braucht, und unter diesem Gesichtspunkt ist die vorliegende Rechtssache vergleichbar mit der Rechtssache Weber. In der vorliegenden Rechtssache handelt es sich nämlich um eine Transporttätigkeit: H. Koelzsch befördert Blumen und andere Pflanzen vom dänischen Ort Odense zu Orten in Deutschland und in anderen Staaten. Das nationale Gericht muss daher in der vorliegenden Rechtssache die Besonderheit der Transporttätigkeit berücksichtigen, und zwar sowohl im Hinblick auf die Art und Weise, in der die Tätigkeit ausgeübt wird, als auch im Hinblick auf die Art der Arbeitsmittel.

94.      Wie bereits oben erwähnt(105), genügt es für die Anwendbarkeit des Rechts eines bestimmten Vertragsstaats nicht, dass der Arbeitnehmer regelmäßig in diesen Vertragsstaat zurückkehrt, sondern er muss diesen Vertragsstaat auch zum tatsächlichen Mittelpunkt seiner Tätigkeit machen. Allein die Tatsache, dass der Arbeitnehmer regelmäßig in einen Vertragsstaat zurückkehrt, genügt also nicht für die Erfüllung des Kriteriums, dass er in diesem Staat gewöhnlich seine Arbeit verrichtet bzw. diesen Staat zum tatsächlichen Mittelpunkt seiner Tätigkeit macht.

95.      Die regelmäßige Rückkehr in einen Staat ist jedoch nicht das einzige Element, das in der vorliegenden Rechtssache von Relevanz sein kann. Das nationale Gericht muss bei der Bestimmung des Staates, in dem oder von dem aus H. Koelzsch gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, alle Einzelheiten und Umstände der vorliegenden Rechtssache berücksichtigen.

96.      So muss das nationale Gericht in der vorliegenden Rechtssache meines Erachtens vor allem die folgenden Einzelheiten berücksichtigen:

–        Es hat zu klären, in welchen Staaten H. Koelzsch die Transporttätigkeit ausübte und dazu genau die Unterlagen zu prüfen, in denen seine Transportfahrten festgehalten sind (Kørselsrapport);

–        bei der Bestimmung der Staaten, in denen H. Koelzsch die Transporttätigkeit ausgeübt hat, hat es zum einen zu berücksichtigen, in welchen Staaten H. Koelzsch Beförderungen ohne Endbestimmungsort durchführte (also diese Staaten nur durchquerte), und zum anderen, in welchen Staaten der Endbestimmungsort seiner Beförderungen lag; im Zusammenhang mit Letzterem ist zu prüfen, ob die Endbestimmungsorte großteils in einem Staat lagen oder gleichmäßig auf mehrere Staaten verteilt waren;

–        es hat zu prüfen, von wo aus H. Koelzsch seine Tätigkeit organisierte und wie die Organisation dieser Tätigkeit ablief;

–        im Rahmen der Organisation der Tätigkeit hat es festzustellen, wo sich die Arbeitsmittel befanden; in der vorliegenden Rechtssache ist also auch die Tatsache relevant, dass die Lastkraftwagen in Deutschland an drei sogenannten Wechselstandorten(106) – Kassel, Neukirchen/Vluyn, Osnabrück – stationiert waren und der Lastkraftwagen von H. Koelzsch in Osnabrück stationiert war;

–        im Rahmen der Organisation der Tätigkeit hat es u. a. zu berücksichtigen, dass die in Osnabrück wohnhaften Arbeitnehmer für die Zwecke der Beförderung dort den Fahrerwechsel durchführten;

–        im Rahmen der Organisation der Tätigkeit ist außerdem wichtig, dass festgestellt wird, wo H. Koelzsch die Anweisungen für die Durchführung von Transportfahrten erhielt;

–        in Bezug auf die Organisation der Tätigkeit hat das Gericht ferner zu berücksichtigen, dass H. Koelzsch seine Transportfahrten von Osnabrück aus antrat und nach Durchführung der Beförderung dorthin zurückkehrte.

97.      Das nationale Gericht muss bei der Bestimmung des Staates, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, folglich sowohl inhaltliche als auch zeitliche Kriterien berücksichtigen(107).

98.      Dabei ist darauf hinzuweisen, dass für die Bestimmung des Staates, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, nicht relevant ist, ob Gasa Spedition in Luxemburg über eine Infrastruktur oder nur über einen Briefkasten verfügte. Meines Erachtens ist ebenso unwichtig, ob H. Koelzsch die Anweisungen von der in Luxemburg ansässigen Gasa Spedition oder unmittelbar von der in Dänemark ansässigen Gasa Odense Blomster erhielt. Dies trägt nämlich in der vorliegenden Rechtssache nicht zur Feststellung bei, wo der Arbeitnehmer die Arbeit für seinen Arbeitgeber verrichtet hat.

