Language of document : ECLI:EU:T:2011:297

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

21. Juni 2011(*)

« Vorläufiger Rechtsschutz – Staatliche Beihilfen in den neuen Bundesländern – Rückforderungspflicht – Antrag auf Aussetzung des Vollzugs – Dringlichkeit – Interessenabwägung »

In der Rechtssache T‑209/11 R

MB System GmbH & Co. KG mit Sitz in Nordhausen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. Brüggen, M. Ackermann und C. Geiert,

Antragstellerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Erlbacher und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen Teilaussetzung des Vollzugs des Beschlusses K (2010) 8289 endg. der Kommission vom 14. Dezember 2010 über die staatliche Beihilfe C 38/2005 (ex NN 52/2004) Deutschlands zugunsten der Biria-Gruppe

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt

1        Das vorliegende Eilverfahren geht auf staatliche Zuwendungen an die sogenannte Biria-Gruppe zurück, die bis November 2005 auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Fahrrädern tätig war. Muttergesellschaft der Biria-Gruppe war seinerzeit die Biria AG (neu), die 2003 durch Verschmelzung der Biria AG (alt) mit einem ihrer Tochterunternehmen, der Sachsen Zweirad GmbH, entstanden war, wobei zunächst der Name des Unternehmens in Biria GmbH geändert und sodann Letztere in die Biria AG (neu) umgewandelt wurde. Alleineigentümer der Biria AG (neu) war Herr M. B. Zu den wichtigsten Gruppenunternehmen gehörte neben der Muttergesellschaft die Bike Systems GmbH & Co Thüringer Zweiradwerk KG („Bike Systems“). Dieses Unternehmen produzierte ausschließlich Fahrräder, während ein anderes Unternehmen der Gruppe für deren Vertrieb verantwortlich war.

2        Im November 2005 veräußerte die Biria AG (neu) die Mehrheit ihrer Vermögenswerte, insbesondere ihre Fahrradproduktion, zum Preis von 11,5 Millionen Euro an die Lone-Star-Gruppe, einen privaten Beteiligungsfonds. Die Liegenschaften verblieben im Besitz der Biria AG (neu) und wurden anschließend von dieser an die Lone-Star-Gruppe vermietet.

3        Derzeitige Rechtsnachfolgerin der Biria AG (neu) ist die MB Immobilien Verwaltungs GmbH („MB Immobilien“); sie befindet sich seit Juli 2008 in Liquidation. Die Antragstellerin ist Rechtsnachfolgerin von Bike Systems. Persönlich haftende Gesellschafterin der Antragstellerin ist die MB Verwaltungs GmbH („MB Verwaltung“) als Komplementärin, deren Geschäftsführung Herr M. B. wahrnimmt; Kommanditistin ist die MB Beteiligungs GmbH.

4        Zwischen März 2001 und Dezember 2003 erhielt die Biria-Gruppe drei finanzielle Zuwendungen.

5        Zunächst brachte im März 2001 die gbb Beteiligungs AG, die der Deutschen Ausgleichsbank (Bank des Bundes zur Förderung der deutschen Wirtschaft im öffentlichen Interesse) zuzurechnen war, bei Bike Systems eine stille Einlage in Höhe von 2 070 732 Euro mit einer Laufzeit bis Ende 2010 ein (im Folgenden: Maßnahme 1). Rechtsnachfolgerin der gbb Beteiligungs AG ist die tbg Technologie-Beteiligungsgesellschaft mbH (im Folgenden: tbg), eine 100%ige Tochtergesellschaft der öffentlich-rechtlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau.

6        Außerdem gewährte der Freistaat Sachsen im März 2003 eine Bürgschaft für einen Betriebsmittelkredit zugunsten der Sachsen Zweirad GmbH („Maßnahme 2“) und im Dezember 2003 eine Bürgschaft für einen Betriebsmittelkredit zugunsten der Biria GmbH („Maßnahme 3“). Die Maßnahmen 2 und 3 sind nicht Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens.

7        Mit der Entscheidung 2007/492/EG vom 24. Januar 2007 über die Staatliche Beihilfe C 38/2005 (ex NN 52/2004) Deutschlands an die Biria-Gruppe (ABl. L 183, S. 27) qualifizierte die Kommission die drei vorerwähnten Maßnahmen als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland zur Rückforderung. Gegen diese Entscheidung erhoben der Freistaat Sachsen, die MB Immobilien und die Antragstellerin Nichtigkeitsklagen, denen das Gericht mit Urteil vom 3. März 2010, Freistaat Sachsen u. a./Kommission (T‑102/07 und T‑120/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), stattgab, indem es die Entscheidung vom 24. Januar 2007 wegen Begründungsmangels für nichtig erklärte.

