URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)
25. November 1998 (1)
„Schadensersatzklage Außervertragliche Haftung Milch Zusatzabgabe
Referenzmenge Erzeuger, die Nichtvermarktungs- oder
Umstellungsverpflichtungen eingegangen sind Entschädigung Verordnung
(EWG) Nr. 2187/93 Verjährung“
In der Rechtssache T-222/97
Alfons Steffens, wohnhaft in Aschendorf (Deutschland), vertreten durch die
Rechtsanwälte Walter Remmers, Willy Meyer und Angelika Kleymann, Papenburg,
Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Turk und Prum, 13a, avenue
Guillaume, Luxemburg,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch Jan-Peter Hix, Juristischer Dienst,
als Bevollmächtigten im Beistand der Rechtsanwälte Hans-Jürgen Rabe und Marco
Núñez Müller, Hamburg und Brüssel, Zustellungsbevollmächtigter: Alessandro
Morbilli, Generaldirektor der Direktion für Rechtsfragen der Europäischen
Investitionsbank, 100, boulevard Konrad Adenauer, Luxemburg,
und
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch
Hauptrechtsberater Dierk Booß als Bevollmächtigten im Beistand der
Rechtsanwälte Hans-Jürgen Rabe und Marco Núñez Müller, Hamburg und Brüssel,
Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre
Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Ersatz des Schadens, der dem Kläger angeblich dadurch entstanden ist, daß
er aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über
Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung
(EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) in der
durch die Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984
(ABl. L 132, S. 11) ergänzten Fassung an der Vermarktung von Milch gehindert
war,
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie der Richter R. M. Moura
Ramos und P. Mengozzi,
Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24.
Juni 1998,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
- 1.
- Angesichts eines Überschusses bei der Milcherzeugung in der Gemeinschaft erließ
der Rat 1977 die Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 vom 17. Mai 1977 zur
Einführung einer Prämienregelung für die Nichtvermarktung von Milch und
Milcherzeugnissen und die Umstellung der Milchkuhbestände (ABl. L 131, S. 1).
In dieser Verordnung wurde den Erzeugern als Gegenleistung für die Übernahme
einer für einen Zeitraum von fünf Jahren geltenden Verpflichtung zur
Nichtvermarktung oder Umstellung der Bestände eine Prämie angeboten.
- 2.
- Um der anhaltenden Überproduktion entgegenzuwirken, erließ der Rat 1984 die
Verordnung (EWG) Nr. 856/84 vom 31. März 1984 (ABl. L 90, S. 10) zur
Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über
die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 148,
S. 13). Durch den neuen Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 wurde eine
„Zusatzabgabe“ auf die von den Erzeugern gelieferten Milchmengen eingeführt,
die über eine „Referenzmenge“ hinausgehen.
- 3.
- In der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über
Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung Nr.
804/68 (ABl. L 90, S. 13) wurde für jeden Erzeuger auf der Grundlage der in einem
Referenzjahr gelieferten Erzeugung die Referenzmenge festgesetzt.
- 4.
- Mit Urteilen vom 28. April 1988 in den Rechtssachen 120/86 (Mulder, Slg. 1988,
2321; im folgenden: Urteil Mulder I) und 170/86 (Von Deetzen, Slg. 1988, 2355)
erklärte der Gerichtshof die Verordnung Nr. 857/84 in der durch die Verordnung
(EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 mit den
Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung
Nr. 804/68 (ABl. L 132, S. 11) ergänzten Fassung wegen Verletzung des
Grundsatzes des Vertrauensschutzes für ungültig.
- 5.
- Um den genannten Urteilen nachzukommen, erließ der Rat die Verordnung
(EWG) Nr. 764/89 vom 20. März 1989 zur Änderung der Verordnung Nr. 857/84
(ABl. L 84, S. 2). Nach dieser neuen Verordnung erhielten die Erzeuger, die
Nichtvermarktungs- oder Umstellungsverpflichtungen eingegangen waren, eine
(auch „Quote“ genannte) „spezifische“ Referenzmenge.
- 6.
- Die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge war von mehreren
Voraussetzungen abhängig. Außerdem war die Referenzmenge auf die Milch- oder
Milchäquivalenzmenge beschränkt, die der Erzeuger in den zwölf vor dem Monat
der Stellung des Antrags auf die Nichtvermarktungs- oder Umstellungsprämie
liegenden Monaten verkauft hatte.
- 7.
- Einige der Voraussetzungen für die Zuteilung und die Beschränkung der
spezifischen Referenzmenge auf 60 % wurden vom Gerichtshof mit Urteilen vom
11. Dezember 1990 in den Rechtssachen C-189/89 (Spagl, Slg. 1990, I-4539) und
C-217/89 (Pastätter, Slg. 1990, I-4585) für ungültig erklärt.
