Language of document : ECLI:EU:T:2022:713


URTEIL DES GERICHTS (Siebte erweiterte Kammer)

16. November 2022(*)

„Staatliche Beihilfen – Niederländisches Gesetz über das Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung – Vorzeitige Stilllegung eines Kohlekraftwerks – Gewährung einer Entschädigung – Beschluss, keine Einwände zu erheben – Beschluss, mit dem die Entschädigung für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Fehlende ausdrückliche Einstufung als ‚staatliche Beihilfe‘ – Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlung – Zulässigkeit – Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2015/1589 – Rechtssicherheit“

In der Rechtssache T‑469/20,

Königreich der Niederlande, vertreten durch M. Bulterman, M. de Ree und J. Langer als Bevollmächtigte,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch H. van Vliet, B. Stromsky und D. Recchia als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos, des Richters V. Valančius (Berichterstatter), der Richterin I. Reine sowie der Richter L. Truchot und M. Sampol Pucurull,

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        der von der Kommission mit gesondertem Schriftsatz, der am 5. Oktober 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, erhobenen Einrede der Unzulässigkeit nach Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts,

–        des Beschlusses vom 23. Februar 2021, die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorzubehalten,

auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2022

folgendes

Urteil

1        Mit seiner auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragt das Königreich der Niederlande die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2020) 2998 final der Kommission vom 12. Mai 2020 über die staatliche Beihilfe SA.54537 (2020/NN) – Niederlande, Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung in den Niederlanden (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 27. März 2019 übermittelten die niederländischen Behörden der Europäischen Kommission gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015, L 241, S. 1) den Entwurf der Wet verbod op kolen bij elektriciteitsproductie (Gesetz über das Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung, im Folgenden: Gesetz).

3        In Bezug auf dieses Gesetz, das eine Verringerung der Kohlendioxid‑Emissionen (CO2) in den Niederlanden bezweckt und die Möglichkeit vorsieht, einen Ausgleich für den Schaden zu gewähren, der einem Kraftwerk entsteht, das im Vergleich zu anderen Kraftwerken durch das Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt wird, erfolgte keine Unterrichtung der Kommission nach Art. 108 Abs. 3 AEUV.

4        Nachdem das Königreich der Niederlande die Kommission jedoch gemäß der Richtlinie 2015/1535 von diesem Gesetzesvorhaben informiert hatte, begann die Kommission von sich aus mit der Prüfung der Informationen bezüglich einer mutmaßlichen Beihilfe und ersuchte die niederländischen Behörden am 4. Juni, 25. Juni, 2. August und 23. September 2019 um zusätzliche Auskünfte. Das Königreich der Niederlande beantwortete die Ersuchen der Kommission am 13. Juni, 18. Juli, 30. August, 8. Oktober, 29. November und 1. Dezember 2019 sowie am 10. März 2020.

5        In diesem Schriftwechsel betonte das Königreich der Niederlande wiederholt, dass die im Gesetz vorgesehene Ausgleichszahlung ausdrücklich auf die Schäden beschränkt sei, die durch das Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung verursacht würden, und dass dies keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle.

6        Das Gesetz wurde am 11. Dezember 2019 vom Königreich der Niederlande erlassen und trat am 20. Dezember 2019 in Kraft.

7        Zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes gab es in den Niederlanden fünf Kohlekraftwerke, und zwar Amercentrale 9, Eemshaven A/B, Engie Maasvlakte, MPP3 und Hemweg 8 (im Folgenden: Hemweg).

8        Nach den Art. 3 und 3a des Gesetzes kommt das Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung nach Maßgabe der Rentabilität des jeweiligen Kraftwerks, der Verwendung von Biomasse und des Stromertrags schrittweise zur Anwendung. Das komplette Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung gilt spätestens ab 1. Januar 2030.

9        Für vier der fünf Kraftwerke wurde eine Übergangszeit von fünf bis zehn Jahren festgelegt, womit ihnen ermöglicht wurde, getätigte Investitionen zu amortisieren, auf einen anderen Rohstoff umzusteigen oder die Schließung vorzubereiten.