8        Daraufhin erließ die Kommission am 14. Dezember 2010 eine neue Rückforderungsentscheidung, und zwar den Beschluss K (2010) 8289 endg. über die Staatliche Beihilfe C 38/2005 (ex NN 52/2004) Deutschlands zugunsten der Biria-Gruppe (im Folgenden: angefochtener Beschluss). Darin kommt die Kommission erneut zu dem Ergebnis, die drei vorerwähnten Maßnahmen stellten mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen dar, die allerdings nicht der Lone-Star-Gruppe zugute gekommen seien, da der Veräußerung an diese Gruppe eine offene, transparente und bedingungsfreie Ausschreibung vorausgegangen sei. Nach Auffassung der Kommission ergibt sich bei der Maßnahme 1 das Beihilfeelement der stillen Einlage aus der Differenz zwischen der Vergütung, die Bike Systems auf dem freien Markt für eine derartige Einlage hätte zahlen müssen, und der tatsächlich gezahlten Vergütung. Da sich Bike Systems zum Zeitpunkt der Einbringung der stillen Einlage in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe, sei das damit verbundene Risiko hoch gewesen, so dass das Beihilfeelement bis zu 100% der stillen Einlage betragen könne. In dem angefochtenen Beschluss wird die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die Beihilfe binnen vier Monaten vom Begünstigten zurückzufordern.

9        Auf nationaler Ebene wandte sich tbg – zur Umsetzung der Rückforderungsentscheidung vom 24. Januar 2007 (siehe oben, Randnr. 7) – im April 2008 an das LG Mühlhausen und verklagte die Antragstellerin auf Zahlung von rund 700 000 Euro zuzüglich Zinsen. Mit Versäumnisurteil vom 26. November 2008 gab das LG Mühlhausen dieser Klage vorläufig statt. Auf den Einspruch der Antragstellerin stellte das LG Mühlhausen durch Beschluss vom 9. Januar 2009 die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 840 000 Euro einstweilen ein; außerdem setzte es durch Beschluss vom 17. März 2009 das Verfahren bis zur Entscheidung in den Rechtssachen T‑102/07 und T‑120/07 (siehe oben, Randnr. 7) wegen Vorgreiflichkeit dieser Entscheidung aus. Gegen diesen Aussetzungsbeschluss legte tbg beim OLG Jena sofortige Beschwerde ein, die mit Beschluss vom 25. Januar 2010 zurückgewiesen wurde.

10      Nach Erlass des Nichtigkeitsurteils des Gerichts vom 3. März 2010 (siehe oben, Randnr. 7) nahm das LG Mühlhausen das Verfahren wieder auf, setzte dieses jedoch durch Beschluss vom 31. März 2011 erneut aus, nachdem die Antragstellerin mitgeteilt hatte, dass sie auch den (zwischenzeitlich erlassenen) angefochtenen Beschluss mit einer Nichtigkeitsklage angreifen werde. Gegen diesen Aussetzungsbeschluss hat tbg wiederum Beschwerde beim OLG Jena eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

11      Da die Antragstellerin die vom LG Mühlhausen durch Beschluss vom 9. Januar 2009 angeordnete Sicherheitsleistung in Höhe von 840 000 Euro nicht erbrachte, beantragte tbg am 21. März 2011 die Eintragung einer Sicherungshypothek auf das Betriebsgrundstück der Antragstellerin. Nach deren Ansicht ist davon auszugehen, dass tbg alsbald die Zwangsvollstreckung aus der Sicherungshypothek durch Zwangsversteigerung des Grundstücks betreiben wird.

 Verfahren und Anträge der Parteien

12      Mit Klageschrift, die am 5. April 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin Klage mit dem Ziel erhoben, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären.

13      Mit besonderem Schriftsatz, der am 28. April 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, der darauf abzielt, den Vollzug des angefochtenen Beschlusses betreffend die Maßnahme 1 bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache auszusetzen und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

14      In ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, die am 16. Mai 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt die Kommission, den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz als unbegründet zurückzuweisen und die Entscheidung über die Kosten dem Verfahren in der Hauptsache vorzubehalten.

