Language of document : ECLI:EU:T:2021:547

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

8. September 2021 (*)

„Unionsmarke – Anmeldung einer dreidimensionalen Unionsmarke – Form eines kugelförmigen Behälters – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EU] 2017/1001)“

In der Rechtssache T‑489/20,

Eos Products Sàrl mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin S. Stolzenburg-Wiemer,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Walicka und M. Eberl als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 8. Juni 2020 (Sache R 2017/2019‑4) über die Anmeldung eines dreidimensionalen Zeichens in Form eines kugelförmigen Behälters als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli (Berichterstatterin) sowie der Richter S. Frimodt Nielsen und C. Iliopoulos,

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 6. August 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 29. Oktober 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2021

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 6. Oktober 2016 meldete die Klägerin, die Eos Products Sàrl, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Dabei handelt es sich um das folgende dreidimensionale Zeichen:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 3, 5 und 21 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 3: „Lippenbalsam; Lippenkosmetika; Lippenglanz; Lippenpomaden für kosmetische Zwecke; Lippenbalsam, nicht für medizinische Zwecke; Präparate für die Lippenpflege, nicht medizinisch; Kosmetische Erzeugnisse zum Auftragen auf die Lippen; Erzeugnisse zum Auftragen auf die Lippen [nicht für medizinische Zwecke]“;

–        Klasse 5: „Medizinische Lippenpflegepräparate; Medizinische Lippenbalsame“;

–        Klasse 21: „Aufbewahrungsbehälter für Kosmetika [nicht angepasst]; Dosierspender für Kosmetika; Geräte zum Auftragen von Kosmetik“.

4        Mit Entscheidung vom 18. Juli 2019 wies die Prüferin die Anmeldung dieser Marke gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zurück.

5        Am 10. September 2019 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Prüferin beim EUIPO eine Beschwerde nach den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 ein.

6        Mit Entscheidung vom 8. Juni 2020 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, der angemeldeten Marke fehle die Unterscheidungskraft gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b „UMV“. Zudem sei der Beweis für die infolge Benutzung erlangte Unterscheidungskraft gemäß Art. 7 Abs. 3 „UMV“ nicht erbracht worden.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

8        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

 Rechtliche Würdigung

9        Die Klägerin stützt sich auf zwei Klagegründe, mit denen sie einen Verstoß erstens gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 und zweitens gegen Art. 95 dieser Verordnung rügt.

10      In Anbetracht des für die Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts ausschlaggebenden Zeitpunkts der Einreichung der in Rede stehenden Markenanmeldung – 6. Oktober 2016 – sind auf den vorliegenden Sachverhalt die materiell-rechtlichen Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009 anwendbar (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. Oktober 2004, Alcon/HABM, C‑192/03 P, EU:C:2004:587, Rn. 39 und 40, sowie Urteil vom 23. April 2020, Gugler France/Gugler und EUIPO, C‑736/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:308, Rn. 3 und die dort angeführte Rechtsprechung). Darüber hinaus unterliegt, da nach ständiger Rechtsprechung bei Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass sie ab dem Datum ihres Inkrafttretens Anwendung finden (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung), der Rechtsstreit den verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Verordnung 2017/1001.

11      Folglich sind im vorliegenden Fall, was die materiell-rechtlichen Vorschriften betrifft, die Bezugnahmen zum einen der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung auf Art. 7 „UMV“ und zum anderen der Klägerin in ihrem Vorbringen in der Klageschrift auf Art. 7 der Verordnung 2017/1001 als Verweise auf den inhaltsgleichen Art. 7 der Verordnung Nr. 207/2009 zu verstehen.

12      Einleitend ist festzustellen, dass die Klägerin keinen Klagegrund gegen die in den Rn. 51 bis 65 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Beurteilung der Beschwerdekammer hinsichtlich der fehlenden durch Benutzung der angemeldeten Marke erlangten Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend macht, die somit von der vorliegenden Rechtssache nicht umfasst wird.

 Zur Zulässigkeit der Einschränkung der Waren der Klasse 21

13      Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie wolle die Anmeldung hinsichtlich der oben in Rn. 3 genannten Waren der Klasse 21 auf „Aufbewahrungsbehälter für Lippenpflege, Dosierspender für Lippenpflege, Geräte zum Auftragen von Lippenpflege“ einschränken, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist. Eine solche Einschränkung der Anmeldung ist nach Auffassung der Klägerin in jedem Stadium des Verfahrens möglich.

14      Das EUIPO hat hinsichtlich der Zulässigkeit einer solchen Einschränkung im Stadium der vorliegenden Klage vor dem Gericht Zweifel geäußert, was ebenfalls im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

15      Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 sieht vor, dass „[d]er Anmelder … seine Anmeldung jederzeit zurücknehmen oder das in der Anmeldung enthaltene Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einschränken [kann]“.

16      Eine Einschränkung des Verzeichnisses der von einer Unionsmarkenanmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001, die nach dem Erlass der vor dem Gericht angefochtenen Entscheidung der Beschwerdekammer erfolgt, kann sich grundsätzlich nicht auf die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung auswirken; nur über diese Entscheidung wird vor dem Gericht gestritten (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008, Reber/HABM – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli [Mozart], T‑304/06, EU:T:2008:268, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Wenn die Einschränkung des Verzeichnisses der von der klagenden Partei beanspruchten Waren oder Dienstleistungen die vollständige oder teilweise Änderung der Beschreibung dieser Waren oder Dienstleistungen zum Gegenstand hat, lässt sich nicht ausschließen, dass sich diese Änderung auf die von den Dienststellen des EUIPO im Verwaltungsverfahren vorgenommene Prüfung der fraglichen Marke auswirken könnte. Die betreffende Änderung im Stadium der Klage vor dem Gericht zuzulassen, hieße unter diesen Umständen, den Streitgegenstand im laufenden Verfahren zu ändern, was nach Art. 188 der Verfahrensordnung des Gerichts unzulässig ist (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008, Mozart, T‑304/06, EU:T:2008:268, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Im vorliegenden Fall besteht die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung beantragte Einschränkung im Wesentlichen in der Spezifizierung, dass die Anmeldung für die oben in Rn. 3 genannten Waren der Klasse 21 Aufbewahrungsbehälter, Geräte zum Auftragen und Dosierspender nicht für „Kosmetika“ im Allgemeinen, sondern nur für „Lippenpflege“ beträfe.

19      Eine solche Einschränkung würde jedoch den Streitgegenstand im laufenden Verfahren ändern, da die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung die originäre Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke gemäß der Anmeldung der Klägerin und deren Beschwerde vor der Beschwerdekammer (vgl. die unten in Rn. 28 genannte Rechtsprechung) in Bezug auf Aufbewahrungsbehälter, Geräte zum Auftragen und Dosierspender für Kosmetika, nicht aber in Bezug auf Aufbewahrungsbehälter, Geräte zum Auftragen und Dosierspender für Lippenpflege geprüft hat.

20      Unter diesen Umständen ist im Einklang mit der oben in Rn. 17 angeführten Rechtsprechung davon auszugehen, dass eine solche Einschränkung einer Änderung des Streitgegenstands im laufenden Verfahren gleichkommt, so dass sie vom Gericht nicht berücksichtigt werden kann. Die von der Klägerin begehrte Einschränkung, mit der das Verzeichnis der in Rede stehenden Waren geändert wird, ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

21      Gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 kann die Form oder Aufmachung einer Ware eine Unionsmarke sein, soweit sie u. a. geeignet ist, Waren eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

22      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

23      Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 bedeutet, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Im vorliegenden Fall macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 und insbesondere die Grundsätze, wonach für die Feststellung der Eintragbarkeit lediglich ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft verlangt werde und in Abhängigkeit von der Wahrnehmung der Verbraucher und den besonderen Marktbedingungen unterschieden werden müsse, fehlerhaft angewandt. Hierfür widerspricht die Klägerin im Rahmen zweier Teile den Beurteilungen, die die Beschwerdekammer hinsichtlich der maßgeblichen Verkehrskreise und der branchenüblichen Formen vorgenommen hat.

 Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen

25      Die Beschwerdekammer hat in Rn. 30 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sich die Waren der Klasse 3 an die Allgemeinheit der Verbraucher richteten, dass die Waren der Klasse 5 auch an den medizinischen Fachverkehr gerichtet sein könnten und dass sich die Waren der Klasse 21 auch an das Fachpublikum der Kosmetikhersteller richten könnten. Diese Verbraucher seien durchschnittlich informiert, aufmerksam und verständig. In Rn. 31 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer auch festgestellt, dass sich die Waren der Klasse 3 an die Allgemeinheit der Verbraucher richteten und in der Regel als preiswerte Artikel angeboten würden, bei denen der Aufmerksamkeitsgrad der Verbraucher eher gering sei. Ferner hat die Beschwerdekammer in Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass der Umstand, dass von den Waren der Klasse 5 ein Fachpublikum mit einem höheren Aufmerksamkeitsgrad betroffen sei, keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Unterscheidungskraft habe.

26      Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe übersehen, dass sämtliche Waren nicht nur die Allgemeinheit der Verbraucher, sondern auch Fachkreise ansprächen, da die Waren der Klasse 3 auch von Händlern gekauft würden, die sie im Groß- und Einzelhandel weitervertrieben. Ein Fachpublikum wende jedoch eine höhere Aufmerksamkeit an. Die Annahme, der Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise sei unterdurchschnittlich, da es sich um niedrigpreisige Waren handele, gehe fehl. Vielmehr sei der Aufmerksamkeitsgrad erhöht, da der Durchschnittsverbraucher von medizinischem und nicht medizinischem Lippenbalsam überdurchschnittlich gut informiert, aufmerksam und verständig sei. Auf einem solchen Markt, der durch ein umfangreiches Angebot und eine große Anbieterzahl gekennzeichnet sei, seien die Endverbraucher besonders aufmerksam und achteten genauer auf äußerliche sowie die Beschaffenheit betreffende Details der Waren. Gleiches gelte für die Aufbewahrungsbehälter, Dosierspender und Geräte zum Auftragen für Kosmetika. Ungewöhnliche Formen erlaubten die Abgrenzung von Konkurrenzangeboten.

27      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

28      Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Urteil vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Waren (im Folgenden: beanspruchte Waren) zum einen Lippenbalsam und andere Präparate für die Lippenpflege für kosmetische oder nicht medizinische Zwecke (Waren der Klasse 3) oder für medizinische Zwecke (Waren der Klasse 5) und zum anderen Aufbewahrungsbehälter, Dosierspender oder Geräte zum Auftragen für Kosmetika (Waren der Klasse 21) sind.

30      Bei den beanspruchten Waren handelt es sich um gängige Verbrauchsgüter, die für alle Verbraucher bestimmt sind, unbeschadet der Tatsache, dass sich einige von ihnen auch an ein Fachpublikum, wie ein medizinisches Fachpublikum für die beanspruchten Waren der Klasse 5 und ein Fachpublikum von Kosmetikherstellern für die beanspruchten Waren der Klasse 21, richten können.

31      Es trifft zwar zu, dass sich die beanspruchten Waren der Klassen 5 und 21 auch an ein Fachpublikum richten, jedoch behauptet die Klägerin zu Unrecht, dass zu den maßgeblichen Verkehrskreisen der beanspruchten Waren der Klasse 3 auch aus den Händlern bestehende Fachkreise gehörten, die diese Waren bei den Herstellern kauften und an die Endverbraucher weiterverkauften. Die Definition der maßgeblichen Verkehrskreise ist nämlich mit der Prüfung der Zielgruppe der beanspruchten Waren verbunden, da die Marke ihre Hauptfunktion gerade bei dieser zu erfüllen hat. Die Definition ist somit im Licht der Hauptfunktion der Marke vorzunehmen, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem ihm ermöglicht wird, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (Urteil vom 29. September 2010, CNH Global/HABM [Kombination der Farben Rot, Schwarz und Grau für einen Traktor], T‑378/07, EU:T:2010:413, Rn. 38). Mit anderen Worten sind bei der Bestimmung der maßgeblichen Verkehrskreise die Verbraucher oder Endabnehmer der beanspruchten Waren zu berücksichtigen, nicht aber die Vertriebshändler oder andere Zwischenglieder der Vertriebskette zwischen dem Unternehmen, aus dem die Ware stammt, und den Verbrauchern oder Endabnehmern.

32      Jedenfalls kann der Umstand, dass die maßgeblichen Verkehrskreise fachlich spezialisiert sind, keine entscheidenden Auswirkungen auf die rechtlichen Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens haben. Zwar trifft es zu, dass der Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Fachverkehrskreise naturgemäß höher ist als der des Durchschnittsverbrauchers, doch folgt hieraus nicht zwangsläufig, dass eine geringere Unterscheidungskraft des Zeichens ausreicht, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise fachlich spezialisiert sind (Urteil vom 12. Juli 2012, Smart Technologies/HABM, C‑311/11 P, EU:C:2012:460, Rn. 48).

33      Die Beschwerdekammer hat daher zu Recht auf die Wahrnehmung der angemeldeten Marke durch die breite Öffentlichkeit abgestellt und ihrer Wahrnehmung durch ein Fachpublikum keine besondere Bedeutung beigemessen.

34      Folglich ist die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Erwartung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen (Urteil vom 1. Juni 2016, Grupo Bimbo/EUIPO [Form von Riegeln mit vier Kreisen], T‑240/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:327, Rn. 29).

35      Entgegen der Auffassung der Beschwerdekammer und entsprechend dem Vorbringen der Klägerin kann der Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise für die beanspruchten Waren der Klasse 3 jedoch nicht als „eher gering“ angesehen werden. Obwohl es sich um relativ kostengünstige Verbrauchsgüter handelt, können diese Waren nämlich Auswirkungen auf das Aussehen oder die Gesundheit, namentlich bei trockenen, rissigen oder aufgesprungenen Lippen, haben. Der Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise ist bezüglich dieser Waren daher als zumindest durchschnittlich anzusehen, da diese Verkehrskreise insbesondere der Zusammensetzung oder anderen Merkmalen, wie dem Duft oder der Farbe, nicht medizinischer Lippenprodukte Aufmerksamkeit widmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Februar 2021, Biochange Group/EUIPO – mysuperbrand [medical beauty research], T‑98/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:69, Rn. 44 und 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Gleiches gilt für die beanspruchten Waren der Klasse 5, da sie der Behandlung von Lippenerkrankungen dienen, die einer Arzneimittelbehandlung bedürfen. Im Übrigen ist der Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise auch für die beanspruchten Waren der Klasse 21 als durchschnittlich anzusehen, da diese Verkehrskreise den funktionellen und ästhetischen Merkmalen dieser Waren zur Aufbewahrung und zur ordnungsgemäßen Dosierung und/oder Anwendung der darin abgefüllten Kosmetika Beachtung schenken werden.

 Zu den branchenüblichen Formen

36      Zunächst hat die Beschwerdekammer in Rn. 38 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die grafische Wiedergabe der angemeldeten Marke in fünf Ansichten ein helles, glattes, kugelförmiges Behältnis mit abgeflachter Unterseite, einer fingerabdruckartigen Eindellung auf einer Seite und einer mittig angeordneten, horizontalen Trennlinie ohne Farbanspruch zeige. Sodann hat die Beschwerdekammer in den Rn. 39 und 40 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass sich die in der angemeldeten Marke dargestellte Form für die beanspruchten Waren der Klasse 21 ohne Weiteres in die Vielzahl der auf dem Markt verfügbaren Kosmetikbehältnisse einfüge und nicht unüblich sei. Schließlich hat die Beschwerdekammer in den Rn. 41 bis 44 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass, da es sehr unterschiedliche Verpackungsformen für Kosmetika gebe, zu denen auch runde und kugelförmige Behältnisse zählten, von denen sich die in Rede stehende Form nicht signifikant unterscheide, dem Formenschatz für die beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5 keine Grenzen gesetzt seien und dass die fragliche Form eher einfach sei und nicht als unüblich angesehen werden könne. Nachdem die Beschwerdekammer in den Rn. 45 bis 49 der angefochtenen Entscheidung mehrere von der Klägerin vorgelegte Argumente und Dokumente zurückgewiesen hatte, hat sie in Rn. 50 der angefochtenen Entscheidung den Schluss gezogen, dass der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft fehle.

