Language of document : ECLI:EU:T:2022:723

URTEIL DES GERICHTS (Siebte erweiterte Kammer)

23. November 2022(*)

„Nichtigkeits- und Schadensersatzklage – Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Spannstahl – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Aussetzung der Verpflichtung zur Stellung einer Bankbürgschaft – Vorläufige Zahlungen in Raten – Urteil, mit dem der Beschluss teilweise für nichtig erklärt wird und eine Geldbuße in Höhe der ursprünglich verhängten Geldbuße festgesetzt wird – Anrechnung der vorläufigen Zahlungen – Verzugszinsen – Art. 266 Abs. 1 AEUV – Ungerechtfertigte Bereicherung – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht – Rückforderung zu viel gezahlter Beträge – Fehlen einer Rechtsgrundlage – Rechtswidrigkeit“

In der Rechtssache T‑275/20,

Westfälische Drahtindustrie GmbH mit Sitz in Hamm (Deutschland),

Westfälische Drahtindustrie Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG mit Sitz in Hamm,

Pampus Industriebeteiligungen GmbH & Co. KG mit Sitz in Iserlohn (Deutschland),

vertreten durch Rechtsanwälte O. Duys und N. Tkatchenko,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch P. Rossi und L. Mantl als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos, des Richters V. Valančius, der Richterin I. Reine sowie der Richter L. Truchot und M. Sampol Pucurull (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        der Klageschrift, die am 11. Mai 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,

–        der von der Kommission gemäß Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts mit gesondertem Schriftsatz, der am 13. August 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, erhobenen Einrede der Unzulässigkeit und der Unzuständigkeit,

–        des Beschlusses vom 1. Februar 2021, mit dem die Entscheidung über die Einrede dem Endurteil vorbehalten wurde,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von drei Wochen nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und der daher gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Entscheidung, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Die Klägerinnen – die Westfälische Drahtindustrie GmbH (im Folgenden: WDI), die Westfälische Drahtindustrie Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG (im Folgenden: WDI Verwaltung) und die Pampus Industriebeteiligungen GmbH & Co. KG (im Folgenden: Pampus) – beantragen mit ihrer Klage erstens, das Schreiben der Europäischen Kommission vom 2. März 2020, mit dem diese sie zur Zahlung von 12 236 931,69 Euro als Restbetrag der am 30. September 2010 gegen sie verhängten Geldbuße aufgefordert hat, gemäß Art. 263 AEUV für nichtig zu erklären, zweitens, festzustellen, dass die Geldbuße am 17. Oktober 2019 durch die Zahlung von 18 149 636,24 Euro vollständig erloschen ist, und drittens, die Kommission zu verurteilen, an WDI wegen ungerechtfertigter Bereicherung einen Betrag von 1 633 085,17 Euro nebst Zinsen seit dem 17. Oktober 2019 zu zahlen. Hilfsweise beantragen sie, die Kommission gemäß Art. 268 AEUV zu verurteilen, an sie den Betrag von 12 236 931,69 Euro, den die Kommission gegen WDI geltend gemacht hat, und den Überzahlungsbetrag von 1 633 085,17 Euro nebst Zinsen seit dem 17. Oktober 2019 bis zur vollständigen Erstattung des geschuldeten Betrags zu zahlen.

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerinnen sind Spannstahlanbieter.

3        Mit dem Beschluss K(2010) 4387 endg. der Kommission vom 30. Juni 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (COMP/38.344 – Spannstahl) (im Folgenden: Spannstahl-Beschluss) belangte die Kommission mehrere Unternehmen, darunter die Klägerinnen, wegen ihrer Beteiligung an einem Kartell auf dem Markt für Spannstahl. Sie verhängte gegen WDI eine Geldbuße in Höhe von 56 050 000 Euro, für die WDI Verwaltung und Pampus in Höhe von 45 600 000 bzw. 15 485 000 Euro gesamtschuldnerisch haften.

4        Diese Sanktion wurde mit Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 des Spannstahl-Beschlusses verhängt.

5        Im Verwaltungsverfahren hatten die Klägerinnen gemäß Ziff. 35 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) eine Ermäßigung der Geldbuße wegen fehlender Leistungsfähigkeit beantragt. In dieser Ziff. 35 der Leitlinien von 2006 heißt es:

„Unter außergewöhnlichen Umständen kann die Kommission auf Antrag die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens in einem gegebenen sozialen und ökonomischen Umfeld berücksichtigen. Die Kommission wird jedoch keine Ermäßigung wegen der bloßen Tatsache einer nachteiligen oder defizitären Finanzlage gewähren. Eine Ermäßigung ist nur möglich, wenn eindeutig nachgewiesen wird, dass die Verhängung einer Geldbuße gemäß diesen Leitlinien die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens unwiderruflich gefährden und ihre Aktiva jeglichen Wertes berauben würde.“

6        Die Kommission gab dem Antrag der Klägerinnen, die Geldbuße ausnahmsweise wegen fehlender Leistungsfähigkeit zu ermäßigen, im Spannstahl-Beschluss nicht statt.

7        Mit Klageschrift, die am 14. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die Klägerinnen Klage auf Nichtigerklärung und Abänderung des Spannstahl-Beschlusses. Die Rechtssache wurde unter der Nummer T‑393/10 in das Register eingetragen.

8        Mit dem Beschluss K(2010) 6676 endg. vom 30. September 2010 (im Folgenden: Beschluss vom 30. September 2010) änderte die Kommission den Spannstahl-Beschluss, insbesondere dessen Art. 2 Abs. 1 Nr. 8, um die gegen bestimmte Unternehmen verhängten Geldbußen herabzusetzen (im Folgenden zusammen mit dem Spannstahl-Beschluss: streitiger Beschluss). Die gegen WDI verhängte Geldbuße wurde auf 46 550 000 Euro festgesetzt. WDI Verwaltung und Pampus haften für die Geldbuße gesamtschuldnerisch in Höhe von 38 855 000 Euro bzw. 15 485 000 Euro.

9        Mit dem Beschluss vom 30. September 2010 wurde verfügt, dass die mit Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 des streitigen Beschlusses verhängten Geldbußen abweichend von Art. 2 Abs. 2 des Spannstahl-Beschlusses innerhalb von drei Monaten ab der Zustellung des Beschlusses vom 30. September 2010 zu zahlen sind und dass nach Ablauf dieser Frist automatisch Zinsen zu dem Zinssatz fällig werden, der von der Europäischen Zentralbank (EZB) für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte am ersten Tag des Monats, in dem der Beschluss vom 30. September 2010 erlassen worden ist, angewandt wird, zuzüglich 3,5 Prozentpunkte. Ferner wurde verfügt, dass, wenn ein Unternehmen, gegen das eine Geldbuße verhängt worden ist, Klage erhebt, das Unternehmen die Geldbuße spätestens bis zum Fälligkeitsdatum entweder durch Bereitstellung einer Bankgarantie oder durch eine vorläufige Zahlung der Geldbuße gemäß Art. 85a Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1065/2002 des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2002, L 357, S. 1) decken muss.

10      Die Klägerinnen reichten bei der Kanzlei des Gerichts in der Rechtssache T‑393/10 am 3. Dezember 2010 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ein. Sie beantragten im Wesentlichen, die Vollziehung des streitigen Beschlusses bis zur Verkündung des Urteils in der Hauptsache auszusetzen.

11      Mit Schreiben vom 14. Februar 2011 lehnte der Generaldirektor der Generaldirektion (GD) Wettbewerb der Kommission einen erneuten Antrag der Klägerinnen, die Geldbuße wegen ihrer Leistungsfähigkeit zu ermäßigen, ab (im Folgenden: Schreiben vom 14. Februar 2011).

12      Mit Beschluss vom 13. April 2011, Westfälische Drahtindustrie u. a./Kommission (T‑393/10 R, EU:T:2011:178, im Folgenden: Beschluss über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes), gab der Präsident des Gerichts dem Antrag der Klägerinnen auf vorläufigen Rechtsschutz teilweise statt. Die Obliegenheit der Klägerinnen, zugunsten der Kommission eine Bankbürgschaft zu stellen, um die sofortige Beitreibung der Geldbußen zu vermeiden, wurde unter der Bedingung ausgesetzt, dass die Klägerinnen an die Kommission zum einen bis zum 30. Juni 2011 2 000 000 Euro entrichten und zum anderen vom 15. Juli 2011 an bis auf Weiteres, längstens aber bis zur Verkündung des Urteils in der Hauptsache, zum 15. jedes Monats monatliche Raten in Höhe von 300 000 Euro zahlen.

13      Mit Urteil vom 15. Juli 2015, Westfälische Drahtindustrie u. a./Kommission (T‑393/10, EU:T:2015:515, im Folgenden: Urteil vom 15. Juli 2015), hat das Gericht entschieden, dass die von der Kommission im streitigen Beschluss vorgenommene Feststellung, dass sich die Klägerinnen an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV beteiligt hätten, nicht zu beanstanden ist.

14      Das Gericht hat den streitigen Beschluss, soweit gegen die Klägerinnen eine Geldbuße verhängt wurde, sowie das Schreiben vom 14. Februar 2011 aber mit der Begründung für nichtig erklärt, dass der Kommission bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Rechtsmittelführerinnen Fehler unterlaufen seien.

