Language of document : ECLI:EU:C:2013:773

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

28. November 2013(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 91/271/EWG – Behandlung von kommunalem Abwasser – Urteil des Gerichtshofs, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wird – Nichtdurchführung – Art. 260 AEUV – Finanzielle Sanktionen – Verhängung eines Zwangsgelds und eines Pauschalbetrags“

In der Rechtssache C‑576/11

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 260 AEUV, eingereicht am 18. November 2011,

Europäische Kommission, vertreten durch O. Beynet, B. Simon und E. Manhaeve als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch P. Frantzen und C. Schiltz als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch S. Behzadi-Spencer, C. Murrell und S. Ford als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter) und E. Levits,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2013,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission,

–        festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, dass es nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil vom 23. November 2006, Kommission/Luxemburg (C‑452/05), ergeben;

–        das Großherzogtum Luxemburg zu verurteilen, an die Kommission ein Zwangsgeld in Höhe von 11 340 Euro für jeden Tag, um den sich die Durchführung des Urteils Kommission/Luxemburg verzögert, ab dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zu dem Tag zu zahlen, an dem das Urteil Kommission/Luxemburg durchgeführt sein wird;

–        das Großherzogtum Luxemburg zu verurteilen, an die Kommission einen täglichen Pauschalbetrag von 1 248 Euro ab dem Tag der Verkündung des Urteils Kommission/Luxemburg bis zum Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache oder, wenn dieser Tag früher kommt, bis zu dem Tag zu zahlen, an dem das Urteil Kommission/Luxemburg durchgeführt sein wird;

–        dem Großherzogtum Luxemburg die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtlicher Rahmen

2        In Art. 1 der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (ABl. L 135, S. 40, im Folgenden: Richtlinie 91/271 oder Richtlinie) werden die folgenden Ziele genannt:

„Diese Richtlinie betrifft das Sammeln, Behandeln und Einleiten von kommunalem Abwasser und das Behandeln und Einleiten von Abwasser bestimmter Industriebranchen.

Ziel dieser Richtlinie ist es, die Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen dieses Abwassers zu schützen.“

3        Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 91/271 definiert „ein[en] Einwohnerwert (EW)“ als „organisch-biologisch abbaubare Belastung mit einem biochemischen Sauerstoffbedarf in 5 Tagen (BSB5) von 60 g Sauerstoff pro Tag“.

4        Art. 5 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Für die Zwecke des Absatzes 2 weisen die Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 1993 empfindliche Gebiete gemäß den in Anhang II festgelegten Kriterien aus.

(2)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das in empfindliche Gebiete eingeleitete kommunale Abwasser aus Kanalisationen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW spätestens ab 31. Dezember 1998 vor dem Einleiten in Gewässer einer weitergehenden als der in Artikel 4 beschriebenen Behandlung unterzogen wird.

(4)      Die für einzelne Behandlungsanlagen in den Absätzen 2 und 3 gestellten Anforderungen müssen jedoch nicht in den empfindlichen Gebieten eingehalten werden, für welche nachgewiesen werden kann, dass die Gesamtbelastung aus allen kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in diesem Gebiet sowohl von Phosphor insgesamt als auch von Stickstoff insgesamt um jeweils mindestens 75 % verringert wird.

(5)      Die Absätze 2, 3 und 4 gelten für Abwasser aus kommunalen Behandlungsanlagen in den jeweiligen Wassereinzugsgebieten empfindlicher Gebiete, die zur Verschmutzung dieser Gebiete beitragen.

In Fällen, in denen die genannten Wassereinzugsgebiete ganz oder teilweise in einem anderen Mitgliedstaat liegen, gilt Artikel 9.

(8)      Ein Mitgliedstaat ist von der Verpflichtung, für die Zwecke dieser Richtlinie empfindliche Gebiete auszuweisen, befreit, wenn er die nach den Absätzen 2, 3 und 4 geforderte Behandlung in seinem gesamten Gebiet anwendet.“

 Das Urteil Kommission/Luxemburg

5        In der Rechtssache, die zu dem Urteil Kommission/Luxemburg führte, hatte das Großherzogtum Luxemburg vor dem Gerichtshof geltend gemacht, es sei ein nationales Aktionsprogramm zur Modernisierung der kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen eingeführt worden, damit die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 91/271 eingehalten würden. Es sei davon auszugehen, dass sich die Gesamtbelastung mit Stickstoff spätestens nach Beendigung der Modernisierung der Abwasserbehandlungsanlagen um 75 % verringert haben werde.

