Language of document : ECLI:EU:C:2018:243

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

EVGENI TANCHEV

vom 12. April 2018(1)

Verbundene Rechtssachen C195/17, C197/17 bis C203/17, C226/17, C228/17, C254/17, C274/17, C275/17, C278/17 bis C286/17 und C290/17 bis C292/17

Helga Krüsemann,

Gabriele Heidenreich,

Doris Manneck,

Rita Juretschke (C‑195/17),

Thomas Neufeldt,

Julia und Gabriel Neufeldt, gesetzlich vertreten durch ihre Eltern Sandra und Thomas Neufeldt (C197/17),

Ivan Wallmann (C‑198/17),

Rita Hoffmeyer,

Rudolf Meyer (C199/17),

Susanne de Winder (C200/17),

Holger und Nicole Schlosser (C201/17),

Peter Rebbe,

Hans-Peter Rebbe,

Harmine Rebbe (C‑202/17),

Eberhard Schmeer (C203/17),

Brigitte Wittmann (C226/17),

Reinhard Wittmann (C228/17),

Regina Lorenz,

Prisca Sprecher (C‑254/17),

Margarethe Yüce,

Ali Yüce,

Emin Yüce,

Emre Yüce (C‑274/17),

Friedemann Schoen,

Brigitta Schoen (C275/17),

Susanne Meyer,

Sophie Meyer,

Jan Meyer (C278/17),

Thomas Kiehl (C279/17),

Ralph Eßer (C280/17),

Thomas Schmidt (C281/17),

Werner Ansorge (C282/17),

Herbert Blesgen (C283/17),

Simone Künnecke,

Thomas Küther,

Antonia Künnecke,

Moritz Künnecke (C284/17),

Marta Gentile,

Marcel Gentile (C285/17),

Gabriele Ossenbeck (C286/17),

Angelina Fell,

Florian Fell,

Vincent Fell (C‑290/17),

Helga Jordan-Grompe,

Sven Grompe,

Yves-Felix Grompe,

Justin Joel Grompe (C‑291/17)

gegen

TUIfly GmbH

(24 Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Hannover [Deutschland])

und

EUflight.de GmbH (C292/17)

gegen

TUIfly GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Düsseldorf [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Luftverkehr – Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – Art. 5 Abs. 3 – Ausgleichszahlungen an Fluggäste bei Nichtbeförderung und Annullierung oder großer Verspätung von Flügen – Begriff ‚außergewöhnliche Umstände‘ – Abwesenheit von zahlreichem Flugpersonal aufgrund eines ‚wilden Streiks‘ unter dem Vorwand von Krankmeldungen – Ursächlicher Zusammenhang – Vermeidbarkeit“






I.      Einleitung

1.        Stellt ein sogenannter „wilder Streik“(2) unter dem Vorwand von Krankmeldungen einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004(3) dar, so dass ein Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet ist, wegen dadurch verursachter Verspätungen und Annullierungen Ausgleichszahlungen an Fluggäste zu leisten?

2.        Dies ist die Kernfrage, die dem Gerichtshof durch diese verbundenen Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Hannover (Deutschland) und des Amtsgerichts Düsseldorf (Deutschland) gestellt wird, vor denen eine Reihe von Fluggästen Klagen auf Ausgleichszahlung nach der Verordnung Nr. 261/2004 erhoben haben, nachdem ihre Flüge annulliert wurden oder erheblich verspätet waren, weil sich ein außergewöhnlich hoher Prozentsatz des fliegenden Personals des Luftfahrtunternehmens krank gemeldet hatte.

3.        Diese Rechtssachen geben dem Gerichtshof daher Gelegenheit, seine Rechtsprechung zur Auslegung der Verordnung Nr. 261/2004 fortzuentwickeln, die spürbare Auswirkungen auf das Leben der Bürger der Europäischen Union und aller innerhalb ihrer Grenzen reisenden Personen hat.

II.    Rechtlicher Rahmen

4.        Die Erwägungsgründe 1, 2, 14 und 15 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:

„(1)      Die Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.

(2)      Nichtbeförderung und Annullierung oder eine große Verspätung von Flügen sind für die Fluggäste ein Ärgernis und verursachen ihnen große Unannehmlichkeiten.

(14)      Wie nach dem Übereinkommen von Montreal sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.

(15)      Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.“

5.        Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt:

„Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“

III. Sachverhalt der Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

A.      Ersuchen des Amtsgerichts Hannover

6.        Die Kläger in den 24 Rechtssachen, die beim Amtsgericht Hannover anhängig sind, buchten Flüge bei der TUIfly GmbH (im Folgenden: TUIfly), einem Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Hannover (Deutschland). Sie nehmen TUIfly auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004(4) in Anspruch, weil ihre Flüge im Zeitraum zwischen dem 3. und dem 8. Oktober 2016 annulliert wurden oder erheblich verspätet waren.

7.        Die fraglichen Annullierungen oder Verspätungen von Flügen gehen auf Anfang Oktober 2016 zurück, als sich zahlreiche Angehörige des fliegenden Personals von TUIfly plötzlich krank meldeten, was dazu führte, dass insgesamt über 100 Flüge annulliert werden mussten und viele andere Flüge erheblich verspätet waren.

8.        Diese Welle von Krankmeldungen trat auf, nachdem das Management von TUIfly der Belegschaft am 30. September 2016 zukünftige Umstrukturierungspläne mitgeteilt hatte, die auf heftige Ablehnung stießen.

9.        Dem Vorlagebeschluss ist zu entnehmen, dass der Krankenstand der Beschäftigten von TUIfly sowohl beim Cockpit-Personal als auch beim Kabinenpersonal in der Regel bei etwa 10 % der Belegschaft liegt. Nach der Ankündigung der Umstrukturierungsmaßnahmen durch das Management von TUIfly am 30. September 2016 schoss der Krankenstand ihrer Beschäftigten jedoch insbesondere im Zeitraum zwischen dem 3. und dem 9. Oktober 2016 in die Höhe, wobei er seinen Höchststand am 7. Oktober 2016 erreichte, als 89 % des Cockpit-Personals und 62 % des Kabinenpersonals wegen Krankheit fehlten.