15      Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2011 hat die Antragstellerin eine auf Fragen der Dringlichkeit beschränkte Erwiderung eingereicht, zu der die Kommission mit Schriftsatz vom 6. Juni 2011 Stellung genommen hat. Außerdem hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 16. Juni 2011 eine Frage des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters beantwortet.

 Gründe

16      Nach Art. 278 AEUV und Art. 279 AEUV in Verbindung mit Art. 256 Abs. 1 AEUV kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

17      Gemäß Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf einstweilige Anordnungen den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann somit die Aussetzung des Vollzugs anordnen und einstweilige Anordnungen treffen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (Fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne sind, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu erlassen und wirksam werden zu lassen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Juli 1995, Kommission/Atlantic Container Line u. a., C‑149/95 P[R], Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 22). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen ist, sofern es an einer von ihnen fehlt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Oktober 1996, SCK und FNK/Kommission, C‑268/96 P[R], Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30). Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. Februar 2001, Österreich/Rat, C‑445/00 R, Slg. 2001, I‑1461, Randnr. 73, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 4. April 2002, Technische Glaswerke Ilmenau/Kommission, T‑198/01 R, Slg. 2002, II‑2153, Randnr. 50).

18      Im Übrigen verfügt der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen; er kann im Einzelfall die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da ihm keine Vorschrift des Unionsrechts ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Eilentscheidung vorschreibt (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 23, und Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. April 2007, Vischim/Kommission, C‑459/06 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

19      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für die von den Organen der Union erlassenen Rechtsakte die Vermutung der Rechtmäßigkeit spricht. Art. 278 AEUV stellt daher den Grundsatz auf, dass Klagen keine aufschiebende Wirkung haben. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann somit nur ausnahmsweise die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder eine sonstige einstweilige Anordnung treffen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. Juli 2000, Niederlande/Parlament und Rat, C‑377/98 R, Slg. 2000, I‑6229, Randnr. 44, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 17. Dezember 2009, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht/Kommission, T‑396/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42).

20      Die schriftlichen Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten enthalten alle für die Entscheidung über den Eilantrag erforderlichen Informationen. Es besteht somit kein Anlass zu einer mündlichen Anhörung.

21      Vorliegend ist zunächst die Dringlichkeit des Erlasses der beantragten einstweiligen Anordnung zu prüfen.

22      Dazu macht die Antragstellerin in ihrem Antrag geltend, die begehrte einstweilige Anordnung sei erforderlich, weil ihr bei einem sofortigen Vollzug des angefochtenen Beschlusses durch die deutschen Behörden ein schwerer und irreparabler Schaden entstünde. Die sofortige Rückabwicklung der Maßnahme 1 hätte ihre Insolvenz infolge Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung oder – bei Ablehnung der Insolvenz mangels Masse – die Auflösung des Unternehmens zur Folge, da sie nicht in der Lage sei, den Rückforderungsbetrag zu zahlen oder mit Hilfe eines Bankkredits zu decken. Sie müsste somit ihre Geschäftstätigkeit einstellen, noch bevor das Gericht in der Hauptsache entschieden hätte.

23      Auch der persönlich haftenden MB Verwaltung sei es finanziell nicht möglich, den drohenden Schaden aufzufangen, da sie nahezu vermögenslos sei und bei einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Beschlusses ebenfalls Insolvenzantrag stellen müsste. Im Übrigen sei für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der MB Verwaltung ausschließlich auf die GmbH selbst und nicht auf ihren Gesellschafter abzustellen. Die GmbH sei nach deutschem Recht eine selbständige juristische Person des Privatrechts und insofern selbst Träger von Rechten und Pflichten, während ihre Gesellschafter nicht für die Verbindlichkeiten der GmbH hafteten. Die Haftung der MB Verwaltung sei somit auf deren Haftungskapital beschränkt. Entsprechendes gelte für die Kommanditistin der Antragstellerin, die im Übrigen ebenfalls nicht in der Lage wäre, die Antragstellerin finanziell zu unterstützen.

24      Nach deutschem Recht hafte der Gesellschafter einer GmbH für deren Verbindlichkeiten generell nicht mit seinem privaten Vermögen. Er habe schließlich die Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gezielt gewählt, um nicht persönlich das Haftungsrisiko des Unternehmens tragen zu müssen. Ein GmbH-Gesellschafter habe demzufolge ein Interesse am Fortbestand der GmbH nur im Rahmen der gewählten Rechtsform der Gesellschaft und damit nur im Rahmen einer auf das Haftungskapital beschränkten Haftung. Auf die finanzielle Leistungsfähigkeit dieses Gesellschafters sei deshalb nicht abzustellen. In diese Grundsätze des deutschen GmbH-Rechts könne auch das europäische Recht nicht eingreifen.

