Language of document : ECLI:EU:T:2012:121

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

9. März 2012(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke ISENSE – Ältere nationale Wortmarke EyeSense – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Ähnlichkeit der Zeichen – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑207/11

EyeSense AG mit Sitz in Basel (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin N. Aicher,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch R. Manea als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

Osypka Medical GmbH mit Sitz in Berlin (Deutschland),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 4. Februar 2011 (Sache R 1098/2010‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der EyeSense AG und der Osypka Medical GmbH

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi sowie der Richterin E. Cremona (Berichterstatterin) und des Richters S. Frimodt Nielsen,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 8. April 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 29. Juli 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der Entscheidung vom 14. September 2011, die Einreichung einer Erwiderung nicht zu gestatten,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 16. August 2008 meldete die Osypka Medical GmbH nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen ISENSE.

3        Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 10 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 9: „Messapparate und ‑instrumente“;

–        Klasse 10: „Ärztliche Instrumente und Apparate; medizinische Geräte für diagnostische Zwecke“;

–        Klasse 42: „Industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen“.

4        Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 45/2008 vom 10. November 2008 veröffentlicht.

5        Am 2. Februar 2009 erhob die Klägerin, die EyeSense AG, gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die in Randnr. 3 des vorliegenden Urteils genannten Waren und Dienstleistungen.

6        Der Widerspruch wurde auf die ältere deutsche Wortmarke EyeSense für die folgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 10 und 42 gestützt:

–        Klasse 10: „Ophthalmologische Diagnosegeräte“;

–        Klasse 42: „Entwicklung ophthalmologischer Diagnosegeräte“.

7        Als Widerspruchsgrund wurde das Eintragungshindernis des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) geltend gemacht.

8        Am 26. Mai 2010 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zurück.

9        Am 17. Juni 2010 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

10      Mit Entscheidung vom 4. Februar 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. In dieser Entscheidung bestätigte die Beschwerdekammer zunächst den von der Widerspruchsabteilung vorgenommenen Warenvergleich, wonach die Waren der Klasse 10 identisch und die übrigen von den einander gegenüberstehenden Zeichen erfassten Waren und Dienstleistungen ähnlich seien. Anschließend definierte sie das relevante Publikum als deutsche Fachkreise im medizinischen und medizintechnischen Bereich, die den fraglichen Waren normalerweise einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit schenkten und gute Englischkenntnisse hätten. Zum Zeichenvergleich stellte die Beschwerdekammer zunächst fest, dass die visuelle Ähnlichkeit der Zeichen „unterdurchschnittlich“ sei. Zwar stimmten die Zeichen in den letzten fünf Buchstaben überein, doch werde die Wirkung dieser Übereinstimmung abgeschwächt, weil in der älteren Marke diese Buchstabenfolge durch den Großbuchstaben „S“ von den ersten Buchstaben deutlich erkennbar abgetrennt sei, was bei der angemeldeten Marke nicht der Fall sei. Folglich seien die Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen, die sich an deren Beginn fänden, stärker zu gewichten. Außerdem habe der relevante Fachverkehr im Unterschied dazu, wie er die ältere Marke ausspreche, auch bei sehr guten Englischkenntnissen keinen Anlass, beim Aussprechen der Anmeldemarke den Anfang der Marke, also den Buchstaben „i“, von den folgenden Buchstaben „s“, „e“, „n“, „s“ und „e“ abzuspalten. Im Englischen gebe es nämlich keinen Begriff, der der Verbindung des durch den Großbuchstaben „I“ dargestellten Personalpronomens mit dem Begriff „sense“ entspreche. Die angesprochenen Verkehrskreise neigten vielmehr dazu, den Anfang der Marke so zu lesen, dass er „isen“ ausgesprochen werde, was keine Bedeutung habe. Sodann stellte die Beschwerdekammer fest, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine phonetische Unähnlichkeit bestehe, da die ältere Marke nach den Regeln der englischen Phonetik „aï‑ssenss“ ausgesprochen werde, die angemeldete Marke hingegen „i‑sen‑se“, ohne diese Regeln zu befolgen. Zum begrifflichen Vergleich führte die Beschwerdekammer aus, dass es auch hier Unterschiede zwischen den fraglichen Zeichen gebe, da die ältere Marke als Verbindung zweier Worte, die „Auge“ und „Sinn“ bedeuteten, verstanden werde, während die angemeldete Marke keinen begrifflichen Gehalt habe. Zudem sei ausgeschlossen, dass es sich beim Buchstaben „i“ um ein phonetisches Äquivalent von „eye“ handele. Die Übereinstimmung der beiden Marken bezüglich der Buchstabenfolge „s“, „e“, „n“, „s“ und „e“, die ein Wort bildeten, das sowohl im Englischen als auch im Deutschen eine Bedeutung besitze, sei nicht entscheidend, da diese Buchstabenfolge nicht als solche in der angemeldeten Marke erkannt werde. Im Hinblick auf die deutlich geschwächte inhärente Kennzeichnungskraft der älteren Marke sowie auf die gewöhnlichen Vermarktungsbedingungen der betroffenen Waren und den erhöhten Aufmerksamkeitsgrad der angesprochenen Verkehrskreise sei daher festzustellen, dass keine Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen bestehe.

