Language of document : ECLI:EU:T:1998:142

BESCHLUSS DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

25. Juni 1998 (1)

„Landwirtschaft - Gemeinsame Marktorganisation - Rindfleisch - Interventionsmechanismen - Frühvermarktungsprämie für Kälber - Durchschnittliches Schlachtgewicht - Festsetzungskriterien - Nichtigkeitsklage - Unzulässigkeit“

In den verbundenen Rechtssachen T-14/97 und T-15/97

Sofivo SAS, Gesellschaft französischen Rechts, Condé-sur-Vire (Frankreich),

Sofivo production SAS, Gesellschaft französischen Rechts, Brécé (Frankreich),

Sovinor SAS, Gesellschaft französischen Rechts, Condé-sur-Vire,

Denkavit France SARL, Gesellschaft französischen Rechts, Montreuil-Bellay (Frankreich),

Sobeval viande SA, Gesellschaft französischen Rechts, Périgueux (Frankreich),

Serval SA, Gesellschaft französischen Rechts, Sainte-Eanne (Frankreich),

Besnier industrie SNC, Gesellschaft französischen Rechts, Bourgbarre (Frankreich),

Sovida SA, Gesellschaft französischen Rechts, Châteaubriand (Frankreich),

Ouest élevage SICA, Gesellschaft französischen Rechts, Ploudaniel (Frankreich),

Guinde SA, Gesellschaft französischen Rechts, Montauban (Frankreich),

Tarbouriech SA, Gesellschaft französischen Rechts, Villeneuve-sur-Lot (Frankreich),

Mamellor SARL, Gesellschaft französischen Rechts, Charnay-lès-Mâcon (Frankreich),

Coopagri Bretagne, Genossenschaft französischen Rechts, Landerneau (Frankreich),

Collet et compagnie SA, Gesellschaft französischen Rechts, Châteaubourg (Frankreich),

Kermené SA, Gesellschaft französischen Rechts, Saint-Jacut-du-Mené (Frankreich),

Vals SA, Gesellschaft französischen Rechts, Champagne (Frankreich),

Prozeßbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwältin Deborah Kryvian, sodann Rechtsanwalt Philippe Denesle, Rouen, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Marc Loesch, 11, rue Goethe, Luxemburg

Klägerinnen,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch Rechtsberater John Carbery und Moyra Sims-Robertson, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Alessandro Morbilli, Generaldirektor der Direktion für Rechtsfragen der Europäischen Investitionsbank, 100, boulevard Konrad Adenauer, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagter,

unterstützt durch

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Gérard Berscheid, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung des Artikels 1 Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 2222/96 des Rates vom 18. November 1996 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 296, S. 50)

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi sowie der Richter R. García-Valdecasas und M. Jaeger,

Kanzler: H. Jung

folgenden

Beschluß

Rechtlicher Rahmen des Rechtsstreits

1.
    Der Rindfleischmarkt geriet ab 1996 durch die Verunsicherung der Verbraucher wegen der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie (BSE) in große Schwierigkeiten, die in einem starken Verbrauchsrückgang, einem Sinken der Erzeugerpreise und in Käufen der öffentlichen Interventionsstellen zum Ausdruck kamen.

2.
    Da nicht damit zu rechnen war, daß der Verbrauch alsbald wieder ansteigen werde, hielt es der Rat für angebracht, den Markt durch eine Verringerung der Produktion zu stabilisieren.

3.
    Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Verordnung (EG) Nr. 2222/96 des Rates vom 18. November 1996 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 296, S. 50) erlassen.

4.
    Diese Verordnung ist, wie sich aus ihrer achten Begründungserwägung ergibt, darauf gerichtet, die Zahl der auf dem Markt angebotenen Tiere zu verringern, indem gefördert wird, daß junge leichte Tiere aus der Produktion genommen und/oder vermarktet werden.

