Language of document : ECLI:EU:C:2024:365

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NICHOLAS EMILIOU

vom 25. April 2024(1)

Rechtssache C239/23

Karl und Georg Anwander GbR Güterverwaltung

gegen

Land Baden-Württemberg,

Beteiligter:

Freistaat Bayern

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen, Deutschland)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft – Finanzierung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) – Zahlungen für aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete – Berggebiete – Ausgleichszulage – Ausschluss der Zahlung für in der Nachbarregion in einem anderen Verwaltungsgebiet gelegene Flächen“






I.      Einleitung

1.        Der Beginn des Jahres 2024 war durch Demonstrationen und Blockaden geprägt, die von Landwirten in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union organisiert worden waren(2). Auch wenn sie gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Landwirten der Union und eine Verbesserung ihrer Entlohnungsbedingungen forderten, prangerten sie auch eine Reihe bürokratischer Hindernisse an, die es ihnen nicht ermöglichten, die – u. a. im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik – versprochenen Hilfsleistungen rechtzeitig zu erhalten.

2.        Die vorliegende Rechtssache ist ein weiteres Beispiel für die praktischen Schwierigkeiten, denen Landwirte ausgesetzt sein können.

3.        Die Verordnung (EU) Nr. 1305/2013(3) führt eine Förderregelung für die Entwicklung des ländlichen Raums ein und sieht vor, dass sich die Mitgliedstaaten dafür entscheiden können, Landwirte zu entschädigen, deren Flächen in aus naturbedingten Gründen benachteiligten Gebieten liegen. Auch wenn Deutschland diese Entscheidung getroffen hat, sind die Festlegung der Anspruchsvoraussetzungen und die Überprüfung ihrer Einhaltung den Ländern übertragen worden. Da keines der Länder befugt ist, Zahlungen für Flächen zu gewähren, die nicht innerhalb der Grenzen seines Hoheitsgebiets liegen, entscheidet jedes Land über Zahlungen für Flächen, die in seine örtliche Zuständigkeit fallen.

4.        Die Situation erweist sich als etwas kafkaesk, wenn die Flächen des Betriebs eines Landwirts – wie in der Ausgangsrechtssache – zwar allesamt für die Zahlung einer solchen Entschädigung in Betracht kommen, weil sie die von den beiden betroffenen Ländern jeweils dafür festgelegten materiellen Voraussetzungen erfüllen, dieser Landwirt aber daran gehindert wird, eine Entschädigung für den Teil seiner Flächen zu erhalten, der nicht im Land seines Betriebssitzes liegt, da die Einreichung eines Förderantrags nur in dem Land möglich ist, in dem sich dieser Sitz befindet.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Verordnung Nr. 1305/2013

5.        Die Erwägungsgründe 7, 9 und 26 der Verordnung Nr. 1305/2013 haben folgenden Wortlaut:

„(7)      Um das unverzügliche Anlaufen und die wirksame Durchführung der Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums sicherzustellen, sollte sich die finanzielle Unterstützung aus dem ELER auf das Bestehen solider administrativer Rahmenbedingungen gründen. Die Mitgliedstaaten sollten daher die Anwendbarkeit und Einhaltung bestimmter Ex-ante-Konditionalitäten prüfen. Jeder Mitgliedstaat sollte entweder ein nationales Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums für sein gesamtes Hoheitsgebiet oder ein Bündel von regionalen Programmen oder sowohl ein nationales Programm als auch ein Bündel von regionalen Programmen ausarbeiten. In jedem Programm sollten eine Strategie für die Verwirklichung von Zielen in Bezug auf die Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums und eine Auswahl von Maßnahmen bestimmt werden. Die Programmplanung sollte mit den Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums übereinstimmen, dabei jedoch gleichzeitig an den nationalen Kontext angepasst sein und die anderen Unionspolitiken ergänzen, insbesondere die Agrarmarktpolitik, die Kohäsionspolitik und die Gemeinsame Fischereipolitik. Mitgliedstaaten, die sich für die Vorbereitung eines Bündels von regionalen Programmen entscheiden, sollten auch in der Lage sein, auch eine nationale Rahmenregelung ohne gesonderte Zuteilung von Haushaltsmitteln auszuarbeiten, um die Koordinierung zwischen den Regionen bei der Bewältigung nationaler Herausforderungen zu erleichtern.

(9)      In den Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raums sollten die Bedürfnisse des betreffenden Gebiets ermittelt und eine kohärente Strategie beschrieben werden, wie diesen Bedürfnissen in Anbetracht der Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums Rechnung getragen werden kann. Diese Strategie sollte sich auf die Festlegung von Zielen stützen. Die Verbindungen zwischen den ermittelten Bedürfnissen, den festgelegten Zielen und der Wahl der relevanten Maßnahmen sollten aufgezeigt werden. Die Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums sollten auch alle Informationen enthalten, die erforderlich sind, um ihre Übereinstimmung mit den Anforderungen der vorliegenden Verordnung zu beurteilen.

(26)      Um den effizienten Einsatz der Unionsmittel und die Gleichbehandlung der Landwirte in der gesamten Union zu gewährleisten, sollten die Berggebiete und anderen Gebiete, die aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligt sind, anhand objektiver Kriterien definiert werden. Bei Gebieten, die aus naturbedingten Gründen benachteiligt sind, sollten die Kriterien biophysikalischer Art sein und sich auf fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen. Es sollten Übergangsregelungen eingeführt werden, um die schrittweise Einstellung der Zahlungen in Gebieten zu erleichtern, die aufgrund der Anwendung dieser Kriterien nicht länger als Gebiete einzustufen sind, die aus naturbedingten Gründen benachteiligt sind.“

6.        Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Diese Verordnung enthält die allgemeinen Bestimmungen für die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch die Union, die durch den mit der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 549)] errichteten [ELER] finanziert wird. Sie legt die Ziele fest, zu deren Erreichung die Politik der Entwicklung des ländlichen Raums beitragen soll[,] sowie die relevanten Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums. Sie steckt den strategischen Rahmen für die Politik der Entwicklung des ländlichen Raums ab und legt die Maßnahmen fest, die zur Durchführung dieser Politik angenommen werden müssen. Des [W]eiteren legt sie auf der Grundlage von zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission geteilten Zuständigkeiten die Regeln für die Programmplanung, die Vernetzung, die Abwicklung, die Begleitung und die Bewertung fest sowie die Vorschriften für die Sicherstellung der Koordinierung des ELER mit den übrigen Unionsinstrumenten.“

7.        Art. 5 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung sieht vor:

„Die Verwirklichung der Ziele der Entwicklung des ländlichen Raums, die zur Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum beitragen, wird anhand folgender sechs Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums angestrebt, die die relevanten thematischen Ziele des [Gemeinsamen Strategischen Rahmens (GSR)] widerspiegeln:

4.      Wiederherstellung, Erhaltung und Verbesserung der mit der Land- und Forstwirtschaft verbundenen Ökosysteme mit Schwerpunkt auf den folgenden Bereichen:

a)      Wiederherstellung, Erhaltung und Verbesserung der biologischen Vielfalt, auch in Natura‑2000-Gebieten und in Gebieten, die aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligt sind, der Landbewirtschaftung mit hohem Naturwert sowie des Zustands der europäischen Landschaften“.

8.        In Art. 6 Abs. 2 der Verordnung heißt es:

„Ein Mitgliedstaat kann entweder ein einziges Programm für sein gesamtes Hoheitsgebiet oder ein Bündel von regionalen Programmen vorlegen. Alternativ hierzu kann ein Mitgliedstaat – in hinreichend begründeten Fällen – ein nationales Programm und ein Bündel von regionalen Programmen vorlegen. Legt ein Mitgliedstaat ein nationales Programm und ein Bündel von regionalen Programmen vor, so erfolgt die Programmierung der Maßnahmen und/oder der Art der Vorhaben entweder auf nationaler Ebene oder auf regionaler Ebene und ist die Kohärenz zwischen der Strategie des nationalen Programms und der Strategie der regionalen Programme zu gewährleisten.“

9.        Art. 31 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 sieht vor:

„(1)      Zahlungen für Landwirte in Berggebieten und anderen, aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten werden jährlich je Hektar landwirtschaftlicher Fläche zum Ausgleich der Gesamtheit oder eines Teils der zusätzlichen Kosten und Einkommensverluste gewährt, die den Landwirten aufgrund von Nachteilen für die landwirtschaftliche Erzeugung in den betreffenden Gebieten entstehen.

(2)      Die Zahlungen werden Landwirten gewährt, die sich verpflichten, ihre landwirtschaftliche Tätigkeit in den gemäß Artikel 32 bezeichneten Gebieten auszuüben, und die aktive Betriebsinhaber im Sinne des Artikels 9 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013[(4)], entsprechend der Umsetzung im betreffenden Mitgliedstaat, sind.“

10.      Art. 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 hat folgenden Wortlaut:

„(1)      Die Mitgliedstaaten bestimmen auf der Grundlage der Absätze 2, 3 und 4 die Gebiete, die für Zahlungen gemäß Artikel 31 in Betracht kommen, im Rahmen folgender Kategorien:

a)      Berggebiete;

b)      andere Gebiete als Berggebiete, die aus erheblichen naturbedingten Gründen benachteiligt sind, und

c)      andere, aus anderen spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete.