37      Die Klägerin macht geltend, die Beurteilung der Beschwerdekammer, dass die in der angemeldeten Marke dargestellte Form nicht von anderen branchenüblichen Verpackungsformen abweiche, sei fehlerhaft, da die besonderen Marktgegebenheiten unzureichend berücksichtigt worden seien. Zu diesem Zweck bringt die Klägerin im Wesentlichen drei Rügen vor, die jeweils eine der beanspruchten Warenklassen betreffen.

38      Was erstens die beanspruchten Waren der Klasse 3 angehe, habe die Beschwerdekammer auf eine einzige Seite aus einem 67-seitigen Dokument Bezug genommen. Hätte sie die übrigen Seiten dieses Dokuments und die übrigen Dokumente berücksichtigt, so hätte sie festgestellt, dass alle auf dem Markt angebotenen Lippenbalsamprodukte in ovoider oder rundlicher Form von der Klägerin stammten. Da dem Formenschatz keine Grenzen gesetzt seien, hebe sich die angemeldete Marke aufgrund ihrer schlichten, in der Mitte zweigeteilten ovoiden oder kugeligen Form mit glatter Oberfläche und fingerabdruckartiger Eindellung deutlich von dem traditionellen und dem jüngeren verspielten Formenschatz ab. Die maßgeblichen Verkehrskreise erwarteten in einer solchen puristisch-schlichten Form kein Lippenbalsam. Die Beschwerdekammer habe sich auf die Feststellung beschränkt, dass die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen die Farbigkeit ihrer Waren betonten. Diese Unterlagen höben jedoch eher die Form der Ware als das ungewöhnliche, unerwartete, witzige und wiedererkennbare Charakteristikum hervor. Da die Beschwerdekammer die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend berücksichtigt habe, habe sie die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke zu Unrecht verneint. Die Beschwerdekammer habe verkannt, dass die vorgelegten Unterlagen eine Gesamtheit voneinander unabhängiger Beschreibungen und Beobachtungen enthielten, die für die Wahrnehmung der Form durch die Allgemeinheit repräsentativ seien. Die Beschwerdekammer habe nicht berücksichtigt, dass die Ei- oder Kugelform als Herkunftshinweis für Lippenbalsam wahrgenommen werden könne. Die deutschen Gerichtsentscheidungen, die der angemeldeten Marke eine wettbewerbliche Eigenart zugesprochen hätten, belegten, dass sie nicht als übliche Form aufgefasst werden könne. Die Form der angemeldeten Marke weiche signifikant von der vom Verkehr erwarteten Form sowie von der Norm oder den Gepflogenheiten in der Branche ab.

39      Was zweitens die beanspruchten Waren der Klasse 5 angehe, so seien auf dem Markt für medizinische Lippenpflege, der von einer geringen Anbieter- und Produktvielfalt und einer „klinisch-nüchtern“ anmutenden Gestaltung gekennzeichnet sei, kugel- oder eiförmige Verpackungen generell unbekannt. Diese Erzeugnisse würden ausschließlich in traditioneller Hülsen‑, Tuben- oder Tiegelverpackung vertrieben. Die Klägerin legt dem Gericht als Anlage A.6 zur Klageschrift und in der Klageschrift selbst Darstellungen der Marktgegebenheiten für diese Produkte vor. Kein Erzeugnis sei in einer mittig zweigeteilten und mit einer fingerabdruckartigen Eindellung gekennzeichneten Kugel- oder Eiform vertrieben worden, wie sie in der angemeldeten Marke dargestellt sei. Die Klägerin sei die Erste gewesen, die eine solche Verpackung verwendet habe. Die von der angemeldeten Marke erfasste Form weiche daher erheblich von den für medizinischen Lippenbalsam üblichen Formen ab.

40      Drittens macht die Klägerin in Bezug auf die beanspruchten Waren der Klasse 21 geltend, die Grundlage für die Bewertung der Beschwerdekammer sei nicht erkennbar. Konkrete Beispiele für Waren auf dem Markt, in die sich die in Rede stehende Form vermeintlich einreihe, seien nicht aufgezeigt worden. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer habe sie Einwände gegen die Beurteilung der Prüferin zu den Waren der Klasse 21 vorgebracht. Die Verbraucher oder Hersteller erwarteten hinter einer derartigen Gestaltung keinen Aufbewahrungsbehälter oder Spender für Kosmetika. Die Klägerin legt dem Gericht als Anlage A.8 zur Klageschrift das Ergebnis einer Recherche im Internet für diese Waren vor, deren Formen nicht mit der Form der angemeldeten Marke vergleichbar seien.

41      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

–       Vorbemerkungen

42      Die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die in der Form der Ware selbst bestehen, sind keine anderen als die für die übrigen Markenkategorien geltenden. Jedoch wird im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, vom Durchschnittsverbraucher nicht notwendig in der gleichen Weise wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke (Urteile vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, EU:C:2004:592, Rn. 30, und vom 20. Oktober 2011, Freixenet/HABM, C‑344/10 P und C‑345/10 P, EU:C:2011:680, Rn. 45 und 46).

43      Somit ist es, je mehr sich die als Marke angemeldete Form der Form annähert, in der die betreffende Ware am wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, umso eher zu erwarten, dass dieser Form die Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 fehlt. Nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllt, besitzt auch Unterscheidungskraft im Sinne dieser Bestimmung (Urteil vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, EU:C:2004:592, Rn. 31).

44      Daraus folgt, dass, wenn eine dreidimensionale Marke in der Form der Ware besteht, für die sie angemeldet wird, der bloße Umstand, dass diese Form eine „Variante“ einer der üblichen Formen dieser Warengattung ist, nicht ausreicht, um zu belegen, dass es der genannten Marke nicht an Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 fehlt. Es ist immer zu prüfen, ob diese Marke es dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Ware erlaubt, diese – ohne eine Prüfung vorzunehmen und ohne besonders aufmerksam zu sein – von Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteil vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, EU:C:2004:592, Rn. 32).

45      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Neuheit oder Originalität für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke keine maßgeblichen Kriterien sind, so dass es für die Eintragungsfähigkeit einer Marke nicht genügt, dass sie originell ist. Sie muss sich vielmehr wesentlich von den handelsüblichen Grundformen der betreffenden Ware unterscheiden und darf nicht als eine einfache oder mögliche Variante dieser Formen erscheinen. Außerdem ist es für die Feststellung der fehlenden Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke nicht erforderlich, die Handelsüblichkeit der Form nachzuweisen (vgl. Urteil vom 25. November 2020, Brasserie St Avold/EUIPO [Form einer dunklen Flasche], T‑862/19, EU:T:2020:561, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Unterscheidungskraft einer Marke zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung zu beurteilen ist (Urteil vom 5. Februar 2020, Hickies/EUIPO [Form eines Schnürsenkels], T‑573/18, EU:T:2020:32, Rn. 51 [nicht veröffentlicht]).

47      Der vorliegende Klagegrund ist im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

48      Zunächst können, was die im Rahmen der Klageschrift (Anhänge A.6 und A.8 zur Klageschrift sowie die Zusammenstellung von Abbildungen in der Klageschrift) vorgelegten Ergebnisse der von der Klägerin durchgeführten Suche anbelangt, die die Marktgegebenheiten für die beanspruchten Waren der Klassen 5 und 21 wiedergeben sollen, derartige Unterlagen, die erstmals vor dem Gericht vorgelegt werden, nicht berücksichtigt werden. Denn die Klage beim Gericht ist auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 72 der Verordnung 2017/1001 gerichtet, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen. Daher sind diese Unterlagen zurückzuweisen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, EU:T:2005:420, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      In der Sache steht im vorliegenden Fall, wie von der Beschwerdekammer in Rn. 38 der angefochtenen Entscheidung festgestellt und von der Klägerin bestätigt, fest, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine dreidimensionale Marke handelt, die in der grafischen Wiedergabe, in fünf Ansichten, eines weißen Gegenstands auf schwarzem Grund ohne Farbanspruch besteht. Es handelt sich um einen kugel- oder eiförmigen Gegenstand (je nach Ansicht) mit einer glatten Oberfläche, einer abgeflachten Unterseite, einer Eindellung auf einer Seite und einer mittig angeordneten, horizontalen Trennlinie. Darüber hinaus steht auch fest, dass ein solcher Gegenstand der Verpackung des von der Klägerin vertriebenen Lippenbalsams entspricht.

