Language of document : ECLI:EU:T:2014:123

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

14. März 2014(*)

„Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Auskunftsbeschluss – Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte – Begründungspflicht – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑306/11

Schwenk Zement KG mit Sitz in Ulm (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Raible,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer, R. Sauer und C. Hödlmayr als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Böhlke,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses K(2011) 2367 endgültig der Kommission vom 30. März 2011 in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates (Sache 39520 – Zement und verwandte Produkte)

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich, der Richterin I. Wiszniewska-Białecka und des Richters M. Prek (Berichterstatter),

Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2013

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Im November 2008 und im September 2009 führte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) mehrere Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von Gesellschaften der Zementbranche durch. Im Anschluss an diese Nachprüfungen wurden Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verschickt. Die Klägerin, die Schwenk Zement KG, war weder von Nachprüfungen in ihren Räumlichkeiten noch von Auskunftsverlangen betroffen.

2        Mit Schreiben vom 19. November 2010 unterrichtete die Kommission die Klägerin von ihrer Absicht, einen Auskunftsbeschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 an sie zu richten, und übermittelte ihr den Entwurf des Fragebogens, den sie diesem Beschluss beizufügen gedachte.

3        Mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 nahm die Klägerin zu diesem Fragebogenentwurf Stellung.

4        Am selben Tag teilte die Kommission der Klägerin mit, dass sie beschlossen habe, gegen die Klägerin und sieben weitere in der Zementbranche tätige Unternehmen ein Verfahren nach Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 wegen mutmaßlicher Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV einzuleiten, bei denen es sich um „die Beschränkung des Handelsverkehrs im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Beschränkung von Einfuhren in den EWR [aus] Länder[n] außerhalb des EWR, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und [um] andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Märkten für Zement und verwandte Produkte“ handele (im Folgenden: Beschluss über die Einleitung des Verfahrens).

5        Am 30. März 2011 erließ die Kommission den Beschluss K(2011) 2367 endgültig in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1/2003 (Sache 39520 – Zement und verwandte Produkte) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

6        Im angefochtenen Beschluss wies die Kommission darauf hin, dass sie nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Erfüllung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben durch einfaches Auskunftsverlangen oder durch Beschluss von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verlangen könne, alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen (dritter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Im Anschluss an den Hinweis, dass die Klägerin von der Absicht der Kommission, einen Beschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zu erlassen, in Kenntnis gesetzt worden sei und zu einem Fragebogenentwurf Stellung genommen habe (Erwägungsgründe 4 und 5 des angefochtenen Beschlusses), ersuchte die Kommission die Klägerin sowie ihre in der Europäischen Union ansässigen und von ihr direkt oder indirekt kontrollierten Tochtergesellschaften per Beschluss, den 94 Seiten umfassenden und aus elf Fragengruppen bestehenden Fragebogen in Anhang I zu beantworten (sechster Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Anhang II des angefochtenen Beschlusses enthält Anweisungen für die Abfassung der Antworten auf diesen Fragebogen, während sich die zu verwendenden Antwortvorlagen in Anhang III befinden.

7        Die Kommission wies ferner auf die oben in Rn. 4 wiedergegebene Beschreibung der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen hin (zweiter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

8        Unter Verweis auf Art und Umfang der verlangten Auskünfte sowie auf die Schwere der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln erachtete es die Kommission für angemessen, der Klägerin eine Frist von zwölf Wochen für die Beantwortung der ersten zehn Fragengruppen und von zwei Wochen für die Beantwortung der elften, „Kontakte und Sitzungen“ betreffenden Fragengruppe zu gewähren (achter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

9        Der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses lautet:

Artikel 1

[Die Klägerin] (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden) muss die in Anhang I dieses Beschlusses beschriebenen Informationen in der in Anhang II und Anhang III dieses Beschlusses verlangten Form innerhalb von zwölf Wochen bezüglich der Fragen 1 bis 10 und innerhalb von zwei Wochen bezüglich Frage 11 nach Bekanntgabe dieses Beschlusses vorlegen. Alle Anhänge sind Bestandteil dieses Beschlusses.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die [Klägerin] (einschließlich ihrer Tochtergesellschaften in der EU, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden) … gerichtet.“

10      Mit Schreiben vom 11. April 2011 und mit E‑Mail vom 12. April 2011 beantragte die Klägerin eine Verlängerung der Frist für die Beantwortung der elften Fragengruppe bis zum 2. Mai 2011. Mit E‑Mail vom 12. April 2011 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass diesem Antrag nicht stattgegeben werde.

11      Am 18. April 2011 und am 5. Mai 2011 übermittelte die Klägerin ihre Antwort auf die elfte Fragengruppe. Am 27. Juni 2011 übermittelte die Klägerin ihre Antwort auf die ersten zehn Fragengruppen.

 Verfahren und Anträge der Parteien

12      Mit Klageschrift, die am 10. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

13      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzulegen.

14      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

15      Das Gericht (Siebte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

16      Die Parteien haben in der Sitzung vom 8. Februar 2013 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

 Rechtliche Würdigung

17      Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe, mit denen sie erstens die Unverhältnismäßigkeit des Erlasses eines Beschlusses nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003, zweitens einen Verstoß gegen Art. 18 Abs. 3, drittens die Unverhältnismäßigkeit der Frist von zwei Wochen für die Beantwortung der elften Fragengruppe, viertens eine unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses und fünftens eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte rügt.

