Language of document : ECLI:EU:T:2022:728

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

30. November 2022(*)

„Staatliche Beihilfen – Kernindustrie – Von Ungarn geplante Beihilfe für die Entwicklung zweier neuer Kernreaktoren am Standort Paks – Beschluss, mit dem die Beihilfe vorbehaltlich der Erfüllung bestimmter Verpflichtungen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV – Vereinbarkeit der Beihilfe mit nicht beihilferechtlichen Bestimmungen des Unionsrechts – Untrennbare Verbindung – Förderung der Kernenergie – Art. 192 Abs. 1 des Euratom-Vertrags – Grundsatz des Umweltschutzes, Verursacherprinzip, Vorsorgeprinzip, Grundsatz der Nachhaltigkeit – Bestimmung der betroffenen wirtschaftlichen Tätigkeit – Marktversagen – Verzerrung des Wettbewerbs – Verhältnismäßigkeit der Beihilfe – Erforderlichkeit staatlicher Maßnahmen – Ermittlung der Beihilfeelemente – Vergabeverfahren – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑101/18,

Republik Österreich, vertreten durch J. Schmoll, F. Koppensteiner, M. Klamert und T. Ziniel als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt H. Kristoferitsch,

Klägerin,

unterstützt durch

Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch A. Germeaux und T. Schell als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt P. Kinsch,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch K. Blanck, K. Herrmann und P. Němečková als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Tschechische Republik, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil, T. Müller, J. Pavliš und L. Halajová als Bevollmächtigte,

durch

Französische Republik, vertreten durch E. de Moustier und P. Dodeller als Bevollmächtigte,

durch

Ungarn, vertreten durch M. Fehér als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt P. Nagy, Rechtsanwältin N. Gràcia Malfeito, Rechtsanwalt B. Karsai und C. Bellamy, KC,

durch

Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

durch

Slowakische Republik, vertreten durch S. Ondrášiková als Bevollmächtigte,

durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch F. Shibli, L. Baxter und S. McCrory als Bevollmächtigte im Beistand von T. Johnston, Barrister,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, des Richters G. De Baere und der Richterin G. Steinfatt (Berichterstatterin),

Kanzler: A. Juhász-Tóth, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragt die Republik Österreich die Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2017/2112 der Kommission vom 6. März 2017 über die von Ungarn geplante Maßnahme/Beihilferegelung/Staatliche Beihilfe SA.38454 – 2015/C (ex 2015/N) für den Bau von zwei Kernreaktoren im Atomkraftwerk Paks II (ABl. 2017, L 317, S. 45, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtener Beschluss

2        Am 22. Mai 2015 meldete Ungarn bei der Europäischen Kommission unter dem Aktenzeichen C(2017) 1486 eine Maßnahme zur Gewährung eines finanziellen Beitrags zur Entwicklung von zwei neuen Kernreaktoren (Blöcke 5 und 6) am Standort des Kernkraftwerks Paks in Ungarn an, an dem bereits vier Kernreaktoren betrieben werden. Begünstigte der angemeldeten Maßnahme ist die Gesellschaft MVM Paks II Nuclear Power Plant Development Private Company Limited by Shares (im Folgenden: Gesellschaft Paks II), die Eigentümerin und Betreibergesellschaft der beiden neuen Kernreaktoren werden soll. Die Gesellschaft Paks II gehört zu 100 % dem ungarischen Staat, auf den die Anteile an dieser Gesellschaft, die ursprünglich vollständig von der Stromhandels- und ‑erzeugungsgesellschaft Magyar Villamos Művek Zártkörűen Működő Részvénytársaság (im Folgenden: MVM-Gruppe) gehalten worden waren, im November 2014 übertragen wurden.

3        Am 23. November 2015 beschloss die Kommission, hinsichtlich der angemeldeten Maßnahme ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten (ABl. 2016, C 8, S. 2, im Folgenden: Einleitungsbeschluss).

4        Am 6. März 2017 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss.

5        Die von Ungarn angemeldete Maßnahme ist dort in Abschnitt 2 beschrieben. Es handelt sich um die Entwicklung zweier Kernreaktoren des russischen Typs WWER 1200 (V491) der Generation III+ (Blöcke 5 und 6) in Ungarn, die mit der Technologie der Wasserkühlung und ‑moderation und mit einer installierten Kapazität von mindestens 1 000 Megawatt (MW) pro Block ausgestattet sind und deren Bau zugunsten der Gesellschaft Paks II, die Eigentümerin und Betreiberin der neuen Reaktoren sein wird, vollständig vom ungarischen Staat finanziert wird. An diesem Standort sind bereits vier Kernreaktoren in Betrieb. Diese Reaktoren stehen zu 100 % im Eigentum der MVM-Gruppe, die wiederum im Eigentum des ungarischen Staates steht. Die installierte Kapazität der vier bestehenden, mit der russischen Technologie WWER‑440(V213) ausgestatteten Blöcke des Kraftwerks beläuft sich insgesamt auf 2 000 MW. Diese Reaktoren sollen sukzessive bis 2037 stillgelegt werden, um durch die beiden neuen Reaktoren ersetzt zu werden, die im Jahr 2025 bzw. 2026 in Betrieb gehen sollen.

6        Gemäß einem zwischenstaatlichen Abkommen über die Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung von Kernenergie, das am 14. Januar 2014 zwischen der Russischen Föderation und der ungarischen Regierung geschlossen wurde, kooperieren beide Länder im Rahmen eines Kernenergieprogramms bei der Instandhaltung und der Weiterentwicklung des gegenwärtigen Atomkraftwerks Paks. Nach diesem Abkommen benennen die Russische Föderation und Ungarn jeweils eine erfahrene, in staatlichem Eigentum stehende und vom Staat kontrollierte Organisation, die als Auftragnehmerin bzw. Eigentümerin finanziell und technisch für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen in Bezug auf die Planung, den Bau, die Inbetriebnahme und die Stilllegung der beiden neuen Reaktoren 5 und 6 des Typs WWER verantwortlich ist. Die Russische Föderation benannte die Aktiengesellschaft Nizhny Novgorod Engineering Company Atomenergoproekt (im Folgenden: JSC NIAEP) für den Bau der neuen Reaktoren; als Eigentümerin und Betreibergesellschaft der beiden Reaktoren benannte Ungarn die Gesellschaft Paks II. Zu diesem Zweck unterzeichneten JSC NIAEP und die Gesellschaft Paks II am 9. Dezember 2014 ein Abkommen, das einen Vertrag über die Entwicklung, den Kauf und den Bau der beiden am Standort des Kernkraftwerks Paks zu errichtenden neuen Reaktoren 5 und 6 zum Gegenstand hat.

7        In dem zwischenstaatlichen Abkommen verpflichtete sich die Russische Föderation, Ungarn ein staatliches Darlehen zur Finanzierung der Entwicklung der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks zu gewähren. Dieses Darlehen unterliegt dem zwischenstaatlichen Finanzierungsabkommen vom 28. März 2014 und sieht eine revolvierende Kreditfazilität von 10 Mrd. Euro vor, die ausschließlich für die Planung, den Bau und die Inbetriebnahme der neuen Reaktoren 5 und 6 des Kernkraftwerks Paks eingesetzt wird. Einen weiteren Betrag von bis zu 2,5 Mrd. Euro zur Finanzierung der erwähnten Investitionen wird Ungarn aus eigenen Mitteln aufbringen.

8        Ungarn wird die erforderlichen Mittel für die Zahlung des Kaufpreises für die beiden neuen Reaktoren nicht auf die Konten der Gesellschaft Paks II übertragen. Diese Mittel werden größtenteils von der Vnesheconombank (russische Bank für Außenwirtschaft) gehalten. Für jeden als erfüllt betrachteten Meilenstein beantragt die Gesellschaft Paks II bei der russischen Bank für Außenwirtschaft die Auszahlung von 80 % des jeweils fälligen Betrags unmittelbar an JSC NIAEP. Außerdem beantragt die Gesellschaft bei der ungarischen Staatlichen Behörde für Schuldenverwaltung die Zahlung der übrigen 20 %.

9        Im angefochtenen Beschluss stellte die Kommission fest, dass die angemeldete Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle und dass die Art. 107 und 108 AEUV anwendbar seien, wenngleich die fragliche Investition in den Anwendungsbereich des Euratom-Vertrags falle. Hinsichtlich der direkten Vergabe des Auftrags für den Bau der beiden neuen Reaktoren an das Unternehmen JSC NIAEP stellte die Kommission fest, dass diese nicht zu einer zusätzlichen Verfälschung des Wettbewerbs und einer Beeinträchtigung des Handels auf dem relevanten Markt, nämlich dem Strommarkt, führen könne. In einem eigenen Verfahren sei geprüft worden, ob Ungarn das Vergaberecht eingehalten habe. Die Kommission befand, dass die in Rede stehende, auf die Förderung der Kernenergie abzielende Maßnahme einem im Euratom-Vertrag verankerten Ziel von gemeinsamem Interesse diene und zudem zur Sicherheit der Stromversorgung beitrage und dass grundsätzlich nur begrenzte Wettbewerbsverfälschungen in Betracht kämen und diese Verfälschungen durch das ermittelte Ziel von gemeinsamem Interesse ausgeglichen würden; dieses Ziel werde insbesondere angesichts der von Ungarn während des Verfahrens gemachten Zusagen in verhältnismäßiger Weise erreicht. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die in Rede stehende Maßnahme in der von Ungarn am 28. Juli 2016 geänderten Form vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 3 des angefochtenen Beschlusses nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Art. 3 des angefochtenen Beschlusses verpflichtet Ungarn, mehrere Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass die Gesellschaft Paks II bestimmte Verpflichtungen und Beschränkungen einhält, die insbesondere ihre (Re-)Investitionsstrategie, den Betrieb einer Auktionsplattform sowie ihre rechtliche und strukturelle Autonomie betreffen.

