Language of document : ECLI:EU:T:2020:20

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

30. Januar 2019(*)

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Dokumente zum Verwaltungsverfahren betreffend eine staatliche Beihilfe, die die österreichischen Behörden den Inhabern einer Konzession nach dem Glücksspielgesetz gewährt haben sollen – Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Inspektions‑, Untersuchungs- und Audittätigkeiten – Überwiegendes öffentliches Interesse – Begründungspflicht – Einrede der Rechtswidrigkeit“

In der Rechtssache T‑168/17,

CBA Spielapparate- und Restaurantbetriebs GmbH mit Sitz in Wien (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Schuster,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch C. Ehrbar, F. Erlbacher und K. Blanck als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Europäisches Parlament, vertreten durch N. Görlitz und D. Moore als Bevollmächtigte,

und durch

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bauer und E. Rebasti als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2017) 249 final der Kommission vom 13. Januar 2017, mit dem der Antrag auf Zugang zu Dokumenten des unter dem Aktenzeichen SA.40224 [2014/CP] registrierten Verfahrens betreffend staatliche Beihilfen auf der Grundlage von Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Spielmann sowie der Richter I. S. Forrester (Berichterstatter) und R. Mastroianni,

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die CBA Spielapparate- und Restaurantbetriebs GmbH, ist eine österreichische Gesellschaft, deren Haupttätigkeit die Organisation und der Betrieb von Casinos sowie Glücksspielen ohne Bankhalter in Österreich und anderen Ländern der Europäischen Union ist.

2        Da die Klägerin das Vorliegen einer rechtswidrigen staatlichen Beihilfe in Form von Steuerbefreiungen zugunsten ihrer Mitbewerberin, der Casinos Austria AG (im Folgenden: CASAG), vermutete, brachte sie mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein, mit der sie die Eröffnung eines Beihilfeverfahrens gegen die Republik Österreich nach Art. 107 Abs. 1 AEUV beantragte. Das auf diese Beschwerde hin eingeleitete Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen SA.40224 [2014/CP] registriert.

3        Mit Schreiben vom 24. August 2015 teilte die Generaldirektion „Wettbewerb“ der Kommission der Klägerin mit, dass die ihr zur Verfügung stehenden Informationen nicht den Schluss zuließen, dass eine staatliche Beihilfe vorliege, und dass die Klägerin innerhalb einer Frist von einem Monat noch Tatsachen zur Stützung ihrer Beschwerde mitteilen könne.

4        Am 1. September 2015 beantragte die Klägerin auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) Zugang zu den Dokumenten des Verfahrens SA.40224 [2014/CP] (im Folgenden: erster Antrag auf Zugang zu Dokumenten). Dieser Antrag wurde am 15. September 2015 auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 abgelehnt, wobei sich die Kommission im Wesentlichen auf die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit von Dokumenten aus Verwaltungsakten betreffend Verfahren wegen staatlicher Beihilfen zum Schutz der Untersuchungstätigkeiten berief.

5        Mit Schreiben vom 24. September 2015 übermittelte die Klägerin der Kommission weitere Dokumente, deren Erhalt die Kommission am 8. Oktober 2015 mit der Erklärung, dass sie weitere Untersuchungstätigkeiten entfalten werde, und dem Hinweis, dass sie, falls sich dies als für die Beurteilung erforderlich erweisen sollte, bei den österreichischen Behörden zusätzliche Informationen anfordern könne, bestätigte.

6        Am 5. Oktober 2015 reichte die Klägerin einen Zweitantrag auf Zugang zu den betreffenden Dokumenten ein. Dieser Antrag wurde am 18. November 2015 vom Generalsekretär der Kommission abgelehnt, der bestätigte, dass die fraglichen Dokumente durch die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit geschützt seien (im Folgenden: erster bestätigender Beschluss). Außerdem stellte der Generalsekretär fest, dass kein öffentliches Interesse bestehe, das die Verbreitung rechtfertigen würde. Dieser erste bestätigende Beschluss wurde vor dem Gericht nicht angefochten.

7        Mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 teilte die Kommission der Klägerin ihre vorläufige Beurteilung auf der Grundlage der von den österreichischen Behörden übermittelten Informationen mit. Die Kommission erklärte, dass die Steuerbefreiungen zugunsten von CASAG bereits vor dem Beitritt der Republik Österreich zur Union bestanden hätten, so dass diese Maßnahme als bestehende Beihilfe angesehen werden könne. Die Kommission sah in diesem Stadium die Einleitung des für den Fall bestehender Beihilferegelungen vorgesehenen Verfahrens der Zusammenarbeit nicht als vorrangig an, da dies lediglich Vorschläge für wirksame Maßnahmen für die Zukunft ermöglicht hätte. Sie führte weiter aus, die unterschiedliche steuerliche Behandlung „ende“ jedenfalls im Jahr 2019, und die Klägerin habe den österreichischen Behörden zufolge seit der Aufnahme ihrer Tätigkeiten in Österreich keine der betreffenden Steuern gezahlt. Sie gewährte der Klägerin eine Frist von einem Monat für die Mitteilung etwaiger Erläuterungen und Einwände, bei deren Ausbleiben die Beschwerde als zurückgenommen gelte.

