Language of document : ECLI:EU:T:2022:85

URTEIL DES GERICHTS (Siebte erweiterte Kammer)

23. Februar 2022(*)

„Außervertragliche Haftung – Wettbewerb – Märkte für internationale Expressbeförderung von Kleinpaketen im EWR – Zusammenschluss – Beschluss, mit dem der Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird – Nichtigerklärung des Beschlusses durch ein Urteil des Gerichts – Pauschale Verweisung auf andere Schriftstücke – Von einem Dritten in einer anderen Rechtssache geltend gemachte Klagegründe oder Rügen – In der Erwiderung vorgelegte Beweise – Keine Rechtfertigung der Verspätung – Unzulässigkeit – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht“

In der Rechtssache T‑540/18,

ASL Aviation Holdings DAC mit Sitz in Swords (Irland),

ASL Airlines (Ireland) Ltd mit Sitz in Swords,

vertreten durch N. Travers, SC, sowie H. Kelly, K. McKenna und R. Scanlan, Solicitors,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch N. Khan, P. Berghe, M. Farley und R. Leupold Henning als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 268 AEUV auf Ersatz des Schadens, der den Klägerinnen durch die Rechtswidrigkeit des Beschlusses C(2013) 431 der Kommission vom 30. Januar 2013 zur Feststellung der Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.6570 – UPS/TNT Express) entstanden sein soll,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, des Richters R. da Silva Passos, der Richterin I. Reine sowie der Richter L. Truchot und M. Sampol Pucurull (Berichterstatter),

Kanzler: E. Artemiou, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2020

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Ab dem 26. April 2012 führte die TNT Express NV (im Folgenden: TNT) im Hinblick auf ihren geplanten Zusammenschluss mit der United Parcel Service, Inc. (im Folgenden: UPS) Verhandlungen mit der ASL Aviation Holdings DAC, vormals ASL Aviation Group Ltd, und der ASL Airlines (Ireland) Ltd, vormals Air Contractors Ireland Ltd, über die Übertragung ihrer Luftverkehrstätigkeiten auf diese Gesellschaften (im Folgenden zusammen: ASL oder Klägerinnen). Diese Verhandlungen fanden statt, weil es Unternehmen aus Drittländern, wie etwa UPS, gemäß Art. 4 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. 2008, L 293, S. 3) verboten ist, in der Europäischen Union Luftverkehrsdienste durchzuführen.

2        Am 26. Juni 2012 veröffentlichte die Europäische Kommission nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, L 24, S. 1), durchgeführt durch die Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. 2004, L 133, S. 1), eine Bekanntmachung der vorherigen Anmeldung eines Zusammenschlusses (Sache COMP/M.6570 – UPS/TNT Express) (ABl. 2012, C 186, S. 9).

3        Am 15. November 2012 schlossen die Klägerinnen mit TNT zwei Vereinbarungen (im Folgenden zusammen: Vereinbarungen von 2012):

–        die Übernahmevereinbarung „UPS-SPA“ (im Folgenden: Vereinbarung UPS-SPA), wonach ASL nach Abschluss des Zusammenschlusses von UPS und TNT 100 % der Anteile der TNT Airways SA/NV und der Pan Air Lineas Aereas SA erwerben sollte;

–        die Dienstleistungsvereinbarung „UPS-ATSA“, wonach ASL nach Abschluss des Zusammenschlusses von UPS und TNT und nach Umsetzung der Vereinbarung UPS-SPA mittels des in Anwendung der Vereinbarung UPS-SPA von TNT Airways übernommenen Luftverkehrsgeschäfts für einen Zeitraum von fünf Jahren Flugdienste für UPS und Dritte erbringen sollte.

4        Die Vereinbarungen von 2012 sollten vorbehaltlich der Erklärung der Kommission über die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses von UPS und TNT mit dem Binnenmarkt am 1. Februar 2013 in Kraft treten.

5        Am 16. November 2012 informierte UPS die Kommission über den Abschluss der Vereinbarungen von 2012.

6        Am 11. Januar 2013 teilte die Kommission UPS mit, dass sie beabsichtige, deren geplanten Zusammenschluss mit TNT zu untersagen.