25      Die Hilfe weiterer Unternehmen könne nicht erwartet werden, da die Antragstellerin keinem Konzern angehöre und die frühere Holdingstruktur der Biria-Gruppe Ende 2005 weggefallen sei. Die Tätigkeit der Antragstellerin erschöpfe sich in der Vermietung und Verwaltung ihrer eigenen Immobilien. Die MB Immobilien als Rechtsnachfolgerin der Muttergesellschaft der Biria-Gruppe befinde sich in Insolvenz und sei nicht in der Lage, die Antragstellerin finanziell zu unterstützen. Im Übrigen sei die MB Immobilien selbst einer Rückforderung aus dem angefochtenen Beschluss ausgesetzt.

26      In ihrem Erwiderungsschriftsatz vom 24. Mai 2011 trägt die Antragstellerin vor, der Rückforderungsbetrag könne auch nicht durch den Verkauf ihres Betriebsgrundstücks finanziert werden, dessen Verkaufswert im Jahre 2006, als es noch vermietet gewesen sei, 550 000 Euro betragen habe, zumal dieses Grundstück heute stark sanierungsbedürftig sei. Außerdem weist sie in Bezug auf die finanzielle Leistungsfähigkeit von Herrn M. B. – unterstellt, diese wäre relevant – darauf hin, dass es sich bei Herrn Biria um einen 78jährigen Rentner handelt. In Anbetracht des Lebensalters von Herrn Biria wäre es lebensfremd anzunehmen, dass ihm ein Kreditinstitut einen Kredit zur Finanzierung des Rückforderungsbetrags zur Verfügung stellen würde und er diesen mit Zinsen zurückzahlen könnte.

27      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Dringlichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach ständiger Rechtsprechung danach zu beurteilen ist, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und irreparabler Schaden entsteht. Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden zu erleiden (vgl. Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 15. November 2001, Duales System Deutschland/Kommission, T‑151/01 R, Slg. 2001, II‑3295, Randnr. 187 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 4. Dezember 2007, Cheminova u. a./Kommission, T‑326/07 R, Slg. 2007, II‑4877, Randnrn. 50 und 51).

28      Darüber hinaus muss der Eintritt des behaupteten Schadens sicher sein oder zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt werden, wobei es dem Antragsteller obliegt, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen Schadens begründen sollen. Der Antragsteller hat insoweit konkrete und spezifische Informationen zu liefern, die durch die Vorlage detaillierter Urkundenbeweise gestützt werden müssen. Ein rein hypothetischer Schaden, der vom Eintritt künftiger und ungewisser Ereignisse abhängt, vermag den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1999, HFB u. a./Kommission, C‑335/99 P[R], Slg. 1999, I‑8705, Randnr. 67; Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 15. Januar 2001, Le Canne/Kommission, T‑241/00 R, Slg. 2001, II‑37, Randnr. 37, vom 19. Dezember 2001 Government of Gibraltar/Kommission, T‑195/01 R und T‑207/01 R, Slg. 2001, II‑3915, Randnr. 101, und vom 29. Oktober 2009, Novácke chemické závody/Kommission, T‑352/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55).

29      Im Übrigen wird nach gefestigter Rechtsprechung ein rein finanzieller Schaden grundsätzlich nur dann als ein schwerer und irreparabler Schaden angesehen, wenn er im Fall eines Obsiegens des Antragstellers im Verfahren zur Hauptsache nicht vollständig ersetzt werden könnte. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der geltend gemachte Schaden die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers bedroht (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 21. März 1997, Antillean Rice Mills/Rat, T‑41/97 R, Slg. 1997, II‑447, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Im Rahmen der Prüfung der finanziellen Lebensfähigkeit des Antragstellers sind nach ständiger Rechtsprechung jedoch auch die finanziellen Möglichkeiten seiner Gesellschafter bzw. die Mittel zu berücksichtigen, über die der Konzern insgesamt verfügt, dem der Antragsteller unmittelbar oder mittelbar angehört (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 7. März 1995, Transacciones Marítimas u. a./Kommission, C‑12/95 P, Slg. 1995, I‑467, Randnr. 12, und des Präsidenten des Gerichts vom 11. Oktober 2007, MB Immobilien Verwaltungs-GmbH/Kommission, T‑120/07 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Diese Betrachtungsweise beruht nach gefestigter Rechtsprechung darauf, dass die objektiven Interessen des Antragstellers nicht unabhängig von den Interessen der ihn kontrollierenden Personen zu sehen sind. Daher muss bei der Beurteilung der Frage, ob der behauptete Schaden schwer und irreparabel ist, auch die finanzielle Situation der den Antragsteller kontrollierenden Personen berücksichtigt werden. Diese Interessenübereinstimmung rechtfertigt es insbesondere, dass das finanzielle Überlebensinteresse des Antragstellers nicht unabhängig von dem Interesse beurteilt wird, das die ihn kontrollierenden Personen objektiv an seinem Fortbestand haben (Beschlüsse HFB u.a./Kommission, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 62, und Le Canne/Kommission, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 40).