E –    Ergebnis

99.      Die vorliegende Rechtssache ist von zentraler Bedeutung für die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom, da sie wegen des Erfordernisses eines hohen Arbeitnehmerschutzniveaus den Anwendungsbereich dieser Bestimmung so erweitert, dass für die Bestimmung des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit im Sinne dieser Vorschrift verrichtet, nicht nur der Staat relevant ist, in dem der Arbeitnehmer diese Arbeit tatsächlich verrichtet, sondern auch der Staat, von dem aus er die Arbeit verrichtet. Damit wird auf Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom analog die Auslegung übertragen, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens vorgenommen hat.

100. Aufgrund der Ausführungen in diesen Schlussanträgen ist daher meines Erachtens auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom dahin auszulegen ist, dass – wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeit in mehreren Vertragsstaaten verrichtet – der Staat, in dem der Arbeitnehmer im Sinne dieser Bestimmung in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, jener Staat ist, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des betreffenden Falles tatsächlich den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber erfüllt, und dass diese Beurteilung unter Berücksichtigung aller Einzelheiten des Sachverhalts vom nationalen Gericht vorzunehmen ist.

VII – Entscheidungsvorschlag

101. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage der Cour d’appel de Luxembourg wie folgt zu beantworten:

Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom, ist dahin auszulegen, dass – wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeit in mehreren Vertragsstaaten verrichtet – der Staat, in dem der Arbeitnehmer im Sinne dieser Bestimmung in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, jener Staat ist, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des betreffenden Falles tatsächlich den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber erfüllt. Diese Beurteilung ist unter Berücksichtigung aller Einzelheiten des Sachverhalts vom nationalen Gericht vorzunehmen.


1 – Originalsprache der Schlussanträge: Slowenisch. Verfahrenssprache: Französisch.


2 – ABl. L 266, S. 1.


3 – ABl. L 177, S. 6.


4 – In der Literatur betont z. B. Ferrari, F., „From Rome to Rome via Brussels: remarks on the law applicable to contractual obligations absent a choice by the parties“, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, Nr. 4/2009, dass Ziel dieses neuen Rechtsinstruments nicht gewesen sei, neue Regeln einzuführen, sondern, das bestehende Übereinkommen in eine Verordnung umzuwandeln. Vgl. z. B. auch Lagarde, P., Tenenbaum, A., „De la convention de Rome au règlement Rome I“, Revue critique de droit international privé, Nr. 4/2008, S. 727 ff.


5 – Vgl. Art. 28 der Rom-I-Verordnung.


6 – Das erste Urteil, in dem der Gerichtshof das Übereinkommen von Rom ausgelegt hat, ist das Urteil vom 6. Oktober 2009, ICF (C-133/08, Slg. 2009, I-9687), das die Auslegung von Art. 4 des Übereinkommens von Rom betraf, der die Regeln zur Bestimmung des mangels Rechtswahl anzuwendenden Rechts enthält.


7 – Es sei erwähnt, dass dem Gerichtshof am 29. Juli 2010 im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens auch eine Frage zur Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. b des Übereinkommens von Rom gestellt wurde; dabei handelt es sich um die Rechtssache C-384/10, Voogsgeerd (ABl. C 317, S. 14). Diese Rechtssache betrifft die Frage, wie der Begriff „Staat, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat“ in dieser Bestimmung auszulegen ist, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet. Der Gerichtshof hat die Rechtssache zum Zeitpunkt der Verlesung dieser Schlussanträge noch nicht entschieden.


8 – Vgl. Urteile vom 13. Juli 1993, Mulox (C-125/92, Slg. 1993, I‑4075), vom 9. Januar 1997, Rutten (C-383/95, Slg. 1997, I-57), vom 27. Februar 2002, Weber (C-37/00, Slg. 2002, I‑2013), und vom 10. April 2003, Pugliese (C‑437/00, Slg. 2003, I-3573).


9 – ABl. 1998, C 27, S. 47.


10 – Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32), geändert durch das Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und – geänderte Fassung – S. 77), das Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1), das Übereinkommen vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) sowie das Übereinkommen vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden (ABl. 1997, C 15, S. 1).


11 –      Es sei darauf hingewiesen, dass die ursprüngliche Fassung des Brüsseler Übereinkommens keine besonderen Zuständigkeitsbestimmungen für Arbeitsverträge enthielt; diese fanden darin erst 1989 durch das Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (sogenanntes Übereinkommen von San Sebastián, ABl. 1989, L 285, S. 1) Eingang.


12 – In den vorliegenden Schlussanträgen wird der Begriff „Unionsrecht“ als gemeinsamer Begriff für das Gemeinschaftsrecht und das Unionsrecht gebraucht. Bei der Angabe der Bestimmungen des Primärrechts werden diejenigen Bestimmungen angeführt, die in zeitlicher Hinsicht anwendbar sind.


