Language of document : ECLI:EU:C:1999:576

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Vorläufige Übersetzung vom

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JEAN MISCHO

vom 25. März 1999 (1)

Rechtssache C-156/97

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Van Balkom Non-Ferro Scheiding BV

„Schiedsklausel - Kündigung eines Vertrages - Anspruch auf Rückzahlung von Vorschüssen“

1.
    Im Rahmen seiner Zuständigkeit aus Artikel 181 EG-Vertrag ist der Gerichtshof mit einer Klage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften befaßt worden, mit der sie beantragt, die van Balkom Non-Ferro Scheiding BV, mit der sie vertragliche Beziehungen eingegangen ist, zu verurteilen, ihr zuviel gezahlte Beträge zurückzuerstatten und auf den geschuldeten Betrag Zinsen zu zahlen.

2.
    Der Vertrag, um den es geht, ist im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 3640/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Förderung von Demonstrationsvorhaben und industriellen Pilotvorhaben im Energiebereich durch finanzielle Unterstützung(2) zu sehen. Die Kommission vereinbarte am 4. Dezember 1990 mit drei Gesellschaften die Durchführung eines Vorhabens zur Energieerzeugung bei der Verwertung von Autoschrott durch diese Gesellschaften mit finanzieller Unterstützung der Gemeinschaft.

3.
    Diese drei Gesellschaften sind:

-    die Beklagte mit Sitz in Oss (Niederlande),

-    die van Balkom Seeliger GmbH (im folgenden: VBS) mit Sitz in Heidelberg (Deutschland),

beide bei der Vertragsunterzeichnung vertreten durch ihren Geschäftsführer Antoon van Balkom,

und

-    die Deutsche Filterbau GmbH (im folgenden: DF) mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland).

4.
    Nach dem Vertrag haften die drei Gesellschaften der Gemeinschaft gegenüber als Gesamtschuldner. Die finanzielle Unterstützung für die Durchführung des Vorhabens wurde auf 17 % der tatsächlichen Kosten ohne Mehrwertsteuer bis zu einem Höchstbetrag von 987 343 ECU festgesetzt.

5.
    Artikel 8 des Vertrages sieht die Möglichkeit eines Rücktritts der Kommission für den Fall vor, daß ihre Vertragspartner ihre Verpflichtungen nicht einhalten, während Artikel 9 Absatz 1 bestimmt:

„Der vorliegende Vertrag kann von jeder der Vertragsparteien mit einer zweimonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden, falls das in Anhang I vorgesehene Arbeitsprogramm insbesondere wegen eines voraussichtlichen technischen oder wirtschaftlichen Mißerfolges oder einer als zu hoch betrachteten Überschreitung der veranschlagten Kosten des Vorhabens hinfällig geworden ist.“

Artikel 9 Absatz 3 lautet:

„Falls sich die von der Kommission überwiesenen Beträge bei einer Überprüfung als zu hoch erweisen, wird der zuviel gezahlte Betrag vom Vertragspartner umgehend zurückerstattet zuzüglich der vom Zeitpunkt des Abschlusses oder der Beendigung der im Vertrag vorgesehenen Arbeiten angefallenen Zinsen.“

6.
    Nach Artikel 13 des Vertrages ist für alle etwaige Streitigkeiten zwischen den Parteien über die Gültigkeit, die Auslegung und die Anwendung des Vertrages der Gerichtshof zuständig; nach Artikel 14 unterliegt der Vertrag jedoch dem deutschen Recht. Anhang I des Vertrages enthält ein Arbeitsprogramm, das in fünf Abschnitte - „Engineering“, „Herstellung und Lieferung“, „Montage“, „Demonstrationsbetrieb“, „Schlußbericht und Dokumentation“ - gegliedert ist, dessen Abwicklung bis zum 30. Juni 1993 vorgesehen ist und zu dessen Einhaltung sich die Vertragspartner der Gemeinschaft nach Artikel 2 verpflichten.

7.
    Bei der Durchführung des Vertrages traten verschiedene unvorhersehbare Ereignisse ein, die die Kommission am 16. August 1994 veranlaßten, von ihrem Kündigungsrecht nach Artikel 9 des Vertrages Gebrauch zu machen und am 29. November 1994 von der Beklagten die Erstattung eines Betrages von 334 481 ECU einschließlich Zinsen zuverlangen. Sie erließ eine entsprechende Zahlungsaufforderung am 8. Februar 1995.

8.
    Die einzelnen unvorhersehbaren Ereignisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Anfang 1991 zahlte die Kommission an die VBS gemäß Anhang II des Vertrages einen Vorschuß von 296 203 ECU. Mit Schreiben vom 21. August 1991 teilte die DF der Kommission mit, daß sie sich nicht mehr am Vorhaben beteiligen könne, da sie aufgrund im Konzern, dem sie angehöre, beschlossener interner Maßnahmen nicht mehr über die Lizenz für die ins Werk zu setzende Technologie verfüge.

9.
    In diesem Schreiben, von dem die VBS eine Abschrift erhielt, heißt es, daß die durch dieses Ausscheiden erforderlich gewordenen vertraglichen Änderungen mit der VBS durchgeführt würden.

10.
    Am 26. August 1991 informierte die VBS die Kommission über das Ausscheiden der DF und teilte ihr mit, daß die Technologie, die die DF habe einbringen sollen, nunmehr von der DE Deutsche Engineering der Voest-Alpine Industrieanlagenbau GmbH Essen (im folgenden: DE) zustehe, mit der sie bereits in Verbindung stehe, so daß ihr die Fortführung des Vorhabens als in vollem Umfang gewährleistet erscheine.