- 8.
- Im Anschluß an diese Urteile erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 1639/91
vom 13. Juni 1991 zur Änderung der Verordnung Nr. 857/84 (ABl. L 150, S. 35),
mit der den betroffenen Erzeugern eine spezifische Referenzmenge zugeteilt
wurde.
- 9.
- Einer der Erzeuger, die die Klage eingereicht hatten, die mit dem Urteil Mulder I
zur Feststellung der Ungültigkeit der Verordnung Nr. 857/84 führte, hatte
inzwischen zusammen mit anderen Erzeugern gegen den Rat und die Kommission
eine Klage auf Ersatz des durch die Nichtzuteilung einer Referenzmenge aufgrund
dieser Verordnung entstandenen Schadens erhoben.
- 10.
- Mit Urteil vom 19. Mai 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-104/89 und
C-37/90 (Mulder u. a./Rat und Kommission, Slg. 1992, I-3061; im folgenden: Urteil
Mulder II) entschied der Gerichtshof, daß die Gemeinschaft für diese Schäden
hafte.
- 11.
- Im Anschluß an dieses Urteil veröffentlichten der Rat und die Kommission am 5.
August 1992 die Mitteilung 92/C 198/04 (ABl. C 198, S. 4). Unter Hinweis auf die
Auswirkungen des Urteils Mulder II, und um dessen volle Wirksamkeit zu
gewährleisten, brachten die Organe ihren Willen zum Ausdruck, die praktischen
Modalitäten für die Entschädigung der betroffenen Erzeuger zu erlassen. Sie
verpflichteten sich, bis zum Erlaß dieser Modalitäten gegenüber allen
entschädigungsberechtigten Erzeugern von der Geltendmachung der Verjährung
gemäß Artikel 43 der EWG-Satzung des Gerichtshofes (im folgenden: Satzung)
abzusehen, soweit der Entschädigungsanspruch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
der Mitteilung oder zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Erzeuger an eines der
Organe wandte, noch nicht verjährt war.
- 12.
- Später erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 2187/93 vom 22. Juli 1993 über
das Angebot einer Entschädigung an bestimmte Erzeuger von Milch oder
Milcherzeugnissen, die vorübergehend an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert
waren (ABl. L 196, S. 6). Mit dieser Verordnung wird den Erzeugern, denen unter
bestimmten Voraussetzungen aufgrund der Anwendung der im Urteil Mulder II
genannten Regelung ein Schaden entstanden ist, eine pauschale Entschädigung
angeboten.
Sachverhalt
- 13.
- Der Kläger ist Milcherzeuger in Deutschland. Da er im Rahmen der Verordnung
Nr. 1078/77 eine Verpflichtung übernommen hatte, die am 12. Oktober 1983
endete, erzeugte er während des aufgrund der Verordnung Nr. 857/84 gewählten
Referenzjahres keine Milch. Infolgedessen konnte er keine Referenzmenge erhalten
und daher nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 857/84 auch keine von der
Zusatzabgabe freie Milchmenge vermarkten.
- 14.
- Nach dem Erlaß der Verordnung Nr. 1639/91 erhielt der Kläger eine
Referenzmenge. Somit konnte er die Milcherzeugung am 15. Juni 1991
wiederaufnehmen.
- 15.
- Mit Schreiben vom 14. Januar 1993 begehrte er von der Kommission
Schadensersatz. In ihrer Antwort vom 10. Februar 1993 schlug die Kommission
dem Kläger vor, die durch die Mitteilung vom 5. August 1992 angekündigte
Entschädigungsverordnung abzuwarten. Sie wies darauf hin, daß die
Gemeinschaftsorgane sich verpflichtet hatten, bis zum Ablauf der in dieser
Verordnung vorzusehenden Frist von der Geltendmachung der Verjährung
abzusehen.
- 16.
- Mit Schreiben vom 30. September 1993 forderte der Kläger die zuständigen
nationalen Behörden auf, ihm ein Entschädigungsangebot gemäß der Verordnung
Nr. 2187/93 zu unterbreiten. Mit Schreiben der zuständigen nationalen Behörden
vom 25. Januar 1994 erhielt er im Namen und für Rechnung des Rates und der
Kommission ein Angebot über 10 061,54 DM. Er nahm dieses Angebot nicht
innerhalb der Zweimonatsfrist nach Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr.
2187/93 an.
- 17.