(2)      Um für Zahlungen gemäß Artikel 31 in Betracht zu kommen, müssen Berggebiete durch eine erhebliche Einschränkung der Möglichkeiten für eine Nutzung des Bodens und bedeutend höhere Arbeitskosten aus folgenden Gründen gekennzeichnet sein:

a)      sehr schwierige klimatische Verhältnisse infolge der Höhenlage, die eine erheblich verkürzte Vegetationszeit zur Folge haben;

b)      in geringerer Höhenlage starke Hangneigung des größten Teils der betreffenden Flächen, so dass keine oder nur sehr kostspielige Spezialmaschinen oder ‑geräte eingesetzt werden können, oder ein Zusammentreffen dieser beiden Gegebenheiten, wenn die Benachteiligung durch jede dieser beiden Gegebenheiten für sich genommen zwar geringer ist, beide zusammen aber eine ebenso große Benachteiligung ergeben.

(3)      Um für Zahlungen gemäß Artikel 31 in Betracht zu kommen, gelten andere Gebiete als Berggebiete als aus erheblichen naturbedingten Gründen benachteiligte Gebiete, wenn mindestens 60 % der landwirtschaftlichen Fläche mindestens eines der Kriterien von Anhang III mit dem darin angegebenen Schwellenwert erfüllen.

Die Einhaltung dieser Bedingungen wird auf der Ebene der lokalen Verwaltungseinheiten („LAU2“-Ebene) oder auf der Ebene einer klar abgegrenzten lokalen Einheit, die ein einzelnes, genau bezeichnetes geografisch zusammenhängendes Gebiet mit einer eigenen wirtschaftlichen und administrativen Identität abdeckt, sichergestellt.

…“

2.      Verordnung Nr. 1307/2013

11.      In Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1307/2013 heißt es:

„Natürlichen oder juristischen Personen oder Vereinigungen natürlicher oder juristischer Personen, deren landwirtschaftliche Flächen hauptsächlich Flächen sind, die auf natürliche Weise in einem für die Beweidung oder den Anbau geeigneten Zustand erhalten werden, und die auf diesen Flächen nicht die von den Mitgliedstaaten festgelegte Mindesttätigkeit gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b ausüben, werden keine Direktzahlungen gewährt.“

B.      Deutsches Recht

1.      Bundesrecht

12.      § 2 der Verordnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft im Einvernehmen mit den Bundesministerien der Finanzen, für Wirtschaft und Energie über die Durchführung von Stützungsregelungen und des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems vom 24. Februar 2015(5) sieht vor:

„(1)      Soweit in dieser Verordnung oder den in § 1 Absatz 1 Nummer 4 bis 6 genannten Vorschriften nichts anderes bestimmt ist, sind für die Durchführung dieser Verordnung und der in § 1 Absatz 1 genannten Vorschriften die nach Landesrecht zuständigen Stellen des Landes (Landesstellen) örtlich zuständig, in dem der Betriebsinhaber seinen Betriebssitz hat.

(2)      Der für die Bestimmung der zuständigen Landesstelle maßgebliche Betriebssitz ist vorbehaltlich einer Zuständigkeitsübernahme nach Absatz 3 der Ort, der im Zuständigkeitsbezirk des Finanzamtes liegt, das für die Festsetzung der Einkommensteuer des Betriebsinhabers zuständig ist. Bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen ist die Landesstelle zuständig, in deren Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet.

(3)      Hat der Betriebsinhaber nur eine Betriebsstätte und liegt diese Betriebsstätte in einem anderen Land als der Betriebssitz, kann die Landesstelle, in deren Bezirk die Betriebsstätte liegt, im Einvernehmen mit der nach Absatz 2 örtlich zuständigen Landesstelle und mit Zustimmung des Betriebsinhabers die Zuständigkeit im Anwendungsbereich dieser Verordnung übernehmen; Betriebssitz ist dann der Ort der Betriebsstätte.

…“

2.      Recht des Landes Baden-Württemberg

13.      Nr. 1.1 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums Ländlicher Raum zur Förderung landwirtschaftlicher Betriebe in Berggebieten und in bestimmten benachteiligten Gebieten (VwV Ausgleichszulage Landwirtschaft) vom 6. November 2019(6) in der durch die Verwaltungsvorschrift vom 15. November 2021 geänderten Fassung(7) (im Folgenden: VwV AZL) sieht vor:

„Ziel der Förderung ist es, in den abgegrenzten benachteiligten Gebieten (Berggebieten, aus erheblichen naturbedingten Gründen benachteiligten Gebieten, aus anderen spezifischen Gründen benachteiligten Gebieten, außerhalb von Berggebieten nach dem jeweils geltenden Gebietsverzeichnis (vergleiche Nummer 4 [VwV AZL])) die dauerhafte Nutzung landwirtschaftlicher Flächen durch Bewirtschaftung zu sichern und somit zur Erhaltung der Landschaft sowie zur Erhaltung und Förderung von nachhaltigen Bewirtschaftungsmaßnahmen beizutragen.“

14.      Nr. 2.1 VwV AZL bestimmt:

„Gefördert werden können ausschließlich aktive Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber im Sinne von Artikel 9 der Verordnung [Nr. 1307/2013], die in den neu abgegrenzten benachteiligten Gebieten von Baden-Württemberg gelegene Flächen selbst bewirtschaften. Eine Zuwendung kann nur an Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber gewährt werden, die den Betriebssitz im Sinne von § 2 InVeKoSV in Baden-Württemberg und den Unternehmenssitz in einem Mitgliedstaat der EU haben.“

15.      In Nr. 3.2.1 VwV AZL heißt es:

„Ein Ausgleich wird nur für Flächen in den neu abgegrenzten Fördergebieten von Baden-Württemberg gewährt (siehe Nummer 4.2).“

16.      Nr. 4.2 VwV AZL sieht vor:

„Folgende Gebietskategorien (benachteiligte Gebiete) sind im Gebietsverzeichnis hinterlegt … und relevant:

–        Berggebiete,

–        andere Gebiete als Berggebiete, die aus erheblichen naturbedingten Gründen benachteiligt sind,

–        andere, aus anderen spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete.“

3.      Recht des Landes Bayern

17.      Die Richtlinie des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Gewährung der Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten (AGZ) gemäß Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 vom 1. März 2019(8) sieht vor, dass eine Ausgleichszulage für landwirtschaftlich genutzte Flächen in benachteiligten Gebieten Bayerns gewährt werden kann. Um die Zuwendung zu erhalten, muss der Betriebsinhaber eine benachteiligte landwirtschaftlich genutzte Fläche von mindestens drei Hektar in Bayern bewirtschaften und seinen Betriebssitz in Bayern haben.

III. Sachverhalt des Rechtsstreits, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18.      Die Karl und Georg Anwander Güterverwaltung, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, ist ein Milchviehbetrieb in der Grenzregion zwischen Baden-Württemberg und Bayern in Deutschland. Ihr Sitz liegt in Baden-Württemberg. Sie verfügt über rund 100 Hektar in diesem Land, rund 27 Hektar ihres Betriebs liegen in Bayern. Sämtliche Flächen befinden sich in einem Berggebiet.

19.      Die baden-württembergischen Behörden stuften die in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen 100 Hektar des Betriebs der Klägerin des Ausgangsverfahrens als aus naturbedingten Gründen benachteiligte und deshalb für die Zahlung einer Ausgleichszulage in Betracht kommende Gebiete ein. Die bayerischen Behörden taten dasselbe in Bezug auf die in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen 27 Hektar dieses Betriebs.

20.      Bis 2018 erhielt die Klägerin des Ausgangsverfahrens von der zuständigen baden-württembergischen Behörde die Ausgleichszulage für die Gesamtheit der Flächen, über die sie verfügt, also auch für die in Bayern gelegenen Flächen.

21.      Am 8. Mai 2019 beantragte sie bei derselben Behörde Ausgleichsleistungen für das Jahr 2019 für ihre gesamten förderfähigen Flächen.

22.      Am 5. Dezember 2019 bewilligten die Verwaltungsdienste des Landes Baden-Württemberg der Klägerin des Ausgangsverfahrens eine Ausgleichszulage in Höhe von 4 095,66 Euro für die in diesem Land gelegenen förderfähigen Flächen und lehnten den Antrag in Bezug auf die in Bayern gelegenen Flächen mit der Begründung ab, dass diese nicht in Baden-Württemberg lägen.

23.      Mit Bescheid vom 11. Mai 2021 wies das Regierungspräsidium Tübingen (Deutschland) den von der Klägerin des Ausgangsverfahrens gegen den Bescheid vom 5. Dezember 2019 eingelegten Widerspruch zurück.

24.      Am 17. Juni 2021 erhob die Klägerin des Ausgangsverfahrens Klage beim vorlegenden Gericht, mit der sie zum einen die Aufhebung des Bescheids vom 5. Dezember 2019, bestätigt durch den Bescheid vom 11. Mai 2021, und zum anderen die Gewährung einer Ausgleichszulage in Höhe von 1 371,26 Euro für die in Bayern gelegenen förderfähigen Flächen beantragt. Hilfsweise beantragt sie die Feststellung, dass die Ablehnung ihres Antrags bezüglich dieser Flächen und die Rechtsgrundlagen, auf denen sie beruht(9), gegen die Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 verstoßen.