8        Mit Schreiben vom 15. November 2016 stellte die Klägerin mit dem Hinweis, ihr vorheriger Antrag sei mit dem ersten bestätigenden Beschluss zurückgewiesen worden, einen neuen Antrag auf Zugang zu den Dokumenten des Verfahrens SA.40224 [2014/CP] (im Folgenden: zweiter Antrag auf Zugang zu Dokumenten). Die Klägerin bestätigte, dass sie ihre Beschwerde nicht zurückziehe, und übermittelte ihre Stellungnahme zu den Feststellungen der Kommission im Schreiben vom 21. Oktober 2016. Sie äußerte sich u. a. zur Dauer der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung und zu den Auswirkungen der neuen, nach dem Beitritt der Republik Österreich zur Union geltenden Vorschriften über die Berechnung der Steuern.

9        Mit Beschluss vom 23. November 2016 lehnte die Kommission den zweiten Antrag auf Zugang zu Dokumenten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 ab. Die Kommission wies darauf hin, dass die Untersuchung mangels einer endgültigen Entscheidung ihrerseits noch nicht abgeschlossen worden sei und dass die von der Klägerin im zweiten Antrag auf Zugang zu Dokumenten vorgebrachten Argumente kein überwiegendes öffentliches Interesse belegten.

10      Mit Schreiben vom 5. Dezember 2016 antwortete die Kommission auf die Stellungnahme der Klägerin und gewährte ihr eine neue Frist von einem Monat für die Übermittlung einer Stellungnahme, bei deren Ausbleiben die Beschwerde als zurückgenommen gelte. Mit Schreiben vom 5. Januar 2017 antwortete die Klägerin auf dieses Schreiben, übermittelte eine weitere Stellungnahme und brachte ihr Bedauern darüber zum Ausdruck, dass sie keine Kenntnis vom Inhalt der Mitteilungen der Republik Österreich erlangt habe.

11      Am 12. Dezember 2016 stellte die Klägerin einen Zweitantrag. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Generalsekretärs der Kommission vom 13. Januar 2017 (im Folgenden: angefochtener Beschluss) abgelehnt. In diesem Beschluss heißt es, die Klägerin habe bereits im Rahmen des ersten Antrags auf Zugang zu Dokumenten Zugang zu derselben Akte beantragt, und der erste bestätigende Beschluss sei bestandskräftig geworden, da er nicht fristgerecht angefochten worden sei. Der zweite Antrag auf Zugang zu Dokumenten sei unzulässig, da davon ausgegangen werde, dass sich die Sach- und Rechtslage nicht wesentlich geändert habe. Hilfsweise bestätigte die Kommission die Beurteilung und die Begründung des ersten bestätigenden Beschlusses und wies insbesondere die Argumente der Klägerin zurück, die diese zum Beleg eines überwiegenden öffentlichen Interesses vorgebracht hatte.

 Verfahren und Anträge der Parteien

12      Mit Klageschrift, die am 16. März 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

13      Am 9. Juni 2017 hat die Kommission gemäß Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

14      Mit Schriftsätzen, die am 30. Juni 2017 bzw. am 6. Juli 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Schreiben vom 11. Juli 2017 ist beiden mitgeteilt worden, dass gemäß Art. 144 Abs. 3 der Verfahrensordnung über ihre Anträge auf Zulassung zur Streithilfe erst entschieden werde, nachdem die Einrede der Unzulässigkeit zurückgewiesen oder die Entscheidung darüber dem Endurteil vorbehalten worden sei.

15      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 24. Juli 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin zur Einrede der Unzulässigkeit Stellung genommen. Sie hat beantragt, diese Einrede zurückzuweisen und das Verfahren über die Nichtigkeitsklage fortzusetzen, hilfsweise, die Entscheidung über die Einrede dem Endurteil vorzubehalten.

16      Mit Beschluss vom 5. Februar 2018 hat das Gericht die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 130 Abs. 7 der Verfahrensordnung dem Endurteil vorbehalten.

17      Am 16. März 2018 hat die Kommission ihre Klagebeantwortung eingereicht.

18      Mit Beschluss vom 18. Mai 2018, CBA Spielapparate- und Restaurantbetrieb/Kommission (T‑168/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:297), der nach Art. 144 Abs. 4 der Verfahrensordnung ergangen ist, hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts das Parlament und den Rat als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen. Das Parlament hat seinen Streithilfeschriftsatz am 29. Juni 2018 eingereicht und der Rat den seinen am 2. Juli 2018. Am 18. Juli 2018 hat die Klägerin ihre Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen des Parlaments und des Rates eingereicht.