11.
    Im selben Schreiben versicherte die VBS, daß mit der DF und der DE Verhandlungen wegen der erforderlichen vertraglichen Festlegungen geführt würden und daß die Kommission über den Fortgang der Verhandlungen umfassend unterrichtet werde.

12.
    Weiter führte die VBS in diesem Schreiben aus: „Selbstverständlich wird sich an der Einhaltung unserer Verpflichtungen gegenüber der EG-Kommission im Rahmen des Demonstrationsvorhabens nichts ändern“; aufgrund der geführten Gespräche sei davon auszugehen, daß der neue Vertragspartner alle Verpflichtungen der DF übernehmen werde.

13.
    Die VBS berichtete indessen von gewissen Schwierigkeiten, die bei der Erlangung der Genehmigung zum Bau der im Vertrag vorgesehenen Anlagen in Heidelberg aufgetreten seien und die die Einhaltung des vorgesehenen Arbeitsprogramms unmöglich machten, dessen Änderung sie vorschlagen werde.

14.
    Vorsorglich habe sie Schritte im Hinblick auf die Wahl eines anderen Standorts - in Thüringen - unternommen.

15.
    Mit Schreiben vom 7. Oktober 1991 überreichte die VBS der Kommission den ersten Technischen Bericht und den ersten Finanzbericht, wie sie im Vertrag vorgesehen seien, wobei sie auf die Schwierigkeiten bei der Erlangung der für die Errichtung dertechnischen Anlagen erforderlichen Verwaltungsgenehmigung zurückkam. Aufgrund dieses Berichts zahlte die Kommission der VBS einen weiteren Vorschuß in Höhe von 39 169 ECU.

16.
    Mit Schreiben vom 29. Oktober 1992 übersandte die VBS der Kommission den zweiten Technischen Bericht und den zweiten Finanzbericht; dabei teilte sie ihr zum einen mit, daß sie angesichts der Tatsache, daß sich die Muttergesellschaft der DF und der DE vom Sektor der Hochtemperaturvergasung zurückgezogen habe, einen neuen Partner gefunden habe, die VEBA-Oeltechnologie GmbH, in der Hoffnung, daß die Kommission deren Beteiligung akzeptiere, und zum anderen, daß am Vorhaben wegen der Verwendung einer anderen Technologie eine Reihe von technischen Änderungen vorgenommen werden müßten.

17.
    Einige Wochen später teilte die VBS der Kommission jedoch in einem von Herrn van Balkom unterzeichneten Schreiben mit, daß ihr die Beteiligung an der Durchführung des Vorhabens aus verschiedenen Gründen nicht mehr möglich sei und sie sich daher unter Verzicht auf alle der Kommission gegenüber aus dem Vertrag zustehenden Rechte aus diesen Vorhaben zurückziehe.

18.
    Außerdem würde sie zur Fortführung des Projekts alle erhaltenen Unterlagen und gewonnenen Erkenntnisse an die Beklagte weitergeben; sie bitte die Kommission, diesen Maßnahmen zuzustimmen.

19.
    In einem weiteren Schreiben, vom 16. Februar 1993, ersuchte die VBS die Kommission um Abrechnung auf der Grundlage des zweiten Finanzberichts und unterrichtete sie über die finanziellen Schwierigkeiten, in denen sich die Beklagte befinde und die eine etwaige Rückzahlung zuviel gezahlter Beträge unmöglich machten.

20.
    Am 9. März 1993 richtete die Kommission ein Schreiben an Herrn van Balkom in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten, in dem sie im Anschluß an eine Besprechung vom 3. März, an der er teilgenommen hatte, den aktuellen Stand des Vorhabens festhielt.

21.
    Für sie stelle sich die Situation wie folgt dar:

-    Die VBS und die DF zögen sich wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten aus dem Vorhaben zurück;

-    die Beklagte führe das Vorhaben unter folgenden Bedingungen weiter fort:

    -    es sei eine revidierte Fassung des technischen Anhangs des Vertrages vorzulegen;

    -    die Genehmigung zur Errichtung der Anlagen sei spätestens zum 31. Dezember 1993 zu besorgen;

    -    bis zu diesem Zeitpunkt würden von der Kommission keine weiteren Zahlungen geleistet.

Für den Fall, daß die gesetzte Frist nicht eingehalten werde, behalte sich die Kommission vor, den Vertrag nach dessen Artikel 9 zu kündigen.

Eine Abschrift dieses Schreibens wurde an den für das Vorhaben zuständigen Mitarbeiter der VBS gesandt.

22.
    Mit Schreiben vom 27. September 1993 unterrichtete Herr van Balkom als Liquidator der VBS die Kommission über eine Reihe von Ereignissen. Dabei ging es erstens um die gerichtliche Entscheidung, mit der die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der VBS mangels Masse abgelehnt worden sei, und zweitens um die erheblichen Schwierigkeiten, in die die Beklagte infolge der Probleme des Konzerns, zu dem sie gehöre, geraten sei.

23.
    Nachdem die Beklagte zahlungsunfähig geworden sei, habe sie nur durch eine Vereinbarung zwischen ihren Gläubigern und ihrer Hausbank sowie das Engagement eines neuen Investors gerettet werden können, der sich allerdings wieder zurückziehen werde. Unter diesen Umständen sei die Beklagte weder in der Lage, das Vorhaben allein durchzuführen, noch im Fall der Kündigung des Vertrages mit der Kommission ihren Verpflichtungen nachzukommen.