50      Es ist daher zu prüfen, ob die Beschwerdekammer in Anbetracht der oben in Rn. 43 angeführten Rechtsprechung zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft fehle, da die in dieser Marke dargestellte Form nicht signifikant von den Normen oder den Gepflogenheiten in dem betreffenden Bereich abweiche, d. h. – nach der in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Prüfungsreihenfolge – zum einen im Bereich der Aufbewahrungsbehälter, Dosierspender und Geräte zum Auftragen für Kosmetika und zum anderen im Bereich der Lippenbalsame oder anderer medizinischer oder nicht medizinischer Präparate für die Lippenpflege.

–       Zu den beanspruchten Waren der Klasse 21

51      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer in den Rn. 39 und 40 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, dass die in der angemeldeten Marke dargestellte kugelförmige Gestalt für die beanspruchten Waren der Klasse 21, nämlich Aufbewahrungsbehälter, Dosierspender und Geräte zum Auftragen für Kosmetika, nicht unüblich sei und sich in die Vielzahl der auf dem Markt verfügbaren Kosmetikbehältnisse einfüge. Die Behältnisse für Kosmetikprodukte wiesen nämlich regelmäßig eine mehr oder weniger zylinder- oder kugelförmige Gestaltung mit kreisrunder Grundfläche auf und würden in den unterschiedlichsten Ausführungen, auch in neutralen Farben, angeboten (Rn. 39 der angefochtenen Entscheidung). Außerdem seien die weiteren Details der in der angemeldeten Marke dargestellten Form im Gesamteindruck wenig auffällig und würden als funktional wahrgenommen: die horizontale Trennlinie als zum Öffnen des Behältnisses notwendig, die Eindellung, um einen guten Halt des Behältnisses, insbesondere beim Auftragen der Kosmetika, zu ermöglichen, und die abgeflachte Unterseite, um einen sicheren Stand des Behältnisses zu gewährleisten (Rn. 40 der angefochtenen Entscheidung).

52      Darüber hinaus habe die Klägerin keine ausdrücklichen Einwände dagegen vorgebracht, dass die angemeldete Marke nicht erheblich von dem üblichen Formenschatz für Kosmetikbehältnisse abweiche (Rn. 40 der angefochtenen Entscheidung), was im Übrigen von der Klägerin in der Klageschrift bestritten wird.

53      Ohne dass geklärt zu werden braucht, ob und inwieweit die Klägerin vor der Beschwerdekammer ausdrückliche Einwände hinsichtlich der beanspruchten Waren der Klasse 21 vorgebracht hat, ist festzustellen, dass jedenfalls die von der Klägerin vor dem Gericht vorgetragenen Argumente (siehe oben, Rn. 40) es nicht zulassen, die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung in Frage zu stellen.

54      Die Klägerin behauptet nämlich lediglich, dass die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung, wonach die in der angemeldeten Marke dargestellte Kugelform nicht unüblich sei und die Behältnisse für Kosmetikprodukte regelmäßig eine mehr oder weniger zylinder- oder kugelförmige Gestaltung mit kreisrunder Grundfläche aufwiesen, unsubstantiiert sei und die Beschwerdekammer für ihre Auffassung keine Beispiele angeführt habe. Dieses Vorbringen kann jedoch nicht überzeugen.

55      Zum einen ist die Beschwerdekammer nicht verpflichtet, solche Beispiele anzuführen. Stützt sich die Beschwerdekammer nämlich auf Tatsachen, die sich aus der allgemeinen praktischen Erfahrung mit der Vermarktung der in Rede stehenden Waren ergeben und die jeder kennen kann, ist sie nicht verpflichtet, konkrete Beispiele anzuführen (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013, Think Schuhwerk/HABM [Rote Schnürsenkelenden], T‑208/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:376, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 9. November 2016, Birkenstock Sales/EUIPO [Darstellung eines Musters aus sich kreuzenden Wellenlinien], T‑579/14, EU:T:2016:650, Rn. 139 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Zum anderen wird die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung jedenfalls in Rn. 41 der angefochtenen Entscheidung, in der die Prüfung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke für die Waren der Klassen 3 und 5 eröffnet wird, mittelbar, aber klar substantiiert. Die Beschwerdekammer hat in Rn. 41 der angefochtenen Entscheidung nämlich die in Rn. 39 dieser Entscheidung enthaltene Einschätzung wiederholt, indem sie festgestellt hat, dass es eine Vielfalt unterschiedlicher Verpackungsformen gebe, zu denen auch runde oder kugelige Behältnisse zählten, von denen sich die in der angemeldeten Marke dargestellte Form nicht signifikant unterscheide, was die den Stellen des EUIPO vorgelegten Unterlagen bestätigten. Hierfür stützte sich die Beschwerdekammer beispielsweise auf eine Abbildung aus der Anlage HRM 5, die die Klägerin der Prüferin vorgelegt hatte und die in dieser Rn. 41 der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben ist.

57      Es ist festzustellen, dass die in Rede stehende Abbildung neben dem Lippenbalsam der Klägerin selbst, der in dieser Abbildung in einer offenen und farbigen Verpackung dargestellt wird, die der in der angemeldeten Marke dargestellten (weißen und geschlossenen) Verpackung zu entsprechen scheint, zwei weitere Kosmetikprodukte wiedergibt, die in einer kugel- oder eiförmigen Verpackung enthalten sind, nämlich, wie aus der Beschreibung der in der Abbildung wiedergegebenen Waren hervorgeht und wie die Klägerin in der Klageschrift einräumt, ein Cremerouge und eine Hautcreme. Mit anderen Worten zeigt das in Rn. 41 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebene Beispiel, dass im Allgemeinen im Bereich der Aufbewahrungsbehältnisse, Dosierspender und Geräte zum Auftragen für Kosmetika wie Cremerouge und Hautcreme eine Kugel- oder Eiform als solche nicht erheblich von den Gepflogenheiten in diesem Bereich abweicht, sondern eine der in diesem Bereich möglichen Formen ist.

58      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass, wie oben in Rn. 48 ausgeführt, die erstmals vor dem Gericht vorgelegte Anlage A.8 zur Klageschrift im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht berücksichtigt werden kann.

59      Folglich ist die Rüge der Klägerin hinsichtlich der beanspruchten Waren der Klasse 21 zurückzuweisen.

–       Zu den beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5

60      Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Beschwerdekammer in den Rn. 41 bis 49 der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5, nämlich im Wesentlichen Lippenbalsam oder andere nicht medizinische oder medizinische Präparate für die Lippenpflege, im Anschluss an die Angabe, dass diese Waren nur verpackt vermarktet würden und es in der Kosmetikbranche eine Vielfalt unterschiedlicher Verpackungsformen gebe, zu denen auch runde oder kugelige Behältnisse zählten, von denen sich die in der angemeldeten Marke dargestellte Form nicht signifikant unterscheide (Rn. 41 der angefochtenen Entscheidung; siehe auch oben, Rn. 56 und 57), ausgeführt hat, dass dies auch für Lippenpflegeprodukte der Klassen 3 und 5 gelte, einen Bereich, in dem dem Formenschatz keine Grenzen gesetzt seien und in dem die in der angemeldeten Marke dargestellte Form eher einfach und auch zum Anmeldezeitpunkt nicht ungewöhnlich gewesen sei. Die helle Farbe und die glatte Oberfläche der Form bewegten sich im Rahmen des Branchenüblichen, während die anderen Merkmale im Gesamteindruck des Zeichens wenig auffällig und nicht geeignet seien, Unterscheidungskraft zu begründen (Rn. 42 der angefochtenen Entscheidung).

61      Sodann hat die Beschwerdekammer darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass die Klägerin als Erste eine kugelige Verpackung für Lippenbalsame angeboten habe, unerheblich sei und dass der Umstand, dass die Klägerin ihre Waren seit 2010 in der Europäischen Union anbiete, vielmehr nahelege, dass die maßgeblichen Verkehrskreise zum Anmeldezeitpunkt bereits mit kugelförmigen Behältnissen vertraut gewesen seien (Rn. 43 der angefochtenen Entscheidung). Außerdem handele es sich bei der in Rede stehenden Form um ein helles, kugelförmiges Behältnis ohne Aufschrift oder Gestaltungseffekte, die über das hinausgingen, was dem Verbraucher als Variante von Behältnissen für Lippenpflegeprodukte geläufig sei. Er werde daher in der angemeldeten Marke die Form einer handelsüblichen Verpackung erkennen (Rn. 44 der angefochtenen Entscheidung).