10.      Am 3. Oktober 2016 gab TUIfly deshalb ihren ursprünglichen Flugplan vollständig auf und erstellte einen neuen. Sie nahm auch Subcharter bei anderen Fluggesellschaften vor und holte Mitarbeiter aus dem Urlaub zurück.

11.      Am 3. Oktober 2016 hatten 24 Flüge wegen der personellen Ausfälle erhebliche Verspätung. Am 4. Oktober 2016 wurden 7 Flüge annulliert, und 29 Flüge waren erheblich verspätet. Ab dem 5. Oktober 2016 wurde ein Großteil der Flüge annulliert. Am 7. und am 8. Oktober 2016 annullierte TUIfly sämtliche Flüge aus Deutschland in die Zielgebiete, da sie davon ausging, dass die Rückbeförderung der Fluggäste zum Urlaubsende nicht mehr gewährleistet sei.

12.      Am 7. Oktober 2016 teilte das Management von TUIfly der Belegschaft mit, dass hinsichtlich der Umstrukturierungspläne eine Einigung mit dem Betriebsrat erzielt worden sei. Daraufhin sank der Krankenstand beim fliegenden Personal auf die normale Höhe.

13.      In den Ausgangsverfahren trägt TUIfly vor, sie sei nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen an die Kläger zu leisten, weil die fraglichen Annullierungen oder Verspätungen von Flügen durch „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 verursacht worden seien. Die Kläger machen geltend, TUIfly sei nicht von der Verpflichtung befreit, ihnen Ausgleichszahlungen zu leisten, weil die fraglichen Ereignisse keine außergewöhnlichen Umstände dargestellt hätten und sich hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

14.      Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht Hannover die 24 Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Stellt die Abwesenheit eines für die Durchführung von Flügen erheblichen Teils des Personals des ausführenden Luftfahrtunternehmens aufgrund von Krankmeldungen einen außergewöhnlichen Umstand gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dar? Falls Frage 1 bejaht werden sollte: Wie hoch muss die Abwesenheitsquote sein, um einen solchen Umstand anzunehmen?

2.      Falls Frage 1 verneint werden sollte: Stellt die spontane Abwesenheit eines für die Durchführung von Flügen erheblichen Teils des Personals des ausführenden Luftfahrtunternehmens aufgrund einer arbeitsrechtlich und tarifrechtlich nicht legitimierten Arbeitsniederlegung („wilder Streik“) einen außergewöhnlichen Umstand gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dar? Falls Frage 2 bejaht werden sollte: Wie hoch muss die Abwesenheitsquote sein, um einen solchen Umstand anzunehmen?

3.      Falls Frage 1 oder 2 bejaht werden sollte: Muss der außergewöhnliche Umstand beim annullierten Flug selbst vorgelegen haben, oder ist das ausführende Luftfahrtunternehmen berechtigt, aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen einen neuen Flugplan aufzustellen?

4.      Falls Frage 1 oder 2 bejaht werden sollte: Kommt es bei der Vermeidbarkeit auf den außergewöhnlichen Umstand oder aber die Folgen des Eintritts des außergewöhnlichen Umstands an?

B.      Ersuchen des Amtsgerichts Düsseldorf

15.      Im Ausgangsverfahren vor dem Amtsgericht Düsseldorf hat eine einzelne Klägerin gegen TUIfly Klage auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 erhoben. Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Klägerin, EUflight.de, diesen Anspruch aus abgetretenem Recht eines Fluggastes wegen eines annullierten Fluges vom 7. Oktober 2016 geltend macht.

16.      Dem Vorlagebeschluss ist zu entnehmen, dass das Amtsgericht Düsseldorf davon ausgeht, dass die plötzliche hohe Zahl von Krankmeldungen – gleich, ob eine Welle echter Erkrankungen oder ein sogenannter „wilder Streik“ vorgelegen habe – als „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 einzustufen sei. Das vorlegende Gericht hat jedoch Zweifel, ob ein ausreichender Kausalzusammenhang zwischen diesem außergewöhnlichen Umstand und der Annullierung des betreffenden Fluges vorlag, da die Annullierung im Kontext der Umorganisation der gesamten Flugplanung von TUIfly ab dem 2. Oktober 2016 erfolgt sei. Insbesondere komme, da TUIfly nicht vortrage, welche konkrete Besatzung für den fraglichen Flug eingeteilt gewesen sei, eine Entlastung wegen eines außergewöhnlichen Umstands nur in Betracht, wenn der Kausalzusammenhang zwischen ihm und der Annullierung weit verstanden werden könne.

17.      Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht Düsseldorf das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Geht die Annullierung eines Fluges auch dann noch auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 zurück, wenn die Umstände (hier: „wilder Streik“ oder „Erkrankungswelle“) den in Rede stehenden Flug nur mittelbar betreffen, weil diese das Luftfahrtunternehmen dazu veranlasst haben, seine gesamte Flugplanung umzuorganisieren und diese Organisation eine planmäßige Annullierung des konkreten Fluges enthält? Kann sich ein Luftfahrtunternehmen auch dann gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 entlasten, wenn der in Rede stehende Flug ohne die Umorganisation hätte durchgeführt werden können, weil die für diesen Flug eingeteilte Crew zur Verfügung gestanden hätte, wenn sie nicht durch Umorganisation anderen Flügen zugeteilt worden wäre?

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof

18.      Die 24 Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Hannover und das Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Düsseldorf sind gemäß Art. 54 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamem Endurteil verbunden worden(5).

19.      Die Prozessbevollmächtigten der Kläger in neun der verbundenen Rechtssachen(6) sowie von TUIfly, der deutschen Regierung, der polnischen Regierung und der Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht.

20.      Die Prozessbevollmächtigten der Kläger in elf der verbundenen Rechtssachen(7) sowie von TUIfly, der französischen Regierung, der deutschen Regierung und der Kommission haben an der mündlichen Verhandlung teilgenommen, die am 25. Januar 2018 stattgefunden hat.