 Anträge der Parteien

10      Die Republik Österreich, unterstützt durch das Großherzogtum Luxemburg, beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

11      Die Kommission, unterstützt durch die Tschechische Republik und die Slowakische Republik, beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Republik Österreich die Kosten aufzuerlegen.

12      Die Französische Republik, Ungarn, die Republik Polen sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland beantragen, die Klage abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

13      Die Republik Österreich stützt ihre Klage auf zehn Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie geltend, dass der Bau der beiden neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks hätte öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Mit dem zweiten Klagegrund wird eine fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV gerügt, da mit dem Bau und der Inbetriebnahme der beiden neuen Reaktoren kein Ziel von gemeinsamem Interesse verfolgt werde. Mit dem dritten Klagegrund wird eine fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV gerügt, die zum einen auf einer unrichtigen Abgrenzung des „Wirtschaftszweigs“ und zum anderen auf der verfehlten Annahme eines Marktversagens beruhe. Mit dem vierten Klagegrund soll die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme dargetan werden. Mit dem fünften Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, die fragliche Maßnahme führe zu unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen und Ungleichbehandlungen, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar seien. Mit dem sechsten Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, dass die in Rede stehende Maßnahme eine Investition in ein „Projekt in Schwierigkeiten“ darstelle, was ebenfalls den Wettbewerb in unverhältnismäßiger Weise verfälsche, da die Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 2014, C 249, S. 1, im Folgenden: Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten) nicht eingehalten worden seien. Mit dem siebten Klagegrund wird eine Verstärkung oder Schaffung einer beherrschenden Stellung auf dem Strommarkt geltend gemacht. Der achte Klagegrund betrifft ein Liquiditätsrisiko für den ungarischen Stromgroßhandelsmarkt. Mit dem neunten Klagegrund wird eine unzureichende Determinierung der staatlichen Beihilfe gerügt. Der zehnte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen die Begründungspflicht.

14      Die Republik Österreich hat in der mündlichen Verhandlung auf den zweiten und den dritten Klagegrund verzichtet, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist. Daraus folgt, dass diese Klagegründe nicht mehr geprüft zu werden brauchen.

 Zum ersten Klagegrund: Fehlende Durchführung eines Vergabeverfahrens

15      Mit ihrem ersten Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, der angefochtene Beschluss sei rechtswidrig, da der zugunsten der Gesellschaft Paks II erfolgte Bau der neuen Kernreaktoren nicht öffentlich ausgeschrieben worden sei. Sie bringt vor, dass die unmittelbare Beauftragung von JSC NIAEP mit der Entwicklung und dem Bau der beiden neuen Reaktoren ohne Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung eine Verletzung der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) bzw. der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. 2014, L 94, S. 243) darstelle. Der angefochtene Beschluss sei somit aufgrund der Verletzung von grundlegenden Vergabevorschriften, deren Einhaltung untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe zusammenhänge, nichtig.

16      Ein Beihilfeverfahren dürfe nach dem Sinn und Zweck des AEU‑Vertrags niemals zu einem Ergebnis führen, das zu den besonderen Vorschriften dieses Vertrags in Widerspruch stehe. Andere Vorschriften des Vertrags als jene über staatliche Beihilfen seien besonders dann zu beachten, wenn mit diesen anderen Vorschriften, wie etwa den vergaberechtlichen, ebenfalls das Ziel der Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts und eines effizienten Einsatzes staatlicher Mittel verfolgt werde.

17      Die Unionsrechtswidrigkeit der Beihilfemodalitäten, die mit dem Gegenstand und dem Zweck der Beihilfe untrennbar verknüpft seien, schlage notwendig auf die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt durch. Etwas anderes gelte nur für solche Bestandteile einer Beihilfe, die zur Verwirklichung ihres Zwecks oder zu ihrem Funktionieren nicht unerlässlich seien.

18      Im vorliegenden Fall stelle die Beauftragung von JSC NIAEP mit dem Bau der neuen Reaktoren eine untrennbar mit dem Gegenstand der Beihilfe verbundene Modalität dar. Ein Auswahlwettbewerb hätte zu einer völlig anderen Beihilfe führen können, insbesondere im Hinblick auf deren Höhe und Ausgestaltung.

19      Dass nicht JSC NIAEP, sondern die Gesellschaft Paks II als künftige Eigentümerin und Betreiberin der beiden neuen Kernreaktoren Begünstigte der Beihilfe ist, ist nach Ansicht der Republik Österreich in diesem Zusammenhang nicht relevant. Die Kommission habe in den Erwägungsgründen 281 und 283 des angefochtenen Beschlusses die Untrennbarkeit der Verbindung zwischen der direkten Vergabe des Bauauftrags einerseits und dem Gegenstand und Zweck der Beihilfe andererseits zu Unrecht mit dem Argument verneint, dass durch die mögliche Verletzung der Richtlinie 2014/25 keine zusätzliche verfälschende Wirkung auf den Wettbewerb und auf den Handel auf dem Strommarkt festgestellt worden sei, denn eine solche zusätzliche Verfälschung werde in keiner Weise verlangt.

20      Die Republik Österreich, unterstützt durch das Großherzogtum Luxemburg, fügt hinzu, dass es im Licht des Urteils vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), jedenfalls keine Rolle spiele, ob es sich im Falle der streitgegenständlichen Beihilfe um eine „untrennbare Modalität“ oder überhaupt um eine „Modalität“ der Beihilfe handle, da ganz allgemein eine staatliche Beihilfe, die gegen Bestimmungen oder allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstoße, nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden dürfe. Daraus folge, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die Maßnahme anhand der unionsrechtlichen Vergaberechtsvorschriften beurteilen hätte müssen. Sie hätte daraufhin feststellen müssen, dass der Bauauftrag nicht gemäß Art. 20 Abs. 1 bzw. Art. 50 Buchst. c der Richtlinie 2014/25 von deren Anwendungsbereich ausgenommen sei und die direkte Vergabe des Bauauftrags daher eine gravierende Verletzung dieser Richtlinie darstelle.

21      Die Verletzung der zwingenden Vorgaben der Richtlinie 2014/25 sei schon für sich genommen geeignet, das Ausmaß und die Gestalt der Beihilfe für die Gesellschaft Paks II zu beeinflussen, so dass der angefochtene Beschluss auch aus diesem Grund rechtswidrig sei.

22      Erstens beanstandet die Republik Österreich, dass die Kommission im 285. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf das von ihr eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren verweise. Das Ergebnis des Vertragsverletzungsverfahrens sei weder für das Verfahren gemäß Art. 108 AEUV noch für die vorliegende Klage präjudiziell. Die Kommission dürfe die Prüfung von Beihilfemodalitäten, zu deren Beurteilung sie im Rahmen von Art. 108 AEUV verpflichtet sei, nicht vom Ergebnis eines Verfahrens nach Art. 258 AEUV abhängig machen, dessen Einleitung bzw. Fortführung eine Ermessensentscheidung sei.

23      Zweitens führe die Kommission nicht näher aus, warum sie davon ausgehe, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 50 Buchst. c der Richtlinie 2014/25 vorlägen, die die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung beträfen. Die Republik Österreich weist darauf hin, dass Ausnahmen eng auszulegen seien. Außerdem obliege die Beweislast derjenigen Partei, die sich auf die fragliche Ausnahme berufe.

24      Die Kommission, Ungarn, die Tschechische Republik, das Vereinigte Königreich und die Französische Republik treten dem Vorbringen der Republik Österreich und des Großherzogtums Luxemburg entgegen.

25      Als Erstes ist festzustellen, dass die Kommission in Abschnitt 5.3.2 des angefochtenen Beschlusses (Erwägungsgründe 279 bis 287) die Vereinbarkeit der Beihilfe mit anderen Vorschriften des Unionsrechts als den Beihilfevorschriften geprüft hat. Dem 280. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zufolge ist die Kommission davon ausgegangen, dass sie verpflichtet sei, entsprechend dem Sinn und Zweck des AEU‑Vertrags den Zusammenhang zwischen den Regelungen über die staatlichen Beihilfen und besonderen anderen als die staatlichen Beihilfen betreffenden Vorschriften zu beachten und somit die Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit den besonderen Vorschriften zu beurteilen, dass jedoch eine solche Pflicht sie ausschließlich dann treffe, wenn es sich um Modalitäten einer Beihilfe handle, die derart untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe verknüpft seien, dass sie nicht für sich allein beurteilt werden könnten. Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 3. Dezember 2014, Castelnou Energía/Kommission (T‑57/11, EU:T:2014:1021), hat die Kommission ausgeführt, eine ihr obliegende Verpflichtung, im Rahmen eines Verfahrens auf dem Gebiet der Beihilfen endgültig einen Verstoß gegen andere Bestimmungen des Unionsrechts als die Art. 107 und 108 AEUV zu bejahen oder zu verneinen, verstieße zum einen gegen die teilweise stark divergierenden und mit unterschiedlichen Rechtswirkungen ausgestatteten Verfahrensvorschriften und ‑garantien, die für die speziell zur Kontrolle der Anwendung dieser Vorschriften vorgesehenen Verfahren gälten, und zum anderen gegen den Grundsatz der Autonomie der Verwaltungsverfahren und Rechtsbehelfe. Wenn die fragliche Modalität der Beihilfe untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe verbunden sei, sei ihre Vereinbarkeit mit anderen als die staatliche Beihilfen regelnden Vorschriften nach dieser Rechtsprechung somit im Rahmen des in Art. 108 AEUV vorgesehenen Verfahrens zu beurteilen, und diese Beurteilung könne dazu führen, dass die betreffende Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt werde. Könne hingegen die fragliche Modalität vom Gegenstand der Beihilfe losgelöst werden, sei die Kommission nicht verpflichtet, diese im Rahmen dieses Verfahrens auf ihre Vereinbarkeit mit anderen als die staatliche Beihilfen betreffenden Vorschriften zu prüfen.

