Language of document : ECLI:EU:T:2012:94

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

29. Juli 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Richtlinie 92/43/EWG – Art. 2, 4, 11, 12, 14, 16 und 17 – Strenges Schutzsystem für Tierarten – Canis lupus (Wolf) – Jagdliche Nutzung – Bewertung des Erhaltungszustands der Populationen der betreffenden Art –Erhaltungszustand ,ungünstig – unzureichend‘ der betreffenden Art – Mit der Wahrung oder der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands dieser Art unvereinbare Nutzung – Berücksichtigung aller neuesten wissenschaftlichen Daten“

In der Rechtssache C‑436/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Castilla y León (Obergericht Kastilien und León, Spanien) mit Entscheidung vom 30. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Juli 2022, in dem Verfahren

Asociación para la Conservación y Estudio del Lobo Ibérico (ASCEL)

gegen

Administración de la Comunidad de Castilla y León

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter) sowie der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb und A. Kumin und der Richterin I. Ziemele,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Asociación para la Conservación y Estudio del Lobo Ibérico (ASCEL), vertreten durch J. Gil Ibáñez, Abogada, und A. I. Fernández Marcos, Procuradora,

–        der Administración de la Comunidad de Castilla y León, vertreten durch D. Vélez Berzosa, Letrada,

–        der spanischen Regierung, zunächst vertreten durch I. Herranz Elizalde, dann durch M. Morales Puerta als Bevollmächtigte,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Hermes und E. Sanfrutos Cano als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. Januar 2024

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 sowie der Art. 4, 11, 12, 14, 16 und 17 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7) in der durch die Richtlinie 2013/17/EU vom 13. Mai 2013 (ABl. 2013, L 158, S. 193) geänderten Fassung (im Folgenden: Habitatrichtlinie).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Asociación para la Conservación y Estudio del Lobo Ibérico (ASCEL) (Vereinigung für die Erhaltung und die Erforschung des Iberischen Wolfes, Spanien) auf der einen Seite und der Administración de la Comunidad de Castilla y León (Verwaltung der Autonomen Gemeinschaft Kastilien und Léon, Spanien) über den von der ASCEL gestellten Antrag auf Aufhebung des Beschlusses der Dirección General del Patrimonio Natural y Política Forestal de la Junta de Castilla y León (Generaldirektion für Naturerbe und Forstpolitik von Kastilien und León, Spanien) vom 9. Oktober 2019, mit dem der Plan zur lokalen Nutzung des Wolfes in den Jagdgebieten nördlich des Flusses Duero in Kastilien und León für die Jagdperioden 2019/2020, 2020/2021 und 2021/2022 genehmigt wurde (im Folgenden: Beschluss vom 9. Oktober 2019), und auf Verurteilung der Beklagten des Ausgangsverfahrens, für jedes während dieser Jagdperioden erlegte Exemplar eine Entschädigung zu zahlen.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Im ersten Erwägungsgrund der Habitatrichtlinie heißt es:

„Wie in Artikel [191 AEUV] festgestellt wird, sind Erhaltung, Schutz und Verbesserung der Qualität der Umwelt wesentliches Ziel der Gemeinschaft und von allgemeinem Interesse; hierzu zählt auch der Schutz der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen.“

4        Der 15. Erwägungsgrund dieser Richtlinie lautet:

„Ergänzend zur Richtlinie 79/409/EWG [des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 1979, L 103, S. 1)] ist ein allgemeines Schutzsystem für bestimmte Tier- und Pflanzenarten vorzusehen. Für bestimmte Arten sind Regulierungsmaßnahmen vorzusehen, wenn dies aufgrund ihres Erhaltungszustands gerechtfertigt ist; hierzu zählt auch das Verbot bestimmter Fang- und Tötungsmethoden, wobei unter gewissen Voraussetzungen Abweichungen zulässig sein müssen.“

5        Art. 1 Buchst. i der Habitatrichtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

i)      ,Erhaltungszustand einer Art‘: die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten in dem in Artikel 2 bezeichneten Gebiet auswirken können.

…“

6        Art. 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Diese Richtlinie hat zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, beizutragen.

(2)      Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen zielen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

(3)      Die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen tragen den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten Rechnung.“

7        Art. 4 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Anhand der in Anhang III (Phase 1) festgelegten Kriterien und einschlägiger wissenschaftlicher Informationen legt jeder Mitgliedstaat eine Liste von Gebieten vor, in der die in diesen Gebieten vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und einheimischen Arten des Anhangs II aufgeführt sind. Bei Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen, entsprechen diese Gebiete den Orten im natürlichen Verbreitungsgebiet dieser Arten, welche die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweisen. …

Binnen drei Jahren nach der Bekanntgabe dieser Richtlinie wird der [Europäischen] Kommission diese Liste gleichzeitig mit den Informationen über die einzelnen Gebiete zugeleitet. …

(4)      Ist ein Gebiet aufgrund des in Absatz 2 genannten Verfahrens als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bezeichnet worden, so weist der betreffende Mitgliedstaat dieses Gebiet so schnell wie möglich – spätestens aber binnen sechs Jahren – als besonderes Schutzgebiet aus und legt dabei die Prioritäten nach Maßgabe der Wichtigkeit dieser Gebiete für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes eines natürlichen Lebensraumtyps des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II und für die Kohärenz des Netzes Natura 2000 sowie danach fest, inwieweit diese Gebiete von Schädigung oder Zerstörung bedroht sind.

…“

8        Gemäß Art. 11 dieser Richtlinie „[überwachen d]ie Mitgliedstaaten … den Erhaltungszustand der in Artikel 2 genannten Arten und Lebensräume, wobei sie die prioritären natürlichen Lebensraumtypen und die prioritären Arten besonders berücksichtigen“.

9        Art. 12 der Habitatrichtlinie bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchst. a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:

a)      alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten;

b)      jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs‑, Aufzucht‑, Überwinterungs- und Wanderungszeiten;

c)      jede absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur;

d)      jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten.