7        Am 14. Januar 2013 gab UPS diese Information im Wege einer Pressemitteilung bekannt.

8        Am 30. Januar 2013 erließ die Kommission den Beschluss C(2013) 431, mit dem die Unvereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen festgestellt wurde (Sache COMP/M.6570 – UPS/TNT Express) (im Folgenden: streitiger Beschluss). Die Kommission war der Ansicht, dass der Zusammenschluss von UPS und TNT eine erhebliche Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs auf den betreffenden Dienstleistungsmärkten in 15 Mitgliedstaaten darstelle, nämlich in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Slowenien, der Slowakei, Finnland sowie Schweden.

9        Im Wege einer Pressemitteilung gab UPS am selben Tag bekannt, auf den geplanten Zusammenschluss zu verzichten.

10      Am 5. April 2013 erhob UPS beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, die unter dem Aktenzeichen T‑194/13 in das Register eingetragen wurde.

11      Am 12. Mai 2015 publizierte die Kommission eine nicht vertrauliche Fassung des streitigen Beschlusses.

12      Am 4. Juli 2015 veröffentlichte die Kommission eine Bekanntmachung der vorherigen Anmeldung eines Zusammenschlusses (Sache M.7630 – FedEx/TNT Express) (ABl. 2015, C 220, S. 15) betreffend den Zusammenschluss, mit dem TNT von der FedEx Corp. übernommen werden sollte.

13      Am 8. Januar 2016 erließ die Kommission den Beschluss, mit dem der Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen vereinbar erklärt wurde (Sache M.7630 – FedEx/TNT Express). Eine Zusammenfassung des Beschlusses über den Zusammenschluss von FedEx und TNT wurde im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2016, C 450, S. 12) veröffentlicht.

14      Am 5. Februar 2016 schlossen FedEx und die Klägerinnen eine Vereinbarung über den Erwerb des Luftverkehrsgeschäfts von TNT durch die Klägerinnen sowie eine Vereinbarung über die Erbringung von Luftverkehrsdienstleistungen für FedEx.

15      Mit Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, EU:T:2017:144), erklärte das Gericht den streitigen Beschluss für nichtig.

16      Am 16. Mai 2017 legte die Kommission gegen das Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, EU:T:2017:144), ein Rechtsmittel ein, das der Gerichtshof mit Urteil vom 16. Januar 2019, Kommission/United Parcel Service (C‑265/17 P, EU:C:2019:23), zurückwies.

 Verfahren und Anträge der Parteien

17      Mit Klageschrift, die am 11. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

18      Im Zuge einer Änderung der Besetzung des Gerichts hat der Präsident des Gerichts mit Entscheidung vom 17. Oktober 2019 die Rechtssache gemäß Art. 27 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts einem neuen, der Siebten Kammer zugeteilten Berichterstatter zugewiesen.

19      Auf Vorschlag der Siebten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung beschlossen, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

20      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Siebte erweiterte Kammer) das mündliche Verfahren eröffnet und den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen gestellt. Die Fragen wurden von den Parteien fristgerecht beantwortet.

21      In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen erklärt, den beantragten Schadensersatz aufgrund von Umständen, die nach der Klageerhebung eingetreten seien, der Höhe nach zu beschränken. Dies ist im Sitzungsprotokoll vermerkt worden.

22      Die Klägerinnen beantragen,

–        die Kommission auf der Grundlage von Art. 268 AEUV und Art. 340 Abs. 2 AEUV in Höhe von 93 881 731 Euro oder in einer anderen vom Gericht für angemessen befundenen Höhe für die Schäden haftbar zu machen, die sie durch den rechtswidrigen streitigen Beschluss erlitten haben;

–        die Kommission zu verurteilen, auf den Betrag von 93 881 731 Euro bzw. den vom Gericht für angemessen befundenen Betrag Verzugszinsen in Höhe des von der Europäischen Zentralbank (EZB) für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte festgesetzten Zinssatzes zuzüglich zweier Prozentpunkte ab dem Tag der Verkündung des Urteils über die vorliegende Klage bis zur vollständigen Zahlung zu zahlen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

23      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

24      Die Klägerinnen verlangen eine Entschädigung dafür, dass ihnen ein Gewinn entgangen sei, weil die Umsetzung der mit TNT geschlossenen Vereinbarungen von 2012 aufgrund des streitigen Beschlusses, mit dem der Zusammenschluss zwischen UPS und TNT für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt worden sei, nicht möglich gewesen sei.