19      Die Parteien haben keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

20      Nach einer Neubesetzung der Kammern des Gerichts gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung ist der Berichterstatter der Fünften Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

21      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

22      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

23      Das Parlament beantragt in seinem Streithilfeschriftsatz,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

24      Der Rat beantragt in seinem Streithilfeschriftsatz, die Klage abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

25      Die Kommission, unterstützt durch den Rat, hält die Nichtigkeitsklage für unzulässig.

26      Zur Stützung ihrer Einrede der Unzulässigkeit macht die Kommission geltend, dass der angefochtene Beschluss vom 13. Januar 2017 eine Handlung sei, die rein bestätigenden Charakter bezüglich des ersten bestätigenden Beschlusses vom 18. November 2015 habe, und dass die Klägerin gegen Letzteren, der mit dem angefochtenen Beschluss identisch sei, innerhalb der gesetzten Frist Klage hätte erheben müssen. Nach Ansicht der Kommission ist seit dem ersten bestätigenden Beschluss keine neue wesentliche Tatsache aufgekommen, so dass die Einreichung des zweiten Antrags auf Zugang zu Dokumenten nicht gerechtfertigt gewesen sei, nachdem das Untersuchungsverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

27      Die Klägerin macht geltend, dass nicht alle Dokumente, auf die sich der zweite Antrag auf Zugang zu Dokumenten beziehe, vom ersten Antrag auf Zugang zu Dokumenten erfasst gewesen seien. Sie ist der Ansicht, dass die Kommission seit dem ersten bestätigenden Beschluss ergänzende Informationen von ihr, der Klägerin, sowie neue Informationen von der Republik Österreich erhalten habe, so dass sich der Akteninhalt geändert habe. Im Übrigen zeige das Schreiben vom 21. Oktober 2016, dass die Kommission die Untersuchung implizit beendet habe. Die Rechtslage habe sich wesentlich geändert, da die Kommission davon ausgegangen sei, dass die fragliche nationale Beihilferegelung nunmehr als „bestehende Beihilfe“ angesehen werden könne. Schließlich könne der angefochtene Beschluss nicht als rein bestätigende Handlung angesehen werden, da er auf andere Ablehnungsgründe als der erste bestätigende Beschluss gestützt sei.

28      Unter den vorliegenden Umständen hält das Gericht es nach den Grundsätzen einer geordneten Rechtspflege – wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden – für gerechtfertigt, die vorliegende Klage als unbegründet abzuweisen, ohne zuvor über die Einrede der Unzulässigkeit zu entscheiden, die die Kommission zur Verteidigung erhoben hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C‑23/00 P, EU:C:2002:118, Rn. 50 bis 52, und vom 13. Januar 2017, Deza/ECHA, T‑189/14, EU:T:2017:4, Rn. 26).

 Zur Begründetheit

29      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie eine unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses und mit dem zweiten Klagegrund zum einen eine fehlerhafte Auslegung der Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 betreffend den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten (erster Teil) und betreffend ein etwaiges überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung der beantragten Dokumente (zweiter Teil) und zum anderen die Nichtigkeit dieser Bestimmung wegen Unvereinbarkeit mit den Art. 42 (dritter Teil) und 47 (vierter Teil) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

30      Die Kommission, unterstützt durch das Parlament und den Rat, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

31      Mit ihrem ersten Klagegrund macht die Klägerin eine unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses geltend. Der angefochtene Beschluss enthalte keine Begründung, die die Feststellung des Generalsekretärs stützen würde, wonach sich die Sach- und Rechtslage seit dem ersten bestätigenden Beschluss nicht wesentlich geändert habe.

32      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

33      Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Anforderungen von Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 5. Februar 2018, Edeka-Handelsgesellschaft Hessenring/Kommission, T‑611/15, EU:T:2018:63, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Nach gefestigter Rechtsprechung muss ein Organ, das sich auf eine in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme beruft, grundsätzlich erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das durch diese Ausnahme geschützte Interesse konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Diese Verpflichtung ergibt sich daraus, dass die in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen von dem in Art. 15 Abs. 3 AEUV in Art. 1 dieser Verordnung verankerten Grundsatz des Rechts auf Zugang zu Dokumenten der Unionsorgane abweichen. Der Zugang muss, wie im vierten Erwägungsgrund der genannten Verordnung ausgeführt, so umfassend wie möglich sein. Etwas anderes gilt jedoch, wenn das Organ, wie im vorliegenden Fall, berechtigt ist, sich auf eine allgemeine Vertraulichkeitsvermutung, wie sie beispielsweise bei Dokumenten eines Beihilfeprüfverfahrens besteht, zu berufen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 51, 53 und 54 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 14. Mai 2019, Commune de Fessenheim u. a./Kommission, T‑751/17, EU:T:2019:330‚ Rn. 69 bis 71).