13 – ABl. 2001, L 12, S. 1.


14 – Nach seinem Art. 2 ging der Arbeitsvertrag, sofern keine der Parteien vor Ablauf der Probezeit kündigte, gemäß dem Gesetz vom 24. Mai 1989 in einen unbefristeten Vertrag über. Es handelt sich um das luxemburgische Gesetz über den Arbeitsvertrag (Loi du 24 mai 1989 sur le contrat de travail, Mémorial A, 1989, S. 611).


15 – H. Koelzsch beruft sich auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. März 1988 (2 AZR 576/87).


16 – Mémorial A, 1988, S. 1000.


17 – Dabei beruft sich H. Koelzsch auf die Urteile Mulox (Randnrn. 21 bis 23), Rutten (Randnr. 18) und Weber (Randnr. 42) (jeweils in Fn. 8 angeführt).


18 – Vgl. Urteil Mulox (oben in Fn. 8 angeführt).


19 – Vgl. Urteil Rutten (oben in Fn. 8 angeführt).


20 – Vgl. Urteil Weber (oben in Fn. 8 angeführt).


21 – Vgl. Urteil ICF (oben in Fn. 6 angeführt, Randnr. 22).


22 – Vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache ICF (Urteil vom 6. Oktober 2009, C-133/08, Slg. 2009, I-9687, Nr. 35).


23 – Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht von M. Giuliano und P. Lagarde (ABl. 1980, C 282, S. 1, im Folgenden: Giuliano/Lagarde-Bericht über das Übereinkommen von Rom).


24 – Vgl. Urteil ICF (oben in Fn. 6 angeführt, Randnr. 23).


25 – Vgl. z. B. Urteile vom 21. Juni 1978, Bertrand (150/77, Slg. 1978, 1431, Randnrn. 14 bis 16), vom 19. Januar 1993, Shearson Lehman Hutton (C-89/91, Slg. 1993, I-139, Randnr. 13), vom 3. Juli 1997, Benincasa (C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Randnr. 12), vom 11. Juli 2002, Gabriel (C-96/00, Slg. 2002, I-6367, Randnr. 37), und vom 20. Januar 2005, Engler (C-27/02, Slg. 2005, I-481, Randnr. 33).


26 – Vgl. z. B. Urteile vom 13. Juli 2006, Reisch Montage (C-103/05, Slg. 2006, I‑6827, Randnr. 29), vom 2. Oktober 2008, Hassett und Doherty (C-372/07, Slg. 2008, I‑7403, Randnr. 17), und vom 23. April 2009, Draka NK Cables u. a. (C-167/08, Slg. 2009, I-3477, Randnr. 19).


27 – Urteil vom 30. September 2003 (C-224/01, Slg. 2003, I-10239).


28 – Vgl. Urteil Köbler (oben in Fn. 27 angeführt, Nr. 1 des Tenors).


29 – In der Literatur so z. B. Rigaux, F., „Quelques problèmes d'interprétation de la Convention de Rome“, L'européanisation du droit international privé (Série de publications de l'Académie de droit européen de Trèves, Vol. 8), 1996, S. 33.


30 – Vgl. oben in Fn. 9 angeführtes Erstes Protokoll betreffend die Auslegung des am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.


31 – In der Literatur weist darauf z. B. auch Plender, R., The European Contracts Convention. The Rome Convention on the Choice of Law for Contracts, Sweet & Maxwell, London 1991, S. 42, Randnr. 2.25, hin.


32 – Oben in Fn. 16 angeführt.


33 – Vgl. Randnr. 27 der schriftlichen Erklärungen der Kommission.


34 – Vgl. Urteile Mulox, Rutten, Weber und Pugliese (oben in Fn. 8 angeführt).


35 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache ICF (oben in Fn. 22 angeführt, Nr. 36).


36 – Ausführlicher zu den zwingenden Bestimmungen im Übereinkommen von Rom vgl. Wojewoda, M., „Mandatory rules in private international law: with special reference to the mandatory system under the Rome Convention on the law applicable to contractual obligations“, Maastricht journal of European and comparative law, Nr. 2/2000, S. 183 ff. Dieser Autor weist hinsichtlich der Bezugnahme auf zwingende Bestimmungen in Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens von Rom darauf hin (S. 201), dass das Verfahren zur Feststellung des Vorliegens solcher zwingender Bestimmungen ziemlich kompliziert ist: Das nationale Gericht muss zunächst feststellen, welches Recht auf den Arbeitsvertrag mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, sodann feststellen, ob dieses Recht zwingende Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer enthält, und schließlich jene Bestimmungen anwenden, die für den Arbeitnehmer günstiger sind als die Bestimmungen des Rechts, das von den Parteien gewählt wurde. Vgl. auch Fletcher, I. F., Conflict of Laws and European Community Law: With Special Reference to the Community Conventions on private international law, North-Holland, Amsterdam 1982, S. 168; Morse, R. C. G. J., „Consumer Contracts, Employment Contracts and the Rome Convention“, International and Comparative Law Quarterly, Nr. 1/1992, S. 14-16; Salvadori, M. M., „La protezione del contraente debole (consumatori e lavoratori) nella Convenzione di Roma“, in: Sacerdoti, G., M. Frigo (Hrsg.), La Convenzione di Roma sul diritto applicabile ai contratti internazionali, Giuffrè Editore, Mailand 1993, S. 62 f.