62      Schließlich hat die Beschwerdekammer mehrere von der Klägerin vorgebrachte Argumente und Unterlagen zurückgewiesen. So hat sie die Anlagen HRM 1, 5 bis 7, 12 bis 15 und 19 mit dem Hinweis darauf, dass sie die Waren der Klägerin nicht nur mit Bezug auf ihre runde Form, sondern auch auf ihre Farbe zeigten, wohingegen in der Anmeldemarke die Farbe fehle (Rn. 45 der angefochtenen Entscheidung), und der Feststellung zurückgewiesen, dass es sich um Auszüge aus Marketingmaßnahmen oder Äußerungen von Moderedakteurinnen oder Bloggerinnen handele, die nicht unbedingt die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise widerspiegelten (Rn. 46 der angefochtenen Entscheidung). Die Intensität der Werbeaufwendungen sei unbeachtlich (Rn. 47 der angefochtenen Entscheidung), ebenso die Zahl der Nachahmungen und Plagiate der Waren der Klägerin, der Umstand, dass die deutschen Gerichte den Waren der Klägerin aufgrund von Aspekten der konkreten Vermarktung dieser Waren, die der angemeldeten Marke nicht zu entnehmen gewesen seien, wettbewerbliche Eigenart zugesprochen hätten (Rn. 48 der angefochtenen Entscheidung), und die Eintragung der angemeldeten Marke in das deutsche Markenregister (Rn. 49 der angefochtenen Entscheidung).

63      Insoweit macht die Klägerin als Erstes geltend, die Beschwerdekammer habe sich auf eine einzige Seite eines von der Klägerin vorgelegten Dokuments gestützt, anstatt dieses Dokument und die anderen von ihr vorgelegten Unterlagen vollständig zu berücksichtigen. Dieses Argument beruht jedoch auf einem falschen Verständnis der angefochtenen Entscheidung. Es trifft zwar zu, dass sich die Beschwerdekammer in Rn. 41 der angefochtenen Entscheidung beispielhaft auf eine Abbildung aus der Anlage HRM 5 berufen hat, die die Klägerin der Prüferin vorgelegt hatte, jedoch enthält diese Randnummer im Wesentlichen eine vorangestellte Beurteilung bezüglich Kosmetika im Allgemeinen, die sich, selbst wenn sie falsch oder unsubstantiiert sein sollte, für sich genommen nicht auf die in den Rn. 42 bis 49 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Schlussfolgerung der Beschwerdekammer speziell zu den beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5 auswirken kann. Im Übrigen ist im vorliegenden Fall, wie oben in den Rn. 56 und 57 festgestellt, die in Rn. 41 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Beurteilung bezüglich Kosmetika im Allgemeinen nicht fehlerhaft und wird durch die in dieser Randnummer wiedergegebene Abbildung bestätigt.


64      Darüber hinaus tritt die Klägerin nicht der von der Beschwerdekammer vorgenommenen, durch den Akteninhalt nicht widerlegten und ebenfalls in Rn. 41 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Beurteilung entgegen, wonach die beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5 nur verpackt vermarktet würden.

65      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Durchschnittsverbraucher der Aufmachung eines Erzeugnisses, soweit sie ein zwingendes Vertriebserfordernis ist, in erster Linie bloß diese Funktion beimisst. Eine dreidimensionale Marke, die aus einer solchen Aufmachung besteht, hat nur dann Unterscheidungskraft, wenn sie es dem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der beanspruchten Ware ermöglicht, diese von der Ware anderer Unternehmen zu unterscheiden, ohne eine Untersuchung oder einen Vergleich vorzunehmen und ohne eine besondere Aufmerksamkeit an den Tag zu legen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2020, Form einer dunklen Flasche, T‑862/19, EU:T:2020:561, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      Als Zweites macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Beschwerdekammer, hätte sie alle Unterlagen berücksichtigt, die sie dem EUIPO vorgelegt habe, festgestellt hätte, dass die Lippenpflegeprodukte mit einer kugel- oder eiförmigen Verpackung sämtlich von der Klägerin selbst stammten. Ein solches Argument ist aber nicht nur offensichtlich sachlich unzutreffend, sondern beruht auch auf einer fehlerhaften Auslegung der im vorliegenden Fall anzuwendenden Rechtsgrundsätze.

67      Erstens bedeutet der von der Klägerin behauptete Umstand, sie sei die Einzige, die eine kugel- oder eiförmige Verpackung wie die in der angemeldeten Marke dargestellte herstelle, nämlich nicht zwangsläufig, dass diese Marke Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 hat. Auch wenn ein solcher Umstand sicher relevant sein kann, kommt es nach der oben in Rn. 43 genannten Rechtsprechung nämlich darauf an, dass die angemeldete Marke erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2014, „Millano“ Krzysztof Kotas/HABM [Form einer Packung Schokolade], T‑440/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1063, Rn. 28).

68      Zweitens können die von der Klägerin den Dienststellen des EUIPO vorgelegten Unterlagen die Auffassung der Klägerin nicht belegen.

69      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, wie aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, zahlreiche von der Klägerin vorgelegte Unterlagen wie die Anlagen HRM 1 bis 10, 26 und 27 die vermeintliche Bekanntheit der angemeldeten Marke dartun sollten und daher, namentlich in Artikeln oder Presseausschnitten, speziell, und oftmals allein, die Lippenpflegeprodukte der Klägerin zeigten. Die vermeintliche Bekanntheit der angemeldeten Marke ist jedoch für die Feststellung, ob die in der angemeldeten Marke dargestellte Form über originäre Unterscheidungskraft verfügte, indem sie erheblich von den Normen oder den Gepflogenheiten der Branche abwich, unerheblich.

70      Auch wenn sich die Klägerin in der Klageschrift speziell auf die Anlagen HRM 5, 7, 11 und 21 bezieht, die nach ihrem Dafürhalten einen Überblick über das Angebot auf dem Markt enthalten, ist sodann jedoch festzustellen, dass diese Anlagen die Auffassung der Klägerin nicht untermauern. Die Anlagen HRM 5 und 7 enthalten Presseausschnitte, die verschiedene Kosmetik‑, Schönheits- oder Modeartikel zeigen, geben aber keinen Überblick über den Markt für die beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5, zumal, abgesehen von einigen Ausnahmen, die Waren der Klägerin häufig die einzigen in dem jeweiligen Presseausschnitt abgebildeten Lippenpflegeprodukte sind. Die Anlage HRM 11 enthält zwar eine Zusammenstellung von Abbildungen von Lippenpflegeprodukten, von denen keines die Form einer Kugel oder eines Eies hat, doch wurde diese Zusammenstellung, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, von ihr selbst für die Zwecke des Verfahrens vor dem EUIPO vorgenommen und kann mangels genauer Angaben zu der Auswahl der dabei verwendeten Beispiele nicht als hinreichend objektiv angesehen werden, da in anderen Teilen der Akten Kugel- oder Eiformen wiedergegeben werden (vgl. unten, Rn. 71 und 73).

71      Bei den in Anlage HRM 21 enthaltenen Tabellen, in denen die Eigenschaften von Lippenbalsamen verglichen werden, handelt es sich offensichtlich um von Dritten zu anderen Zwecken als dem Verfahren zur Eintragung der angemeldeten Marke erstellte Tabellen. Insbesondere enthält diese Anlage drei Tabellen, in denen unter Einschluss einer Abbildung der Verpackung der jeweiligen Produkte die Bestandteile der Lippenbalsame verglichen werden. Diese Tabellen sind im Rahmen des vorliegenden Verfahrens jedoch nicht alle gleichermaßen repräsentativ und relevant. Da die erste Tabelle nämlich aus einem im Mai 2015 im Internet veröffentlichten Artikel stammt und nur drei Lippenpflegeprodukte vergleicht, kann sie nicht als hinreichend repräsentativ für die Verpackungsformen der beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5 und zeitlich relevant für die Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke zum Anmeldezeitpunkt im Oktober 2016 angesehen werden. Die beiden anderen Tabellen stammen dagegen aus zwei Zeitschriftenartikeln und sind eher repräsentativ und relevant, da darin 35 bzw. 24 Lippenpflegeprodukte verglichen werden und sie zwar in den Jahren 2017 und 2018 veröffentlicht wurden, aber, wie sich aus den Angaben am Tabellenrand zu der Art und Weise der Vergleichsdurchführung ergibt, Waren vergleichen, die – bezüglich der zweiten Tabelle – im Oktober 2016 und – bezüglich der dritten Tabelle – im August 2017 gekauft wurden. In diesen beiden Tabellen werden aber über die Ware der Klägerin hinaus andere Lippenpflegeprodukte mit einer kugel- oder eiförmigen Verpackung angeführt, nämlich ein anderes Produkt in der zweiten und zwei andere Produkte in der dritten Tabelle. Darüber hinaus wird die Form dieser Verpackungen in der zweiten Tabelle ausdrücklich als „Ball“ bezeichnet.