…“

10      Art. 14 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten treffen, sofern sie es aufgrund der Überwachung gemäß Art. 11 für erforderlich halten, die notwendigen Maßnahmen, damit die Entnahme aus der Natur von Exemplaren der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten des Anhangs V sowie deren Nutzung mit der Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustands vereinbar sind.

(2)      Werden derartige Maßnahmen für erforderlich gehalten, so müssen sie die Fortsetzung der Überwachung gemäß Art. 11 beinhalten. Außerdem können sie insbesondere Folgendes umfassen:

–        Vorschriften bezüglich des Zugangs zu bestimmten Bereichen;

–        das zeitlich oder örtlich begrenzte Verbot der Entnahme von Exemplaren aus der Natur und der Nutzung bestimmter Populationen;

–        die Regelung der Entnahmeperioden und/oder ‑formen;

–        die Einhaltung von dem Erhaltungsbedarf derartiger Populationen Rechnung tragenden waidmännischen oder fischereilichen Regeln bei der Entnahme von Exemplaren;

–        die Einführung eines Systems von Genehmigungen für die Entnahme oder von Quoten;

–        die Regelung von Kauf, Verkauf, Feilhalten, Besitz oder Transport zwecks Verkauf der Exemplare;

–        das Züchten in Gefangenschaft von Tierarten sowie die künstliche Vermehrung von Pflanzenarten unter streng kontrollierten Bedingungen, um die Entnahme von Exemplaren aus der Natur zu verringern;

–        die Beurteilung der Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen.“

11      Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie des Artikels 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne abweichen:

a)      zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume;

b)      zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum;

c)      im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;

d)      zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen;

e)      um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben.“

12      Art. 17 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Alle sechs Jahre nach Ablauf der in Artikel 23 vorgesehenen Frist erstellen die Mitgliedstaaten einen Bericht über die Durchführung der im Rahmen dieser Richtlinie durchgeführten Maßnahmen. Dieser Bericht enthält insbesondere Informationen über die in Artikel 6 Absatz 1 genannten Erhaltungsmaßnahmen sowie die Bewertung der Auswirkungen dieser Maßnahmen auf den Erhaltungszustand der Lebensraumtypen des Anhangs I und der Arten des Anhangs II sowie die wichtigsten Ergebnisse der in Artikel 11 genannten Überwachung. Dieser Bericht, dessen Form mit dem [von dem gemäß Art. 20 eingesetzten] Ausschuss aufgestellten Modell übereinstimmt, wird der Kommission übermittelt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.“

13      Anhang II („Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen“) der Habitatrichtlinie enthält den Eintrag Canis lupus, wobei präzisiert wird, dass unter den spanischen Populationen „nur die … südlich des Duero“ erfasst sind.

14      In Anhang IV („Streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse“) der Habitatrichtlinie wird der Canis lupus „ausgenommen … die spanischen Populationen nördlich des Duero …“ genannt.

15      In Anhang V („Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, deren Entnahme aus der Natur und Nutzung Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen sein können“) dieser Richtlinie wird unter Buchst. a der Canis lupus, u. a. die „spanische[n] Populationen nördlich des Duero“, genannt.

 Spanisches Recht

16      Die Ley 4/1996 de Caza de Castilla y León (Gesetz 4/1996 von Kastilien und León über die Jagd) vom 12. Juli 1996 (BOE Nr. 210 vom 30. August 1996, S. 26650) in der durch die Ley 9/2019 (Gesetz 9/2019) vom 28. März 2019 (BOE Nr. 91 vom 16. April 2019, S. 39643) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz 4/1996) bezeichnete in ihrem Art. 7 und ihrem Anhang I den Wolf (Canis lupus) als nördlich des Duero „[grundsätzlich] jagdbare und [mangels Ausnahmeregelung tatsächlich] bejagbare Art“. Das Gesetz 4/1996 wurde aufgehoben durch die Ley 4/2021 de Caza y de Gestión Sostenible de los Recursos Cinegéticos de Castilla y León (Gesetz 4/2021 der Autonomen Gemeinschaft Kastilien und León über die Jagd und die nachhaltige Bewirtschaftung von Jagdressourcen) vom 1. Juli 2021 (BOE Nr. 172 vom 20. Juli 2021, S. 86581), die in ihrem Art. 6 und ihrem Anhang I.3 den Wolf ebenfalls als solche Art bezeichnet. Anhang II Nr. 4 Buchst. f des Gesetzes 4/2021 sieht als Zeitraum, in dem die Jagd dieser Art gestattet ist, folgenden Zeitraum vor: vom vierten Sonntag des Monats September bis zum vierten Sonntag des Monats Februar des Folgejahrs. In Anhang IV Nr. 2 dieses letztgenannten Gesetzes wird der Wert jedes erlegten Wolfes auf 6 000 Euro festgesetzt.

17      Die Ley 42/2007 del Patrimonio Natural y de la Biodiversidad (Gesetz über das Naturerbe und die Biodiversität) vom 13. Dezember 2007 (BOE Nr. 299 vom 14. Dezember 2007, S. 51275) sieht in ihrem Art. 65 Abs. 1 vor, dass Jagd und Binnenfischerei nur in Bezug auf Arten ausgeübt werden dürfen, die von den Autonomen Gemeinschaften festgelegt werden. Diese Festlegung darf in keinem Fall die Arten betreffen, die in die Liste besonders geschützter Tiere aufgenommen wurden und deren Jagd oder Fischerei von der Europäischen Union verboten ist.

