URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)
17. Februar 2000 (1)
„Schiedsklausel Kündigung eines Vertrages Anspruch auf Rückzahlung von
Vorschüssen“
In der Rechtssache C-156/97
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch die Rechtsberater
H. van Lier und G. zur Hausen als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt
B. Wägenbaur, Hamburg, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz,
Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
gegen
Van Balkom Non-Ferro Scheiding BV, Oss (Niederlande), Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt D. Baas, Mannheim, Postfach 10 27 50, D-68027 Mannheim,
wegen Rückforderung eines Vorschusses, den die Kommission der Beklagten für
ein Demonstrationsvorhaben im Bereich Energieerzeugung bei der Verwertung von
Autoschrott gewährt hat,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten R. Schintgen sowie der Richter
G. Hirsch (Berichterstatter) und V. Skouris,
Generalanwalt: J. Mischo
Kanzler: zunächst L. Hewlett, Verwaltungsrätin, sodann H. A. Rühl,
Hauptverwaltungsrat,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 25. Februar 1999,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. März
1999,
aufgrund des Beschlusses vom 30. September 1999 über die Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 21. Oktober 1999,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23.
November 1999,
folgendes
Urteil
- 1.
- Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am
23. April 1997 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel
181 EG-Vertrag (jetzt Artikel 238 EG) Klage erhoben auf Verurteilung der Van
Balkom Non-Ferro Scheiding BV zur Zahlung von 251 649 ECU zuzüglich der ab
1. Juli 1991 angefallenen Zinsen in Höhe der am ersten Werktag jedes Monats
veröffentlichten Prozentsätze, die der Europäische Fonds für währungspolitische
Zusammenarbeit für seine ECU-Transaktionen anwendet. Die Kommission hat
außerdem Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 4 % seit dem 1. Mai 1995
beantragt; diesen Antrag hat sie jedoch in der Folge zurückgenommen.
- 2.
- Am 4. Dezember 1990 schloß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, vertreten
durch die Kommission, mit der Beklagten, die ihren Sitz in Oss (Niederlande) hat,
der Van Balkom Seeliger GmbH (im folgenden: VBS) mit Sitz in Heidelberg
(Deutschland), beide vertreten durch ihren Geschäftsführer Van Balkom, sowie der
Deutsche Filterbau GmbH (im folgenden: DF) mit Sitz in Düsseldorf
(Deutschland), vertreten durch Herrn Hahn, einen Vertrag über die Gewährung
einer finanziellen Unterstützung der Kommission an die genannten insoweit
gemeinschaftlich handelnden Gesellschaften für die Durchführung eines
Vorhabens mit der Bezeichnung „Energieerzeugung aus einer bei der Verwertung
von Autoschrott anfallenden Reststofffraktion“ (im folgenden: Vertrag).
- 3.
- Dieser Vertrag wurde in Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 3640/85 des
Rates vom 20. Dezember 1985 zur Förderung von Demonstrationsvorhaben und
industriellen Pilotvorhaben im Energiebereich durch finanzielle Unterstützung (ABl.
L 350, S. 29) geschlossen.
- 4.
- Nach dem Vertrag haften die drei Gesellschaften der Gemeinschaft gegenüber als
Gesamtschuldner; sie werden als der „Vertragspartner“ bezeichnet.
- 5.
- Nach Artikel 3 des Vertrages wird die finanzielle Unterstützung auf 17 % der
tatsächlichen Kosten ohne Mehrwertsteuer bis zu einem Höchstbetrag von 987 343
ECU festgesetzt. Die Auszahlung der finanziellen Unterstützung ist in Anhang II
des Vertrages geregelt. Gemäß Punkt I.1.a dieses Anhangs hatte die Kommission
nach Unterzeichnung des Vertrages einen Vorschuß von 296 203 ECU und später
gemäß Punkt I.1.b einen weiteren Betrag in Höhe von 8,5 % der tatsächlichen
Kosten nach Maßgabe der vom Vertragspartner vorzulegenden Berichte und nach
Überprüfung der von ihm eingereichten Belege zu zahlen.
- 6.