6        Die Kommission war ihrerseits der Ansicht, dass acht der elf Gemeinden mit einem EW von mehr als 10 000 nicht die Richtlinie 91/271 einhielten.

7        Im Urteil Kommission/Luxemburg stellte der Gerichtshof fest, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 91/271 verstoßen hatte, dass es nicht nachweisen konnte, dass die Gesamtbelastung mit Stickstoff, der in alle fraglichen Abwasserbehandlungsanlagen eintritt, um mindestens 75 % verringert worden sei.

 Das Vorverfahren

8        Zur Überprüfung der Durchführung des Urteils Kommission/Luxemburg forderte die Kommission das Großherzogtum Luxemburg am 6. Dezember 2006 auf, die Maßnahmen zu beschreiben, die es ergriffen habe, um dieses Urteil durchzuführen.

9        Mit Mahnschreiben vom 27. März 2007 teilte die Kommission dem Großherzogtum Luxemburg mit, dass sie noch keine Informationen über die von diesem Mitgliedstaat zur Durchführung des Urteils Kommission/Luxemburg getroffenen Maßnahmen erhalten habe. Das Großherzogtum Luxemburg beantwortete dieses Mahnschreiben am 7. August 2007.

10      Nach dieser Antwort, die sie für nicht zufriedenstellend hielt, richtete die Kommission am 23. Oktober 2007 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Großherzogtum Luxemburg. Dieses antwortete hierauf mit Schreiben vom 21. Januar 2008 und 23. Dezember 2009.

11      Am 28. Juni 2010 wurde ein ergänzendes Mahnschreiben an den Mitgliedstaat gerichtet, das dieser mit Schreiben vom 17. September 2010, 12. Mai 2011 und 28. Juni 2011 beantwortete.

12      Angesichts der Antworten des Großherzogtums Luxemburg war die Kommission der Auffassung, dass dieses das Urteil Kommission/Luxemburg noch immer nicht vollständig durchgeführt habe, da sechs Abwasserbehandlungsanlagen, die Gebiete mit mehr als 10 000 EW versorgten, Ende 2010 noch immer nicht in Einklang mit den Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 91/271 gestanden hätten.

13      Da die Kommission der Ansicht war, dass das Großherzogtum Luxemburg die sich aus dem Urteil Kommission/Luxemburg ergebenden Maßnahmen nicht fristgemäß getroffen habe, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

 Die im Laufe des Verfahrens eingetretenen Entwicklungen

14      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 16. April 2012 ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Großherzogtums Luxemburg zugelassen worden.

15      In der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2013 ist deutlich geworden, dass die Kommission und das Großherzogtum Luxemburg unterschiedliche Berechnungsmethoden verwendet haben, um den Prozentsatz zu ermitteln, zu dem die betroffenen Abwasserbehandlungsanlagen mit den Anforderungen der Richtlinie in Einklang stehen.

16      Die Kommission meint, das Großherzogtum Luxemburg bewerte die Anlagen, die die Stadt Luxemburg versorgten, auf der Grundlage eines Kriteriums vom 15 mg Stickstoff insgesamt pro Liter, während nach Tabelle 2 des Anhangs I der Richtlinie 91/271 bei einer Gemeinde von mehr als 100 000 EW die Kriterien von 10 mg Stickstoff insgesamt pro Liter zu erfüllen seien. Bei Zugrundelegung der von der Kommission angewandten Kriterien wären vier Anlagen nicht mit der Richtlinie konform. Das Großherzogtum Luxemburg meint dagegen, dass nur noch zwei von sechs Anlagen nicht richtlinienkonform seien.

17      In der mündlichen Verhandlung hat das Großherzogtum Luxemburg erklärt, nur zwei Anlagen entsprächen nicht den Bestimmungen der Richtlinie 91/271, nämlich die von Bonnevoie und Bleesbruck. Bei der ersten sollten die Arbeiten spätestens im Laufe des Jahres 2014 abgeschlossen sein. Für die zweite konnte der Bevollmächtigte Luxemburgs kein konkretes Datum für das Ende der Arbeiten nennen, führte aber aus, dass diese Arbeiten jedenfalls länger dauern sollten als die für die Anlage von Bonnevoie.