37 – Während die Rom-I-Verordnung eine vergleichbare Klausel in Art. 8 Abs. 4 enthält, ist dies weder bei Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens noch bei Art. 19 der Verordnung Nr. 44/2001 der Fall. In der Lehre z. B. Ofner, H., „Neuregelung des internationalen Vertragsrechts: Römisches Schuldvertragsübereinkommen“, Recht der Wirtschaft, Nr. 1/1999, S. 7, der darauf hinweist, dass Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom wegen dieser Klausel als Vermutung angelegt ist, die widerlegbar ist, wenn der Vertrag engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist.


38 – Vgl. Urteil vom 15. Januar 1987, Shenavai (266/85, Slg. 1987, 239, Randnr. 16).


39 – Vgl. oben in Fn. 8 angeführte Urteile Mulox (Randnr. 18), Rutten (Randnr. 22), Weber (Randnr. 40) und Pugliese (Randnr. 18). Vgl. ferner das in Fn. 44 angeführte Urteil Ivenel (Randnr. 14), in dem sich der Gerichtshof zur Begründung dieses Schutzzwecks im Rahmen der Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens auf Art. 6 des Übereinkommens von Rom berufen hat.


40 – Vgl. den oben in Fn. 23 angeführten Giuliano/Lagarde-Bericht über das Übereinkommen von Rom, Kommentar zu Art. 6 des Übereinkommens von Rom (Randnr. 1). In der Lehre vgl. z. B. Rudisch, B. in: Czernich, D., Heiss, H., EVÜ. Das Europäische. Schuldvertragsübereinkommen, Orac, Wien 1999, S. 155; Plender, R., Wilderspin, M., The European Contracts Convention. The Rome Convention on the Choice of Law for Contracts, Sweet & Maxwell, London 2001, S. 159, Randnr. 8-01; Clerici, R., „Quale favor per il lavoratore nel Regolamento Roma I?“, in: Venturini, G., Bariatti, S., Liber Fausto Pocar, Vol. 2, Giuffrè Editore, Mailand 2009, S. 216 f.; Knez, R., „Rimska konvencija o uporabi prava pri pogodbenih obligacijskih razmerjih in njen pomen za Republiko Slovenijo“, Pravnik, Nr. 1-3/1994, S. 52 f. Vgl. ferner zum Schutz des Arbeitnehmers als der schwächeren Partei in der Rom-I-Verordnung I, Lein, E., „The New Rome I / Rome II / Brussels I Synergy“, Yearbook of Private International Law, 2008, S. 187.


41 – Plender, R., Wilderspin, M., The European Private International Law of Obligations, Thomson Reuters, London 2009, S. 316, Randnr. 11-043.


42 – Zur Kommentierung dieser Rechtsprechung in der Lehre vgl. z. B. Pataut, É., „L'office du juge communautaire dans le contentieux international du travail“, in: Procès du travail, travail du procès, L.G.D.J., Paris 2008, S. 326 ff.; Gaudemet-Tallon, H., „Compétence et exécution des jugements en Europe: Règlement 44/2001, Conventions de Bruxelles (1968) et de Lugano (1988 et 2007)“, Librairie générale de droit et de jurisprudence, Paris 2010, S. 305 ff.


43 – Allgemeine Grundsätze für die Zuständigkeit für Vertragsverhältnissse hat der Gerichtshof in zwei Urteilen entwickelt, und zwar in den Urteilen vom 6. Oktober 1976, De Bloos (14/76, Slg. 1976, 1497) und Tessili (12/76, Slg. 1976, 1473). Im Urteil De Bloos (Randnr. 13) hat er entschieden, dass sich der Begriff „Verpflichtung“ in diesem Artikel auf jene vertragliche Verpflichtung bezieht, die Gegenstand der Klage des Klägers ist, also auf die streitige Verpflichtung, die Gegenstand des Verfahrens zwischen den Vertragsparteien ist, im Urteil Tessili (Randnr. 13) hat er entschieden, dass der Erfüllungsort dieser streitigen vertraglichen Verpflichtung nach dem Recht zu bestimmen ist, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts auf das Vertragsverhältnis anzuwenden ist.