15      In Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hat es die Klägerinnen, wie im Tenor des Urteils vom 15. Juli 2015 zum Ausdruck kommt, zur Zahlung einer Geldbuße verurteilt, deren Höhe der im angefochtenen Beschluss gegen sie verhängten Geldbuße entspricht.

16      Der Tenor des Urteils vom 15. Juli 2015 lautet:

„1.      In Höhe der im Beschluss … vom 30. September 2010 vorgenommenen Herabsetzung der Geldbuße [von WDI] und [von WDI Verwaltung] ist die vorliegende Klage in der Hauptsache erledigt.

2.      Art. 2 [Abs. 1] Nr. 8 des [streitigen] Beschlusses … wird für nichtig erklärt.

3.      Das Schreiben … vom 14. Februar 2011 wird für nichtig erklärt.

4.      [WDI], [WDI Verwaltung] und [Pampus] werden als Gesamtschuldner zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 15 485 000 Euro verurteilt.

5.      [WDI] und [WDI Verwaltung] werden als Gesamtschuldner zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 23 370 000 Euro verurteilt.

6.      [WDI] wird zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 7 695 000 Euro verurteilt.

7.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

8.      [WDI], [WDI Verwaltung] und [Pampus] tragen die Hälfte ihrer eigenen Kosten, einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten [von WDI], [von WDI Verwaltung] und [von Pampus], einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten.“

17      Gemäß dem Beschluss über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte WDI an die Kommission in dem Zeitraum vom 29. Juni 2011 bis zum 16. Juni 2015 vorläufig insgesamt 16 400 000 Euro gezahlt.

18      Nach Verkündung des Urteils vom 15. Juli 2015 setzten sich die Rechtsanwälte der Klägerinnen mit der GD Haushalt der Kommission in Verbindung, um einen einvernehmlichen Zahlungsplan zur Begleichung der mit den Nrn. 4 bis 6 des Tenors des Urteils festgesetzten Geldbußen zu vereinbaren. Dabei ergaben sich Meinungsverschiedenheiten über den Zeitpunkt, ab dem auf die Geldbußen Zinsen zu zahlen seien. Die Klägerinnen vertraten die Auffassung, dass Zinsen ab Verkündung des Urteils vom 15. Juli 2015 zu zahlen seien, während sich die GD Haushalt auf den Standpunkt stellte, dass Zinsen ab dem Zeitpunkt zu zahlen seien, der sich aus Art. 2 Abs. 2 und 3 des streitigen Beschlusses ergebe, d. h., was die Klägerinnen betrifft, nach Ablauf von drei Monaten ab Zustellung des Beschlusses vom 30. September 2010. Dieser Standpunkt kam auch in einer E‑Mail der GD Haushalt vom 12. August 2015 zum Ausdruck, mit der auf eine E‑Mail des Vertreters der Klägerinnen vom 5. August 2015 geantwortet wurde. Er wurde in einer Besprechung, die am 4. September 2015 zwischen der Kommission und WDI stattfand, bekräftigt.

19      Am 17. November 2015 legte WDI der Kommission einen Vorschlag für einen Plan für die Zahlung der Geldbuße bis zum 15. Dezember 2029 in Monatsraten von 300 000 Euro vor, bei dem Verzugszinsen ab dem 15. Januar 2011 in Höhe von 4,5 % zugrunde gelegt wurden.

20      Die Kommission übermittelte WDI am 27. November 2015 einen Plan für die Zahlung der Geldbuße in Raten bis zum 15. März 2030. Auch nach diesem Plan sollten Monatsraten in Höhe von 300 000 Euro gezahlt werden. In dem Plan wurde davon ausgegangen, dass die Forderung seit dem 4. Januar 2011 fällig war und Zinsen in Höhe von 4,5 % zu zahlen waren.

21      Die Klägerinnen legten gegen das Urteil vom 15. Juli 2015 ein Rechtsmittel ein. Sie wandten sich insbesondere dagegen, dass das Gericht bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht auf ihre Leistungsfähigkeit im Jahr 2010, sondern auf ihre Leistungsfähigkeit im Jahr 2015 abgestellt habe. Das Rechtsmittel wurde mit Beschluss vom 7. Juli 2016, Westfälische Drahtindustrie und Pampus Industriebeteiligungen/Kommission (C‑523/15 P, EU:C:2016:541), zurückgewiesen.

22      Daraufhin beantragten die Klägerinnen beim Gericht, das Urteil vom 15. Juli 2015 dahin auszulegen, dass Zinsen auf die in diesem Urteil verhängte Geldbuße ab Verkündung des Urteils zu zahlen sind. Sie beantragten hilfsweise, das Urteil vom 15. Juli 2015 zu berichtigen oder zu ergänzen, indem die Entscheidung über den Zinsbeginn nachgeholt wird.

23      Mit Beschluss vom 17. Mai 2018, Westfälische Drahtindustrie u. a./Kommission (T‑393/10 INTP, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:293), erklärte das Gericht diese Anträge für unzulässig. Zu dem Antrag auf Auslegung stellte das Gericht fest, dass sich ein solcher Antrag, um zulässig zu sein, auf einen im auszulegenden Urteil entschiedenen Punkt beziehen müsse. Die Frage des Zeitpunkts, ab dem im Fall einer aufgeschobenen Zahlung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen Verzugszinsen zu zahlen seien, sei im Urteil vom 15. Juli 2015 aber nicht behandelt worden. Die Klägerinnen hätten mit ihrem Antrag eine Stellungnahme zu den Folgen des Urteils vom 15. Juli 2015 erlangen wollen. Insoweit sei ein Auslegungsantrag gemäß Art. 168 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts aber nicht statthaft. Zu den beiden anderen Anträgen stellte das Gericht fest, dass sie verspätet seien.

24      Am 16. Oktober 2019 teilte WDI der Kommission mit, dass sie bereits 31 700 000 Euro gezahlt habe und dass sie nunmehr den gesamten noch ausstehenden Betrag der Geldbuße samt Zinsen zahlen werde, den sie mit 18 149 636,24 Euro bezifferte. Bei dieser Berechnung berücksichtigte WDI die angefallenen Zinsen seit dem 15. Oktober 2015, d. h. drei Monate nach der Verkündung des Urteils vom 15. Juli 2015, und wandte einen Zinssatz von 3,48 % an.

25      Am 17. Oktober 2019 überwies WDI jene 18 149 636,24 Euro auf das Bankkonto der Kommission. Damit waren auf die Geldbuße seit dem 29. Juni 2011 insgesamt 49 849 636,24 Euro gezahlt.

26      Mit Schreiben vom 2. März 2020 (im Folgenden: angefochtene Handlung) teilte die Kommission mit, dass sie den Standpunkt, den WDI in ihrem Schreiben vom 16. Oktober 2019 geäußert habe, nicht teile. Nach den Kriterien, die in dem Urteil vom 14. Juli 1995, CB/Kommission (T‑275/94, EU:T:1995:141) aufgestellt worden seien, seien Zinsen nicht ab dem Urteil vom 15. Juli 2015, sondern ab dem in dem streitigen Beschluss festgesetzten Zeitpunkt, dem 4. Januar 2011, zu zahlen, und zwar zu einem Zinssatz von 4,5 %. Die Kommission forderte WDI daher auf, an sie mit Wertstellungsdatum 31. März 2020 als Restschuld 12 236 931,69 Euro zu zahlen.

II.    Anträge der Parteien

27      In der Klageschrift beantragen die Klägerinnen,

–        die angefochtene Handlung für nichtig zu erklären

–        und infolgedessen festzustellen, dass die Kommission die von WDI an die Kommission im Zeitraum vom 29. Juni 2011 bis zum 16. Juni 2015 geleisteten Zahlungen (16 400 000 Euro) zuzüglich hierauf angefallener Zinsen (1 420 610 Euro), insgesamt also einen Betrag von 17 820 610 Euro, auf die vom Gericht mit dem Urteil vom 15. Juli 2015 eigenständig erlassene Geldbuße mit Wirkung zum 15. Juli 2015 anzurechnen hat und diese Geldbuße damit durch Zahlung von WDI vom 17. Oktober 2019 in Höhe von 18 149 636,24 Euro bereits vollständig erloschen ist;

–        die Kommission zu verurteilen, an WDI einen Betrag von 1 633 085,17 Euro nebst Zinsen seit dem 17. Oktober 2019 bis zur vollständigen Erstattung des geschuldeten Betrags zu zahlen;

–        hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den ersten drei Anträgen, die Europäische Union, vertreten durch die Kommission, zu verurteilen, an sie Schadensersatz in Höhe des mit der angefochtenen Handlung eingeforderten Betrags von 12 236 931,69 Euro zu leisten und an WDI 1 633 085,17 Euro nebst Zinsen seit dem 17. Oktober 2019 bis zur vollständigen Erstattung des geschuldeten Betrags zu zahlen;

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

28      In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit und der Unzuständigkeit beantragen die Klägerinnen,

–        den Anträgen aus der Klageschrift mit einem Versäumnisurteil nach Art. 123 der Verfahrensordnung des Gerichts stattzugeben;

–        hilfsweise, die Einrede der Unzulässigkeit und der Unzuständigkeit zurückzuweisen;

–        höchst hilfsweise, die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit und der Unzuständigkeit dem Endurteil vorzubehalten;

–        der Kommission die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

29      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig und hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Zum Antrag der Klägerinnen, den Klageanträgen durch Versäumnisurteil stattzugeben

30      In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit und der Unzuständigkeit beantragen die Klägerinnen, den Klageanträgen gemäß Art. 123 der Verfahrensordnung des Gerichts durch Versäumnisurteil stattzugeben. Die Kommission habe ihre Einrede nicht in der vorgeschriebenen Frist eingereicht.