V.      Analyse

21.      Meine Analyse ist in drei Hauptteile gegliedert. Der erste Teil enthält eine Vorbemerkung zur Erörterung der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen. Im zweiten Teil werde ich auf einige von TUIfly aufgeworfene Vorfragen zur Zulässigkeit eingehen. Der dritte Teil widmet sich dem Inhalt der vier Vorlagefragen, wobei zunächst ein Überblick über die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 gegeben wird, an der sich die anschließende Prüfung orientiert.

A.      Vorbemerkung

22.      Mit seinen vier Fragen möchte das Amtsgericht Hannover im Kern wissen, ob ein „wilder Streik“ unter dem Vorwand von Krankmeldungen, der unmittelbar oder mittelbar zur Annullierung oder großen Verspätung eines Fluges geführt hat, einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 darstellt und damit das Luftfahrtunternehmen von seiner Verpflichtung befreit, in den Ausgangsverfahren Ausgleichszahlungen an die Fluggäste zu leisten.

23.      Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor, dass ein Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet ist, Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 zu leisten, „wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären“.

24.      Folglich ergibt sich aus Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004, dass das Luftfahrtunternehmen drei Hauptmerkmale nachweisen muss, um sich gemäß dieser Bestimmung entlasten zu können, nämlich erstens das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“, zweitens, dass die Annullierung oder große Verspätung des Fluges auf die außergewöhnlichen Umstände „zurückgeht“, und drittens, dass sich die außergewöhnlichen Umstände „auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären“(8).

25.      Die vier Fragen, die das Amtsgericht Hannover vorgelegt hat, beziehen sich auf alle drei Voraussetzungen. Die ersten beiden Fragen betreffen die erste Voraussetzung, ob eine Welle von Krankmeldungen oder ein „wilder Streik“ als „außergewöhnliche Umstände“ einzustufen sind. Die dritte Frage betrifft die zweite Voraussetzung, ob es für die Kausalität ausreicht, dass die außergewöhnlichen Umstände nur eine mittelbare Ursache der Annullierung oder großen Verspätung des Fluges darstellen, zu der es aufgrund der Umstellung der Flugplanung durch TUIfly gekommen ist. Die vierte Frage betrifft die dritte Voraussetzung, ob sich die außergewöhnlichen Umstände selbst oder ihre Folgen hätten „vermeiden“ lassen.

26.      Die Frage, die das Amtsgericht Düsseldorf vorgelegt hat, bezieht sich darauf, ob unter der Annahme, dass eine Welle von Krankmeldungen oder ein „wilder Streik“ als „außergewöhnliche Umstände“ einzustufen sind, die Annullierung des Fluges auch dann auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, wenn diese den betreffenden Flug nur mittelbar betreffen, weil die für ihn vorgesehene Besatzung tatsächlich zur Verfügung stand und er stattgefunden hätte, wenn TUIfly nicht die gesamte Flugplanung umgestellt und die betreffende Besatzung aufgrund dieser außergewöhnlichen Umstände auf anderen Flügen eingesetzt hätte.

27.      Somit ist die vom Amtsgericht Düsseldorf vorgelegte Frage der dritten Vorlagefrage des Amtsgerichts Hannover sehr ähnlich. Ich werde diese beiden Fragen daher in meiner nachfolgenden Analyse zusammen behandeln.

B.      Zulässigkeit der Vorabentscheidungsersuchen

28.      TUIfly trägt vor, die Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Hannover seien teilweise unzulässig. Die erste und die zweite Frage gingen über den Gegenstand der Ausgangsverfahren hinaus, da sie von einem hohen Krankenstand des gesamten Personals des Luftfahrtunternehmens ausgingen, während es in den Ausgangsverfahren um einen hohen Krankenstand nur des fliegenden Personals (Pilot/inn/en und Flugbegleiter/innen) gehe. Zudem beträfen die erste und die zweite Frage, soweit mit ihnen geklärt werden solle, wie hoch die Abwesenheitsquote sein müsse, um einen außergewöhnlichen Umstand zu begründen, eine Tatsachenwürdigung, die Aufgabe des nationalen Gerichts und nicht des Gerichtshofs sei. Überdies weise die dritte Frage keinen Zusammenhang mit dem Gegenstand der Ausgangsverfahren auf, da TUIfly eine neue Flugplanung nicht aus „betriebswirtschaftlichen Erwägungen“ aufgestellt habe; diese Frage sei jedenfalls zu abstrakt.

29.      Des Weiteren stelle ich fest, dass die deutsche Regierung zwar keine Einrede der Unzulässigkeit in Bezug auf die Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Hannover erhoben hat, die Beantwortung seiner ersten Frage aber gleichwohl nicht für entscheidungserheblich für die Ausgangsverfahren hält, da es sich nicht um Massenerkrankungen des fliegenden Personals von TUIfly, sondern um einen „wilden Streik“ gehandelt habe.

30.      Meines Erachtens sind die Fragen, die das Amtsgericht Hannover vorgelegt hat, zulässig.

31.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen eines nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt hat und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(9).

32.      Zudem kann diese Vermutung der Entscheidungserheblichkeit nicht allein dadurch widerlegt werden, dass eine der Parteien des Ausgangsverfahrens bestimmte Tatsachen bestreitet, die den Streitgegenstand bestimmen(10).

33.      Im vorliegenden Fall wird aus dem Vorlagebeschluss sowie dem Kontext der ersten und der zweiten Frage, wie sie vom vorlegenden Gericht formuliert wurden, deutlich, dass sich diese Fragen auf das fliegende Personal von TUIfly beziehen. Es ist unstreitig, dass die Beteiligten im Sinne von Art. 23 der Satzung in der Lage waren, sachdienlich zu diesen Fragen Stellung zu nehmen.