- Artikel 4.3.2 des Vertrages sieht u. a. vor, daß der Vertragspartner der Kommission
mindestens einmal pro Jahr einen Bericht über die getätigten Ausgaben unter
Beifügung der entsprechenden Belege übermittelt.
- 7.
- Nach seinem Artikel 7 kann der Vertrag nur durch schriftlichen Nachtrag geändert
oder ergänzt werden, der von beiden Vertragsparteien zu unterzeichnen ist.
- 8.
- Artikel 8 des Vertrages bestimmt: „Die Kommission kann bei Außerachtlassung
einer der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen durch den
Vertragspartner von diesem Vertrag zurücktreten ...“
- 9.
- Artikel 9 Absätze 1 und 3 des Vertrages bestimmt:
„Der vorliegende Vertrag kann von jeder der Vertragsparteien mit einer
zweimonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden, falls das in Anhang I
vorgesehene Arbeitsprogramm insbesondere wegen eines voraussichtlichen
technischen oder wirtschaftlichen Mißerfolges oder einer als zu hoch betrachteten
Überschreitung der veranschlagten Kosten des Vorhabens hinfällig geworden ist.
...
Falls sich die von der Kommission überwiesenen Beträge bei einer Überprüfung
als zu hoch erweisen, wird der zuviel gezahlte Betrag vom Vertragspartner
umgehend zurückerstattet zuzüglich der vom Zeitpunkt des Abschlusses oder der
Beendigung der im Vertrag vorgesehenen Arbeiten angefallenen Zinsen.“
- 10.
- In Artikel 13 des Vertrages haben die Vertragsparteien für alle etwaigen
Streitigkeiten über die Gültigkeit, Auslegung und Anwendung dieses Vertrages als
Gerichtsstand den Gerichtshof vereinbart. Gemäß Artikel 14 unterliegt der
Vertrag dem deutschen Recht.
- 11.
- Nach Anhang I des Vertrages umfaßt das vom Vertragspartner zu erfüllende
Arbeitsprogramm folgende fünf Abschnitte: „Engineering“, „Herstellung und
Lieferung“, „Montage“, „Demonstrationsbetrieb“ sowie „Schlußbericht und
Dokumentation“.
- 12.
- Anfang 1991 überwies die Kommission VBS den vertraglich vorgesehenen Betrag
von 296 203 ECU (siehe Randnr. 5 diese Urteils).
- 13.
- Mit Schreiben vom 21. August 1991 teilte DF der Kommission mit, daß sie sich
nicht mehr an dem Demonstrationsvorhaben beteiligen könne und daß sie mit VBS
die erforderlichen vertraglichen Änderungen vornehmen werde. Mit Schreiben vom
26. August 1991 teilte VBS daraufhin der Kommission mit, daß sie hierüber mit DF
Verhandlungen aufgenommen habe.
- 14.
- Mit Schreiben vom 7. Oktober 1991 reichte VBS vertragsgemäß den ersten
Technischen Zwischenbericht und den ersten Finanzbericht ein. In diesem wurden
die tatsächlichen Ausgaben des Vertragspartners auf 1 038 723,40 DM beziffert,
wovon die Kommission einen Betrag von 943 662,74 DM entsprechend 460 808,82
ECU billigte. Demgemäß zahlte die Kommission nach Punkt I.1.b des Anhangs II
des Vertrages an VBS 8,5 % dieses Betrages, d. h. 39 169 ECU (siehe Randnr. 5
dieses Urteils).
- 15.
- Mit Schreiben vom 29. Oktober 1992 reichte VBS den zweiten Technischen
Zwischenbericht und den zweiten Finanzbericht zur praktischen Durchführung des
Demonstrationsvorhabens ein. Im zweiten Finanzbericht war für die seit Beginn der
Arbeiten getätigten Ausgaben einschließlich der von der Kommission bereits
gebilligten 943 662,74 DM ein Betrag von 1 541 278,48 DM angesetzt. Außerdem
ging aus den beiden Berichten u. a. hervor, daß zwischen dem 1. Juli 1991 und dem
30. Juni 1992 wegen fehlender behördlicher Genehmigung keine Arbeiten am
Projektort (Heidelberg) durchgeführt worden waren und daß in dieser Sache ein
Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgerichten anhängig war. Auf diese beiden
Berichte hin zahlte die Kommission keine weiteren Vorschüsse mehr.