32      Diese sogenannte Konzern-Rechtsprechung gilt nicht nur für juristische, sondern auch für natürliche „Kontrollpersonen“. Insoweit hat es der Präsident des Gerichtshofs für die Frage dieser Interessenübereinstimmung als unerheblich angesehen, dass die Person, die die Kontrolle über den Antragsteller ausübt, eine natürliche Person ist, die selbst kein Unternehmen darstellt (Beschluss HFB u.a./Kommission, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 64; ähnlich auch Beschluss Le Canne/Kommission, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 42).

33      Die Kritik des Antragstellers an der Konzern-Rechtsprechung unter Hinweis auf die Haftungsbeschränkungen des deutschen GmbH-Rechts und auf das Verbot einer Durchgriffshaftung ist zurückzuweisen. Diese Rechtsprechung erscheint gerechtfertigt, da sie dem öffentlichen Interesse am Vollzug von Entscheidungen der Organe der Union – für die die Vermutung der Rechtmäßigkeit spricht – und an der Wahrung der finanziellen Interessen der Union Rechnung trägt. Dabei bedeutet die Berücksichtigung der Finanzkraft des Konzerns bzw. der Gesellschafter des Antragstellers keineswegs, dass die „Haftung“ für dessen Zahlungsverpflichtung Dritten auferlegt würde (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 21. Juli 1999 in der Rechtssache T‑191/98 R, DSR-Senator Lines/Kommission, Slg. 1999, II‑2531, Randnr. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es soll lediglich verhindert werden, dass ein Konzern die Insolvenz einer aufgrund einer beihilferechtlichen Entscheidung der Union zu einer Rückzahlung verpflichteten Konzerngesellschaft organisiert, so dass Letztere bei Abweisung der gegen diese Entscheidung gerichteten Nichtigkeitsklage ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachkommen kann. Das genannte öffentliche Interesse ist insoweit höher zu veranschlagen als das Partikularinteresse der „Kontrollpersonen“ des Antragstellers, die es vorziehen mögen, dass dieser seine – auf das Haftungskapital beschränkte – Insolvenz erklärt, anstatt ihn bei der Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtung finanziell zu unterstützen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 28. März 2007, IBP und International Building Products France/Kommission, T‑384/06 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 84).

34      In diesem Zusammenhang spielt auch eine Rolle, dass einstweilige Anordnungen nur ausnahmsweise gewährt werden dürfen (siehe oben, Randnr. 19). Dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter ist es daher grundsätzlich verwehrt, die tatsächliche Finanzkraft des Konzerns bzw. der Gesellschafter des Antragstellers unberücksichtigt zu lassen, wenn dieser seine Zahlungsverpflichtungen allein nicht erfüllen kann. Bei der Bewertung der Schwere des behaupteten Schadens ist nämlich auf die konkrete individuelle Lage des jeweiligen Antragstellers sowie auf die tatsächlichen und rechtlichen Umstände abzustellen, die jede einzelne Rechtssache kennzeichnen, wozu der Umstand gehört, dass der Antragsteller nachweislich von anderen Personen kontrolliert wird (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse HFB u.a./Kommission, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnrn. 57 und 65, sowie Cheminova e.a./Kommission, oben in Randnr. 27 angeführt, Randnrn. 50 und 51). Die Beurteilung der konkreten finanziellen Lage des Antragstellers hängt aber entscheidend davon ab, ob ihm zusätzliche Finanzquellen – sei es aus dem Verkauf von Substitutionsprodukten oder aus Geldmitteln seiner „Kontrollpersonen“– objektiv zur Verfügung stehen, mit deren Hilfe sich der geltend gemachte schwere Schaden reduzieren lässt. Ist dies der Fall, so hat der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter dem Rechnung zu tragen.