 Zu der im zweiten und im vierten Klagegrund enthaltenen Rüge der Begründung des angefochtenen Beschlusses

18      Im Rahmen des ersten Teils ihres auf einen Verstoß gegen Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 gestützten zweiten Klagegrundes macht die Klägerin insbesondere geltend, der angefochtene Beschluss sei hinsichtlich der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen die Kommission habe nachgehen wollen, nicht präzise genug, so dass die Klägerin nicht habe beurteilen können, ob die verlangten Auskünfte erforderlich seien.

19      Im Rahmen ihres vierten Klagegrundes trägt die Klägerin vor, die Begründung des angefochtenen Beschlusses sei unzureichend und verstoße gegen Art. 296 Abs. 2 AEUV. Sie wirft der Kommission insbesondere vor, den Wortlaut von Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 paraphrasiert zu haben, statt Angaben zu den der Klägerin zur Last gelegten Handlungen, zur Schwere des mutmaßlichen Fehlverhaltens und zur Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte zu machen. Ferner macht sie im Wesentlichen geltend, die Pflicht zur Begründung des angefochtenen Beschlusses sei umso ausgeprägter gewesen, als die Frist für die Beantwortung der elften Fragengruppe unüblich kurz gewesen sei.

20      Die Kommission führt zum zweiten Klagegrund aus, der angefochtene Beschluss beschreibe die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen sie habe nachgehen wollen, hinreichend konkret. Zum vierten Klagegrund macht die Kommission geltend, der angefochtene Beschluss sei rechtlich hinreichend begründet.

21      Nach gefestigter Rechtsprechung regelt Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 selbst die wesentlichen Bestandteile der Begründung eines Auskunftsbeschlusses (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. März 2012, Slovak Telekom/Kommission, T‑458/09 und T‑171/10, Rn. 76 und 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Folglich überschneiden sich der vierte Klagegrund (unzureichende Begründung) und der erste Teil des zweiten Klagegrundes (Verstoß gegen Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003) insofern teilweise, als die formal im Rahmen des zweiten Klagegrundes vorgetragene Rüge, dass es der von der Kommission gegebenen Erläuterung der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen sie nachzugehen beabsichtige, an Präzision mangele, einer Beanstandung der Begründung des angefochtenen Beschlusses in diesem Punkt gleichkommt.

23      Die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen hat den Zweck, dem Richter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung sachlich richtig ist oder ob sie eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht, wobei der Umfang der Begründungspflicht von der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen wurde, sowie sämtlichen Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet abhängt (Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1984, Interfacultair Instituut Electronenmicroscopie der Rijksuniversiteit te Groningen, 185/83, Slg. 1984, 3623, Rn. 38; Urteile des Gerichts vom 15. Juni 2005, Corsica Ferries France/Kommission, T‑349/03, Slg. 2005, II‑2197, Rn. 62 und 63, und vom 12. Juli 2007, CB/Kommission, T‑266/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 35).

24      Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 sieht vor, dass die Kommission „die Rechtsgrundlage, den Zweck des Auskunftsverlangens und die geforderten Auskünfte an[gibt] und … die Frist für die Erteilung der Auskünfte fest[legt]“. Überdies heißt es in Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003, dass die Kommission „ferner einen Hinweis auf die in Artikel 23 vorgesehenen Sanktionen“ gibt, „entweder auf die in Artikel 24 vorgesehenen Sanktionen hin[weist] oder … diese auf[erlegt]“ sowie „auf das Recht hin[weist], vor dem Gerichtshof gegen die Entscheidung Klage zu erheben“.

25      Diese Begrenzung der Begründungspflicht ist damit zu erklären, dass Auskunftsbeschlüsse Untersuchungsmaßnahmen sind.

26      Zu berücksichtigen ist nämlich, dass das Verwaltungsverfahren nach der Verordnung Nr. 1/2003, das vor der Kommission stattfindet, in zwei unterschiedliche, aufeinanderfolgende Abschnitte unterteilt ist, die jeweils einer eigenen inneren Logik folgen, nämlich einen Abschnitt der Voruntersuchung und einen kontradiktorischen Abschnitt. Der Abschnitt der Voruntersuchung, in dem die Kommission von ihren in der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Untersuchungsbefugnissen Gebrauch macht und der bis zur Mitteilung der Beschwerdepunkte währt, soll es der Kommission ermöglichen, alle relevanten Elemente zusammenzutragen, durch die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln bestätigt oder nicht bestätigt wird, und eine erste Position zur Ausrichtung und zum weiteren Gang des Verfahrens einzunehmen. Dagegen soll der kontradiktorische Abschnitt, der sich von der Mitteilung der Beschwerdepunkte bis zum Erlass der Endentscheidung erstreckt, es der Kommission ermöglichen, sich abschließend zu der gerügten Zuwiderhandlung zu äußern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, AC-Treuhand/Kommission, T‑99/04, Slg. 2008, II‑1501, Rn. 47).

