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Verbundene Rechtssachen T‑81/07 bis T‑83/07

KG Holding u. a.

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Staatliche Beihilfen – Umstrukturierungsbeihilfe der niederländischen Behörden für die KG Holding NV – Entscheidung, mit der die Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Nichtigkeitsklage – Teilweise Unzulässigkeit – Rückforderung der Beihilfe von begünstigten Unternehmen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet worden ist – Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten“

Leitsätze des Urteils

1.      Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung der Kommission über staatliche Beihilfen – Feststellung der Beeinträchtigung des Wettbewerbs und der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

(Art. 87 Abs. 1 EG und 253 EG)

2.      Staatliche Beihilfen – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Betriebsbeihilfen

(Art. 87 Abs. 1 EG)

3.      Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission, ein förmliches Verfahren zur Prüfung einer Beihilfe einzuleiten – Zweck des Verfahrens

(Art. 88 Abs. 2 EG; Verordnung Nr. 659/1999 des Rates, Art. 6)

4.      Wettbewerb – Gemeinschaftsvorschriften – Unternehmen – Begriff – Einheit, die Dienstleistungen für Arbeitsuchende erbringt – Einbeziehung

5.      Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe – Pflicht – Empfänger, die sich in Schwierigkeiten befinden oder in Konkurs gefallen sind

(Art. 10 EG und 88 Abs. 2 EG)

6.      Nichtigkeitsklage – Entscheidung über staatliche Beihilfen – Im Verwaltungsverfahren nicht erhobene Rügen – Zulässigkeit

(Art. 88 Abs. 2 EG und 230 EG)

1.      Eine Entscheidung der Kommission über staatliche Beihilfen genügt der Begründungspflicht aus Art. 253 EG, wenn sie hinreichend deutlich die Tatsachen und die rechtlichen Erwägungen darlegt, denen nach dem Aufbau der Entscheidung wesentliche Bedeutung zukommt, und eine Begründung liefert, der die Adressaten der Entscheidung und der Gemeinschaftsrichter die Gründe entnehmen können, aus denen die Kommission es nicht für ausgeschlossen hält, dass der streitige Vorgang zu einer Verfälschung des Wettbewerbs und einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten führen könnte.

(vgl. Randnrn. 66-67)

2.      Beihilfen, mit denen ein Unternehmen von Kosten befreit werden soll, die es normalerweise im Rahmen seines laufenden Betriebs oder seiner üblichen Tätigkeiten hätte tragen müssen, verfälschen grundsätzlich die Wettbewerbsbedingungen. Dies gilt auch für eine Beihilfe zur Umstrukturierung eines Unternehmens in Schwierigkeiten, die die Umwandlung eines Darlehens in Eigenmittel bewirkt hat.

(vgl. Randnr. 75)

3.      Nach Art. 6 der Verordnung Nr. 659/1999 über die Anwendung von Art. 88 EG muss die Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Verfahrens zur Prüfung einer staatlichen Beihilfe die Betroffenen in die Lage versetzen, sich in wirksamer Weise am förmlichen Prüfverfahren zu beteiligen, in dem sie ihre Argumente geltend machen können. Das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG verpflichtet die Kommission lediglich dazu, dafür Sorge zu tragen, dass alle potenziellen Betroffenen unterrichtet werden und Gelegenheit erhalten, ihren Standpunkt geltend zu machen.

(vgl. Randnr. 117)

4.      Der Begriff des Unternehmens umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Insoweit ist davon auszugehen, dass eine Einrichtung, deren Haupttätigkeit aus Dienstleistungen der Arbeitsvermittlung für Arbeitsuchende, der Integration von Arbeitnehmern mit Behinderung, der Besetzung freier Stellen im Interesse von Arbeitgebern und der Personalbeschaffung im Allgemeinen besteht, eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

(vgl. Randnrn. 178-179)

5.      Fällt ein Unternehmen, das rechtswidrige staatliche Beihilfen erhalten hat, in Konkurs, kann die Wiederherstellung der früheren Lage und die Beseitigung der aus den rechtswidrig gezahlten Beihilfen resultierenden Wettbewerbsverzerrung grundsätzlich durch Anmeldung einer Forderung auf Rückerstattung der betreffenden Beihilfen zur Tabelle der gegen das in Liquidation befindliche Unternehmen bestehenden Forderungen erfolgen. Der Umstand allein, dass das Unternehmen insolvent geworden ist, stellt den Grundsatz der Rückforderung der Beihilfe daher nicht in Frage.

Liegt im Übrigen eine Entscheidung der Kommission vor, mit der die Rückforderung der Beihilfe angeordnet wird, können auch etwaige verfahrensrechtliche oder sonstige Schwierigkeiten bei der Durchführung dieser Entscheidung keinen Einfluss auf deren Rechtmäßigkeit haben. Treten Schwierigkeiten auf, müssen die Kommission und der betreffende Mitgliedstaat nach dem – namentlich Art. 10 EG zugrunde liegenden – Grundsatz, dass den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen gegenseitige Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit obliegen, redlich zusammenwirken, um die Schwierigkeiten unter vollständiger Beachtung der Bestimmungen des Vertrags, insbesondere derjenigen über staatliche Beihilfen, zu überwinden.

(vgl. Randnrn. 192-193, 200)

6.      Im Rahmen einer gegen eine Entscheidung über staatliche Beihilfen gerichteten Klage wirkt sich der Umstand, dass der Kläger im Verwaltungsverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG gegenüber der Kommission keinerlei Erklärung abgegeben hat, nicht dahin aus, dass seine gegen die Entscheidung vorgebrachten Rügen unzulässig sind. Die Klagebefugnis einer Person kann nämlich nicht allein deshalb eingeschränkt sein, weil sie sich im Verwaltungsverfahren nicht zu einer bei Einleitung des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG mitgeteilten Beurteilung geäußert hat, obwohl sie dies hätte tun können.

(vgl. Randnr. 195)