24.
    Derzeit liefen Verhandlungen, um einen Nachfolger für die VBS zu finden. Er hoffe jedoch, daß ihm dies bis zum Ablauf der Frist am 31. Dezember 1993 gelingen werde.

25.
    Mit an Herrn van Balkom gerichtetem Schreiben vom 8. Oktober 1993 bestätigte die Kommission die Verbindlichkeit des Stichtags 31. Dezember 1993. In einer als „unverbindliche Diskussionsgrundlage“ bezeichneten Note vom 20. Januar 1994 erwog die Kommission, daß die Rückzahlung, auf die sie nach Artikel 9 des Vertrages Anspruch habe, auf der Grundlage eines von den Vertragspartnern aufgewendeten Ausgabenbetrags von 1 127 800 DM berechnet werden könne.

26.
    Mit Schreiben vom 14. April 1994 unterrichtete die VBS die Kommission darüber, daß ein Nachfolger gefunden sei, der an der Weiterführung des Vorhabens sehr interessiert sei. Mit Telefax vom 8. Juni 1994 gewährte die Kommission der VBS eine neue Frist bis zum 30. Juni 1994.

27.
    Mit weiterem Telefax vom 29. Juni 1994 ersuchte der Rechtsanwalt der VBS die Kommission, in Anbetracht der laufenden Verhandlungen mit einem eventuellen Übernehmer von der Kündigung des Vertrages abzusehen.

28.
    Mit sowohl an die Beklagte als auch an die VBS gerichtetem Schreiben vom 16. August 1994 kündigte die Kommission den Vertragund forderte die beiden Unternehmen auf, die zur endgültigen Abrechnung erforderlichen Unterlagen vorzulegen, da die Beklagte andernfalls die gezahlten Zuschüsse in voller Höhe nebst Zinsen zurückzuzahlen habe.

29.
    Mit Schreiben vom 17. Oktober 1994 wies die Beklagte die Kommission darauf hin, daß diese bereits im Besitz der von ihr verlangten Unterlagen sei, die ihr von der VBS, mit der stets alle finanziellen Fragen behandelt worden seien, zur Verfügung gestellt worden seien.

30.
    Mit Schreiben vom 29. November 1994 teilte die Kommission der Beklagten und der VBS mit, daß sie einen weiteren Aufschub ablehne und daß sie auf der Grundlage eines anerkannten Ausgabenbetrags von 943 662,74 DM oder 492 489 ECU von den Gesamtschuldnern die Rückzahlung eines Betrages von 251 649 ECU zuzüglich Zinsen in Höhe von 82 832 ECU bis zum 16. Oktober 1994, insgesamt also von 334 480 ECU, verlange.

31.
    Am 8. Februar 1995 erließ die Kommission eine an die Beklagte und die VBS gerichtete Zahlungsaufforderung über diesen Betrag.

32.
    Es wurden noch drei weitere Schreiben ausgetauscht: erstens ein Schreiben der Kommission vom 30. Mai 1995, mit dem sie der Beklagten die Begleichung ihrer Schuld in Raten vorschlug, zweitens einSchreiben des Beraters der Beklagten vom 15. Juni 1995, mit dem dieser Vorschlag abgelehnt wurde, und drittens ein weiteres Schreiben dieses Beraters vom 28. Juni 1995, in dem einerseits die Gültigkeit der Zahlungsaufforderung an die Beklagte in Zweifel gezogen und gerügt wurde, daß es unangemessen sei, die Beklagte für den gesamten Rückzahlungsbetrag haftbar zu machen, andererseits aber vorgeschlagen wurde, einen Vergleich anzustreben. Letztendlich hat die Kommission am 23. April 1997 die vorliegende Klage erhoben.

33.
    Dieses Erinnern an die zwischen der Unterzeichnung des Vertrages und der Befassung des Gerichtshofes eingetretenen Ereignisse, wie sie sich aus den von den Parteien vorgelegten Unterlagen ergeben, mag etwas lang erscheinen; ich glaube jedoch, daß es sich bei der Beurteilung der Begründetheit der von den Parteien vorgebrachten Argumente, die es nunmehr darzulegen gilt, als nützlich erweisen wird.

34.
    Die Kommission führt aus, sie habe die Klage deshalb allein gegen die Beklagte gerichtet, weil die DF und die VBS spätestens ab März 1993 nicht mehr Parteien des Vertrages gewesen seien. Selbst wenn dieses Ausscheiden nicht für wirksam gehalten werden sollte, könne wegen der gesamtschuldnerischen Haftung, die zwischen den drei Vertragspartnern der Gemeinschaft vereinbart worden sei, von der Beklagten doch die Zahlung des gesamten Betrages verlangt werden, auf dessen Rückzahlung die Kommission nach Artikel 9 des Vertrages Anspruch habe.

35.
    Was die Kündigung des Vertrages angehe, so handele es sich, da von Anfang an ein genauer Vollzugszeitplan vereinbart worden sei, nicht um ein Dauerschuldverhältnis im Sinne des deutschen Rechts, das nur allen Vertragsparteien gegenüber gekündigt werden könne; die Kündigung des Vertrages sei daher wirksam, obwohl sie nicht der DF gegenüber erklärt worden sei, wobei unterstellt werde, daß diese zum Zeitpunkt der Kündigung noch Partei des Vertrages gewesen sei, was jedoch zu verneinen sei.