10      Für Hemweg, das keine Biomasse verbrannte, keine erneuerbaren Energien erzeugte und den niedrigsten Ertrag der fünf Kraftwerke lieferte, gab es keine Übergangszeit. Nach Art. 3a des Gesetzes hätte es die Verwendung von Kohle ab dem 1. Januar 2020 einstellen müssen. Da es für dieses Kraftwerk nicht möglich war, auf einen anderen Rohstoff umzusteigen, musste es Ende 2019 geschlossen werden.

11      Art. 4 des Gesetzes sieht die Möglichkeit vor, einem Kraftwerk, das im Vergleich zu anderen Kraftwerken von dem Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung unverhältnismäßig beeinträchtigt ist, eine Ausgleichszahlung zu gewähren.

12      Nach Angaben der niederländischen Regierung wurde Art. 4 erlassen, weil das Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung einen Eingriff in das Eigentumsrecht im Sinne von Art. 1 des Protokolls Nr. 1 zur am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) darstelle, sowie aufgrund der Anforderungen des Grundsatzes der Gleichbehandlung an die öffentlichen Abgaben, wobei das Ziel insbesondere darin bestehe, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem vom Staat verfolgten Allgemeininteresse und den individuellen Interessen der betroffenen Kraftwerke herzustellen.

13      Da es für Hemweg keine Übergangszeit gegeben habe, sei es durch die äußerst kurzfristige Einführung des Verbots der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung sehr unverhältnismäßig beeinträchtigt worden. Um das von der EMRK geforderte angemessene Gleichgewicht zu gewährleisten, wandten sich die niederländischen Behörden an die Vattenfall NV, die Betreiberin von Hemweg, um die Informationen zu erhalten, die sie für die Abschätzung des Umfangs des Schadens und für die Ermittlung der Höhe der aufgrund der vorzeitigen Stilllegung geschuldeten Ausgleichszahlung benötigten.

14      Nach einer in Zusammenarbeit mit einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft durchgeführten Analyse gewährte der niederländische Minister für Wirtschaft und Klima Vattenfall mit Entscheidung vom 20. Dezember 2019 eine Entschädigung in Höhe von 52,5 Mio. Euro (im Folgenden: in Rede stehende Maßnahme).

15      Am 12. Mai 2020 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss, mit dem sie die in Rede stehende Maßnahme gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärte.

16      In Rn. 40 des angefochtenen Beschlusses vertrat die Kommission die Auffassung, dass das Gesetz „die Eigentumsrechte von Vattenfall beeinträchtig[e], indem es Vattenfall verpflicht[e], Hemweg vorzeitig stillzulegen, um die CO2‑Emissionen im öffentlichen Interesse zu verringern“. Sie ging außerdem davon aus, dass „ein nationales [niederländisches] Gericht [Vattenfall] daher wahrscheinlich eine Ausgleichszahlung gewähren wird“.

17      Was das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe betrifft kam die Kommission in Rn. 48 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass „angesichts der von den niederländischen Behörden vorgelegten Informationen nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden [könne], dass in dieser Sache ein Anspruch auf eine Ausgleichzahlung in Höhe von 52,5 Mio. Euro besteh[e]“. Sie folgerte daraus, dass „nicht ausgeschlossen werden [könne], dass die fragliche Maßnahme eine staatliche Beihilfe an das betreffende Unternehmen darstell[e]“.

18      Die Kommission stellte in Rn. 49 des angefochtenen Beschlusses aber auch fest, dass „im vorliegenden Fall jedoch keine abschließenden Schlussfolgerungen in Bezug auf die Frage zu ziehen [seien], ob die Maßnahme dem Betreiber einen Vorteil verschaff[e] und daher eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstell[e], da selbst bei Vorliegen einer staatlichen Beihilfe davon auszugehen [sei], dass die Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar [sei]“.

 Anträge der Parteien

19      Das Königreich der Niederlande beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss aufzuheben;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

20      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig oder als unbegründet abzuweisen;

–        dem Königreich der Niederlande die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zulässigkeit

21      In ihrer Einrede der Unzulässigkeit weist die Kommission zunächst darauf hin, dass sie nicht auf die Frage eingegangen sei, ob die in Rede stehende Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstelle, da es keine unionsrechtliche Bestimmung gebe, die sie verpflichte, ausdrücklich über die Einstufung der Maßnahme zu entscheiden.