 Anträge der Parteien

11      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten einschließlich der im Laufe des Verfahrens vor diesem angefallenen Kosten aufzuerlegen.

12      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

13      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

14      Im Rahmen ihres einzigen Klagegrundes bringt die Klägerin im Wesentlichen drei Rügen in Bezug auf die angefochtene Entscheidung vor. Sie betreffen erstens die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit durch die Beschwerdekammer, zweitens der Schlussfolgerung hinsichtlich der geschwächten Kennzeichnungskraft der älteren Marke und drittens die von ihr vorgenommene Beurteilung der Verwechslungsgefahr.

15      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Zu den „älteren Marken“ gehören nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 207/2009 in einem Mitgliedstaat eingetragene Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke.

16      Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr umfassend, gemäß der Wahrnehmung der betreffenden Zeichen und Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg. 2003, II‑2821, Randnrn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zu den angesprochenen Verkehrskreisen und den fraglichen Waren und Dienstleistungen

17      Was die angesprochenen Verkehrskreise angeht, bestreiten die Parteien im vorliegenden Fall nicht die Feststellung der Beschwerdekammer, dass diese Verkehrskreise aus Fachkreisen des medizinischen und medizintechnischen Bereichs bestünden und dass es sich dabei, da die ältere Marke eine nationale deutsche Marke sei, um deutsche Verbraucher handele. Die Parteien stimmen auch der Feststellung zu, dass diese Fachkreise normalerweise einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad gegenüber den fraglichen Waren zeigten und im Allgemeinen über gute Englischkenntnisse verfügten.

18      Sodann sind die Parteien auch mit der Beurteilung der Beschwerdekammer in Bezug auf den Vergleich der von den einander gegenüberstehenden Zeichen erfassten Waren und Dienstleistungen und insbesondere mit der Feststellung einverstanden, dass zwischen den Waren der Klasse 10 Identität sowie zwischen den übrigen, zu den Klassen 9 und 42 gehörenden Waren und Dienstleistungen Ähnlichkeit bestehe.

19      Da die Beschwerdekammer diese Feststellungen zu Recht getroffen hat, sind sie bei der Prüfung der Begründetheit der vorliegenden Klage zugrunde zu legen.

 Zum Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen

20      In Bezug auf den Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen beanstandet die Klägerin zunächst die Schlussfolgerung der Beschwerdekammer, wonach im vorliegenden Fall die angesprochenen Verkehrskreise beim Aussprechen der Anmeldemarke den Buchstaben „i“ nicht von der Buchstabenfolge „s“, „e“, „n“, „s“ und „e“ abspalteten. Insbesondere müsse davon ausgegangen werden, dass ein Teil dieser Verkehrskreise die angemeldete Marke dem Englischen zuordnen und sie daher entsprechend wahrnehmen und aussprechen werde. Zudem bezeichne die andere Beteiligte am Verfahren vor dem HABM ihre Waren häufig mit englischen Begriffen.