72      Mit anderen Worten sind nicht nur die meisten von der Klägerin angeführten Unterlagen nicht beweiskräftig, sondern widerspricht das Dokument, das anscheinend einen objektiven und relevanten Überblick über die auf dem Markt vorhandenen üblichen Formen vermittelt, nämlich die Anlage HRM 21, erkennbar der Auffassung der Klägerin, indem darin ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es im Oktober 2016 mindestens zwei Lippenpflegeprodukte – eines davon das von der Klägerin vertriebene –, mit einer kugel- oder eiförmigen Verpackung gab, die schlichtweg als „Ball“ bezeichnet wurde.

73      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Prüferin sich, wie aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht und wie die Klägerin selbst in der Klageschrift ausführt, bei der Beanstandung der Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Marke auf Abbildungen gestützt hatte, die nicht von der Klägerin stammende Lippenbalsame mit kugel- oder eiförmiger Verpackung zeigten. Insbesondere hatte die Prüferin die Klägerin einige Tage nach der Anmeldung unter Hinweis auf vier Internetseiten auf das Vorhandensein von Lippenbalsamen mit einer Verpackung u. a. in Form einer Kugel, eines Golfballs oder einer Heidelbeere aufmerksam gemacht (vgl. die in Rn. 2 der angefochtenen Entscheidung angeführte Mitteilung der Prüferin vom 17. Oktober 2016). Ebenso hatte die Prüferin in ihrer Antwort auf die Erklärungen der Klägerin hierzu die Klägerin unter Hinweis auf vier weitere Internetseiten auf das Vorhandensein anderer Lippenbalsame mit ovaler Verpackung in mehr oder weniger abgeflachter Form oder halb ovaler, halb zylindrischer Form aufmerksam gemacht (vgl. die Mitteilung der Prüferin vom 23. Mai 2017, auf die in Rn. 4 der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird).

74      Unter Berücksichtigung der funktionalen Kontinuität zwischen der Prüferin und der Beschwerdekammer sind die Entscheidung der Prüferin und ihre Begründung Teil des Kontextes, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, ein Kontext, der der Klägerin bekannt ist und dem Gericht eine vollständige Rechtmäßigkeitskontrolle ermöglicht (vgl. entsprechend Urteil vom 20. Januar 2021, Apologistics/EUIPO – Peikert [discount-apotheke.de], T‑844/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:25, Rn. 119). Im vorliegenden Fall hat sich die Prüferin in ihrer oben in Rn. 4 erwähnten Entscheidung vom 18. Juli 2019 ausdrücklich auf die in der Eingangsphase des Verfahrens erhobenen Einwände gestützt, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass es sich bei der angemeldeten Marke um eine rundliche Form handele, die einem Ei ähnele und keine erhebliche Abweichung von der Branchenüblichkeit aufweise. Folglich kann die Klägerin nicht geltend machen, dass es an einem konkreten Hinweis auf die Existenz rundlicher Formen fehle.

75      Zwar geht aus der Klageschrift hervor, dass nach Ansicht der Klägerin diese von der Prüferin angeführten Beispiele „konkurrierender Produkte“ der Anerkennung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke nicht entgegenstehen – entweder weil sie sich erheblich von ihr unterschieden oder weil es sich um Nachahmerprodukte handele, die von der kugel- oder eiförmigen Produktform der Klägerin zu profitieren versucht hätten. Gleichwohl ist vorbehaltlich der Prüfung der Gesichtspunkte, die es nach Auffassung der Klägerin ermöglichen, dass sich die in der angemeldeten Marke dargestellte Form erheblich von anderen Verpackungen der Branche unterscheidet (vgl. unten, Rn. 76 bis 81), zum einen festzustellen, dass die Klägerin dabei die Existenz dieser kugel- oder eiförmigen Verpackungen in keiner Weise in Frage stellt. Zum anderen ist, was das Vorbringen der Klägerin anbelangt, die konkurrierenden Formen seien Nachahmungen der Produktform der Klägerin – abgesehen davon, dass dieses Vorbringen in keiner Weise untermauert wird –, darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht befugt ist, über eine behauptete Nachahmung oder ein behauptetes Plagiat zu entscheiden (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Februar 2020, Form eines Schnürsenkels, T‑573/18, EU:T:2020:32, Rn. 56). Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass das Vorhandensein von Formen auf dem Markt, von denen nach Aussage der Klägerin einige Nachahmungen sein sollen, für die Beurteilung der originären Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise unerheblich ist (Urteil vom 28. Juni 2019, Gibson Brands/EUIPO – Wilfer [Form eines Gitarrenkorpus], T‑340/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:455, Rn. 40).

76      Als Drittes macht die Klägerin geltend, dass sich die in der angemeldeten Marke dargestellte Form von dem traditionellen Formenschatz und dem jüngeren verspielten Formenschatz unterscheide. Insbesondere zeichne sich diese Produktform außer der Nüchternheit ihrer Kugel- oder Eiform im Wesentlichen durch die sie mittig zweiteilende Linie, die glatte Oberfläche und die Eindellung auf einer Seite aus, die an die Form eines Fingerabdrucks erinnere.

77      Die Merkmale, auf die sich die Klägerin beruft, erlauben es jedoch nicht, die in der angemeldeten Marke dargestellte Form von den Normen oder den Gepflogenheiten der Branche zu unterscheiden.

78      Auch wenn, erstens, Lippenbalsame im Allgemeinen in kleinen Verpackungen in Form von starren Teleskopröhren (Lippenstiften) oder sogar flexiblen, an einem Ende abgeflachten Röhren oder mehr oder weniger zylindrischen Tiegeln in den Verkehr gebracht werden, ist es, wie oben in den Rn. 71 und 73 ausgeführt, nicht ungewöhnlich, dass diese Produkte auch in andersförmigen Verpackungen, einschließlich ei- oder kugelförmigen, in den Verkehr gebracht werden, und zwar bereits zum Anmeldezeitpunkt im Oktober 2016. Im Übrigen ist entgegen den Ausführungen der Klägerin eine Kugel- oder Eiform nicht nüchterner oder klarer als eine zylindrische Form, da alle diese Formen einfachen und üblichen dreidimensionalen geometrischen Formen entsprechen. Jedenfalls ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die in der angemeldeten Marke dargestellte Form weder eine Kugel noch ein Oval darstellt, sondern über eine abgeflachte Grundfläche verfügt, deren Funktion darin besteht, einen sicheren Stand des dargestellten Gegenstands zu ermöglichen, was ihn den herkömmlichen Verpackungen in Form von mehr oder weniger zylindrischen Röhren oder Tiegeln annähert.

79      Sodann ist die horizontale Linie, die die in der angemeldeten Marke dargestellte Form in zwei Teile teilt, keineswegs kennzeichnend für diese, sondern auch für bestimmte andere Verpackungen der betreffenden Waren, wie z. B. Teleskopröhren und Zylindertiegel, typisch. Das Gleiche gilt für die glatte Oberfläche der Form – es wäre im Gegenteil unüblicher, wenn eine solche Verpackung eine raue Oberfläche hätte.

80      Schließlich wurde, was die Eindellung auf einer Seite betrifft, zum einen, auch wenn die Beschwerdekammer davon ausgehen durfte, dass dies der Fall ist, keineswegs dargetan, dass sie von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Darstellung eines Fingerabdrucks wahrgenommen wird, da sie insbesondere nicht die typischen Rillen eines Fingerabdrucks aufweist, und zum anderen lässt sie jedenfalls eher an ein funktionelles Merkmal des dargestellten Gegenstands denken, nämlich eine Eindellung, die es erlaubt, ihn leichter mit den Fingern zu handhaben.