25      Zur Stützung dieses Antrags machen sie geltend, die Kommission habe ihre Grundrechte und die von UPS in hinreichend qualifizierter Weise verletzt (erster und zweiter Klagegrund) und bei der Beurteilung des Zusammenschlusses von UPS und TNT schwerwiegende und offensichtliche Fehler begangen (dritter Klagegrund). Die Klägerinnen machen außerdem geltend, dass ihnen durch diese Unrechtmäßigkeiten unmittelbar ein Schaden entstanden sei (vierter Klagegrund), und sie bewerten diesen Schaden (fünfter Klagegrund).

26      Die Kommission wendet ein, dass die Klage teils verfristet und teils unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei.

 Vorbemerkungen

27      Nach Art. 340 Abs. 2 AEUV ersetzt die Union im Bereich der außervertraglichen Haftung den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.

28      Nach ständiger Rechtsprechung hängt die außervertragliche Haftung der Union vom Vorliegen von drei kumulativ erfüllten Voraussetzungen ab, nämlich davon, dass die Rechtsnorm, gegen die verstoßen wurde, bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, und der Verstoß hinreichend qualifiziert ist, dass der tatsächliche Eintritt des Schadens nachgewiesen ist und dass schließlich zwischen dem Verstoß gegen die dem Urheber der Handlung obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (Urteil vom 13. Dezember 2018, Europäische Union/Kendrion, C‑150/17 P, EU:C:2018:1014, Rn. 117; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 39 bis 42). Da es sich um kumulative Voraussetzungen handelt, besteht keine außervertragliche Haftung der Union, wenn eine von ihnen nicht erfüllt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 1999, Lucaccioni/Kommission, C‑257/98 P, EU:C:1999:402, Rn. 63 und 64, sowie vom 15. Juni 2000, Dorsch Consult/Rat und Kommission, C‑237/98 P, EU:C:2000:321, Rn. 54).

29      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerinnen, mit dem sie eine qualifizierte Verletzung ihrer Grundrechte und jener von UPS sowie das Vorliegen schwerwiegender und offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Zusammenschlusses von UPS und TNT durch die Kommission geltend machen, die erste Voraussetzung für die außervertragliche Haftung der Union betrifft, während sich das Vorbringen, dass den Klägerinnen durch diese Rechtsverstöße ein unmittelbarer Schaden entstanden sei, und das Vorbringen bezüglich der Beurteilung des Schadens auf die dritte bzw. die zweite Voraussetzung beziehen.

30      Vor der Prüfung der ersten Voraussetzung ist zu ermitteln, wie die vorliegende Schadensersatzklage mit der Klage in der Rechtssache T‑834/17 zusammenhängt.

31      Die Klägerinnen machen geltend, dass die Vereinbarungen von 2012 aufgrund des Erlasses des streitigen Beschlusses, mit dem sich die Kommission gegen den Zusammenschluss von UPS und TNT ausgesprochen habe, aufgelöst worden seien. Da dieser Beschluss vom Gericht wegen der Verletzung der Verteidigungsrechte von UPS für nichtig erklärt worden sei, sei der rechtswidrige Erlass des streitigen Beschlusses unmittelbar ursächlich für die Unmöglichkeit, die Vereinbarungen von 2012 umzusetzen, die für die Durchführung des Zusammenschlusses von UPS und TNT wesentlich gewesen seien. Aufgrund des rechtswidrigen Beschlusses sei den Klägerinnen der Gewinn entgangen, mit dem sie bei Umsetzung dieser Vereinbarungen hätten rechnen können, bzw. sei ihnen zumindest die Chance genommen worden, diesen Gewinn zu erwirtschaften. Die Klägerinnen begehren somit eine Entschädigung für den Gewinn, der ihnen ihrer Ansicht nach entgangen ist.

32      Im Wesentlichen machen die Klägerinnen zwei Rechtsverstöße geltend, die die außervertragliche Haftung der Union auslösen sollen. Der erste betrifft eine Verletzung der Grundrechte, insbesondere der Verteidigungsrechte von UPS, die sich daraus ergebe, dass die Kommission UPS nicht mitgeteilt habe, welches ökonometrische Modell im streitigen Beschluss für die Untersuchung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Preise verwendet werde. Dieser Rechtsverstoß sei vom Gericht im Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, EU:T:2017:144), festgestellt worden. Der zweite vorgebrachte Rechtsverstoß betrifft die bei der Beurteilung des Zusammenschlusses von UPS und TNT begangenen Fehler, die von UPS im Rahmen einer Schadensersatzklage in der Rechtssache T‑834/17 geltend gemacht wurden. Diese Fehler sollen bei der Analyse der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Preise sowie bei der Untersuchung der Effizienzgewinne und der Situation von FedEx begangen worden sein.