21      Hierzu ist festzustellen, dass, wie sich aus Randnr. 17 des vorliegenden Urteils ergibt, im vorliegenden Fall die angesprochenen Verkehrskreise aus deutschen Fachkreisen des medizinischen und medizintechnischen Bereichs bestehen, die über gute Englischkenntnisse verfügen und deren Aufmerksamkeitsgrad für die fraglichen Waren erhöht ist. Zwar ist unstreitig, dass es im Englischen den Großbuchstaben „I“ als Personalpronomen genauso wie das Wort „sense“ als Wörter mit eigener Bedeutung gibt, doch hat in dieser Sprache das Wortzeichen „ISENSE“ gerade keine unmittelbar erkennbare Bedeutung. Damit diesem Zeichen im Englischen eine Bedeutung zukommt, müssen es die angesprochenen Verkehrskreise vielmehr unter Anwendung der englischen Sprachregeln in zwei Wörter zerlegen.

22      Den Akten ist jedoch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass die angesprochenen, der Natur der Sache nach deutschsprachigen Verkehrskreise die Anmeldemarke als eine Marke englischer Sprache begriffen und infolgedessen Anlass hätten, sie in zwei Bestandteile aufzuspalten. Denn nichts, was die Klägerin vorträgt, lässt die Annahme zu, dass die mit der angemeldeten Marke bezeichneten Waren und Dienstleistungen den deutschen Fachkreisen des medizinischen und medizintechnischen Bereichs nahelegten, das der Anmeldemarke entsprechende Wortzeichen in zwei englische Wörter zu zerlegen. Insoweit ist auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, wonach der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt, ohne auf ihre verschiedenen Einzelheiten zu achten (vgl. Beschluss des Gerichtshofs vom 29. Juni 2011, adp Gauselmann/HABM, C‑532/10 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Der Beschwerdekammer ist folglich in ihrer Beurteilung in Randnr. 15 der angefochtenen Entscheidung zuzustimmen, wonach im vorliegenden Fall die maßgeblichen Verkehrskreise das die angemeldete Marke bildende Wortzeichen schlicht nach den deutschen Sprachregeln lesen und es dementsprechend wie „i‑sen-se“ aussprechen werden, also insbesondere den Buchstaben „i“, wie er im deutschen Wort „Idee“ ausgesprochen wird, und den Buchstaben „s“, wie er im deutschen Wort „Sense“ ausgesprochen wird. Folglich werden, wie die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hat, die betreffenden maßgeblichen Verkehrskreise in dem die angemeldete Marke bildenden Zeichen zunächst den Wortanfang „isen“ (mit weichem „s“) wahrnehmen, gefolgt von „se“ (ebenfalls mit weichem „s“). Bei dieser Lesart hat der Ausdruck „isense“ keine Bedeutung.

24      Diese Feststellung wird auch nicht durch das übrige Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt.

25      Die Klägerin macht geltend, dass sich die Trennung des Buchstabens „i“ von der Buchstabenfolge „s“, „e“, „n“, „s“ und „e“ bei der angemeldeten Marke aus der tatsächlichen Verwendungsform der angemeldeten Marke ergeben könne, die von der anderen Verfahrensbeteiligten im Verfahren vor dem HABM frei gewählt werden könne. Diese sei nicht an die Eintragung der Marke in Großbuchstaben gebunden. Dementsprechend könne sie das Zeichen in jeder Schreibweise benutzen, wie insbesondere „iSENSE“ oder „iSense“. Die Klägerin erwähnt als Beispiel die bekannten Produktmarken der Firma Apple, wie „iPhone“ oder „iPad“, deren Bezeichnung genauso gebildet werde, nämlich durch einen Buchstaben „i“, auf Englisch wie das deutsche Wort „Ei“ ausgesprochen, der mit einem weiteren englischen Begriff zu einem einzigen Wort verbunden werde.