5.
    Zu diesem Zweck erhält Artikel 4i der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 148, S. 24) durch Artikel 1 Nummer 4 der Verordnung Nr. 2222/96 eine Neufassung, nach der zwei Arten von Prämien zugelassen werden können. Die neue Vorschrift sieht zum einen eine Prämie für die Verarbeitung junger männlicher Kälber mit Ursprung in der Gemeinschaft vor, die grundsätzlich in den ersten zehn Lebenstagen, unter bestimmten Umständen in den ersten zwanzig Lebenstagen, aus der Produktion genommen werden (Artikel 4i Absatz 1), und zum anderen eine Frühvermarktungsprämie für Kälber, die bei der Schlachtung eines Kalbes in einem Mitgliedstaat gewährt wird, „dessen Schlachtgewicht höchstens dem durchschnittlichen Schlachtgewicht der in dem betreffenden Mitgliedstaat geschlachteten Kälber abzüglich 15 % entspricht“ (Artikel 4i Absatz 2).

6.
    Im Zeitraum vom 1. Dezember 1996 bis zum 30. November 1998 muß jeder Mitgliedstaat zumindest eine der beiden Prämien gewähren (Artikel 4i Absatz 3 der Verordnung Nr. 805/68).

7.
    Das durchschnittliche Schlachtgewicht, auf das in Artikel 4i Absatz 2 Bezug genommen wird, ist dasjenige, das sich „aus den statistischen Daten von Eurostat für das Jahr 1995 oder aus jeder anderen statistischen Angabe für dieses Jahr ergibt, die von der Kommission offiziell veröffentlicht und akzeptiert worden ist“ (Artikel 4i Absatz 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 805/68).

8.
    Die Kommission hat auf der Grundlage dieser Informationen die in jedem Mitgliedstaat geltenden Höchstschlachtgewichte für Kälber festzulegen (Artikel 4i Absatz 5 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 805/68).

Gegenstand des Rechtsstreits

9.
    Die Klägerinnen sind Gesellschaften französischen Rechts, die in der Kalbfleischproduktion tätig sind.

10.
    Sie begehren die Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 2222/96, zumindest von Artikel 1 Nummer 4, soweit danach die Gewährung der Frühvermarktungsprämie für Kälber durch die Mitgliedstaaten von der Voraussetzung abhängig gemacht wird, daß ihr Schlachtgewicht höchstens dem durchschnittlichen Schlachtgewicht der in dem betreffenden Mitgliedstaat geschlachteten Kälber entspricht, wie es sich aus den statistischen Daten für das Jahr 1995 ergibt, wobei das Gewicht der Tiere nach den Spezifikationen des Tierkörpers festgesetzt werde, der für die Bestimmung der Kalbfleischproduktion im Jahr 1995 verwendet worden sei; nach Ansicht der Klägerinnen gibt es jedoch mangels einer gemeinsamen Definition von Kalbfleischund verläßlicher einheitlicher Gemeinschaftsstatistiken keine objektiven Daten, die es erlaubten, die Tierkörper aus den verschiedenen Mitgliedstaaten zu vergleichen.

11.
    Die Klägerinnen beanstanden, daß die Anwendung dieses Kriteriums zu einer Diskriminierung der in Frankreich tätigen Kalbfleischproduzenten gegenüber den in den Niederlanden tätigen Produzenten führe, die ihre Hauptkonkurrenten seien. Das auf dieser Grundlage bestimmte Referenzgewicht sei nämlich für die in Frankreich geschlachteten Tiere für eine normale Vermarktung zu gering, so daß der Erhalt der Prämie und die normale Vermarktung der Tierkörper miteinander unvereinbar seien, während das Referenzgewicht, das für die Körper von in den Niederlanden geschlachteten Tieren gelte, ausreiche, damit die Produzenten dieses Landes die Prämie erhalten und gleichzeitig ihre Tierkörper normal vermarkten könnten, insbesondere auf dem französischen Markt, wo diese der Verbrauchernachfrage entsprächen.

12.
    Die Klägerinnen stützen ihre Nichtigkeitsklage demzufolge auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und auf eine mit Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EG-Vertrag unvereinbare Diskriminierung zwischen Erzeugern.