44 – Vgl. Urteil vom 26. Mai 1982, Ivenel (133/81, Slg. 1982, 1891, Tenor und Randnr. 20).


45 – Urteil Mulox (oben in Fn. 8 angeführt). Es sei erwähnt, dass der Gerichtshof zwar bereits im Jahr 1989 im Urteil vom 15. Februar 1989, Six Constructions (32/88, Slg. 1989, 341), über den Fall eines Arbeitnehmers entschieden hat, der seine Arbeit in mehreren Staaten verrichtete, doch handelte es sich nicht um Vertragsstaaten des Brüsseler Übereinkommens (Randnr. 4 des Urteils). Daher hat er entschieden, dass Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens außer Anwendung bleibt und sich die Zuständigkeit nach den allgemeinen Regeln des Art. 2 dieses Übereinkommens richtet, also nach dem Wohnsitz des Beklagten (Nr. 2 des Tenors).


46 – Vgl. Urteil Mulox (oben in Fn. 8 angeführt, Tenor). Vgl. auch Randnrn. 24 und 26 dieses Urteils. Im Französischen, das in dieser Rechtssache auch Verfahrenssprache war, lautet dieses Kriterium: „lieu […] où ou à partir duquel le travailleur s'acquitte principalement de ses obligations à l'égard de son employeur“.


47 – Vgl. Urteil Rutten (oben in Fn. 8 angeführt, Tenor). Vgl. auch Randnrn. 23, 26 und 27 dieses Urteils.


48 – Vgl. Urteil Rutten (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 23). Im Französischen lauten diese Kriterien des Urteils Rutten: „lieu où le salarié a établi le centre effectif de ses activités professionnelles et où ou à partir duquel il s'acquitte en fait de l'essentiel de ses obligations à l'égard de son employeur“, in der Verfahrenssprache (Niederländisch): „de plaats waar de werknemer het werkelijke centrum van zijn beroepswerkzaamheden heeft gevestigd en waar of van waaruit hij in feite het belangrijkste deel van zijn verplichtingen jegens zijn werkgever vervult“.


49 – Vgl. Urteil Weber (oben in Fn. 8 angeführt, Tenor 2 und Randnr. 58). Im Französischen lautet das Kriterium: „l'endroit où, ou à partir duquel, compte tenu de toutes les circonstances du cas d'espèce, il s'acquitte en fait de l'essentiel de ses obligations à l'égard de son employeur“, in der Verfahrenssprache (Niederländisch): „de plaats is waar of van waaruit hij, rekening houdend met alle omstandigheden van het concrete geval, feitelijk het belangrijkste deel van zijn verplichtingen jegens zijn werkgever vervult“.


50 – Ebd.


51 – Vgl. Urteil Pugliese (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 20).


52 – Vgl. Urteil Pugliese (oben in Fn. 8 angeführt, Nr. 1 des Tenors und Randnr. 26). Im Französischen lautet das Kriterium: „le lieu où le salarié s’acquitte de ses obligations vis-à-vis d’un second employeur peut être considéré comme le lieu où il accomplit habituellement son travail, dès lors que le premier employeur […] a lui-même, au moment de la conclusion du second contrat, un intérêt à l’exécution de la prestation à fournir par le salarié au second employeur dans un lieu décidé par ce dernier“, in der Verfahrenssprache (Deutsch): „der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber einem zweiten Arbeitgeber erfüllt, als der Ort angesehen werden kann, an dem er gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, wenn der erste Arbeitgeber … zum Zeitpunkt des Abschlusses des zweiten Vertrages selbst ein Interesse an der Erfüllung der vom Arbeitnehmer für den zweiten Arbeitgeber an einem von diesem bestimmten Ort zu erbringenden Leistung hatte“.


53 – Vgl. z. B. Wurmnest, W., in: Basedow, J., Hopt, K. J., Zimmermann, R., Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Band I, Mohr Siebeck, Tübingen 2009, S. 93. Junker, A., „Gewöhnlicher Arbeitsort und vorübergehende Entsendung im internationalen Privatrecht“, in: Lorenz, S., Festschrift für Andreas Heldrich zum 70. Geburtstag, Beck, München 2005, S. 722, weist darauf hin, dass das Übereinkommen von Rom als Komplementär-Übereinkommen zum Brüsseler Übereinkommen geschlossen wurde und dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens auch für die den Arbeitsvertrag betreffenden Kollisionsnormen gilt. Vgl. z. B. auch Deinert, O., „Neues internationales Arbeitsvertragsrecht“, Recht der Arbeit, Nr. 3/2009, S. 145.