27      Zum einen beginnt der Abschnitt der Voruntersuchung, wenn die Kommission in Ausübung der ihr durch die Art. 18 und 20 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehenen Befugnisse Maßnahmen trifft, die mit dem Vorwurf verbunden sind, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben, und die erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben. Zum anderen wird das betroffene Unternehmen erst zu Beginn des kontradiktorischen Abschnitts des Verwaltungsverfahrens durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte über alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, und verfügt erst zu diesem Zeitpunkt zur Sicherstellung der wirksamen Ausübung seiner Verteidigungsrechte über ein Recht auf Akteneinsicht. Folglich kann das betroffene Unternehmen seine Verteidigungsrechte erst nach Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte umfassend geltend machen. Durch die Erstreckung dieser Rechte auf den Zeitraum vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte würde nämlich die Wirksamkeit der von der Kommission durchgeführten Untersuchung beeinträchtigt, da das betroffene Unternehmen schon im Abschnitt der Voruntersuchung erfahren würde, welche Informationen der Kommission bekannt sind und welche damit noch vor ihr verborgen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil AC-Treuhand/Kommission, oben in Rn. 26 angeführt, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Die von der Kommission im Abschnitt der Voruntersuchung ergriffenen Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere die Nachprüfungsmaßnahmen und die Auskunftsverlangen, implizieren jedoch naturgemäß den Vorwurf einer Zuwiderhandlung und können erhebliche Auswirkungen auf die Situation der unter Verdacht stehenden Unternehmen haben. Folglich muss verhindert werden, dass die Verteidigungsrechte in diesem Abschnitt des Verwaltungsverfahrens in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt werden könnten, da die getroffenen Ermittlungsmaßnahmen zur Erbringung von Beweisen für rechtswidrige Verhaltensweisen von Unternehmen, die geeignet sind, deren Haftung auszulösen, von entscheidender Bedeutung sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission, 46/87 und 227/88, Slg. 1989, 2859, Rn. 15, und Urteil AC-Treuhand/Kommission, oben in Rn. 26 angeführt, Rn. 50 und 51).

29      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die der Kommission obliegende Verpflichtung zur Angabe der Rechtsgrundlage und des Zwecks eines Auskunftsverlangens ein grundlegendes Erfordernis darstellt, da dadurch die Berechtigung des Ersuchens um Auskünfte der betreffenden Unternehmen aufgezeigt werden soll, diese aber auch in die Lage versetzt werden sollen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und zugleich ihre Verteidigungsrechte zu wahren. Daraus folgt, dass die Kommission nur Auskünfte verlangen darf, die ihr die Prüfung der die Durchführung der Untersuchung rechtfertigenden und im Auskunftsverlangen angegebenen mutmaßlichen Zuwiderhandlungen ermöglichen können (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1991, SEP/Kommission, T‑39/90, Slg. 1991, II‑1497, Rn. 25, und vom 8. März 1995, Société Générale/Kommission, T‑34/93, Slg. 1995, II‑545, Rn. 40).

30      Wie Generalanwalt Jacobs in Nr. 30 seiner Schlussanträge zum Urteil des Gerichtshofs vom 19. Mai 1994, SEP/Kommission (C‑36/92 P, Slg. 1994, I‑1911, I‑1914), hervorhob, bedeutet die Pflicht, auf den Zweck des Verlangens hinzuweisen, „natürlich …, dass [die Kommission] die vermutete Verletzung der Wettbewerbsregeln konkret nennen muss. Die Erforderlichkeit der Auskünfte ist im Zusammenhang mit dem im Auskunftsverlangen angegebenen Zweck zu beurteilen. Der Zweck ist mit hinreichender Genauigkeit anzugeben, da sonst nicht festgestellt werden kann, ob die Auskünfte notwendig sind, und der Gerichtshof seine Nachprüfung nicht vornehmen kann.“

31      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung braucht die Kommission weder dem Adressaten einer solchen Entscheidung alle ihr vorliegenden Informationen über mutmaßliche Zuwiderhandlungen zu übermitteln, noch muss sie eine strenge rechtliche Qualifizierung dieser Zuwiderhandlungen vornehmen; sie hat aber klar anzugeben, welchen Vermutungen sie nachzugehen beabsichtigt (Urteile Société Générale/Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 62 und 63, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 21 angeführt, Rn. 77).

32      Von der Kommission kann jedoch nicht verlangt werden, im Stadium des Abschnitts der Voruntersuchung außer den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen sie nachzugehen beabsichtigt, auch die Indizien anzugeben, d. h. die Gesichtspunkte, aufgrund deren sie die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV in Betracht zieht. Eine solche Verpflichtung würde nämlich das durch die Rechtsprechung geschaffene Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Wirksamkeit der Untersuchung und dem Schutz der Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens in Frage stellen.

33      Im vorliegenden Fall wird im angefochtenen Beschluss klar angegeben, dass er auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 erlassen wurde und dass die untersuchten Praktiken einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV darstellen könnten. Seine Erwägungsgründe 10 und 11 beziehen sich ausdrücklich auf die Sanktionen und das Klagerecht, die oben in Rn. 24 genannt sind.

34      Daher hängt die Frage, ob der angefochtene Beschluss hinreichend begründet ist, ausschließlich davon ab, ob die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen die Kommission nachzugehen beabsichtigt, hinreichend klar angegeben sind.

35      Dazu enthält der angefochtene Beschluss in seinem zweiten Erwägungsgrund folgende Angabe: „Bei den mutmaßlichen Zuwiderhandlungen handelt es sich um Einschränkungen des Handelsverkehrs im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), einschließlich der Einschränkung von Einfuhren in den EWR aus Ländern außerhalb des EWR, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und [um] andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Märkten für Zement und verwandte Produkte.“

36      Im Übrigen verweist der angefochtene Beschluss ausdrücklich auf den oben in Rn. 4 genannten Beschluss über die Einleitung des Verfahrens, der zusätzliche Informationen über den räumlichen Anwendungsbereich der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen und über die Art der betroffenen Erzeugnisse enthält.