18      Das Real Decreto 139/2011 para el desarrollo del Listado de Especies Silvestres en Régimen de Protección Especial y del Catálogo Español de Especies Amenazadas (Königliches Dekret 139/2011 zur Entwicklung der Liste besonders geschützter Wildtiere und des spanischen Registers bedrohter Arten) vom 4. Februar 2011 (BOE Nr. 46 vom 23. Februar 2011, S. 20912) enthält in seinem Anhang die Liste der Wildtierarten, die besonders geschützt werden und gegebenenfalls im spanischen Register bedrohter Arten verzeichnet sind. Dieser Anhang wurde durch die Orden TED/980/2021, por la que se modifica el Anexo del Real Decreto 139/2011, de 4 de febrero, para el desarrollo del Listado de Especies Silvestres en Régimen de Protección Especial y del Catálogo Español de Especies Amenazadas (Verordnung TED/980/2021 zur Änderung des Anhangs des Königlichen Dekrets 139/2011 vom 4. Februar 2011 zur Entwicklung der Liste besonders geschützter Wildtiere und des spanischen Registers bedrohter Arten) vom 20. September 2021 (BOE Nr. 226 vom 21. September 2021, S. 115283) dahin geändert, dass in die Liste streng geschützter Wildtiere alle spanischen Wolfspopulationen aufgenommen wurden. Nach dieser Verordnung dürfen allerdings die von den Autonomen Gemeinschaften vor deren Inkrafttreten erlassenen Maßnahmen zur Entnahme und zum Fang von Exemplaren weiterhin angewendet werden, sofern sie bestimmte Voraussetzungen und Beschränkungen beachten. Insbesondere muss auf der Grundlage der besten verfügbaren Erkenntnisse feststehen, dass diese Maßnahmen den günstigen Erhaltungszustand der betreffenden Art nicht negativ beeinträchtigen.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

19      Mit Beschluss vom 9. Oktober 2019 genehmigte die Generaldirektion für Naturerbe und Forstpolitik von Kastilien und León den Plan zur lokalen Nutzung des Wolfes in den Jagdgebieten nördlich des Duero in Kastilien und León für die Jagdperioden 2019/2020, 2020/2021 und 2021/2022.

20      Dieser Plan beruht auf einer regionalen Wolfszählung aus den Jahren 2012 und 2013, die im Rahmen einer zwischen 2012 und 2014 durchgeführten nationalen Zählung erfolgte, sowie auf jährlichen Monitoringberichten, die einen geringeren Beobachtungs- und Überwachungsaufwand erfordern, als er für eine Zählung benötigt wird. Ausgehend von den verfügbaren Daten und in Anwendung verschiedener Faktoren wird in diesem Plan die Anzahl der vor der Jagd nördlich des Duero in Kastilien und León vorhandenen Wölfe auf 1 051 Exemplare geschätzt. Die nationale Zählung ergab insgesamt 297 Rudel in Spanien, wovon 179 auf die Zählung in Kastilien und León entfielen, d. h. 60,3 % der auf nationaler Ebene ermittelten Gesamtzahl. Nach den Schlussfolgerungen dieses Plans würde eine jährliche Mortalitätsrate von mehr als 35 % zu einem Rückgang der Population dieser Art führen.

21      Am 14. November 2019 legte die ASCEL gegen den Beschluss vom 9. Oktober 2019 Beschwerde ein, die mit Bescheid des Consejero de Fomento y Medio Ambiante (Minister für Entwicklung und Umwelt) der Autonomen Gemeinschaft Kastilien und León vom 9. März 2020 zurückgewiesen wurde.

22      Am 17. Februar 2020 erhob die ASCEL Klage bei der Kammer für Verwaltungsstreitsachen des Tribunal Superior de Justicia de Castilla y León (Obergericht Kastilien und León, Spanien), dem vorlegenden Gericht. Mit dieser Klage beantragt sie sowohl die Aufhebung des Bescheids, mit dem ihre Beschwerde gegen den Beschluss vom 9. Oktober 2019 zurückgewiesen wurde, als auch des Beschlusses selbst. In Anbetracht der Tatsache, dass die rechtliche Situation vor dem Erlass dieses Beschlusses nicht wiederhergestellt werden könne, da die betreffenden Wölfe getötet worden seien, beantragt die ASCEL außerdem, die Beklagte zu verurteilen, eine Entschädigung für den den wildlebenden Tieren zugefügten Schaden in Höhe des wirtschaftlichen Wertes aller während der Jagdperioden 2019/2020, 2020/2021 und 2021/2022 getöteten Exemplare zu zahlen, und zwar 9 261 Euro pro Wolf.

23      Dem vorlegenden Gericht zufolge heißt es in dem vom Königreich Spanien 2019 gemäß Art. 17 der Habitatrichtlinie an die Kommission übermittelten Bericht für den Zeitraum 2013‑2018 (im Folgenden: Bericht von 2019), dass sich der Wolf in der mediterranen, der atlantischen und der alpinen Region im Erhaltungszustand „ungünstig – unzureichend“ befinde, wobei die ersten beiden dieser Regionen das Gebiet von Kastilien und León umfassten.

24      Dennoch sei der Wolf gemäß Art. 7 und Anhang I des Gesetzes 4/1996 als Art eingestuft worden, die nördlich des Duero „jagdbar und bejagbar“ sei.

25      Das Gericht bezweifelt die Vereinbarkeit dieser Einstufung mit der Habitatrichtlinie und stellt sich auch Fragen nach der Bedeutung, dem Inhalt und den Quellen der wissenschaftlichen Berichte, auf die die Entscheidungen über den Erhaltungszustand des Wolfs und infolgedessen die Maßnahmen gestützt werden können, die darauf abzielen, dass die Entnahme aus der Natur von Exemplaren der in Anhang V dieser Richtlinie genannten wildlebenden Tier- und Pflanzenarten sowie die Nutzung dieser Arten mit der Erhaltung dieser Arten in einem günstigen Erhaltungszustand vereinbar sind.