35      Darüber hinaus ist das betreffende Organ, wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um einen zweiten Zugangsantrag handelt, nachdem der erste Antrag durch einen ersten, bestandskräftig gewordenen bestätigenden Beschluss abgewiesen worden ist, verpflichtet, zu prüfen, ob die frühere Verweigerung des Zugangs in Anbetracht einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Lage weiterhin gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑362/08 P, EU:C:2010:40‚ Rn. 57).

36      Bestätigt eine Antwort die Ablehnung eines Antrags aus denselben Gründen, so ist überdies die Frage, ob die Begründung ausreichend ist, anhand des gesamten Schriftwechsels zwischen dem Organ und dem Antragsteller zu prüfen, wobei die Informationen zu berücksichtigen sind, über die der Antragsteller hinsichtlich der Natur und des Inhalts der angeforderten Dokumente verfügte (Urteil vom 6. April 2000, Kuijer/Rat, T‑188/98, EU:T:2000:101, Rn. 44).

37      Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin entgegen dem Vorbringen der Kommission im zweiten Antrag auf Zugang zu Dokumenten sowie in ihrem Zweitantrag vom 12. Dezember 2016 geltend machte, dass das Schreiben der Kommission vom 21. Oktober 2016 mutmaßlich falsche Informationen der Republik Österreich enthalte, was gegenüber dem ersten bestätigenden Beschluss einen neuen Gesichtspunkt darstellte. Die Klägerin machte geltend, die Übermittlung unrichtiger Informationen von einem Mitgliedstaat an die Kommission begründe ein überwiegendes öffentliches Interesse, das die Verbreitung der angeforderten Dokumente rechtfertige.

38      Mit ihrem Beschluss vom 23. November 2016 lehnte die Kommission den zweiten Zugangsantrag auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 mit dem Hinweis ab, dass die Untersuchung mangels einer endgültigen Entscheidung im Beihilfeverfahren noch nicht abgeschlossen sei und dass die von der Klägerin mit ihrem Antrag vom 15. November 2016 vorgebrachten Argumente kein überwiegendes öffentliches Interesse belegten. In dem bestätigenden Beschluss vom 13. Januar 2017 heißt es, die Klägerin habe bereits im Rahmen des ersten Antrags auf Zugang zu Dokumenten Zugang zu derselben Akte beantragt und der erste bestätigende Beschluss sei bestandskräftig geworden, da er nicht fristgerecht angefochten worden sei. Die Kommission hat in diesem Beschluss erläutert, dass der zweite Antrag auf Zugang zu Dokumenten somit unzulässig sei, da sich die Sach- und Rechtslage nicht wesentlich geändert habe. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Kommission hilfsweise die Beurteilung und die Begründung ihres ersten bestätigenden Beschlusses bestätigte und das Vorbringen der Klägerin zum Beleg eines überwiegenden öffentlichen Interesses insbesondere in Bezug auf die angeblich falschen Informationen der Republik Österreich ausdrücklich zurückwies.

39      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission somit ihrer Begründungspflicht nachgekommen ist, da ein neuer Antrag das betroffene Organ verpflichtet, zu prüfen, ob die frühere Zugangsverweigerung angesichts einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Lage weiterhin gerechtfertigt ist. Der Beschluss enthält daher eine hinreichend genaue Begründung, um es der Klägerin zu ermöglichen, die Gründe zu verstehen, aus denen ihr der Zugang zu den streitigen Dokumenten verweigert wurde, und es dem Richter zu ermöglichen, seine Kontrolle über diese Ablehnung auszuüben.

40      Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: fehlerhafte Auslegung und Rechtswidrigkeit des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001

41      Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss beruhe auf einer fehlerhaften Anwendung von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001, wonach der Zugang zu beantragten Dokumenten verweigert werde, wenn dadurch der Schutz u. a. des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigt würde. Diese Anwendung beruhe zum einen auf einer fehlerhaften Auslegung des dritten Gedankenstrichs (erster Teil) und des letzten Halbsatzes des genannten Absatzes (zweiter Teil) und zum anderen auf einer Bestimmung, die im Widerspruch zum höherrangigen Primärrecht stehe und daher nichtig sei (dritter und vierter Teil).

–       Zum ersten Teil: fehlerhafte Auslegung von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001

42      Mit dem ersten Teil des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 sei dahin auszulegen, dass die Mitteilung einer vorläufigen Beurteilung, mit der auf die Absicht des Organs hingewiesen werde, das Verfahren nicht fortzusetzen, dieses Organ daran hindere, einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten unter Berufung auf die allgemeine Vermutung abzulehnen, dass die Verbreitung von Dokumenten eines laufenden Beihilfeverfahrens den Zweck von Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigen könnte.