22      Sodann zieht sie unter Bezugnahme zum einen auf den Beschluss vom 28. Januar 2004, Niederlande/Kommission (C‑164/02, EU:C:2004:54), und zum anderen auf das Urteil vom 8. September 2011, Kommission/Niederlande (C‑279/08 P, EU:C:2011:551), die beiden folgenden Schlussfolgerungen. Erstens könne ein Mitgliedstaat, wenn er eine Beihilferegelung anmelde und nicht bestreite, dass es sich um eine Beihilfe handele, keine Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der Kommission erheben, mit dem diese Regelung für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werde. Zweitens könne der Mitgliedstaat, wenn er die Kommission ausdrücklich auffordere, das Nichtvorliegen einer Beihilfe festzustellen, sie aber zum Ergebnis gelange, dass eine mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilferegelung vorliege, eine Nichtigkeitsklage erheben, weil dieser Beschluss Rechtswirkungen erzeuge, da die Beihilferegelung der ständigen Überwachung durch die Kommission unterliege.

23      Zum einen habe das Königreich der Niederlande die fragliche Maßnahme indes weder angemeldet noch die Kommission aufgefordert, das Nichtvorliegen einer Beihilfe festzustellen. Zum anderen betreffe der angefochtene Beschluss keine Beihilferegelung, sondern die Leistung einer einmaligen Entschädigung an ein einziges Unternehmen; die Zahlung sei im Übrigen bereits erfolgt.

24      Zu den Rechtswirkungen des angefochtenen Beschlusses gegenüber Vattenfall trägt die Kommission schließlich vor, dass die in Rede stehende Maßnahme, wenn sie als Beihilfe zu betrachten sei, eine bestehende Beihilfe darstelle, da es sich um eine von ihr genehmigte Einzelbeihilfe im Sinne von Art. 1 Buchst. b Ziff. ii der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV (ABl. 2015, L 248, S. 9) handele. Vattenfall müsse nicht während eines Zeitraums von mindestens zehn Jahren befürchten, dass der Hauptbetrag der ihr gewährten Entschädigung zuzüglich Zinsen gemäß den Art. 16 und 17 der Verordnung 2015/1589 zurückgefordert werde, da diese Artikel nur auf Fälle rechtswidriger Beihilfen anwendbar seien, was auf die in Rede stehende Maßnahme nicht zutreffe, da die Kommission sie für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt habe.

25      Daher erzeuge der angefochtene Beschluss für das Königreich der Niederlande keine verbindliche Rechtswirkung.

26      Das Königreich der Niederlande tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

27      Nach ständiger Rechtsprechung sind mit der Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV unabhängig von ihrer Form alle von den Organen erlassenen Bestimmungen anfechtbar, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen (vgl. Urteil vom 26. März 2019, Kommission/Italien, C‑621/16 P, EU:C:2019:251, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Insoweit unterscheidet Art. 263 AEUV deutlich zwischen dem Klagerecht der Unionsorgane und der Mitgliedstaaten einerseits und dem natürlicher und juristischer Personen andererseits. Art. 263 Abs. 2 räumt u. a. den Mitgliedstaaten die Befugnis ein, die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der Kommission durch eine Nichtigkeitsklage anzufechten, ohne dass die Ausübung dieses Rechts davon abhängt, dass ein Rechtsschutzinteresse dargetan wird. Ein Mitgliedstaat muss im Gegensatz zu natürlichen und juristischen Personen für die Zulässigkeit seiner Klage daher nicht dartun, dass ein von ihm angefochtener Rechtsakt der Kommission ihm gegenüber rechtliche Wirkungen erzeugt. Ein Rechtsakt der Kommission kann jedoch nur dann mit der Nichtigkeitsklage angefochten werden, wenn er verbindliche Rechtswirkungen erzeugen soll (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 27. November 2001, Portugal/Kommission, C‑208/99, EU:C:2001:638, Rn. 22 bis 24, und Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 36 bis 38), wobei für diese Beurteilung auf sein Wesen abzustellen ist (vgl. Urteil vom 22. Juni 2000, Niederlande/Kommission, C‑147/96, EU:C:2000:335, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Ob eine Handlung geeignet ist, Rechtswirkungen zu erzeugen und damit Gegenstand einer Nichtigkeitsklage auf der Grundlage von Art. 263 AEUV zu sein, ist anhand objektiver Kriterien zu beurteilen, wie z. B. des Inhalts der Handlung, wobei gegebenenfalls der Zusammenhang ihres Erlasses sowie die Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs zu berücksichtigen sind (Urteil vom 25. Oktober 2017, Slowakei/Kommission, C‑593/15 P und C‑594/15 P, EU:C:2017:800, Rn. 47).