37      Das Gericht stellt fest, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses aus einer sehr allgemein gehaltenen Formulierung besteht, deren Präzisierung angebracht gewesen wäre, so dass sie insoweit zu beanstanden ist. Gleichwohl kann davon ausgegangen werden, dass die Bezugnahme auf die Einschränkung von Einfuhren in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), auf Marktaufteilungen sowie auf Preisabsprachen im Zementmarkt und in den Märkten für verwandte Produkte in Verbindung mit dem Beschluss über die Einleitung des Verfahrens dem Mindestmaß an Klarheit entspricht, das es erlaubt, die Einhaltung der Vorschriften von Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zu bejahen.

38      Daraus ist zu schließen, dass der angefochtene Beschluss rechtlich hinreichend begründet ist.

39      Dieses Ergebnis wird durch die verschiedenen Argumente der Klägerin nicht entkräftet.

40      Was erstens die Rüge der Klägerin anbelangt, dass eine Begründung für die Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte fehle, genügt der Hinweis, dass die Kommission nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht verpflichtet ist, dies gesondert zu begründen. Durch die Angabe der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen, denen die Kommission nachzugehen beabsichtigt, kann das betroffene Unternehmen nämlich die Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte beurteilen und gegebenenfalls den Auskunftsbeschluss beim Gericht anfechten.

41      Was zweitens den Vorwurf anbelangt, dass die Wahl des Zeitraums von zwei Wochen für die elfte Fragengruppe unzureichend begründet worden sei, ist zu beachten, dass Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 der Kommission lediglich vorschreibt, eine Frist festzulegen, nicht aber, eine Begründung für deren Wahl anzugeben.

42      Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass der angefochtene Beschluss eine Begründung zu diesem Punkt enthält, da nach seinem achten Erwägungsgrund die Frist von zwölf Wochen für die ersten zehn Fragengruppen und von zwei Wochen für die elfte Gruppe mit Art und Umfang der angeforderten Informationen sowie der Schwere der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln zusammenhängt. Die Kommission war demzufolge der Ansicht, dass der geringere Umfang der mit der elften Fragengruppe angeforderten Auskünfte eine kürzere Beantwortungsfrist rechtfertige.

43      Was drittens das Vorbringen der Klägerin anbelangt, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses es nicht ermögliche, den Standpunkt der Kommission zur Stellungnahme der Klägerin in ihrem Schreiben vom 6. Dezember 2010 zu verstehen, ist festzustellen, dass die Kommission auch diesen Punkt nicht gesondert zu begründen brauchte. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass nach den Angaben im sechsten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses diese Stellungnahme, soweit erforderlich, bei der Erstellung des Fragebogens in Anhang I des angefochtenen Beschlusses berücksichtigt wurde.

44      Daher sind der vierte Klagegrund und der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: Unverhältnismäßigkeit des Erlasses eines Beschlusses nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003

45      Nach Ansicht der Klägerin verstößt der angefochtene Beschluss gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da unter den Umständen des vorliegenden Falls die Versendung eines einfachen Auskunftsverlangens nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 genügt hätte. Zur Stützung ihres Vorbringens verweist sie u. a. darauf, dass die Kommission an sie – anders als bei anderen Gesellschaften, die Adressaten eines Beschlusses nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 gewesen seien – zuvor kein Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung gerichtet habe. Ferner bedeuteten die Änderungen, die durch Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 gegenüber der nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) geltenden Rechtslage vorgenommen worden seien, nicht, dass die Kommission unter Außerachtlassung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit frei wählen könne, ob sie im Wege eines Auskunftsverlangens oder eines Auskunftsbeschlusses vorgehe.

46      Die Kommission beantragt, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

47      Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehörende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Handlungen der Organe nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2001, Jippes u. a., C‑189/01, Slg. 2001, I‑5689, Rn. 81).

48      Nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ist die Kommission berechtigt, Auskünfte „durch einfaches Auskunftsverlangen oder durch Entscheidung“ zu verlangen, ohne dass diese Bestimmung den Erlass einer Entscheidung an ein vorheriges „einfaches Auskunftsverlangen“ knüpft. Darin unterscheidet sich Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 von Art. 11 der Verordnung Nr. 17, der in seinem Abs. 5 die Möglichkeit, Auskünfte durch Entscheidung zu verlangen, davon abhängig machte, dass ein vorheriges Auskunftsverlangen erfolglos geblieben war.

49      Entgegen der von der Kommission in ihren Schriftsätzen offenbar vertretenen Ansicht ist hervorzuheben, dass die von ihr zu treffende Wahl zwischen einem einfachen Auskunftsverlangen nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und einem Auskunftsbeschluss nach deren Art. 18 Abs. 3 der Verhältnismäßigkeitskontrolle unterliegt. Dies folgt zwangsläufig aus der oben in Rn. 47 angeführten Definition des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, denn nach dieser Definition ist, „wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen“. Ebenso ist festzustellen, dass die Wahl, die die Kommission nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 treffen kann, in gewissem Maß der Wahl zwischen der Nachprüfung durch schlichten Auftrag und der durch Entscheidung angeordneten Nachprüfung im Sinne von Art. 14 der Verordnung Nr. 17 und Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 entspricht. Diese Wahl unterliegt jedoch der vom Unionsrichter vorzunehmenden Kontrolle anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (Urteile des Gerichtshofs vom 26. Juni 1980, National Panasonic/Kommission, 136/79, Slg. 1980, 2033, Rn. 29, und vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères, C‑94/00, Slg. 2002, I‑9011, Rn. 77; Urteil des Gerichts vom 8. März 2007, France Télécom/Kommission, T‑340/04, Slg. 2007, II‑573, Rn. 147).