43      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

44      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit der Dokumente, die Beihilfekontrollverfahren betreffen. Wären die Beteiligten in der Lage, auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang zu den Dokumenten der Verwaltungsakte der Kommission zu erhalten, wäre das System der Kontrolle staatlicher Beihilfen gefährdet, da andere Beteiligte als der betroffene Mitgliedstaat in Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen im Rahmen dieses Verfahrens nicht über das Recht verfügen, die Dokumente der Verwaltungsakte der Kommission einzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 58 und 61). Nach ständiger Rechtsprechung sind im Rahmen von Untersuchungen betreffend die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt nämlich eine loyale Zusammenarbeit und gegenseitiges Vertrauen zwischen der Kommission und dem für die Gewährung der Beihilfe verantwortlichen Mitgliedstaat unerlässlich, damit sich die Parteien frei äußern können. Folglich könnte in Anbetracht der besonderen Stellung des betreffenden Mitgliedstaats im Rahmen eines Beihilfekontrollverfahrens die Verbreitung von diese Untersuchungen betreffenden Dokumenten den Dialog und damit die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und diesem Mitgliedstaat gefährden (Urteil vom 7. September 2017, AlzChem/Kommission, T‑451/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:588‚ Rn. 56 und 57).

45      Was den zeitlichen Umfang der auf die Ausnahme des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Vermutung der Vertraulichkeit anbelangt, so betrifft die oben genannte Rechtsprechung nicht nur den Zugang zu den Dokumenten eines laufenden Beihilfeverfahrens (Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376‚ Rn. 23 und 31), sondern auch den Zugang zu den Dokumenten eines abgeschlossenen Beihilfeverfahrens, wenn eine Klage gegen die Sachentscheidung anhängig war (Urteil vom 7. September 2017, AlzChem/Kommission, T‑451/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:588‚ Rn. 43; vgl. in diesem Sinne und entsprechend auch Urteil vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112‚ Rn. 98). Diese Lösung erklärt sich durch die Berücksichtigung der für die Kommission bestehenden Möglichkeit, je nach Ausgang des gerichtlichen Verfahrens ihre Tätigkeit wiederaufzunehmen, um gegebenenfalls eine neue Entscheidung zu erlassen (Urteil vom 7. September 2017, AlzChem/Kommission, T‑451/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:588‚ Rn. 42; vgl. auch entsprechend Urteil vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112‚ Rn. 99).

46      Daraus folgt, dass die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit jedenfalls für Dokumente gilt, die zu einem nicht abgeschlossenen Beihilfeverfahren gehören, wie es vorliegend zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses der Fall war.

47      Außerdem ist zu einer etwaigen Auswirkung des Schreibens der Kommission vom 21. Oktober 2016 auf die Pflicht zur Verbreitung der streitigen Dokumente festzustellen, dass die Klägerin nicht bestreitet, dass dieses Schreiben nicht die endgültige Entscheidung der Kommission darstellt, kein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, sondern dass die Kommission damit ihre vorläufige Absicht bekannt gab, die Untersuchung abzuschließen. Daher hat das Schreiben vom 21. Oktober 2016 keine Auswirkungen auf die für die Kommission bestehende Möglichkeit, sich auf die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit gemäß Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 zu stützen (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Mai 2017, Schweden/Kommission, C‑562/14 P, EU:C:2017:356‚ Rn. 50).

48      In Anbetracht der Eindeutigkeit der oben genannten Rechtsprechung und mangels eines Vorbringens der Klägerin, das eine Ausnahme von der Regel rechtfertigen würde, die eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit zumindest bis zum endgültigen Abschluss des Beihilfeverfahrens vorsieht, ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem eine rechtlich fehlerhafte Auslegung von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend gemacht wird, als jeder Grundlage entbehrend zurückzuweisen.

–       Zum zweiten Teil: fehlerhafte Auslegung des Begriffs des überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001

49      Mit dem zweiten Teil des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss beruhe auf einer fehlerhaften Auslegung des Begriffs „überwiegendes öffentliches Interesse“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001. Sie beruft sich in dreifacher Hinsicht auf das überwiegende öffentliche Interesse.

50      Erstens habe die Kommission das öffentliche Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001 rechtsfehlerhaft beurteilt, da die Wirksamkeit der Kontrolle staatlicher Beihilfen nicht mehr gefährdet sein könne, wenn die Kommission erklärt habe, nicht mehr die Absicht zu haben, das Beihilfeverfahren fortzuführen.