36.
    Zum Vorliegen eines Kündigungsgrunds führt die Kommission aus, die Voraussetzungen des Artikels 9 - voraussichtlicher wirtschaftlicher Mißerfolg - seien unter Berücksichtigung der verschiedenen vorstehend aufgeführten unvorhersehbaren Ereignisse eindeutig im Jahr 1994 erfüllt gewesen, wobei zu diesen Ereignissen insbesondere die Tatsache zähle, daß nach dem Ausscheiden der DF und der VBS die Beklagte, die sich selbst erheblichen finanziellen Schwierigkeiten gegenübergesehen habe, offensichtlich nicht mehr in der Lage gewesen sei, dieses Vorhaben mit Erfolg zum Abschluß zu bringen.

37.
    Das Vorhaben, das bis Juni 1993 hätte abgeschlossen werden sollen, sei jedenfalls wegen fehlender Genehmigung zur Errichtung der notwendigen Anlagen blockiert gewesen, so daß es nicht habe mit Erfolg zu Ende geführt werden können.

38.
    Zur Höhe des Rückzahlungsbetrags legt die Kommission dar, von den insgesamt an die VBS gezahlten Beträge, für die die Beklagte als Gesamtschuldnerin hafte, habe sie einen Betrag in Höhe von 17 % der Kosten ohne Mehrwertsteuer für die aufgewandten Beträge abgezogen, wie sie sich aus dem von ihr geprüften und gebilligten ersten Finanzbericht ergäben; in ihrem Schreiben vom 9. März 1993 habe sie darauf hingewiesen, daß sie keine Zahlungen mehr leiste, wenn die Verwaltungsgenehmigung zur Errichtung der Anlagen nicht spätestens am 31. Dezember 1993 vorliege.

39.
    Der Kommission könne somit nicht zum Vorwurf gemacht werden, den zweiten Finanzbericht nicht beschieden zu haben. Im übrigen seien Zinsen nach Artikel 9 Absatz 3 des Vertrages, auf den sie sich zu dessen Kündigung berufen habe, ab 1. Juli 1991 zu zahlen, da zu diesem Zeitpunkt der erste und einzige tatsächlich durchgeführte Abschnitt des Vorhabens fertiggestellt worden sei.

40.
    Die Beklagte tritt diesen einzelnen Argumenten entschieden entgegen. Ihrer Ansicht nach ist der Vertrag nie wirksam gekündigt worden. Da es sich bei dem Vertrag nämlich um ein Dauerschuldverhältnis handele, könne die Kündigung wirksam nur allen Vertragspartnern gegenüber erklärt werden. Die Kommission habe jedoch die Kündigung nie der DF gegenüber erklärt, die entgegen der Auffassung der Kommission zum Zeitpunkt der Kündigung immer noch Vertragspartei gewesen sei.

41.
    Hierzu weist die Beklagte darauf hin, daß sich das Ausscheiden der DF als Vertragsübernahme darstelle, die nur durch einen Vertrag zwischen allen Parteien hätte erfolgen können, der nach Artikel 7 des Vertrages der Schriftform bedurft hätte.

42.
    Ein solches Schriftstück, in dem die Kommission selbst, die VBS und die Beklagte mit der DF die Bedingungen für deren Ausscheiden und den Übergang ihrer Rechte und Pflichten auf ihre beiden Partner geregelt hätten, habe die Kommission jedoch nicht vorgelegt.

43.
    Selbst wenn die Kündigung aber in der vorgeschriebenen Form erklärt worden wäre, lägen doch keine Kündigungsgründe vor, da nicht vom Vorliegen eines voraussichtlichen wirtschaftlichen Mißerfolgs ausgegangen werden könne.

44.
    Um nämlich die Bedeutung des Begriffes des wirtschaftlichen Mißerfolgs beurteilen zu können, müsse Nummer A.4 des Anhangs I des Vertrages herangezogen werden, der die wirtschaftlichen und technischen Risiken des Vertrages behandele und den Mißerfolg anhand eines unter Berücksichtigung der Marktbedingungen zu hohen Investitionsbetrags definiere.

45.
    In dem Stadium, bis zu dem die Durchführung des Vorhabens gediehen sei, habe jedoch nichts den Schluß darauf zugelassen, daß die Investitionskosten letztlich über den genannten Betrag hinausgehenwürden. Zwar seien bei der Verwirklichung des Vorhabens Schwierigkeiten aufgetreten, die zu Verzögerungen gegenüber einem Zeitplan mit nur „voraussichtlichen Daten“ geführt hätten; dies lasse jedoch keinesfalls den Schluß auf einen voraussichtlichen wirtschaftlichen Mißerfolg im Sinne des Vertrages zu.

46.
    Überdies könne sich die Kommission für einen Anspruch auf Erstattung von Zuvielzahlungen nicht auf Artikel 9 Absatz 3 berufen, da die Berechnung eines etwaigen zuviel gezahlten Betrages deshalb nicht möglich sei, weil die Arbeiten nicht abgeschlossen seien; sie mache daher ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich eines Teils der von der Kommission verlangten Beträge geltend, da die Kommission noch nicht zu dem ihr von der VBS überreichten zweiten Finanzbericht Stellung genommen habe, der für den Zeitraum 1. Juli 1991 bis 30. Juni 1992 gegenüber dem ersten Finanzbericht Mehrausgaben ausweise, die eine weitere Zahlung der Kommission erforderlich machten.