30      Aus der Rechtsprechung zu staatlichen Beihilfen geht hervor, dass ein auf Art. 107 Abs. 1 und 3 AEUV gestützter Beschluss, mit dem eine Maßnahme als staatliche Beihilfe eingestuft und für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird, als eine nach Art. 263 AEUV anfechtbare Handlung anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2011, Kommission/Niederlande, C‑279/08 P, EU:C:2011:551, Rn. 42, vom 25. März 2015, Belgien/Kommission, T‑538/11, EU:T:2015:188, Rn. 53, und vom 28. Januar 2016, Österreich/Kommission, T‑427/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:41, Rn. 36).

31      Zwar ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall im angefochtenen Beschluss nicht über das Vorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV entschieden wird, was die Kommission im Übrigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Rn. 48 des angefochtenen Beschlusses ist nämlich zu entnehmen, dass die Kommission nicht ausgeschlossen hat, dass Vattenfall durch die fragliche Maßnahme eine staatliche Beihilfe gewährt wird. In Rn. 4 dieses Beschlusses hat die Kommission aber auch nicht ausdrücklich festgestellt, dass diese Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen sei, zugleich aber entschieden, dass diese Maßnahme mit Art. 107 Abs. 3 AEUV vereinbar sei.

32      Ebenso wie ein Beschluss der Kommission, mit dem die betreffende Maßnahme als staatliche Beihilfe eingestuft und zugleich für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird, hat der angefochtene Beschluss jedoch zur Folge, dass die in Rede stehende Maßnahme, die lediglich nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen wird, von der Kommission genehmigt wird und somit gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV durchgeführt werden kann.

33      Die Kommission hat also mit dem angefochtenen, auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 erlassenen Beschluss entschieden, das von ihr in Gang gesetzte Vorprüfungsverfahren zu beenden, und es implizit abgelehnt, das in Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehene förmliche Prüfverfahren (im Folgenden: förmliches Prüfverfahren) einzuleiten. Sie hat daher einen endgültigen Standpunkt zur Vereinbarkeit der in Rede stehenden Maßnahme mit dem Binnenmarkt eingenommen, was verbindliche Rechtswirkungen erzeugt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2010, Athinaïki Techniki/Kommission, C‑362/09 P, EU:C:2010:783, Rn. 65 und 66).

34      Folglich ist die vorliegende Klage für zulässig zu erklären, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die verbindlichen Rechtswirkungen, die der angefochtene Beschluss erzeugt, geeignet sind, die Interessen des Königreichs der Niederlande zu beeinträchtigen.

 Begründetheit

35      Das Königreich der Niederlande stützt seine Klage auf fünf Klagegründe. Mit ihnen rügt es erstens einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV in Bezug auf das Vorliegen eines Vorteils, zweitens eine fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV in Bezug auf die Beweislast, drittens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht, viertens eine fehlende Befugnis der Kommission, eine Maßnahme nach Art. 107 Abs. 3 AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären, ohne sie zuvor als Beihilfe eingestuft zu haben, und fünftens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.

36      Die ersten drei Klagegründe werden für den Fall geltend gemacht, dass der angefochtene Beschluss dahin zu verstehen sein sollte, dass er zwangsläufig die Einstufung der in Rede stehenden Maßnahme als Beihilfe impliziert. Die beiden anderen Klagegründe richten sich gegen den angefochtenen Beschluss, soweit darin nicht entschieden wird, ob die fragliche Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt.

37      Die Kommission hat hier, wie oben in Rn. 31 festgestellt, im angefochtenen Beschluss nicht entschieden, ob die in Rede stehende Maßnahme eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. Daher sind der vierte und der fünfte Klagegrund zusammen zu prüfen.

38      Hierzu trägt das Königreich der Niederlande erstens vor, dass der Systematik von Art. 107 AEUV zu entnehmen sei, dass nur staatliche Beihilfen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden könnten.