50      In Anbetracht des Ansatzes, der in der Rechtsprechung bei der Kontrolle der Verhältnismäßigkeit des Rückgriffs auf eine durch Beschluss angeordnete Nachprüfung bevorzugt wird, muss eine solche Kontrolle der zwischen einem einfachen Auskunftsverlangen und einem Beschluss zu treffenden Wahl von den Erfordernissen einer den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Untersuchung abhängen (Urteile National Panasonic/Kommission, oben in Rn. 49 angeführt, Rn. 29, Roquette Frères, oben in Rn. 49 angeführt, Rn. 77, und France Télécom/Kommission, oben in Rn. 49 angeführt, Rn. 147).

51      Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der angefochtene Beschluss im Rahmen einer Untersuchung wettbewerbswidriger Praktiken erlassen wurde, die neben der Klägerin sieben weitere in der Zementbranche tätige Unternehmen betrifft.

52      Ein Beschluss unterscheidet sich dadurch von einem einfachen Auskunftsverlangen, dass die Kommission im Fall der Erteilung unvollständiger oder verspäteter Auskünfte nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b und Art. 24 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 Geldbußen oder Zwangsgelder verhängen kann.

53      Daher erscheint es in Anbetracht des Umfangs der einzuholenden und abzugleichenden Auskünfte weder unangemessen noch unverhältnismäßig, dass die Kommission gegenüber der Klägerin unmittelbar mit dem Rechtsinstrument vorgeht, das ihr die größte Gewissheit bietet, dass die Klägerin vollständig und fristgerecht antworten wird.

54      Da die Verhältnismäßigkeit des Rückgriffs auf einen Auskunftsbeschluss anhand der Erfordernisse einer angemessenen Untersuchung zu prüfen ist, ist ferner das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, sie sei insofern ungleich behandelt worden, als an die übrigen von der Untersuchung betroffenen Gesellschaften vor dem Erlass eines Beschlusses nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ein einfaches Auskunftsverlangen gerichtet worden sei. Die Erfordernisse einer angemessenen Untersuchung können es nämlich rechtfertigen, dass nicht in derselben Weise gegen alle Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen vorgegangen wird, die für die weitere Untersuchung sachdienliche Auskünfte geben können.

55      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, als sie gegenüber der Klägerin einen Auskunftsbeschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 erließ, so dass der erste Klagegrund zurückzuweisen ist.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003

56      Dieser Klagegrund besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Auf den ersten Teil, der die unzureichende Präzisierung des Zwecks des Auskunftsverlangens betrifft, ist bereits oben in den Rn. 18 bis 44 eingegangen worden. Im Rahmen eines zweiten Teils trägt die Klägerin vor, dass die Auskünfte, die mit den ersten zehn Fragengruppen verlangt würden, keinen Bezug zu den ihr vorgeworfenen Handlungen hätten, was einen Verstoß gegen Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 darstelle. Das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht lasse sich nicht durch die Übermittlung der mit den ersten zehn Fragengruppen verlangten Auskünfte belegen, die die Zementverkäufe der letzten zehn Jahre beträfen und der Kommission ein umfassendes Bild über die Zementindustrie verschafften.

57      Die Kommission beantragt, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

58      Wie oben in Rn. 29 bereits hervorgehoben worden ist, darf die Kommission nur Auskünfte verlangen, die ihr die Prüfung der die Durchführung der Untersuchung rechtfertigenden und im Auskunftsverlangen angegebenen mutmaßlichen Zuwiderhandlungen ermöglichen können (Urteile vom 12. Dezember 1991, SEP/Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 25, und Société Générale/Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 40).

59      In Anbetracht der weitgehenden Ermittlungs- und Nachprüfungsbefugnisse der Kommission ist es ihre Sache, die Erforderlichkeit der Auskünfte zu beurteilen, die sie von den betroffenen Unternehmen verlangt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 18. Mai 1982, AM & S Europe/Kommission, 155/79, Slg. 1982, 1575, Rn. 17, vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, 374/87, Slg. 1989, 3283, Rn. 15, und Roquette Frères, oben in Rn. 49 angeführt, Rn. 78).

60      Zu der vom Gericht ausgeübten Kontrolle dieser Beurteilung der Kommission ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung bei der Auslegung des Begriffs der erforderlichen Auskünfte auf den Zweck abzustellen ist, zu dem der Kommission die fraglichen Untersuchungsbefugnisse übertragen wurden. Das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen dem Auskunftsverlangen und der mutmaßlichen Zuwiderhandlung ist daher erfüllt, wenn in diesem Stadium des Verfahrens Grund zu der Annahme besteht, dass das Verlangen insofern in Beziehung zu der mutmaßlichen Zuwiderhandlung steht, als die Kommission vernünftigerweise davon ausgehen kann, dass ihr das Dokument bei der Ermittlung des Vorliegens der gerügten Zuwiderhandlung helfen wird (Urteile vom 12. Dezember 1991, SEP/Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 29, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 21 angeführt, Rn. 42).

61      Im vorliegenden Fall macht die Klägerin keine genauen Angaben dazu, bei welchen der mit den ersten zehn Fragengruppen verlangten Auskünfte sie die Erforderlichkeit bestreitet, sondern wendet sich allgemein gegen die Erforderlichkeit eines Auskunftsverlangens, das die Zementverkäufe während eines Zeitraums von zehn Jahren betrifft. Im Wesentlichen rügt sie, dass die Kommission unter derartigen Umständen auf einen Auskunftsbeschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zurückgegriffen hat, statt eine Untersuchung einzelner Wirtschaftszweige nach Art. 17 der Verordnung Nr. 1/2003 durchzuführen.