35      Die Konzern-Rechtsprechung wurde inzwischen auf Minderheitsbeteiligungen (50%, 40% und sogar 30%) ausgedehnt, da auch solche – substanziellen – Beteiligungen je nach der Kapitalstruktur des betreffenden Unternehmens für die Beurteilung seiner finanzieller Leistungsfähigkeit relevant sein können, so dass ein Eilantrag jedenfalls hinreichende Informationen über derartige Minderheitsbeteiligungen enthalten muss (vgl. Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 7. Mai 2010, Almamet/Kommission, T‑410/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 57 und 58, sowie vom 24. Januar 2011, Rubinetterie Teorema/Kommission, T‑370/10 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 39 bis 42).

36      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich aus Gründen der Rechtssicherheit sowie einer geordneten Rechtspflege die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände eines Eilantrags zusammenhängend und verständlich schon aus dem Text der Antragsschrift ergeben müssen, damit der Antragsgegner seine Stellungnahme vorbereiten und der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter seine Entscheidung, gegebenenfalls ohne weitere Informationen, mit der gebotenen Schnelligkeit treffen kann. Zwar kann dieser Text in einzelnen Punkten durch eine Bezugnahme auf bestimmte Passagen beigefügter Schriftstücke untermauert und vervollständigt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke nicht das Fehlen der wesentlichen Elemente in der Antragsschrift ausgleichen Daher kann ein Eilantrag grundsätzlich nicht rechtswirksam durch einen späteren Schriftsatz mit dem Ziel ergänzt werden, ursprüngliche Antragslücken zu schließen (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 30. Juni 2009, Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen/Kommission, T‑550/08 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 21 und 52 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 23. Dezember 2008, AES-Tisza Erőmű/Kommission, T‑468/08 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 30 und 31).

37      Im vorliegenden Fall ist die Antragstellerin ihren vorstehend beschriebenen Informationspflichten nicht nachgekommen: Die Antragsschrift enthält keinerlei Angaben zur Kapital- und Gesellschafterstruktur der Komplementärin (GmbH) und der Kommanditistin (GmbH) der Antragstellerin; Letztere beschränkt sich im Kern auf das – in den Randnrn. 33 und 34 zurückgewiesene – Vorbringen, die finanzielle Leistungsfähigkeit eines GmbH-Gesellschafters sei nach den Grundsätzen des deutschen GmbH-Rechts irrelevant. Auch in ihrem Erwiderungsschriftsatz äußert sich die Antragstellerin nicht zur Struktur der beiden GmbH; sie macht lediglich geltend, Herr M. B. – unterstellt, auf dessen finanzielle Leistungsfähigkeit käme es an – sei in Anbetracht seines Lebensalters nicht mehr kreditwürdig sei.

38      Erst auf die Frage des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters, ob Herr M. B. alle Komplementär- und Kommanditanteile der Antragstellerin halte, hat Letztere mit Schriftsatz vom 16. Juni 2011 erklärt, Herr M. B. halte als Person an der „MB Immobilien Verwaltungs GmbH“ einen Geschäftsanteil von 45%. Gegenstand der Frage war jedoch die „MB Verwaltungs GmbH“ als Komplementärin der Antragstellerin. Wie oben in Randnr. 3 dargelegt, ist zwischen beiden GmbH streng zu trennen, was die Antragstellerin in ihrem Antrag und in ihrem Erwiderungsschriftsatz auch stets getan hat. Es ist daher zweifelhaft, ob die Antragstellerin die an sie gerichtete Frage tatsächlich beantwortet hat.

39      Selbst wenn dies der Fall sein sollte und die Antragstellerin die MB Verwaltung nur versehentlich als MB Immobilien bezeichnet haben sollte, wäre doch festzustellen, dass die Antragstellerin immer noch keine umfassenden Angaben zur Kapital- und Gesellschafterstruktur ihrer Komplementär- und ihrer Kommandit-GmbH gemacht hätte. Es fehlte insbesondere an Informationen über den verbleibenden Geschäftsanteil von 55% an der MB Verwaltung, d. h. die Identität und die finanzielle Situation des bzw. der betreffenden GmbH-Gesellschafter. Eine solche umfassende Auskunft wäre nicht zuletzt deshalb geboten gewesen, weil die Fahrradproduktion der Biria-Gruppe im Jahre 2005 für 11,5 Millionen Euro verkauft worden war (siehe oben, Randnr. 2) und es nicht ausgeschlossen erscheint, dass der bzw. die in Rede stehenden „Kontrollpersonen“ der Antragstellerin als einer der Nachfolgegesellschaften dieser Gruppe noch über einen nennenswerten Teil dieses Betrags verfügen. In Anbetracht dessen genügt es nicht, dass die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 16. Juni 2011 (erstmals) Ausführungen zur Finanzlage von Herrn M. B. gemacht und entsprechende Belege eingereicht hat.