39      Diese Auslegung werde durch Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 gestützt, wonach die Kommission eine Maßnahme für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären könne, soweit sie in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV falle.

40      Die Kommission habe aber nicht festgestellt, dass die in Rede stehende Maßnahme, die sie für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt habe, eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle und daher in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung falle.

41      Das Königreich der Niederlande leitet daraus ab, dass die Kommission ihre Befugnisse überschritten habe.

42      Zweitens habe die Kommission dadurch, dass sie nicht entschieden habe, ob die in Rede stehende Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen sei, eine Rechtsunsicherheit geschaffen. Die im Licht des Grundsatzes der Rechtssicherheit aufgestellten Erfordernisse der Klarheit und der Vorhersehbarkeit seien nur erfüllt, wenn die Kommission ausdrücklich entscheide, ob die fragliche Maßnahme eine Beihilfe darstelle oder nicht.

43      Die Kommission entgegnet, dass weder Art. 107 Abs. 3 AEUV noch Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 zu entnehmen sei, dass sie nicht eine Maßnahme für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären dürfe, ohne endgültig darüber zu entscheiden, ob diese Maßnahme eine Beihilfe darstelle oder nicht. Vielmehr müsse sie, wenn die Maßnahme keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit gebe, gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 beschließen, dass die Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV zum alleinigen Zweck, festzustellen, ob eine Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstelle, liefe dem Geist dieser Bestimmung zuwider.

44      Diese Auslegung werde durch Art. 4 Abs. 4 der Verordnung 2015/1589 bestätigt, wonach die Kommission das förmliche Prüfverfahren nur eröffnen könne, wenn sie nach einer vorläufigen Prüfung feststelle, dass die angemeldete Maßnahme Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gebe.

45      Außerdem erlaube es Art. 4 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 der Kommission nicht, zu entscheiden, dass die in Rede stehende Maßnahme keine Beihilfe darstelle, wenn sie nach der vorläufigen Prüfung nicht tatsächlich zu diesem Ergebnis gelangt sei.

46      Für die Beteiligten sei es manchmal effizienter und vorteilhafter, wenn die Kommission eine Maßnahme für mit dem Binnenmarkt vereinbar erkläre, ohne ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 4 Abs. 4 der Verordnung 2015/1589 durchzuführen, um festzustellen, ob die Maßnahme eine Beihilfe darstelle.

47      Daher wende die Kommission in einer solchen Situation den Grundsatz der guten Verwaltung an, wenn sie beschließe, keine Einwände gegen eine Maßnahme zu erheben, die nicht ohne Weiteres als Beihilfe eingestuft werden könne.

48      Der angefochtene Beschluss schaffe Rechtssicherheit für das Königreich der Niederlande und für Vattenfall, da er der Ungewissheit über die Rechtmäßigkeit der Beihilfe, über die etwaige Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens und über die etwaige Rückforderung eines Teils der im Rahmen der in Rede stehenden Maßnahme an Vattenfall geleisteten Entschädigung ein Ende bereitet habe.

49      Insoweit ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass die Kommission den angefochtenen Beschluss auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 erlassen hat und im verfügenden Teil zu dem Ergebnis gelangt ist, dass „die [in Rede stehende Maßnahme] gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c [AEUV] mit dem Binnenmarkt vereinbar [sei]“.

50      Nach Auffassung der Kommission ist sie weder gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV noch gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 verpflichtet, abschließend festzustellen, dass eine Maßnahme eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, bevor sie diese Maßnahme als mit dem Binnenmarkt vereinbar ansehen könne.

51      Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind, soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

52      Nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV können abweichend vom Verbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV „Beihilfen“ zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

53      Die Verwendung des Begriffs „Beihilfe“ in Art. 107 Abs. 3 AEUV impliziert, dass die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Binnenmarkt erst geprüft werden kann, nachdem diese Maßnahme als Beihilfe eingestuft worden ist.