34.      Überdies ist nicht offensichtlich, dass die vorgelegten Fragen in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand der Ausgangsrechtsstreitigkeiten stehen. Der Vorlagebeschluss legt auch nicht nahe, dass die Fragen ein rein hypothetisches Problem betreffen.

35.      Somit liegen keine hinreichenden Gründe vor, um die Vermutung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des Amtsgerichts Hannover zu widerlegen.

C.      Inhalt der Vorlagefragen

1.      Überblick über die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004

36.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen von Bestimmungen, die Fluggästen Rechte gewähren, eng auszulegen(11). In der Rechtsprechung ist jedoch ebenfalls anerkannt, dass der Gesetzgeber mit dem Erlass der Verordnung Nr. 261/2004 auch die jeweiligen Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen zum Ausgleich bringen wollte(12). Ausgehend hiervon hat der Gerichtshof die bei „außergewöhnlichen Umständen“ – einem in der Verordnung Nr. 261/2004 nicht definierten Begriff – vorgesehene Befreiung von Luftfahrtunternehmen von der Pflicht, bei Annullierungen und großen Verspätungen Ausgleichszahlungen zu leisten, wie folgt ausgelegt.

37.      Der Gerichtshof hat Argumente zurückgewiesen, wonach unverhältnismäßige finanzielle Belastungen von Luftfahrtunternehmen bei der Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 stärker gewichtet werden sollten, und hervorgehoben, dass nach der Rechtsprechung die Bedeutung, die dem Ziel des Schutzes der Verbraucher und somit auch der Fluggäste zukommt, negative wirtschaftliche Folgen selbst beträchtlichen Ausmaßes für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen kann(13).

38.      Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass die Ausgleichszahlungen, die je nach der Entfernung der betreffenden Flüge 250 Euro, 400 Euro oder 600 Euro betragen, nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004 noch um 50 % gekürzt werden können, wenn die Verspätung bei einem nicht unter Art. 7 Abs. 2 Buchst. a oder b der Verordnung fallenden Flug unter vier Stunden bleibt(14), und dass die Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 261/2004 unbeschadet des Rechts der Luftfahrtunternehmen zu erfüllen sind, bei anderen Personen, die die Verspätung verursacht haben, einschließlich Dritten Regress zu nehmen, wie es Art. 13 der Verordnung vorsieht. Ein solcher Regress kann daher die finanzielle Belastung der Luftfahrtunternehmen infolge der genannten Verpflichtungen mildern oder sogar beseitigen.

39.      Außerdem hält es der Gerichtshof nicht für unangemessen, dass diese Verpflichtungen, unbeschadet des genannten Regressanspruchs, ohne Weiteres von den Luftfahrtunternehmen getragen werden, die mit den betroffenen Fluggästen durch einen Beförderungsvertrag verbunden sind, der Letzteren einen Anspruch auf einen weder annullierten noch verspäteten Flug verschafft(15).

40.      Die in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 aufgestellte Regel ist im Wege der Auslegung durch den Gerichtshof weiter präzisiert worden. Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass nach dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung solche Umstände insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten können(16). Er hat daraus geschlossen, dass als außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 Vorkommnisse angesehen werden können, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind(17). Vor diesem Hintergrund hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Kollision eines Flugzeugs mit einem Vogel sowie die dadurch möglicherweise verursachte Beschädigung nicht untrennbar mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden und ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind. Dieser Zwischenfall war von dem Luftfahrtunternehmen nicht tatsächlich beherrschbar(18). Im Zusammenhang mit dieser Schlussfolgerung wies der Gerichtshof darauf hin, dass „Luftfahrtunternehmen nicht dazu motiviert werden sollten, die aufgrund eines solchen Zwischenfalls erforderlichen Maßnahmen zu unterlassen, indem sie der Aufrechterhaltung und der Pünktlichkeit ihrer Flüge einen höheren Stellenwert einräumen als deren Sicherheit“(19).

41.      Indessen hat der Gerichtshof entschieden, dass im Rahmen der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens ein Ausfall, der durch das vorzeitige Auftreten von Mängeln an bestimmten Teilen eines Flugzeugs hervorgerufen wurde, ein unerwartetes Vorkommnis darstellt, dass ein solcher Ausfall aber untrennbar mit dem sehr komplexen System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden bleibt, so dass dieses unerwartete Vorkommnis Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens ist, da sich Luftfahrtunternehmen regelmäßig derartigen unvorhergesehenen technischen Problemen gegenübersehen. Außerdem ist die Verhinderung eines solchen Ausfalls für das Luftfahrtunternehmen tatsächlich beherrschbar(20).

42.      Schließlich hat der Gerichtshof ausgeführt, dass ein „versteckter Fabrikationsfehler, der die Flugsicherheit beeinträchtigt“, auf Vorkommnisse zurückzuführen sein kann, die nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind und daher von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind(21), und dass das Gleiche für Schäden an Flugzeugen durch Sabotageakte oder terroristische Handlungen gilt(22). Auch in der Schließung des europäischen Luftraums nach dem Ausbruch eines Vulkans sieht der Gerichtshof einen „außergewöhnlichen Umstand“(23).

43.      Darüber hinaus hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass nach dem Willen des Unionsgesetzgebers nicht alle außergewöhnlichen Umstände von der Verpflichtung, den Fluggästen im Fall der Annullierung eines Fluges Ausgleich zu leisten, befreien sollen, sondern nur diejenigen, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären(24).

44.      Da nicht alle außergewöhnlichen Umstände zu einer Befreiung führen, obliegt es demjenigen, der sich – wie im vorliegenden Fall TUIfly – auf solche Umstände berufen möchte, zudem den Nachweis zu führen, dass sie sich jedenfalls nicht durch der Situation angepasste Maßnahmen hätten vermeiden lassen, d. h. durch Maßnahmen, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die außergewöhnlichen Umstände eintreten, für das betreffende Luftfahrtunternehmen u. a. in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar sind.