26      Sodann hat die Kommission im 281. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angenommen, die Bewertung der Vereinbarkeit der angemeldeten Maßnahme mit dem Binnenmarkt könnte durch eine mögliche Unvereinbarkeit mit der Richtlinie 2014/25 beeinträchtigt werden, wenn eine zusätzliche Verfälschung des Wettbewerbs und eine Beeinträchtigung des Handels auf dem Strommarkt (dem Markt, auf dem die Gesellschaft Paks II als durch die Beihilfe begünstigtes Unternehmen tätig sei) festgestellt würde. Da eine solche zusätzliche verfälschende Wirkung, die auf einen Verstoß gegen die Richtlinie 2014/25 zurückzuführen wäre, nicht festgestellt worden sei, gebe es keine „untrennbare Verbindung“ zwischen dem etwaigen Verstoß gegen die Richtlinie 2014/25 und dem Zweck der Beihilfe, so dass dieser etwaige Verstoß keine Auswirkungen auf die Bewertung der Vereinbarkeit der Beihilfe haben könne (Erwägungsgründe 283 und 284 des angefochtenen Beschlusses).

27      Zum Vorbringen der Republik Österreich zum Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), ist erstens festzustellen, dass sich insbesondere aus den Rn. 40, 44 und 45 dieses Urteils ergibt, dass die durch die Beihilfe geförderte wirtschaftliche Tätigkeit mit dem Unionsrecht vereinbar sein muss. Im Rahmen des ersten Klagegrundes ist jedoch nicht geltend gemacht worden, dass die geförderte wirtschaftliche Tätigkeit, nämlich die Erzeugung von Kernenergie, gegen Unionsrecht verstoße.

28      Zweitens lassen sich keine Schlussfolgerungen daraus ziehen, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), nicht geprüft hat, ob eine untrennbare Verbindung vorlag, und zwar deshalb, weil sich in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, der behauptete Verstoß gegen Grundsätze des Unionsrechts aus dem eigentlichen Zweck der Beihilfe, nämlich der Entwicklung eines Kernkraftwerks, ergab. Es stellte sich somit nicht die Frage, ob eine Verbindung mit einer vom Zweck der Beihilfe verschiedenen Modalität dieser Beihilfe bestand.

29      Drittens geht entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich aus dem Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), nicht hervor, dass der Gerichtshof beabsichtigt hätte, den Umfang der Kontrolle zu erweitern, die der Kommission im Rahmen eines Verfahrens zur Prüfung der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt obliegt. Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 15. April 2008, Nuova Agricast (C‑390/06, EU:C:2008:224, Rn. 50 und 51), hat der Gerichtshof nämlich in Rn. 44 des Urteils vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), darauf hingewiesen, dass er bereits entschieden hat, dass eine staatliche Beihilfe, die gegen Bestimmungen oder allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstößt, nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden kann. Dieser Grundsatz entspricht tatsächlich der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, wie die Verweise in Rn. 50 des Urteils vom 15. April 2008, Nuova Agricast (C‑390/06, EU:C:2008:224), belegen.

30      Da der Gerichtshof in Rn. 44 des Urteils vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), auf eine ständige Rechtsprechung Bezug genommen hat, lässt folglich nichts darauf schließen, dass er seine Rechtsprechung aufgeben wollte, nach der zwischen solchen Modalitäten, die eine untrennbare Verbindung mit dem Zweck der Beihilfe aufweisen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, unterschieden werden muss.

31      Im Übrigen verstieße eine Verpflichtung der Kommission, im Rahmen eines Verfahrens auf dem Gebiet der Beihilfen endgültig einen Verstoß gegen andere Bestimmungen des Unionsrechts als die Art. 107 und 108 AEUV zu bejahen oder zu verneinen, zum einen gegen die teilweise stark divergierenden und mit unterschiedlichen Rechtswirkungen ausgestatteten Verfahrensvorschriften und ‑garantien, die für die speziell zur Kontrolle der Anwendung dieser Vorschriften vorgesehenen Verfahren gelten, und zum anderen gegen den Grundsatz der Autonomie der Verwaltungsverfahren und Rechtsbehelfe (Urteil vom 12. Februar 2008, BUPA u. a./Kommission, T‑289/03, EU:T:2008:29, Rn. 313 und 314; vgl. auch Urteil vom 3. Dezember 2014, Castelnou Energía/Kommission, T‑57/11, EU:T:2014:1021, Rn. 183 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 1993, Matra/Kommission, C‑225/91, EU:C:1993:239, Rn. 44).

32      Daher ist die Auslegung der Republik Österreich zurückzuweisen, wonach die Kommission angesichts des Urteils vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), nunmehr verpflichtet sei, alle Modalitäten der Beihilfe oder alle mit der Beihilfe zusammenhängenden Umstände, auch wenn sie keine untrennbare Verbindung mit der Beihilfe aufweisen, dahin zu prüfen, ob sie gegen Bestimmungen oder allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstoßen.

33      Hinzu kommt, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um zwei unterschiedliche Verfahren geht, die beide in die Zuständigkeit der Kommission fallen und deren jeweilige Vorschriften sie zu beachten hat, die Gefahr eines Widerspruchs oder eines Verstoßes gegen die Vorschriften dieser Verfahren bestünde, wenn die Kommission verpflichtet wäre, dieselbe Beihilfemodalität sowohl im Rahmen des Verfahrens über die Genehmigung der fraglichen Beihilfe als auch im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens zu beurteilen.

34      Daraus folgt, dass der Kommission kein Rechtsfehler unterlaufen ist, als sie festgestellt hat, dass ihre Kontrolle im Rahmen des Verfahrens nach Art. 108 AEUV auf die Beihilfemaßnahme selbst und auf die mit dieser untrennbar verbundenen Modalitäten zu beschränken ist.

35      Als Zweites macht die Republik Österreich zu Unrecht geltend, der Umstand, dass JSC NIAEP mit dem Bau der neuen Reaktoren beauftragt worden sei, stelle eine Modalität dar, die untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe verbunden sei, weil ein Auswahlwettbewerb zu einer völlig anderen Beihilfe hätte führen können, insbesondere im Hinblick auf deren Höhe und Ausgestaltung.

36      Im vorliegenden Fall besteht die fragliche Beihilfe darin, dass der Gesellschaft Paks II unentgeltlich zwei neue Kernreaktoren zum Betrieb überlassen werden. Die Frage, ob der Bau dieser beiden Reaktoren hätte öffentlich ausgeschrieben werden müssen, betrifft die Herstellung und die Ausstattung des unentgeltlich überlassenen Gegenstands und ist damit der eigentlichen Beihilfemaßnahme vorgelagert. Somit stellt die Vergabe des Auftrags für die Entwicklung und den Bau der beiden neuen Reaktoren keine Modalität der Beihilfe selbst dar.

37      Die Durchführung eines Vergabeverfahrens und die eventuelle Beauftragung eines anderen Unternehmens mit dem Bau der Reaktoren würden weder am Zweck der Beihilfe, nämlich der unentgeltlichen Überlassung von zwei neuen Reaktoren zum Betrieb, noch am Empfänger der Beihilfe, nämlich der Gesellschaft Paks II, etwas ändern. Außerdem würde sich ein Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften nur auf den Markt für den Bau von Kernkraftwerken auswirken, nicht aber auf den Markt, auf den der Zweck der streitigen Beihilfemaßnahme gerichtet ist.

38      Was den Einfluss des Fehlens eines öffentlichen Vergabeverfahrens auf die Höhe der Beihilfe betrifft, haben die Kommission, Ungarn und die Französische Republik zu Recht geltend gemacht, dass nicht dargelegt worden ist, dass andere Anbieter in der Lage gewesen wären, die beiden Reaktoren mit WWER-1200-Technologie zu besseren Konditionen bzw. zu einem niedrigeren Preis zu liefern. Außerdem weist die Kommission ebenfalls zu Recht darauf hin, dass die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung im Bereich staatlicher Beihilfen nicht von der Einhaltung der Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge abhängt, wenn sich bei der Auswahl eines anderen Bauunternehmens für die Errichtung der Kernkraftblöcke nichts an der beihilferechtlichen Bewertung ändern würde. Denn auch wenn eine öffentliche Ausschreibung zu einer anderen Beihilfehöhe hätte führen können, hätte dies für sich genommen nichts an dem Vorteil geändert, den die Beihilfe für den Begünstigten, die Gesellschaft Paks II, darstellte, da dieser Vorteil in der Überlassung von zwei neuen Reaktoren zum Betrieb bestand. Folglich führt eine Erhöhung oder Verringerung der Beihilfesumme im vorliegenden Fall weder zu einer Änderung der Beihilfe im eigentlichen Sinne noch zu einer Änderung ihrer wettbewerbswidrigen Wirkung.