54 – Hervorhebung nur hier. In der französischen Fassung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom heißt es „loi du pays où le travailleur […] accomplit habituellement son travail“, in der englischen „law of the country in which the employee habitually carries out his work“, in der spanischen „país en que el trabajador […] realice habitualmente su trabajo“, und in der italienischen „paese in cui il lavoratore […] compie abitualmente il suo lavoro“.


55 – Es ist darauf hinzuweisen, dass der Unterschied in den Formulierungen von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom und von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens darin besteht, dass im Übereinkommen von Rom vom „Staat“, im Brüsseler Übereinkommen aber vom „Ort“ der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung die Rede ist, doch dieser Unterschied kann meines Erachtens nicht bewirken, dass die Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens nicht auf die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom übertragbar wäre. In der Literatur vgl. zu diesem Unterschied z. B. Junker, a. a. O. (Fn. 53), S. 724.


56 – Vgl. Nrn. 53 bis 57 der vorliegenden Schlussanträge.


57 – Giuliano/Lagarde-Bericht über das Übereinkommen von Rom (oben in Fn. 23 angeführt).


58 – Giuliano/Lagarde-Bericht über das Übereinkommen von Rom (oben in Fn. 23 angeführt, Kommentar zu Art. 6 des Übereinkommens von Rom, Randnr. 3).


59 – Die nur auf die historische Methode gestützte Auslegung einer Bestimmung kann zudem keinen Vorrang vor der Auslegung nach anderen Methoden haben. Vgl. analog zum Unionsrecht Pechstein, M., Drechsler, C., „Die Auslegung und Fortbildung des Primärrechts“, in: Riesenhuber, K., Europäische Methodenlehre: Handbuch für Ausbildung und Praxis, de Gruyter Recht, Berlin 2006, S. 172 f. Trotz der angeblich geringeren Bedeutung der historischen Auslegung schließt sie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung nicht aus; so hat er z. B. im Urteil vom 7. Oktober 2010, Lassal (C-162/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 55), diese Methode der Auslegung angewandt.


60 – Bericht über das Übereinkommen von San Sebastián, der von M. Almeida Cruz, M. Desantes Real und P. Jenard erstellt wurde (ABl. 1990, C 189, S. 35, im Folgenden: Cruz/Real/Jenard-Bericht über das Übereinkommen von San Sebastián).


61 – Oben in Fn. 11 angeführt.


62 – Erst recht war natürlich auch in dem von P. Jenard erstellten Bericht über das Brüsseler Übereinkommen (ABl. 1979, C 59, S. 18, im Folgenden: Jenard-Bericht über das Brüsseler Übereinkommen) – also im ersten Bericht über dieses Übereinkommen – im Zusammenhang mit Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens eine solche Auslegungsmöglichkeit nicht vorgesehen, da das Brüsseler Übereinkommen in jenem Zeitraum überhaupt noch keine Sondervorschriften für die Bestimmung der Zuständigkeit für Arbeitsverträge enthielt.


63 – Vgl. Urteil Mulox (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 26).


64 – Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (oben in Fn. 10 angeführt).


65 – Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (oben in Fn. 10 angeführt).


66 – Vgl. Urteil Ivenel (oben in Fn. 44 angeführt).


67 – Vgl. Urteil Ivenel (oben in Fn. 44 angeführt, Randnr. 13).


68 – Vgl. Urteil Ivenel (oben in Fn. 44 angeführt, Randnr. 20).


69 – Vgl. Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge.


70 – Oben in Fn. 11 angeführt.


71 – Zu dieser Entwicklung vgl. in der Lehre z. B. Junker, a. a. O. (Fn. 53), S. 722 f.; Sinay‑Cytermann, A., „La protection de la partie faible en droit international privé: les exemples du salarié et du consommateur“, Le droit international privé: mélanges en l'honneur de Paul Lagarde, Dalloz, Paris 2005, S. 739 f. Vgl. auch den Cruz/Real/Jenard-Bericht über das Übereinkommen von San Sebastián (oben in Fn. 60 angeführt, Randnr. 23); Gaudemet-Tallon, a. a. O. (Fn. 42), S. 302 ff.


72 – In der Literatur vgl. z. B. Mankowski, P., in: Ferrari, F., Leible, S., Rome I Regulation. The Law Applicable to Contractual Obligations in Europe, Sellier, München 2009, S. 177, der darauf hinweist, dass es sich um die wichtigste Änderung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des Übereinkommens von Rom handelt.