25.      Das vorlegende Gericht hat Zweifel hinsichtlich der Auslegung dieser beiden Artikel und hinsichtlich des Umfangs des Ermessens, über das die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Voraussetzungen für die Gewährung von Ausgleichszahlungen wie den von der Klägerin des Ausgangsverfahrens beantragten verfügen.

26.      Es weist zunächst darauf hin, dass eine Vielzahl von Subventionen durch verschiedene Untergliederungen der Bundesrepublik Deutschland bzw. anderer Träger öffentlicher Gewalt in Deutschland durch „Verwaltungsvorschriften“ gewährt werde, deren Adressaten die Beamten und Mitarbeiter der betreffenden Verwaltungseinheit seien und in denen die Modalitäten der Ausübung des Ermessens dieser Einheit festgelegt würden. Bürger könnten sich nach nationalem Recht gegenüber dem Staat nicht unmittelbar auf Regelungen in Verwaltungsvorschriften berufen, weil diese keine Außenwirkung gegenüber den Bürgern entfalteten(10).

27.      Das vorlegende Gericht stellt sodann klar, dass die materiellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der in Art. 31 der Verordnung Nr. 1305/2013 vorgesehenen Zahlungen für aus naturbedingten Gründen benachteiligte Gebiete in den Verwaltungsvorschriften des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz des Landes Baden-Württemberg geregelt seien. Demnach müsse ein Antragsteller, um solche Zahlungen erhalten zu können, seinen Betriebssitz(11) in Baden-Württemberg haben, und auch die Fläche, für die Ausgleichsleistungen beantragt würden, müsse in Baden-Württemberg liegen und von diesem Land als benachteiligtes Gebiet ausgewiesen sein. Die Beantragung einer Förderung sei nur in dem Land möglich, in dem sich der Betriebssitz des Antragstellers befinde. Da die deutschen Verwaltungsbehörden einen Datenabgleich zwischen den verschiedenen von den Ländern verwendeten Anwendungen vornähmen, um zu überprüfen, ob der Antragsteller nicht bereits anderswo einen Antrag auf Ausgleichsleistungen gestellt habe, sei es nicht möglich, mehrere Förderanträge in verschiedenen Ländern einzureichen. Ein solcher Antrag könne nur in dem Land gestellt werden, in dem sich der Betriebssitz befinde.

28.      Wie sich ferner aus der bayerischen Verwaltungspraxis betreffend Entscheidungen über die Gewährung einer Ausgleichszulage ergebe, müsse ein Antragsteller, um eine solche Zulage zu erhalten, seinen Betriebssitz in Bayern haben, und auch die Flächen, für die Ausgleichsleistungen beantragt würden und die von diesem Land als aus naturbedingten Gründen benachteiligt anerkannt worden sein müssten, müssten in Bayern liegen. Demnach könne ein Antragsteller, dessen Flächen im Hoheitsgebiet zweier Länder lägen, nur in dem Land einen Antrag stellen, in dem er seinen Betriebssitz habe. Die bayerischen Verwaltungsgerichte hätten bereits entschieden, dass eine solche Situation nicht gegen das Unionsrecht verstoße, da sich aus der Verordnung Nr. 1305/2013 kein unmittelbarer Anspruch auf Gewährung einer Zuwendung durch die zuständige Landesstelle ergebe und diese Stelle somit die Modalitäten für die Gewährung der Ausgleichszulage festlegen und Flächen außerhalb Bayerns aus der Förderung ausschließen dürfe(12).

29.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens befindet sich daher in folgender Situation: Obwohl sie über Flächen verfügt, die in zwei Ländern liegen, und beide Länder diese Flächen als Gebiete ausgewiesen haben, die für die Gewährung einer Ausgleichszulage in Betracht kommen, kann sie die Gewährung einer solchen Zulage 1) nur in dem Land, in dem sie ihren Betriebssitz hat, und 2) nur für die in diesem Land gelegenen Flächen beantragen. Nach der gegenwärtigen Rechtslage und den bestehenden Verwaltungspraktiken kann die Klägerin des Ausgangsverfahrens für ihre in Bayern gelegenen Flächen von Baden-Württemberg keine Ausgleichsleistungen erhalten und für diese Flächen in Bayern keinen Antrag stellen.

30.      Das vorlegende Gericht fragt sich erstens, wie weit der Spielraum reicht, den das Unionsrecht den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Regeln für die Gewährung von Fördermaßnahmen an Landwirte – insbesondere in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der es um förderfähige Flächen geht, die sich in zwei Gebieten befinden, für die unterschiedliche lokale Verwaltungsbehörden zuständig sind – einräumt. Zweitens hegt das vorlegende Gericht Zweifel daran, ob sich, wenn ein Mitgliedstaat bzw. eine seiner Regionen die Möglichkeit der Gewährung einer Ausgleichszulage vorsieht, daraus nach Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 ein Zahlungsanspruch ergibt, auf den sich der betroffene Bürger berufen könnte. Drittens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Verwaltungsvorschriften, auf denen die Förderpolitik jedes Bundeslands beruhe, nicht unmittelbar von den Bürgern geltend gemacht werden könnten und für diese nur die Praxis der Verwaltungsbehörden verbindlich sei. Die Anfechtung einer solchen Praxis sei jedoch auf die Geltendmachung des verfassungsrechtlich garantierten Grundsatzes der Gleichbehandlung beschränkt. Für den Fall, dass die Verordnung Nr. 1305/2013 keinen Zahlungsanspruch verankert, fragt sich das vorlegende Gericht, ob Art. 31 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt, welche „rechtliche Qualität“ – wie es im Vorabentscheidungsersuchen heißt – Rechtsakte aufweisen müssen, in denen der Mitgliedstaat bzw. die Region, der bzw. die sich dazu entschlossen hat, eine Ausgleichszulage zu gewähren, die Fördervoraussetzungen festgelegt hat.

31.      Unter diesen Umständen hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof mit Beschluss, der am 17. April 2023 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist eine nationale Verwaltungsvorschrift und Förderpraxis mit Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 32 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 Unterabs. 1 und Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1305/2013 vereinbar, die die Zahlung einer Ausgleichszulage für Flächen in Berggebieten und bestimmten benachteiligten Gebieten nur deshalb ausschließt, weil die mit der Ausgleichszulage zu fördernden Flächen außerhalb der Region des Mitgliedstaats im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b dieser Verordnung liegen, die die Ausgleichszulage gewährt? Ist der Betriebssitz des die Fläche bewirtschaftenden Landwirts hierfür ein zulässiges Differenzierungskriterium?

2.      Ist Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen, dass die Regelungen eines Mitgliedstaats oder einer Region des Mitgliedstaats, die sich dazu entschlossen hat, Zahlungen für Landwirte in Berggebieten und anderen benachteiligten Gebieten im Sinne des Art. 31 Abs. 1 dieser Verordnung zu gewähren, so gefasst sein müssen, dass die Zahlung auch für Flächen gewährt werden muss, die von einem anderen Mitgliedstaat oder einer anderen Region desselben Mitgliedstaats, die sich ebenfalls dazu entschlossen hat, Zahlungen für Landwirte in Berggebieten und anderen benachteiligten Gebieten im Sinne des Art. 31 Abs. 1 der Verordnung zu gewähren, als Berggebiet bzw. anderes benachteiligtes Gebiet im Sinne des Art. 32 Abs. 1 der Verordnung eingestuft worden sind?

3.      Sind Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen, dass unmittelbar aus dieser Norm ein unionsrechtlicher Anspruch eines Landwirts auf Gewährung der Zahlung (Ausgleichszulage) dem Grunde nach durch den Mitgliedstaat bzw. die Region des Mitgliedstaats folgt, wenn der Landwirt aktiver Betriebsinhaber ist und Flächen bewirtschaftet, die von dem Mitgliedstaat bzw. der Region des Mitgliedstaats als Berggebiet oder sonstiges benachteiligtes Gebiet im Sinne des Art. 32 Abs. 1 dieser Verordnung eingestuft worden sind, und der betreffende Mitgliedstaat bzw. dessen Region sich dazu entschlossen hat, Zahlungen (Ausgleichszulagen) im Sinne des Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung anzubieten?

Falls die Frage bejaht wird:

a)      Gegen wen richtet sich der unionsrechtliche Anspruch aus Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013? Richtet er sich stets gegen den Mitgliedstaat selbst oder jedenfalls dann gegen die Region (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b dieser Verordnung) des Mitgliedstaats, wenn die Region sich unabhängig von dem Mitgliedstaat dazu entschlossen hat, Ausgleichszulagen an Landwirte nach Art. 31 der Verordnung anzubieten?

b)      Setzt der unionsrechtliche Anspruch dem Grunde nach voraus, dass der Landwirt weitere, über Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 hinausgehende Anforderungen erfüllt, die der die Ausgleichszulage gewährende Mitgliedstaat oder dessen Region in seiner nationalen Umsetzung verlangt?

4.      Falls Frage 3 verneint wird:

Ist Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen, dass die Regelungen eines Mitgliedstaats bzw. einer seiner Regionen, die die Voraussetzungen für die Gewährung der Zahlung (Ausgleichszulage) im Sinne des Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Verordnung enthalten, eine rechtliche Qualität aufweisen müssen, die dazu führt, dass Landwirte einen Anspruch auf Gewährung der Zahlung (Ausgleichszulage) haben, wenn sie die vom jeweiligen Mitgliedstaat bzw. von dessen Regionen aufgestellten Voraussetzungen für die Zahlung erfüllen, unabhängig von der tatsächlichen Förderpraxis des Mitgliedstaats bzw. seiner Region?