33      Die Klägerinnen bringen also vor, die vom Gericht im Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, EU:T:2017:144), festgestellte Verletzung der Verteidigungsrechte von UPS sowie die Beurteilungsfehler, auf die UPS ihre Schadensersatzklage in der Rechtssache T‑834/17 gestützt habe, zeigten, dass die Kommission hinreichend qualifizierte Verstöße begangen habe. Sie berufen sich insoweit auf die enge Verbindung zwischen der vorliegenden Schadensersatzklage und jener von UPS in der Rechtssache T‑834/17 und erläutern, dass sie nur einen sehr begrenzten Zugang zu den Beurteilungen der Kommission gehabt hätten, da sie der Nichtigkeitsklage von UPS in der dem Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, EU:T:2017:144), zugrunde liegenden Rechtssache nicht zur Unterstützung beigetreten seien. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen erklärt, anzuerkennen, dass ihre Klage eng mit der Klage in der Rechtssache T‑834/17 verbunden sei.

34      Die hinreichend qualifizierten Verstöße, mit denen der streitige Beschluss gemäß den ersten drei Klagegründen behaftet sein soll, sind im Licht dieser Vorbemerkungen zu prüfen.

 Zur ersten Voraussetzung für die außervertragliche Haftung der Union

35      Ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleihen soll, ist gegeben, wenn das betreffende Organ die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere die Komplexität der zu regelnden Sachverhalte, das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift dem Unionsorgan belässt (Urteile vom 19. April 2007, Holcim [Deutschland]/Kommission, C‑282/05 P, EU:C:2007:226, Rn. 50, und vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat, C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 30).

36      Ein qualifizierter Verstoß gegen eine Unionsrechtsnorm ist erforderlich, weil eine Abwägung zwischen dem Interesse des Einzelnen am Schutz gegen rechtswidrige Handlungen der Organe und dem Spielraum, der Letzteren belassen werden muss, damit sie in ihrem Handeln nicht gelähmt werden, geboten ist (Urteil vom 10. September 2019, HTTS/Rat, C‑123/18 P, EU:C:2019:694, Rn. 34).

37      Eine solche Abwägung erweist sich als umso bedeutsamer, als es der Kommission obliegt, die Wettbewerbspolitik der Union festzulegen und durchzuführen, wofür sie über ein Ermessen verfügt (Urteil vom 23. April 2009, AEPI/Kommission, C‑425/07 P, EU:C:2009:253, Rn. 31).

38      Würde der Eintritt der Haftung der Union dahin gehend vereinfacht, dass der Begriff des hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen das Unionsrecht auf jede Verletzung einer Rechtspflicht ausgedehnt wird, die, so bedauerlich sie auch sein mag, insbesondere mit objektiven Zwängen erklärt werden kann, denen die Kommission unterworfen ist, so würde dies zwar die Gefahr begründen, dass die Kommission in der Wahrnehmung ihrer Fusionskontrollaufgaben beeinträchtigt oder gar gehemmt wird. Für Personen, die durch das Verhalten der Kommission einen Schaden erlitten haben, muss jedoch ein Ersatzanspruch bestehen, wenn dieses Verhalten in einem Rechtsakt Ausdruck findet, der offenkundig der Rechtsvorschrift widerspricht und die Interessen dieser Personen schwerwiegend beeinträchtigt, ohne dass dies objektiv gerechtfertigt oder erklärt werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 2007, Schneider Electric/Kommission, T‑351/03, EU:T:2007:212, Rn. 123 und 124, sowie vom 9. September 2008, MyTravel/Kommission, T‑212/03, EU:T:2008:315, Rn. 42 und 43).

39      Diese Definition der Grenze, an der die außervertragliche Haftung der Union beginnt, ist geeignet, den Handlungs- und Beurteilungsspielraum zu schützen, über den die Kommission sowohl bei ihren Ermessensentscheidungen als auch bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts im Bereich des Wettbewerbs verfügen muss, ohne insoweit Dritten die Folgen offenkundiger und unentschuldbarer Pflichtverletzungen aufzubürden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2007, Schneider Electric/Kommission, T‑351/03, EU:T:2007:212, Rn. 125).

40      Die außervertragliche Haftung der Union setzt mithin die Feststellung eines Verstoßes voraus, den eine durchschnittlich umsichtige und sorgfältige Behörde unter vergleichbaren Umständen nicht begangen hätte (Urteil vom 10. September 2019, HTTS/Rat, C‑123/18 P, EU:C:2019:694, Rn. 43).