45.      Das Luftfahrtunternehmen hat nämlich nachzuweisen, dass es ihm auch unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht möglich gewesen wäre, ohne angesichts seiner Kapazitäten zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer zu vermeiden, dass die außergewöhnlichen Umstände, mit denen es konfrontiert war, zur Annullierung des Fluges führen(25).

46.      In diesem Zusammenhang geht der Gerichtshof von einer flexiblen, vom Einzelfall abhängigen Bedeutung des Begriffs „zumutbare Maßnahme“ aus, und es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob im konkreten Fall angenommen werden kann, dass das Luftfahrtunternehmen die der Situation angemessenen Maßnahmen getroffen hat(26).

47.      Der Gerichtshof hat entschieden, dass ein Luftfahrtunternehmen die mit dem etwaigen Eintritt außergewöhnlicher Umstände verbundene Möglichkeit von Verspätungen bei der Flugplanung angemessen berücksichtigen muss(27). Um zu vermeiden, dass jede auf dem Eintritt außergewöhnlicher Umstände beruhende Verspätung, sei sie auch geringfügig, zwangsläufig zur Annullierung des Fluges führt, muss ein vernünftig handelndes Luftfahrtunternehmen seine Mittel rechtzeitig planen, um über eine gewisse Zeitreserve zu verfügen und den Flug möglichst bald nach dem Wegfall der außergewöhnlichen Umstände durchführen zu können(28).

48.      Angesichts dessen hat der Gerichtshof in einem Fall, in dem Fluggäste nicht befördert wurden, festgestellt, dass sich die „außergewöhnlichen Umstände“ nach dem 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 nur auf „ein einzelnes Flugzeug an einem bestimmten Tag“ beziehen dürfen, was ausgeschlossen ist, wenn ein Fluggast nicht befördert wird, weil Flüge infolge derartiger Umstände, die einen vorhergehenden Flug betrafen, umorganisiert werden. Der Begriff „außergewöhnliche Umstände“ dient nämlich dazu, die Verpflichtungen eines Luftfahrtunternehmens zu begrenzen oder es sogar von ihnen zu befreien, falls sich das betreffende Vorkommnis auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Wenn ein Luftfahrtunternehmen einen für den Tag, an dem das Personal eines Flughafens streikt, vorgesehenen Flug annullieren muss und dann die Entscheidung trifft, seine nachfolgenden Flüge umzuorganisieren, kann aber keineswegs davon ausgegangen werden, dass das Luftfahrtunternehmen durch diesen Streik gezwungen war, einen Fluggast, der sich zwei Tage nach der Annullierung des betreffenden Fluges ordnungsgemäß am Flugsteig eingefunden hat, nicht zu befördern(29).

49.      Vor diesem Hintergrund ist der Gerichtshof um die Klärung der Frage ersucht worden, ob ein „wilder Streik“ als „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 einzustufen ist und – falls dies bejaht wird – welche Folgen sich daraus ergeben.

2.      Vorschlag zur Beantwortung der ersten Frage

50.      Isoliert betrachtet ist die Antwort auf die erste Frage klar. Einerseits gehören auf der Grundlage der oben zusammengefassten Rechtsprechung Vorkehrungen zur Bewältigung krankheitsbedingter Abwesenheiten für ein Unternehmen, das seine Geschäftstätigkeit in einer durchschnittlich gesunden Gemeinschaft ausübt, zu den Angelegenheiten, die Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens und von diesem tatsächlich zu beherrschen sind. Andererseits ist eine massenhafte Abwesenheit wegen einer Pandemie oder eines anderen öffentlichen Gesundheitsnotstands nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens und von diesem tatsächlich nicht zu beherrschen. Im erstgenannten Fall liegen keine „außergewöhnlichen Umstände“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 vor, im letztgenannten dagegen schon.

51.      Sowohl aus den Akten als auch aus dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung wird jedoch deutlich, dass dies nicht der Sachlage der Ausgangsverfahren entspricht. Vielmehr handelte es sich um eine massenhafte Abwesenheit unter dem Vorwand von Krankmeldungen im Rahmen eines „wilden Streiks“. Auch wenn die erste Frage bei isolierter Betrachtung grundsätzlich zu bejahen ist, reicht dies daher nicht aus, um die Ausgangsrechtsstreitigkeiten zu entscheiden, denen faktisch ein „wilder Streik“ und nicht eine Pandemie oder ein anderer öffentlicher Gesundheitsnotstand zugrunde liegt. Darin besteht zumindest der Kern der vom vorlegenden Gericht erbetenen Auskunft(30).

52.      Ich schlage daher vor, die erste Frage wie folgt zu beantworten:

Nur wenn ein für die Durchführung von Flügen erheblicher Teil des Personals des ausführenden Luftfahrtunternehmens aufgrund echter krankheitsbedingter Abwesenheit, die auf eine Pandemie oder einen anderen öffentlichen Gesundheitsnotstand zurückzuführen ist, fehlt, stellt dies einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dar. Die genaue Abwesenheitsquote, bei der in solchen Fällen von „außergewöhnlichen Umständen“ ausgegangen werden kann, ist vom vorlegenden Gericht unter angemessener Berücksichtigung sämtlicher relevanter Tatsachen festzulegen.

3.      Vorschlag zur Beantwortung der zweiten Frage

53.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein „wilder Streik“ einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 darstellt. Falls dies bejaht wird, fragt das vorlegende Gericht, wie hoch die Abwesenheitsquote sein muss, um einen solchen Umstand anzunehmen.

54.      Wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung hervorgehoben hat, sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden(31). Der verfügende Teil eines Unionsrechtsakts ist insoweit untrennbar mit seiner Begründung verbunden und erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen, die zu seinem Erlass geführt haben(32).

55.      Einerseits ist im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 von dem Erfordernis die Rede, ein „hohes Schutzniveau“ für Fluggäste sicherzustellen, während in ihrem zweiten Erwägungsgrund darauf hingewiesen wird, dass die Nichtbeförderung und die Annullierung von Flügen für die Fluggäste ein Ärgernis sind und ihnen große Unannehmlichkeiten verursachen.