32.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, das Land Baden-Württemberg, das Land Bayern und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

IV.    Würdigung

33.      Bevor ich auf die Vorlagefragen antworte, werde ich kurz auf die Regelung eingehen, die durch die Verordnung Nr. 1305/2013 für aus naturbedingten Gründen benachteiligte Gebiete wie beispielsweise Berggebiete eingeführt worden ist (A). Anschließend werde ich auf die ersten beiden Vorlagefragen antworten, die ich zusammen betrachten werde (B). Ich werde die Würdigung mit meinem Vorschlag einer Antwort auf die dritte Frage abschließen (C), bevor ich darlege, weshalb die vierte Frage meines Erachtens keiner Antwort bedarf (D).

A.      Zu der durch die Verordnung Nr. 1305/2013 eingeführten Regelung für aus naturbedingten Gründen benachteiligte Gebiete

34.      Die Verordnung Nr. 1305/2013 enthält allgemeine Bestimmungen für die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch die Union, die durch den ELER finanziert wird, und legt die Ziele, zu deren Erreichung die Politik der Entwicklung des ländlichen Raums beitragen soll, sowie die Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums fest(13).

35.      Die Verordnung legt darüber hinaus „auf der Grundlage von zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission geteilten Zuständigkeiten“ die Regeln für die Programmplanung(14) fest(15). Für die Verwirklichung der Ziele zur Entwicklung des ländlichen Raums, die mittels der genannten Prioritäten verfolgt werden, wird eine Förderung aus dem ELER beantragt(16), wobei die Zielverwirklichung durch von den Mitgliedstaaten ausgearbeitete Programme zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums erfolgt(17), mit denen eine Strategie zur Verwirklichung der in der Verordnung Nr. 1305/2013 festgelegten Prioritäten der Union über ein Bündel von Maßnahmen umgesetzt wird, die in Titel III dieser Verordnung definiert sind.

36.      Zu diesen Maßnahmen gehören Zahlungen für aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete(18). Diese Zahlungen tragen zur Verwirklichung der Priorität der Union für nachhaltige Entwicklung bei, die in der „Wiederherstellung, Erhaltung und Verbesserung der biologischen Vielfalt“ besteht(19). Die Verordnung Nr. 1305/2013 sieht vor, dass die Zahlungen Landwirten in solchen Gebieten jährlich je Hektar landwirtschaftlicher Fläche mit dem Ziel gewährt werden, „[die] Gesamtheit oder eine[n] Teil… der zusätzlichen Kosten und Einkommensverluste [auszugleichen], die den Landwirten aufgrund von Nachteilen für die landwirtschaftliche Erzeugung in den betreffenden Gebieten entstehen“(20). Sie werden Landwirten gewährt, die „aktiv“(21) sind und sich verpflichten, ihre landwirtschaftliche Tätigkeit in den gemäß Art. 32 dieser Verordnung bezeichneten Gebieten auszuüben(22). Die Verordnung legt sodann Mindest- und Höchstbeträge für die Zahlungen fest(23) und sieht für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vor, diese Zahlungen in bestimmten Fällen anzuheben(24) oder degressiv zu staffeln(25). Grundsätzlich wird die Förderfähigkeit der Ausgaben auf Grundlage von nationalen Regelungen festgelegt(26).

37.      Die Bezeichnung von Flächen als aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete durch die Mitgliedstaaten folgt den in Art. 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 festgelegten Grundsätzen. Daraus geht im Wesentlichen hervor, dass bezeichnete Berggebiete durch „eine erhebliche Einschränkung der Möglichkeiten für eine Nutzung des Bodens und bedeutend höhere Arbeitskosten“ gekennzeichnet sein müssen(27). Um den effizienten Einsatz der Unionsmittel zur Förderung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten und die Gleichbehandlung zu gewährleisten, sollten diese Gebiete anhand objektiver Kriterien biophysikalischer Natur, die sich auf fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, definiert werden(28).

38.      Die Verordnung Nr. 1305/2013 belässt den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Frage, ob sie in ihre Programme einen Ausgleichsmechanismus für Landwirte aufnehmen wollen(29), deren Flächen in aus naturbedingten Gründen benachteiligten Gebieten liegen, und hinsichtlich der Modalitäten der Durchführung der in ihnen vorgesehenen Beihilfen(30) daher unbestreitbar einen weiten Gestaltungsspielraum – unabhängig davon, ob es dabei beispielsweise um die konkrete Umsetzung der Vorgaben dieser Verordnung (etwa Größe oder Standort der förderfähigen Betriebe), die Höhe der Beihilfen oder aber um Dokumentationserfordernisse geht(31).

39.      Gleichwohl ist dieser weite Gestaltungsspielraum begrenzt, wie ich in den folgenden Abschnitten erläutern werde.

B.      Zur ersten und zur zweiten Vorlagefrage

40.      Das vorlegende Gericht befragt den Gerichtshof im Wesentlichen dazu, ob es mit den Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 vereinbar ist, wenn eine regionale Behörde den Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichszulage auf die förderfähigen Flächen des Betriebs eines Landwirts beschränken kann, die im Gebiet der Region liegen, in der sich der Sitz dieses Betriebs befindet (Frage 1). Es möchte ferner wissen, ob die Art. 31 und 32 dieser Verordnung die Behörden einer Region dazu verpflichten, die Zahlung für Flächen desselben Betriebs, die von den Behörden einer anderen Region, in deren Gebiet diese Flächen liegen, als für die Zahlung einer Ausgleichszulage in Betracht kommend bezeichnet worden sind, zu gewähren (Frage 2).

41.      Daher wird mit den ersten beiden Vorlagefragen, die ich zusammen zu betrachten vorschlage, im Kern die Frage aufgeworfen, ob der von mir soeben beschriebene weite Gestaltungsspielraum eine Situation rechtfertigen kann, in der ein aktiver Landwirt, obwohl ein Mitgliedstaat und seine Regionen in ihren Programmen für die Entwicklung des ländlichen Raums die Möglichkeit der Gewährung von Zahlungen nach Art. 31 der Verordnung Nr. 1305/2013 vorgesehen haben und die Umsetzung dieses Plans zumindest teilweise auf die regionale Ebene unter der Aufsicht der Länder übertragen wird, nur Ausgleichszahlungen für förderfähige Flächen beantragen kann, die sich im Hoheitsgebiet des Landes befinden, in dem er seinen Betriebssitz hat, womit jede Möglichkeit einer Ausgleichszahlung für Flächen desselben Landwirts ausgeschlossen ist, die sich im Hoheitsgebiet eines anderen Landes befinden, von diesem aber als für die genannten Zahlungen in Betracht kommend angesehen werden.

42.      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass das Land Baden-Württemberg(32) seine beabsichtigten Förderprogramme – u. a. bezüglich der Ausgleichszulagen – in einem Maßnahmen- und Entwicklungsplan für den ländlichen Raum in Baden-Württemberg für die Jahre 2014 bis 2020, der von der Kommission genehmigt worden ist, detailliert beschrieben hat(33). Das Land Baden-Württemberg erläutert, dass die Höhe der Zahlung spezifisch für das Bundesland sei und nicht unverändert auf Flächen in anderen Bundesländern mit derselben Einstufung übertragen werden könne. Eine solche Vorgehensweise sei vor dem Hintergrund der föderalistischen Struktur Deutschlands auch geboten, da die für die Ausarbeitung des nationalen Rahmenplans zuständigen Bundesländer sicherstellen können müssten, dass das Förderverfahren innerhalb ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs in geregelten, rechtmäßigen Bahnen verlaufe. Die Zuständigkeiten des Landes Baden-Württemberg seien somit auf das Hoheitsgebiet dieses Landes beschränkt. Die praktische Ausgestaltung der Förderung durch die Gewährung von Ausgleichszulagen liege im Ermessen der Mitgliedstaaten.

43.      Als Erstes werde ich die Frage der Zuständigkeit der baden-württembergischen Behörden für die Gewährung der Ausgleichszulage für die in Bayern gelegenen landwirtschaftlichen Flächen der Klägerin des Ausgangsverfahrens prüfen.

44.      Zunächst ist die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat die Zuständigkeit für Entscheidungen über die Gewährung einer Ausgleichszulage aufgrund seiner internen Organisation und Struktur unter den in der Verordnung Nr. 1305/2013 festgelegten Voraussetzungen auf regionale Stellen überträgt, offensichtlich nicht zu beanstanden, da die föderalistische Struktur des betreffenden Mitgliedstaats ein Bestandteil seiner nationalen Identität ist, den die Union gemäß Art. 4 Abs. 2 EUV zu achten hat(34). Darüber hinaus weist die Verordnung Nr. 1305/2013 die Aufgabe, die Einhaltung der in ihrem Art. 32 Abs. 3 Unterabs. 1 vorgesehenen Bedingungen zu überwachen, ausdrücklich wahlweise den „lokalen Verwaltungseinheiten“(35) oder klar abgegrenzten lokalen Einheiten zu, die ein einzelnes, genau bezeichnetes geografisch zusammenhängendes Gebiet mit einer eigenen wirtschaftlichen und administrativen Identität abdecken(36). Der Unionsgesetzgeber fördert damit, dass die Ebene, auf der der Plan umgesetzt wird und Entscheidungen über die Gewährung der in Art. 31 dieser Verordnung vorgesehenen Zahlungen getroffen werden, möglichst nahe bei den betroffenen Landwirten liegt.