- Mit am 7. Juni 1994 eingegangenem Schreiben teilte der Kläger der Kommission
mit, daß er das Angebot nicht annehmen könne, da er mit der Berechnung der
vorgeschlagenen Entschädigung nicht einverstanden sei. In ihrer Antwort vom 5.
August 1994 gewährte die Kommission unter Hinweis darauf, daß das Angebot nur
ohne Bedingungen angenommen werden könne und daß im Falle der Ablehnung
der Klageweg zum Gericht eröffnet sei, für eine mögliche Annahme eine weitere
Frist von zehn Tagen. Der Kläger beantwortete dieses Schreiben nicht.
Verfahren und Anträge der Parteien
- 18.
- Mit Klageschrift, die am 30. Juli 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,
hat der Kläger die vorliegende Klage eingereicht.
- 19.
- Er beantragt, die Beklagten zu verurteilen, Schadensersatz in Höhe von 69 503,40
DM zuzüglich 8 % Zinsen pro Jahr seit dem 1. Oktober 1993 an ihn zu zahlen.
- 20.
- Der Rat und die Kommission als Beklagte beantragen,
die Klage als unbegründet abzuweisen;
dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Begründetheit
- 21.
- Der Kläger trägt zur Begründung seines Antrags vor, daß er zu den Milcherzeugern
gehöre, die vorübergehend an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert gewesen
seien, da er zwischen 1984 und 1992 keine Milch habe liefern können.
Dementsprechend sei ihm ein Schaden entstanden, auf dessen vollständigen Ersatz
er Anspruch habe. Er trägt vor, daß die in der Verordnung Nr. 2187/93 enthaltene
Verjährungsregelung rechtswidrig sei, so daß er entgegen dieser Regelung Anspruch
auf Ersatz des in den Jahren 1984 bis 1987 entstandenen Schadens habe.
- 22.
- Gestützt auf Einkünfte in Höhe von 0,60 DM je kg Milch beziffert er seinen
Schaden auf 69 503,40 DM.
- 23.
- In der Sitzung hat der Kläger auf das Vorbringen der Beklagten zur Verjährung
erwidert, daß die Verjährungsfrist gemäß der Verordnung Nr. 2187/93 spätestens
mit der Mitteilung vom 5. August 1992 für alle Erzeuger unterbrochen gewesen sei.
Diese Unterbrechung habe nach den Grundsätzen, die der Mehrzahl der
Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam seien und auf die Artikel 215
Absatz 2 EG-Vertrag verweise, zur Folge gehabt, daß ab diesem Zeitpunkt eine
neue Verjährungsfrist zu laufen begonnen habe.
- 24.
- Daß der Kläger das ihm gemäß der Verordnung Nr. 2187/93 unterbreitete
Entschädigungsangebot abgelehnt habe, habe nicht verhindert, daß ihm diese neue
Verjährungsfrist zugute komme. Die Ablehnung habe nur bewirkt, daß die
Beklagten ab diesem Zeitpunkt nicht mehr an das Angebot gebunden gewesen
seien.
- 25.
- Die Beklagten wenden sich mit drei Gründen gegen den Anspruch des Klägers:
Dieser habe während eines Teils der Zeit, für die er Schadensersatz beantrage,
Milch erzeugen können; die geltend gemachten Ansprüche seien ganz oder
teilweise verjährt; die beantragte Summe sei überhöht.
- 26.
- Die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für einen durch ihre Organe
verursachten Schaden setzt nach Artikel 215 Absatz 2 EG-Vertrag voraus, daß ein
Tatbestand erfüllt ist, dessen Merkmale die Rechtswidrigkeit des dem
Gemeinschaftsorgan zur Last gelegten Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens
und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und
dem geltend gemachten Schaden sind (Urteile des Gerichtshofes vom 17.
Dezember 1981 in den Rechtssachen 197/80, 198/80, 199/80, 200/80, 243/80, 245/80
und 247/80, Ludwigshafener Walzmühle u. a./Rat und Kommission, Slg. 1981, 3211,
Randnr. 18, und des Gerichts vom 17. Februar 1998 in der Rechtssache T-107/96,
Pantochim/Kommission, Slg. 1998, II-311, Randnr. 48).
- 27.