62      Der bloße Hinweis der Klägerin auf den Umstand, dass die mit den ersten zehn Fragengruppen verlangten Auskünfte die Zementverkäufe während eines Zeitraums von zehn Jahren betreffen, lässt für sich allein jedoch nicht den Schluss zu, dass diese Fragen über das hinausgehen, was angesichts des oben in den Rn. 4 und 35 wiedergegebenen Zwecks des Auskunftsverlangens als erforderlich angesehen werden kann.

63      Das Vorbringen der Klägerin in der Erwiderung, mit dem sie im Wesentlichen geltend macht, der Umfang der verlangten Auskünfte erwecke den Eindruck, dass der angefochtene Beschluss Ausforschungscharakter habe, entkräftet diese Schlussfolgerung nicht.

64      Zwar stellt das Erfordernis eines Schutzes gegen willkürliche oder unverhältnismäßige Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung jeder – natürlichen oder juristischen – Person einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar (Urteil Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 21 angeführt, Rn. 81).

65      Außerdem muss zur Wahrung dieses allgemeinen Grundsatzes ein Auskunftsbeschluss auf die Erlangung von Unterlagen gerichtet sein, die erforderlich sind, um die Richtigkeit und die Tragweite einer bestimmten Sach- und Rechtslage zu überprüfen, in Bezug auf die die Kommission bereits über Erkenntnisse verfügt.

66      Gleichwohl kann zum Nachweis der etwaigen Willkürlichkeit des angefochtenen Beschlusses nicht auf den Umfang des Auskunftsverlangens abgestellt werden, da die Kommission zur Durchführung einer weitreichenden Untersuchung berechtigt sein kann, wenn sie über hinreichend gewichtige Indizien für die Beteiligung des Unternehmens an den verschiedenen mutmaßlichen Zuwiderhandlungen verfügt, denen sie nachzugehen beabsichtigt.

67      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin weder in Frage gestellt, dass die Kommission über hinreichend gewichtige, den Erlass des angefochtenen Beschlusses rechtfertigende Indizien verfügte, noch das Gericht ersucht, dies zu prüfen. Mangels eines ausdrücklichen und begründeten Antrags der Klägerin braucht das Gericht somit nicht von sich aus und allein auf der Grundlage der allgemeinen Rüge des weiten Umfangs des Auskunftsverlangens zu prüfen, ob die Kommission über hinreichend gewichtige, den Erlass des angefochtenen Beschlusses rechtfertigende Indizien verfügte.

68      Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Unverhältnismäßigkeit der Frist von zwei Wochen für die Beantwortung der elften Fragengruppe

69      Nach Ansicht der Klägerin verstößt der angefochtene Beschluss in Anbetracht der unzureichenden Frist von zwei Wochen für die Beantwortung der elften Fragengruppe gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

70      Die Kommission beantragt, diesen Klagegrund zurückzuweisen. Die Klägerin habe hinsichtlich der fraglichen Frist kein Rechtsschutzinteresse, da die elfte Fragengruppe beantwortet worden sei und die Klägerin die Zusicherung erhalten habe, dass ihr im Fall der gestaffelten Mitteilung der angeforderten Informationen keine Geldbuße auferlegt werde. Die Frist von zwei Wochen sei auch gerechtfertigt gewesen, und für die Klägerin sei es nicht tatsächlich unmöglich gewesen, die elfte Fragengruppe in der gesetzten Frist zu beantworten.

71      Nach ständiger Rechtsprechung müssen die von der Kommission an ein Unternehmen gerichteten Auskunftsverlangen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, und die einem Unternehmen auferlegte Pflicht zur Auskunftserteilung darf für das Unternehmen keine Belastung darstellen, die zu den Erfordernissen der Untersuchung außer Verhältnis steht (Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1991, SEP/Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 51, vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98 und T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Rn. 418, und Slovak Telekom/Kommission, oben in Rn. 21 angeführt, Rn. 81).

72      Bei der Beurteilung der Frage, ob die mit der Pflicht, die elfte Fragengruppe binnen zwei Wochen zu beantworten, verbundene Belastung unverhältnismäßig sein könnte, ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Adressatin eines Auskunftsbeschlusses nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht nur Gefahr lief, dass ihr eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b oder Art. 24 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 auferlegt wird, falls sie die Auskünfte unvollständig, verspätet oder gar nicht erteilt, sondern auch, dass ihr eine Geldbuße nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung auferlegt wird, falls die Kommission eine erteilte Auskunft als unrichtig oder irreführend einstuft.

73      Der Prüfung, ob die durch einen Auskunftsbeschluss auferlegte Frist angemessen ist, kommt somit besondere Bedeutung zu. Diese Frist muss es dem Adressaten nämlich nicht nur ermöglichen, tatsächlich zu antworten, sondern auch, sich zu vergewissern, dass die erteilten Auskünfte vollständig, richtig und nicht irreführend sind.

74      Die von der Kommission angesprochene Vorfrage des Interesses der Klägerin an der Geltendmachung dieses Klagegrundes ist so zu verstehen, dass damit das Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der Anfechtung des angefochtenen Beschlusses bestritten wird, soweit ihr darin eine Frist von zwei Wochen für die Beantwortung der elften Fragengruppe gesetzt wird. Die Kommission stützt sich darauf, dass die verlangten Auskünfte zum Teil nach Ablauf der Frist erteilt worden seien, ohne dass der Klägerin eine Geldbuße auferlegt worden sei, und dass ihr in einem Telefongespräch die Möglichkeit gegeben worden sei, ihre Antworten zeitlich gestaffelt zu übermitteln.