45.      Ich möchte hinzufügen, dass die Bestimmung der Gebiete, die für Zahlungen gemäß diesem Art. 31 in Betracht kommen, nicht lediglich auf einer rein geografischen oder topografischen Klassifikation beruht, sondern auch die Wahrnehmung einer Befugnis zur Prüfung spezifischer regionaler Umstände erfordern kann.

46.      Die Mitgliedstaaten sind nämlich verpflichtet, diese Klassifikation zu verfeinern, indem sie beispielsweise Gebiete ausschließen, die geografisch gesehen aus erheblichen naturbedingten Gründen benachteiligt sind, bei denen diese Gründe aber „durch Investitionen oder Wirtschaftstätigkeit oder durch Hinweise auf eine normale Bodenproduktivität aus dem Weg geräumt worden sind, oder in denen die Produktionsmethoden oder Bewirtschaftungssysteme den Einkommensverlust oder die zusätzlichen Kosten … ausgeglichen haben“(37). Es ist somit durchaus vorstellbar, dass eine solche Prüfung auf der dem betreffenden Gebiet am nächsten liegenden rechtlichen und administrativen Ebene effizienter durchgeführt werden kann.

47.      Wie das Land Baden-Württemberg in seinen Erklärungen erläutert, hat der Grundsatz der den föderalen Einheiten zuerkannten Regelungsautonomie zur Folge, dass die Kriterien für die Einstufung von Flächen als Gebiete, die für die in Art. 31 der Verordnung Nr. 1305/2013 vorgesehenen Zahlungen in Betracht kommen, je nach dem betreffenden Land unterschiedlich beurteilt werden können und dass eine vom Land Bayern als „Berggebiet“ eingestufte Fläche möglicherweise nicht die vom Land Baden-Württemberg gewählten Kriterien erfüllt(38).

48.      Jedes Bundesland beurteilt zunächst, ob Ausgleichszahlungen nach Art. 31 der Verordnung Nr. 1305/2013 vorgesehen werden sollen oder nicht, legt sodann die in seinem Hoheitsgebiet geltenden Förderbedingungen sowie die Höhe der Zahlungen für einen Hektar Berggebiet fest, die somit von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausfallen kann, und bestimmt schließlich die betreffenden Gebiete. Daher übt jedes Bundesland innerhalb der Grenzen seiner territorialen Souveränität und Finanzautonomie das Ermessen aus, das in den Art. 31 und 32 der Verordnung für ihre Umsetzung anerkannt wird.

49.      In einer solchen Fallkonstellation die baden-württembergischen Behörden dazu zu verpflichten, der Klägerin des Ausgangsverfahrens die Ausgleichszulage für die von ihr in Bayern gehaltenen landwirtschaftlichen Flächen zu zahlen, würde unter anderem das Problem der Bestimmung der Höhe dieser Zulage aufwerfen und gegen den Grundsatz der Aufteilung der Zuständigkeiten innerhalb der deutschen Rechtsordnung verstoßen.

50.      Aus all diesen Gründen sind Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 32 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 Unterabs. 1 und Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1305/2013 – wie sich aus meiner Auslegung dieser Verordnung und insbesondere der Rolle ergibt, die sie den regionalen Behörden bei der Planung für die Entwicklung des ländlichen Raums sowie die Umsetzung und Überwachung der in den Plänen auf den verschiedenen Ebenen beschlossenen Maßnahmen zuerkennt – dahin auszulegen, dass sie einer Regelung nicht entgegenstehen, wonach die Zuständigkeit der national bezeichneten regionalen Behörde für Entscheidungen über die Gewährung der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Zahlungen auf die landwirtschaftlichen Flächen beschränkt ist, die der Regelungszuständigkeit dieser Behörde unterliegen.

51.      Als Zweites muss die Frage des Kriteriums des Ortes des Betriebssitzes als eines die territoriale Reichweite des Anspruchs auf Zahlung der Ausgleichszulage begrenzenden Faktors analysiert werden.

52.      Auch wenn der Unionsgesetzgeber, worauf ich weiter oben hingewiesen habe, darauf bedacht gewesen ist, die uneingeschränkte Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Bezeichnung der Stellen zu achten, die für die Gewährung der in Art. 31 der Verordnung Nr. 1305/2013 vorgesehenen Zahlungen zuständig sind, hat er auch klar vorgeschrieben, dass ein aktiver Landwirt die für jedes als förderfähig ausgewiesene Gebiet vorgesehene Ausgleichszulage beantragen können muss.

53.      Zum einen geht nämlich aus dem Wortlaut von Art. 31 der Verordnung Nr. 1305/2013 hervor, dass „Zahlungen für Landwirte … jährlich je Hektar landwirtschaftlicher Fläche … gewährt [werden]“(39) (Abs. 1) und „[d]ie Zahlungen … Landwirten gewährt [werden], die sich verpflichten, ihre landwirtschaftliche Tätigkeit … auszuüben, und die aktiv… sind“(40) (Abs. 2). Daher deutet nichts darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigt hätte, dass bestimmte Flächen, die die in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen erfüllen, die entsprechende Zahlung, wenn sie vorgesehen ist, nicht erhalten können. Zum anderen beeinträchtigt die Beschränkung der Zahlung auf Flächen, die in die Zuständigkeit des Bundeslands fallen, in dessen Gebiet sich der Betriebssitz befindet, das mit der Verordnung Nr. 1305/2013 verfolgte Ziel, da die Förderung aus naturbedingten Gründen benachteiligter Gebiete einer von der Union ermittelten Priorität für die Entwicklung des ländlichen Raums entspricht(41). Schließlich wird dadurch, dass die Bewirtschaftung förderfähiger Flächen unter Bedingungen wie denen des Ausgangsrechtsstreits nicht zu einer Ausgleichszulage führen kann, auch die Kohärenz zwischen der Strategie des nationalen Programms und der Strategie der regionalen Programme, zu der die Verordnung Nr. 1305/2013 aufruft(42), in Frage gestellt.

54.      Es widerspräche demnach dem Willen des Unionsgesetzgebers und dem mit der Verordnung Nr. 1305/2013 verfolgten Ziel, wenn davon ausgegangen würde, dass diese Verordnung einer nationalen Ausgestaltung der Voraussetzungen für die Gewährung der in ihrem Art. 31 vorgesehenen Ausgleichszahlungen nicht entgegensteht, die dazu führt, dass ein Teil der Flächen, die ansonsten durchaus für diese Zahlungen in Betracht kommen, allein deshalb ausgeschlossen wird, weil sich die Flächen nicht ausschließlich in einem geografisch zusammenhängenden Gebiet befinden, das in die Zuständigkeit einer einzigen regionalen Verwaltungsbehörde fällt. Wie das vorlegende Gericht ausführt, ist es der Klägerin des Ausgangsverfahrens aber nicht möglich, für ihre in Bayern gelegenen Flächen einen Förderantrag zu stellen(43), da ein solcher Antrag nur bei den Behörden des Landes des Betriebssitzes eingereicht werden kann und diese Behörden für die außerhalb des Landes gelegenen Flächen nicht zuständig sind. Es wird lediglich ein Anspruch auf teilweise Zahlung garantiert. Dies entspricht weder dem Buchstaben noch dem Geist der Verordnung Nr. 1305/2013.

55.      Es ist somit eine Sache, wenn angenommen wird, dass die Behörden des Landes Baden-Württemberg nur für Flächen, die im Hoheitsgebiet dieses Landes liegen und damit in seine Zuständigkeit fallen, verpflichtet werden können, Zahlungen gemäß Art. 31 der Verordnung Nr. 1305/2013 zu gewähren, sofern die in dieser Verordnung hierfür festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind.

56.      Eine andere Sache wäre es, wenn eine Situation für mit der Verordnung Nr. 1305/2023 vereinbar gehalten wird, in der allein die Lage des Betriebssitzes die territoriale Reichweite des Zahlungsanspruchs bestimmt und ein solcher Anspruch für Flächen, die sich nicht im Hoheitsgebiet der regionalen Verwaltungsbehörde des Betriebssitzes befinden, ausgeschlossen ist, obwohl diese Flächen alle in dieser Verordnung geforderten Bedingungen erfüllen, um für eine solche Zahlung in Betracht zu kommen.