26      Hierzu ist zunächst anzumerken, dass nach ständiger Rechtsprechung zur Prüfung der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen diese in ihrer Gesamtheit, wie sie eingetragen bzw. angemeldet worden sind, zu betrachten sind. Eine Wortmarke besteht ausschließlich aus Buchstaben, Wörtern oder Wortkombinationen in normaler Schriftart ohne spezifische grafische Elemente. Der Schutz, der sich aus der Eintragung ergibt, erstreckt sich auf das in der Anmeldung angegebene Wort und nicht auf die besonderen bildlichen oder gestalterischen Aspekte, die diese Marke möglicherweise annehmen kann. Bei der Prüfung der Ähnlichkeit ist daher die grafische Darstellung, die das angemeldete Wortzeichen in der Zukunft annehmen kann, nicht zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 22. Mai 2008, Radio Regenbogen Hörfunk in Baden/HABM [RadioCom], T‑254/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 43; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 2. Dezember 2009, Volvo Trademark/HABM – Grebenshikova [SOLVO], T‑434/07, Slg. 2009, II‑4415, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Soweit die Klägerin sodann Marken für Waren der Firma Apple anführt, die mit einem Buchstaben „i“ anfangen, ist festzustellen, dass sie keinen konkreten Grund angibt, warum unter den Umständen des vorliegenden Falles der maßgebliche deutschsprachige Verbraucher, wie er in Randnr. 17 des vorliegenden Urteils definiert wird, der den fraglichen Waren erhöhte Aufmerksamkeit schenkt und das die angemeldete Marke bildende Wortzeichen auf die in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils angegebene Art und Weise ausspricht, gewissermaßen dazu verleitet werden sollte, eine Verbindung zu den Waren der Firma Apple herzustellen oder dieses Zeichen zu lesen, wie er es mit den Marken dieses Unternehmens tun würde.

28      Ebenso ist bezüglich des Arguments, dass es in der englischen Sprache üblich sei, Abkürzungen zu verwenden, so dass, wie das Wort „you“ durch den Buchstaben „u“ dargestellt werde, der Buchstabe „i“ auf die gleiche Art und Weise für „eye“ stehen könne, anzunehmen, dass die Beschwerdekammer fehlerfrei davon ausgehen konnte, dass im vorliegenden Fall die maßgeblichen Verkehrskreise den Buchstaben „i“ nicht als Äquivalent des Wortes „eye“ auffassen werden. Den Akten ist im Übrigen nichts zu entnehmen, was diese Beurteilung in Frage stellen könnte. Das englische Wort „eye“ wird im Übrigen für gewöhnlich im Englischen nicht mit einem Buchstaben „i“ abgekürzt. Die Klägerin kann der Beschwerdekammer deshalb nicht vorwerfen, insoweit einen Fehler begangen zu haben. Selbst wenn das Wort „isense“ nach den Standards der englischen Sprache so gelesen werden sollte, dass ein visueller Unterschied zwischen dem Buchstaben „i“ und dem Begriff „sense“ zum Vorschein käme, ist ferner auch nicht ausgeschlossen, dass die angemeldete Marke wie der englische Satz „I sense“ („Ich spüre“) gelesen werden könnte.

29      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdekammer fehlerfrei zu dem Schluss gelangt ist, dass im vorliegenden Fall die maßgeblichen Verkehrskreise den Buchstaben „i“ nicht von der Buchstabenfolge „s“, „e“, „n“, „s“ und „e“ trennen würden, wenn sie das die angemeldete Marke bildende Zeichen lesen.

30      Die Klägerin macht außerdem geltend, dass jedenfalls in Bezug auf beide Marken eine Identität bestehe, die der Verwendung des Begriffs „sense“ in jeder von ihr entspreche, was eine Ähnlichkeit der Zeichen sowohl in schriftbildlicher als auch in phonetischer und begrifflicher Hinsicht zur Folge habe.