51      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

52      Insoweit ist auf die Rechtsprechung hinzuweisen, nach der die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit jedenfalls bis zum förmlichen Abschluss des Beihilfeverfahrens gilt (siehe oben, Rn. 44 bis 46). Würde eine von der Kommission vor Abschluss des Verfahrens übermittelte vorläufige Beurteilung ein überwiegendes öffentliches Interesse daran begründen, die Verfahrensakte nicht mehr zu schützen, liefe dies darauf hinaus, die von der Rechtsprechung aufgestellte allgemeine Vermutung in Frage zu stellen.

53      Zweitens macht die Klägerin geltend, ihr privates Interesse an einer möglichen Schadensersatzklage stehe mit dem öffentlichen Interesse der Union in Einklang, da es zur Sicherung eines Systems des unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt der Union beitrage. Der Zugang eines Mitbewerbers zu den Dokumenten des Beihilfeverfahrens diene somit dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Wirksamkeit des freien Wettbewerbs.

54      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

55      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die Absicht einer Person, Ersatz des Schadens zu verlangen, der durch einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln entstanden sein soll, grundsätzlich nicht genügen kann, um Zugang zu den Dokumenten des von der Kommission durchgeführten Wettbewerbsverfahrens zu erlangen. Allgemeine Erwägungen zur Erhöhung der Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union durch das Recht, Ersatz für einen solchen Schaden zu verlangen, können als solche nicht schwerer wiegen als die Gründe, die die Verweigerung der Verbreitung der fraglichen Dokumente rechtfertigen. Es obliegt einem jeden, der Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln begehrt, der Nachweis, dass für ihn die Notwendigkeit des Zugangs zu dem einen oder anderen Dokument der Kommissionsakte besteht, damit die Kommission die Interessen, die die Übermittlung solcher Dokumente rechtfertigen, und den Schutz dieser Dokumente Fall für Fall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte der Sache gegeneinander abwägen kann. Ist eine solche Notwendigkeit nicht gegeben, kann das Interesse an der Erlangung von Schadensersatz wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 darstellen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112, Rn. 104 bis 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass für sie der Zugang zu dem einen oder anderen Dokument in der Kommissionsakte erforderlich ist. Sie beschränkt sich darauf, zu erwähnen, dass sie zur Stützung ihrer Klage vor den nationalen Gerichten das Beihilfeverfahren betreffende Dokumente benötige. Aus der Klageschrift geht nicht einmal hervor, welche Verfahrensschritte die Klägerin konkret zu unternehmen beabsichtigt. Da insoweit keine Informationen oder konkreten Anhaltspunkte vorliegen, kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, die betroffenen Interessen nicht gegeneinander abgewogen zu haben.

57      Drittens betont die Klägerin, dass die Republik Österreich, die 33,24 % des Grundkapitals ihrer Mitbewerberin CASAG halte, die die mutmaßlichen Beihilfen erhalten habe, auch ihre privatwirtschaftlichen Interessen schütze und dass die Verweigerung des Zugangs zu den Dokumenten ihr gegenüber eine Ungleichbehandlung zur Folge hätte, die gegen die Art. 20 und 21 der Charta verstoße. Ihre wirtschaftlichen Interessen würden nicht geschützt, weil sie keine Kenntnis von den Dokumenten habe und daher nicht in der Lage sei, die ihrer Verteidigung und somit der Erhaltung des Wettbewerbs dienenden Argumente vorzubringen.

58      Soweit die Klägerin ein überwiegendes öffentliches Interesse zum Schutz des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend macht, genügt der Hinweis, dass dieser Grundsatz, der einen fundamentalen Rechtsgrundsatz bildet, das Verbot enthält, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, es sei denn, dass eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre (Urteil vom 24. Mai 2011, NLG/Kommission, T‑109/05 und T‑444/05, EU:T:2011:235‚ Rn. 157).

59      Im Rahmen des im vorliegenden Fall in Rede stehenden Beihilfesystems befinden sich die Klägerin und die Republik Österreich jedoch nicht in derselben Situation. Die Kommission hat der Republik Österreich nicht Zugang zu den Dokumenten auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 gewährt, auf die sich die Klägerin beruft. Die Republik Österreich ist zwar im Besitz der Dokumente des Beihilfeverfahrens, jedoch auf der Grundlage ihrer Stellung als Partei dieses Verfahrens. Da der Klägerin dagegen nach der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9) in diesem Verfahren keine entsprechende Stellung zukommt, sind ihre Rechte auf die durch die Verordnung Nr. 1049/2001 gewährten Rechte beschränkt.

60      In Anbetracht dieser ungleichen Sachverhalte kann die Klägerin keine Ungleichbehandlung geltend machen. Folglich weist sie kein auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhendes überwiegendes öffentliches Interesse nach, das im vorliegenden Fall eine Abwägung seitens der Kommission gerechtfertigt hätte und zur Verbreitung der Akte hätte führen können.