47.
    Die der Beklagten von der Kommission mit Schreiben vom 9. März 1993 mitgeteilte Ablehnung jeder weiteren Zahlung könne nicht als Entscheidung über den von der VBS überreichten zweiten Finanzbericht angesehen werden.

48.
    Der 1. Juli 1991 sei schließlich als Zinsbeginn unzutreffend, da die Auffassung nicht haltbar sei, daß der erste Abschnitt der Durchführung des Vorhabens am 30. Juni 1991 beendet gewesen sei;diese Durchführung habe sich vielmehr weit über diesen Tag hinaus erstreckt.

Beurteilung

49.
    Wie ist zwischen diesen einander völlig zuwiderlaufenden Auffassungen zu entscheiden? Um bei der Suche nach einer Lösung methodisch vorzugehen, sind meines Erachtens die einzelnen Fragestellungen getrennt zu behandeln. Zur Beantwortung der Frage, ob die Kommission tatsächlich Anspruch auf den Betrag hat, dessen Zahlung sie von der Beklagten verlangt, ist zuallererst die Wirksamkeit der von ihr erklärten Kündigung des Vertrages zu prüfen. Diese Wirksamkeit unterliegt ihrerseits zwei Voraussetzungen: Hat die Kommission die für diese Kündigung vorgeschriebenen Formerfordernisse beachtet, und konnte sie angesichts des Standes der Verwirklichung des Vorhabens zum Zeitpunkt ihrer Kündigung von ihrem Recht aus Artikel 9 des Vertrages Gebrauch machen? Die Prüfung der Frage, ob die für die Kündigung vorgeschriebenen Formerfordernisse eingehalten worden sind, hängt wiederum von der Beantwortung der Frage ab, ob die Kommission der DF trotz deren Ankündigung des Ausscheidens die Kündigung hätte erklären müssen, was, wie die Kommission selbst einräumt, tatsächlich nicht geschehen ist.

50.
    Nach einer Beantwortung dieser verschiedenen Fragen bleibt - einmal unterstellt, daß wir zu dem Schluß gelangen, daß der Kommissionfür die Ausübung ihres Kündigungsrechts aus Artikel 9 ein Kündigungsgrund zur Seite stand - noch zu prüfen, ob die Höhe des zurückzuerstattenden Betrages von ihr sowohl hinsichtlich der Hauptforderung als auch der Zinsen richtig berechnet worden ist.

Zur Wirksamkeit der Kündigung des Vertrages

51.
    Beginnen wir mit der Prüfung der Frage, ob die Kommission in formeller Hinsicht sowohl den Vertrag als auch das deutsche Recht eingehalten hat, als sie diesen mit ihrem Schreiben vom 16. August 1994 gekündigt hat. Wie unstreitig ist, war dieses Schreiben an die VBS und die Beklagte, nicht aber an die DF gerichtet. Hätte es dies aber sein müssen?

52.
    Sicher nicht, wenn davon auszugehen ist, daß zu diesem Zeitpunkt von den ursprünglichen Vertragspartnern der Kommission nur noch zwei übrig blieben, nämlich die, denen gegenüber die Kündigung erklärt worden ist. Kann daher angenommen werden, daß die DF zu diesem Zeitpunkt vertragliche Beziehungen weder zur Kommission noch zur VBS und zur Beklagten mehr unterhielt? Angesichts der oben in Erinnerung gebrachten unvorhersehbaren Ereignisse wäre ich geneigt, diese Frage zu bejahen.

53.
    Zwar konnte das Schreiben, mit dem die DF der Kommission ihr Ausscheiden ankündigte, wegen seines völlig einseitigen Charakters nichtallein die Beendigung der am 4. Dezember 1990 begründeten vertraglichen Beziehungen bewirken; es ist daher als eine Absichtserklärung, ein Angebot ihres Ausscheidens und ein Verzicht auf die Rechte aus dem Vertrag anzusehen. Ist dieses Angebot aber von den übrigen Vertragsparteien angenommen worden?

54.
    Meines Erachtens kann die Beklagte dies heute kaum bestreiten. Die Zustimmung der Kommission steht außer Zweifel, auch wenn man darüber erstaunt sein mag, daß sich die Kommission so leicht mit dem Ausscheiden eines Partners abgefunden hat, der Träger einer Technologie war, die durch das Vorhaben ins Werk gesetzt werden sollte. Die Zustimmung der VBS läßt sich meiner Ansicht nach aus deren Schreiben an die Kommission vom 26. August 1991 entnehmen.

55.
    Zwar berichtet die VBS in diesem Schreiben von Gesprächen zur Regelung der vertraglichen Schwierigkeiten, die mit der Einbindung der DE in das Vorhaben zu tun hätten, was bedeutet, daß diese Schwierigkeiten zu diesem Zeitpunkt noch nicht überwunden waren; es ist jedoch festzustellen, daß die VBS nie Bedingungen an das Ausscheiden der DF geknüpft hat, sondern dieses Ausscheiden vielmehr als feststehend ansieht, obwohl sie Vorbehalte hätte anmelden und ihre Zustimmung zu diesem Ausscheiden von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen hätte abhängig machen können.

56.
    Was die Beklagte angeht, so finden sich in den Akten keine Unterlagen aus der Zeit des Ausscheidens der DF, denen mit Sicherheit entnommen werden könnte, daß die Beklagte mit diesem Ausscheiden einverstanden war.