Verfahren und Anträge der Parteien

13.
    Am 21. Januar 1997 haben die Sofivo SAS und dreizehn weitere Gesellschaften französischen Rechts die unter dem Aktenzeichen T-14/97 in das Register der Kanzlei eingetragene Klage erhoben. Am 24. Januar 1997 haben die Gesellschaften französischen Rechts Kermene SA und Vals SA die unter dem Aktenzeichen T-15/97 in das Register der Kanzlei eingetragene Klage erhoben.

14.
    Mit Beschluß des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts vom 29. April 1997 sind die Rechtssachen T-14/97 und T-15/97 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

15.
    Mit Beschluß des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts vom 11. Juni 1997 ist die Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Beklagten zugelassen worden.

16.
    In ihren Klageschriften beantragen die Klägerinnen,

-    die Verordnung Nr. 2222/96, zumindest Artikel 1 Nummer 4, für nichtig zu erklären;

-    dem Rat die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17.
    Mit besonderen Schriftsätzen, die gemäß Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung am 24. März 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden sind, hat der Rat in beiden Rechtssachen eine Unzulässigkeitseinrede erhoben und beantragt,

-    die Klagen als offensichtlich unzulässig abzuweisen;

-    den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

18.
    In ihren am 23. Mai 1997 eingereichten Stellungnahmen zur Unzulässigkeitseinrede des Rates beantragen die Klägerinnen deren Zurückweisung.

19.
    Die Streithelferin unterstützt die Anträge des Rates.

Zulässigkeit der Klagen

Vorbringen der Parteien

20.
    Der Rat beantragt, die Klagen als unzulässig abzuweisen, da die angefochtene Handlung keine Entscheidung darstelle und die Klägerinnen von ihr weder individuell noch unmittelbar betroffen seien.

21.
    Die Kommission macht sich das Vorbringen des Rates zu eigen und trägt zwei weitere Argumente vor, mit denen sie geltend macht, daß die Klägerinnen kein Rechtsschutzinteresse hätten und daß ihre Klageschriften nicht ausreichend begründet seien, da der Gegenstand der Klagen andere Vorschriften als Artikel 1 Nummer 4 der Verordnung Nr. 2222/96 betreffe.

22.
    Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, sie seien von der Verordnung Nr. 2222/96 individuell betroffen. Sie argumentieren in erster Linie mit der Tatsache, daß die Frühvermarktungsprämie für Kälber sehr kurzfristig angewandt worden sei, nämlich ab dem 1. Dezember 1996, nachdem die Verordnung Nr. 2222/96 am 21. November 1996 im Amtsblatt veröffentlicht worden sei. Die Produktion von Kalbfleisch erfordere aber eine industrielle und kommerzielle Organisation, die in einem so kurzen Zeitraum nicht aufgestellt werden könne. Daher sei es sehr unwahrscheinlich, daß diese Regelung für neue Produzenten gelten könne, die ihre Tätigkeit erst nach dem Erlaß der Verordnung Nr. 2222/96 aufgenommen hätten. Dies sei offenbar auch nicht die Absicht der Verfasser der Verordnung gewesen, da die Verordnung die Produktion beschränken solle. Daraus folge, daß die Vorschriften der Verordnung für Adressaten gelten, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses genau bestimmbar gewesen seien.