 Zur geltend gemachten hinreichend qualifizierten Verletzung der Grundrechte von UPS und den Klägerinnen

41      Die Klägerinnen machen geltend, die vom Gericht im Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, EU:T:2017:144), festgestellte Verletzung der Verteidigungsrechte von UPS stelle einen hinreichend qualifizierten Verstoß dar, der die außervertragliche Haftung der Union auslösen könne. Dies wird von der Kommission bestritten.

42      In der Tat ist entschieden worden, dass die Kommission die Verteidigungsrechte von UPS dadurch verletzt hat, dass sie dieser die endgültige Fassung ihres ökonometrischen Modells nicht übermittelt hat, weshalb der streitige Beschluss in vollem Umfang für nichtig zu erklären war (Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission, T‑194/13, EU:T:2017:144, Rn. 221 und 222).

43      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts der Schutz, der durch die zur Stützung einer Schadensersatzklage geltend gemachte Bestimmung verliehen wird, tatsächlich gegenüber der Person bestehen muss, die sich auf ihn beruft, und diese Person somit zu denen gehören muss, denen die in Rede stehende Bestimmung Rechte verleiht. Eine Bestimmung, die nicht den Einzelnen gegen die von ihm gerügte Rechtswidrigkeit schützt, sondern einen anderen Einzelnen, kann keinen Schadensersatzanspruch eröffnen (Urteile vom 12. September 2007, Nikolaou/Kommission, T‑259/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:254, Rn. 44, vom 14. Dezember 2018, East West Consulting/Kommission, T‑298/16, EU:T:2018:967, Rn. 142, und vom 23. Mai 2019, Steinhoff u. a./EZB, T‑107/17, EU:T:2019:353, Rn. 77).

44      Im vorliegenden Fall berufen sich die Klägerinnen auf eine Verletzung der Verfahrensrechte von UPS als Grundlage ihrer Schadensersatzklage, was vor dem Hintergrund der oben in Rn. 43 erläuterten Gesichtspunkte nicht zulässig ist.

45      Die Klägerinnen machen jedoch geltend, die Kommission habe dadurch, dass sie gegenüber UPS rechtswidrig gehandelt habe, auch ihre Grundrechte unmittelbar verletzt, und zwar insbesondere die sich aus den Art. 16, 17 und 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) ergebenden Rechte.

46      Es steht aber fest, dass sich die Klägerinnen nicht am Kontrollverfahren bezüglich des Zusammenschlusses von UPS und TNT beteiligt haben, obwohl Art. 18 Abs. 4 der Verordnung Nr. 139/2004 sowie Art. 11 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 802/2004 ihnen die Möglichkeit einräumten, im Lauf dieses Verfahrens gehört zu werden. Hierzu vom Gericht in der mündlichen Verhandlung befragt, haben die Klägerinnen bestätigt, dass sie an dem Verfahren nicht beteiligt gewesen seien, obwohl ihnen diese Möglichkeit wie beschrieben offen gestanden hätte. Unter diesen Umständen können sich die Klägerinnen nicht darauf berufen, dass die Kommission in einem Verfahren, an dem sie aus eigener Entscheidung nicht teilgenommen hatten, ihre Verfahrensrechte, einschließlich der Rechte nach Art. 41 der Charta, verletzt habe.

47      Jedenfalls ist auch darauf hinzuweisen, dass die der Kommission nach Art. 41 der Charta obliegende Sorgfaltspflicht bedeutet, dass die Verwaltung sorgsam und umsichtig handeln muss, ohne dass es ihre Sache wäre, jeglichen Schaden auszuschließen, der den Wirtschaftsteilnehmern durch die Verwirklichung gewöhnlicher geschäftlicher Risiken entsteht (Urteil vom 16. Dezember 2008, Masdar [UK]/Kommission, C‑47/07 P, EU:C:2008:726, Rn. 93). Das Risiko, dass ein Zusammenschluss nicht die vorherige Zustimmung der Kommission erhält, wohnt aber jedem Verfahren zur Kontrolle eines Zusammenschlusses inne (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2009, Kommission/Schneider Electric, C‑440/07 P, EU:C:2009:459, Rn. 203). Unter diesen Umständen können sich die Klägerinnen nicht darauf berufen, dass die Kommission ihnen gegenüber mangelnde Sorgfalt habe walten lassen.