26      Unter diesen Umständen hat das Tribunal Superior de Justicia de Castilla y Léon (Obergericht Kastilien und Léon) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

In Anbetracht der Tatsache, dass jede von einem Mitgliedstaat nach der Habitatrichtlinie getroffene Maßnahme gemäß deren Art. 2 Abs. 2 darauf abzielt, einen günstigen Erhaltungszustand der Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse wie des Wolfes (Canis lupus) zu bewahren oder wiederherzustellen:

1.      Stehen die Bestimmungen von Art. 2 Abs. 2 und der Art. 4, 11, 12, 14, 16 und 17 der Habitatrichtlinie dem entgegen, dass der Wolf durch ein Gesetz einer Autonomen Gemeinschaft (wie das Gesetz 4/1996, danach das Gesetz 4/2021) zu einer jagdbaren und bejagbaren Art erklärt wird und in der Folge die lokale Nutzung des Wolfes in den Jagdgebieten in den Jagdperioden 2019/2020, 2020/2021 und 2021/2022 genehmigt wird, wenn sein Erhaltungszustand nach dem Bericht von 2019 „ungünstig – unzureichend“ ist, weswegen dieser Mitgliedstaat (Art. 4 der Habitatrichtlinie) alle spanischen Wolfspopulationen in die Liste besonders geschützter Wildtiere und in das spanische Register bedrohter Tierarten aufgenommen hat, die auch die Populationen nördlich des Duero unter strengen Schutz stellen?

2.      Ist es mit diesem Ziel vereinbar, den Wolf unter einen unterschiedlichen Schutz zu stellen, je nachdem, ob er sich nördlich oder südlich des Duero befindet, in Anbetracht (i) dessen, dass diese Unterscheidung aus wissenschaftlicher Sicht derzeit als unangemessen angesehen wird, (ii) des Umstands, dass sein Erhaltungszustand in den drei Regionen, in denen er in Spanien vorkommt, nämlich der alpinen, der atlantischen und der mediterranen Region, im Zeitraum 2013‑2018 als ungünstig bewertet wird, (iii) dessen, dass er in praktisch allen Mitgliedstaaten und insbesondere in Portugal – mit Portugal besteht eine gemeinsame Region – streng geschützt ist, sowie (iv) der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu dem bei der Bewertung seines Erhaltungszustands zu berücksichtigenden natürlichen Verbreitungsgebiet und territorialen Gebiet, unter Berücksichtigung dessen, dass es unter Beachtung der Bestimmungen ihres Art. 2 Abs. 3 mit dieser Richtlinie eher im Einklang stünde, den Wolf in die Anhänge II und IV aufzunehmen, ohne zwischen den Gebieten nördlich und südlich des Duero zu unterscheiden, so dass der Fang und das Töten von Wölfen nur möglich wäre, wenn es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung im Sinne von und im Einklang mit Art. 16 gibt?

Falls diese Unterscheidung als gerechtfertigt angesehen wird:

3.      Umfasst der Begriff „Nutzung“ in Art. 14 der Habitatrichtlinie angesichts der besonderen Bedeutung, die dem Wolf zukommt (in anderen Gebietszonen ist die Art prioritär), und unter Berücksichtigung dessen, dass seine Bejagung bislang erlaubt war und festgestellt wurde, dass seine Situation im Zeitraum 2013‑2018 ungünstig war, die jagdliche Nutzung des Wolfes, also die Jagd auf Wölfe?

4.      Steht Art. 14 der Habitatrichtlinie dem entgegen, dass der Wolf nördlich des Duero durch Gesetz zu einer jagdbaren und bejagbaren Art erklärt wird (Art. 7 und Anhang I des Gesetzes 4/1996 sowie Art. 6 und Anhang I des Gesetzes 4/2021), sowie dem Umstand, dass die Genehmigung eines Plans zur lokalen Nutzung des Wolfes in den nördlich des Duero gelegenen Jagdgebieten für die Saisons 2019/2020, 2020/2021 und 2021/2022 erfolgte, ohne dass Daten vorliegen, die es ermöglichen, zu beurteilen, ob die in Art. 11 der Richtlinie vorgesehene Überwachung vorgenommen wurde, ohne Zählung seit 2012‑2013 und ohne hinreichende objektive, wissenschaftliche und aktuelle Informationen über die Situation des Wolfes in den Unterlagen, auf denen der Erlass des Plans zur lokalen Nutzung des Wolfes beruhte, wenn der Erhaltungszustand des Wolfes während des Zeitraums 2013–2018 in den drei Regionen (der alpinen, der atlantischen und der mediterranen Region), in denen der Wolf in Spanien vorkommt, als ungünstig bewertet wird?

5.      Sind nach den Bestimmungen der Art. 4, 11 und 17 der Habitatrichtlinie die Berichte, die für die Bestimmung des Erhaltungszustands des Wolfes zu berücksichtigen sind (die aktuellen und tatsächlichen Populationsgrößen, die aktuelle geografische Verbreitung, der Reproduktionsindex usw.), diejenigen, die alle sechs Jahre oder erforderlichenfalls in einem kürzeren Zeitabstand vom Mitgliedstaat durch einen wissenschaftlichen Ausschuss wie dem durch das Königliche Dekret 139/2011 eingerichteten ausgearbeitet werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die Wolfspopulationen im Gebiet verschiedener Autonomer Gemeinschaften befinden und es nach dem Urteil vom 10. Oktober 2019, Luonnonsuojeluyhdistys Tapiola (C‑674/17, EU:C:2019:851), erforderlich ist, die Bewertung der Maßnahmen betreffend eine lokale Population „in einem größeren Rahmen“ durchzuführen?

 Zum Verfahren vor dem Gerichtshof

27      Das vorlegende Gericht beantragt, die vorliegende Vorlage zur Vorabentscheidung dem beschleunigten Verfahren gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen.

28      Zur Stützung seines Antrags macht es zum einen geltend, dass der Erhaltungszustand des Wolfes in Spanien ungünstig sei, und zum anderen, dass der hier maßgebliche Zeitraum, in dem die Jagd erlaubt sei, am vierten Sonntag des Monats September 2022 beginne.

29      Nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann der Präsident des Gerichtshofs auf Antrag des vorlegenden Gerichts oder ausnahmsweise von Amts wegen, nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts, entscheiden, eine Vorlage zur Vorabentscheidung einem beschleunigten Verfahren unter Abweichung von den Bestimmungen dieser Verfahrensordnung zu unterwerfen, wenn die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert.