81      Daraus folgt, dass sich die in der angemeldeten Marke dargestellte Form in ihrer Gesamtheit nicht erheblich von der Norm oder den Gepflogenheiten der Branche unterscheidet, nach der die Lippenpflegeprodukte in mehr oder weniger abgerundeten oder abgeflachten zylinderförmigen Verpackungen enthalten sind. Zudem treten die Merkmale dieser Form, wie die abgeflachte Unterseite, die horizontale Linie und die Eindellung, in ihrer Gesamtwahrnehmung nicht hervor und decken sich vielmehr mit ihren funktionellen Merkmalen, so dass sie nicht in der Lage sind, ihr Unterscheidungskraft zu verleihen.

82      Darüber hinaus fehlt es, wie die Klägerin selbst unter Hinweis auf den angeblich puristisch-schlichten Charakter der in der angemeldeten Marke dargestellten Form nahelegt, an jedem Bestandteil, der geeignet wäre, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf sich zu lenken und es ihr zu ermöglichen, als Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft wahrgenommen zu werden.

83      Im Übrigen sind, wie von der Beschwerdekammer in Rn. 42 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt und von der Klägerin in der Klageschrift selbst eingeräumt, dem Formenschatz in diesem Bereich keine Grenzen gesetzt. Aus der Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass es die Tatsache, dass auf dem Markt zahlreiche Erscheinungsformen bestehen, mit denen der Verbraucher konfrontiert wird, wenig wahrscheinlich macht, dass er einen bestimmten Formentyp nicht als Hinweis auf die diesen Markt kennzeichnende Vielfalt, sondern auf einen bestimmten Hersteller ansieht. Die große Vielfalt der originellen oder phantasievollen Formen, die sich bereits auf dem Markt befinden, verringert nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer bestimmten Form davon ausgegangen wird, dass sie erheblich von der auf diesem Markt üblichen Norm abweicht und somit allein aufgrund ihrer Besonderheit oder ihrer Originalität von den Verbrauchern identifiziert wird (Urteile vom 28. Juni 2019, Form eines Gitarrenkorpus, T‑340/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:455, Rn. 36, und vom 25. November 2020, Form einer dunklen Flasche, T‑862/19, EU:T:2020:561, Rn. 40). Da sich Lippenpflegeprodukte in einer großen Vielfalt von Verpackungsformen, einschließlich kugel- oder eiförmiger Verpackungen, insbesondere in Form eines abgeflachten Eies, einer Frucht oder eines Sportballs, darbieten können, kann demnach nicht davon ausgegangen werden, dass die in der angemeldeten Marke dargestellte Form erheblich von den Normen oder den Gepflogenheiten der Branche abweicht.

84      Folglich werden, wie von der Beschwerdekammer ausgeführt, die maßgeblichen Verkehrskreise, selbst wenn sie einen zumindest durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad an den Tag legen, die in der angemeldeten Marke dargestellte Form mangels eines anderen Gesichtspunkts nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren wahrnehmen.

85      Als Viertes macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe die Beweiskraft bestimmter Dokumente zu Unrecht verneint, indem sie zum einen darauf abgestellt habe, dass die darin enthaltenen Kommentare die Farbe der Waren der Klägerin hervorgehoben hätten, obwohl sie die ungewöhnliche Form dieser Waren hervorgehoben hätten, und zum anderen jegliche Objektivität mehrerer dieser Kommentare aufgrund ihrer Herkunft zu Unrecht verneint habe.

86      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Systematik der Verordnung Nr. 207/2009 eine Marke nur auf der Grundlage und in den Grenzen der vom Anmelder beim EUIPO eingereichten Anmeldung eingetragen werden kann (Urteil vom 25. November 2015, Jaguar Land Rover/HABM [Form eines Autos], T‑629/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:878, Rn. 34). Daraus folgt, dass sich bei der Prüfung der Unterscheidungskraft einer dreidimensionalen Marke die in der Presse oder im Internet erschienenen Kommentare zu den vom Anmelder in einer der in der Anmeldung dargestellten Form entsprechenden Form vertriebenen Waren gegebenenfalls auf die Prüfung der durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 beziehen und im Rahmen der Prüfung der originären Unterscheidungskraft nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nicht als erheblich angesehen werden können (vgl. entsprechend Urteile vom 7. Februar 2002, Mag Instrument/HABM [Form von Taschenlampen], T‑88/00, EU:T:2002:28, Rn. 39, und vom 25. September 2014, Peri/HABM [Form eines Spannschlosses], T‑171/12, EU:T:2014:817, Rn. 47).

87      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin indessen die Anwendung von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 durch die Beschwerdekammer nicht beanstandet (vgl. oben, Rn. 12).

88      Folglich ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem sie sich auf in der Presse oder im Internet erschienene Kommentare stützt, in denen die Merkmale ihrer Waren hervorgehoben werden, im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes als unerheblich zurückzuweisen.

89      Jedenfalls ist festzustellen, dass dieses Vorbringen der Klägerin unbegründet ist. Zunächst steht fest, dass die in der angemeldeten Marke dargestellte Form keine Farbe aufweist, während die von der Klägerin angeführten Unterlagen ihre Waren in einer farbigen Form darstellen. Die Beschwerdekammer hat daher insoweit keinen Beurteilungsfehler begangen. Sodann hat die Beschwerdekammer nicht geleugnet, dass diese Unterlagen die rundliche Form der Waren der Klägerin hervorhöben, sondern nur betont, dass sie nicht nur die Form, sondern auch die Farbe dieser Waren beträfen. Die Klägerin stützt sich somit auf ein falsches Verständnis der angefochtenen Entscheidung. Zudem sind die Anlagen HRM 5 und 15, auf die sich die Klägerin in der Klageschrift bezieht, für die Feststellung, ob die in der angemeldeten Marke dargestellte Form von den Normen oder den Gepflogenheiten der Branche abweicht, tatsächlich unerheblich, da mit der ersten Anlage die Bekanntheit der angemeldeten Marke nachgewiesen werden sollte und die zweite Auszüge von Blogs zu den Waren der Klägerin enthielt. Die Beschwerdekammer hat schließlich fehlerfrei die Auffassung vertreten, dass die Kommentare von Moderedakteurinnen oder ‑bloggerinnen nicht notwendigerweise die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise widerspiegelten, da sie von Fachleuten stammten oder in einem Werbekontext erfolgt seien. Im Übrigen können die von der Klägerin herangezogenen Kommentare nicht die Existenz anderer Kugel- oder Eiformen in dem betreffenden Bereich widerlegen.

90      Als Fünftes stützt sich die Klägerin auf nationale Entscheidungen, in denen der angemeldeten Marke eine wettbewerbliche Eigenart zuerkannt worden sei, was für ihre Ungewöhnlichkeit und Unterscheidungskraft spreche.

91      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Unionsregelung für Marken ein autonomes System ist, das aus einer Gesamtheit von Vorschriften besteht und Zielsetzungen verfolgt, die ihm eigen sind. Seine Anwendung ist von jedem nationalen System unabhängig, und die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern des EUIPO ist ausschließlich auf der Grundlage der Verordnung Nr. 207/2009 in ihrer Auslegung durch den Unionsrichter zu beurteilen (vgl. Urteil vom 17. Juli 2008, L & D/HABM, C‑488/06 P, EU:C:2008:420, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher ist das EUIPO und gegebenenfalls der Unionsrichter nicht an eine auf der Ebene eines Mitgliedstaats oder gar eines Drittlands ergangene Entscheidung gebunden, in der die Eintragungsfähigkeit desselben Zeichens als nationale Marke bejaht wird (Urteil vom 27. Februar 2002, Streamserve/HABM [STREAMSERVE], T‑106/00, EU:T:2002:43, Rn. 47). Gleichwohl können die Entscheidungen der nationalen Behörden, auch wenn sie für die Anwendung des Rechts der Unionsmarken nicht bindend sind, berücksichtigt werden (Urteil vom 24. September 2019, Crédit Mutuel Arkéa/EUIPO – Confédération nationale du Crédit mutuel [Crédit Mutuel], T‑13/18, EU:T:2019:673, Rn. 60).