39      Somit hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Vergabe des Auftrags für den Bau der beiden neuen Reaktoren keine Modalität der Beihilfe darstellt, die mit dieser untrennbar verbunden ist.

40      Was als Drittes das Vorbringen der Republik Österreich betrifft, die Entscheidung, den Bauauftrag an JSC NIAEP zu vergeben, habe gegen die Richtlinie 2014/25 verstoßen, da dieser Auftrag nicht gemäß Art. 20 Abs. 1 bzw. Art. 50 Buchst. c dieser Richtlinie von deren Anwendungsbereich ausgenommen sei, ist festzustellen, dass die Kommission die Frage der Anwendbarkeit der Richtlinie 2014/25 im 285. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses behandelt hat. Zu der Frage, ob das Unionsrecht eine Verpflichtung zur Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens für den Auftrag über die Entwicklung, den Kauf und den Bau der beiden neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks vorsieht, hat die Kommission im genannten Erwägungsgrund festgestellt, dass sie jedenfalls in einem eigenen Verfahren geprüft habe, ob Ungarn die Vorschriften der Richtlinie 2014/25 eingehalten habe; in dieser Prüfung sei die Kommission aufgrund der verfügbaren Informationen zu dem vorläufigen Schluss gelangt, dass die in der Richtlinie 2014/25 beschriebenen Verfahren nach Art. 50 Buchst. c dieser Richtlinie auf die Beauftragung mit dem Bau der beiden Reaktorblöcke nicht anwendbar seien.

41      Entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich hat die Kommission im Interesse der Kohärenz der Ergebnisse der Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe und des Vertragsverletzungsverfahrens zu Recht angenommen, dass sie auf ihre im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens vorgenommene Beurteilung verweisen konnte.

42      Die Kommission war nämlich im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens zu der Überzeugung gelangt, dass die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der beiden neuen Reaktoren nicht gegen die unionsrechtlichen Vergabevorschriften verstoße. Diese Überzeugung beruhte auf einer eingehenden Analyse der technischen Anforderungen, auf die sich Ungarn zur Rechtfertigung des Unterbleibens eines Ausschreibungsverfahrens berufen hatte.

43      In ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen, die ihr das Gericht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gestellt hat, hat die Kommission bestätigt, dass es sich bei dem „eigenen Verfahren“ im 285. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses um das gemäß Art. 258 AEUV gegen Ungarn eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren NIF 2015/4231‑32 handelt. Im Rahmen dieses Verfahrens und auf der Grundlage der von den zuständigen ungarischen Behörden übermittelten Informationen sei sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Direktvergabe der Arbeiten für den Bau der beiden Reaktoren 5 und 6 an die Gesellschaft JSC NIAEP ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb habe erfolgen können, da es aus technischen Gründen keinen Wettbewerb gegeben habe, so dass Art. 40 Abs. 3 Buchst. c Ziff. ii der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1) (jetzt Art. 50 Buchst. c Ziff. ii der Richtlinie 2014/25) maßgeblich gewesen sei.

44      Die Antwort der Kommission wird durch die hierzu im Anschluss an diese prozessleitende Maßnahme vorgelegten Unterlagen bestätigt, insbesondere durch zwei „NIF-Fiches“, die die Nrn. 2015/4231 und 2015/4232 tragen und die Gründe für die Einstellung des Verfahrens NIF 2015/4231‑32 darlegen. Daraus geht insbesondere hervor, dass die Kommission das Argument, dass der Auftrag aus technischen Gründen direkt an die Auftragnehmerin habe vergeben werden können (Art. 40 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/17), für die wesentlichen Teile des Projekts für gerechtfertigt hielt.

45      Aus demselben Dokument in Anlage X.5 geht auch hervor, dass sich Ungarn gegenüber der Kommission verpflichtet hat, für die meisten anderen Teile des Projekts auf transparente Weise und unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung ein Vergabeverfahren durchzuführen. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erläutert, dass diese von Ungarn eingegangene Verpflichtung im 372. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zum Ausdruck komme, der in Verbindung mit seinem 285. Erwägungsgrund zu lesen sei.

46      Außerdem geht aus den als Anlagen X.1 bis X.3 vorgelegten Dokumenten hervor, dass die Gemeinsame Forschungsstelle (GFS) der Kommission und die Sachverständigen der Generaldirektion „Energie“ die technische Einzigartigkeit des von Rosatom hergestellten und von Ungarn auf legitime Weise und nach sachlichen Kriterien ausgewählten Reaktors WWER 1200 bestätigt haben.

47      Im Übrigen wäre es nicht vertretbar, in dem Verfahren über die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt alle früheren Entscheidungen in Frage zu stellen, die bereits Gegenstand eines eigenen Verfahrens waren, für das im Sinne des Urteils vom 15. Juni 1993, Matra/Kommission (C‑225/91, EU:C:1993:239, Rn. 44), besondere Regeln gelten, die sich von den beihilferechtlichen Regeln unterscheiden. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es, dass die Kommission die Vergabe des Bauauftrags im Rahmen des Beihilfeverfahrens erneut prüft, obwohl sie im Vergleich zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens beschlossen hat, über keine neuen Informationen verfügt. Insoweit hat die Kommission in ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichts bestätigt, dass sie zum Zeitpunkt der Annahme des angefochtenen Beschlusses, d. h. am 6. März 2017, über dieselben Informationen verfügt habe wie diejenigen, auf deren Grundlage sie am 17. November 2016 entschieden habe, das gegen Ungarn wegen der Direktvergabe des Bauauftrags an JSC NIAEP geführte Vertragsverletzungsverfahren einzustellen.

48      Ebenso wenig kann dem Argument der Republik Österreich gefolgt werden, dass das Vertragsverletzungsverfahren der Beurteilung eines etwaigen Verstoßes gegen das Vergaberecht im Rahmen des Beihilfeverfahrens nicht vorgreifen könne, da für das Vertragsverletzungsverfahren das Opportunitätsprinzip gelte. Die Tatsache, dass für das Vertragsverletzungsverfahren das Opportunitätsprinzip gilt, ist nämlich unerheblich, da die Kommission tatsächlich ein solches Verfahren einleitete, in dessen Rahmen sie die technischen Gründe, auf die sich Ungarn stützte, analysierte und daraufhin zu dem Schluss gelangte, dass die Voraussetzungen von Art. 50 Buchst. c der Richtlinie 2014/25 erfüllt seien. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission klargestellt, dass sich der in der Entscheidung, das Vertragsverletzungsverfahren einzustellen, verwendete Begriff der Opportunität auf den Zeitpunkt der Entscheidung und nicht auf ihren Inhalt beziehe. In Beantwortung der dritten im Rahmen der prozessleitenden Maßnahme gestellten Frage hat die Kommission außerdem ausgeführt, dass das Ergebnis dieses Verfahrens im 285. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nur deshalb als „vorläufiger Schluss“ bezeichnet worden sei, weil es der Kommission jederzeit möglich sei, aufgrund neuer Informationen ein neues Vertragsverletzungsverfahren zu eröffnen.

49      Folglich ist der Kommission kein Rechtsfehler unterlaufen, als sie sich für die Zwecke des angefochtenen Beschlusses jedenfalls auf das Ergebnis des Vertragsverletzungsverfahrens gestützt hat.

50      Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Unverhältnismäßigkeit der fraglichen Beihilfemaßnahme

51      Mit ihrem vierten Klagegrund, der aus drei Teilen besteht, macht die Republik Österreich geltend, die Kommission sei im Abschnitt 5.3.7 des angefochtenen Beschlusses zu falschen Schlussfolgerungen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe gelangt, insbesondere was ihre Behauptung betreffe, dass die Maßnahme auf das Mindestmaß beschränkt sei, das eine erfolgreiche Durchführung des Vorhabens zur Erreichung des verfolgten Ziels von gemeinsamem Interesse ermögliche. Daher erweist sich die genehmigte Beihilfe nach Ansicht der Republik Österreich als mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

52      Die Kommission, unterstützt durch Ungarn, stellt fest, dass sie in Abschnitt 5.3.7 des angefochtenen Beschlusses geprüft habe, ob die Beihilfe auf das Minimum beschränkt sei, und dass die Republik Österreich in Bezug auf diese Prüfung keinen offensichtlichen Fehler geltend gemacht habe.

 Zum ersten Teil: Unvollständige Prüfung der Erforderlichkeit der fraglichen Maßnahme

53      Die Republik Österreich macht geltend, ohne eine Ausschreibung des Baus der neuen Reaktoren sei die Angemessenheit der Beihilfe nicht gewährleistet, da nicht sichergestellt werden könne, dass die Höhe der gewährten Beihilfe auf das erforderliche Mindestmaß zur Durchführung des Vorhabens beschränkt sei. Die Republik Österreich verweist insoweit auf die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 (ABl. 2014, C 200, S. 1, im Folgenden: UEB-Leitlinien), nach deren Rn. 69 ff. eine Beihilfe als angemessen betrachtet werde, wenn sie auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt sei. Weder das Fehlen einer Überkompensation noch eine Verpflichtung zur Rückzahlung der Gewinne sagten etwas darüber aus, ob die zugunsten der Gesellschaft Paks II gewährte Beihilfe auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt sei.