23.
    Die Klägerinnen meinen auch, sie seien von der Verordnung Nr. 2222/96 auch deshalb individuell betroffen, weil die darin vorgesehene Frühvermarktungsprämie ihre Marktstellung gegenüber den niederländischen Kälbererzeugern wesentlich beeinträchtige. Das Höchstschlachtgewicht für Kälber, für die die Prämie gewährt werde, sei durch die Verordnung (EG) Nr. 2311/96 der Kommission vom 2. Dezember 1996 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 mit Durchführungsvorschriften für die Prämienregelung im Rindfleischsektor (ABl. L 313, S. 9) festgesetzt worden, indem insbesondere ein Anhang IV angefügt worden sei (Artikel 1 Nummer 14). In diesem Anhang sei ein höchstzulässigesSchlachtkörpergewicht von 108 kg für in Frankreich geschlachtete Tiere und von 138 kg für in den Niederlanden geschlachtete Tiere festgesetzt worden. Angesichts der Preisbildungsfaktoren sei die Vermarktung von Schlachtkörpern mit einem Gewicht von nur 108 kg nur mit einem Preisabschlag möglich, während sich Schlachtkörper von 138 kg ohne weiteres vermarkten ließen, insbesondere auf dem französischen Markt, wo sie der Nachfrage der Verbraucher entsprächen. Die französischen Erzeuger stünden somit anders als die niederländischen Erzeuger vor einem Dilemma: Erhalt der Prämie oder normale Vermarktung ihres Fleisches.

24.
    Die Klägerinnen sind ferner der Ansicht, daß die Verordnung Nr. 2222/96 sie unmittelbar betreffe. Diese Verordnung lasse den Mitgliedstaaten keinen Ermessensspielraum, was sich auf dreierlei Weise zeige. Erstens seien die Mitgliedstaaten verpflichtet, zumindest eine der beiden Prämien zu beschließen. Zweitens sei die Wahl zwischen den beiden Prämien überdies rein theoretisch, da es sich für die nicht von Embargomaßnahmen betroffenen Staaten aufdränge, die Frühvermarktungsprämie zu beschließen, anstatt Kälber aus der Produktion zu nehmen. Tatsächlich hätten sich nur das Vereinigte Königreich und Irland, die von dem Embargo betroffen seien, sowie Portugal, das kein Kalbfleischerzeuger sei, für die zweite Prämie entschieden. Drittens nehme die Verordnung Nr. 2222/96, da sie die Gewährung der Prämie von der Voraussetzung abhängig mache, daß das Schlachtgewicht höchstens einem durchschnittlichen Schlachtgewicht entspreche, das auf der Grundlage der statistischen Daten für das Jahr 1995, also eines früheren Jahres, bestimmt werde, den Mitgliedstaaten jedes Ermessen, da diese nicht in der Lage seien, auf die Bemessungsgrundlage der Prämie Einfluß zu nehmen.

Würdigung durch das Gericht

25.
    Nach Artikel 114 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit. Gemäß Artikel 114 § 3 wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern nichts anderes bestimmt wird. Da im vorliegenden Fall der Akteninhalt eine Entscheidung erlaubt, entscheidet das Gericht ohne Eröffnung der mündlichen Verhandlung.

26.
    Gemäß Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag kann der einzelne gegen jede Entscheidung vorgehen, die ihn, obwohl sie als Verordnung ergangen ist, unmittelbar und individuell betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung soll mit dieser Bestimmung insbesondere verhindert werden, daß die Gemeinschaftsorgane durch die Wahl der Form der Verordnung die Klage eines einzelnen gegen eine Entscheidung ausschließen können, die ihn unmittelbar und individuell betrifft; auf diese Weise soll klargestellt werden, daß die Wahl der Form die Rechtsnatur einer Handlung nicht ändern kann (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juni 1980 in den Rechtssachen 789/79 und 790/79, Calpak und Società Emiliana Lavorazione Frutta/Kommission, Slg. 1980, 1949, Randnr. 7, sowie Beschlüsse des Gerichts vom 28. Oktober 1993 in der Rechtssache T-476/93, FRSEA und FNSEA/Rat, Slg. 1993,II-1187, Randnr. 19, und vom 30. September 1997 in der Rechtssache T-122/96, Federolio/Kommission, Slg. 1997, II-1559, Randnr. 50).

27.
    Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Unterscheidung zwischen Verordnung und Entscheidung maßgeblich, ob die fragliche Maßnahme eine generelle Norm ist (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 307/81, Alusuisse Italia/Rat und Kommission, Slg. 1982, 3463, Randnr. 8).