57.
    Nun könnte man mit Recht die Ansicht vertreten, daß die Beklagte, wenn sie Einwände gegen dieses Ausscheiden gehabt hätte - wobei auszuschließen ist, daß sie hiervon nichts gewußt hatte, da ihr Herr van Balkom vorsteht, der auch Geschäftsführer der VBS ist -, diese auch geäußert hätte. Auf eine derartige Argumentation, bei der der Personalunion in der Geschäftsführung Vorrang vor dem Bestehen zweier verschiedener juristischer Personen eingeräumt würde, braucht jedoch keineswegs näher eingegangen zu werden, da uns das überaus deutliche Schreiben der Kommission vom 9. März 1993 vorliegt, in dem das Ausscheiden der DF - wie übrigens auch das der VBS - als feststehende Tatsache dargestellt wird; dieses Schreiben folgte auf die Gespräche, an denen Herr van Balkom im Namen der Beklagten teilnahm, und hat keine negative Reaktion der Beklagten auslöst.

58.
    Es kann jedoch angenommen werden, daß die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt, als die Verwirklichung des Vorhabens gefährdet erschien, auf ein Schreiben, in dem von ihrer Zustimmung zum Ausscheiden zweier Partner die Rede war, entschieden reagiert hätte, wenn diese Zustimmung tatsächlich nicht vorgelegen hätte.

59.
    Ich meine daher, daß sich aus den von mir gerade in Erinnerung gerufenen verschiedenen Schreiben eine spätestens im März 1993 erteilte schriftliche Zustimmung aller Parteien des Vertrages zum Ausscheiden der DF ableiten läßt und daß es einen ungerechtfertigten Formalismus darstellen würde, wenn man annähme, daß eine solche Zustimmung in Form eines von allen Parteien unterzeichneten besonderen Schriftstücks hätte erteilt werden müssen.

60.
    Selbst wenn es aber, wie die Beklagte unter Berufung auf die Lehre in Deutschland meint, zweifelhaft sein sollte, ob die DF angesichts des Wesens des Vertrages die Voraussetzungen für ein Ausscheiden erfüllt hat, kann meines Erachtens daraus, daß die Kommission die Kündigung nicht der DF gegenüber erklärt hat, nicht geschlossen werden, daß diese Kündigung gegenüber der Beklagten wirkungslos sei.

61.
    Um sich nämlich auf die Nichteinhaltung einer Formvorschrift berufen zu können, müßte die Beklagte darüber hinaus eine Verletzung ihrer Rechte und Interessen dartun. Die einzige, die sich, falls die Rechtmäßigkeit ihres Ausscheidens in Frage gestellt würde, im Hinblick auf die im Vertrag vorgesehene gesamtschuldnerische Haftung auf eine solche Verletzung berufen könnte, wäre aber die DF.

62.
    Die DF hat jedoch überaus deutlich erklärt, daß ihr die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unmöglich sei, und hat deshalb darauf verzichtet, von der Kommission als Partei des Vertrages von 1990behandelt zu werden, so daß sie gewiß nicht berechtigt wäre, der Kommission vorzuwerfen, die Kündigung nicht ihr gegenüber erklärt zu haben.

63.
    Ich meine daher, daß die Kommission angesichts der Entwicklung der vertraglichen Beziehungen zwischen 1990 und 1994 den Vertrag in formeller Hinsicht ordnungsgemäß gekündigt hat.

Zum Vorliegen von Kündigungsgründen

64.
    Lag für diese Kündigung ein Kündigungsgrund vor? Auch hier bin ich der Auffassung, daß die Einwände der Beklagten wenig Gewicht haben. Was macht die Beklagte geltend?

65.
    Zunächst weist sie darauf hin, daß der Begriff des wirtschaftlichen Mißerfolgs in Artikel 9 des Vertrages anhand eines diesem beigefügten Anhangs zu den wirtschaftlichen und technischen Risiken auszulegen sei. Die betreffende Bestimmung, Nummer 4.1 des Anhangs I, sei tatsächlich im wesentlichen beschreibender Natur und nenne die Höhe der für die Durchführung des Vorhabens erforderlichen Investitionen und die Obergrenze der von den drei Unternehmen, die Vertragspartner der Kommission seien, einzugehenden finanziellen Verpflichtungen; keinesfalls könne davon ausgegangen werden, daß diese Bestimmung die Definition für einen voraussichtlichen wirtschaftlichen Mißerfolg im Sinne von Artikel 9 des Vertrages enthalte.

66.
    Eine solche Auslegung wäre auch mit Artikel 9 des Vertrages unvereinbar, der jeder Partei für den Fall einer als zu hoch angesehenen Überschreitung der veranschlagten Kosten oder den Fall des technischen oder wirtschaftlichen Mißerfolgs, der den Zeitplan hinfällig macht, das Kündigungsrecht einräumt. Schon deshalb läßt sich der wirtschaftliche Mißerfolg nicht, wie die Beklagte es gern täte, auf die Überschreitung der veranschlagten Kosten reduzieren.

67.
    Nachdem dieser Einwand der Beklagten zurückgewiesen ist, bedarf es meines Erachtens anschließend keiner längeren Ausführungen darüber, warum entgegen dem Vorbringen der Beklagten - die mir von Treu und Glauben nicht viel zu halten scheint - berechtigterweise dann von einem voraussichtlichen wirtschaftlichen Mißerfolg ausgegangen werden kann, wenn ein Vorhaben, daß 1993 beendet sein sollte, sich 1994 immer noch in einem sehr wenig fortgeschrittenen Stadium befindet, wenn weiter von den drei Unternehmen, die sich zu Anfang zusammengetan haben, nur noch eines übrig bleibt, das trotz seiner Bemühungen keine neuen Partner hat finden können und sich selbst außerstande erklärt, die zur Fortführung des Vorhabens notwendigen finanziellen Beiträge weiterzuleisten, und wenn überdies die Verwaltungsgenehmigung, von der der Übergang zum zweiten Abschnitt abhängt, trotz gerichtlicher Klage immer noch nicht vorliegt.