- Auf dem Gebiet der Haftung für Rechtsetzungsakte muß das der Gemeinschaft
vorgeworfene Verhalten nach ständiger Rechtsprechung (Urteile des Gerichtshofes
vom 2. Dezember 1971 in der Rechtssache 5/71, Zuckerfabrik Schöppenstedt/Rat,
Slg. 1971, 975, Randnr. 11, und vom 25. Mai 1978 in den Rechtssachen 83/76 und
94/76, 4/77, 15/77 und 40/77, HNL u. a./Rat und Kommission, Slg. 1978, 1209,
Randnr. 4, Urteil des Gerichts vom 15. April 1997 in der Rechtssache T-390/94,
Schröder u. a./Kommission, Slg. 1997, II-501, Randnr. 52) eine Verletzung einer
höherrangigen, den einzelnen schützenden Rechtsnorm darstellen. Wenn das Organ
die Handlung in Ausübung eines weiten Ermessens erlassen hat, wie dies auf dem
Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik der Fall ist, muß diese Verletzung außerdem
hinreichend qualifiziert, d. h. offenkundig und schwerwiegend sein (Urteile des
Gerichtshofes HNL u. a./Rat und Kommission, a. a. O., Randnr. 6, vom 8.
Dezember 1987 in der Rechtssache 50/86, Grands Moulins de Paris/EWG, Slg.
1987, 4833, Randnr. 8, und Mulder II, Randnr. 12, Urteil des Gerichts vom 9.
Dezember 1997 in den Rechtssachen T-195/94 und T-202/94, Quiller und
Heusmann/Rat und Kommission, Slg. 1997, II-2247, Randnrn. 48 und 49).
- 28.
- Wie die Organe in ihrer Mitteilung vom 5. August 1992 anerkannt haben, haftet
die Gemeinschaft nach dem Urteil Mulder II jedem Erzeuger, dem dadurch ein
Schaden entstanden ist, daß er aufgrund der Verordnung Nr. 857/84 an der
Milchlieferung gehindert war.
- 29.
- Nach den zu den Akten gegebenen Unterlagen befindet sich der Kläger, der 1991
eine spezifische Referenzmenge erhalten hat, in der gleichen Lage wie die in dieser
Mitteilung genannten Erzeuger. Da er im Rahmen der Verordnung Nr. 1078/77
eine Nichtvermarktungsverpflichtung übernommen hatte, war er bei Ablauf dieser
Verpflichtung aufgrund der Verordnung Nr. 857/84 gehindert, die Vermarktung von
Milch wiederaufzunehmen. Dies wird übrigens dadurch bestätigt, daß er am 25.
Januar 1994 von den zuständigen deutschen Behörden gemäß der Verordnung Nr.
2187/93 im Namen und für Rechnung des Rates und der Kommission ein
Entschädigungsangebot erhielt, das er nicht annahm. Dem Kläger stand daher
grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz seines Schadens zu.
- 30.
- Es ist jedoch zu prüfen, ob und inwieweit dieser Anspruch verjährt ist.
- 31.
- Nach ständiger Rechtsprechung läuft die Verjährungsfrist des Artikels 43 der
Satzung nicht, bevor der Tatbestand der Ersatzpflicht erfüllt ist, und insbesondere
in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Haftung auf einen Rechtsetzungsakt
zurückgeht nicht vor Eintritt der Schadensfolgen dieses Aktes (Urteile des
Gerichtshofes vom 27. Januar 1982 in den Rechtssachen 256/80, 257/80, 265/80,
267/80 und 5/81, Birra Wührer u. a./Rat und Kommission, Slg. 1982, 85, und in der
Rechtssache 51/81, De Franceschi/Rat und Kommission, Slg. 1982, 117, Randnrn.
10, Urteil des Gerichts vom 16. April 1997 in der Rechtssache T-20/94,
Hartmann/Rat und Kommission, Slg. 1997, II-597 im folgenden: Urteil Hartmann
, Randnr. 107).
- 32.
- Dem Kläger ist ein Schaden ab dem Tag entstanden, an dem er nach dem Ablauf
seiner Nichtvermarktungsverpflichtung die Milchlieferungen hätte wiederaufnehmen
können, wenn ihm nicht eine Referenzmenge verweigert worden wäre. Da die
Nichtvermarktungsverpflichtung im Oktober 1983 abgelaufen war, trat dieser
Schaden somit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 857/84, also
am 1. April 1984, ein. Daher begann an diesem Tag die Verjährungsfrist zu laufen.
- 33.
- Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, daß die Ansprüche des Klägers
fünf Jahre nach dem Beginn der Verjährungsfrist in vollem Umfang verjährt seien.
- 34.
- Der Schaden, den die Gemeinschaft ersetzen muß, ist nämlich nicht auf einmal
entstanden. Sein Eintritt hat sich über eine gewisse Zeit solange der Kläger keine
Referenzmenge erhalten und daher keine Milch liefern konnte dadurch täglich
fortgesetzt, daß eine rechtswidrige Handlung Geltung behielt. Folglich erfaßt die
Verjährung des Artikels 43 der Satzung nach Maßgabe des Zeitpunkts der
Unterbrechungshandlung den mehr als fünf Jahre vor diesem Zeitpunkt liegenden
Zeitraum, ohne die später entstandenen Ansprüche zu beeinflussen (Urteil
Hartmann, Randnr. 132).