 Zur Vertragsverletzung

 Vorbringen der Parteien

18      Zu der geltend gemachten Vertragsverletzung weist die Kommission darauf hin, dass nach Art. 260 Abs. 1 AEUV ein Mitgliedstaat, in Bezug auf den der Gerichtshof feststelle, dass er gegen eine seiner Verpflichtungen aus dem AEU-Vertrag verstoßen habe, die Maßnahmen zu ergreifen habe, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergäben. Zu der Frist, innerhalb deren die Durchführung eines solchen Urteils erfolgen müsse, sei der ständigen Rechtsprechung zu entnehmen, dass das Interesse an einer sofortigen und einheitlichen Anwendung des Rechts der Union es verlange, dass diese Durchführung sofort in Angriff genommen und innerhalb kürzestmöglicher Frist abgeschlossen werde (Urteil vom 9. Dezember 2008, Kommission/Frankreich, C‑121/07, Slg. 2008, I‑9159, Randnr. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Das Großherzogtum Luxemburg weist darauf hin, dass sich die Situation der sechs betroffenen Abwasserbehandlungsanlagen weiterentwickelt habe. Es hat zu den sechs Abwasserbehandlungsanlagen Stellung genommen und Erklärungen zu den gerügten Verstößen abgegeben.

20      Zu der Abwasserbehandlungsanlage von Übersyren führt das Großherzogtum Luxemburg aus, dieser Anlage werde das Abwasser des Flughafens von Luxemburg zugeleitet. Die außerordentlich starken Schneefälle im Dezember 2010 seien Ursache für eine ungewöhnliche Überschreitung der Werte in diesem Monat. Dies liege an der Menge der Mittel, die eingesetzt worden seien, um die Start- und Landebahnen, das Rollfeld und die Verkehrsanlagen zu räumen sowie die Flugzeuge vor ihrem Start zu enteisen. Die Regelwidrigkeit des Parameters „Biochemischer Sauerstoffbedarf“ beruhe auf der Verwendung großer Mengen von Glykol als Enteisungsmittel auf den Flügeln der Flugzeuge in diesem Zeitraum. Die Überschreitung des Schwellenwerts für diesen Parameter habe keine Auswirkungen auf die Eliminierung von stickstoffhaltigen Verbindungen, so dass – entgegen dem von der Kommission vermittelten Bild − die Schlussfolgerungen, die die nationalen Behörden zulässigerweise aus den Analyseergebnissen gezogen hätten, nicht unstimmig seien.

21      Das schlechte Ergebnis nur im Dezember 2010 habe zur Regelwidrigkeit der Abwasserbehandlungsanlage Übersyren für das Jahr 2010 geführt, obwohl die Leistung dieser Abwasserbehandlungsanlage seit 2003 den von der Richtlinie 91/271 vorgeschriebenen Werten entspreche. Die bislang für 2011 ermittelten Werte bestätigten, dass es sich um ein außergewöhnliches Ereignis gehandelt habe.

22      Die Abwasserbehandlungsanlage von Beggen, so erläutert das Großherzogtum Luxemburg weiter, sei im ersten Halbjahr 2011 in Betrieb genommen worden und die weitaus größte Abwasserbehandlungsanlage ganz Luxemburgs. Mit einer Behandlungskapazität von 300 000 EW habe sie eine dreimal höhere Behandlungskapazität als die zweitgrößte Anlage des Landes. Sie sichere zudem die Behandlung der Hälfte der Belastung, die im Ballungsraum der Stadt Luxemburg anfalle. Die Leistungen verbesserten sich kontinuierlich und erlaubten die Schlussfolgerung, dass die Anlage nahe daran sei, das erforderliche Leistungsniveau zu erreichen.

23      Die für die Anlage von Hesperange gesammelten Ergebnisse zeigten ebenfalls, dass die Leistungen dem von der Richtlinie 91/271 vorgeschriebenen Niveau entsprächen.

24      Aufgrund der außergewöhnlichen meteorologischen Bedingungen des Winters 2010 habe die Baustelle der Abwasserbehandlungsanlage von Mersch eine leichte Verspätung zu verzeichnen gehabt, so dass die Inbetriebnahme des ersten Abschnitts, mit dem die Behandlung einer zur Deckung des aktuellen Bedarfs ausreichenden Abwassermenge gewährleistet werden könne, erst im ersten Quartal des Jahres 2012 statt bereits im dritten Quartal des Jahres 2011 erfolgen sollte.

25      Nach erneuten Verhandlungen mit der für die Vergabe der Arbeiten zuständigen Behörde sei Anfang Oktober 2011 der Auftrag für die Aushubarbeiten für den Kollektor erteilt worden, der die Zuleitung des gegenwärtig von der Abwasserbehandlungsanlage in Bonnevoie behandelten Abwassers zur Abwasserbehandlungsanlage Beggen sicherstellen solle. Mit den Bauarbeiten sei begonnen worden, die Frist für die Durchführung belaufe sich auf 900 Tage.