73 – Vgl. den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (KOM[2005] 650 endg.), Kommentar zu Art. 6. In der Lehre machen darauf aufmerksam z. B. Wurmnest, a. a. O. (Fn. 53), S. 94; Plender und Wilderspin, a. a. O. (Fn. 41), S. 315, Randnr. 11-041; Gaudemet-Tallon, H., „Le principe de proximité dans le Règlement Rome I“, Revue hellénique de droit international, 2008, S. 195; Marquette, V., „Le Règlement ‚Rome I‘ sur la loi applicable aux contrats internationaux“, Revue de droit commercial belge, Nr. 6/2009, S. 532, Fn. 91; Kenfack, H., „Le règlement (CE) no. 593/2008 du 17 juin 2008 sur la loi applicable aux obligations contractuelles (‚Rome I‘), navire stable aux instruments efficaces de navigation?“, Journal du droit international, Nr. 1/2009, S. 65.


74 – In der Literatur vgl. Magnus, U., „Die Rom I-Verordnung“, Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (IPRax), Nr. 1/2010, S. 40 f.; Mauer, R., „Die Kündigung komplexer grenzüberschreitender Arbeitsverhältnisse nach der EG-Verordnung ROM I“, Recht der internationalen Wirtschaft, Nr. 2/2007, S. 93; Boskovic, O., „La protection de la partie faible dans le règlement Rome I“, Recueil Dalloz, Nr. 31/2008, S. 2175 ff.; Corneloup, S., „La loi applicable aux obligations contractuelles: transformation de la Convention de Rome en règlement communautaire ‚Rome I‘“, La semaine juridique. Édition générale, Nr. 44/2008, S. 26, Fn. 34; Zilinsky, M., „Rome I en arbeidsovereenkomst“, Weekblad voor privaatrecht, notariaat en registratie, Nr. 6824/2009, S. 1034.


75 – Vgl. in diesem Sinne z. B. Boskovic, a. a. O. (Fn. 74), S. 2175 ff.; Hansen, L. L., „Applicable employment law after Rome I: the draft Rome I Regulation and its importance for employment contracts“, European business law review, Nr. 4/2008, S. 768.


76 – Vgl. den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (KOM[2005] 650 endg.), Kommentar zu Art. 6. Vgl. in diesem Sinne auch Magnus, a. a. O. (Fn. 74), S. 41.


77 – Vgl. Mankowski (2009), a. a. O. (Fn. 72), S. 177, der diese Regel „base rule“ nennt, da sie auf die Basis bzw. den Mittelpunkt abstellt, von dem aus der Arbeitnehmer seine Tätigkeit verrichtet.


78 – Nach Art. 24 Abs. 1 der Rom-I-Verordnung tritt diese Verordnung in den Mitgliedstaaten an die Stelle des Übereinkommens von Rom, außer hinsichtlich der Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten, die in den territorialen Anwendungsbereich dieses Übereinkommens fallen und für die diese Verordnung nicht gilt.


79 – Nach Art. 24 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung gelten, soweit diese Verordnung die Bestimmungen des Übereinkommens von Rom ersetzt, Bezugnahmen auf dieses Übereinkommen als Bezugnahmen auf diese Verordnung. Vgl. auch die in Fn. 4 angeführte Literatur.


80 – Zum Gleichlauf von forum und ius vgl. z. B. Esplugues Mota, C., Palao Moreno, G., in: Magnus, U., Mankowski, P. (Hrsg.), Brussels I Regulation, Sellier, München 2007, S. 334, Randnr. 7; Mankowski, P., in: Rauscher, T. (Hrsg.), Europäisches Zivilprozeβrecht. Kommentar, 2. Aufl., Sellier, European Law Publishers, München 2006, S. 319, Randnr. 4. Vgl. auch den Jenard-Bericht über das Brüsseler Übereinkommen, (in Fn. 62 angeführt, S. 24), wo es heißt, dass es wünschenswert sei, dass über Rechtsstreitigkeiten aus Arbeitsverträgen nach Möglichkeit das Gericht in dem Staat entscheide, dessen Recht auf den Vertrag anzuwenden sei.


81 – Zur Auslegung dieses Begriffs vgl. z. B. Salvadori, a. a. O. (Fn. 36), S. 66; Gamillscheg, F., „Conflitti di leggi nei contratti di lavoro e nelle relazioni industriali“, in: Biagi, M., Blanpain, R., Diritto del lavoro e relazioni industriali nei paesi industrializzati ad economia di mercato, Vol. I, Maggioli Editore, Rimini 1991, S. 544.


82 – In der Literatur vgl. z. B. Van Eeckhoutte, W., „The Rome Convention on the Law Applicable to Contractual Obligations and Labour Law (1980)“, in: Blanpain, R., Freedom of services in the European Union, Kluwer, Haag 2006, S. 170.