31      Das Gericht habe ihnen mit Schreiben vom 26. Mai 2020 mitgeteilt, dass die Klageschrift der Beklagten zugestellt worden sei. Die Frist zur Einreichung der Einrede der Unzulässigkeit und der Unzuständigkeit habe somit am 5. August 2020 geendet. Die Einrede sei aber erst am 13. August 2020 eingereicht worden.

32      Nach Art. 123 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann der Kläger, wenn das Gericht feststellt, dass der Beklagte, gegen den ordnungsgemäß Klage erhoben ist, seine Klagebeantwortung nicht gemäß der in Art. 81 der Verfahrensordnung vorgeschriebenen Form und Frist eingereicht hat, beim Gericht Versäumnisurteil beantragen; Art. 45 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bleibt unberührt.

33      Eine Einrede der Unzulässigkeit oder der Unzuständigkeit, die vom Beklagten mit gesondertem Schriftsatz erhoben wird, ist nach Art. 81 in Verbindung mit Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Klageschrift einzureichen. Diese Frist wird nach Art. 60 der Verfahrensordnung um eine pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert.

34      Nach Art. 6 Abs. 2 des Beschlusses des Gerichts vom 11. Juli 2018 über die Einreichung und die Zustellung von Verfahrensschriftstücken im Wege der Anwendung e‑Curia (ABl. 2018, L 240, S. 72) werden die Empfänger der in dem Beschluss genannten Zustellungen per E‑Mail von jeder Zustellung benachrichtigt, die über e‑Curia an sie gerichtet wird. Nach Art. 6 Abs. 3 des Beschlusses ist das Verfahrensschriftstück zu dem Zeitpunkt zugestellt, zu dem der Empfänger (Vertreter oder Assistent) darauf zugreift. Wird nicht auf das Schriftstück zugegriffen, gilt es mit Ablauf des siebten Tages nach Übersendung der E‑Mail, mit der der Empfänger von einer Zustellung benachrichtigt wird, als zugestellt.

35      Im vorliegenden Fall hat das Gericht die Klägerin, da die Einrede der Unzulässigkeit und der Unzuständigkeit von der Kommission gemäß der vorgeschriebenen Frist eingereicht wurde, nicht aufgefordert, gemäß Art. 123 Abs. 1 der Verfahrensordnung zu der Möglichkeit, ihren Anträgen mit einem Versäumnisurteil stattzugeben, Stellung zu nehmen.

36      Wie sich aus dem e‑Curia-Bericht ergibt, hat die Kanzlei den Klägerinnen nämlich mit E‑Mail vom 2. Juni 2020 mitgeteilt, dass das oben in Rn. 31 erwähnte Schreiben vom 26. Mai 2020 mit der Anwendung e‑Curia zugestellt worden sei. Weiter hat die Kanzlei der Kommission mit E‑Mail vom 2. Juni 2020 mitgeteilt, dass ein Schreiben vom 26. Mai 2020 über die Anwendung e‑Curia übermittelt worden sei, mit dem die Klageschrift samt Anlagen zugestellt wurde. Die Kommission hat auf diese Dokumente über die Anwendung e‑Curia am 3. Juni 2020 zugegriffen. Die Frist von zwei Monaten und zehn Tagen, über die die Kommission für die Einreichung der Einrede der Unzulässigkeit und der Unzuständigkeit verfügte, begann gemäß Art. 6 Abs. 3 des Beschlusses des Gerichts vom 11. Juli 2018 über die Einreichung und die Zustellung von Verfahrensschriftstücken im Wege der Anwendung e‑Curia (siehe oben, Rn. 34) an diesem Tag zu laufen. Da die Einrede der Unzulässigkeit und der Unzuständigkeit am 13. August 2020 eingereicht wurde, ist die Frist also eingehalten worden.

37      Folglich ist der Antrag der Klägerinnen, den Klageanträgen mit einem Versäumnisurteil stattzugeben, zurückzuweisen.

B.      Zum Gegenstand der Klage

38      Gegenstand der Klage sind ein Antrag auf Nichtigerklärung, ein Antrag auf Feststellung und ein Antrag auf Zahlung wegen ungerechtfertigter Bereicherung sowie hilfsweise ein Antrag auf Ersatz des aufgrund der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Kommission entstandenen Schadens. Diese Anträge wurden in den vier Klageanträgen (siehe oben, Rn. 27) formuliert.

39      Sie beruhen auf der Behauptung, dass das Gericht mit dem Urteil vom 15. Juli 2015 erstens die von der Kommission mit dem streitigen Beschluss verhängte Geldbuße ex tunc für nichtig erklärt habe. Dadurch sei ein Anspruch der Klägerinnen auf Zahlung eines Betrags entstanden, der dem Betrag entspreche, den die Klägerinnen in dem Zeitraum vom 29. Juni 2011 bis zum 16. Juni 2015 gemäß dem Beschluss über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorläufig gezahlt hätten (16 400 000 Euro), nebst Zinsen (1 420 610 Euro). Die Zinsen seien nach dem Urteil vom 12. Februar 2019, Printeos/Kommission (T‑201/17, EU:T:2019:81) geschuldet. Das Gericht habe zweitens mit Wirkung ab Verkündung des Urteils vom 15. Juli 2015 eine neue, eigenständige Geldbuße festgesetzt. Diese Geldbuße wird von den Klägerinnen als „gerichtliche Geldbuße“ bezeichnet, im Gegensatz zu der „nichtigen Geldbuße“ von 2010.

40      Gegenstand des Antrags auf Nichtigerklärung (erster Klageantrag) ist die angefochtene Handlung, mit der die Kommission die Klägerinnen aufgefordert hat, an sie mit Wertstellungsdatum 31. März 2020 als Restbetrag der Geldbuße 12 236 931,69 Euro zu zahlen.

41      Mit dem Feststellungsantrag (zweiter Klageantrag) wird die Feststellung begehrt, dass die Kommission die von WDI in dem Zeitraum vom 29. Juni 2011 bis zum 16. Juni 2015 geleisteten Zahlungen (16 400 000 Euro) zuzüglich Zinsen (1 420 610 Euro) gemäß dem Urteil vom 15. Juli 2015 auf die vom Gericht erlassene Geldbuße anzurechnen hat und die Geldbuße damit durch Zahlung von WDI in Höhe von 18 149 636,24 Euro am 17. Oktober 2019 vollständig gezahlt ist.

42      Mit dem Antrag wegen ungerechtfertigter Bereicherung (dritter Klageantrag) wird begehrt, dass die Kommission an WDI 1 633 085,17 Euro zuzüglich Zinsen seit dem 17. Oktober 2019 zurückzahlt.

43      Hintergrund dieses letzten Antrags ist ein Rechenfehler, der den Klägerinnen bei den Anträgen, die sie zuvor bei der Kommission gestellt hatten, unterlaufen sein soll.

44      In ihrer E‑Mail vom 5. August 2015 und in ihrem Schreiben vom 16. Oktober 2019 habe WDI von der Kommission lediglich verlangt, den gemäß dem Beschluss über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gezahlten Betrag (16 400 000 Euro) auf die Geldbuße anzurechnen, ohne die Zinsen, die auf diesen Betrag in dem Zeitraum vom 29. Juni 2011 bis zum 16. Juni 2005 angefallen seien (1 420 610 Euro), und die Zinsen, die seit dem 15. Juli 2015 angefallen seien, hinzuzurechnen. Nach einer unter Berücksichtigung dieser Zinsen angestellten Neuberechnung vom 7. Mai 2020, die die Klägerinnen dem Gericht vorgelegt haben, hätten sie am 17. Oktober 2019 als Restbetrag der gerichtlichen Geldbuße nur noch 16 516 551,07 Euro zu zahlen gehabt und nicht 18 149 636,24 Euro, wie am 16. Oktober 2019 berechnet. Sie hätten daher an die Kommission 1 633 085,17 Euro zu viel gezahlt.

45      Mit dem gegenüber den drei übrigen Anträgen hilfsweise gestellten Antrag auf Schadensersatz (vierter Klageantrag) begehren die Klägerinnen die Verurteilung der Kommission zum Ersatz des Schadens, der ihnen im Rahmen der Durchführung des Urteils vom 15. Juli 2015 in Höhe des Betrags, den die Kommission in der angefochtenen Handlung verlangt habe (12 236 931,69 Euro), und des Betrags, den die Kommission am 17. Oktober 2019 zu viel erhalten habe (1 633 085,17 Euro nebst Zinsen ab dem 17. Oktober 2019), entstanden sei. Die fehlerhafte Durchführung des Urteils vom 15. Juli 2015 stelle einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen die der Kommission obliegenden Verpflichtungen aus Art. 266 Abs. 1 AEUV dar. Der Schaden entspreche dem Verlust, der durch die Inanspruchnahme des Betrags, der in Durchführung des Urteils fehlerhaft zu viel gezahlt worden sei, eingetreten sei.