40      Es ist daher festzustellen, dass der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter anhand der verspäteten und jedenfalls unvollständigen Angaben der Antragstellerin nicht in der Lage ist, konkret zu beurteilen, ob diese aufgrund der finanziellen Situation ihrer maßgeblichen „Kontrollpersonen“ über ausreichende Mittel verfügt, um ihrer Rückzahlungsverpflichtung nachzukommen.

41      Soweit dieses prozessuale Verhalten dahin zu verstehen sein sollte, dass die Antragstellerin Angaben hierzu für überflüssig hält, da die betreffenden Personen ohnehin kein Interesse daran hätten, sie finanziell zu unterstützen, genügt der Hinweis auf den Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. März 2001, FEG/Kommission (C‑7/01 P[R], Slg. 2001, 2559, Randnr. 46), dem zufolge die bloße einseitige Weigerung eines Gesellschafters, seiner Gesellschaft Beistand zu leisten, kein hinreichender Grund dafür sein kann, die Finanzlage dieses Gesellschafters unberücksichtigt zu lassen. Der Umfang des angeblichen Schadens einer Gesellschaft kann nämlich, wenn sich deren Interessen und die ihrer Gesellschafter objektiv überschneiden, nicht vom einseitigen Willen Letzterer abhängen. Entscheidend ist insoweit, ob es den Gesellschaftern rechtlich verwehrt wäre, finanzielle Unterstützung zu gewähren (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1999, DSR-Senator Lines/Kommission, C‑364/99 P [R], Slg. 1999, I‑8733, Randnr. 52). Da die Antragstellerin sich nicht umfassend zur Identität aller Anteilseigner ihrer Komplementär- und ihrer Kommandit-GmbH geäußert hat, kann weder eine solche Interessenübereinstimmung ausgeschlossen noch ein rechtliches Unterstützungsverbot angenommen werden.

42      Somit hat die Antragstellerin, selbst wenn es ihr allein unmöglich sein sollte, ihre Rückzahlungsverpflichtung zu erfüllen, nicht in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen, dass ihr ohne die beantragte einstweilige Anordnung ein schwerer und irreparabler Schaden entstünde.

43      Die Dringlichkeit ist vorliegend aber noch aus einem weiteren Grund ausgeschlossen.

44      Die Antragstellerin befürchtet konkret die unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung aus der Sicherungshypothek auf ihrem Betriebsgrundstück (siehe oben, Randnr. 11). Dazu macht sie in ihrem Erwiderungsschriftsatz geltend, gegen Vollstreckungsmaßnahmen von tbg, insbesondere eine Zwangsversteigerung ihres Grundstücks, stünden ihr keine zulässigen innerstaatlichen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Vor allem lägen die Voraussetzungen einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO zur Abwehr der Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil des LG Mühlhausen (siehe oben, Randnr. 9) nicht vor. Einwendungen gegen den Rückforderungsanspruch von tbg dürften nämlich gemäß § 767 Abs. 2 ZPO nur solche sein, die erst nach Erlass dieses Versäumnisurteils entstanden seien und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Weitere Einwendungen, die darüber hinausgingen und den Anspruch auf Rückforderung vernichteten oder hemmten, seien nicht gegeben.

45      Diese Argumentation der Antragstellerin ist zurückzuweisen.

46      Wie die Kommission zu Recht bemerkt hat, besteht in Bezug auf die Rückforderung staatlicher Beihilfen zwischen dem Eilverfahren auf Unionsebene und den entsprechenden Verfahren auf nationaler Ebene eine Art Subsidiaritätsverhältnis: Um die Dringlichkeit seines Eilantrags vor dem Unionsrichter darzulegen, muss der Antragsteller nachweisen, dass die nach nationalem Recht zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe es ihm nicht ermöglichen würden, den Eintritt eines schweren und irreparablen Schadens abzuwenden (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 3. Dezember 2002, Neue Erba Lautex/Kommission, T‑181/02 R, Slg. 2002, II‑5081, Randnr. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin hindert das Unionsrecht die nationalen Gerichte nicht daran, den Vollzug des Rückzahlungsverlangens von tbg bis zur Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union in der Hauptsache auszusetzen oder dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. Da die Antragstellerin die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses mit einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 263 AEUV geltend gemacht hat, ist dieser Beschluss nicht bestandskräftig geworden und das zuständige nationale Gericht daher nicht durch ihn gebunden. Zudem steht die Tatsache, dass der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Unionsrichter einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs nicht stattgegeben hat, einer Aussetzung durch ein nationales Gericht nicht entgegen (vgl. in diesem Sinne Beschluss Neue Erba Lautex/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnrn. 107 und 108).