54      Die Kommission, unterstützt durch Ungarn und das Vereinigte Königreich, vertritt die Ansicht, dass zum einen kein Ausschreibungsverfahren erforderlich sei, um die Beihilfe auf das Mindestmaß zu beschränken, und zum anderen die Republik Österreich nicht nachgewiesen habe, dass andere Anbieter in der Lage gewesen wären, die beiden Reaktoren mit WWER-1200-Technologie zu einem niedrigeren Preis zu liefern.

55      Insoweit geht aus der Rechtsprechung hervor, dass eine Beihilfemaßnahme nur dann im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sein kann, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Ziels von öffentlichem Interesse geeignet und erforderlich ist, und dass außerdem die Beeinträchtigung des Handels und die Verfälschung des Wettbewerbs, die durch die Maßnahme hervorgerufen werden, nicht außer Verhältnis zu den positiven Auswirkungen der Maßnahme stehen dürfen (vgl. Urteil vom 12. Juli 2018, Österreich/Kommission, T‑356/15, EU:T:2018:439, Rn. 370 und dort angeführte Rechtsprechung).

56      Hinsichtlich der Reichweite der Kontrolle, die das Gericht insoweit vorzunehmen hat, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV über ein weites Ermessen verfügt. Die Kontrolle des Gerichts ist deshalb eingeschränkt (Urteil vom 12. Juli 2018, Österreich/Kommission, T‑356/15, EU:T:2018:439, Rn. 372).

57      Anhand dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Republik Österreich zu prüfen.

58      Als Erstes verlangt Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV zwar, dass die Beihilfe sich auf das Mindestmaß beschränkt, was jedoch nicht bedeutet, dass die Durchführung einer Ausschreibung eine Voraussetzung für die Verhältnismäßigkeit einer Beihilfemaßnahme ist.

59      Ein Ausschreibungsverfahren ist nämlich nur eine der Möglichkeiten, eine Beihilfe auf das zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderliche Mindestmaß zu beschränken. Keiner der von der Republik Österreich angeführten Verweise lässt den Schluss zu, dass eine absolute Verpflichtung bestünde, ein Ausschreibungsverfahren durchzuführen, um sicherzustellen, dass die Beihilfe auf das Mindestmaß beschränkt wird.

60      Die Republik Österreich nimmt erstens auf die UEB-Leitlinien Bezug. Sie macht jedoch weder geltend, dass die UEB-Leitlinien die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens verlangten, um sicherzustellen, dass die Beihilfe auf das Mindestmaß beschränkt werde, noch, dass es sich um eine notwendige Voraussetzung handle. In Rn. 87 der UEB-Leitlinien heißt es nämlich lediglich, dass bei Betriebsbeihilfen, die im Rahmen einer Ausschreibung gewährt werden, von der Angemessenheit der Einzelbeihilfe ausgegangen wird, wenn die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind.

61      Zweitens hat die Kommission zwar seit dem 1. Januar 2017 in Rn. 126 der UEB-Leitlinien die Gewährung von Beihilfen für Strom aus erneuerbaren Energiequellen an die Durchführung einer Ausschreibung geknüpft, jedoch weist sie zu Recht darauf hin, dass auch in diesem Fall der Betriebsbeihilfen dieses Erfordernis nicht absolut ist, wie die in Rn. 126 vorgesehenen Ausnahmen sowie die Rn. 127 und 128 der UEB-Leitlinien zeigen.

62      Drittens geht aus Anhang 1 der UEB-Leitlinien hervor, dass eine Beihilfe selbst dann angemessen sein kann, wenn keine Ausschreibung erfolgt.

63      Folglich hat die Republik Österreich keine Vorschrift genannt, die die Kommission verpflichtet hätte, eine Ausschreibung zu verlangen, um die Angemessenheit der Beihilfe sicherzustellen.

64      Als Zweites macht die Kommission zu Recht geltend, dass die Behauptung der Republik Österreich, der Bau der Reaktoren hätte kostengünstiger und mit weniger Beihilfen durchgeführt werden können, wenn eine Ausschreibung erfolgt wäre, nicht durch Beweise untermauert worden ist. Wenn nach der von Ungarn durchgeführten und von der Kommission überprüften Marktbewertung keine anderen geeigneten Lieferanten zur Verfügung standen, wäre es an der Republik Österreich gewesen, Anhaltspunkte darzulegen, die auf eine Alternativlösung für den Bau der fraglichen Reaktoren hinweisen.

65      In jedem Fall wirft die Frage, ob die Beihilfemaßnahme auf das zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderliche Mindestmaß beschränkt war, in Wirklichkeit die Frage auf, ob die unentgeltliche Überlassung der beiden neuen Reaktoren nicht unangemessen war, denn diese Überlassung ist Gegenstand der streitigen Beihilfe. Selbst wenn der Preis für den Bau der Reaktoren nach einem Ausschreibungsverfahren möglicherweise niedriger gewesen wäre, hätte dies jedoch für den Begünstigten keine Auswirkungen auf Höhe oder Art der Beihilfe gehabt.

66      Somit ist der erste Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des vierten Klagegrundes: Unzureichende Abwägung der positiven und negativen Auswirkungen der fraglichen Beihilfe

67      Die Republik Österreich ist der Auffassung, die Kommission habe es unterlassen, zu prüfen, ob die nachteiligen Auswirkungen die möglichen Vorteile der Beihilfe überwögen. Der anwendbare, auf einer Marktwirtschaft basierende Ansatz erfordere eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im weiteren Sinne, die eine Abwägung verlange. Im Rahmen dieser Abwägung müssten die positiven Folgen der Beihilfe, wie der Beitrag zur Zielerreichung, die Beseitigung des Marktversagens und der Beitrag zur Entwicklung des Wirtschaftszweigs, ihren negativen Folgen, insbesondere den beihilfebedingten Wettbewerbsverzerrungen und Handelsbeeinträchtigungen, gegenübergestellt werden. Die Kommission habe die durch den Bau und den Betrieb der beiden neuen Kernreaktoren bedingten „negativen Externalitäten“ nicht bzw. nicht in angemessenem Umfang berücksichtigt. Die Umweltauswirkungen (insbesondere in Zusammenhang mit der Abfallentsorgung) wie auch die erheblichen Folgen für die Verbraucher, etwa in ihrer Rolle als Steuerzahler, seien nicht in angemessenem Umfang berücksichtigt worden.

68      Außerdem räume die Kommission, wenn sie im 238. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses feststelle, dass die mit dem Kraftwerk unmittelbar verbundenen Kosten der Entsorgung von Abfällen und die Schließungskosten nicht feststünden und sich erhöhen könnten, ein, dass die betreffenden Kosten nicht ermittelt worden seien und daher auch nicht im Rahmen einer Abwägung hätten berücksichtigt werden können. Darüber hinaus sei im angefochtenen Beschluss keine Vorkehrung dagegen getroffen worden, dass es nach Stilllegung der beiden neuen Kernreaktoren in Paks im Zusammenhang mit der Abfallbehandlung zu einer weiter gehenden Beihilfe komme.

69      Die Kommission, Ungarn und die Slowakische Republik halten den zweiten Teil des vierten Klagegrundes für unbegründet.

70      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis der Erhaltung und Verbesserung der Umwelt, das u. a. in Art. 37 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie in den Art. 11 und 194 Abs. 1 AEUV zum Ausdruck kommt, sowie die Unionsvorschriften im Bereich der Umwelt auf den Kernenergiesektor Anwendung finden. Daraus folgt, dass die Kommission, wenn sie prüft, ob eine staatliche Beihilfe für eine wirtschaftliche Tätigkeit im Kernenergiesektor die erste Voraussetzung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV – nach der die Beihilfe zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete bestimmt sein muss – erfüllt, prüfen muss, ob diese Tätigkeit nicht gegen die Unionsvorschriften im Bereich der Umwelt verstößt. Stellt sie einen Verstoß gegen diese Vorschriften fest, ist sie verpflichtet, die betreffende Beihilfe ohne weitere Prüfung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar zu erklären (Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 100).

71      Was jedoch die Frage betrifft, ob eine solche staatliche Beihilfe die zweite Voraussetzung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV erfüllt, wonach eine solche Beihilfe die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern darf, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, so impliziert diese Voraussetzung, dass die positiven Auswirkungen der geplanten Beihilfe auf die Entwicklung der Tätigkeiten, die sie fördern soll, gegen die negativen Auswirkungen, die diese Beihilfe auf den Binnenmarkt haben kann, abgewogen werden müssen. Jedoch umfasst gemäß Art. 26 Abs. 2 AEUV der Binnenmarkt „einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist“. Die Prüfung der zweiten Voraussetzung nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV impliziert daher, dass die Kommission die nachteiligen Auswirkungen der staatlichen Beihilfe auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten berücksichtigt, erfordert jedoch nicht, etwaige andere nachteilige Auswirkungen als diese zu berücksichtigen (Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 101).

72      Zu dem Vorbringen der Republik Österreich, die Kommission habe die Umweltauswirkungen (insbesondere in Zusammenhang mit der Abfallentsorgung) nicht in angemessenem Umfang berücksichtigt, ist festzustellen, dass die Kommission bei der Ermittlung der negativen Auswirkungen der fraglichen Maßnahme somit nicht zu berücksichtigen brauchte, inwieweit sich diese nachteilig auf die Verwirklichung des von der Republik Österreich angeführten Grundsatzes des Umweltschutzes auswirkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 102).