- 16.
- Mit Schreiben vom 16. Dezember 1992 teilte VBS der Kommission mit, daß sie sich
nicht länger am Projekt beteiligen werde, und ersuchte die Kommission um
Zustimmung für eine Übertragung des Projekts an die Beklagte.
- 17.
- Mit Schreiben vom 9. März 1993, dem am 3. März 1993 eine Unterredung zwischen
der Kommission, der Beklagten und VBS vorausgegangen war, bestätigte die
Kommission der Beklagten, daß sich DF und VBS aus dem Vertrag zurückgezogen
hätten und daß sie die Fortführung des Vorhabens durch die Beklagte u. a. davon
abhängig mache, daß diese die zur Durchführung des Vorhabens erforderliche
verwaltungsrechtliche Genehmigung bis zum 31. Dezember 1993 eingeholt habe.
Sie erklärte außerdem, sie werde bis zu diesem Tag keine weiteren Vorschüsse
mehr zahlen und behalte sich das Recht vor, den Vertrag zu kündigen, wenn die
gesetzte Frist nicht eingehalten werde. Die Kommission übersandte VBS eine
Kopie des Schreibens vom 9. März 1993.
- 18.
- Mit Schreiben vom 27. September 1993 teilte Herr Van Balkom in seiner
Eigenschaft als Liquidator der VBS der Kommission mit, daß die Beklagte derzeit
weder in der Lage sei, das Demonstrationsvorhaben allein durchzuführen, noch, bei
einer Kündigung des Vertrages ihren potentiellen Verpflichtungen nachzukommen,
da sie sich nach wie vor in großen finanziellen Schwierigkeiten befinde.
- 19.
- Die Bemühungen von Herrn Van Balkom, einen finanzkräftigen Partner zu finden,
blieben ohne Erfolg.
- 20.
- Mit Schreiben vom 16. August 1994 an VBS und die Beklagte, das bei letzterer am
19. August 1994 einging, kündigte die Kommission den Vertrag und forderte die
Beklagte auf, ihr die für die Überprüfung der Höhe des Vorschusses relevanten
Unterlagen zu übermitteln. Mit Schreiben vom 29. November 1994 verlangte die
Kommission von der Beklagten die Rückzahlung von insgesamt 334 481 ECU. Am
8. Februar 1995 erließ sie eine entsprechende Zahlungsaufforderung unter
Festsetzung des Fälligkeitsdatums auf den 30. April 1995.
Zur Kündigung des Vertrages
- 21.
- Die Kommission führt aus, die vorliegende Klage richte sich ausschließlich gegen
die Beklagte, da sich VBS und DF im August 1991 bzw. im Dezember 1992 aus
dem Vertrag zurückgezogen hätten. In der Unterredung am 3. März 1993 habe sie
daraufhin mit Herrn Van Balkom und einem Vertreter von VBS vereinbart, daß
VBS und DF aus dem Vertrag ausschieden und die Beklagte das Vorhaben unter
bestimmten Voraussetzungen fortführe.
- 22.
- Nach Ansicht der Kommission ist die von ihr erklärte Kündigung des Vertrages
gemäß dessen Artikel 9 Absatz 1 wegen des voraussichtlichen wirtschaftlichen
Mißerfolgs des Vorhabens wirksam.
- 23.
- Die Beklagte macht geltend, der Vertrag sei durch die Kündigung der Kommission
vom 16. August 1994 nicht beendet worden.
- 24.
- Für eine Kündigung des Vertrages durch die Kommission sei nämlich kein Grund
nach Artikel 9 des Vertrages gegeben; ein voraussichtlicher wirtschaftlicher
Mißerfolg des Arbeitsprogramms nach Artikel 9 Absatz 1 habe nicht vorgelegen.
Aus einem Vergleich zwischen Artikel 8 und Artikel 9 des Vertrages ergebe sich
jedoch, daß ein Rücktritt gemäß Artikel 8 bei Leistungsstörungen oder
Pflichtverletzungen der Vertragspartner zulässig sei. Im vorliegenden Fall seien
zwar die Voraussetzungen des Artikels 8, nicht aber die des Artikels 9 erfüllt.