31      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es sich bei den einander gegenüberstehenden Zeichen um Wortzeichen handelt, die die Buchstabenfolge „s“, „e“, „n“, „s“ und „e“ gemeinsam haben und sich durch ihren Anfang unterscheiden, nämlich das Wort „eye“ in der älteren Marke und den Buchstaben „i“ in der angemeldeten Marke.

32      Was den visuellen Vergleich angeht, lässt sich zwar nicht leugnen, dass die den beiden Zeichen gemeinsame Buchstabenfolge „s“, „e“, „n“, „s“ und „e“ eine gewisse schriftbildliche Ähnlichkeit zwischen beiden hervorruft, doch ist der Beschwerdekammer in ihrer Beurteilung zuzustimmen, dass die schriftbildliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen dennoch nicht sehr groß sei. Die maßgeblichen deutschen Verkehrskreise werden nämlich zwar in der älteren Marke zunächst das – dem englischen Grundwortschatz zugehörige – Wort „eye“ wahrnehmen, das sie mit dem Begriff des Auges in Verbindung bringen werden, und erst danach die Buchstabenfolge „s“, „e“, „n“, „s“ und „e“; bei der angemeldeten Marke wird dies dagegen nicht der Fall sein. In Randnr. 23 des vorliegenden Urteils ist nämlich darauf hingewiesen worden, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Marke nach den deutschen Sprachregeln lesen und dementsprechend darin zunächst die Buchstaben „i“, „s“, „e“ und „n“ wahrnehmen werden, so dass sie die Buchstabenfolge „s“, „e“, „n“, „s“ und „e“ nicht unbedingt als solche erkennen werden. Folglich sind im vorliegenden Fall ungeachtet dieser gemeinsamen Buchstabenfolge die schriftbildlichen Unterschiede am Anfang der Zeichen bedeutsamer als die nachfolgenden Ähnlichkeiten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Oktober 2009, Deutsche Rockwool Mineralwoll/HABM – Redrock Construction [REDROCK], T‑146/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 64).

33      Zum phonetischen Vergleich ist festzustellen, dass die Anwendung unterschiedlicher Sprachregeln bei der Lektüre der beiden Marken, und zwar der Regeln des Englischen für die ältere Marke und derjenigen des Deutschen für die angemeldete Marke, zu unterschiedlichen Sprachrhythmen und einer unterschiedlichen Aussprache der Zeichen führen. In Anwendung der englischen Ausspracheregeln hat nämlich die ältere Marke zwei Silben und wird „aï‑ssenss“ ausgesprochen, während in Anwendung der deutschen Ausspracheregeln die angemeldete Marke dreisilbig ist und, wie in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils angegeben, „i‑sen‑se“ ausgesprochen wird. Somit ist zu entscheiden, dass die Beschwerdekammer fehlerfrei geschlossen hat, dass der phonetische Vergleich der fraglichen Wortzeichen deren Unähnlichkeit ergebe.

34      Zum begrifflichen Vergleich ist mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass die ältere Marke als auf den „Augen‑Sinn“ bezogen verstanden werden wird, während das die angemeldete Marke bildende Wortzeichen, da es keine Bedeutung im Deutschen hat, für die angesprochenen Verkehrskreise keinen Sinngehalt aufweisen wird. Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die beiden fraglichen Wortzeichen die Buchstabenfolge „s“, „e“, „n“, „s“ und „e“ teilen und dass das Wort „sense“ sowohl auf Englisch (Sinn) als auch auf Deutsch (Sense) eine Bedeutung besitzt, da, wie sich aus der in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils getroffenen Feststellung ergibt, diese Buchstabenfolge in dem die angemeldete Marke bildenden Zeichen von den maßgeblichen Verkehrskreisen, was das die Anmeldemarke betreffende Wortzeichen angeht, nicht als solche wahrgenommen wird. Daher hat die Beschwerdekammer fehlerfrei darauf geschlossen, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen keine begriffliche Ähnlichkeit aufwiesen.