30      Die Anwendung des beschleunigten Verfahrens kann gerechtfertigt sein, wenn eine große Gefahr besteht, dass bis zur Entscheidung des Gerichtshofs unumkehrbare Folgen für die Umwelt eintreten (Urteil vom 7. Februar 2023, Confédération paysanne u. a. [In-vitro-Zufallsmutagenese], C‑688/21, EU:C:2023:75, Rn. 27).

31      Der Präsident des Gerichtshofs hat am 14. Juli 2022 nach Anhörung des Berichterstatters und der Generalanwältin entschieden, dem in Rn. 27 des vorliegenden Urteils genannten Antrag nicht stattzugeben.

32      Denn das vorlegende Gericht hebt zwar hervor, dass der Zeitraum, in dem die Jagd gestattet sei, in Bezug auf die Saison 2022/2023 am vierten Sonntag des Monats September 2022 beginne, es ist jedoch festzustellen, dass der Ausgangsrechtsstreit nur die Genehmigung des regionalen Plans zur Nutzung des Wolfes in den Jagdgebieten nördlich des Duero in Kastilien und León in den drei Jagdperioden 2019/2020, 2020/2021 und 2021/2022 betrifft.

33      Unter diesen Umständen lässt sich in Ermangelung zusätzlicher Gesichtspunkte nicht feststellen, dass im Ausgangsverfahren eine große Gefahr, dass bis zur Entscheidung des Gerichtshofs unumkehrbare Folgen für die Umwelt eintreten, im Sinne der in Rn. 30 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung besteht.

34      Gleichwohl hat der Präsident des Gerichtshofs entschieden, die vorliegende Rechtssache gemäß Art. 53 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs mit Vorrang zu behandeln.

 Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

35      Die spanische Regierung und die Verwaltung der Autonomen Gemeinschaft Kastilien und León tragen vor, das Vorabentscheidungsersuchen sei aus mehreren Gründen unzulässig.

36      Die spanische Regierung macht geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht mehr von Belang, da das Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof, Spanien) die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes 4/2021 und insbesondere dessen Anhang II Nr. 4 Buchst. f in seinem Urteil Nr. 99/2022 vom 13. Juli 2022 u. a. deshalb für verfassungswidrig erklärt habe, weil diese gegen die Verordnung TED/980/2021 verstießen.

37      Die Verwaltung der Autonomen Gemeinschaft Kastilien und León trägt ihrerseits vor, das Vorabentscheidungsersuchen sei aus mehreren Gründen unzulässig. Erstens sei es für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht erforderlich, eine Vorschrift des Unionsrechts auszulegen, sondern vielmehr, die zu den Akten gelegten Beweise zu würdigen. Zweitens habe das vorlegende Gericht bereits über eine Klage entschieden, die von derselben Klägerin gegen einen ähnlichen Plan erhoben worden sei und auf denselben Argumenten beruhe wie denjenigen, die im Rahmen des Ausgangsverfahrens geltend gemacht würden. Überdies habe diese im vorliegenden Fall keinen Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts geltend gemacht. Drittens sei der Ausgangsrechtsstreit konstruiert.

38      Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegten Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 21. Dezember 2023, Infraestruturas de Portugal und Futrifer Indústrias Ferroviárias, C‑66/22, EU:C:2023:1016, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die Auslegung des Unionsrechts, um die er ersucht wird, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 7. April 2022, Avio Lucos, C‑116/20, EU:C:2022:273, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Ausgangsverfahren insbesondere die Vereinbarkeit der betreffenden nationalen Vorschriften, mit denen der Wolf als eine jagdbare und bejagbare Art bezeichnet wird, mit dem Unionsrecht sowie die Frage betrifft, ob die Beeinträchtigung der Wolfspopulation durch die Jagd unter den vor der in Rn. 36 des vorliegenden Urteils genannten Entscheidung des Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof) geltenden Rechtsvorschriften zu einer Entschädigung führen muss. Diese Entscheidung betrifft jedoch nur den Zeitraum nach dem Jahr 2021, das Ausgangsverfahren dagegen die Jagdsaisons zurück bis zum Jahr 2019. Die Vereinbarkeit der in Rede stehenden regionalen Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht ist daher für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits weiterhin von Interesse.

41      Es ist somit nicht offensichtlich, dass im Sinne der in Rn. 39 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder das Problem hypothetischer Natur ist. Außerdem verfügt der Gerichtshof über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.

42      Infolgedessen sind die von der spanischen Regierung und der Verwaltung der Autonomen Gemeinschaft Kastilien und Léon geltend gemachten Unzulässigkeitsgründe zurückzuweisen.

43      Nach alledem ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

 Zu den Vorlagefragen

44      Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 2, 4, 11, 12, 14, 16 und 17 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach denen der Wolf als Art bezeichnet wird, deren Exemplare in einem Teil des Staatsgebiets dieses Mitgliedstaats gejagt werden dürfen, in dem er nicht unter den strengen Schutz gemäß Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie fällt, obwohl sein Erhaltungszustand im gesamten Staatsgebiet dieses Mitgliedstaats als ungünstig eingestuft wurde.

45      Dieses Gericht fragt sich insbesondere, wie Art. 14 dieser Richtlinie auszulegen ist, und bezweifelt, ob der Plan zur lokalen Nutzung des Wolfes in den nördlich des Duero gelegenen Jagdgebieten in Kastilien und León mit diesem Artikel vereinbar ist, da der Erhaltungszustand in den drei Regionen, in denen er im Zeitraum 2013‑2018 in Spanien vorkam, nämlich der alpinen, der atlantischen und der mediterranen Region, als ungünstig bewertet wurde.

46      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass es im ersten Erwägungsgrund der Habitatrichtlinie heißt, dass die Erhaltung, der Schutz und die Verbesserung der Qualität der Umwelt wesentliches Ziel der Union und von allgemeinem Interesse sind und dass hierzu auch der Schutz der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen zählt.