- 25.
- Darüber hinaus ergebe sich aus dem Vertrag selbst, insbesondere aus seiner
Präambel und aus Artikel 1 in Verbindung mit § 425 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(BGB), daß er von der Kommission nur mit Wirkung gegenüber allen
Vertragspartnern habe beendet werden können. Die Kündigung vom 16. August
1994 sei also unwirksam, da sie lediglich gegenüber VBS und der Beklagten, nicht
jedoch gegenüber DF erklärt worden sei.
- 26.
- Hierzu ist festzustellen, daß der Vertrag durch die von der Kommission mit
Schreiben vom 16. August 1994 erklärte Kündigung beendet worden ist.
- 27.
- Erstens lag für die Kündigung des Vertrages ein Grund nach Artikel 9 Absatz 1 des
Vertrages vor. Diese Bestimmung setzt nicht voraus, daß die Hinfälligkeit des
Arbeitsprogramms auf einem voraussichtlichen wirtschaftlichen Mißerfolg beruht.
Wie sich aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ ergibt, genügt es, daß das
Arbeitsprogramm überhaupt hinfällig geworden ist.
- 28.
- Diese Voraussetzung war bei der von der Kommission mit Schreiben vom 16.August 1994 erklärten Kündigung des Vertrages erfüllt, da von den drei
Unternehmen, die sich zu Beginn für das Vorhaben zusammengeschlossen hatten,
nur noch eines übrig blieb, das offensichtlich nicht in der Lage war, den Vertrag
zu erfüllen. Zwar hätte unter diesen Umständen die Kommission, wie die Beklagte
einräumt, gemäß Artikel 8 vom Vertrag zurücktreten können. Diese Bestimmung,
die der Kommission das Recht zum Rücktritt vom Vertrag zuerkennt, kann jedoch
nicht dahin ausgelegt werden, daß sie deren Recht beschränkt, den Vertrag nach
dessen Artikel 9 zu kündigen.
- 29.
- Die Kündigung durch die Kommission war zweitens wirksam und hat somit den
Vertrag beendet, obwohl die Kommission sie nicht ausdrücklich auch gegenüber
DF erklärt hat.
- 30.
- Eine solche Kündigung gegenüber DF war dann nicht nötig, wenn alle
Vertragsparteien im Rahmen eines Vertrages nach § 305 BGB das Ausscheiden
von DF aus dem Vertrag vereinbart haben sollten.
- 31.
- Zwar bestreitet die Beklagte, einen solchen Vertrag geschlossen zu haben, der im
übrigen trotz des Artikels 7 des Vertrages nach deutscher Rechtsprechung und
Lehre nicht notwendig der Schriftform bedurft hätte. Die Beklagte ist jedoch nicht
unverzüglich dem Schreiben vom 9. März 1993 entgegengetreten, in dem die
Kommission bestätigte, daß zwischen den Vertragsparteien am 3. März 1993
Unterredungen stattgefunden hätten, wonach sich die Vertragsparteien über das
Ausscheiden von DF einig seien. Nach deutscher Rechtsprechung und Lehre wäre
eine Einigung über das Ausscheiden von DF daher dann anzunehmen, wenn es sich
bei dem Schreiben vom 9. März 1993 um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben
handelte.
- 32.
- Es kann jedoch offen bleiben, ob das Schreiben vom 9. März 1993 tatsächlich ein
solches Schreiben darstellt. Denn im vorliegenden Fall ist die von der Kommission
erklärte Kündigung auch dann wirksam, wenn DF weiterhin formal Vertragspartei
geblieben sein sollte.
- 33.