73      Im Übrigen ist zu dem Vorbringen der Republik Österreich, die Kommission räume im 238. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ein, dass die Kosten der Entsorgung der Nuklearabfälle und der Schließung der neuen Reaktoren nicht feststünden und sich erhöhen könnten und folglich die betreffenden Kosten nicht ermittelt worden seien und daher auch nicht im Rahmen einer Abwägung hätten berücksichtigt werden können, festzustellen, dass der Gegenstand der Beihilfemaßnahme, die im angefochtenen Beschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurde, nur die unentgeltliche Überlassung zweier Reaktoren eines Kernkraftwerks ist und nicht eine etwaige staatliche Beihilfe zur Deckung der Kosten der Entsorgung und Lagerung der Nuklearabfälle (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 103).

74      Dasselbe gilt für die Rüge der Republik Österreich, im angefochtenen Beschluss sei keine Vorkehrung dagegen getroffen worden, dass es nach Stilllegung der beiden neuen Reaktoren des Kernkraftwerks im Zusammenhang mit der Abfallbehandlung zu einer weiter gehenden Beihilfe komme. Die Frage, ob in einem neuen Verfahren eine neue Beihilfe gewährt wird, ist bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht zu berücksichtigen, zumal die Kommission ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass während des Betriebs der Kernreaktorblöcke 5 und 6 keine weitere Unterstützung gewährt werde. Der Umstand, dass in der Zukunft eine neue Beihilfemaßnahme für die Entsorgung von Nuklearabfällen erforderlich sein könnte, widerspricht daher nicht der Verhältnismäßigkeit der geprüften Beihilfemaßnahme.

75      Außerdem macht die Republik Österreich geltend, die Kommission habe die negativen Folgen der fraglichen Maßnahme für die Verbraucher, die insbesondere in ihrer Eigenschaft als Steuerzahler die Kosten zu tragen hätten, nur unzureichend berücksichtigt.

76      Hierzu ist erstens festzustellen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Interessen der Stromverbraucher berücksichtigt hat. Sie hat nämlich die Auswirkungen der fraglichen Maßnahme auf die Strompreise geprüft und festgestellt, dass insoweit keine erheblichen Auswirkungen zu erwarten seien. Nach dem 369. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht aus der Studie von Nera Economic Consulting (NERA) (im Folgenden: NERA-Studie) hervor, dass durch den Bau der neuen Reaktoren künftig Preisdruck auf den ungarischen Markt ausgeübt werde, da die Grenzkosten der mit den neuen Kernreaktoren erzeugten Energie im Vergleich zu alternativen Gasturbinen-Kapazitäten, die ansonsten geschaffen werden müssten, vergleichsweise gering seien. Allerdings geht der Kommission zufolge aus der NERA-Studie auch hervor, dass das Kernkraftwerk Paks nach der Inbetriebnahme der neuen Reaktoren weiterhin ein Preisnehmer sein werde und die Preise in Ungarn bedingt durch andere Kraftwerke auch weiterhin auf eher hohem Niveau liegen würden. Daher würden Importe nach Ungarn auch in Zukunft rentabel sein. Im 376. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission bestätigt, dass diese Feststellung auch während der sich überschneidenden Laufzeiten der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks gelte, und ausgeführt, dass „die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Kerntechnologie zu einer preissetzenden Technologie entwickeln könnte, … immer unter 5 % liegen“ werde.

77      Die Republik Österreich hat die NERA-Studie weder beanstandet noch insoweit Mängel aufgezeigt.

78      Was zweitens die negativen Auswirkungen der fraglichen Maßnahme auf die Verbraucher in ihrer Eigenschaft als Steuerpflichtige betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Prüfung der zweiten Voraussetzung nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV impliziert, dass die Kommission die nachteiligen Auswirkungen der staatlichen Beihilfe auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten berücksichtigt, jedoch nicht erfordert, etwaige andere nachteilige Auswirkungen als diese zu berücksichtigen (Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 101). Aus der Klageschrift geht jedoch nicht hervor, inwiefern eine eventuelle Belastung der ungarischen Steuerpflichtigen durch die vorliegende Maßnahme Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben soll.

79      Somit ist der zweite Teil des vierten Klagegrundes unbegründet.

 Zum dritten Teil des vierten Klagegrundes: Nichtberücksichtigung der Alternativen zur Kernenergie

80      Die Republik Österreich macht geltend, die Kommission habe nicht ausreichend geprüft, ob es andere Mittel gebe, um den künftigen ungarischen Strombedarf zu decken. Wenn ein liberalisierter Sektor wie die Elektrizitätswirtschaft grundsätzlich ohne oder mit geringerer staatlicher Unterstützung auskommen müsste, erweise sich die Höhe der Beihilfemaßnahme als unverhältnismäßig.

81      Die Kommission, Ungarn und die Slowakische Republik treten diesem Vorbringen entgegen.

82      Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass aus Art. 194 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV sowie aus Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Buchst. c und Art. 192 Abs. 1 des Euratom-Vertrags hervorgeht, dass es einem Mitgliedstaat freisteht, die Zusammensetzung seines Energiemixes zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 79 und 80). Die Entscheidung Ungarns, eine Beihilfe zur Förderung der Kernenergie zu gewähren, ist daher, auch wenn sie bedeutet, dass die Mittel, die diesem Projekt gewidmet sind, für andere nicht zur Verfügung stehen, nicht zu beanstanden.

83      Außerdem stand es Ungarn in Anbetracht von Art. 2 Buchst. c und Art. 192 Abs. 1 des Euratom-Vertrags auch frei, die Schaffung neuer Kapazitäten der Erzeugung von Kernenergie als Ziel von allgemeinem Interesse im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV zu definieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2018, Österreich/Kommission, T‑356/15, EU:T:2018:439, Rn. 371 und 507).

84      Wenn sich Ungarn im Einklang mit seinen Befugnissen dafür entschieden hat, seine Energieversorgung durch die Erzeugung von Kernenergie sicherzustellen, ist von vornherein ausgeschlossen, dass Beihilfen für erneuerbare Energien zur Erreichung dieses spezifischen Ziels geeignet sind. Daher war die Kommission, wie Ungarn und die Slowakische Republik zu Recht ausführen, nicht verpflichtet, im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme alternative Lösungen zur Deckung des künftigen ungarischen Strombedarfs zu analysieren, sondern musste sich auf die Prüfung beschränken, ob die betreffende Maßnahme geeignet war, das vom Mitgliedstaat verfolgte Ziel zu erreichen, und ob es im Energiesektor eine weniger belastende Maßnahme gab als die vom Mitgliedstaat gewählte.

85      Zweitens hat die Republik Österreich nicht dargetan, dass Ungarn wegen der zugunsten der Gesellschaft Paks II gewährten Maßnahmen nicht in der Lage wäre, seinen den Umweltschutz betreffenden Verpflichtungen aus dem Unionsrecht nachzukommen.

86      In Anbetracht dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Republik Österreich, die Kommission habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass wegen des Projekts der Entwicklung neuer Reaktoren des Kernkraftwerks Paks weniger staatliche Mittel zur Verfügung stünden und Projekte zum Auf- und Ausbau erneuerbarer Energiequellen nicht weiterverfolgt würden, und somit das gesamte Vorbringen, mit dem geltend gemacht wird, die Kommission habe relevante Gesichtspunkte außer Acht gelassen, zurückzuweisen.

87      Folglich ist das gesamte Vorbringen zur Abwägung der positiven und negativen Auswirkungen der fraglichen Beihilfe sowie das Vorbringen zur Erforderlichkeit dieser Beihilfe wie auch die mit dem vierten Klagegrund vorgebrachten Argumente zur Nichtberücksichtigung der Alternativen zur Kernenergie zurückzuweisen. Die Republik Österreich hat also nicht dargetan, dass der Kommission bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der fraglichen Beihilfe ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist.

88      Somit ist der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund: Unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen und Ungleichbehandlungen, weshalb die Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei

89      Mit dem fünften Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, die Beihilfe sei mit dem Binnenmarkt unvereinbar, da ihre Gewährung zu unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen und Ungleichbehandlungen führe, die wiederum zu einer Verdrängung von Erzeugern erneuerbarer Energie vom liberalisierten Elektrizitätsbinnenmarkt führten.

90      Als Erstes bestehen der Republik Österreich zufolge Ungleichbehandlungen in zweierlei Hinsicht, nämlich zum einem in technischer Hinsicht und zum anderen in regulatorischer Hinsicht.

91      Erstens würden durch die hohe Subventionierung der Bereitstellung hoher Grundlastkapazitäten aus Kernkraft alternative kostengünstigere Erzeuger benachteiligt, die bei vorübergehenden Überkapazitäten am Strommarkt ihre Einspeisung künstlich drosseln müssten, um die Netzstabilität nicht zu gefährden. Die fragliche Beihilfe führe somit zu langfristigen, strukturellen Wettbewerbsverzerrungen und Verdrängungen auf dem liberalisierten Elektrizitätsbinnenmarkt. Von den künstlichen Drosselungen wären auch grenzüberschreitend Erzeuger betroffen, die Strom nach Ungarn exportierten.