47      Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 12 der Habitatrichtlinie in Verbindung mit ihrem Anhang IX Buchst. a der Wolf zu den Arten „von gemeinschaftlichem Interesse“ zählt, der im Sinne dieses Artikels streng zu schützen ist.

48      Diese strenge Schutzregelung betrifft u. a. die Wolfspopulationen südlich des Duero, die in Anhang II der Habitatrichtlinie ausdrücklich als Arten „von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen“, aufgeführt werden.

49      Die spanischen Wolfspopulationen nördlich des Duero sind in Anhang V der Habitatrichtlinie aufgeführt als Tierart von gemeinschaftlichem Interesse, deren Entnahme aus der Natur und Nutzung Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen sein können und die daher unter Art. 14 dieser Richtlinie fallen.

50      Hierzu ist festzustellen, dass der Umstand, dass eine Tier- oder Pflanzenart von gemeinschaftlichem Interesse in Anhang V der Habitatrichtlinie aufgenommen wurde, nicht bedeutet, dass ihr Erhaltungszustand grundsätzlich als günstig anzusehen ist. Denn abgesehen davon, dass es die Mitgliedstaaten sind, die der Kommission den Status dieser Arten auf ihrem Staatsgebiet mitteilen, bedeutet diese Aufnahme nur, dass im Licht der in Art. 11 dieser Richtlinie vorgesehenen Pflicht zur Überwachung und zur Gewährleistung des mit ihr verfolgten Ziels diese Art im Unterschied zu den in Anhang IV Buchst. a dieser Richtlinie aufgeführten Arten, auf die in jedem Fall das in Art. 12 dieser Richtlinie vorgesehene strenge Schutzsystem angewandt wird, Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen sein „kann“.

51      Eine solche Aufnahme kann nämlich nicht in einem Sinn verstanden werden, der dem von der Habitatrichtlinie verfolgten Ziel zuwiderläuft, das, wie sich aus deren Art. 2 Abs. 1 ergibt, darin besteht, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten beizutragen, wobei Abs. 2 dieses Artikels ausdrücklich vorsieht, dass die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen darauf abzielen, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

52      In Bezug auf die Verwaltungsmaßnahmen, deren Gegenstand die in Anhang V der Habitatrichtlinie aufgenommenen Arten wie z. B. die Wolfspopulationen nördlich des Duero sein können, ist erstens festzustellen, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 14 Abs. 1 der Habitatrichtlinie, „sofern sie es aufgrund der Überwachung gemäß Art. 11 für erforderlich halten, die notwendigen Maßnahmen [treffen], damit die Entnahme aus der Natur von Exemplaren der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten des Anhangs V sowie deren Nutzung mit der Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustands vereinbar sind“.

53      Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht hervor, dass die Mitgliedstaaten über einen gewissen Beurteilungsspielraum verfügen, um festzustellen, ob es notwendig ist, Maßnahmen in Anwendung dieser Bestimmung zu erlassen, die geeignet sind, die Nutzung der in Anhang V der Habitatrichtlinie verzeichneten Arten zu begrenzen.

54      Zum einen können diese Maßnahmen gemäß Art. 14 Abs. 2 dieser Richtlinie den Zugang zu bestimmten Bereichen, das Verbot der Entnahme von Exemplaren aus der Natur und der Nutzung bestimmter Populationen oder die Einführung eines Quotensystems betreffen. Demnach gehören zu den auf der Grundlage dieses Artikels erlassenen Maßnahmen zwar auch waidmännische Regeln, wie aus dem vierten Gedankenstrich dieser Bestimmung hervorgeht, doch handelt es sich dabei um Maßnahmen, mit denen die Entnahme der betreffenden Arten eingeschränkt werden kann, und nicht um Maßnahmen zur Ausweitung ihrer Entnahme.

55      Zum anderen ist, wie die Kommission vorträgt, der in Rn. 53 des vorliegenden Urteils genannte Beurteilungsspielraum durch die Pflicht begrenzt, darauf zu achten, dass die Entnahme der Exemplare einer Art aus der Natur und die Nutzung dieser Exemplare mit der Erhaltung dieser Art in einem günstigen Erhaltungszustand vereinbar sind.

56      Jede von einem Mitgliedstaat auf der Grundlage der Habitatrichtlinie getroffene Maßnahme muss nämlich gemäß deren Art. 2 Abs. 2 darauf abzielen, einen günstigen Erhaltungszustand der Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

57      Wie aus dem 15. Erwägungsgrund der Habitatrichtlinie hervorgeht, war der Unionsgesetzgeber zudem der Auffassung, dass ein allgemeines Schutzsystem für bestimmte Tier- und Pflanzenarten vorzusehen ist und dass für bestimmte Arten Regulierungsmaßnahmen vorzusehen sind, „wenn dies aufgrund ihres Erhaltungszustands gerechtfertigt ist“, wozu auch das Verbot bestimmter Fang- und Tötungsmethoden zählt, wobei unter gewissen Voraussetzungen Abweichungen zulässig sein müssen. Wie der Einschub „wenn dies aufgrund ihres Erhaltungszustands gerechtfertigt ist“ belegt, muss somit der Erlass solcher Maßnahmen dadurch gerechtfertigt sein, dass es erforderlich ist, die betroffene Art in einem günstigen Erhaltungszustand zu erhalten oder diesen wiederherzustellen.

58      Daraus folgt, wie die Generalanwältin in Nr. 71 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, dass Art. 14 Abs. 1 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Jagd begrenzt oder eingeschränkt werden darf, wenn dies erforderlich ist, um die betreffende Art in einem günstigen Erhaltungszustand zu erhalten oder diesen wiederherzustellen.