54      Wenn die Kommission nach Abschluss der Vorprüfungsphase nicht die Überzeugung gewinnen kann, dass eine staatliche Maßnahme keine „Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt oder dass sie, wenn sie als Beihilfe eingestuft wird, mit dem Vertrag vereinbar ist, oder wenn dieses Verfahren es ihr nicht erlaubt hat, alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Beurteilung der Vertragskonformität der betroffenen Maßnahme auszuräumen, ist sie nach ständiger Rechtsprechung zudem verpflichtet, das Verfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen, ohne hierbei über einen Ermessensspielraum zu verfügen (vgl. Urteil vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission, C‑487/06 P, EU:C:2008:757, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Aus alledem ergibt sich, dass nur eine Maßnahme, die in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt, also eine als staatliche Beihilfe eingestufte Maßnahme, von der Kommission als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden kann.

56      Dieses Ergebnis wird im Übrigen durch die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung 2015/1589 gestützt.

57      Art. 4 der Verordnung 2015/1589 sieht nämlich vor:

„(1)      Die Kommission prüft die Anmeldung unmittelbar nach deren Eingang. Unbeschadet des Artikels 10 erlässt die Kommission einen Beschluss nach den Absätzen 2, 3 oder 4 des vorliegenden Artikels.

(2)      Gelangt die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung zu dem Schluss, dass die angemeldete Maßnahme keine Beihilfe darstellt, so stellt sie dies durch Beschluss fest.

(3)      Stellt die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung fest, dass die angemeldete Maßnahme, insoweit sie in den Anwendungsbereich des Artikels 107 Absatz 1 AEUV fällt, keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gibt, so beschließt sie, dass die Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar ist …

(4)      Stellt die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung fest, dass die angemeldete Maßnahme Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gibt, so beschließt sie, das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV zu eröffnen …“

58      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs führt Art. 4 der Verordnung 2015/1589 eine vorläufige Prüfung von Beihilfemaßnahmen ein, die es der Kommission ermöglichen soll, sich eine erste Meinung über die zu prüfende Maßnahme zu bilden. Am Ende dieses Verfahrens stellt die Kommission fest, dass die in Rede stehende staatliche Maßnahme entweder keine „Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt oder in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt. In diesem letzteren Fall kann die Maßnahme keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt geben oder aber im Gegenteil solche Bedenken aufwerfen. Stellt die Kommission nach der Vorprüfung fest, dass die angemeldete Maßnahme, soweit sie in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt, keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gibt, erlässt sie nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 einen Beschluss, keine Einwände zu erheben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, EU:C:2011:341, Rn. 43 und 44).

59      Daraus folgt, dass Art. 4 der Verordnung 2015/1589, der im vorliegenden Fall gemäß deren Art. 15 Abs. 1 auf Beschlüsse der Kommission zu rechtswidrigen Beihilfen anwendbar ist, also eine abschließende Liste der Beschlüsse enthält, die die Kommission nach Abschluss der Vorprüfung der in Rede stehenden nationalen Maßnahme erlassen kann. Diese Bestimmung umfasst nicht die Möglichkeit, einen Beschluss zu erlassen, mit dem eine nationale Maßnahme für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird, ohne dass die Kommission zuvor über die Einstufung dieser Maßnahme als staatliche Beihilfe entschieden hat. Insbesondere sieht Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 vor, dass die Kommission eine Maßnahme für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären kann, „insoweit sie in den Anwendungsbereich des Artikels 107 Absatz 1 AEUV fällt“.

60      Im vorliegenden Fall steht indes fest, dass die Kommission Zweifel an der Einstufung der in Rede stehenden Maßnahme als Beihilfe hatte – was sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat –, so dass sie im Anschluss an und trotz eines umfassenden Schriftwechsels zwischen dem Königreich der Niederlande und ihren Dienststellen während des Verwaltungsverfahrens beschlossen hat, diese Frage im angefochtenen Beschluss nicht zu entscheiden, gleichzeitig aber festzustellen, dass die in Rede stehende Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.

61      Nach alledem hat die Kommission einen Beschluss erlassen, der sowohl gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV als auch gegen Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 verstößt.

62      Folglich hat sie dadurch, dass sie im angefochtenen Beschluss die in Rede stehende Maßnahme als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen hat, ohne vorab zu entscheiden, ob eine solche Maßnahme eine Beihilfe darstellt, ihre Befugnisse überschritten.