28.
    Im vorliegenden Fall sind also die Rechtsnatur der Verordnung Nr. 2222/96 und insbesondere die Rechtswirkungen, die sie erzeugen soll oder tatsächlich erzeugt, zu untersuchen.

29.
    Diese Verordnung soll u. a. den Mitgliedstaaten ermöglichen, eine Frühvermarktungsprämie für Kälber zu gewähren. Zu diesem Zweck sieht die insbesondere beanstandete Vorschrift vor, daß die Prämie bei der Schlachtung eines Kalbes in einem Mitgliedstaat gewährt wird, dessen Schlachtgewicht höchstens dem durchschnittlichen Schlachtgewicht der in dem betreffenden Mitgliedstaat geschlachteten Kälber abzüglich 15 % entspricht.

30.
    Da die angefochtene Vorschrift eine der Voraussetzungen festlegt, unter denen die Prämie gewährt wird, gilt sie als Teil der mit der Verordnung geschaffenen Regelung für objektiv bestimmte Sachverhalte und zeitigt Rechtswirkungen für allgemein und abstrakt umschriebene Personengruppen, nämlich für Wirtschaftsteilnehmer, die in den Mitgliedstaaten, die sich für die Anwendung dieser Prämie entscheiden, Kälber schlachten lassen. Sie ist somit eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung im Sinne des Artikels 189 des Vertrages.

31.
    An der allgemeinen Geltung und damit am Normcharakter eines Rechtsakts ändert es nichts, daß sich die Zahl oder sogar die Identität der Rechtssubjekte, auf die er zu einem bestimmten Zeitpunkt Anwendung findet, mehr oder weniger genau bestimmen läßt, solange feststeht, daß diese Anwendung aufgrund einer objektiven rechtlichen oder tatsächlichen Situation erfolgt, die in dem Rechtsakt umschrieben ist und seiner Zielsetzung entspricht (vgl. z. B. Beschluß des Gerichtshofes vom 18. Dezember 1997 in der Rechtssache C-409/96 P, Sveriges Betodlares Centralförening und Henrikson/Kommission, Slg. 1997, I-7531, Randnr. 37, sowie Beschlüsse des Gerichts vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache T-183/94, Cantina cooperativa fra produttori vitivinicoli di Torre di Mosto u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1941, Randnr. 48, und Federolio/Kommission, Randnr. 55).

32.
    Unabhängig davon, ob die Zahl der Wirtschaftsteilnehmer, die die Frühvermarktungsprämie für Kälber erhalten können, zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung Nr. 2222/96 mehr oder weniger begrenzt war, sieht im vorliegenden Fall die Verordnung die Gewährung der Prämie auf der Grundlage einer objektiven Situation vor, nämlich des Schlachtenlassens von Kälbern, deren Schlachtgewicht höchstens dem durchschnittlichen Schlachtgewicht der in dem betreffenden Mitgliedstaat geschlachteten Kälber abzüglich 15 % entspricht; dieseSituation entspricht dem Zweck der Verordnung, den durch den Rückgang des Verbrauchs in große Schwierigkeiten geratenen Rindfleischmarkt zu stabilisieren. Zudem kann sich die Zahl der von der streitigen Verordnung betroffenen Wirtschaftsteilnehmer später ändern.

33.
    Die angefochtene Vorschrift der Verordnung Nr. 2222/96 ist daher nach Wesen und Bedeutung eine generelle Norm und keine Entscheidung im Sinne von Artikel 189 des Vertrages.

34.
    Nach der Rechtsprechung kann jedoch auch eine Bestimmung einer normativen Handlung, die auf alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer Anwendung findet, unter bestimmten Umständen einige Wirtschaftsteilnehmer individuell betreffen (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 16. Mai 1991 in der Rechtssache C-358/89, Extramet Industrie/Rat, Slg. 1991, I-2501, Randnr. 13, und vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C-309/89, Codorniu/Rat, Slg. 1994, I-1853, Randnr. 19). In einem solchen Fall kann eine Gemeinschaftshandlung also gleichzeitig eine generelle Norm und in bezug auf bestimmte betroffene Wirtschaftsteilnehmer eine Entscheidung sein (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1995 in den Rechtssachen T-481/93 und T-484/93, Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2941, Randnr. 50).