61      Im Übrigen ist, sollte sich die Klägerin in etwaigen privaten Wettbewerbsverfahren darüber beschweren, dass sie gegenüber CASAG, die unter der Kontrolle der Republik Österreich stehen soll, ungleich behandelt werde, darauf hinzuweisen, dass sie über die oben in Rn. 55 genannte Möglichkeit verfügt, die Notwendigkeit, für die Zwecke solcher privaten Verfahren das eine oder andere Dokument zu erhalten, nachzuweisen.

62      Folglich ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes der Klägerin, mit dem eine fehlerhafte Auslegung des Begriffs des überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001 gerügt wird, zurückzuweisen.

–       Zum dritten Teil: Rechtswidrigkeit von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 im Hinblick auf Art. 42 der Charta

63      Mit dem dritten Teil des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin im Hinblick auf den Vorrang von Art. 42 der Charta die Rechtswidrigkeit von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend.

64      Die Kommission, unterstützt durch das Parlament und den Rat, tritt diesem Vorbringen entgegen.

65      Insoweit steht fest, dass die Charta entgegen dem Vorbringen der Klägerin kein Recht auf uneingeschränkten Zugang zu den beantragten Dokumenten gewährt. Auch kann das Vorbringen der Klägerin nicht durchgreifen, wonach Art. 42 der Charta, der das Recht auf Zugang zu den verlangten Dokumenten gewährleiste, keine Möglichkeit vorsehe, sekundärrechtliche Vorschriften zu erlassen, die dieses Recht beschränkten, und wonach die Charta als späterer Rechtsakt von Art. 15 Abs. 3 AEUV abweiche, was den Wegfall der Rechtsgrundlage der Verordnung Nr. 1049/2001, namentlich ihres Art. 4, zur Folge habe.

66      Zunächst ist nämlich darauf hinzuweisen, dass Art. 42 der Charta vorsieht, dass „[d]ie Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat … das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe … unabhängig von der Form der für diese Dokumente verwendeten Träger [haben]“. Des Weiteren erfolgt, wie das Parlament vorbringt, die Ausübung der durch die Charta anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind, nach Art. 52 Abs. 2 dieser Charta im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen. Im vorliegenden Fall wird nach Art. 15 Abs. 3 AEUV das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe nach den Grundsätzen und Bedingungen gewährleistet, die in Verordnungen des Parlaments und des Rates gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren festgelegt sind. Aufgrund dieser Bestimmung sind die allgemeinen Grundsätze und Einschränkungen in Bezug auf das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Kommission in der Verordnung Nr. 1049/2001 festgelegt, die auf der Grundlage von Art. 255 EG erlassen wurde, dessen Inhalt sodann in Art. 15 Abs. 3 AEUV übernommen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Mai 2019, Commune de Fessenheim u. a./Kommission, T‑751/17, EU:T:2019:330‚ Rn. 107 bis 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Zudem ergibt sich, wie das Parlament zu Recht ausführt, aus den Vorarbeiten, dass der Erlass der Verordnung Nr. 1049/2001 durch den Gesetzgeber in voller Kenntnis des Inhalts des in Art. 42 der Charta – die bereits am 7. Dezember 2000 feierlich verkündet worden war – verankerten Rechts erfolgte.

68      Zudem verfügt der Gesetzgeber, wie der Rat zu Recht vorträgt, über einen Ermessensspielraum und stellt die bloße Existenz der Ausnahmebestimmungen des Art. 4 der genannten Verordnung keinen Verstoß gegen Art. 42 der Charta dar.

69      Daher besteht das in Art. 42 der Charta verankerte Recht auf Zugang zu Dokumenten im vorliegenden Fall entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht uneingeschränkt, vielmehr erfolgt seine Ausübung gemäß Art. 52 Abs. 2 der Charta im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen. Daher ist das Vorbringen der Klägerin, wonach Art. 42 der Charta das Recht auf Zugang umfassender schütze als Art. 15 Abs. 3 AEUV, zurückzuweisen. Außerdem begründet die Klägerin im vorliegenden Fall in keiner Weise, inwiefern die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme vom Zugangsrecht das Recht auf Zugang zu Dokumenten, wie es durch Art. 42 der Charta und Art. 15 Abs. 3 AEUV gewährleistet wird, verletzen soll.

70      Folglich ist die von der Klägerin erhobene Rüge der Rechtswidrigkeit – im Hinblick auf Art. 42 der Charta – von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 zurückzuweisen.