46      Zwischen dem zweiten, dem dritten und dem vierten Klageantrag (siehe oben, Rn. 27) besteht mithin ein Zusammenhang.

47      Denn eine der Feststellungen, die mit dem zweiten Klageantrag begehrt werden, nämlich die Feststellung der Verpflichtung der Kommission, gemäß dem Urteil vom 15. Juli 2015 auf den geschuldeten Restbetrag der Geldbuße nicht nur die Beträge, die WDI in dem Zeitraum vom 29. Juni 2011 bis zum 16. Juni 2015 vorläufig gezahlt hat, sondern auch die darauf angefallenen Zinsen anzurechnen, ist Grundlage des Antrags auf Erstattung von 1 633 085,17 Euro nebst Zinsen ab dem 17. Oktober 2019 (dritter Klageantrag).

48      Zum dritten Klageantrag ist festzustellen, dass eine auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Klage nicht unter die Regelung der außervertraglichen Haftung im strengen Sinne fällt, die ausgelöst wird, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt ist, nämlich die Rechtswidrigkeit des der Union zur Last gelegten Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden. Sie unterscheidet sich von den aufgrund dieser Regelung erhobenen Klagen dadurch, dass weder ein rechtswidriges Verhalten des Beklagten nachgewiesen werden noch überhaupt ein Verhalten gegeben sein muss, sondern dass lediglich der Nachweis zu erbringen ist, dass der Beklagte ohne wirksame Rechtsgrundlage bereichert und der Kläger im Zusammenhang mit dieser Bereicherung entreichert ist (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2008, Masdar [UK]/Kommission, C‑47/07 P, EU:C:2008:726, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Jedoch kann dem Einzelnen trotz dieser Merkmale die Möglichkeit, eine auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Klage gegen die Union zu erheben, nicht allein deshalb verwehrt werden, weil der AEU‑Vertrag nicht ausdrücklich eine für diese Klageart bestimmte Klagemöglichkeit vorsieht. Eine Auslegung von Art. 268 AEUV und Art. 340 Abs. 2 AEUV, die diese Möglichkeit ausschlösse, würde zu einem Ergebnis führen, das dem Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes zuwiderliefe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2020, Tschechische Republik/Kommission, C‑575/18 P, EU:C:2020:530, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Wie die Kommission in der Klagebeantwortung eingeräumt hat, ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der dritte und der vierte Klageantrag auf Art. 268 bzw. auf Art. 340 Abs. 2 AEUV gestützte Schadensersatzanträge enthalten. Der Betrag von 1 633 085,17 Euro nebst Zinsen ab dem 17. Oktober 2019 wird in diesen beiden Klageanträgen alternativ verlangt.

51      In Anbetracht des Zusammenhangs, der zwischen dem zweiten, dem dritten und dem vierten Klageantrag besteht (siehe oben, Rn. 46 bis 50), und des Umstands, dass auch zwischen dem Antrag auf Nichtigerklärung (erster Klageantrag) und einem Teil des Antrags auf Schadensersatz (vierter Klageantrag) ein Zusammenhang besteht (siehe oben, Rn. 40 und 45), gelangt das Gericht zu der Einschätzung, dass es aus prozessökonomischen Gründen geboten ist, in einem ersten Schritt zusammen den zweiten, den dritten und den vierten Klageantrag (siehe oben, Rn. 27) zu prüfen, die die Schlüsse betreffen, die aus dem Urteil vom 15. Juli 2015 zu ziehen sind.

52      In einem zweiten Schritt wird dann der erste Klageantrag geprüft, mit dem die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung begehrt wird.

C.      Zum zweiten, zum dritten und zum vierten Klageantrag betreffend die Schlüsse, die aus dem Urteil vom 15. Juli 2015 zu ziehen sind

1.      Zur Zulässigkeit und zur Zuständigkeit des Gerichts

53      Die Kommission erhebt die Einrede, dass der zweite, der dritte und der vierte Klageantrag unzulässig seien und dass das Gericht für die Entscheidung über den zweiten Klageantrag nicht zuständig sei.

54      Zum zweiten Klageantrag macht die Kommission geltend, dass mit ihm, abgesehen davon, dass er auf keiner „Rechts- oder Verfahrensvorschrift“ beruhe, unter Verstoß gegen Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung ein Feststellungsurteil begehrt werde, mit dem sie nach der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung angewiesen würde, die vor dem Urteil vom 15. Juli 2015 gezahlten Beträge nebst Zinsen auf die im Tenor dieses Urteils angegebenen Geldbußen anzurechnen.

55      Insoweit kann es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass es im Verfahren vor den Unionsgerichten keinen Rechtsbehelf gibt, der es dem Gericht ermöglichte, zu einer Frage im Wege einer allgemeinen oder grundsätzlichen Erklärung Stellung zu nehmen (vgl. Urteil vom 21. März 2012, Fulmen und Mahmoudian/Rat, T‑439/10 und T‑440/10, EU:T:2012:142, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Übrigen ist das Gericht im Rahmen der auf Art. 263 AEUV gestützten Rechtsmäßigkeitskontrolle nicht befugt, Anordnungen gegenüber Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union zu erlassen (vgl. Beschluss vom 26. Oktober 1995, Pevasa und Inpesca/Kommission, C‑199/94 P und C‑200/94 P, EU:C:1995:360, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 25. September 2018, Schweden/Kommission, T‑260/16, EU:T:2018:597, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Demnach ist der zweite Klageantrag wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen.

57      Zum dritten und zum vierten Klagegrund macht die Kommission geltend, dass sie unzulässig seien, weil sie darauf abzielten, eine bestandskräftig gewordene Handlung, den streitigen Beschluss, in Frage zu stellen. Mit dem dritten und dem vierten Klageantrag wollten die Klägerinnen nämlich die Erstattung von Beträgen erwirken, die schon aufgrund der mit dem streitigen Beschluss verhängten Geldbuße geschuldet gewesen seien, deren Höhe in der Folge durch das Urteil vom 15. Juli 2015 bestätigt worden sei.

58      In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission nicht geltend gemacht, dass der dritte und der vierte Klagegrund darauf abzielten, weitere von ihr angenommene und mangels einer Klage rechtskräftig gewordene Handlungen in Frage zu stellen. Nach Auffassung der Kommission stellen die E‑Mails und die Schreiben, die sie unmittelbar nach dem Urteil vom 15. Juli 2015 an die Klägerinnen gesandt hat, als Maßnahmen zur Durchführung des streitigen Beschlusses nämlich allesamt keine gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV anfechtbaren Handlungen dar.

59      Hierzu ist festzustellen, dass es den Klägerinnen mit ihrem vierten Klagegrund nicht darum geht, den streitigen Beschluss in Frage zu stellen, sondern Ersatz des Schadens zu erlangen, der durch eine nach ihrer Auffassung fehlerhafte Durchführung des Urteils vom 15. Juli 2015 entstanden sein soll.

60      Bei einem Fehlverhalten der Kommission oder ihrer Bediensteten im Rahmen der Durchführung einer Entscheidung des Gerichts kann aber eine Schadensersatzklage gemäß Art. 268 AEUV erhoben werden (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 17. Mai 2018, Westfälische Drahtindustrie u. a./Kommission, T‑393/10 INTP, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:293, Rn. 21).

61      Dass die Kommission und die Klägerinnen im vorliegenden Fall zuvor über die Durchführung des Urteils vom 15. Juli 2015 verhandelt haben, steht dem Recht, eine Schadensersatzklage gemäß Art. 268 AEUV und Art. 340 Abs. 2 AEUV zu erheben, nicht entgegen.

62      Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 44 und 45), hat der Antrag auf Schadensersatz, den die Klägerinnen mit dem vierten Klagegrund formuliert haben, nämlich eine größere Tragweite als der, der von der Kommission mit der E‑Mail vom 12. August 2015 zurückgewiesen wurde. Bei Letzterem waren die Zinsen, die in dem Zeitraum vom 29. Juni 2011 bis zum 16. Juni 2015 auf den Betrag von 16 400 000 Euro angefallen waren, nicht berücksichtigt worden. Selbst wenn diese E‑Mail, anders als die Kommission meint, Gegenstand einer Klage gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV hätte sein können, hätte die Nichtigerklärung dieser Handlung daher nicht dasselbe Ergebnis gehabt wie das, auf das der vor dem Gericht gestellte Antrag auf Schadensersatz abzielt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. September 2019, Europäische Union/Guardian Europe und Guardian Europe/Europäische Union, C‑447/17 P und C‑479/17 P, EU:C:2019:672, Rn. 49 bis 64).