92      Zweitens würden im vorliegenden Fall sämtliche Kosten für die Planung, die Errichtung, die Fremdfinanzierung und die Inbetriebnahme eines unrentablen, nicht wettbewerbsfähigen Vorhabens vom Staat getragen, während Erzeuger erneuerbarer Energien wesentlich geringere Beihilfen – und dies nur unter Einhaltung weitaus strikterer Vereinbarkeitsvoraussetzungen, wie sie in den UEB-Leitlinien festgelegt seien – erhielten. Hieraus resultiere eine unterschiedliche beihilferechtliche Behandlung von Erzeugern desselben Produkts, die auf demselben Markt in Wettbewerb zueinander stünden.

93      Als Zweites macht die Republik Österreich geltend, dass die der Gesellschaft Paks II gewährte Beihilfe auch deshalb zu einer Wettbewerbsverzerrung führe, weil sie wesentlichen Leitmotiven der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55), insbesondere dem Ziel, gleiche Bedingungen für alle in der Union niedergelassenen Elektrizitätsunternehmen zu schaffen, sowie dem Ziel, den Verbrauchern in der Union Energie zum wettbewerbsfähigsten Preis bereitzustellen, widerspreche.

94      Außerdem werde der angefochtene Beschluss von präjudizieller Bedeutung für weitere, hohe Beihilfen für andere Kernkraftwerke sein, die den Wettbewerb innerhalb des gesamten liberalisierten Elektrizitätsbinnenmarkts strukturell und unverhältnismäßig verzerren könnten.

95      Wenn schließlich dem angefochtenen Beschluss zufolge die isolierte Betrachtung jeder einzelnen Beihilfe selbst bei einer Größenordnung von 12,5 Mrd. Euro nicht schädlich für den Wettbewerb sei, wären im Endeffekt alle Beihilfen automatisch kompatibel mit dem Binnenmarkt.

96      Die Kommission und Ungarn treten dem Vorbringen der Republik Österreich entgegen.

97      Was erstens den Vorwurf der Republik Österreich betrifft, Erzeuger erneuerbarer Energie würden unter Verstoß gegen insbesondere die Leitprinzipien der Richtlinie 2009/72 schlechter behandelt, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass es einem Mitgliedstaat freisteht, die Zusammensetzung seines Energiemixes zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 79 und 80). Daher kann die Kommission nicht verlangen, dass die staatlichen Mittel für alternative Energiequellen verwendet werden. Daraus folgt auch, dass von einem Mitgliedstaat nicht verlangt werden kann, für alle Energieerzeuger völlig gleiche Finanzierungs- oder Betriebsbedingungen vorzusehen. Dadurch würde im Übrigen jegliche Beihilfe für ein bestimmtes Projekt zur Energieerzeugung ausgeschlossen.

98      Als Zweites ist, wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, die Gefahr einer gewissen Wettbewerbsverzerrung jeder Beihilfe immanent. Sie ist daher bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige mit dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV bis zu einem gewissen Grad zu akzeptieren, wobei die Grenze dann überschritten ist, wenn die Beihilfe die Handelsbedingungen in einer Weise verändert, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

99      Im 391. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass die aus der gegenständlichen Beihilfe möglicherweise resultierenden negativen Auswirkungen durch das verfolgte Ziel von gemeinsamem Interesse zumindest ausgeglichen würden. Die Größenordnung dieser Beihilfe von 12,5 Mrd. Euro stellt einen Umstand dar, der im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen ist. Für sich genommen kann dieser Umstand jedoch nicht ausschlaggebend sein. Da es sich nur um die Investitionskosten für zwei neue Reaktoren handelt, die die vier alten Reaktoren ersetzen sollen, die aufgrund ihres Alters schrittweise abgeschaltet werden, und keine Betriebsbeihilfe vorgesehen ist, sind die Auswirkungen auf den Energiemarkt nur begrenzt.

100    Die Kommission hat nämlich begründet dargelegt, welche Marktanteile zum einen von der Gesellschaft Paks II für sich genommen nach der Abschaltung der alten Reaktoren und zum anderen von der MVM-Gruppe und der Gesellschaft Paks II zusammengenommen während des begrenzten Zeitraums des Parallelbetriebs auf dem ungarischen Markt und auch auf den gekoppelten Märkten Rumäniens und der Slowakei erreicht werden können. Wie die Abbildung 10 im angefochtenen Beschluss zeigt, wird der Anteil der Gesellschaft Paks II auf diesen gekoppelten Märkten nicht mehr als 10 % betragen. Die gemeinsamen Marktanteile der MVM-Gruppe und der Gesellschaft Paks II auf dem slowakischen und dem rumänischen Markt, die mit Ungarn gekoppelt sind, würden nach derselben Abbildung nicht mehr als 20 % betragen. Daher werden sich die beiden neuen Reaktoren nur begrenzt auf die Verteilung der Marktanteile auswirken.

101    Zu den Interessen der Energieverbraucher, den wettbewerbsfähigsten Preis zu erhalten, ist darauf hinzuweisen, dass nach der NERA-Studie, deren Ergebnisse von der Republik Österreich nicht in Frage gestellt werden, das Kernkraftwerk Paks, wie aus den Erwägungsgründen 113, 365, 369 und 376 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, weiterhin ein Preisnehmer sein wird. Wie die Kommission insbesondere im 365. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, werden die Strompreise hauptsächlich durch die Grenzkosten der auf einem bestimmten Markt tätigen Erzeuger bestimmt. Technologien aufgrund erneuerbarer Energiequellen sind durch geringe Grenzkosten gekennzeichnet, da für den Betrieb meist keine Brennstoffkosten anfallen. Auch in der Kerntechnologie sind die Betriebskosten gering. Dagegen haben Technologien auf der Grundlage von Brennstoffen, wie Kohlekraftwerke und Gasturbinenkraftwerke, höhere Betriebskosten und erhöhen damit den Strompreis. Folglich ist die Kernenergie eher ein Preisnehmer als ein Preissetzer. Insoweit besteht also kein Konflikt zwischen der in Rede stehenden Beihilfe und den von der Republik Österreich angeführten wesentlichen Leitmotiven der Richtlinie 2009/72.

102    Außerdem hat die Kommission in Abschnitt 5.3.8.2 des angefochtenen Beschlusses u. a. die Markteintrittshindernisse für neue Marktteilnehmer eingehend geprüft. Diese Frage wurde insbesondere im Hinblick auf die potenziellen Auswirkungen der Maßnahme auf den ungarischen Markt (Erwägungsgründe 357 bis 365), ihre potenziellen grenzüberschreitenden Wirkungen (Erwägungsgründe 366 bis 371) und die potenziellen Wirkungen eines gleichzeitigen Betriebs der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks (Erwägungsgründe 372 bis 376) untersucht. Die Republik Österreich hat nicht dargetan, dass bei dieser Beurteilung offensichtliche Fehler unterlaufen seien. Da die Republik Österreich nicht bestreitet, dass die Kapazität der neuen Reaktoren, wie die Kommission zu Recht feststellt, langfristig nicht zu einer Erhöhung der installierten nuklearen Gesamtkapazität in Ungarn führt, die auf 36 % des gesamten Stromverbrauchs geschätzt wird, kann die Ersetzung der vier Reaktoren des Kernkraftwerks Paks durch zwei neue Reaktoren, die die gleiche Energiemenge erzeugen und durch die fragliche Investitionsbeihilfe finanziert werden, keine erhebliche Verdrängung von Erzeugern von Energie aus anderen Quellen bewirken.

103    Als Drittes ist das Vorbringen der Republik Österreich zurückzuweisen, dass der angefochtene Beschluss von präjudizieller Bedeutung für weitere, hohe Beihilfen für andere Kernkraftwerke sei, die den Wettbewerb innerhalb des gesamten liberalisierten Elektrizitätsbinnenmarkts strukturell und unverhältnismäßig verzerren könnten. Hierzu stellt die Kommission zu Recht fest, dass die präjudizielle Bedeutung des angefochtenen Beschlusses kein rechtliches, sondern ein politisches Argument ist, das nicht die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses bewirken kann.

104    Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der fünfte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen ist.

 Zum sechsten Klagegrund: Rechtswidrigkeit einer Beihilfe für ein Unternehmen in Schwierigkeiten

105    Mit dem sechsten Klagegrund macht die Republik Österreich, unterstützt durch das Großherzogtum Luxemburg, geltend, dass die in Rede stehende Maßnahme eine Investition in ein „Projekt in Schwierigkeiten“ darstelle, was den Wettbewerb in unverhältnismäßiger Weise verfälsche, da die Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten nicht berücksichtigt worden seien.

106    Die Republik Österreich und das Großherzogtum Luxemburg machen im Wesentlichen geltend, dass sich in der vorliegenden Rechtssache die Notwendigkeit einer staatlichen Beihilfe daraus ergebe, dass Investitionen in Kernenergie nicht rentabel seien, so dass die Kommission gegen den Grundsatz verstoßen habe, dass Unternehmen in Schwierigkeiten keine Beihilfe gewährt werden dürfe. Da die fragliche Beihilfe nicht nach den Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten geprüft worden sei und nicht die in diesen Leitlinien vorgesehenen Voraussetzungen erfülle, hätte sie nicht auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV genehmigt werden dürfen.