68.
    Man kann sich kaum einen offenkundigeren Mißerfolg vorstellen. Allenfalls könnte man sich einmal mehr darüber wundern, daß dieKommission den Vertrag nicht früher gekündigt oder von ihrem Recht aus Artikel 8 des Vertrages, von diesem - mit viel einschneidenderen Folgen für ihre Vertragspartner - zurückzutreten, nicht früher Gebrauch gemacht oder zumindest diesen eindeutigen Mißerfolg nicht früher zur Kenntnis genommen, sondern dessen die Fristen, die sie zuvor selbst als zwingend bezeichnet hatte, verlängert hat.

69.
    Jedenfalls lagen meines Erachtens die Gründe für eine Kündigung des Vertrages durch die Kommission nach den Bestimmungen des Vertrages zum Zeitpunkt der Kündigung eindeutig vor.

Zur Höhe des geforderten Rückzahlungsbetrages

70.
    Kann die Kommission deshalb die Erstattung eines zuviel gezahlten Betrages von 251 649 ECU verlangen? Meiner Ansicht nach verdienen es die Argumente der Beklagten, bei dieser Frage berücksichtigt zu werden.

71.
    Zum genannten Betrag gelangt die Kommission nämlich dadurch, daß sie nur diejenigen Ausgaben ihrer Vertragspartner als einer finanziellen Unterstützung zugänglich ansieht, die sie im Rahmen der Genehmigung des ersten Finanzberichts gebilligt hat.

72.
    Sie bestreitet jedoch keineswegs, den zweiten Finanzbericht erhalten zu haben, in dem spätere Ausgaben ausgewiesen sind, sondern erklärt, diesen Bericht in der Weise beschieden zu haben, daß sie mit Schreiben vom 9. März 1993 der Beklagten zur Erlangung der Verwaltungsgenehmigung eine Frist bis zum 31. Dezember 1993 gesetzt und sie darüber unterrichtet habe, daß sie bis zum diesen Zeitpunkt keine Zahlungen mehr leisten werde.

73.
    Diese Erklärung überzeugt mich ganz und gar nicht, und ich glaube, daß die Beklagte völlig zu Recht vorträgt, die Kommission könne nicht behaupten, die Abrechnung für die Durchführung des Vorhabens erstellt zu haben, solange sie nicht zum zweiten Finanzbericht klar und deutlich Stellung genommen habe.

74.
    Zwar ist der Kommission dieser Bericht von der VBS vorgelegt worden; da jedoch der Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung nicht nur in einer Richtung gelten kann, kann sich die Beklagte auf ihn berufen, um die von der Kommission vorgelegte Abrechnung in Frage zu stellen.

75.
    In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission darauf verwiesen, daß ihr Verhalten gerechtfertigt gewesen sei, weil der zweite Abschnitt des Vorhabens wegen des Fehlens der Verwaltungsgenehmigung nicht habe in Angriff genommen werden können.

76.
    Eine aufmerksame Lektüre des dem Vertrag als Anlage beigefügten Arbeitsprogramms zeigt jedoch, daß die Montage der Demonstrationsanlage nicht den zweiten, sondern den dritten Programmabschnitt darstellte.

77.
    Der erste, als „Engineeringphase“ bezeichnete Abschnitt sollte nämlich vom 1. Dezember 1989 bis zum 31. Dezember 1990 dauern. Er war also zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, der erst am 4. Dezember 1990 erfolgte, bereits fertiggestellt.

78.
    Zu diesem Zeitpunkt lief außerdem der zweite Abschnitt „Herstellung und Lieferung“ bereits seit sieben Monaten, da er unter teilweiser Überschneidung mit der Engineeringphase vom 1. Mai 1990 bis zum 31. Oktober 1991 dauerte. Es ist daher durchaus vorstellbar, daß Arbeiten zur Herstellung von Bestandteilen der Anlage im Gange waren und daß Teile, die vor der Vorlage des ersten Berichts bestellt worden waren, in dem Zeitraum, auf den sich der zweite Bericht bezog, geliefert und bezahlt wurden, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht absehbar war, daß die Verwaltungsgenehmigung nicht erhalten werden konnte.

79.
    Schließlich sei auch daran erinnert, daß die VBS erst im Dezember 1992 aus dem Vorhaben ausgestiegen ist, während der zweite Bericht im Oktober 1992 vorgelegt worden ist.

80.
    Der Standpunkt der Kommission scheint mir auch aus einem anderen Grund kaum verständlich zu sein. Die Kommission selbst ist es nämlich, die es - ohne sich in irgendeiner Weise zu binden, wie ich durchaus einräume - in ihrer Note vom 20. Januar 1994 nicht ausschließt, sämtliche Ausgaben für den Abschnitt „Engineering“ in Höhe von 1 127 800 DM anzuerkennen, sofern entsprechende Nachweise vorgelegt werden könnten. Dies scheint mir aus sich heraus verständlich zu sein, da dieser Abschnitt schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abgeschlossen sein sollte. Die damit zusammenhängenden Ausgaben waren mithin zu berücksichtigen, auch wenn die entsprechende Zahlung erst in dem Zeitraum geleistet wurde, auf den sich der zweite Finanzbericht bezog.