48      Im vorliegenden Fall hat sich die Antragstellerin in ihrem Antrag zur Frage etwaiger innerstaatlicher Rechtsbehelfe gegen die Rückforderung seitens tbg nicht geäußert. In ihrem Erwiderungsschriftsatz hat sie vorgetragen, die Voraussetzungen einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO zur Abwehr der Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil des LG Mühlhausen seien nicht gegeben, ohne jedoch diese Voraussetzungen einzeln zu prüfen. Demgegenüber hat die Kommission überzeugend dargelegt, dass eine Vollstreckungsgegenklage durchaus Aussicht auf Erfolg hätte, da die Antragstellerin Einwendungen im Sinne von § 767 Abs. 2 ZPO geltend machen könnte, die auf erst nach Erlass des betreffenden Versäumnisurteils entstandenen Gründen beruhen und durch Einspruch gegen das Versäumnisurteil nicht mehr vorgebracht werden können. Dieses Urteil vom 26. November 2008 beruht nämlich auf der ursprünglichen Entscheidung der Kommission vom 24. Januar 2007, die mit Urteil des Gerichts vom 3. März 2010 für nichtig erklärt und durch den angefochtenen Beschluss vom 14. Dezember 2010 ersetzt worden ist (siehe oben, Randnrn. 7 und 8). Sowohl der Wegfall der ursprünglichen Anspruchsgrundlage als auch deren Ersetzung durch eine neue können daher im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden, die die Antragstellerin zudem mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 769 ZPO oder § 935 ZPO gegen die befürchtete Eintragung der Sicherungshypothek oder die Zwangsversteigerung ihres Grundstücks verbinden kann.

49      Im Übrigen hat sich die Antragstellerin nicht zu den Erfolgsaussichten eines derartigen Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz vor dem zuständigen deutschen Gericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs geäußert, die es einem nationalen Gericht gestattet, die Vollziehung eines auf einem Rechtsakt der Union beruhenden nationalen Verwaltungsakts auszusetzen, wenn dieses Gericht erhebliche Zweifel an der Gültigkeit dieses Rechtsakts hat und die Frage nach dessen Gültigkeit, sofern der Gerichtshof mit ihr noch nicht befasst ist, diesem selbst vorlegt, wenn die Entscheidung dringlich ist und dem Antragsteller ein schwerer und irreparabler Schaden droht und wenn das Gericht das Interesse der Gemeinschaft angemessen berücksichtigt (Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 1991, Zuckerfabrik Süderdithmarschen, C‑143/88 und C‑92/89, Slg. 1991, I‑415, Randnr. 33).

50      Die Antragstellerin hat auf jeden Fall nicht geltend gemacht, die Voraussetzungen dieser Rechtsprechung seien vorliegend nicht erfüllt. Sie stützt im Gegenteil den behaupteten Fumus boni iuris auf vier Klagegründe und äußert insoweit erhebliche Zweifel an der Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses. Außerdem macht sie geltend, dass ihr bei Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil ein schwerer und irreparabler Schaden drohe und dass die Interessen der Union hinter ihren eigenen Interessen zurücktreten müssten.

51      Die Antragstellerin hat somit nicht dargetan, dass die nach deutschem Recht zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe gegen eine Vollstreckung aus dem oben genannten Versäumnisurteil es ihr nicht ermöglichen würden, den Eintritt eines schweren und irreparablen Schadens abzuwenden.

52      Nach alledem ist der vorliegende Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen, da die Antragstellerin nicht die Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Anordnung dargetan hat. Unter diesen Umständen bedarf es weder einer Prüfung des Fumus boni iuris noch einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Verfahrensbeteiligten (vgl. in diesem Sinne Beschluss DSR-Senator Lines/Kommission, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 61).

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 21. Juni 2011

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

      M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Deutsch.


Öffentlich zugängliche Fassung