- 35.
- Nach Artikel 43 der Satzung wird die Verjährung nur durch die Einreichung einer
Klageschrift bei einem Gericht der Gemeinschaften oder durch vorherige
Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem zuständigen Organ der
Gemeinschaft unterbrochen.
- 36.
- Das Argument des Klägers, der in der Mitteilung vom 5. August 1992 vorgesehene
Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung habe dazu geführt, eine neue
Verjährungsfrist zum Laufen zu bringen, ist zurückzuweisen.
- 37.
- Wie die Beklagten betonen, ist in der Mitteilung nämlich von einem Verzicht auf
die Geltendmachung der Verjährung und nicht von deren Unterbrechung die Rede.
Sie hat lediglich eine Selbstbeschränkung hinsichtlich der Geltendmachung der
Verjährung vorgesehen, die den Erzeugern unter den in der Verordnung Nr.
2187/93 genannten Voraussetzungen zugute kommen konnte (vgl. Urteil Hartmann,
Randnr. 137).
- 38.
- Der Verzicht war eine einseitige Handlung, die in dem Bestreben, die Zahl der
Klagen zu beschränken, die Erzeuger dazu bewegen sollte, die Anwendung des in
der Verordnung Nr. 2187/93 vorgesehenen Systems der Pauschalentschädigung
abzuwarten (vgl. in diesem Sinne Urteil Hartmann, Randnr. 136).
- 39.
- Nach dieser Verordnung konnten die Erzeuger verlangen, daß ihnen ein
Entschädigungsangebot unterbreitet werde, für das eine Annahmefrist von zwei
Monaten galt. Im Fall der Ablehnung des Angebots konnten sie innerhalb dieser
Zweimonatsfrist, während deren ihnen weiterhin der Verzicht auf die
Geltendmachung der Verjährung zugute kam, eine Schadensersatzklage erheben
(Urteil Hartmann, Randnr. 138).
- 40.
- Unter Berücksichtigung seines Zweckes (siehe Randnr. 38) verlor dieser Verzicht
seine Wirkung mit Ablauf der Frist für die Annahme des Entschädigungsangebots.
Ab diesem Zeitpunkt konnten sich die Organe, wenn das Angebot nicht
angenommen und keine Klage erhoben worden war, daher erneut auf Verjährung
berufen.
- 41.
- Der Kläger erhielt das Entschädigungsangebot am 28. Januar 1994. Er hat es
innerhalb der Zweimonatsfrist gemäß der Verordnung Nr. 2187/93 nicht
angenommen und innerhalb dieser Frist auch keine Schadensersatzklage erhoben.
Diese Frist wurde später mit Schreiben der Kommission vom 5. August 1994 für
den Kläger bis zum Ablauf einer letzten Frist von zehn Tagen verlängert (siehe
Randnr. 17). Auch während dieser Verlängerung hat der Kläger weder das
Angebot angenommen noch eine Klage erhoben. Er kann sich daher nicht auf den
in der Mitteilung vom 5. August 1992 enthaltenen Verzicht auf die
Geltendmachung der Verjährung berufen.
- 42.
- Selbst wenn das an die Kommission gerichtete Schreiben vom Juni 1994, in dem
der Kläger die Höhe des Entschädigungsangebots beanstandete, als vorherige
Geltendmachung des Anspruchs im Sinne von Artikel 43 der Satzung zu beurteilen
wäre, hätte der Kläger innerhalb der Zweimonatsfrist des Artikels 173 EG-Vertrag,
auf den Artikel 43 der Satzung verweist, keine Klage erhoben.
- 43.
- Die Klage wurde am 30. Juli 1997 eingereicht. Der dem Kläger zuletzt entstandene
Schaden ist mehr als fünf Jahre vor diesem Tag eingetreten, nämlich im Jahr 1991,
in dem er die Milcherzeugung wiederaufnehmen konnte.
- 44.
- Demnach ist die Klage verspätet erhoben worden, da sämtliche Ansprüche des
Klägers bereits verjährt waren.
- 45.
- Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Kosten
- 46.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger mit seinem Vorbringen
unterlegen ist, sind ihm dem Antrag der Beklagten gemäß die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Erste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Vesterdorf Moura Ramos
Mengozzi
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. November 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
B. Vesterdorf