63      Was den dritten Klageantrag angeht, ist festzustellen, dass auch dieser seinem Wesen nach ein Schadensersatzantrag ist (siehe oben, Rn. 49 und 50). Er zielt nicht darauf ab, eine bestandskräftig gewordene Handlung der Kommission in Frage zu stellen. Vielmehr wird mit ihm geltend gemacht, dass es für den Überschussbetrag in Höhe von 1 633 085,17 Euro, den die Kommission erhalten habe, keine Rechtsgrundlage gebe. Dieser Überschussbetrag sei darauf zurückzuführen, dass WDI am 17. Oktober 2019 ein Fehler unterlaufen sei, als sie den noch geschuldeten Restbetrag der streitigen Geldbuße berechnet habe, ohne die in dem Zeitraum vom 29. Juni 2011 bis zum 16. Juni 2015 auf den Betrag von 16 400 000 Euro angefallenen Zinsen zu berücksichtigen.

64      Der dritte und der vierte Klageantrag sind mithin zulässig.

65      Somit ist festzustellen, dass die Einrede der Kommission nur beim zweiten Klageantrag durchgreift.

2.      Zur Begründetheit

66      Das Gericht hält es aus prozessökonomischen Gründen für geboten, zunächst den vierten Klageantrag (Schadensersatz wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Kommission) und dann den dritten Klageantrag (ungerechtfertigte Bereicherung der Kommission) zu prüfen.

a)      Zum Antrag auf Schadensersatz wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Kommission

67      Zunächst ist festzustellen, dass die außervertragliche Haftung der Union drei Voraussetzungen hat, die kumulativ erfüllt sein müssen: Die Rechtsnorm, gegen die verstoßen wurde, muss bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, und der Verstoß muss hinreichend qualifiziert sein, der tatsächliche Eintritt des Schadens muss nachgewiesen sein, und zwischen dem Verstoß gegen die dem Handelnden obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden muss ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 39 bis 42, und vom 6. September 2018, Klein/Kommission, C‑346/17 P, EU:C:2018:679, Rn. 60 und 61 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Verfügt das Unionsorgan nur über einen erheblich verringerten oder gar auf null reduzierten Gestaltungsspielraum, kann die bloße Verletzung des Unionsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht anzunehmen, der die außervertragliche Haftung der Union zu begründen vermag (vgl. Urteil vom 20. Januar 2021, Kommission/Printeos, C‑301/19 P, EU:C:2021:39, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Die Klägerinnen machen geltend, dass die Kommission das Urteil vom 15. Juli 2015 nicht richtig durchgeführt habe. Dies stelle einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen die der Kommission obliegenden Verpflichtungen aus Art. 266 Abs. 1 AEUV dar. Der entstandene Schaden, den sie ersetzt verlangten, entspreche dem Betrag, den die Kommission mit der angefochtenen Handlung geltend gemacht habe (12 236 931,69 Euro), und dem Betrag, den die Kommission am 17. Oktober 2019 zu viel erhalten habe (1 633 085,17 Euro nebst Zinsen ab dem 17. Oktober 2019).

69      Zur Stützung ihres Antrags auf Schadensersatz wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Kommission machen die Klägerinnen im Wesentlichen vier Klagegründe geltend.

70      Mit dem ersten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV gerügt wird, machen die Klägerinnen geltend, dass die Geldbuße, die mit dem streitigen Beschluss gegen sie verhängt worden sei, mit dem Urteil vom 15. Juli 2015 ex tunc für nichtig erklärt worden und durch eine „gerichtliche Geldbuße“ ersetzt worden sei, die erst ab dem Tag der Verkündung dieses Urteils fällig gewesen sei.

71      Mit dem zweiten Klagegrund machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, dass die Beträge, die in dem Zeitraum vom 29. Juni 2011 bis zum 16. Juni 2005 gemäß dem Beschluss über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorläufig gezahlt worden seien, in Durchführung des Urteils vom 15. Juli 2015 wegen der Nichtigerklärung der ursprünglich verhängten Geldbuße ex tunc nicht geschuldet seien und dass WDI Anspruch auf Erstattung dieser Beträge nebst der in dem genannten Zeitraum angefallenen Zinsen habe. Da die für nichtig erklärte Geldbuße durch die „gerichtliche Geldbuße“ ersetzt worden sei, hätten diese Beträge 2015 auf diese letztgenannte Geldbuße angerechnet werden müssen. Die Klägerinnen rügen im Rahmen des zweiten Klagegrundes nicht nur einen Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV, sondern auch einen Verstoß gegen Art. 98 Abs. 1 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. 2018, L 193, S. 1).

72      Mit dem dritten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, dass die von der Kommission behauptete Verpflichtung, ab dem 4. Januar 2011 Verzugszinsen zu zahlen, gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV und gegen Art. 99 Abs. 4 und Art. 98 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung 2018/1046 verstoße. Die Geldbuße sei nämlich erst seit dem 15. Juli 2015 fällig.

73      Der vierte Klagegrund, mit dem ebenfalls ein Verstoß gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV und Art. 99 Abs. 4 Buchst. d der Verordnung 2018/1046 gerügt wird, betrifft den von der Kommission festgelegten Zinssatz, der dem entspricht, der in dem Beschluss vom 30. September 2010 festgelegt wurde. Die Klägerinnen meinen, für die „gerichtliche Geldbuße“ hätte ein neuer, niedrigerer Zinssatz festgelegt werden müssen, bei dessen Berechnung der von der EZB für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte angewandte Durchschnittszinssatz im August 2015 hätte zugrunde gelegt werden müssen.

74      Zunächst ist festzustellen, dass die Schlüsse, die die Klägerinnen im Rahmen des zweiten, des dritten und des vierten Klagegrundes aus dem Urteil vom 15. Juli 2015 ziehen wollen, nur dann so gezogen werden können, wenn die im ersten Klagegrund vorausgesetzte Annahme zutrifft.

75      Die Rechtsfehler, die von den Klägerinnen gerügt werden, beruhen nämlich allesamt auf der Annahme, dass die im streitigen Beschluss verhängte Geldbuße vom Gericht nicht „aufrechterhalten“ oder „bestätigt“, sondern für nichtig erklärt und durch eine „gerichtliche Geldbuße“ ersetzt worden ist.

76      Diese Annahme beruht auf dem ersten Klagegrund, der die Folgen der durch das Urteil vom 15. Juli 2015 erfolgten Nichtigerklärung der mit dem streitigen Beschluss verhängten Geldbuße betrifft, die nicht dadurch aufgehoben worden seien, dass das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung eine gleich hohe Geldbuße festgesetzt habe.

77      Im Übrigen haben die Klägerinnen im Rahmen des zweiten und des dritten Klagegrundes bestimmte Argumente zur Stützung der im Rahmen des ersten Klagegrundes gemachten Annahme vorgebracht. Diese Argumente werden im Folgenden zusammen mit dem ersten Klagegrund geprüft.

1)      Zum ersten Klagegrund: Nichtbeachtung der Folgen der durch das Urteil vom 15. Juli 2015 erfolgten Nichtigerklärung der mit dem streitigen Beschluss verhängten Geldbuße

78      Mit dem ersten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, dass die Kommission nach der Verkündung des Urteils vom 15. Juli 2015, mit dem die mit dem streitigen Beschluss verhängte Geldbuße für nichtig erklärt worden sei, ihre Verpflichtungen aus Art. 266 Abs. 1 AEUV verletzt habe. Diese Verpflichtungen ergäben sich sowohl aus dem Tenor als auch aus den Entscheidungsgründen dieses Urteils.

79      Was als Erstes den Tenor des Urteils vom 15. Juli 2015 angehe, sei festzustellen, dass die mit Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 des streitigen Beschlusses verhängte Geldbuße für nichtig erklärt worden sei, ohne dass das Gericht diese Nichtigerklärung in ihren zeitlichen Wirkungen begrenzt hätte. Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 des streitigen Beschlusses könne daher nicht mehr die Grundlage einer Forderung bilden.

80      Die Klägerinnen seien sodann nach dem Wortlaut des Urteils vom 15. Juli 2015 zur Zahlung einer neuen Geldbuße „verurteilt“ worden, deren Höhe der mit Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 des streitigen Beschlusses verhängten Geldbuße entspreche. Es handele sich dabei um eine zweite eigenständige, der Nichtigerklärung der ursprünglichen Geldbuße nachgelagerte Entscheidung, die die Nichtigerklärung der ursprünglichen Geldbuße unberührt lasse.

81      Schließlich habe das Gericht der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Hälfte ihrer Kosten, einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten, auferlegt. Diese Verurteilung zeige, dass sie mit ihrer Klage Erfolg gehabt hätten. Die für nichtig erklärte Geldbuße sei wegen der festgestellten Rechtswidrigkeit denknotwendig durch die „gerichtliche Geldbuße“ ersetzt worden. Die von der Kommission vertretene Ansicht würde bedeuten, dass sie unter Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem doppelt bestraft würden.

82      Was als Zweites die Entscheidungsgründe des Urteils vom 15. Juli 2015 angeht, machen die Klägerinnen erstens geltend, dass das Gericht unmissverständlich erläutert habe, dass die Kommission weder im Jahr 2010 noch im Jahr 2011 berechtigt gewesen sei, eine Geldbuße gegen sie zu verhängen.