26      Schließlich führt das Großherzogtum Luxemburg aus, dass das Vorhaben der Erweiterung und Modernisierung der Abwasserbehandlungsanlage von Bleesbruck gerade ausgearbeitet werde und jedenfalls das Ergebnis der laufenden Umweltverträglichkeitsstudie berücksichtigen solle.

27      Schließlich betont das Großherzogtum Luxemburg, dass eine Sanktion zwar angemessen und abschreckend sein müsse, aber die Arbeiten, um dem Urteil Kommission/Luxemburg nachzukommen, in Angriff genommen worden seien und nicht beschleunigt werden könnten. Es handele sich nämlich nicht einfach um den Erlass eines Rechtsakts durch die Abgeordnetenkammer, sondern um Bauarbeiten, die durch Neubauten, Umbauten und weitere Baumaßnahmen den Anforderungen des Urteils Kommission/Luxemburg gerecht werden sollten.

 Würdigung durch den Gerichtshof

28      Nach Art. 260 Abs. 2 AEUV kann die Kommission, wenn sie der Auffassung ist, dass der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben, nicht getroffen hat, den Gerichtshof anrufen, nachdem sie diesem Staat zuvor Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Hierbei benennt sie die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds, die sie den Umständen nach für angemessen hält.

29      Als maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer Vertragsverletzung nach Art. 260 Abs. 1 AEUV ist dabei auf den Ablauf der Frist abzustellen, die in dem nach dieser Bestimmung versandten Mahnschreiben gesetzt wurde (Urteile vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, Randnr. 67, sowie vom 25. Juni 2013, Kommission/Tschechische Republik, C‑241/11, Randnr. 23).

30      Im vorliegenden Fall ist das Großherzogtum Luxemburg, wie es in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, wenigstens in Bezug auf zwei Abwasserbehandlungsanlagen nicht den im Urteil Kommission/Luxemburg vorgeschriebenen Anforderungen nachgekommen. Folglich steht fest, dass dieser Mitgliedstaat nach Ablauf der Frist von zwei Monaten nach Erhalt des in Randnr. 11 des vorliegenden Urteils erwähnten ergänzenden Mahnschreibens, nämlich am 28. August 2010, jedenfalls nicht alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hatte, um den Verpflichtungen aus diesem Urteil in vollem Umfang nachzukommen.

31      Daher ist festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, dass es nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil Kommission/Luxemburg ergeben.

 Zu den finanziellen Sanktionen

 Vorbringen der Parteien

32      Die Kommission beantragt, das Großherzogtum Luxemburg zu verurteilen, einen Pauschalbetrag von 1 248 Euro pro Tag seit der Verkündung des Urteils Kommission/Luxemburg entweder bis zum Urteilserlass im vorliegenden Verfahren oder bis zur vollständigen Durchführung des erstgenannten Urteils und außerdem ein Zwangsgeld vom 11 340 Euro ab Verkündung des zweiten Urteils bis zur vollständigen Durchführung des ersten Urteils zu zahlen.

33      Unter Bezugnahme auf die Leitlinien, die in ihrer Mitteilung vom 13. Dezember 2005 über die „Anwendung von Artikel 228 des EG-Vertrags“ (SEC[2005] 1658) in der durch die Mitteilung vom 20. Juli 2010 über die „Anwendung von Artikel 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – Aktualisierung der Daten zur Berechnung der Pauschalbeträge und Zwangsgelder, die die Kommission dem Gerichtshof bei Vertragsverletzungsverfahren vorschlägt“ (SEC[2010] 923/3) aktualisierten Fassung enthalten sind, vertritt die Kommission die Auffassung, dass bei der Festlegung finanzieller Sanktionen auf die Schwere der Zuwiderhandlung, auf deren Dauer und auf die Notwendigkeit abzustellen sei, die Abschreckungswirkung der Sanktion zu gewährleisten, um Wiederholungsfällen vorzubeugen.

34      Was zunächst die Schwere der Zuwiderhandlung betrifft, so schlägt die Kommission die Verhängung von Sanktionen vor, die auf der Grundlage eines Schwerekoeffizienten von 6 auf 20 berechnet seien. Maßgebend hierfür seien sowohl die Bedeutung der verletzten Unionsvorschriften, nämlich Bestimmungen einer Richtlinie zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, als auch die Folgen der Nichtdurchführung des Urteils für allgemeine und private Interessen und schließlich das Ausmaß der sich daraus ergebenden Verschmutzungsgefahr.