48      Zum behaupteten Eingriff in die unternehmerische Freiheit und in das Eigentumsrecht nach den Art. 16 und 17 der Charta genügt die Feststellung, dass sich die Klägerinnen darauf beschränkt haben, diesen Grund für die Rechtswidrigkeit anzuführen, ohne ihr Vorbringen um entsprechende rechtliche Argumente zu ergänzen. Da sie auch nichts geltend gemacht haben, was die Gültigkeit der sich aus der Verordnung Nr. 139/2004 ergebenden Fusionskontrollregelung in Frage stellen könnte, ist daran zu erinnern, dass, wie oben in Rn. 47 ausgeführt, jedem Kontrollverfahren das Risiko einer Entscheidung innewohnt, mit der die Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt festgestellt wird.

49      Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist das Vorbringen, die Kommission habe hinreichend qualifiziert die Grundrechte der Klägerinnen und jene von UPS verletzt, unbegründet und folglich zurückzuweisen.

 Zum angeblichen Vorliegen schwerwiegender und offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Zusammenschlusses von UPS und TNT

50      Zur Stützung dieses Vorbringens tragen die Klägerinnen unter Bezugnahme auf das Vorbringen und die Anträge von UPS in der Rechtssache T‑834/17 vor, dass der streitige Beschluss mit schweren und offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet gewesen sei, ohne die die Vereinbarungen von 2012 hätten umgesetzt werden können. Hilfsweise machen sie geltend, die Kommission habe gegen die Art. 16 und 17 der Charta verstoßen, indem sie den angemeldeten Zusammenschluss untersagt und die Klägerinnen so an der Umsetzung dieser Vereinbarungen gehindert habe.

51      In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob dieses Vorbringen zum einen angesichts des Verweises der Klägerinnen auf die Schriftsätze von UPS und zum anderen angesichts der Tatsache, dass das Vorbringen offenbar lediglich durch ein der Erwiderung beigefügtes Sachverständigengutachten untermauert wird, zulässig ist.

–       Zur Bezugnahme auf die Klagegründe und Argumente von UPS in der Rechtssache T834/17

52      Wegen des engen Bezugs der vorliegenden Schadensersatzklage zur Klage von UPS in der Rechtssache T‑834/17 beantragen die Klägerinnen, dass das Gericht die von UPS in jener Rechtssache angeführten Klagegründe und Tatsachen miteinbeziehen möge. Sie hätten nur einen sehr begrenzten Zugang zu den Beurteilungen der Kommission gehabt, da sie der Nichtigkeitsklage von UPS nicht als Streithelferinnen beigetreten seien.

53      Die Kommission wendet ein, die Klägerinnen hätten ihr diesbezügliches Vorbringen nicht mit der erforderlichen Klarheit dargelegt. Sie hätten sich auf die Behauptung beschränkt, dass der Zusammenschluss von UPS und TNT genehmigt worden wäre, wenn die knapp geltend gemachten Rechtsverstöße nicht begangen worden wären, so dass die Klägerinnen aus den Vereinbarungen von 2012 einen Gewinn hätten erwirtschaften können. Da die Klägerinnen keine eigene rechtliche Analyse dargelegt und keine Beweise zur Stützung ihres Vorbringens erbracht hätten, könnten sie das Gericht nicht auf die Ausführungen der Klägerin in der Rechtssache T‑834/17 verweisen.

54      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Klageschrift nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss.

55      Zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und einer geordneten Rechtspflege muss diese kurze Darstellung der Klagegründe so klar und deutlich sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem zuständigen Gericht die Entscheidung über die Klage ermöglicht wird (Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 41).

56      In der Klageschrift ist deshalb darzulegen, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird, so dass seine bloß abstrakte Nennung den Erfordernissen der Verfahrensordnung nicht entspricht (vgl. Urteil vom 11. September 2014, Gold East Paper und Gold Huasheng Paper/Rat, T‑444/11, EU:T:2014:773, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Im vorliegenden Fall besteht das in Rede stehende Vorbringen im Wesentlichen aus einer Verweisung auf die von UPS in der Rechtssache T‑834/17 eingereichte Klageschrift.

58      Würde man jedoch Klagegründe, die nicht ausdrücklich in der Klageschrift dargestellt worden sind, mit der Begründung als zulässig ansehen, dass sie von einem Dritten in einer anderen Rechtssache geltend gemacht worden sind, auf die in der Klageschrift verwiesen wird, so würde dies eine Umgehung der zwingenden Anforderungen des Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung, auf die oben hingewiesen worden ist, ermöglichen (Urteil vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 64).