83      Zweitens habe das Gericht bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung anders als in dem Fall, um den es in der Rechtssache gegangen sei, in der das Urteil vom 14. Juli 1995, CB/Kommission (T‑275/94, EU:T:1995:141), ergangen sei, keine „Fortwirkung“ der für nichtig erklärten Geldbuße, wie sie von der Kommission verhängt worden sei, anordnen wollen.

84      Die Bezugnahme in Rn. 335 des Urteils vom 15. Juli 2015 auf den „Zeitpunkt des Erlasses seiner Entscheidung“ unterstreiche die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der vom Gericht bestimmten „gerichtlichen Geldbuße“.

85      Außerdem habe das Gericht in Rn. 346 des Urteils vom 15. Juli 2015 festgestellt, dass nach der vorläufigen Zahlung von mehr als 15 000 000 Euro „die Frage, ob sie aufgrund ihrer finanziellen Situation in der Lage sind, die Geldbuße zu zahlen, nur noch einen Betrag von etwa zwei Dritteln des ursprünglich gegen WDI festgesetzten Betrags betrifft“, also 46 550 000 Euro. Diese Feststellung belege, dass das Gericht von einer unmittelbaren Verrechnung der vorläufig gezahlten Beträge auf die von ihm erlassene „gerichtliche Geldbuße“ ausgehe, was einen rückwirkenden Beginn der Verzinsung ab dem 4. Januar 2011 ausschließe.

86      Aus Rn. 356 des Urteils vom 15. Juli 2015 gehe ferner hervor, dass das Gericht davon ausgegangen sei, dass die Geldbuße nicht vor dem 15. Juli 2015 fällig sei. Denn das Gericht habe dort festgestellt, dass der Umstand, dass ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz teilweise stattgegeben worden sei, „dazu geführt [hat], das die Fälligkeit der gesamten gegen sie verhängten Geldbuße bis zur Verkündung des [Urteils vom 15. Juli 2015] aufgeschoben wurde“.

87      Im Übrigen ergebe sich aus dem Beschluss vom 17. Mai 2018, Westfälische Drahtindustrie u. a./Kommission (T‑393/10 INTP, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:293), dass das Gericht die Frage der Zinsen in dem Urteil vom 15. Juli 2015 nicht geprüft habe. Dies bestätige, dass wegen der Nichtigerklärung der mit dem streitigen Beschluss verhängten Geldbuße Zinsen nicht geschuldet gewesen seien.

88      Drittens machen die Klägerinnen auf eine schriftliche Frage des Gerichts hin geltend, dass das Gericht in dem Urteil vom 15. Juli 2015 keine reformatio in peius vorgenommen habe. Die Abänderung des Betrags der Geldbuße, von der in Rn. 42 des Beschlusses vom 7. Juli 2016, Westfälische Drahtindustrie und Pampus Industriebeteiligungen/Kommission (C‑523/15 P, EU:C:2016:541), die Rede sei, sei denknotwendig zu ihren Gunsten erfolgt.

89      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

90      Die der Kommission durch Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) eingeräumte Befugnis zur Festsetzung von Geldbußen umfasst auch das Recht, im Fall der Nichtzahlung der Geldbuße in der in dem Beschluss gesetzten Frist Verzugszinsen zu verlangen (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Juli 1995, CB/Kommission, T‑275/94, EU:T:1995:141, Rn. 81). Nach Art. 299 AEUV ist ein solcher Beschluss ein vollstreckbarer Titel.

91      Art. 2 Abs. 2 und 3 des streitigen Beschlusses bestimmte, dass die Geldbußen innerhalb von drei Monaten ab dem Datum der Zustellung des Beschlusses einzuzahlen sind und dass nach Ablauf dieser Frist automatisch Zinsen zu dem Zinssatz fällig werden, der von der EZB für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte am ersten Tag des Monats, in dem der Beschluss erlassen worden sei, angewandt wird, zuzüglich 3,5 Prozentpunkte. Art. 2 Abs. 4 des streitigen Beschlusses bestimmte für den Fall, dass ein Unternehmen, gegen das eine Geldbuße verhängt wurde, ein Rechtsmittel einlegt, dass dieses Unternehmen den Betrag der Geldbuße spätestens bis zum Fälligkeitsdatum entweder durch Stellung einer Bankgarantie oder durch vorläufige Zahlung der Geldbuße decken kann.

92      Die Klägerinnen beantragten beim Gericht gemäß Art. 278 AEUV, die Vollziehung des streitigen Beschlusses auszusetzen. Sie machten insbesondere geltend, dass sie mangels Leistungsfähigkeit nicht in der Lage seien, die mit dem streitigen Beschluss verhängte Geldbuße zu zahlen.

93      Diesem Antrag wurde vom Präsidenten des Gerichts mit dem Beschluss über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur teilweise stattgegeben. Ausgesetzt wurde lediglich die Obliegenheit der Klägerinnen, zugunsten der Kommission eine Bankbürgschaft zu stellen, um die sofortige Beitreibung der Geldbußen zu vermeiden, und zwar unter der Bedingung, dass die Klägerinnen bis zum 30. Juni 2011 an die Kommission 2 000 000 Euro entrichten und an die Kommission vom 15. Juli 2011 an bis auf Weiteres, längstens aber bis zur Verkündung des Urteils in der Hauptsache, monatliche Raten in Höhe von 300 000 Euro (zum 15. jedes Monats) zahlen.

94      Die Aussetzung der Obliegenheit zur Stellung einer Bankbürgschaft bedingte nicht die Aussetzung der Fälligkeit der Forderung, auf die weiterhin Zinsen anfielen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 15. Dezember 1999, DSR-Senator Lines/Kommission, T‑191/98 RII, EU:T:1999:332, Rn. 46).

95      Mit dem Urteil vom 15. Juli 2015 hat das Gericht zunächst Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 des streitigen Beschlusses, mit dem gegen die Klägerinnen eine Geldbuße in Höhe von 46 550 000 Euro verhängt wurde, für nichtig erklärt (Nr. 2 des Tenors) und die Klägerinnen sodann verurteilt, eine Geldbuße in gleicher Höhe zu zahlen (Nrn. 4 bis 6 des Tenors). Das Gericht war auf der Grundlage der Angaben, die die Parteien zur Entwicklung der finanziellen Situation der Klägerinnen nach dem Erlass des streitigen Beschlusses gemacht hatten nämlich zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerinnen keinen Anspruch darauf haben, dass ihre Geldbuße wegen fehlender Leistungsfähigkeit aus Gründen wie den in Ziff. 35 der Leitlinien von 2006 genannten ermäßigt wird.

96      Wie sich aus dem Beschluss vom 17. Mai 2018, Westfälische Drahtindustrie u. a./Kommission (T‑393/10 INTP, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:293, Rn. 14), ergibt, war die Frage des Zeitpunkts, ab dem auf die Geldbuße Verzugszinsen zu zahlen sind, während des gerichtlichen Verfahrens in keiner Weise Gegenstand der Erörterungen zwischen den Parteien und wurde im Urteil vom 15. Juli 2015 weder in den Entscheidungsgründen noch im Tenor behandelt.

97      Da in dem Urteil vom 15. Juli 2015 auf die Frage der Zinsen nicht ausdrücklich eingegangen wird, ist zu prüfen, ob aus diesem Urteil gefolgert werden kann, dass sich die vom Gericht festgesetzte Geldbuße rechtlich von derjenigen unterscheidet, die Kommission im streitigen Beschluss festgesetzt hatte.

98      Schon aus dem Wortlaut des Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 ergibt sich, dass sich die dem Unionsrichter in Wettbewerbssachen übertragene Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, aufgrund deren er die von der Kommission festgesetzte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen kann, auf die ursprünglich von der Kommission verhängte Geldbuße bezieht und auf diese beschränkt. Die vom Unionsrichter festgesetzte Geldbuße stellt also keine neue Geldbuße dar, die sich rechtlich von der von der Kommission verhängten unterschiede (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 1995, CB/Kommission, T‑275/94, EU:T:1995:141, Rn. 58 und 60).

99      Ersetzt der Unionsrichter die Würdigung der Kommission durch seine eigene und setzt er die Geldbuße im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung herab, ersetzt er in dem Beschluss der Kommission den dort ursprünglich festgesetzten Betrag durch denjenigen, der sich nach seiner eigenen Würdigung ergibt. Aufgrund der ersetzenden Wirkung des Urteils des Unionsrichters ist daher davon auszugehen, dass der Beschluss der Kommission schon immer derjenige gewesen ist, der sich aus der Würdigung durch den Unionsrichter ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 1995, CB/Kommission, T‑275/94, EU:T:1995:141, Rn. 60 bis 65 und 85 bis 87).

100    In dem Urteil vom 15. Juli 2015 hat das Gericht in einem ersten Schritt den streitigen Beschluss insoweit für nichtig erklärt, als mit ihm die Höhe der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße festgesetzt wurde, und in einem zweiten Schritt in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Höhe der Geldbuße auf denselben Betrag festgesetzt.