35      Zum Kriterium der Dauer der Zuwiderhandlung führt die Kommission aus, dass die Höhe des Pauschalbetrags nach dem Zeitraum zu berechnen sei, der zwischen der Verkündung des Urteils Kommission/Luxemburg, dessen Durchführung verlangt werde, und dem Zeitpunkt verstrichen sei, an dem sie beschlossen habe, den Gerichtshof mit dem vorliegenden Verfahren zu befassen, also nach einem Zeitraum von etwa 59 Monaten. Unter Zugrundelegung ihrer Mitteilung vom 13. Dezember 2005 entspreche dies einem Dauerkoeffizienten von 3.

36      Was schließlich die Notwendigkeit einer abschreckenden Sanktion betreffe, die geeignet sei, Wiederholungsfälle zu verhindern, so habe die Kommission in Anwendung ihrer Mitteilung vom 20. Juli 2010 den Faktor „n“, der auf die Zahlungsfähigkeit des Großherzogtums Luxemburg abstelle, auf 1 festgesetzt.

37      In seinen schriftlichen und mündlichen Ausführungen macht das Großherzogtum Luxemburg geltend, dass die unternommenen Anstrengungen und Verbesserungen sowie die erforderlichen Arbeiten, um dem Urteil Kommission/Luxemburg nachzukommen, für die Beurteilung von Schwere und Dauer der Vertragsverletzung berücksichtigt werden müssten. Dem Urteil habe nämlich nicht einfach mit einem Rechtsetzungsakt entsprochen werden können. Seine Befolgung erfordere vielmehr ein Bündel von Planungen, für verschiedene Verzögerungen verantwortlichen Mittelfreigaben und Arbeiten. Die nötige Zeitdauer, um dem Urteil nachzukommen, sei darum länger als für einen einfachen Rechtsetzungsakt.

38      Das Großherzogtum Luxemburg fügt hinzu, dass der Schweregrad entsprechend beurteilt werden müsse. Eine längere Dauer bei der Ausräumung der Regelwidrigkeit im konkreten Fall rechtfertige nicht zwangsläufig eine strengere Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und somit die Auferlegung eines höheren Pauschalbetrags.

39      Das Vereinigte Königreich ist der Auffassung, die Kommission müsse im Rahmen großer Infrastrukturprojekte wie im vorliegenden Fall eine angemessene Umsetzungsfrist vorsehen, und zwar unter Berücksichtigung einer Reihe von Parametern wie der Planung des Projekts, der technischen Durchführung des Projekts oder der Art der zu beachtenden Vorschriften. Die Kommission müsse gegebenenfalls auch Ereignisse berücksichtigen, die dem betreffenden Mitgliedstaat nicht zuzurechnen seien, wie z. B. Fälle von Naturkatastrophen. In die Prüfung der Frage, ob eine Frist angemessen sei oder nicht, seien zudem die im Unionsrecht und im nationalen Recht vorgesehenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren einzubeziehen. Schließlich sei es Sache der Kommission, zu beweisen, dass die Zeit, die für die Durchführung eines Urteils aufgewandt worden sei, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt worden sei, unangemessen sei.

40      Die Kommission müsse bereit sein, dem betreffenden Mitgliedstaat eine angemessene Frist nicht nur für die Realisierung der notwendigen Mindestarbeiten zuzugestehen, sondern auch für die Verwirklichung eines ambitionierteren Vorhabens zum Schutz der Umwelt, das ein Mitgliedstaat möglicherweise durchführen wolle, um einem nach Art. 258 AEUV ergangenen Urteil nachzukommen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

41      Auf der Grundlage seiner Feststellung, dass das Großherzogtum Luxemburg dem Urteil Kommission/Luxemburg, dessen Durchführung die Kommission verfolgt, nicht nachgekommen ist, kann der Gerichtshof diesem Mitgliedstaat nach Art. 260 Abs. 2 AEUV die Zahlung eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds auferlegen.