81.
    Allgemein bin ich der Auffassung, daß die Kommission, wenn sie nach Artikel 9 des Vertrages vorgeht, verpflichtet ist, die von ihrem Vertragspartner vor der Kündigung getätigten Ausgaben ganz genau festzustellen; dies hat sie jedoch nicht getan, da sie vor der Kündigung ihre Zahlungen bis zum Wiederanlaufen der Arbeiten zur Verwirklichung des Vorhabens ausgesetzt hat.

82.
    Ich kann also beim gegenwärtigen Stand des Rechtsstreits nicht sagen, daß der zu erstattende dem von der Kommission verlangten Betrag entspricht; ebensowenig kann ich jedoch an die Stelle der Kommission treten, um die Richtigkeit der im zweiten Finanzbericht ausgewiesenen Zahlen zu prüfen und zu beurteilen, ob dieentsprechenden Ausgaben nach Artikel 3 des Vertrages genehmigungsfähig sind.

83.
    Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, die Kommission aufzufordern, den zweiten Finanzbericht dergestalt zu prüfen, daß sie ihre Abrechnung, sofern erforderlich, berichtigt und der Beklagten das Ergebnis dieser Prüfung in dem Bestreben mitteilt, daß die beiden Parteien sich zumindest auf den auf den Zuschuß der Kommission entfallenden Betrag einigen können.

Zum Verzinsungsbeginn

84.
    Die beiden Parteien sind sich auch hinsichtlich des Zeitpunkts uneins, zu dem die Verzinsung zu beginnen hat.

85.
    Dieser Zeitpunkt folgt nach Ansicht der Kommission aus Artikel 9 Absatz 3 des Vertrages:

„Falls sich die von der Kommission überwiesenen Beträge bei einer Überprüfung als zu hoch erweisen, wird der zuviel gezahlte Betrag vom Vertragspartner umgehend zurückerstattet zuzüglich der vom Zeitpunkt des Abschlusses oder der Beendigung der im Vertrag vorgesehenen Arbeiten angefallenen Zinsen.“

86.
    Die Kommission meint, die Beklagte habe den ersten Abschnitt des Vorhabens, wie vertraglich vorgesehen, am 30. Juni 1991 beendet. Daher seien die Zinsen ab diesem Zeitpunkt, also mit Wirkung vom 1. Juli 1991, zu berechnen.

87.
    Nach Auffassung der Beklagten ist der erste Abschnitt „Engineering“ des Vorhabens keineswegs am 30. Juni 1991 abgeschlossen worden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erklärt sie sich außerstande, den Zeitpunkt des Abschlusses der Engineeringphase zu bestimmen. Jedenfalls habe die VBS der Kommission mit Schreiben vom 29. Oktober 1992 mitgeteilt, daß der Abschluß dieses Abschnitts für den 30. September 1993 vorgesehen sei.

88.
    Meiner Ansicht nach ist festzustellen, daß mit dem Ausdruck „Beendigung“ im Gegensatz zu dem des „Abschlusses“ der Arbeiten der Zeitpunkt gemeint ist, zu dem die Arbeiten tatsächlich eingestellt wurden, ohne daß das Vorhaben fertiggestellt worden ist. Die Kommission hat zu Recht versucht, diesen Zeitpunkt zu bestimmen; möglicherweise liegt er jedoch später als der 30. Juni 1991. Es ist Sache der Kommission, den zweiten Zwischenbericht und den zweiten Technischen Bericht erneut zu prüfen, um zu ermitteln, wann die letzte anrechenbare Handlung im Hinblick auf die Durchführung des Vorhabens vorgenommen worden ist.

89.
    Ich möchte schließlich zu bedenken geben, daß es etwas widersprüchlich erscheint, wenn die Kommission mit der Kündigung des Vertrages bis 1994 zugewartet und in der Folge geltend gemacht hat, daß die Verwirklichung des Vorhabens tatsächlich am 30. Juni 1991 eingestellt worden sei. Angesichts der oben angesprochenen unvorhersehbaren Ereignisse kommen mir drei Jahre bis zum Erlaß der gebotenen Entscheidungen als eine sehr lange Zeitspanne vor.

Ergebnis

90.
    Als Ergebnis schlage ich dem Gerichtshof vor, zu entscheiden,

-    daß die Kündigung des Vertrages durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften wirksam war;

-    daß die Kommission den zweiten Technischen Bericht und den zweiten Finanzbericht zu prüfen und die von ihr aufgrund dieser Prüfung erlassene Entscheidung über die Höhe des zu zahlenden Betrages und den Zinsbeginn binnen drei Monaten der van Balkom Non-Ferro Scheiding BV mitzuteilen hat;

-    daß die Kommission, falls die van Balkom Non-Ferro Scheiding BV mit dieser Entscheidung nicht einverstanden ist und es ablehnt, ihr nachzukommen, binnen sechs Monaten denGerichtshof anzurufen hat, damit dieser den Rechtsstreit endgültig entscheidet;

-    daß die van Balkom Non-Ferro Scheiding BV, die mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, 4/5 und die Kommission, die bis heute nicht nachgewiesen hat, daß der Betrag, zu dessen Rückzahlung sie die Balkom Non-Ferro Scheiding BV verurteilen lassen will, richtig ist, 1/5 der Kosten des vorliegenden Verfahrens trägt.


1: Originalsprache: Französisch.


2: -     ABl. L 350, S. 29.