- Nach § 425 BGB in Verbindung mit dem Vertrag konnte zwar die Kommission, wie
die Beklagte vorträgt, den Vertrag grundsätzlich nur gegenüber allen
Vertragspartnern kündigen, die Gesamtschuldner waren. Es verstieße nämlich
gegen den Geist des Vertrages, wenn die Kommission diesen im Verhältnis zu
einem der Vertragspartner beenden und im Verhältnis zu den anderen
Vertragspartnern fortsetzen könnte. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu
berücksichtigen, daß DF bereits am 21. August 1991 ernstlich und endgültig erklärt
hat, daß sie ihre Mitwirkung am Vertrag nicht mehr fortsetzen könne. Den von ihr
hierfür angeführten Gründen hat VBS in ihrem Schreiben vom 26. August 1991 an
die Kommission ausdrücklich zugestimmt. Die Beklagte hat sich dem Ausscheiden
von DF nicht widersetzt, sondern die Erfüllung des Vertrages ohne Mitwirkung von
DF fortgesetzt. Gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben nach den §§ 157
und 242 BGB ist der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag dahin auszulegen,
daß ihn die Kommission unter diesen Umständen gegenüber VBS und der
Beklagten kündigen konnte, ohne die Kündigung auch gegenüber DF erklären zu
müssen, mit der eine Fortsetzung des Vertrages ausgeschlossen war.
Zur Rückzahlung des Vorschusses
- 34.
- Die Kommission macht geltend, nach Artikel 9 Absatz 3 des Vertrages seien vom
gezahlten Betrag von 335 372 ECU nur 83 723 ECU zugunsten der Beklagten
abzuziehen. Hierbei handele es sich um die in den Artikeln 1.2 und 3 des Vertrages
genannte finanzielle Unterstützung. Diese Unterstützung entspreche 17 % der
Kosten des Vorhabens, die von der Kommission nach der Vorlage des ersten
Finanzberichts für den Abschnitt „Engineering“ geprüft und gebilligt worden seien
und einen Gesamtbetrag von 943 662,74 DM oder 492 489 ECU ausmachten,
wovon 17 % den Betrag von 83 723 ECU ergäben. Der der Kommission von der
Beklagten zu erstattende Betrag belaufe sich daher auf 251 649 ECU (335 372
ECU abzüglich 83 723 ECU). Zwar habe sie in einem Aktenvermerk vom 20.
Januar 1994 in Betracht gezogen, für den Abschnitt „Engineering“ Ausgaben in
Höhe von 1 127 800 DM anzuerkennen, sofern entsprechende Nachweise vorlägen.
Diese Nachweise seien ihr jedoch weder von VBS noch von der Beklagten
übermittelt worden, obwohl diese Übermittlung in Artikel 4.3.2 des Vertrages
ausdrücklich vorgesehen gewesen sei. Außerdem handele es sich bei diesem
Aktenvermerk, wie seine Überschrift ausdrücklich besage, um eine „unverbindliche
Diskussionsgrundlage“.
- 35.
- Nach Ansicht der Beklagten regelt Artikel 9 Absatz 3 keinen
Rückzahlungsanspruch für den Fall der Kündigung des Vertrages gemäß Absatz 1.
Selbst wenn ein solcher Anspruch der Kommission bestehen sollte, beliefen sich die
anzuerkennenden Ausgaben auf insgesamt 1 127 800 DM und nicht nur 943 662,74
DM. Die Kommission hätte dann entsprechend ihrem Aktenvermerk vom 20.
Januar 1994 Anspruch auf Erstattung von 236 333 ECU. Außerdem seien die
Nachweise von der Kommission nicht angefordert worden.
- 36.
- Wie sich klar aus Artikel 9 Absatz 3 des Vertrages ergibt, hat der Vertragspartner
im Fall der Kündigung des Vertrages nach Artikel 9 Absatz 1 den von der
Kommission zuviel gezahlten Betrag zurückzuerstatten.
- 37.
- Zur Ermittlung des Erstattungsbetrags sind von den von der Kommission gewährten
Vorschüssen in Höhe von 335 372 ECU gemäß Artikel 3 des Vertrages 17 % der
vom Vertragspartner im Hinblick auf die Durchführung des Vorhabens getätigten
Ausgaben abzuziehen. Insoweit hat die Kommission nachgewiesen, daß Ausgaben
nur in Höhe von 943 662,74 DM und nicht in Höhe von 1 127 800 DM, wie die
Beklagte behauptet, anerkennungsfähig sind. Denn es steht fest, daß der
Vertragspartner der Kommission nicht die Unterlagen übermittelt hat, die die über
943 662,74 DM hinausgehenden Ausgaben belegen würden. Aus Wortlaut und
Zweck des Artikels 3 in Verbindung mit Artikel 9 Absatz 3 des Vertrages folgt, daß
die Kommission nur die Ausgaben anerkennen muß, für die Belege übermittelt
worden sind. Da sich die Verpflichtung, diese Unterlagen zu übermitteln, aus
Artikel 4.3.2 des Vertrages ergibt, kommt es nicht darauf an, ob die Kommission
sie angefordert hat.