57.      Sobald sich ein Mitgliedstaat – gegebenenfalls durch seine Regionen – in seinem Programm für die Entwicklung des ländlichen Raums dazu entschließt, diesen u. a. durch die Einführung von Zahlungen für aus naturbedingten Gründen benachteiligte Gebiete zu fördern, darf er bei der Ausübung des ihm ansonsten zugestandenen weiten Ermessens(44) nämlich nicht von den in der Verordnung Nr. 1305/2013 erschöpfend aufgeführten Bedingungen abweichen, die zum einen in der Einstufung des betreffenden Gebiets als aufgrund seiner natürlichen Beschaffenheit und der sich daraus ergebenden Nachteile für die landwirtschaftliche Erzeugung förderfähig (Art. 31 Abs. 1 dieser Verordnung, der durch Art. 32 präzisiert wird) und zum anderen im aktiven Status des Landwirts(45) (Art. 31 Abs. 2 der Verordnung) bestehen. Eine Beschränkung des Zahlungsanspruchs auf landwirtschaftliche Flächen, die sich im Hoheitsgebiet des Bundeslands befinden, in dem der Betriebssitz liegt, fügt daher eine in der Verordnung Nr. 1305/2013 nicht vorgesehene Voraussetzung hinzu. Diese neue Voraussetzung, die in keinerlei Zusammenhang mit den vom Unionsgesetzgeber befürworteten biophysikalischen, sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützenden Kriterien(46) steht, gefährdet, wie die Kommission bemerkt hat, unmittelbar die Effektivität der in dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete(47), die – wie ich in Erinnerung rufen möchte – einem zugunsten der Entwicklung des ländlichen Raums ermittelten Ziel und einer der Prioritäten der Union dienen(48). Die Anwendung einer solchen Voraussetzung bedeutet, dass Flächen, die alle in der Verordnung Nr. 1305/2013 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen – in Bezug auf die eine regionale Behörde mithin festgestellt hat, dass sie alle erforderlichen Merkmale aufwiesen, um für den Ausgleichsmechanismus in Betracht zu kommen –, wie im Fall des Ausgangsrechtsstreits schlicht und ergreifend vom Zahlungsanspruch ausgeschlossen werden.

58.      Da die in Bayern gelegenen Flächen der Klägerin des Ausgangsverfahrens die von diesem Bundesland festgelegten Voraussetzungen für Ausgleichszahlungen nach den Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation unstreitig erfüllen, ist festzustellen, dass diese Bestimmungen der Anwendung des Kriteriums des Betriebssitzes als eines Faktors entgegenstehen, der den Anspruch auf Zahlung der Ausgleichszulage auf die im Bundesland des Betriebssitzes gelegenen Flächen beschränkt.

59.      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die ersten beiden Vorlagefragen zu antworten, dass die Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen sind, dass sie 1) einer Regelung nicht entgegenstehen, wonach die Zuständigkeit der national bezeichneten regionalen Behörde für Entscheidungen über die Gewährung der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Zahlungen auf die landwirtschaftlichen Flächen beschränkt ist, die der Regelungszuständigkeit dieser Behörde unterliegen, und 2) einer nationalen Regelung entgegenstehen, die vorsieht, dass nur Flächen, die von dem Bundesland, in dem der Betrieb des betreffenden aktiven Landwirts seinen Sitz hat, als förderfähig bezeichnet worden sind, zur Zahlung einer Ausgleichszulage führen können, und damit jede Möglichkeit einer Zahlung für Flächen desselben Betriebs ausschließt, deren Förderfähigkeit von einem anderen Bundesland festgestellt worden ist.

C.      Zur dritten Vorlagefrage

60.      Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof im Wesentlichen, ob die Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 einen Zahlungsanspruch eines aktiven Landwirts verankern, der Flächen in aus naturbedingten Gründen benachteiligten Gebieten im Sinne dieser Bestimmungen bewirtschaftet, sofern sich der betreffende Mitgliedstaat oder die betreffende Region dazu entschlossen hat, in seinem bzw. ihrem Plan zur Entwicklung des ländlichen Raums solche Zahlungen anzubieten, und diese Flächen als förderfähig ausgewiesen hat. Falls ein solcher Anspruch besteht, fragt das vorlegende Gericht weiter erstens, vor welcher Instanz der Landwirt seinen Anspruch geltend machen kann, und zweitens, ob dieser Anspruch zusätzlich zu den bereits in der Verordnung Nr. 1305/2013 vorgesehenen von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann.

61.      Die Antwort auf die vorstehende Frage lässt sich bereits – zumindest teilweise – aus den Erwägungen ableiten, die im Rahmen der Prüfung der ersten beiden Vorlagefragen angestellt worden sind. Diese Elemente einer Antwort sind durch Erwägungen zur Rechtsnatur der Verordnung Nr. 1305/2013 zu ergänzen.

62.      Aus Art. 288 AEUV ergibt sich, dass eine Verordnung in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gilt und in allen ihren Teilen verbindlich ist. Die Bestimmungen von Verordnungen haben zwar aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Funktion im Rechtsquellensystem des Unionsrechts im Allgemeinen unmittelbare Wirkung in den nationalen Rechtsordnungen, ohne dass nationale Durchführungsmaßnahmen erforderlich wären, doch kann es vorkommen, dass manche Verordnungsbestimmungen zu ihrer Durchführung des Erlasses von Durchführungsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten bedürfen(49). Die Mitgliedstaaten können unter einem dreifachen Vorbehalt Durchführungsmaßnahmen erlassen: 1) dürfen sie die unmittelbare Anwendbarkeit der Verordnung – die also bestehen bleibt – nicht vereiteln, 2) dürfen sie deren unionsrechtliche Natur nicht verbergen und 3) müssen sie sich darauf beschränken, die Ausübung des ihnen durch die fragliche Verordnung verliehenen Ermessens innerhalb der Grenzen dieser Vorschriften zu konkretisieren(50).

63.      Unter Bezugnahme auf die einschlägigen Bestimmungen der beabsichtigten Verordnung, die im Licht der von ihr verfolgten Ziele auszulegen sind, ist festzustellen, ob diese Bestimmungen es den Mitgliedstaaten verbieten, gebieten oder gestatten, bestimmte Durchführungsmaßnahmen zu erlassen, und, falls dem so ist, ob sich die betreffende Maßnahme in den Rahmen des den einzelnen Mitgliedstaaten eingeräumten Wertungsspielraums einfügt(51). Sind bestimmte von den Mitgliedstaaten beschlossene Durchführungsmaßnahmen zulässig, unterliegt diese Durchführung des Unionsrechts gemäß Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union außerdem der Einhaltung der Bestimmungen der Charta. Zudem sind die Mitgliedstaaten zur Wahrung der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts verpflichtet(52).

64.      Meines Erachtens dürfte es jedoch nicht erforderlich sein, die Prüfung der Modalitäten der Ausübung des den deutschen Bundesbehörden eingeräumten Wertungsspielraums so weit zu treiben, sofern die auf Zahlungen für aus naturbedingten Gründen benachteiligte Gebiete anwendbaren Rechtsvorschriften es den Mitgliedstaaten nicht gestatten, eine Durchführungsmaßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zu erlassen, deren Ergebnis darin besteht, den Zahlungsanspruch auf die förderfähigen Flächen eines aktiven Landwirts zu beschränken, die sich im Hoheitsgebiet des Landes des Betriebssitzes befinden.

65.      Was die Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 angeht, so habe ich in Bezug auf Ersteren bereits festgestellt, dass Zahlungen für Landwirte aktiven Betriebsinhabern, die sich verpflichten, ihre landwirtschaftliche Tätigkeit in den bezeichneten Gebieten auszuüben, zum Ausgleich der Gesamtheit oder eines Teils der zusätzlichen Kosten und Einkommensverluste „gewährt werden“, die ihnen aufgrund von Nachteilen für die Erzeugung entstehen. Die Tatsache, dass die Zahlungen Landwirten gewährt werden, die sich verpflichten, ihre landwirtschaftliche Tätigkeit in den gemäß Art. 32 dieser Verordnung bezeichneten Gebieten auszuüben, und aktiv sind, ergibt sich eindeutig aus Art. 31 Abs. 2 der Verordnung.

66.      Das Ermessen der Mitgliedstaaten kann vor allem in der Entscheidung bestehen, ob sie eine spezielle Förderung für aus naturbedingten Gründen benachteiligte Gebiete in ihre nationalen Programme aufnehmen oder nicht. Sobald diese Entscheidung getroffen ist, können die Mitgliedstaaten ihr Ermessen weiter ausüben und somit Durchführungsmaßnahmen im Sinne der in den Nrn. 62 und 63 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung in Bezug auf die Berechnung der zusätzlichen Kosten und Einkommensverluste erlassen (Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013), wobei sie den Umfang der Zahlung im Übrigen differenzieren können (Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 3 dieser Verordnung). Auch hat der Unionsgesetzgeber vorgesehen, dass die Höhe der Zahlungen innerhalb einer von ihm festgelegten Bandbreite im Ermessen der Mitgliedstaaten belassen wird und dass diese degressive Zahlungen anwenden können (Art. 31 Abs. 3 und 4 der Verordnung). Bei der Bestimmung der Gebiete sind die Mitgliedstaaten gehalten, eine erhebliche Einschränkung der Möglichkeiten für eine Nutzung des Bodens und bedeutend höhere Arbeitskosten zu prüfen und festzustellen, ob diese Einschränkung und dieser Kostenanstieg auf schwierige klimatische Verhältnisse im Zusammenhang mit der Höhenlage, aus der sich eine kürzere Vegetationszeit ergibt, oder auf eine starke Hangneigung, die den Einsatz von Maschinen unmöglich oder kostspielig macht, zurückzuführen sind (Art. 32 Abs. 2 der Verordnung).

67.      Auch wenn die Entscheidung für Zahlungen für aus naturbedingten Gründen benachteiligte Gebiete im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt, folgt, sobald diese Entscheidung getroffen ist, daraus für mich eindeutig, dass der Zahlungsanspruch entsteht, sofern die Voraussetzungen von Art. 31 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013 erfüllt sind.