56.      Andererseits heißt es im 14. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004, dass die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen wie nach dem Übereinkommen von Montreal in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein sollten, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.

57.      Somit deuten die Ziele der Verordnung Nr. 261/2004 darauf hin, dass „Streiks“ zu den „außergewöhnlichen Umständen“ gehören. Dies wird – zumindest, soweit es um Abwesenheiten in großem Umfang geht, die die operationelle Kapazität beeinträchtigen – durch die oben dargelegte Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung des Begriffs „außergewöhnliche Umstände“ insbesondere hinsichtlich „wilder Streiks“ untermauert. Da ein „wilder Streik“ außerhalb des gesetzlichen Rahmens stattfindet, ist er von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen(33). Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004. In ihrem Verlauf wurde der Begriff „höhere Gewalt“ in „außergewöhnliche Umstände“ abgeändert. Nach der Begründung des Rates zum Gemeinsamen Standpunkt erfolgte diese Änderung aus Gründen der rechtlichen Klarheit(34).

58.      Überdies sind „wilde Streiks“ in einer Union des Rechts nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens. Sie sind nicht mit Vorgängen gleichzusetzen, die untrennbar mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden und somit Teil der normalen Ausübung einer Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens sind. Auch die Information der Mitarbeiter über eine potenzielle Umstrukturierung bewirkte meines Erachtens nicht, dass der wilde Streik von TUIfly zu beherrschen war, da ein wilder Streik nicht die unausweichliche Folge dieser Handlung war(35).

59.      Um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben, die alle relevanten Gesichtspunkte des Unionsrechts berücksichtigt, ist vor diesem Hintergrund erneut (siehe oben, Nrn. 43 bis 48) darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das bloße Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“ nicht ausreicht, um ein Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zu befreien, eine Ausgleichszahlung wegen Annullierung und großer Verspätung von Flügen zu leisten, die es andernfalls gemäß der Verordnung Nr. 261/2004 zu zahlen hätte. Die in ihrem Art. 5 Abs. 3 enthaltene Befreiung gilt nur für außergewöhnliche Umstände, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Wie oben in den Nrn. 43 bis 48 erläutert, trägt TUIfly die Beweislast dafür, dass sie nicht zu verhindern vermochte, dass es durch den außergewöhnlichen Umstand, dem sie sich gegenübersah, zur Annullierung des Fluges kam(36).

60.      Das vorlegende Gericht hat zudem auf der Grundlage sämtlicher relevanter Tatsachen zu bestimmen, wie hoch die Abwesenheitsquote bei einem „wilden Streik“ sein muss, damit er einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne der Verordnung Nr. 261/2004 darstellen kann.

61.      Ich schlage daher vor, die zweite Frage wie folgt zu beantworten:

Die spontane Abwesenheit eines für die Durchführung von Flügen erheblichen Teils des Personals des ausführenden Luftfahrtunternehmens aufgrund einer arbeits- und tarifrechtlich nicht legitimierten Arbeitsniederlegung („wilder Streik“) stellt einen „außergewöhnlichen Umstand“ gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dar. Die in Art. 5 Abs. 3 enthaltene Befreiung gilt jedoch nur für außergewöhnliche Umstände, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn das betreffende Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte. Darüber sowie über die Frage, wie hoch die Abwesenheitsquote sein muss, damit im Kontext eines wilden Streiks von einem außergewöhnlichen Umstand auszugehen ist, hat das vorlegende Gericht zu entscheiden.

4.      Vorschlag zur Beantwortung der dritten Frage

62.      Die dritte Frage des Amtsgerichts Hannover und die Frage des Amtsgerichts Düsseldorf betreffen im Kern die Reichweite des Kausalzusammenhangs zwischen den außergewöhnlichen Umständen und der Flugannullierung und gehen insbesondere dahin, ob dieser Kausalzusammenhang durch die Entscheidung von TUIfly, die gesamte Flugplanung umzuorganisieren, unterbrochen wurde.

63.      Gemäß dem 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 sollte vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern(37).

64.      Meines Erachtens sind für die Beantwortung der dritten Frage die Erwägungen des Gerichtshofs in der Rechtssache Finnair(38) (siehe oben, Nr. 48) maßgebend, d. h., wenn ein Luftfahrtunternehmen einen für den Tag eines Streiks des Personals eines Flughafens vorgesehenen Flug annullieren muss und dann die Entscheidung trifft, seine nachfolgenden Flüge umzuorganisieren, kann keineswegs davon ausgegangen werden, dass das Luftfahrtunternehmen durch diesen Streik gezwungen war, einen Fluggast, der sich zwei Tage nach der Annullierung des betreffenden Fluges ordnungsgemäß am Flugsteig eingefunden hat, nicht zu befördern. Mit anderen Worten müssen die außergewöhnlichen Umstände zum Zeitpunkt der Annullierung des Fluges eingetreten sein und erstrecken sich nicht auf neue Flugpläne, die angesichts der außergewöhnlichen Umstände aufgestellt werden. Dies steht im Einklang mit der Verpflichtung von Luftfahrtunternehmen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach ein vernünftig handelndes Luftfahrtunternehmen seine Mittel rechtzeitig planen muss, um über eine gewisse Zeitreserve zu verfügen und den Flug möglichst bald nach dem Wegfall der außergewöhnlichen Umstände durchführen zu können (siehe oben, Nr. 47)(39).

65.      Daher schlage ich vor, die dritte Frage wie folgt zu beantworten:

Der außergewöhnliche Umstand muss zum Zeitpunkt der Annullierung oder Verspätung des Fluges vorgelegen haben.

5.      Vorschlag zur Beantwortung der vierten Frage

66.      Falls die zweite oder die dritte Frage bejaht wird, möchte das vorlegende Gericht mit seiner vierten Frage wissen, ob es bei der Vermeidbarkeit im Zusammenhang mit dem Nachweis, dass sich die außergewöhnlichen Umstände „auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären“, auf den außergewöhnlichen Umstand oder auf die Folgen seines Eintritts ankommt.