101    Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass die Ausübung der Rechtmäßigkeitskontrolle des streitigen Beschlusses durch das Gericht zwar zur Nichtigerklärung dieses Beschlusses geführt hat, soweit die Kommission darin eine Geldbuße gegen die Klägerinnen verhängt hatte, dieser Umstand aber keineswegs bedeutet, dass es dem Gericht aus diesem Grund verwehrt gewesen wäre, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auszuüben (Beschluss vom 7. Juli 2016, Westfälische Drahtindustrie und Pampus Industriebeteiligungen/Kommission, C‑523/15 P, EU:C:2016:541, Rn. 38). Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass der Umstand, dass das Gericht im Ergebnis die Beibehaltung des im streitigen Beschluss festgesetzten Betrags der Geldbuße für angemessen hielt, für die Rechtmäßigkeit der Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung unerheblich ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 7. Juli 2016, Westfälische Drahtindustrie und Pampus Industriebeteiligungen/Kommission, C‑523/15 P, EU:C:2016:541, Rn. 40).

102    Dass das Gericht in dem Urteil vom 15. Juli 2015 in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung eine Geldbuße festgesetzt hat, die gleich hoch ist wie die, die die Kommission im streitigen Beschluss festgesetzt hatte, steht der Anwendung der oben in den Rn. 98 und 99 genannten Grundsätze daher nicht entgegen. Folglich ist die Kommission im vorliegenden Fall zu Recht davon ausgegangen, dass die Geldbuße, da es sich bei der vom Gericht festgesetzten Geldbuße nicht um eine neue Geldbuße handelt, seit dem 4. Januar 2011 fällig ist.

103    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerinnen.

104    Insoweit ist als Erstes festzustellen, dass das Gericht in Nr. 2 des Tenors des Urteils vom 15. Juli 2015 zwar Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 des streitigen Beschlusses, mit dem gegen die Klägerinnen eine Geldbuße verhängt wurde, für nichtig erklärt hat – im Gegensatz zu dem Tenor des Urteils vom 23. Februar 1994, CB und Europay/Kommission (T‑39/92 und T‑40/92, EU:T:1994:20), mit dem lediglich eine Geldbuße mit einem niedrigeren Betrag festgesetzt wurde, ohne dass die von der Kommission verhängte Geldbuße vorher für nichtig erklärt worden wäre.

105    Eine ersetzende Wirkung entsprechend der oben in Rn. 99 genannten ist aber bereits bei einem Tenor anerkannt worden, bei dem das Gericht zunächst den Betrag, in dessen Höhe eine Muttergesellschaft für eine von der Kommission verhängte Geldbuße gesamtschuldnerisch haftet, für nichtig erklärt und diesen Betrag dann in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung neu festgesetzt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Mai 2016, Trioplast Industrier/Kommission, T‑669/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:285, Rn. 15 und 56 bis 62).

106    Im Übrigen ist festzustellen, dass die Nichtigerklärung der mit dem streitigen Beschluss verhängten Geldbuße entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht damit begründet wurde, dass die Kommission nicht befugt gewesen wäre, gegen die Klägerinnen 2010 oder 2011 eine Geldbuße zu verhängen, weil die Klägerinnen seinerzeit nicht leistungsfähig gewesen wären.

107    Im Rahmen seiner Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich das Gericht nämlich auf die Feststellung beschränkt, dass der Kommission bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerinnen Fehler unterlaufen seien. Es hat nicht festgestellt, dass gegen die Klägerinnen 2010 und 2011 keine Geldbuße hätte verhängt werden dürfen. Aufgrund der festgestellten Rechtswidrigkeit hat das Gericht zum einen Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 des streitigen Beschlusses für nichtig erklärt und es zum anderen für gerechtfertigt gehalten, auf Antrag der Klägerinnen von seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung Gebrauch zu machen. Andere Schlüsse hat es aus der festgestellten Rechtswidrigkeit nicht gezogen. Dies geht eindeutig aus den Rn. 324 und 332 des Urteils vom 15. Juli 2015 hervor.

108    Im Rahmen seiner eigenen Prüfung der Leistungsfähigkeit der Klägerinnen im Jahr 2015 hat das Gericht in Rn. 346 des Urteils vom 15. Juli 2015 festgestellt, dass die Klägerinnen in der Lage gewesen seien, seit 2011 gemäß dem in dem Beschluss über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes festgelegten Plan für die vorläufige Zahlung 15 000 000 Euro zu zahlen.

109    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen hat das Gericht in dem Urteil vom 15. Juli 2015 also festgestellt, dass die Klägerinnen 2010 und 2011 eine gewisse Leistungsfähigkeit gehabt haben.

110    Aus der Nichtigerklärung von Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 des streitigen Beschlusses durch das Gericht lassen sich daher nicht die von den Klägerinnen gezogenen Schlüsse ziehen.

111    Als Zweites ist zu der Verwendung der Ausdrücke „wird … verurteilt“ bzw. „werden … verurteilt“ in den Nrn. 4 bis 6 des Tenors des Urteils vom 15. Juli 2015 festzustellen, dass der Tenor eines Urteils nach ständiger Rechtsprechung im Licht der Gründe zu verstehen ist, die zu ihm geführt haben und die ihn in dem Sinne tragen, dass sie zur Bestimmung der genauen Bedeutung des Tenors unerlässlich sind (vgl. Urteil vom 14. Juli 1995, CB/Kommission, T‑275/94, EU:T:1995:141, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

112    Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, geht im vorliegenden Fall aus den Gründen des Urteils vom 15. Juli 2015 in rechtlich hinreichender Weise hervor, dass das Gericht seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausgeübt hat (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 7. Juli 2016, Westfälische Drahtindustrie und Pampus Industriebeteiligungen/Kommission, C‑523/15 P, EU:C:2016:541, Rn. 41).

113    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 99), hat das Gericht den streitigen Beschluss in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung rückwirkend abgeändert.

114    Den Ausdrücken „wird … verurteilt“ bzw. „werden … verurteilt“ im Tenor des Urteils vom 15. Juli 2015 kann daher nicht der Sinn beigemessen werden, den die Klägerinnen ihnen beimessen wollen.

115    Als Drittes kann aus den Rn. 335, 346 und 356 des Urteils vom 15. Juli 2015 nicht abgeleitet werden, dass das Gericht die Rückwirkung der Abänderung des streitigen Beschlusses begrenzt hätte.

116    Erstens ist zu dem Umstand, dass in Rn. 335 des Urteils vom 15. Juli 2015 von der Leistungsfähigkeit der Klägerinnen zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung des Gerichts die Rede ist, bereits entschieden worden, dass im Rahmen der Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nach dem Beschluss der Kommission aufgetretene Gesichtspunkte berücksichtigt werden können, ohne dass die vom Gericht festgesetzte Geldbuße dadurch zu einer Geldbuße würde, die sich rechtlich von der von der Kommission verhängten unterschiede (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 1995, CB/Kommission, T‑275/94, EU:T:1995:141, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

117    Zweitens ist zu der Schätzung in Rn. 346 des Urteils vom 15. Juli 2015, wonach zu diesem Zeitpunkt noch „etwa zwei Drittel“ der von der Kommission verhängten Geldbuße zu zahlen gewesen seien, festzustellen, dass sich die Beträge, die das Gericht bei seiner Berechnung herangezogen hat, in der Tat nur auf den Hauptbetrag der Geldbußen bezogen.

118    Wie das Gericht bereits entschieden hat, stellt eine solche Schätzung aber keine Stellungnahme zu dem Zeitpunkt dar, ab dem die Klägerinnen Verzugszinsen zu zahlen haben (Beschluss vom 17. Mai 2018, Westfälische Drahtindustrie u. a./Kommission, T‑393/10 INTP, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:293, Rn. 17).

119    Im Übrigen ändert eine solche Schätzung entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nichts an der Rückwirkung der Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht (siehe oben, Rn. 99).

120    In Rn. 346 des Urteils vom 15. Juli 2015 hat das Gericht nämlich lediglich festgestellt, dass die Klägerinnen zu diesem Zeitpunkt gemäß dem Beschluss über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bereits mehr als 15 000 000 Euro gezahlt hätten, was etwa einem Drittel der 2010 verhängten Geldbuße (46 550 000 Euro) entspreche.

121    Da das Gericht die Leistungsfähigkeit der Klägerinnen prüfte, konnte es die teilweise vorläufige Zahlung der Geldbuße bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht außer Betracht lassen. Die bloße Schätzung der Größenordnung des zum Zeitpunkt der Entscheidung noch auf die Hauptschuld zu zahlenden Restbetrags bedingt nicht, dass die Kommission die vorläufig gezahlten Beträge zuzüglich Zinsen in Durchführung des Urteils vom 15. Juli 2015 auf eine angeblich vom Gericht verhängte „gerichtliche Geldbuße“, die sich rechtlich von der von der Kommission verhängten Geldbuße unterschieden hätte, hätte anrechnen müssen.

122    Drittens stellt auch Rn. 356 des Urteils vom 15. Juli 2015 nicht in Frage, dass auf den vom Gericht festgesetzten Betrag der Geldbuße ab dem 4. Januar 2011 Zinsen fällig waren.