35.
    Eine natürliche oder juristische Person ist jedoch nur dann individuell betroffen, wenn die fragliche Vorschrift sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt (vgl. Urteil Codorniu/Rat, zitiert oben in Randnr. 34, Randnr. 20, und Urteil des Gerichts vom 27. April 1995 in der Rechtssache T-12/93, CCE de Vittel u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1247, Randnr. 36).

36.
    Es ist also zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die streitige Vorschrift die Klägerinnen wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie im Hinblick auf diese Vorschrift aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt.

37.
    Auch wenn die streitige Vorschrift der Verordnung Nr. 2222/96, wie die Klägerinnen behaupten, geeignet wäre, ihre Situation wegen der faktischen Auswirkungen auf ihre Marktstellung zu beeinträchtigen, würde dieser Umstand nicht ausreichen, um sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herauszuheben, da sie sich in der gleichen Situation wie alle anderen Wirtschaftsteilnehmer befinden würden, die in Frankreich Kälber schlachten lassen. Sie sind von dieser Vorschrift somit nur aufgrund ihrer objektiven Eigenschaft als Wirtschaftsteilnehmer betroffen, die in dem Sektor tätig sind, auf den sich die Verordnung bezieht, also in gleicher Weise wie alle anderen Wirtschaftsteilnehmer, die dieselbe Tätigkeit ausüben (vgl. Beschlüsse des Gerichtshofes vom 12. Oktober 1988 in der Rechtssache 34/88, Cevap u. a./Rat, Slg. 1988, 6265, Randnr. 15, und vom 23.November 1995 in der Rechtssache C-10/95 P, Asocarne/Rat, Slg. 1995, I-4149, Randnr. 42).

38.
    Aus diesen Erwägungen folgt, daß die streitige Vorschrift der Verordnung Nr. 2222/96 die Klägerinnen nicht individuell betrifft.

39.
    Da diese Zulässigkeitsvoraussetzung vorliegend nicht erfüllt ist, greift die Unzulässigkeitseinrede des Rates durch; die Klage ist daher als unzulässig abzuweisen, ohne daß über die weiteren Gründe entschieden zu werden braucht, mit denen geltend gemacht wird, daß die Klägerinnen von der Verordnung Nr. 2222/96 nicht unmittelbar betroffen seien, daß sie kein Rechtsschutzinteresse hätten und daß sie im Hinblick auf Artikel 19 der EG-Satzung des Gerichtshofes und Artikel 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichts unzureichend begründete Klageschriften eingereicht hätten.

40.
    Schließlich ergibt sich aus Artikel 1 Nummer 9 der Verordnung Nr. 2311/96, daß Prämienanträge bei der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats einzureichen sind. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß ein Wirtschaftsteilnehmer die Gültigkeit der angefochtenen Verordnung im Rahmen einer Klage gegen die Entscheidung der zuständigen staatlichen Behörde über seinen Prämienantrag vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats in Frage stellen kann. Dieser Rechtsstreit kann sodann zu einem Ersuchen an den Gerichtshof um Vorabentscheidung über die Gültigkeit nach Artikel 177 des Vertrages führen.

41.
    Daher greift die Unzulässigkeitseinrede des Rates durch; die vorliegende Klage ist als unzulässig abzuweisen.

Kosten

42.
    Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind und der Rat beantragt hat, ihnen die Kosten aufzuerlegen, sind die Klägerinnen zur Tragung ihrer eigenen Kosten sowie der Kosten des Rates zu verurteilen. Gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

beschlossen:

1.    Die Klagen werden als unzulässig abgewiesen.

2.    Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens und als Gesamtschuldner die Kosten des Rates. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 25. Juni 1998

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

J. Azizi


1: Verfahrenssprache: Französisch.