42      Hierbei ist als maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer Vertragsverletzung nach Art. 260 Abs. 1 AEUV auf den Ablauf der Frist abzustellen, die in dem nach dieser Bestimmung versandten Mahnschreiben gesetzt wurde (Urteile Kommission/Spanien, Randnr. 67, und Kommission/Tschechische Republik, Randnr. 23). Wenn jedoch das Vertragsverletzungsverfahren auf der Grundlage von Art. 228 Abs. 2 EG eingeleitet wurde, ist der maßgebende Zeitpunkt für die Beurteilung einer Vertragsverletzung das Ende der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, d. h. vor dem 1. Dezember 2009, abgegeben wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 2011, Kommission/Italien, C‑496/09, Slg. 2011, I‑11483, Randnr. 27).

 Zum Zwangsgeld

–       Zum Grundsatz der Auferlegung eines Zwangsgelds

43      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Verhängung eines Zwangsgelds grundsätzlich nur insoweit gerechtfertigt, als die Vertragsverletzung, die sich aus der Nichtdurchführung eines früheren Urteils ergibt, bis zur Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof andauert (Urteil vom 19. Dezember 2012, Kommission/Irland, C‑374/11, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die zur Durchführung des Urteils Kommission/Luxemburg notwendigen Maßnahmen zum Zeitpunkt dieser Prüfung und der mündlichen Verhandlung noch nicht in vollem Umfang ausgeführt worden waren.

45      Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Verurteilung des Großherzogtums Luxemburg zur Zahlung eines Zwangsgelds ein angemessenes Mittel ist, um die vollständige Durchführung des Urteils Kommission/Luxemburg sicherzustellen.

–       Zur Höhe des Zwangsgelds

46      Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bei der Ausübung seines Ermessens auf diesem Gebiet das Zwangsgeld so festzusetzen hat, dass es den Umständen angepasst ist und in einem angemessenen Verhältnis zur festgestellten Vertragsverletzung und zur Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats steht (vgl. Urteil Kommission/Irland, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Im Rahmen der Beurteilung durch den Gerichtshof sind zur Gewährleistung des Charakters des Zwangsgelds als Druckmittel im Hinblick auf die einheitliche und wirksame Anwendung des Unionsrechts grundsätzlich die Dauer der Zuwiderhandlung, ihr Schweregrad und die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats als Kriterien heranzuziehen. Bei der Anwendung dieser Kriterien hat der Gerichtshof insbesondere zu berücksichtigen, welche Folgen die Nichterfüllung der Verpflichtungen für die betroffenen öffentlichen und privaten Interessen hat und wie dringend es ist, dass der betreffende Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen nachkommt (vgl. Urteil Kommission/Spanien, Randnr. 119 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission vorschlägt, bei der Berechnung der Höhe des Zwangsgelds die schrittweise Reduzierung der Zahl regelwidriger EW, d. h. der nicht gesammelten, der nicht behandelten oder der nicht ausreichend behandelten Abwässer, zu berücksichtigen. Dadurch ließen sich die vom Großherzogtum Luxemburg realisierten Fortschritte zur Durchführung des Urteils Kommission/Luxemburg und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen.

49      In ihrer Klageschrift erläutert die Kommission, dass die Berechnungsweise des Zwangsgelds dem Ziel angepasst werden sollte, dem Großherzogtum Luxemburg keine Sanktion für einen vom Gerichtshof festgestellten Verstoß aufzuerlegen, der während des Zeitraums abgestellt worden sei, welcher für den Nachweis der Herstellung einer entsprechenden Konformität erforderlich sei. So verhalte es sich, wenn am Ende dieses Zeitraums festgestellt werde, dass die durchgeführte Behandlung während dieses Zeitraums mit der Richtlinie 91/271 in Einklang gestanden habe.

50      In diesem Sinne spricht sich die Kommission dafür aus, in die Berechnung der Höhe des Zwangsgelds die Gesamtzahl der von einer tertiären Behandlung betroffenen EW für einen Zeitraum von sechs Monaten nicht einzubeziehen. Am Ende dieses Zeitraums von sechs Monaten sei bei der Abwasserbehandlungsanlage, wenn die Ergebnisse in Bezug auf die Häufigkeit der Entnahmen und der richtigen Werte der Richtlinie 91/271 entsprächen, erstens davon auszugehen, dass sie eine regelkonforme Behandlung durchführe und die entsprechenden EW endgültig von der Berechnung des Zwangsgelds abzuziehen seien. Zweitens seien, wenn die Ergebnisse über sechs Monate hinweg zeigten, dass der Betrieb der Abwasserbehandlungsanlage nicht regelkonform sei, die entsprechenden EW wieder in die Berechnung des Zwangsgelds einzubeziehen. Schließlich könne drittens in Fällen mittelmäßiger Ergebnisse, die möglicherweise jedoch über einen Zeitraum von zwölf Monaten hinweg regelkonform seien, ein neuer Aussetzungszeitraum von sechs Monaten beschlossen werden. Falls eine Ordnungsmäßigkeit nicht zu bestätigen sei, würden die entsprechenden EW wieder in die Berechnung des Zwangsgelds einbezogen und seien dann für den gesamten zwölfmonatigen Zeitraum der Aussetzung geschuldet.