123    In Rn. 356 des Urteils vom 15. Juli 2015 ist das Gericht nämlich lediglich auf das Vorbringen der Klägerinnen eingegangen, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gerügt wurde. Es hat insoweit darauf hingewiesen, dass die Erhebung der Klage gegen den streitigen Beschluss durch die Klägerinnen und der Umstand, dass deren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz teilweise stattgegeben worden sei, dazu geführt hätten, dass die Fälligkeit der gesamten gegen sie verhängten Geldbuße anders als bei den Unternehmen, die keine Klage erhoben hätten, bis zur Verkündung des Urteils vom 15. Juli 2015 aufgeschoben worden sei.

124    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 92 und 93), hat der Präsident des Gerichts in dem Beschluss über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lediglich die Aussetzung der Obliegenheit der Klägerinnen angeordnet, zugunsten der Kommission eine Bankbürgschaft zu stellen, um die sofortige Beitreibung der Geldbußen zu vermeiden, und selbst einen für die Klägerinnen günstigen Plan für die vorläufige Zahlung längstens bis zur Verkündung des Urteils in der Hauptsache festgelegt. Die Aussetzung der Obliegenheit zur Stellung einer Bankbürgschaft bedingte, wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 94), nicht die Aussetzung der Fälligkeit der Forderung, auf die während des Gerichtsverfahrens weiter Verzugszinsen anfielen.

125    Als Viertes ist festzustellen, dass die Verurteilung der Kommission zur Tragung der Hälfte der Kosten der Klägerinnen auf der Grundlage von Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung erfolgte und damit zusammenhängt, dass Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 des streitigen Beschlusses für nichtig erklärt wurde.

126    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 104 bis 110), lassen sich aber aus der Nichtigerklärung von Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 des streitigen Beschlusses nicht die von den Klägerinnen gezogenen Schlüsse ziehen.

127    Im Übrigen ist bereits entschieden worden, dass, wenn das Gericht die Geldbuße in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung teilweise aufrechterhält, die Verpflichtung, von Anfang an Verzugszinsen zu zahlen, keine Sanktion darstellt, die zu der ursprünglich von der Kommission festgesetzten Geldbuße hinzukäme und eine Einschränkung des Klagerechts darstellen würde. Da die Änderung der Geldbuße durch den Unionsrichter deren Rechtsnatur nicht ändert und da Klagen keine aufschiebende Wirkung haben, darf die Kommission Unternehmen, die die Geldbuße nicht sofort bezahlt haben und deren Klage teilweise stattgegeben wurde, nämlich nicht von ihrer Verpflichtung freistellen, ab Fälligkeit der von der Kommission verhängten Geldbuße Zinsen auf den vom Unionsrichter festgesetzten Betrag der Geldbuße zu zahlen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 1995, CB/Kommission, T‑275/94, EU:T:1995:141, Rn. 86 und 87).

128    Folglich ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

2)      Zum zweiten, dritten und vierten Klagegrund: Folgen der Nichtigerklärung der mit dem streitigen Beschluss verhängten Geldbuße

129    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 74 und 75), beruhen der zweite, der dritte und der vierte Klagegrund auf der im Rahmen des ersten Klagegrundes vorausgesetzten Annahme, dass die von der Kommission verhängte Geldbuße für nichtig erklärt und durch eine „gerichtliche Geldbuße“ ersetzt worden sei.

130    Da diese Annahme, wie im Zusammenhang mit dem ersten Klagegrund dargelegt worden ist, nicht zutrifft, sind der zweite, der dritte und der vierte Klagegrund unbegründet. Sie sind zurückzuweisen.

3)      Ergebnis

131    Da die geltend gemachten Klagegründe unbegründet sind, ist festzustellen, dass keine Rechtswidrigkeit und damit kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen die Verpflichtungen der Kommission aus Art. 266 Abs. 1 AEUV vorliegt und dass der vierte Klageantrag zurückzuweisen ist, ohne dass über die übrigen Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der Union (siehe oben, Rn. 67) entschieden zu werden braucht.

b)      Zum Antrag wegen ungerechtfertigter Bereicherung

132    Mit dem dritten Klageantrag beantragen die Klägerinnen, die Kommission zu verurteilen, an WDI wegen ungerechtfertigter Bereicherung 1 633 085,17 Euro nebst Zinsen seit dem 17. Oktober 2019 zu zahlen.

133    Die ungerechtfertigte Bereicherung sei auf einen Berechnungsfehler zurückzuführen, der ihnen unterlaufen sei, als WDI am 17. Oktober 2019 an die Kommission 18 149 636,24 Euro gezahlt habe, ohne dabei die Zinsen zu berücksichtigen, die in dem Zeitraum vom 29. Juni 2011 bis zum 16. Juni 2015 auf den Betrag von 16 400 000 Euro angefallen seien.

134    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

135    Wie die Kommission geltend macht, wird mit dem Vorbringen zum Antrag auf Verurteilung der Kommission wegen ungerechtfertigter Bereicherung lediglich das Vorbringen zum vierten Klageantrag wiederholt, bei dem von einem rechtswidrigen Verhalten der Kommission ausgegangen wird. Dieser Klageantrag ist oben in den Rn. 67 bis 131 geprüft und zurückgewiesen worden.

136    Aus den Ausführungen zur Zurückweisung des vierten Klagegrundes ergibt sich, dass die Kommission nicht 1 633 085,17 Euro zu viel erhalten hat.

137    Der dritte Klageantrag ist daher unbegründet und ebenfalls zurückzuweisen.

D.      Zum ersten Klageantrag (Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung)

138    Mit dem ersten Klageantrag begehren die Klägerinnen die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung, mit dem die Kommission WDI aufgefordert hat, an sie mit Wertstellungsdatum 31. März 2020 als Restbetrag der Forderung 12 236 931,69 Euro zu zahlen.

139    Zur Stützung des ersten Klageantrags machen die Klägerinnen die vier Klagegründe geltend, auf die oben in den Rn. 78 bis 130 eingegangen worden ist, und einen fünften Klagegrund, mit dem Verstöße gegen Art. 266 Abs. 1 AEUV und gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung geltend gemacht werden. Im Rahmen dieses fünften Klagegrundes wiederholen die Klägerinnen die Argumente, die sie bereits zur Stützung der ersten vier Klagegründe geltend gemacht haben.

140    Die Kommission hält den ersten Klageantrag für unzulässig. Bei der angefochtenen Handlung handele es sich um eine Aktualisierung der ursprünglichen Zahlungsaufforderung aus dem Jahr 2010. Mit ihr werde keine neue Forderung gegenüber den Klägerinnen begründet. Vielmehr entspreche sie einem Fristsetzungsschreiben im Sinne von Art. 103 Abs. 2 der Verordnung 2018/1046. Mit dem Urteil vom 15. Juli 2015 seien keine neuen Geldbußen verhängt worden. Dieses Urteil berühre auch nicht die Frage der Verzugszinsen. Es beschränke sich auf die Nichtigerklärung von Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 des streitigen Beschlusses. Art. 2 Abs. 3 des streitigen Beschlusses betreffend die Zahlung von Verzugszinsen sei hingegen unverändert und somit in vollem Umfang anwendbar geblieben. Die angefochtene Handlung sei als vorbereitende, bloß bestätigende Handlung nicht anfechtbar.

141    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 128 und 130), sind die ersten vier Klagegründe unbegründet und zurückzuweisen. Da der fünfte Klagegrund auf dasselbe Vorbringen gestützt ist, ist auch er zurückzuweisen.

142    Der erste Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass auf die von der Kommission in Bezug auf ihn erhobene Einrede der Unzulässigkeit eingegangen zu werden braucht.

IV.    Kosten

143    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen, wie von der Kommission beantragt, ihre eigenen Kosten und die der Kommission aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Westfälische Drahtindustrie GmbH, die Westfälische Drahtindustrie Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG und die Pampus Industriebeteiligungen GmbH & Co. KG tragen die Kosten.

da Silva Passos

Valančius

Reine

Truchot

 

Sampol Pucurull

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. November 2022.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

S. Papasavvas


Inhaltsverzeichnis


I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

II. Anträge der Parteien

III. Rechtliche Würdigung

A. Zum Antrag der Klägerinnen, den Klageanträgen durch Versäumnisurteil stattzugeben

B. Zum Gegenstand der Klage

C. Zum zweiten, zum dritten und zum vierten Klageantrag betreffend die Schlüsse, die aus dem Urteil vom 15. Juli 2015 zu ziehen sind

1. Zur Zulässigkeit und zur Zuständigkeit des Gerichts

2. Zur Begründetheit

a) Zum Antrag auf Schadensersatz wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Kommission

1) Zum ersten Klagegrund: Nichtbeachtung der Folgen der durch das Urteil vom 15. Juli 2015 erfolgten Nichtigerklärung der mit dem streitigen Beschluss verhängten Geldbuße

2) Zum zweiten, dritten und vierten Klagegrund: Folgen der Nichtigerklärung der mit dem streitigen Beschluss verhängten Geldbuße

3) Ergebnis

b) Zum Antrag wegen ungerechtfertigter Bereicherung

D. Zum ersten Klageantrag (Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung)

IV. Kosten


*      Verfahrenssprache: Deutsch.