63      Als Zweites soll der Grundsatz der Rechtssicherheit, der Teil der Unionsrechtsordnung ist, die Vorhersehbarkeit der unter das Unionsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten und verlangt, dass jeder Verwaltungsakt, der Rechtswirkungen entfaltet, klar und deutlich ist, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und ihre Vorkehrungen entsprechend treffen können (vgl. Urteil vom 28. April 2021, Correia/EWSA, T‑843/19, EU:T:2021:221, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 30. November 2009, Frankreich und France Télécom/Kommission, T‑427/04 und T‑17/05, EU:T:2009:474, Rn. 300 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Im vorliegenden Fall trifft es zu, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die in Rede stehende Maßnahme für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt hat. Es erfolgte jedoch keine Einstufung dieser Maßnahme, obwohl sich aus der vorstehenden Rn. 63 ergibt, dass dies eine notwendige Voraussetzung für die Prüfung der Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit dem Binnenmarkt darstellt.

65      Außerdem ergibt sich erstens aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass in einer Situation, in der die Kommission zu einer unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV durchgeführten Beihilfe einen abschließenden Beschluss erlassen hat, mit dem die Beihilfe gemäß Art. 107 AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird, das nationale Gericht nach Unionsrecht verpflichtet ist, dem Beihilfeempfänger aufzugeben, für die Dauer der Rechtswidrigkeit dieser Beihilfe Zinsen zu zahlen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Februar 2008, CELF und Ministre de la Culture et de la Communication, C‑199/06, EU:C:2008:79, Rn. 52 und 55). Für den Fall, dass Wettbewerber von Vattenfall vor den nationalen Gerichten die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Maßnahme in Frage stellen sollten und diese sie als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einstuften, ergäbe sich daraus wegen fehlender Anmeldung der in Rede stehenden Maßnahme bei der Kommission ein Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV und müsste das Königreich der Niederlande von Vattenfall für die Dauer der Rechtswidrigkeit Zinsen verlangen.

66      Zweitens hat die fehlende Einstufung der in Rede stehenden Maßnahme für das Königreich der Niederlande hinsichtlich der Gewährung einer neuen Beihilfe nach den Vorschriften über die Kumulierung von Beihilfen gemäß den Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014‑2020 (2014/C 200/01) (ABl. 2014, C 200, S. 1, im Folgenden: Leitlinien) und der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 [AEUV] (ABl. 2014, L 187, S. 1) zu einer unsicheren Situation geführt.

67      Nach Art. 8 („Kumulierung“) dieser Verordnung werden für die geförderte Tätigkeit, das geförderte Vorhaben oder das geförderte Unternehmen nämlich die insgesamt gewährten staatlichen Beihilfen berücksichtigt.

68      Nach Rn. 81 der Leitlinien können Beihilfen auf der Grundlage mehrerer Beihilferegelungen gleichzeitig gewährt oder mit Ad-hoc-Beihilfen kumuliert werden, sofern der Gesamtbetrag der staatlichen Beihilfen für eine Tätigkeit oder ein Vorhaben die in diesen Leitlinien festgesetzten Beihilfeobergrenzen nicht übersteigt.

69      Somit könnten die geltenden Kumulierungsvorschriften das Königreich der Niederlande beeinträchtigen, falls es beabsichtigen sollte, Vattenfall eine Beihilfe für die erneute Nutzung von Hemweg zu gewähren.

70      Es kann daher im Ergebnis nicht festgestellt werden, dass es dem Königreich der Niederlande als Adressat des angefochtenen Beschlusses möglich ist, auf der Grundlage dieses Beschlusses seine Rechte und Pflichten genau zu kennen und entsprechend zu handeln.

71      Unter diesen Umständen ist zu urteilen, dass die Kommission dadurch, dass sie nicht entschieden hat, ob die in Rede stehende Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen ist, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen hat.

72      Nach alledem ist dem vierten und dem fünften Klagegrund stattzugeben und der angefochtene Beschluss daher für nichtig zu erklären, ohne dass es einer Entscheidung über die übrigen vom Königreich der Niederlande geltend gemachten Klagegründe bedarf.

 Kosten

73      Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Königreichs der Niederlande die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss C(2020) 2998 final der Kommission vom 12. Mai 2020 über die staatliche Beihilfe SA.54537 (2020/NN) – Niederlande, Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung in den Niederlanden, wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

da Silva Passos

Valančius

Reine

Truchot

 

      Sampol Pucurull

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. November 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Niederländisch.