51      Im vorliegenden Fall sind zwar nach Angabe des Großherzogtums Luxemburg die Einleitungen regelwidriger EW in Luxemburg im Verlauf des Jahres 2011 gesunken, wodurch sich ihr Satz (in EW) von 64 % auf 21 % verringert hat. Dennoch sind auch die von der Kommission festgestellten erschwerenden Umstände zu berücksichtigen.

52      Als Erstes sind, wie die Kommission festgestellt hat, seit dem Urteil Kommission/Luxemburg mehr als fünf Jahre vergangen. Das Großherzogtum Luxemburg hatte bis heute mehr als ausreichend Zeit, um das Urteil in vollem Umfang durchzuführen, zumal in der Richtlinie 91/271 ursprünglich fünf Jahre vorgesehen waren, um den aus ihr erwachsenden Verpflichtungen nachzukommen.

53      Als Zweites waren die luxemburgischen Behörden damit, dass sie das gesamte Hoheitsgebiet als „empfindliches Gebiet“ auswiesen, zu der Beurteilung gelangt, dass die Oberflächengewässer bereits von einer Eutrophierung befallen seien oder in Kürze befallen werden würden. Diese mit ihrem Schreiben von 1999 gegenüber der Kommission bestätigte Ausweisung führt zu dem Schluss, dass dem Großherzogtum Luxemburg die Notwendigkeit, seine Abwasserbehandlungsanlagen durch die Ausführung von Baumaßnahmen mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen, zumindest seit 1999 nicht unbekannt sein konnte.

54      Im vorliegenden Fall ist das Zwangsgeld nicht auszusetzen oder zu verringern, bevor das Großherzogtum Luxemburg nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil Kommission/Luxemburg und somit aus den Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/271 ergeben.

55      Es ist jedoch festzustellen, dass die Auferlegung eines Betrags in der von der Kommission vorgeschlagenen Höhe nicht der Tatsache angemessen Rechnung trüge, dass das Großherzogtum Luxemburg bereits einem erheblichen Teil seiner Verpflichtungen nachgekommen ist. Eine solche Festsetzung der Höhe wäre darum nicht verhältnismäßig.

56      Unter Berücksichtigung aller Umstände der vorliegenden Rechtssache ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Verhängung eines Zwangsgelds in Höhe von 2 800 Euro pro Tag beginnend mit dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zu dem Tag, an dem das Großherzogtum Luxemburg dem Urteil Kommission/Luxemburg nachgekommen sein wird, zur Erreichung der Durchführung dieses Urteils angemessen ist.

 Zum Pauschalbetrag

57      Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags im Wesentlichen auf der Beurteilung der Folgen einer Nichterfüllung der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats für die privaten und öffentlichen Interessen beruht, insbesondere wenn die Vertragsverletzung seit dem Urteil, mit dem sie ursprünglich festgestellt wurde, lange Zeit fortbestanden hat (Urteil Kommission/Tschechische Republik, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Eine solche etwaige Verurteilung und die gegebenenfalls erfolgende Festsetzung der Höhe des Pauschalbetrags müssen ferner in jedem Einzelfall von der Gesamtheit der maßgebenden Aspekte abhängig gemacht werden, die sich sowohl auf die Merkmale der festgestellten Vertragsverletzung als auch auf die Haltung beziehen, die der Mitgliedstaat eingenommen hat, der von dem auf der Grundlage von Art. 260 AEUV eingeleiteten Verfahren betroffen ist (Urteil Kommission/Tschechische Republik, Randnr. 41).

59      Diese Bestimmung gewährt dem Gerichtshof ein weites Ermessen bei der Entscheidung darüber, ob es einen Grund für die Verhängung einer derartigen Sanktion gibt, und gegebenenfalls bei der Bemessung ihrer Höhe. Insbesondere kann die Verurteilung eines Mitgliedstaats zur Zahlung eines Pauschalbetrags nicht mit einem Automatismus erfolgen (Urteil Kommission/Tschechische Republik, Randnr. 42).

60      Dabei können die Vorschläge der Kommission den Gerichtshof nicht binden und stellen lediglich Hinweise dar (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Tschechische Republik, Randnr. 43).