59      Zweitens sind die Mitgliedstaaten nach Art. 11 der Habitatrichtlinie verpflichtet, die Überwachung des Erhaltungszustands der in Art. 2 genannten Arten und Lebensräume zu gewährleisten, wobei sie die prioritären natürlichen Lebensraumtypen und die prioritären Arten besonders berücksichtigen. Diese Überwachung ist wesentlich, um die Einhaltung der in Art. 14 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen zu gewährleisten und zu ermitteln, ob es notwendig ist, Maßnahmen zu erlassen, die die Vereinbarkeit der Nutzung dieser Art mit der Erhaltung eines günstigen Erhaltungszustands sicherstellen, und stellt für sich genommen eine der Maßnahmen dar, die erforderlich sind, um die Erhaltung dieser Art zu gewährleisten. Eine Art darf daher nicht jagdlich genutzt und bejagt werden, wenn eine wirksame Überwachung ihres Erhaltungszustands nicht sichergestellt ist.

60      Nach der Definition in Art. 1 Buchst. i der Habitatrichtlinie wird der Erhaltungszustand einer Art als günstig betrachtet, wenn erstens aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, dass diese ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraums, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird. Zweitens soll das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnehmen noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen. Drittens muss gegenwärtig und wahrscheinlich auch künftig ein genügend großer Lebensraum vorhanden sein, um langfristig ein Überleben der Populationen dieser Art zu sichern (Urteil vom 10. Oktober 2019, Luonnonsuojeluyhdistys Tapiola, C‑674/17, EU:C:2019:851, Rn. 56).

61      Der Begriff „natürliches Verbreitungsgebiet“, der eines der Kriterien darstellt, die bei der Feststellung berücksichtigt werden müssen, ob der Erhaltungszustand einer Art günstig ist, umfasst im Fall von geschützten Tierarten, die – wie der Wolf – große Lebensräume beanspruchen, mehr als den geografischen Raum, der die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweist (Urteil vom 11. Juni 2020, Alianța pentru combaterea abuzurilor, C‑88/19, EU:C:2020:458, Rn. 38).

62      Da die Auswirkung der Entnahme aus der Natur und der Nutzung dieser Art auf den Erhaltungszustand der betreffenden Art „aufgrund der Überwachung gemäß Artikel 11“ der Habitatrichtlinie zu bewerten ist, müssen die Mitgliedstaaten außerdem, wenn sie in Anwendung von Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie Entscheidungen treffen, mit denen die Jagd dieser Art erlaubt wird, diese Entscheidungen begründen und die Überwachungsdaten bereitstellen, auf die diese Entscheidungen gestützt werden.

63      Es sind nicht nur die Daten über die Populationen der betreffenden Art, die Gegenstand der fraglichen Nutzungsmaßnahme ist, zu berücksichtigen, sondern auch die Auswirkung dieser Maßnahme auf den Erhaltungszustand dieser Art in einem größeren Rahmen auf der Ebene der biogeografischen Region oder, soweit möglich, grenzüberschreitend (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2019, Luonnonsuojeluyhdistys Tapiola, C‑674/17, EU:C:2019:851, Rn. 61).

64      Hierzu ist festzustellen, dass Art. 17 der Habitatrichtlinie den Mitgliedstaaten aufgibt, alle sechs Jahre einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie zu erstellen, und zwar im Hinblick darauf, ob das Ziel erreicht wurde, einen „günstigen Erhaltungszustand“ im Sinne von Art. 1 dieser Richtlinie zu bewahren, und diesen Bericht der Kommission zu übermitteln. Dieser Bericht muss die wichtigsten Ergebnisse der in Art. 11 dieser Richtlinie genannten Überwachung enthalten. Er muss außerdem drei Teile umfassen, und zwar einen Teil mit allgemeinen Informationen über die Umsetzung dieser Richtlinie, einen Teil über die Bewertung des Erhaltungszustands der verschiedenen Arten und einen Teil, der den Lebensräumen gewidmet ist. Der Bericht muss sich auf alle Lebensräume und Arten erstrecken, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats vorkommen.

65      Daraus folgt, dass die Bewertung des Erhaltungszustands einer Art und der Frage, ob es angezeigt ist, auf Art. 14 der Habitatrichtlinie gestützte Maßnahmen zu erlassen, unter Berücksichtigung nicht nur des gemäß Art. 17 dieser Richtlinie erstellten Berichts, sondern auch der neuesten wissenschaftlichen Daten, die dank der Überwachung gemäß Art. 11 dieser Richtlinie erlangt wurden, durchzuführen ist. Diese Bewertungen müssen nicht nur auf lokaler Ebene, sondern auch auf Ebene der biogeografischen Region oder sogar grenzüberschreitend durchgeführt werden.

66      Des Weiteren ist auf diese Überwachung besonderes Augenmerk zu legen, wenn diese Art in Anhang II und in Anhang IV Buchst. a dieser Richtlinie für bestimmte Regionen und in Anhang V dieser Richtlinie für Nachbarregionen aufgeführt ist und sie dort allgemein als „Art von gemeinschaftlichem Interesse“ angesehen wird.

67      Wie aus den Angaben des vorlegenden Gerichts hervorgeht, sind jedoch dem Bericht von 2019 zufolge, der als Referenzdokument anzusehen ist, das für die Ermittlung des Erhaltungszustands des Wolfes in Spanien in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Zeitraum maßgeblich ist, im vorliegenden Fall die Wolfspopulationen in Spanien in den drei biogeografischen Regionen, in denen der Wolf in diesem Mitgliedstaat vorkommt, nämlich der alpinen, der atlantischen und der mediterranen Region einschließlich der Regionen nördlich und südlich des Duero, im Erhaltungszustand „ungünstig – unzureichend“.

68      Ferner geht aus diesen Angaben hervor, dass die Autonome Gemeinschaft Kastilien und León bei der Ausarbeitung des Nutzungsplans für die Saisons 2019/2020, 2020/2021 und 2021/2022 diesen Bericht nicht berücksichtigt hat.