–       Zum vierten Teil: Rechtswidrigkeit von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 wegen Verstoßes gegen Art. 47 der Charta

71      Mit dem vierten Teil des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 im Hinblick auf Art. 47 der Charta geltend, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht garantiert, das auch in Art. 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist. Die Ausnahmebestimmungen des Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 hinderten den Antragsteller daran, die der Verteidigung seiner privatwirtschaftlichen Interessen dienenden Dokumente zu erlangen, mit der Folge, dass er das ihm nach Art. 47 der Charta zustehende Recht auf einen Rechtsbehelf nicht wahrnehmen könne. Außerdem sei sie im Beihilfeverfahren als Beschwerdeführerin vor der Eröffnung des förmlichen Verfahrens lediglich Beteiligte ohne Parteirechte gewesen. Die Verordnung 2015/1589 ermögliche ihr nicht den Zugang zu den Informationen, die der Mitgliedstaat der Kommission übermittelt habe. Um Zugang zu den Dokumenten zu erlangen, die sie zur Stützung einer etwaigen Klage vor den nationalen Gerichten benötige, müsse sie auf einen Zugangsantrag auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 zurückgreifen. Die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der genannten Verordnung vorgesehene Ausnahme verstoße somit gegen Art. 47 der Charta.

72      Die Kommission, unterstützt durch den Rat, tritt diesem Vorbringen entgegen.

73      Zunächst ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen im Bereich des Rechts auf Zugang zu Dokumenten den Antragsteller nicht daran hindern, das ihm durch Art. 47 der Charta eingeräumte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf auszuüben.

74      Insoweit ist bereits entschieden worden, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 darauf abzielt, Fragen des Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten im Besitz der Unionsorgane zu regeln, und nicht solche, die sich auf Beweise beziehen, die von den Parteien in Gerichtsverfahren vorzulegen sind, sei es in Verfahren vor dem Unionsrichter oder vor den nationalen Gerichten. Nach der Rechtsprechung ist es in den nationalen Verfahren Sache des angerufenen nationalen Richters, die Mechanismen der Vorlage von Beweisen und geeigneten Dokumenten nach dem anwendbaren Recht zu klären, um den Rechtsstreit zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Mai 2019, Commune de Fessenheim u. a./Kommission, T‑751/17, EU:T:2019:330‚ Rn. 123 bis 124). Die Verordnung Nr. 1049/2001 soll jedermann ein Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe eröffnen und nicht etwa Regeln zum Schutz des besonderen Interesses dieser oder jener Person am Zugang zu diesen Dokumenten festlegen (Urteil vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, EU:C:2007:75, Rn. 43).

75      Im Übrigen ergibt sich aus der oben in Rn. 55 angeführten Rechtsprechung, dass Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 es erlaubt, sich auf ein überwiegendes öffentliches Interesse zu berufen, um Zugang zu dem einen oder anderen konkreten Dokument in der Verwaltungsakte zu erlangen, bezüglich dessen der Antragsteller die Notwendigkeit dargetan hat, dass er darüber verfügen müsse, um in der Lage zu sein, seinen Anspruch auf Ersatz eines durch einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln entstandenen Schadens geltend zu machen, und zwar indem die zuständige Behörde die die Übermittlung solcher Dokumente rechtfertigenden Interessen und den Schutz dieser Dokumente gegeneinander abwägt.

76      Ferner ist bei der Prüfung eines im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 gestellten Antrags auf Zugang zu Dokumenten zu berücksichtigen, dass die Beteiligten, mit Ausnahme des für die Gewährung der Beihilfe verantwortlichen Mitgliedstaats, im Rahmen des Beihilfekontrollverfahrens nicht über das Recht verfügen, die Dokumente der Verwaltungsakte der Kommission einzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 61, und vom 14. Mai 2019, Marinvest und Porting/Kommission, T‑728/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:325‚ Rn. 47). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im vorliegenden Fall, wie der Rat zu Recht geltend macht, sich nicht auf ihr spezielles Recht auf Zugang zu den sie betreffenden Akten, das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta verankert ist, beruft. Im Gegenteil räumt die Klägerin selbst ein, dass sie in dem durch die Verordnung 2015/1589 geregelten Beihilfeverfahren nicht „Partei“, sondern nur „Beschwerdeführerin“ sei und als solche nur die Rechte von Beteiligten habe, die in diesem Stadium des Verfahrens kein Recht auf Akteneinsicht hätten.

77      Die von der Klägerin erhobene Rüge der Rechtswidrigkeit – im Hinblick auf Art. 47 der Charta – von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 ist daher zurückzuweisen.

78      Folglich ist der vierte Teil des zweiten Klagegrundes und damit der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

79      Nach alledem ist die Klage abzuweisen, ohne dass über die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit entschieden zu werden braucht.

 Kosten

80      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

81      Da die Klägerin vorliegend mit ihren Anträgen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

82      Des Weiteren sieht Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung vor, dass die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen.

83      Der Rat und das Parlament tragen somit ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die CBA Spielapparate- und Restaurantbetriebs GmbH trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union tragen ihre eigenen Kosten.

Spielmann

Forrester

Mastroianni

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. Januar 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      D. Spielmann


*      Verfahrenssprache: Deutsch.