35      Im Licht all dieser Erwägungen ist im Ergebnis festzustellen, dass die Beschwerdekammer beim Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen keinen Fehler begangen hat.

 Zur Verwechslungsgefahr

36      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 17, und Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, Slg. 2006, II‑5409, Randnr. 74).

37      In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer zunächst ausgeführt, dass, auch wenn die Feststellung einer visuellen Ähnlichkeit, und sei sie gering, ausreiche, um den Befund der Unähnlichkeit der Marke auszuschließen (Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Matratzen Concord/HABM – Hukla Germany [MATRATZEN], T‑6/01, Slg. 2002, II‑4335, Randnr. 30), eine Markenähnlichkeit in nur einer – wie hier der visuellen – Hinsicht nicht automatisch zur Feststellung der Verwechslungsgefahr genüge (Urteil des Gerichtshofs vom 23. März 2006, Mülhens/HABM, C‑206/04 P, Slg. 2006, I‑2717, Randnrn. 20 bis 23). Sie hielt es daher für nötig, die Ähnlichkeit durch Abwägung mit allen anderen relevanten Kriterien zu gewichten.

38      So hat die Beschwerdekammer erstens festgestellt, dass die ältere Marke eine deutlich geschwächte inhärente Kennzeichnungskraft habe, da die von dieser Marke erfassten Waren und Dienstleistungen ophthalmologische Diagnosegeräte beträfen, die sich mit dem menschlichen Auge befassten, und da die beiden Bestandteile der älteren Marke „eye“ und „sense“ auf Eigenschaften dieser Waren und Dienstleistungen hinwiesen. Zweitens hat sie die gewöhnlichen Vermarktungsbedingungen der Waren und den erhöhten Aufmerksamkeitsgrad der angesprochenen Verkehrskreise in die Gesamtabwägung eingestellt. Sie nahm an, dass die Bestellungen derartig teurer, spezifischer Waren und der sich darauf beziehenden Dienstleistungen selten mündlich getätigt würden. Vielmehr werde die Auswahl nach Katalog oder im Anschluss an den Test des Produkts und nach sorgfältiger Prüfung der technischen Leistungsmerkmale der Diagnosegeräte getroffen.

39      Aufgrund dieser Erwägungen kam die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis, dass im Hinblick auf die deutlich geschwächte inhärente Kennzeichnungskraft der älteren Marke sowie die gewöhnlichen Vermarktungsbedingungen der betroffenen Waren und den erhöhten Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise auch für identische Waren keine Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen bestehe.

40      Die Klägerin wendet sich erstens gegen die Feststellung der Beschwerdekammer, dass die Kennzeichnungskraft der älteren Marke aufgrund ihres Sinngehalts, der auf die Eigenschaften der ophthalmologischen Diagnosegeräte hindeute, deutlich geschwächt sei. So könne der Begriff „sense“ auf viele Arten übersetzt werden. Zudem komme auch mit der von der Beschwerdekammer unterstellten Bedeutung „Augensinn“ der älteren Marke im Hinblick auf ihre Waren und ihre Dienstleistungen kein glatt beschreibender Sinngehalt zu.

41      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass, um die Kennzeichnungskraft einer Marke zu bestimmen, umfassend zu prüfen ist, inwieweit die Marke geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Bei dieser Beurteilung sind insbesondere die Eigenschaften zu berücksichtigen, die die Marke von Haus aus besitzt, einschließlich des Umstands, ob sie beschreibende Elemente in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden ist, aufweist, des von der Marke gehaltenen Marktanteils, der Intensität, der geografischen Verbreitung und der Dauer der Benutzung dieser Marke, des Werbeaufwands des Unternehmens für die Marke und des Teils der beteiligten Verkehrskreise, der die Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt (Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, Slg. 1999, I‑3819, Randnrn. 22 und 23).