75      Insoweit genügt der Hinweis, dass das Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung einer Entscheidung, mit der die Erteilung von Auskünften angeordnet wird, auch dann bestehen bleibt, wenn ihr Adressat ihr bereits nachgekommen ist. Die Nichtigerklärung einer solchen Entscheidung kann nämlich als solche insbesondere dadurch Rechtswirkungen erzeugen, dass die Kommission verpflichtet wird, die sich aus dem Urteil des Gerichts ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, und dass verhindert wird, dass die Kommission erneut so vorgeht (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichts vom 9. November 1994, Scottish Football/Kommission, T‑46/92, Slg. 1994, II‑1039, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Folglich hat die Klägerin ein Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung des angefochtenen Beschlusses und ist berechtigt, die Klagegründe geltend zu machen, die das Gericht ihres Erachtens veranlassen können, ihren Anträgen stattzugeben.

77      Jedenfalls ist festzustellen, dass die Kommission nicht dargetan hat, dass der Klägerin für den Fall einer gestaffelten (und damit zum Teil nicht fristgerechten) Erteilung der verlangten Auskünfte zugesichert worden wäre, sie nicht mit einer Geldbuße oder einem Zwangsgeld zu belegen. Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Rechtsanwalt der Klägerin und ein Beamter der Kommission hierüber ein Telefongespräch geführt haben, doch sind sie unterschiedlicher Ansicht über den genauen Inhalt dieses Gesprächs.

78      Somit geht aus den Akten lediglich klar hervor, dass die Kommission mit E‑Mail vom 12. April 2011 die von der Klägerin mit Schreiben vom 11. April 2011 und mit E‑Mail vom 12. April 2011 beantragte Fristverlängerung für die elfte Fragengruppe ablehnte. Folglich könnte der Klägerin, da sie einen Teil ihrer Antwort auf die elfte Fragengruppe nach Ablauf der gesetzten Frist übermittelt hat, von der Kommission aus diesem Grund zumindest theoretisch eine Geldbuße nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1/2003 auferlegt werden, trotz der Zusicherungen, die die Kommission in ihren Schriftsätzen offenbar geben möchte.

79      Außerdem ist aus den oben in den Rn. 72 und 73 dargelegten Gründen davon auszugehen, dass sich die etwaige Unverhältnismäßigkeit der mit der Pflicht, die elfte Fragengruppe binnen zwei Wochen zu beantworten, verbundenen Belastung auf die Vollständigkeit, Richtigkeit und hinreichende Klarheit der gegebenen Antworten auswirken kann, was gegebenenfalls auch zur Verhängung einer Geldbuße nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1/2003 führen könnte.

80      Mit Frage 11 a wird die Klägerin gebeten, alle Informationen in Bezug auf die Rolle, Funktionen und Verantwortlichkeiten von Herrn P. L. und Herrn H. M. seit 2001, auf ihren jeweiligen direkten Vorgesetzten und schließlich auf die Person oder Personen, der oder denen sie Anweisungen geben oder gaben, zu übermitteln. Mit Frage 11 b wird eine Liste aller Sitzungen und anderer schriftlicher oder mündlicher Kontakte betreffend Zement und verwandte Produkte angefordert, die Herr P. L. (in der Zeit von 2003 bis 2009) und Herr H. M. (in der Zeit von 2006 bis 2008) mit Herstellern von Zement und verwandten Produkten oder deren Vertretern in Deutschland hatten. Die Klägerin wird dabei gebeten, u. a. die Daten der Treffen und die Namen der Eingeladenen und Teilnehmer anzugeben, den Namen der Person und des Unternehmens, die die Treffen organisierten oder dazu einluden, sowie Namen, Rolle, Funktionen und Verantwortlichkeiten der übrigen Angestellten der Klägerin anzugeben, die an diesen Treffen in der Zeit von 2001 bis 2010 teilnahmen. Mit Frage 11 c wird die Klägerin schließlich gebeten, alle Dokumente zu übermitteln, die im Zusammenhang mit den oben genannten Kontakten oder Sitzungen stehen, einschließlich insbesondere E‑Mails, Tagesordnungen, Sitzungsprotokolle, Reisedokumente, handschriftliche Notizen, Berichte oder Vermerke.

81      Aus dem angefochtenen Beschluss geht nicht hervor, dass eine besonders kurze Frist für die Erteilung der mit der elften Fragengruppe verlangten Auskünfte aufgrund eines besonderen Erfordernisses der Untersuchung gerechtfertigt war.

82      Wie oben in Rn. 42 ausgeführt, kann dem achten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses als mögliche Rechtfertigung dieser Frist nur die Einschätzung der Kommission entnommen werden, dass die elfte Fragengruppe die Erteilung von Auskünften geringeren Umfangs erfordere.

83      Die Kommission weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Klägerin nach der jedem Unternehmen und jeder Unternehmensvereinigung obliegenden allgemeinen Pflicht zu umsichtigem Handeln dafür sorgen muss, dass in ihren Büchern oder Archiven alle Unterlagen, die es ermöglichen, ihre Tätigkeit nachzuvollziehen, gut aufbewahrt werden, damit sie insbesondere für den Fall gerichtlicher oder verwaltungsbehördlicher Maßnahmen über die nötigen Beweise verfügen (Urteil des Gerichts vom 16. Juni 2011, Heineken Nederland und Heineken/Kommission, T‑240/07, Slg. 2011, II‑3355, Rn. 301).