69      Wenn sich eine Tierart in einem ungünstigen Erhaltungszustand befindet, wie es vorliegend gemäß den vom vorlegenden Gericht gemachten Angaben der Fall ist, müssen die zuständigen Behörden, wie die Generalanwältin in Nr. 91 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, Maßnahmen im Sinne von Art. 14 der Habitatrichtlinie ergreifen, um den Erhaltungszustand der Art so weit zu verbessern, dass deren Populationen in Zukunft dauerhaft einen günstigen Erhaltungszustand erreichen. Die Beschränkung oder das Verbot der Jagd infolge der Feststellung des ungünstigen Erhaltungszustands dieser Art kann als eine Maßnahme angesehen werden, die für die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands dieser Art erforderlich ist.

70      Wie in Rn. 56 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, ist nämlich der Erlass von auf diesen Artikel gestützten Maßnahmen jedenfalls nur dann erlaubt, wenn diese zur Wahrung oder Wiederherstellung der betreffenden Arten in einem günstigen Erhaltungszustand beitragen. Wenn die Analysen, die im betreffenden Mitgliedstaat im Hinblick auf die Arten in Anhang V der Habitatrichtlinie durchgeführt wurden, Ergebnisse liefern, die die Notwendigkeit eines Tätigwerdens auf nationaler Ebene belegen können, kann dieser Mitgliedstaat demnach die in diesem Artikel genannten Tätigkeiten beschränken, damit die Entnahme aus der Natur von Exemplaren dieser Arten mit den Zielen dieser Richtlinie vereinbar ist, nicht aber ausweiten.

71      Wie die Generalanwältin in Nr. 99 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist eine solche Maßnahme insbesondere dann geboten, wenn der Erhaltungszustand dieser Art vor allem wegen des Verlusts von Exemplaren ungünstig ist. Selbst wenn diese Verluste hauptsächlich auf andere Gründe zurückgehen, kann es sich als notwendig erweisen, die Jagd nicht zu erlauben, die zusätzliche Verluste verursachen würde.

72      Gemäß dem in Art. 191 Abs. 2 AEUV verankerten Vorsorgeprinzip muss nämlich der Mitgliedstaat, wenn bei der Prüfung der besten zur Verfügung stehenden Daten eine Ungewissheit darüber bestehen bleibt, ob die Nutzung einer Art von gemeinschaftlichem Interesse mit deren Erhaltung in einem günstigen Erhaltungszustand vereinbar ist, davon absehen, eine solche Nutzung zu erlauben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2019, Luonnonsuojeluyhdistys Tapiola, C‑674/17, EU:C:2019:851, Rn. 66).

73      Aus dem Vorsorgeprinzip ergibt sich schließlich auch, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Mai 2021, Bayer CropScience und Bayer/Kommission, C‑499/18 P, EU:C:2021:367, Rn. 80).

74      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Maßnahmen zum Schutz einer Art wie die Beschränkung oder das Verbot der Jagd als notwendig angesehen werden können, wenn auf der Grundlage der besten zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse eine Ungewissheit hinsichtlich der Risiken bleibt, die für die Erhaltung dieser Art in einem günstigen Erhaltungszustand bestehen.

75      Im Übrigen ist festzustellen, dass, wie aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht, das Königreich Spanien die Verordnung TED/980/2021 erlassen hat, mit der sämtliche spanischen Wolfspopulationen einschließlich der von Kastilien und León nördlich des Duero in die nationale Liste besonders geschützter Wildtiere aufgenommen wurden.

76      Hierzu ist festzustellen, dass die Habitatrichtlinie zwar die Unterscheidung zwischen Wolfspopulationen südlich bzw. nördlich des Duero übernimmt, gemäß Art. 193 AEUV die Schutzmaßnahmen, die aufgrund von Art. 192 AEUV – der Rechtsgrundlage dieser Richtlinie – getroffen werden, die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran hindern, verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen.

77      Des Weiteren können im Rahmen des nach Art. 12 der Habitatrichtlinie gewährten strengen Schutzes der Fang und die Tötung nur ausnahmsweise erlaubt werden, wenn es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt und die Populationen der betroffenen Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, sofern die Anforderungen von Art. 16 dieser Richtlinie erfüllt sind. Der Gerichtshof hat außerdem klargestellt, dass eine auf Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie gestützte Ausnahme nur eine konkrete und punktuelle Anwendung sein kann, mit der konkreten Erfordernissen und besonderen Situationen begegnet wird (Urteil vom 10. Oktober 2019, Luonnonsuojeluyhdistys Tapiola, C‑674/17, EU:C:2019:851, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 14 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen der Wolf als Art bezeichnet wird, deren Exemplare in einem Teil des Staatsgebiets dieses Mitgliedstaats gejagt werden dürfen, in dem er nicht unter den strengen Schutz gemäß Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie fällt, obwohl der Erhaltungszustand dieser Art in diesem Mitgliedstaat als „ungünstig – unzureichend“ eingestuft wird. Hierbei sind der gemäß Art. 17 dieser Richtlinie alle sechs Jahre erstellte Bericht, alle neuesten wissenschaftlichen Daten einschließlich derjenigen, die dank der Überwachung gemäß Art. 11 dieser Richtlinie erlangt wurden, sowie das in Art. 191 Abs. 2 AEUV verankerte Vorsorgeprinzip zu berücksichtigen.

 Kosten

79      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 14 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen in der durch die Verordnung 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen der Wolf als Art bezeichnet wird, deren Exemplare in einem Teil des Staatsgebiets dieses Mitgliedstaats gejagt werden dürfen, in dem er nicht unter den strengen Schutz gemäß Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie fällt, obwohl der Erhaltungszustand dieser Art in diesem Mitgliedstaat als „ungünstig – unzureichend“ eingestuft wird. Hierbei sind der gemäß Art. 17 dieser Richtlinie alle sechs Jahre erstellte Bericht, alle neuesten wissenschaftlichen Daten einschließlich derjenigen, die dank der Überwachung gemäß Art. 11 dieser Richtlinie erlangt wurden, sowie das in Art. 191 Abs. 2 AEUV verankerte Vorsorgeprinzip zu berücksichtigen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Spanisch.