- 38.
- Demgemäß beläuft sich der von der Beklagten zu erstattende Betrag, wie von der
Kommission beantragt, auf 251 649 ECU (335 372 ECU abzüglich 83 723 ECU).
- 39.
- Nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni
1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro
(ABl. L 162, S. 1) ist bei den Beträgen der Haupt- und der Zinsforderung die
Bezugnahme auf die ECU durch eine Bezugnahme auf den Euro zum Kurs von 1
Euro für 1 ECU zu ersetzen.
Zum Zurückbehaltungsrecht der Beklagten
- 40.
- Die Beklagte beruft sich auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB, da die
Kommission noch nicht über den Antrag von VBS vom 29. Oktober 1992
betreffend den zweiten Finanzbericht entschieden habe.
- 41.
- Die Kommission macht geltend, sie habe den zweiten Finanzbericht in der Weise
beschieden, daß sie der Beklagten mit Schreiben vom 9. März 1993 zur Erlangung
der Verwaltungsgenehmigung eine Frist bis zum 31. Dezember 1993 gesetzt und
ihr mitgeteilt habe, daß sie bis zu diesem Tag keine Zahlungen mehr leisten werde.
- 42.
- Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Absatz 1 BGB steht der Beklagten nicht zu.
- 43.
- Dies ergibt sich schon daraus, daß wegen der Kündigung des Vertrages durch die
Kommission keine weitere finanzielle Unterstützung mehr zu gewähren ist.
Zu den Zinsen
- 44.
- Die Kommission verweist auf Artikel 9 Absatz 3 des Vertrages, wonach der
Erstattungsschuldner die Zinsen zu zahlen habe, die vom Zeitpunkt des
Abschlusses oder der Beendigung der im Vertrag vorgesehenen Arbeiten angefallen
seien. Die Beklagte habe den ersten Abschnitt des Vorhabens am 30. Juni 1991
abgeschlossen. Demgemäß seien die Zinsen ab 1. Juli 1991 zu berechnen.
- 45.
- Die Beklagte trägt vor, Artikel 9 Absatz 3 des Vertrages bestimme nicht, daß ein
Rückzahlungsanspruch vom Zeitpunkt des Abschlusses der ersten Phase des
Vorhabens an zu verzinsen sei. Auch sei diese Phase „Engineering“ entgegen
der Behauptung der Kommission nicht am 30. Juni 1991 abgeschlossen gewesen.
Tatsächlich sei nicht feststellbar, wann der Abschnitt „Engineering“ abgeschlossen
gewesen sei.
- 46.
- Hierzu ist festzustellen, daß die Kommission nach den §§ 284 und 288 BGB
Verzugszinsen nur seit dem 1. Mai 1995 in Höhe des in Artikel 9 Absatz 4 des
Vertrages vorgesehenen Zinssatzes verlangen kann, da sie nicht nachgewiesen hat,
zu welchem Zeitpunkt der Vertragspartner die Arbeiten abgeschlossen hatte.
Kosten
- 47.
- Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission einen entsprechenden
Antrag gestellt hat und die Beklagte mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind
dieser die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Van Balkom Non-Ferro Scheiding BV wird verurteilt, an die
Kommission der Europäischen Gemeinschaften 251 649 Euro zu zahlen,
zuzüglich der ab 1. Mai 1995 auf diesen Betrag angefallenen Zinsen in
Höhe der am ersten Werktag jedes Monats veröffentlichten Prozentsätze,
die der Europäische Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit für
seine Euro-Transaktionen anwendet.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Van Balkom Non-Ferro Scheiding BV trägt die Kosten des Verfahrens.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Februar 2000.
Der Kanzler
Der Präsident der Zweiten Kammer
R. Grass
R. Schintgen