42      Im vorliegenden Fall gibt die ältere Marke zweifellos – und die Klägerin räumt dies im Übrigen selbst ein – einen Hinweis darauf, dass die Produkte oder ihre Entwicklung mit dem menschlichen Auge in Zusammenhang stehen. So ist festzustellen, dass der Bestandteil „eye“ der älteren Marke jedenfalls als eine beschreibende Bezeichnung des Gegenstands verstanden wird, auf den sich die mit der älteren Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen beziehen, nämlich das Auge. Da der zweite Bestandteil, „sense“, auf das Auge als Sinnesorgan zielt, ergänzt er den Bestandteil „eye“ in seiner beschreibenden Wirkung. Unter diesen Umständen kann, da es sich bei den von der älteren Marke erfassten Waren um „ophthalmologische Diagnosegeräte“ und bei den von ihr erfassten Dienstleistungen um die „Entwicklung ophthalmologischer Diagnosegeräte“ handelt, die Klägerin der Beschwerdekammer nicht vorwerfen, dass sie einen Fehler begangen habe, als sie der älteren Marke eine geschwächte Kennzeichnungskraft zugesprochen habe.

43      Das Vorbringen der Klägerin, dass die ältere Marke entgegen den Feststellungen der Beschwerdekammer für die von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen nicht rein beschreibend sei, geht ins Leere. Die Beschwerdekammer ist nämlich nicht davon ausgegangen, dass die ältere Marke rein beschreibend sei, sondern hat lediglich ausgeführt, dass sie im Licht der – in der vorstehenden Randnummer – dargelegten Erwägungen über eine geschwächte Kennzeichnungskraft verfüge.

44      Zweitens beanstandet die Klägerin die Feststellung der Beschwerdekammer, dass der visuelle Vergleich im vorliegenden Fall, da die Waren normalerweise auf Sicht gekauft würden, wichtiger sei als der phonetische. Zum einen ließen sich telefonische Bestellungen dieser Waren nicht ausschließen, und zum anderen könne es im Bereich der fraglichen Waren auch zu einem Erfahrungsaustausch unter Kollegen oder mündlichen Empfehlungen von Waren kommen. Eine phonetische Verwechslung könne sich daher in relevanter Weise niederschlagen.

45      Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin nicht die Beurteilung der Beschwerdekammer in Frage stellt, wonach bei Waren wie den mit der älteren Marke gekennzeichneten, die in der Regel sehr teuer und eher spezifisch seien, wie auch bei den sich darauf beziehenden Dienstleistungen Bestellungen normalerweise schriftlich nach sorgfältiger Prüfung des fraglichen Produkts oder der fraglichen Dienstleistungen getätigt würden. Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer vielmehr vor, bei der Gesamtwürdigung der Verwechslungsgefahr nicht die möglichen Folgen einer phonetischen Verwechslung berücksichtigt zu haben.

46      Ein solches Vorbringen geht jedoch zwingend von der Prämisse aus, dass ein gewisser Grad an phonetischer Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Zeichen besteht. Sollte es nämlich an einer phonetischen Ähnlichkeit dieser Zeichen, und sei sie auch nur schwach ausgeprägt, fehlen, wäre eine phonetische Verwechslung nicht möglich, so dass die Beschwerdekammer sie bei ihrer Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht hätte berücksichtigen müssen. Wie in Randnr. 33 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hat die Beschwerdekammer aber fehlerfrei festgestellt, dass im vorliegenden Fall die Zeichen in phonetischer Hinsicht unähnlich seien. Unter diesen Umständen kann dem Vorbringen der Klägerin nicht gefolgt werden, da es auf einer Prämisse beruht, die sich als falsch erwiesen hat.

47      Aus alledem ergibt sich, dass zu entscheiden ist, dass die Beschwerdekammer bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr keinen Fehler begangen hat. Somit ist der einzige Klagegrund zurückzuweisen und folglich die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

48      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

49      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die EyeSense AG trägt die Kosten.

Azizi

Cremona

Frimodt Nielsen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. März 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.