83 – Vgl. in diesem Sinne in der Literatur z. B. Mankowski, P., „Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht: Parallelen und Divergenzen“, in: Lorenz, S., Festschrift für Andreas Heldrich zum 70. Geburtstag, Beck, München 2005, S. 868 f.; Lüttringhaus, J. D., Weber, J., „Aussonderungsklagen an der Schnittstelle von EuGVVO und EuInsVO“, Recht der internationalen Wirtschaft, Nr.. 1-2/2010, S. 49; „Max Planck Institute for Comparative and International Private Law: Comments on the European Commission’s Proposal for a Regulation of the European Parliament and the Council on the law applicable to contractual obligations (Rome I)“, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, Nr. 2/2007, S. 238; Lein, a. a. O. (Fn. 40), S. 196; Kropholler, J., Internationales Privatrecht: einschließlich der Grundbegriffe des internationalen Zivilverfahrensrechts, Mohr Siebeck, Tübingen 2006, S. 612.


84 – Vgl. auch meine Schlussanträge vom 27. Januar 2009 in der Rechtssache Falco Privatstiftung (Urteil vom 23. April 2009, C‑533/07, Slg. 2009, I-3327), wo ich auf die Grenzen der einheitlichen Auslegung von Begriffen in unterschiedlichen Rechtsakten, genauer gesagt, auf die nur teilweise bestehende Möglichkeit einer Analogie zwischen dem „Dienstleistungs-“Begriff in der Verordnung Nr. 44/2001 und dem Primärrecht hingewiesen habe (Nrn. 60 ff.) sowie auf die fehlende Möglichkeit, eine Analogie zwischen diesem Begriff in der Verordnung Nr. 44/2001 und in den Unionsvorschriften auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer herzustellen.


85 – Urteil vom 27. November 2007 (C-435/06, Slg. 2007, I-10141).


86 – Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. L 338, S. 1).


87 – Vgl. Lüttringhaus, J., „Der Direktanspruch im vergemeinschafteten IZVR und IPR nach der Entscheidung EuGH VersR 2009, 1512 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse)“, Versicherungsrecht, Nr. 4/2010, S. 189. Vgl. auch Lein, a. a. O. (Fn. 40), S. 186 f., der vom Schutz der schwächeren Vertragspartei (also auch des Arbeitnehmers) in der Rom I-Verordnung und in der Verordnung Nr. 44/2001 spricht.


88 – Vgl. in diesem Sinne z. B. Urteile vom 18. Dezember 2007, Laval un Partneri (C‑341/05, Slg. 2007, I-11767, Randnr. 45), vom 22. Oktober 2009, Zurita García u. a. (C-261/08 und C-348/08, Slg. 2009, I‑ 10143, Randnr. 34), und vom 16. Juli 2009, Gómez-Limón Sánchez-Camacho (C-537/07, Slg. 2009, I-6525, Randnr. 24).


89 – Vgl. oben in Fn. 8 angeführte Urteile Mulox (Randnr. 25), Rutten (Randnr. 25), Weber (Randnr. 55) und Pugliese (Randnr. 25). Vgl. in der Literatur zur Beurteilung jedes Einzelfalls im Zusammenhang mit dem vergleichbaren Begriff „Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“ in der Verordnung Nr. 44/2001 Mankowski (2006), a. a. O. (Fn. 80), S. 320, Randnr. 4.


90 – Vgl. Urteil Mulox (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 3).


91 – Vgl. Urteil Mulox (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 25).


92 – Vgl. Urteil Rutten (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 2).


93 – Vgl. Urteil Rutten (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 5).


94 – Vgl. Urteil Rutten (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 25).


95 – Vgl. Urteil Weber (oben in Fn. 8 angeführt, Randnrn. 17 und 21).


96 – Vgl. Urteil Weber (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 48).


97 – Vgl. Urteil Weber (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 58).


98 – Vgl. Urteil Pugliese (oben in Fn. 8 angeführt, Randnrn. 4, 5 und 7).


99 – Vgl. Urteil Pugliese (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 13).


100 – Vgl. Urteil Pugliese (oben in Fn. 8 angeführt, Randnr. 26).


101 – Vgl. z. B. Van Eeckhoutte, a. a. O. (Fn. 82), S. 169 f.


102 – Vgl. Plender und Wilderspin, a. a. O. (Fn. 41), S. 315, Randnr. 11-039.


103 – Vgl. Van Eeckhoutte, a. a. O. (Fn. 82), S. 170; zu Art. 8 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung vgl. Mankowski (2009), a. a. O. (Fn. 72), S. 178.


104 – Vgl. Wurmnest, a. a. O. (Fn. 53), S. 93.


105 – Vgl. Nr. 63 der vorliegenden Schlussanträge.


106 – Wie aus der Vorlageentscheidung ersichtlich, sind an jedem dieser drei Orte drei Lastkraftwagen stationiert; der Lastkraftwagen von H. Koelzsch war in Osnabrück stationiert.


107 – So auch Junker, a. a. O. (Fn. 53), S. 733.