67.      Der Wortlaut(40) des Nebensatzes „even if all reasonable measures had been taken“ („wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären“) in der englischen Sprachfassung von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 könnte als Bezugnahme auf „the cancellation“ („die Annullierung“) und nicht auf „extraordinary circumstances“ („außergewöhnliche Umstände“) verstanden werden, auch wenn das Relativpronomen „which“ insoweit als mehrdeutig aufgefasst werden könnte. In dem oben in Nr. 45 kursiv hervorgehobenen Satz hat der Gerichtshof jedoch bereits entschieden, dass es darauf ankommt, zu vermeiden, dass die außergewöhnlichen Umstände, mit denen das Luftfahrtunternehmen konfrontiert war, „zur Annullierung des Fluges führen“.

68.      Somit beziehen sich die „zumutbaren Maßnahmen“ auf die Folgen der außergewöhnlichen Umstände und nicht auf ihren Eintritt. Ein Luftfahrtunternehmen könnte z. B. nicht verpflichtet werden, Schritte zur Vermeidung eines Vulkanausbruchs zu unternehmen, ist aber verpflichtet, zumutbare Maßnahmen zu treffen, um die Annullierung eines Fluges zu vermeiden, wenn es mit einem solchen Ereignis konfrontiert ist. Zu solchen Maßnahmen könnte z. B. die Umleitung betroffener Flüge gehören.

69.      Diese Auslegung steht zudem im Einklang mit dem 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004, der auf die „Folge“ außergewöhnlicher Umstände für Luftfahrtunternehmen abstellt und in dem davon die Rede ist, dass die „zumutbaren Maßnahmen“ ergriffen werden, „um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern“. Sie entspricht auch dem im ersten Erwägungsgrund der Verordnung niedergelegten Ziel, ein „hohes Schutzniveau“ für Fluggäste sicherzustellen, und dem umfassenderen Kontext der Verordnung(41).

70.      Daher schlage ich vor, die vierte Frage wie folgt zu beantworten:

Für die Vermeidbarkeit kommt es nur auf die Folgen des Eintritts des außergewöhnlichen Umstands an.

VI.    Ergebnis

71.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die Vorlagefragen des Amtsgerichts Hannover (Deutschland) und des Amtsgerichts Düsseldorf (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

1.      Nur wenn ein für die Durchführung von Flügen erheblicher Teil des Personals des ausführenden Luftfahrtunternehmens aufgrund echter krankheitsbedingter Abwesenheit, die auf eine Pandemie oder einen anderen öffentlichen Gesundheitsnotstand zurückzuführen ist, fehlt, stellt dies einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und Annullierung oder bei großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 dar. Die genaue Abwesenheitsquote, bei der in solchen Fällen von „außergewöhnlichen Umständen“ ausgegangen werden kann, ist vom vorlegenden Gericht unter angemessener Berücksichtigung sämtlicher relevanter Tatsachen festzulegen.

2.      Die spontane Abwesenheit eines für die Durchführung von Flügen erheblichen Teils des Personals des ausführenden Luftfahrtunternehmens aufgrund einer arbeits- und tarifrechtlich nicht legitimierten Arbeitsniederlegung („wilder Streik“) stellt einen „außergewöhnlichen Umstand“ gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dar. Die in Art. 5 Abs. 3 enthaltene Befreiung gilt jedoch nur für außergewöhnliche Umstände, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn das betreffende Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte. Darüber sowie über die Frage, wie hoch die Abwesenheitsquote sein muss, damit im Kontext eines wilden Streiks von einem außergewöhnlichen Umstand auszugehen ist, hat das vorlegende Gericht zu entscheiden.

3.      Der außergewöhnliche Umstand muss zum Zeitpunkt der Annullierung oder Verspätung des Fluges vorgelegen haben.

4.      Für die Vermeidbarkeit kommt es nur auf die Folgen des Eintritts des außergewöhnlichen Umstands an.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Unter http://dictionnaire-juridique.jurimodel.com/Gr%E8ve.htmlwird „grève sauvage“ definiert als „grève déclenchée en dehors d’un mot d’ordre d’un syndicat“. Unter https://dictionary.cambridge.org/us/dictionary/english/wildcat-strikedefiniert das Cambridge Dictionary „wildcat strike“ als „a sudden strike (= act of refusing to work as a protest) without warning by the workers and often without the official support of the unions“. Zu einer Erörterung wilder Streiks im Unionsrecht vgl. z. B. Alan Bogg, „Viking and Laval: The International Labour Law Perspective“, in Mark R. Freeland und Jeremias Prassl, Viking, Laval and Beyond (2014, Hart Publishing), S. 41-74.


3      Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und Annullierung oder bei großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 261/2004).


4      Zur Höhe der aufgrund der Annullierung oder Verspätung eines Fluges zu leistenden Ausgleichszahlungen siehe unten, Nr. 38.


5      Ursprünglich waren vom Amtsgericht Hannover 28 Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt worden; die drei Vorabentscheidungsersuchen in den Rechtssachen C‑196/17, C‑276/17 und C‑277/17 sind jedoch zurückgenommen worden, so dass 25 Rechtssachen verblieben sind. Zudem ist das Verfahren bezüglich 19 Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Hannover in den Rechtssachen C‑307/17, C‑311/17, C‑316/17, C‑317/17, C‑352/17 bis C‑362/17, C‑394/17, C‑403/17, C‑409/17 und C‑429/17 – von denen eines (C‑352/17) zurückgenommen worden ist – gemäß Art. 55 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs bis zur Verkündung des Urteils in den vorliegenden Rechtssachen ausgesetzt worden.