68.      Eine Durchführungsmaßnahme wie die auf Bundesebene(53) und auf den regionalen Ebenen erlassene überschreitet aber den Gestaltungsspielraum, der den Mitgliedstaaten durch die Verordnung Nr. 1305/2013 zuerkannt wird, indem sie nicht für sämtliche förderfähigen Flächen(54) eines aktiven Landwirts einen Zahlungsanspruch gewährleistet, und scheint mir frontal mit dem vom Unionsgesetzgeber durch die genannte Bestimmung zum Ausdruck gebrachten Willen zu kollidieren(55).

69.      Schließlich vermag ich mir – wenn nicht, wie auch die Kommission betont, ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung anerkannt werden soll – nicht vorzustellen, dass das Ermessen, über das die Mitgliedstaaten oder ihre Regionen bei der Ausarbeitung eines Programms verfügen, ihnen auch die Befugnis verleihen könnte, aktiven Landwirten eine beantragte Zahlung nicht zu gewähren, obwohl eine solche Zahlung in ihrem Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums für Gebiete vorgesehen ist, die diese Staaten oder Regionen selbst als förderfähige Flächen bezeichnet haben.

70.      Hinsichtlich der Frage, gegen wen der Anspruch aus den Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 zu richten ist, scheint mir das vorlegende Gericht, das über die Rechtmäßigkeit des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bescheids zu befinden hat, mit dem der Antrag auf Zahlung für die in Bayern gelegenen förderfähigen Flächen der Klägerin des Ausgangsverfahrens abgelehnt worden ist, eine Bestätigung dafür erhalten zu wollen, dass das Unionsrecht die zuständigen baden-württembergischen Behörden nicht zur Gewährung einer solchen Zahlung verpflichtete. Diese Thematik überschneidet sich teilweise mit der zuvor erörterten, weshalb ich auf die Nrn. 43 ff. der vorliegenden Schlussanträge verweise.

71.      Ich möchte hinzufügen, dass die Verordnung Nr. 1305/2013 keine Vorschriften darüber enthält, bei welcher Behörde ein Landwirt seinen Zahlungsanspruch geltend machen kann. Da das Verfahren, mit dem eine Zahlung gemäß Art. 31 dieser Verordnung gewährt wird, nicht durch die Verordnung geregelt ist, ist seine Festlegung nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der Mitgliedstaaten, vorausgesetzt allerdings, dass es nicht ungünstiger ist als dasjenige, das gleichartige Sachverhalte regelt, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass es die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert (Effektivitätsgrundsatz)(56).

72.      Es ist somit Sache des nationalen Rechts, die Stelle zu bestimmen, bei der ein aktiver Landwirt seinen Zahlungsanspruch für jede seiner als förderfähig bezeichneten Flächen anmelden kann.

73.      Der Grundsatz der Effektivität gebietet nicht, dass der Zahlungsanspruch bei einer Behörde geltend gemacht werden kann, die eine solche Förderung für aus naturbedingten Gründen benachteiligte Gebiete nicht in ihr Programm aufgenommen hat oder die, obwohl sie eine solche Förderung aufgenommen hat, die Flächen – beispielsweise aufgrund ihrer Beurteilung der von der Verordnung Nr. 1305/2013 geforderten Kriterien oder, wie im vorliegenden Fall, weil sie dafür örtlich nicht zuständig ist – nicht als förderfähig ausgewiesen hat.

74.      Da der Anspruch für aktive Landwirte ab dem Zeitpunkt entsteht, zu dem sich die örtlich zuständige Behörde im Rahmen der Programmplanung für die Entwicklung des ländlichen Raums dazu entschlossen hat, die in den Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen, und die betreffenden Gebiete ausgewiesen hat, müssen die nationalen Rechtswege unter Beachtung der in Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge in Erinnerung gerufenen Vorgaben gleichwohl so ausgestaltet sein, dass diese Landwirte ihren Zahlungsanspruch für sämtliche förderfähigen Flächen tatsächlich geltend machen können(57). Außerdem teile ich die Ansicht der Kommission, wonach der Zahlungsantrag weiteren Voraussetzungen unterworfen werden kann, sofern diese objektiv und nicht diskriminierend sind und die Effektivität des Zahlungsanspruchs nicht gefährden(58).

D.      Zur vierten Vorlagefrage

75.      Das vorlegende Gericht fragt sich schließlich, ob Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013 dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung bzw. eine Regelung einer Region eines Mitgliedstaats, die die Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausgleichszulage enthält, eine „rechtliche Qualität“ aufweisen muss, die dazu führt, dass Landwirte, die diese Voraussetzungen erfüllen, die Zahlung unabhängig von der tatsächlichen Förderpraxis des Mitgliedstaats bzw. seiner Region erhalten.

76.      Die Bedeutung der vorstehenden Frage wird zum Teil durch die Erläuterungen des vorlegenden Gerichts erhellt, das darauf hinweist, dass die Verwaltungsvorschriften, auf denen die Förderpolitik jedes Bundeslands beruhe, nicht unmittelbar von den Bürgern geltend gemacht werden könnten und für diese nur die Praxis der Verwaltungsbehörden verbindlich sei. Die Anfechtung einer solchen Praxis sei jedoch auf die Geltendmachung des verfassungsrechtlich garantierten Grundsatzes der Gleichbehandlung beschränkt. Für den Fall, dass die Verordnung Nr. 1305/2013 keinen Zahlungsanspruch verankert, fragt sich das vorlegende Gericht, ob Art. 31 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt, welche „rechtliche Qualität“ – wie es im Vorabentscheidungsersuchen heißt – Rechtsakte aufweisen müssen, in denen der Mitgliedstaat bzw. die Region, der bzw. die sich dazu entschlossen hat, eine Ausgleichszulage zu gewähren, die Fördervoraussetzungen festgelegt hat. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass diese Frage dem Gerichtshof nur für den Fall gestellt wird, dass das vorlegende Gericht dem Antrag der Klägerin des Ausgangsverfahrens in Bezug auf ihre in Bayern gelegenen Flächen stattgeben musste(59).

77.      In Anbetracht der von mir vorgeschlagenen Antwort auf die dritte Frage und da die vierte Frage für den Fall gestellt wird, dass kein Zahlungsanspruch aus den Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 besteht, dürfte der Gerichtshof nicht gehalten sein, auf diese vierte Frage zu antworten.

78.      Selbst wenn der Gerichtshof die dritte Frage verneinen sollte, scheint mir eine Antwort auf die vierte Vorlagefrage für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht sachdienlich zu sein. Das vorlegende Gericht geht hier nämlich von dem Grundsatz aus, dass die derzeitige Förderpraxis der Behörden des Landes Baden-Württemberg aufgrund der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums sowie der Art und Weise, in der die Förderkriterien dort ausgearbeitet sind, rechtswidrig ist, weil jede Möglichkeit einer Zahlung für in Bayern gelegene Flächen ausgeschlossen ist. Da sich aus meiner Prüfung der ersten beiden Vorlagefragen aber ergibt, dass das Unionsrecht den baden-württembergischen Behörden nicht vorschreiben kann, Zahlungen für in Bayern gelegene und von den bayerischen Behörden als förderfähig ausgewiesene Flächen vorzunehmen, ist die Antwort, die der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht im Rahmen dieser vierten Frage erteilen könnte, für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits nicht sachdienlich. Die vierte Frage braucht somit nicht beantwortet zu werden(60).

V.      Ergebnis

79.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Fragen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (Deutschland) wie folgt zu antworten:

Die Art. 31 und 32 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates in der durch die Verordnung (EU) 2017/2393 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2017 geänderten Fassung

sind dahin auszulegen, dass

–        sie einer Regelung nicht entgegenstehen, wonach die Zuständigkeit der national bezeichneten regionalen Behörde für Entscheidungen über die Gewährung der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Zahlungen auf die landwirtschaftlichen Flächen beschränkt ist, die der Regelungszuständigkeit dieser Behörde unterliegen;

–        sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die vorsieht, dass nur Flächen, die von dem Bundesland, in dem der Betrieb des betreffenden aktiven Landwirts seinen Sitz hat, als förderfähig bezeichnet worden sind, zur Zahlung einer Ausgleichszulage führen können, und damit jede Möglichkeit einer Zahlung für Flächen desselben Betriebs ausschließt, deren Förderfähigkeit von einem anderen Bundesland festgestellt worden ist;

–        für aktive Landwirte ein Zahlungsanspruch ab dem Zeitpunkt entsteht, zu dem sich die zuständige Behörde im Rahmen der Programmplanung für die Entwicklung des ländlichen Raums dazu entschlossen hat, die in den Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 in der durch die Verordnung 2017/2393 geänderten Fassung vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen, und die betreffenden Gebiete als förderfähig ausgewiesen hat. Die nationalen Rechtswege müssen unter Wahrung der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten so ausgestaltet sein, dass die Landwirte ihren Zahlungsanspruch für sämtliche förderfähigen Flächen tatsächlich geltend machen können. Ein Zahlungsantrag kann weiteren Voraussetzungen unterworfen werden, sofern diese objektiv und nicht diskriminierend sind und die Effektivität des Zahlungsanspruchs für sämtliche förderfähigen Flächen nicht gefährden.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Vgl. beispielsweise https://cyprus-mail.com/2024/02/01/angry-farmers-take-protest-to-eu-summit-with-tractors-and-fires/.