92      Im vorliegenden Fall geht es in der von der Klägerin herangezogenen nationalen Rechtsprechung jedoch um Verletzungsklagen, die ihre Waren betreffen. Selbst wenn die deutschen Gerichte im Rahmen von Verletzungsklagen den Waren der Klägerin eine wettbewerbliche Eigenart zuerkannt haben sollten, könnte dieser Umstand somit für sich genommen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage stellen, soweit darin festgestellt wird, dass es der angemeldeten Marke an Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 fehle.

93      Als Sechstes macht die Klägerin in Bezug auf die beanspruchten Waren der Klasse 5, d. h. medizinische Lippenpflegeprodukte, geltend, dass die kugel- oder eiförmigen Verpackungen unbekannt gewesen seien und sie als Erste die in der angemeldeten Marke dargestellte Form als ungewöhnliche Verpackung für diese Waren verwendet habe.

94      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen ist, dass die Beschwerdekammer die Wahrnehmung der angemeldeten Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren der Klasse 5 nicht getrennt geprüft hat. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich dagegen, dass sie im Wesentlichen der Auffassung war, dass die beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5 zum Zweck der Prüfung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke im Sinne der oben in Rn. 43 genannten Rechtsprechung zu demselben Produktbereich gehörten. Unter Bezugnahme sowohl auf die beanspruchten Waren der Klasse 3 als auch auf die beanspruchten Waren der Klasse 5 hat die Beschwerdekammer nämlich ausgeführt, dass es sich bei allen diesen Waren um kosmetische oder medizinische Lippenpflegeprodukte handele, dass alle diese Waren in Verpackungen vertrieben würden und dass die angemeldete Marke die Form einer Verpackung für solche Waren darstelle (Rn. 29, 41 und 42 der angefochtenen Entscheidung). Da die beanspruchten Waren die gleiche Lippenpflegefunktion hatten, in den gleichen Verpackungen vermarktet wurden und für die breite Öffentlichkeit bestimmt waren, konnte die Beschwerdekammer somit, ohne einen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen, dass sie zu demselben Bereich gehörten, und sie im Rahmen der Beurteilung entsprechend obiger Rn. 43 zusammen prüfen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin während des Verfahrens vor den Stellen des EUIPO eine Unterscheidung zwischen den Waren der Klasse 3 und denen der Klasse 5 getroffen hätte. Vielmehr bestätigt die Klageschrift u. a., dass der vermeintliche Überblick über den Markt, der der Prüferin als Anlage HRM 11 vorgelegt wurde (vgl. oben, Rn. 70), unterschiedslos nicht medizinische und medizinische Lippenpflegeprodukte betraf. Zudem beanstandet die Klägerin nicht, dass die Beschwerdekammer eine solche Gesamtbeurteilung vorgenommen hat.

95      Erstens macht die Klägerin geltend, sie habe als Erste eine ungewöhnliche, kugel- oder eiförmige Verpackung für die beanspruchten Waren der Klasse 5 verwendet, die durch die „klinisch-nüchterne“ Gestaltung ihrer Aufmachung gekennzeichnet seien. Damit kann sie jedoch keinen Erfolg haben. Wie sich oben aus Rn. 45 ergibt, sind die Neuheit oder die Originalität nämlich keine maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke. Im Übrigen weicht die in der angemeldeten Marke dargestellte Form, wie oben in Rn. 81 ausgeführt, nicht erheblich von der Norm oder den Gepflogenheiten der Branche der nicht medizinischen oder medizinischen Lippenpflegeprodukte ab.

96      Zweitens ist entsprechend den oben in Rn. 48 gemachten Ausführungen darauf hinzuweisen, dass die erstmals vor dem Gericht vorgelegte Anlage A.6 zur Klageschrift und die in der Klageschrift selbst enthaltenen Abbildungen im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht berücksichtigt werden können.

97      Drittens ist, soweit sich die Klägerin auf Rn. 56 der angefochtenen Entscheidung bezieht und darauf hinweist, dass ihre Produktpalette auch medizinischen Zwecken dienende Waren umfasse, festzustellen, dass diese Randnummer der angefochtenen Entscheidung zu den Feststellungen der Beschwerdekammer hinsichtlich der fehlenden durch Benutzung erlangten Unterscheidungskraft gehört. Gegen diese Beurteilung auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 hat die Klägerin jedoch keinen Klagegrund geltend gemacht. Jedenfalls ist das Vorbringen der Klägerin, soweit damit dargetan werden soll, dass ihre Produktpalette medizinische Produkte einschließe, für die Prüfung der originären Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke unerheblich.

98      Da die von der Klägerin vor dem Gericht vorgetragenen Argumente (vgl. oben, Rn. 38 und 39) in Bezug auf die beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5 die von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilungen nicht in Frage stellen können, ist nach alledem festzustellen, dass die Beschwerdekammer zu Recht die Auffassung vertreten hat, dass die angemeldete Marke für diese Waren keine Unterscheidungskraft habe.

99      Folglich sind auch die Rügen der Klägerin hinsichtlich der beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5 zurückzuweisen.

100    Demnach ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 95 der Verordnung 2017/1001

101    Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe sich unter Verstoß gegen Art. 95 der Verordnung 2017/1001 mit ihren Argumenten zum Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise, zur Wahrnehmung der in Rede stehenden Form durch diese Verkehrskreise als ungewöhnlich und unerwartet und zu den besonderen Marktgegebenheiten sowie mit den von ihr vorgelegten Unterlagen nicht oder fehlerhaft auseinandergesetzt. Die Beschwerdekammer hätte jedes von den Beteiligten rechtzeitig vorgebrachte Argument berücksichtigen müssen.

102    Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

103    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es in Art. 95 der Verordnung 2017/1001 heißt:

„(1)      In dem Verfahren vor dem [EUIPO] ermittelt das [EUIPO] den Sachverhalt von Amts wegen. Soweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse handelt, ist das [EUIPO] bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt. In Nichtigkeitsverfahren nach Artikel 59 beschränkt das Amt seine Prüfung auf die von den Beteiligten angeführten Gründe und Argumente.

(2)      Das [EUIPO] braucht Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen.“

104    Erstens ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin darauf hinzuweisen, dass von den Beschwerdekammern nicht verlangt werden kann, bei ihren Ausführungen alle von den Verfahrensbeteiligten vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln (Urteil vom 14. Februar 2019, Torro Entertainment/EUIPO – Grupo Osborne [TORRO Grande MEAT IN STYLE], T‑63/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:89, Rn. 74).

105    Dass bestimmte von der Klägerin angeführte Gesichtspunkte in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt worden sein sollen, lässt daher für sich genommen nicht den Schluss zu, dass diese Beweise von der Beschwerdekammer nicht berücksichtigt worden wären.

106    Zweitens ist zum einen festzustellen, dass die Klägerin im vorliegenden Fall der Beschwerdekammer zu Unrecht vorwirft, unter Verstoß gegen Art. 95 der Verordnung 2017/1001 die vorgetragenen Argumente oder die zu deren Stützung vorgelegten Unterlagen nicht berücksichtigt zu haben. Wie sich nämlich aus den im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes getroffenen Feststellungen ergibt, hat die Beschwerdekammer die von der Klägerin vorgebrachten Argumente und Beweise berücksichtigt, ist aber zu dem der Schlussfolgerung der Klägerin entgegengesetzten Ergebnis gelangt, dass es der angemeldeten Marke an Unterscheidungskraft mangele. Die von der Klägerin behauptete Nichtberücksichtigung entbehrt daher der tatsächlichen Grundlage. Soweit die Klägerin zum anderen auch geltend macht, dass Argumente und Dokumente nicht ordnungsgemäß berücksichtigt worden seien, genügt der Hinweis, dass die sich aus Art. 95 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 ergebende Verpflichtung des EUIPO von der sachlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu unterscheiden ist. Die betreffende Rüge der Klägerin, die sich auf die sachliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bezieht, kann daher keinen Verstoß gegen diese Bestimmung erkennen lassen.

107    Folglich ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen und die Klage demnach insgesamt abzuweisen.

 Kosten

108    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Eos Products Sàrl trägt die Kosten.

Marcoulli

Frimodt Nielsen

Iliopoulos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. September 2021.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      M. van der Woude


* Verfahrenssprache: Deutsch.