59      Die Identität der Parteien, insbesondere diejenige des Klägers, in den beiden Rechtssachen ist als eine wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit von Klagegründen anzusehen, die durch Verweisung auf die in einer anderen Rechtssache eingereichten Schriftsätze geltend gemacht worden sein sollen (Urteil vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 67).

60      Die Klägerinnen bringen indessen vor, dass sich die Umstände der vorliegenden Rechtssache von den Umständen unterschieden, die dem Urteil vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission (T‑209/01, EU:T:2005:455), zugrunde lägen, da die Verweisung in der Rechtssache Honeywell eindeutig Klagegründe betroffen habe, während sich die Klägerinnen in der vorliegenden Klage nicht auf die von UPS angeführten Klagegründe, sondern auf den relevanten Sachverhalt der Rechtssache stützten.

61      Es genügt jedoch die Feststellung, dass in der Klageschrift entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen allgemein auf die Klage von UPS in der Rechtssache T‑834/17 Bezug genommen wird, um nachzuweisen, dass die inhaltliche Beurteilung des Zusammenschlusses von UPS und TNT durch die Kommission mehrere schwere und offensichtliche Fehler aufweist, die im Hinblick auf die Preiskonzentrationsanalyse, die Beurteilung der Effizienzsteigerungen, die Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit von FedEx und die Untersuchung der Enge des Wettbewerbsverhältnisses Auswirkungen auf die Gültigkeit des streitigen Beschlusses haben. Diese Verweisung deckt sich mit der Darlegung der Klagegründe und der wesentlichen Argumente in der Mitteilung über die Klage in der Rechtssache T‑834/17 vom 29. Dezember 2017 in der im Amtsblatt veröffentlichten Fassung (ABl. 2018, C 72, S. 41).

62      Nach alledem ist die pauschale Verweisung der Klägerinnen auf die von UPS in der Rechtssache T‑834/17 eingereichte Klageschrift unzulässig.

63      Soweit die Klägerinnen geltend machen, dass ihnen zur Erstellung der Klageschrift nur ein sehr begrenzter Zugang zu den Beurteilungen der Kommission gewährt worden sei, genügt im Übrigen der Hinweis, dass die Klägerinnen, wie oben in Rn. 46 ausgeführt, nicht am Kontrollverfahren bezüglich des Zusammenschlusses von UPS und TNT beteiligt waren, obwohl ihnen diese Möglichkeit offen gestanden hätte. Außerdem räumen sie ein, zu keinem Zeitpunkt beantragt zu haben, in der Rechtssache, in der das Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission (T‑194/13, EU:T:2017:144), ergangen ist, als Streithelferinnen zur Unterstützung der von UPS beantragten Nichtigerklärung zugelassen zu werden.

–       Zur Zulässigkeit des Gutachtens von Copenhagen Economics

64      Als Anlage zu ihrer Erwiderung haben die Klägerinnen ein auf den 8. Juli 2019 datiertes Gutachten von Copenhagen Economics mit dem Titel „Assessment of economic analysis of the European Commission in the UPS-TNT case“ (Bewertung der wirtschaftlichen Analyse der Kommission in der Sache UPS-TNT) vorgelegt. Die Kommission tritt der verspäteten Vorlage dieses Gutachtens entgegen, die sie als ungerechtfertigt erachtet. Sie beantragt, das Gutachten als unzulässig zurückzuweisen.

65      Die Klägerinnen machen geltend, das Gutachten sei zulässig. Es stelle keinen neuen Beweis dar, sondern fasse dem Gericht bereits vorliegende Beweise zusammen. Die Vorlage des Gutachtens sei durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, auf die Klagebeantwortung zu erwidern und das Anhörungsrecht der Klägerinnen zu wahren.

66      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 76 Buchst. f der Verfahrensordnung jede Klageschrift gegebenenfalls die Beweise und Beweisangebote enthalten muss. Darüber hinaus bestimmt Art. 85 Abs. 1 der Verfahrensordnung, dass Beweise und Beweisangebote im Rahmen des ersten Schriftsatzwechsels vorzulegen sind. In Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung wird ergänzt, dass die Parteien für ihr Vorbringen noch in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung Beweise oder Beweisangebote vorlegen können, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist.