3      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 (ABl. 2013, L 347, S. 487, berichtigt in ABl. 2016, L 130, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EU) 2017/2393 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2017 (ABl. 2017, L 350, S. 15) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1305/2013).


4      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 608).


5      BGBl. 2015 I S. 166, im Folgenden: InVeKoSV.


6      GABl. 2019 S. 389.


7      GABl. 2021 S. 532.


8      BayMBl. 2019 Nr. 143.


9      Also die Nrn. 2.1 und 3.2.1 VwV AZL.


10      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts kann die Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften nur mittelbar sein, da die Verwaltung identische Sachverhalte gleichbehandeln müsse. Im Fall einer Ungleichbehandlung eines identischen Sachverhalts könne der betroffene Bürger unter Berufung auf den verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz der Gleichbehandlung Abhilfe verlangen. Nur die Praxis der Verwaltungsbehörde sei für den Bürger verbindlich, nicht der Inhalt der Verwaltungsvorschrift, auf die sie sich stütze. Eine Verwaltungspraxis binde nur den jeweiligen Verwaltungsträger, und eine einmal begonnene Verwaltungspraxis könne für die Zukunft geändert werden.


11      Im Sinne von § 2 InVeKoSV. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich, dass jedem Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs eine Unternehmensnummer zugewiesen wird, die sich nach dem Ort der Steuerveranlagung richtet. Dieser Ort der Steuerveranlagung bestimmt, wo sich in den Augen der Verwaltung der Betriebssitz befindet. Ein landwirtschaftlicher Betrieb, dessen Flächen in zwei Ländern liegen, erhält somit nur eine Unternehmensnummer und hat seinen Sitz nur in einem Land. Das vorlegende Gericht führt weiter aus, dass ausländische (beispielsweise österreichische) Betriebe, die auch über Flächen in Baden-Württemberg verfügten, in diesem Land eine Unternehmensnummer erhalten und daher mit einem baden-württembergischen Betriebssitz erscheinen könnten.


12      Vgl. die in Teil B Nr. III.2 des Vorabentscheidungsersuchens erwähnte Rechtsprechung.


13      Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013. Vgl. auch Urteil vom 8. Juli 2021, Région wallonne (Beihilfen für Junglandwirte) (C‑830/19, EU:C:2021:552, Rn. 34). Zu den verfolgten Zielen und Prioritäten vgl. Art. 4 bzw. Art. 5 dieser Verordnung.


14      Die definiert wird als „das mehrstufige Organisations- und Entscheidungsverfahren sowie Verfahren für die stufenweise Zuteilung von Finanzmitteln unter Einbeziehung der Partner für die mehrjährige Durchführung der gemeinsamen Maßnahmen der Union und der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung der Prioritäten der Union für die Entwicklung des ländlichen Raums“ (Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1305/2013).


15      Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013.


16      Vgl. Art. 6 der Verordnung Nr. 1305/2013.


17      Die Mitgliedstaaten entscheiden frei über die Ebene, auf der das Programm ausgearbeitet und später umgesetzt wird: Vgl. Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013. Vgl. auch Urteil vom 1. Dezember 2022, DELID (C‑409/21, EU:C:2022:946, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).


18      Art. 31 der Verordnung Nr. 1305/2013.


19      Vgl. Art. 5 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 1305/2013.


20      Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1305/2013.


21      Im Sinne von Art. 9 der Verordnung Nr. 1307/2013, vgl. Art. 31 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013.


22      Art. 31 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013.


23      Vgl. auch Anhang II der Verordnung Nr. 1305/2013.


24      Vgl. Art. 31 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1305/2013.


25      Vgl. Art. 31 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1305/2013.


26      Worauf Art. 65 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 320, berichtigt in ABl. 2016, L 200, S. 140) hinweist.


27      Art. 32 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013. Andere Gebiete als Berggebiete gelten unter den in Art. 32 Abs. 3 und Anhang III dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen als aus erheblichen naturbedingten Gründen benachteiligt. Andere Gebiete als Berggebiete und aus erheblichen naturbedingten Gründen benachteiligte Gebiete (d. h. aus spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete) kommen unter den in Art. 32 Abs. 4 der Verordnung festgelegten Voraussetzungen für Zahlungen gemäß Art. 31 der Verordnung in Betracht.


28      Vgl. 26. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1305/2013.


29      Eine solche Aufnahme in die nationalen Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums erscheint bei einer Auslegung der Verordnung Nr. 1305/2013 nicht zwingend – im Gegensatz zu den Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen gemäß Art. 28 dieser Verordnung.


30      Vgl. Urteil vom 1. Dezember 2022, DELID (C‑409/21, EU:C:2022:946, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 7. Dezember 2023, Zamestnik izpalnitelen direktor na Darzhaven fond „Zemedelie“ (Ökologische Bienenhaltung) (C‑329/22, EU:C:2023:968, Rn. 44).


31      Vgl. entsprechend Urteil vom 1. Dezember 2022, DELID (C‑409/21, EU:C:2022:946, Rn. 28 bis 30).


32      Bei dem es sich um eine Region des Typs „NUTS 1“ handelt (vgl. Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1305/2013). Vgl. auch Verordnung (EG) Nr. 1059/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Schaffung einer gemeinsamen Klassifikation der Gebietseinheiten für die Statistik (NUTS) (ABl. 2003, L 154, S. 1, insbesondere S. 6 f.).


33      Vgl. S. 4 und 5 des Vorabentscheidungsersuchens.


34      Zur Erinnerung: Nach diesem Artikel kommt die nationale Identität eines Mitgliedstaats in seinen grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen „einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung“ zum Ausdruck.


35      Vgl. Art. 32 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013.


36      Art. 32 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013.


37      Art. 32 Abs. 3 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 1305/2013.


38      Vgl. Nr. 1.5 der Erklärungen des Landes Baden-Württemberg.


39      Hervorhebung nur hier.


40      Hervorhebung nur hier.


41      Vgl. Art. 5 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 1305/2013. Vgl. auch Art. 4 dieser Verordnung. Vgl. schließlich Urteil vom 6. Oktober 2021, Lauku atbalsta dienests (Existenzgründungsbeihilfen in der Landwirtschaft) (C‑119/20, EU:C:2021:817, Rn. 60).


42      Vgl. Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1305/2013.


43      Vgl. S. 14 des Vorabentscheidungsersuchens.


44      Vgl. Urteil vom 1. Dezember 2022, DELID (C‑409/21, EU:C:2022:946, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).


45      Im Sinne von Art. 9 der Verordnung Nr. 1307/2013.


46      Vgl. 26. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1305/2013.


47      Die von den betreffenden Mitgliedstaaten zu bestimmen sind.


48      Vgl. Nrn. 34 ff. der vorliegenden Schlussanträge.


49      Vgl. Urteil vom 7. Juli 2016, Občina Gorje (C‑111/15, EU:C:2016:532, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


50      Urteil vom 7. Juli 2016, Občina Gorje (C‑111/15, EU:C:2016:532, Rn. 35).


51      Vgl. entsprechend Urteil vom 7. Juli 2016, Občina Gorje (C‑111/15, EU:C:2016:532, Rn. 36).


52      Vgl. Urteil vom 15. Mai 2014, Szatmári Malom (C‑135/13, EU:C:2014:327, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).


53      Vgl. Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge.


54      Vgl. Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge.


55      Zwar hat der Gerichtshof in einem ähnlichen Kontext entschieden, dass zusätzliche oder restriktivere Bedingungen möglich waren, sofern sie den Zielsetzungen und Anforderungen der damals betroffenen Verordnung entsprachen (vgl. Urteil vom 4. Juni 2009, JK Otsa Talu, C‑241/07, EU:C:2009:337, Rn. 39); diese Lösung war aber durch den Wortlaut der Verordnung selbst vorgegeben, was im Rahmen der Verordnung Nr. 1305/2013 nicht der Fall ist.


56      Vgl. entsprechend Urteil vom 14. November 2019, Vaselife International und Chrysal International (C‑445/18, EU:C:2019:968, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch – im Bereich des öffentlichen Auftragswesens – Urteil vom 17. Mai 2018, Specializuotas transportas (C‑531/16, EU:C:2018:324, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).


57      Unter Umständen wie denen des Ausgangsrechtsstreits erscheint es mir vernünftig anzunehmen, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens in der Lage sein sollte, einen Zahlungsantrag für die in Bayern gelegenen Flächen ihres Betriebs bei den Behörden einzureichen, die diese Flächen als förderfähig ausgewiesen haben.


58      Da die Formulierung von Frage 3b ausgesprochen vage und es im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nicht Aufgabe des Gerichtshofs ist, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben (vgl. beispielsweise Urteil vom 27. April 2023, Viagogo, C‑70/22, EU:C:2023:350, Rn. 44), halte ich eine vertiefte Analyse für schwierig.


59      Vgl. insbesondere Teil D Abschnitt II des Vorabentscheidungsersuchens.


60      Wie ich bereits ausgeführt habe, erfordert die Effektivität des in den Art. 31 und 32 der Verordnung Nr. 1305/2013 vorgesehenen Zahlungsanspruchs jedoch, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens für die in Bayern gelegenen förderfähigen Flächen ihres Betriebs bei den hierfür zuständigen Behörden einen Antrag auf Zahlung stellen kann.