84      Da die Antwort auf die elfte Fragengruppe u. a. die Angabe aller Kontakte – einschließlich der informellsten – der beiden Mitarbeiter der Klägerin mit Herstellern von Zement und verwandten Produkten oder deren Vertretern in Deutschland über einen Zeitraum von drei bzw. sieben Jahren umfasst, war die Einholung, Zusammenstellung und Überprüfung der verlangten Auskünfte jedoch trotz dieser Aufbewahrungspflicht nicht notwendigerweise einfach.

85      Zudem ist aus den oben in Rn. 73 dargelegten Gründen zu berücksichtigen, dass die vorgeschriebene Frist es der Klägerin ermöglichen muss, sich zu vergewissern, dass die erteilten Auskünfte vollständig, richtig und nicht irreführend sind.

86      Angesichts der Art der verlangten Auskünfte erscheint eine Frist von zwei Wochen nicht ausreichend, um sie einzuholen und sich zu vergewissern, dass die gegebene Antwort vollständig, richtig und nicht irreführend ist.

87      Infolgedessen stellt eine Verpflichtung, diese Fragen innerhalb einer solchen Frist zu beantworten, eine unverhältnismäßige Belastung im Sinne der oben in Rn. 71 angeführten Rechtsprechung dar.

88      Diese Schlussfolgerung wird nicht durch den von der Kommission angeführten Umstand entkräftet, dass sie in ihrem Schreiben vom 19. November 2010 der Klägerin ihre Absicht mitgeteilt habe, einen Auskunftsbeschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 an sie zu richten, und der Klägerin einen Fragebogenentwurf übermittelt habe, dessen 15. Fragengruppe im Wesentlichen mit der elften Fragengruppe des endgültigen Fragebogens übereinstimme.

89      Insoweit genügt der Hinweis, dass es in Rn. 4 dieses Schreibens der Kommission unmissverständlich heißt: „Der Beschluss gemäß Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung … Nr. 1/2003 … wird Schwenk eine Frist von zwei Monaten zur richtigen, vollständigen und nicht irreführenden Beantwortung des Fragebogens dieses Beschlusses gewähren.“

90      Einer Berücksichtigung der Ankündigung im Schreiben vom 19. November 2010 bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung, die elfte Fragengruppe binnen zwei Wochen zu beantworten, steht somit jedenfalls der Umstand entgegen, dass die Klägerin darauf vertrauen durfte, über eine Frist von zwei Monaten für die Beantwortung dieser Fragengruppe zu verfügen.

91      Zur Bezugnahme der Kommission auf Nr. 38 ihrer Bekanntmachung über bewährte Vorgehensweisen in Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und 102 [AEUV] (ABl. 2011, C 308, S. 6) genügt der Hinweis, dass er unerheblich ist.

92      Davon abgesehen geht aus Nr. 38 der Bekanntmachung hervor, dass die vorgeschriebene Frist in der Regel mindestens zwei Wochen beträgt, aber bei inhaltlich nicht umfangreichen Auskunftsverlangen auch kürzer sein kann. Dies spricht eher dafür, dass die Kommission in der Regel eine Frist von mindestens zwei Wochen für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall ist jedoch in Anbetracht des Arbeitsaufwands, der mit der Einholung, Zusammenstellung und Überprüfung der verlangten Auskünfte verbunden sein kann, die Setzung einer Frist von zwei Wochen zumindest unverhältnismäßig.

93      Nach alledem ist diesem Klagegrund stattzugeben.

94      In Art. 1 des angefochtenen Beschlusses wird klargestellt, dass die Anhänge Bestandteil dieses Beschlusses sind. Wie die Prüfung von Anhang I, der den Fragebogen enthält, ergibt, bilden die elfte Fragengruppe und der übrige Fragebogen keine untrennbare Einheit.

95      Daher ist der angefochtene Beschluss nur insoweit für nichtig zu erklären, als von der Klägerin verlangt wird, die elfte Fragengruppe des Fragebogens in Anhang I des Beschlusses zu beantworten; einer Prüfung des fünften Klagegrundes, der ausschließlich die elfte Fragengruppe betrifft, bedarf es nicht.

 Kosten

96      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 87 § 3 Abs. 1 kann das Gericht die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

97      Da im vorliegenden Fall der Klage teilweise stattgegeben worden ist, erscheint es bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falls geboten, dass die Kommission ein Drittel ihrer eigenen Kosten und ein Drittel der Kosten der Klägerin trägt, während diese zwei Drittel ihrer eigenen Kosten und zwei Drittel der Kosten der Kommission trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss K(2011) 2367 endgültig der Kommission vom 30. März 2011 in einem Verfahren nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates (Sache 39520 – Zement und verwandte Produkte) wird in Bezug auf die elfte Fragengruppe des in seinem Anhang I enthaltenen Fragebogens für nichtig erklärt.

2.      Die Schwenk Zement KG trägt zwei Drittel ihrer eigenen Kosten und zwei Drittel der Kosten der Europäischen Kommission. Die Kommission trägt ein Drittel ihrer eigenen Kosten und ein Drittel der Kosten von Schwenk Zement.

3.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Dittrich

Wiszniewska-Białecka

Prek

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. März 2014.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.