67      Aufgrund der Präklusionsvorschrift in Art. 85 Abs. 1 der Verfahrensordnung müssen die Parteien die verspätete Vorlage neuer Beweise oder Beweisangebote begründen; jedoch ist der Unionsrichter befugt, die Stichhaltigkeit der Begründung für die Verspätung, mit der diese Beweise oder Beweisangebote vorgelegt worden sind, und gegebenenfalls deren Inhalt zu prüfen sowie sie zurückzuweisen, wenn die verspätete Vorlage rechtlich nicht hinreichend gerechtfertigt oder begründet ist. Die verspätete Vorlage von Beweisen oder Beweisangeboten kann u. a. dann gerechtfertigt sein, wenn die Partei zuvor nicht über die fraglichen Beweise verfügen konnte oder wenn die Verspätung, mit der die Gegenpartei Beweise vorgelegt hat, es rechtfertigt, die Verfahrensakten zur Wahrung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens zu ergänzen (Urteil vom 16. September 2020, BP/FRA, C‑669/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:713, Rn. 41).

68      Im vorliegenden Fall machen die Klägerinnen in der Erwiderung geltend, sie hätten das Gutachten von Copenhagen Economics vorgelegt, um insbesondere darzutun, dass die Vorgehensweise der Kommission sowohl hinsichtlich der nicht erfolgten Übermittlung des endgültigen ökonometrischen Modells an UPS als auch in Bezug auf die Verwendung eines ungeeigneten Modells für die inhaltliche Entscheidung, dass der angemeldete Zusammenschluss zu untersagen sei, so grundlegend von der optimalen Methodik und der eigenen Entscheidungspraxis der Kommission in vorangegangenen und späteren Fällen abweiche, dass ihre Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem streitigen Beschluss offensichtlich nicht nachvollziehbar sei.

69      Aus der Erwiderung ergibt sich also, dass dieses Gutachten die Argumentation stützen soll, dass schwerwiegende und offensichtliche Fehler bei der Beurteilung des Zusammenschlusses von UPS und TNT durch die Kommission vorlägen, wozu die Klägerinnen in der Klageschrift aber lediglich allgemein auf die Klagegründe und Argumente von UPS in der Rechtssache T‑834/17 verwiesen und kein zusätzliches Beweisangebot vorgelegt haben. Folglich haben die Klägerinnen das Gutachten von Copenhagen Economics verspätet vorgelegt, ohne dies zu rechtfertigen, und ohne dass dieses Gutachten als Gegenbeweis oder als Erweiterung von Beweisangeboten im Anschluss an einen Gegenbeweis der Gegenpartei verstanden werden könnte.

70      Unter diesen Umständen ist das Gutachten von Copenhagen Economics wegen seiner verspäteten Vorlage ohne entsprechende Rechtfertigung für unzulässig zu erklären.

71      Da die Klägerinnen keine anderen Gesichtspunkte zur Stützung der angeblich von der Kommission zu verantwortenden Beurteilungsfehler dargetan haben als die Verweisung auf die Klagegründe und Argumente von UPS in der Rechtssache T‑834/17 und das Gutachten von Copenhagen Economics, ist festzustellen, dass das Vorbringen, die Kommission habe bei der Beurteilung des Zusammenschlusses von UPS und TNT schwerwiegende und offensichtliche Fehler begangen, nicht ausreichend begründet ist.

72      Folglich ist dieses Vorbringen insgesamt zurückzuweisen.

73      Da die Klägerinnen nicht nachgewiesen haben, dass der streitige Beschluss mit hinreichend qualifizierten Verstößen behaftet ist, liegt eine der drei kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung der Union nicht vor, so dass die Klage unbegründet ist.

74      Nach alledem wird die Klage abgewiesen, ohne dass das Vorbringen der Klägerinnen im Rahmen des vierten und des fünften Klagegrundes zum Nachweis des Vorliegens eines Schadens und eines ursächlichen Zusammenhangs geprüft zu werden braucht. Da die Klage unbegründet ist, kann dahinstehen, ob die Ansprüche der Klägerinnen verjährt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 1961, Meroni u. a./Hohe Behörde, 14/60, 16/60, 17/60, 20/60, 24/60, 26/60, 27/60 und 1/61, EU:C:1961:16, S. 368).

 Kosten

75      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Aviation Holdings DAC und die ASL Airlines (Ireland) Ltd tragen die Kosten.

Papasavvas

da Silva Passos

Reine

Truchot

 

      Sampol Pucurull


Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. Februar 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.