61      Zu den Ausführungen des Großherzogtums Luxemburg und des Vereinigten Königreichs, wonach die Kommission im Rahmen großer Infrastrukturprojekte wie den in Rede stehenden eine nach Maßgabe des Umfangs und der Schwierigkeit der Verwirklichung dieser Projekte angemessene Durchführungsfrist berücksichtigen müsse und erst ab dem Ablauf dieser Frist damit begonnen werden könne, die Dauer des Verstoßes zu würdigen, ist festzustellen, dass die Komplexität, die Kosten und die Dauer der Verwirklichung dieser Projekte durch den verurteilten Mitgliedstaat sowohl bei der Beurteilung, ob es notwendig ist, eine Pauschalbetrag zu verhängen, als auch bei der Festsetzung von dessen Höhe zu berücksichtigen sind.

62      Aus den beim Gerichtshof eingereichten Akten geht hervor, dass das Großherzogtum Luxemburg gegenwärtig Anstrengungen unternimmt und erhebliche Investitionen tätigt, um das Urteil Kommission/Luxemburg durchzuführen. Die Kommission hat außerdem darauf hingewiesen, dass nach diesem Urteil die Zahl der Gemeinden, die die Anforderungen von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 91/271 nicht erfüllten, von zwölf auf sechs gesunken sei.

63      Auch wenn dieser unbestreitbare Investitionsaufwand Hervorhebung verdient, ist doch zugleich festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg, indem es sein gesamtes Hoheitsgebiet als „empfindliches Gebiet“ nach Art. 5 Abs. 1 und Anhang II der Richtlinie auswies, die Notwendigkeit eines erhöhten Umweltschutzes für sein Hoheitsgebiet anerkannte. Die Nichtbehandlung kommunalen Abwassers stellt aber eine besonders schwerwiegende Umweltbeeinträchtigung dar.

64      Zu beachten ist zudem, dass die mit dem Urteil Kommission/Luxemburg festgestellte Vertragsverletzung fast sieben Jahre angedauert hat. Dies erscheint übermäßig lang, selbst wenn einzuräumen ist, dass die durchzuführenden Arbeiten einen erheblichen Zeitraum von mehreren Jahren erforderten und die Durchführung des Urteils inzwischen als fortgeschritten anzusehen ist.

65      Demnach ist der Gerichtshof der Ansicht, dass es unter Berücksichtigung der übermäßig langen Dauer des Verstoßes in der vorliegenden Rechtssache gerechtfertigt ist, das Großherzogtum Luxemburg zur Zahlung eines Pauschalbetrags zu verurteilen.

66      Im Licht der vorstehenden Ausführungen erachtet es der Gerichtshof für eine angemessene Würdigung der Umstände des Falles, wenn der vom Großherzogtum Luxemburg zu entrichtende Pauschalbetrag auf 2 000 000 Euro festgesetzt wird.

67      Das Großherzogtum Luxemburg ist somit zu verurteilen, an die Kommission auf das Konto „Eigenmittel der Europäischen Union“ einen Pauschalbetrag von 2 000 000 Euro zu zahlen.

 Kosten

68      Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Großherzogtums Luxemburg beantragt hat und die Vertragsverletzung festgestellt worden ist, sind dem Großherzogtum Luxemburg die Kosten aufzuerlegen. Gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, ist zu entscheiden, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland seine eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Großherzogtum Luxemburg hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen, dass es nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil vom 23. November 2006, Kommission/Luxemburg (C‑452/05), ergeben.

2.      Das Großherzogtum Luxemburg wird verurteilt, an die Europäische Kommission auf das Konto „Eigenmittel der Europäischen Union“ einen Pauschalbetrag von 2 000 000 Euro zu zahlen.

3.      Für den Fall, dass die in Nr. 1 festgestellte Vertragsverletzung am Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils fortdauert, wird das Großherzogtum Luxemburg verurteilt, an die Europäische Kommission auf das Konto „Eigenmittel der Europäischen Union“ ein Zwangsgeld in Höhe von 2 800 Euro für jeden Tag zu zahlen, um den sich die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung des Urteils Kommission/Luxemburg verzögert, und zwar beginnend mit dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zu dem Tag, an dem das Großherzogtum Luxemburg dem Urteil Kommission/Luxemburg in vollem Umfang nachgekommen sein wird.

4.      Das Großherzogtum Luxemburg trägt die Kosten.

5.      Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt seine eigenen Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.