6      Rechtssachen C‑197/17, C‑198/17, C‑201/17, C‑203/17, C‑254/17, C‑275/17, C‑280/17, C‑284/17 und C‑292/17.


7      Rechtssachen C‑197/17, C‑198/17, C‑201/17, C‑203/17, C‑226/17, C‑228/17, C‑254/17, C‑275/17, C‑282/17, C‑283/17 und C‑292/17. Die Prozessbevollmächtigten der Kläger, die schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht hatten, haben – abgesehen von denen in den Rechtssachen C‑280/17 und C‑284/17 – auch an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Die Prozessbevollmächtigten der Kläger in den Rechtssachen C‑226/17, C‑228/17, C‑282/17 und C‑283/17 haben nur mündlich vor dem Gerichtshof vorgetragen.


8      Vgl. z. B. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kramme (C‑396/06, EU:C:2007:555, Nr. 31).


9      Vgl. z. B. Urteil vom 14. Dezember 2017, Avon Cosmetics (C‑305/16, EU:C:2017:970, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).


10      Vgl. z. B. Urteil vom 22. September 2016, Breitsamer und Ulrich (C‑113/15, EU:C:2016:718, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


11      Urteil vom 4. Oktober 2012, Finnair (C‑22/11, EU:C:2012:604, Rn. 38). Vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Sturgeon u. a. (C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:416, Nr. 48), wo die Generalanwältin darauf hinweist, dass der Gerichtshof im Urteil vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA (C‑344/04, EU:C:2006:10, Rn. 48), den Schutz der Fluggäste klar als das „unmittelbar angestrebte Ziel“ der Verordnung Nr. 261/2004 identifiziert hat.


12      Urteil vom 23. Oktober 2012, Nelson (C‑581/10 und C‑629/10, EU:C:2012:657, Rn. 39).


13      Ebd., Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung.


14      Ebd., Rn. 78.


15      Ebd., Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung.


16      Urteil vom 4. Mai 2017, Pešková und Peška (C‑315/15, EU:C:2017:342, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).


17      Ebd., Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung.


18      Ebd., Rn. 24.


19      Ebd., Rn. 25.


20      Urteil vom 17. September 2015, van der Lans (C‑257/14, EU:C:2015:618, Rn. 41 bis 43).


21      Hervorhebung nur hier.


22      Urteil vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann (C‑549/07, EU:C:2008:771, Rn. 26).


23      Urteil vom 31. Januar 2013, McDonagh (C‑12/11. EU:C:2013:43, Rn. 34).


24      Hervorhebung nur hier.


25      Urteil vom 22. Dezember 2008 (Wallentin-Hermann, C‑549/07, EU:C:2008:771, Rn. 39 bis 41). Hervorhebung nur hier. Vgl. auch Urteil vom 4. Mai 2017, Pešková und Peška (C‑315/15, EU:C:2017:342, Rn. 28 und 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


26      Urteil vom 4. Mai 2017, Pešková und Peška (C‑315/15, EU:C:2017:342, Rn. 30).


27      Urteil vom 12. Mai 2011, Eglītis und Ratnieks (C‑294/10, EU:C:2011:303, Rn. 27).


28      Ebd., Rn. 28.


29      Urteil vom 4. Oktober 2012, Finnair (C‑22/11, EU:C:2012:604, Rn. 37).


30      Siehe oben, Nrn. 28 bis 35.


31      Vgl. z. B. Urteil vom 19. November 2009, Sturgeon u. a. (C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).


32      Ebd., Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung.


33      Im Vorschlag der Kommission für die Verordnung Nr. 261/2004 ist von Umständen die Rede, die nicht vom Luftfahrtunternehmen „zu vertreten“ sind. Vgl. z. B. KOM(2001) 784 endg., S. 6, Nr. 20.


34      Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kramme (C‑396/06, EU:C:2007:555, Nr. 50), wo auf den Gemeinsamen Standpunkt Bezug genommen wird, und Mitteilung an das Parlament vom 25. März 2003 (SEK[2003] 361 endg.), in der die Kommission darauf hinwies, dass durch die Voraussetzungen für die Ausgleichsleistungen gemäß dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 27/2003 vom 18. März 2003 (ABl. 2003, C 125 E, S. 63) „die Ausgleichszahlung enger an die durch Annullierungen verursachten Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten geknüpft [würde]“.


35      Ferner weise ich darauf hin, dass die Einstufung eines wilden Streiks als außergewöhnlicher Umstand mit einem Vorschlag der Kommission für eine Änderung der Verordnung Nr. 261/2004 aus jüngerer Zeit im Einklang steht, der eine nicht erschöpfende Liste außergewöhnlicher Umstände im Sinne der Verordnung enthält. Dieser Vorschlag umfasst „Arbeitsstreitigkeiten beim ausführenden Luftfahrtunternehmen oder den Erbringern grundlegender Dienstleistungen wie Flughäfen und Flugsicherungsorganisationen“. Vgl. Nr. 1 Ziff. vii des Anhangs 1 von KOM(2013) 130 endg., S. 32. Vgl. auch Nr. 1 Ziff. vii. des Anhangs I der Legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. Februar 2014, P7_TA(2014) 0092: „unvorhergesehene Arbeitsstreitigkeiten beim ausführenden Luftfahrtunternehmen oder den Erbringern grundlegender Dienstleistungen wie Flughäfen und Flugsicherungsorganisationen“ (Hervorhebung im Original).


36      Insoweit finden – vorbehaltlich des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes – die innerstaatlichen Beweisregeln Anwendung. Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kramme (C‑396/06, EU:C:2007:555, Nrn. 63 bis 72).


37      Hervorhebung nur hier.


38      Urteil vom 4. Oktober 2012, Finnair (C‑22/11, EU:C:2012:604).


39      Vgl. hierzu näher Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Finnair (C‑22/11, EU:C:2012:223, Nrn. 53, 54 und 61).


40      Zu den auf Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 anwendbaren Auslegungsmethoden siehe oben, Nr. 54.


41      Zur gegenteiligen Ansicht, die in einem Kontext, in dem die fraglichen „außergewöhnlichen Umstände“ technisches Versagen betrafen, und vor der nachfolgenden, hier angeführten Rechtsprechung vertreten wurde, vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kramme (C‑396/06, EU:C:2007:555, Nrn. 24 bis 32).