107    Die Republik Österreich trägt vor, dass die Kommission, obwohl die Rentabilitätsberechnungen im Rahmen des Verfahrens zur Kontrolle staatlicher Beihilfen für die neuen Reaktoren von einer extrem langen Laufzeit von 60 Jahren ausgingen, im 303. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses bestätigt habe, dass die mit dem Vorhaben erwirtschafteten Erträge nicht hinreichend wären, um die Kosten eines privaten Kapitalgebers zu decken. Darüber hinaus zitiere die Kommission im 321. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses Informationen von Rating-Agenturen, die zeigten, dass sich das Rating von Elektrizitätsunternehmen verbessere, wenn diese aus dem Kernkraftbereich ausstiegen. Es handle sich nämlich um ein unrentables Projekt, dessen Kostenstruktur nicht wettbewerbsfähig sei.

108    Beihilfen, die ein unrentables Unternehmen bzw. eine unrentable „wirtschaftliche Tätigkeit“ künstlich am Markt hielten, leisteten in der Regel keinen Beitrag zur Entwicklung eines Wirtschaftszweigs, sie verzerrten vielmehr den Wettbewerb in einer unverhältnismäßigen Weise. Entsprechend der allgemeinen Systematik von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV seien sie daher ausgeschlossen.

109    Das Großherzogtum Luxemburg verweist wie die Republik Österreich auf die Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV (ABl. 2014, L 187, S. 1). Nach Art. 41 dieser Verordnung könne eine Beihilfe für Investitionsvorhaben, durch die erneuerbare Energien gefördert würden, insbesondere unter dem Vorbehalt gewährt werden, dass es sich nicht um ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne von Art. 2 Nr. 18 der Verordnung handle.

110    Die Kommission und Ungarn treten dem Vorbringen der Republik Österreich und des Großherzogtums Luxemburg entgegen.

111    Es ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht die von der Republik Österreich aufgeworfene Frage beantwortet, ob die in Rede stehende Maßnahme eine Investition in ein „Projekt in Schwierigkeiten“ darstellt und daher den Wettbewerb in unverhältnismäßiger Weise verfälscht.

112    Da die Kommission im angefochtenen Beschluss dementsprechend die Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten, auf die sich die Republik Österreich und das Großherzogtum Luxemburg berufen, nicht berücksichtigt hat, stellt sich die Frage, ob die Kommission diese Leitlinien im Rahmen ihrer der Genehmigung der Gewährung der Beihilfe an die Gesellschaft Paks II zugrunde liegenden Beurteilung hätte anwenden müssen.

113    Hierzu ist festzustellen, dass nach Abschnitt 2.2 („Sachlicher Anwendungsbereich: Begriff des Unternehmens in Schwierigkeiten“) Rn. 20 der Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten ein Unternehmen dann als Unternehmen in Schwierigkeiten gilt, wenn es auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeiten gezwungen sein wird, wenn der Staat nicht eingreift. Bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung gilt diese Voraussetzung insbesondere dann als erfüllt, wenn mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verloren gegangen ist.

114    Außerdem sieht Rn. 21 der Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten vor, dass im Rahmen dieser Leitlinien für neu gegründete Unternehmen keine Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfe gewährt werden kann, und zwar auch dann nicht, wenn ihre anfängliche Finanzsituation prekär ist. Dies gilt insbesondere für neue Unternehmen, die aus der Abwicklung oder der Übernahme der Vermögenswerte eines anderen Unternehmens hervorgegangen sind. Ein Unternehmen gilt grundsätzlich in den ersten drei Jahren nach Aufnahme seiner Geschäftstätigkeit als Neugründung.

115    Erstens haben die Republik Österreich und das Großherzogtum Luxemburg nicht dargetan, dass die Gesellschaft Paks II – gemäß der in Rn. 20 der Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten enthaltenen Definition eines Unternehmens in Schwierigkeiten – auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher zur Einstellung ihrer Geschäftstätigkeiten gezwungen wäre.

116    Nach Rn. 20 Buchst. a dieser Leitlinien ist diese Voraussetzung bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung dann erfüllt, wenn mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verloren gegangen ist. Obwohl die Gesellschaft Paks II nach dem neunten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Private Company Limited by Shares) ist, macht die Republik Österreich jedoch nicht geltend, dass ein Teil ihres Stammkapitals verloren gegangen wäre.

117    Nach den in Abschnitt 2.5 des angefochtenen Beschlusses im Einzelnen dargestellten Beihilfebedingungen (siehe oben, Rn. 7) stellt die revolvierende Kreditfazilität von 10 Mrd. Euro, die 80 % der Finanzierung der Entwicklung der Kernreaktoren 5 und 6 des Kernkraftwerks Paks abdeckt, ein Darlehen der Russischen Föderation an Ungarn dar, das von Ungarn und nicht vom Beihilfeempfänger zurückzuzahlen ist. Außerdem ist nicht vorgesehen, dass die Gesellschaft Paks II die 2,5 Mrd. Euro, die die verbleibenden 20 % der Finanzierung der Entwicklung dieser Reaktoren abdecken und von Ungarn aus eigenen Mitteln finanziert werden, erstattet. Die ungarischen Behörden gingen in diesem Stadium davon aus, dass eine höhere Kreditaufnahme unmittelbar durch die Gesellschaft Paks II nicht erforderlich sein werde, da ihr übriger Finanzbedarf in der Bauphase durch Beteiligungskapital aus dem ungarischen Staatshaushalt gedeckt werde (vgl. Erwägungsgründe 38 und 40 des streitigen Beschlusses).

118    Zudem sind die von der Republik Österreich angeführten Kriterien, nämlich die Rentabilität des Projekts, das Rating des Unternehmens und die Kostenstruktur, als solche nicht relevant, um gemäß der Definition in Rn. 20 der Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten zu bestimmen, ob es sich um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handelt, da diese Kriterien in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit einer etwaigen Prognose stehen, dass die Gesellschaft Paks II auf kurze oder mittlere Sicht zur Einstellung ihrer Geschäftstätigkeiten gezwungen wäre. Was im Übrigen insbesondere die Feststellung der Kommission in den Erwägungsgründen 303, 320 und 321 des angefochtenen Beschlusses betrifft, dass die mit diesem Vorhaben erwirtschafteten Erträge nicht hinreichend wären, um die Kosten eines privaten Kapitalgebers zu decken, ist darauf hinzuweisen, dass diese Investitionskosten, wie oben in Rn. 116 dargelegt, vollständig durch die fragliche Beihilfe finanziert werden, da die Begünstigte Eigentümerin der beiden neuen Reaktoren wird, ohne einer Rückzahlungspflicht zu unterliegen.

119    Zweitens kann die Gesellschaft Paks II deshalb nicht als Unternehmen in Schwierigkeiten angesehen werden, weil sie, wie Ungarn zu Recht geltend macht, die Energieerzeugung noch nicht aufgenommen hat, da die neuen Reaktorblöcke noch nicht gebaut worden sind. Da die Gesellschaft somit in der Investitionsphase ist, befindet sie sich in einem Stadium, das demjenigen neu gegründeter Unternehmen vorausgeht, in Bezug auf die es in Rn. 21 Satz 3 der Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten heißt, dass sie in den ersten drei Jahren nach Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit als neu gegründet gelten.

120    Nach Rn. 24 der Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten gilt für die Zwecke anderer Verordnungen und Mitteilungen im Bereich staatlicher Beihilfen, die die Gewährung von Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten verbieten, die Definition des Begriffs „Unternehmen in Schwierigkeiten“ in Rn. 20 der Leitlinien.

121    Daher ist die Gesellschaft Paks II kein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Verordnungen und Mitteilungen im Bereich staatlicher Beihilfen, die die Gewährung von Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten verbieten.

122    Da das fragliche Projekt somit, wie die Kommission und Ungarn zu Recht geltend machen, nicht in den Anwendungsbereich der Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten fällt, musste die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht prüfen, ob die Voraussetzungen dieser Leitlinien erfüllt waren.

123    Der sechste Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum siebten Klagegrund: Verstärkung oder Schaffung einer marktbeherrschenden Stellung

124    Mit dem siebten Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, die in Rede stehende Beihilfe führe zu einer Schaffung oder Verstärkung einer bzw. der beherrschenden Stellung der die alten und die neuen Reaktoren betreibenden Unternehmen auf dem ungarischen Strommarkt, und diese beherrschende Stellung stelle eine unverhältnismäßige Verfälschung des Wettbewerbs dar, so dass die Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei.

125    Die Republik Österreich weist darauf hin, dass die beiden Gesellschaften, die die alten und die neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks betrieben, zu 100 % vom ungarischen Staat gehalten würden, wobei dieser, über die MVM Hungarian Electricity Ltd., jeweils indirekter Eigentümer sei, was im Einleitungsbeschluss Bedenken dahin geweckt habe, dass die Inbetriebnahme der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks zu einer ganz erheblichen Marktkonzentration in Ungarn führen würde.

126    Nach Ansicht der Republik Österreich sind die beiden im angefochtenen Beschluss genannten minimalen Zusagen Ungarns nicht ausreichend. Dass die Führung der beiden Gesellschaften unterschiedlichen Ministerien zugeordnet sei, könne nichts an der Tatsache ändern, dass letztlich der ungarische Staat sämtliche Anteile beider Gesellschaften halte und als Anteilsinhaber das Verhalten beider Gesellschaften steuern könne. In einer funktionalen Betrachtungsweise seien im Rahmen der Beurteilung der Marktkonzentration die Anteile der beiden Unternehmen zusammenzurechnen. Der Hinweis der Kommission im 353. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf ihre Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2008, C 95, S. 1) ändere nichts an dieser Beurteilung.

127    Was den Parallelbetrieb der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks anbelange, könne die Tatsache, dass dieser nur für die Dauer von sieben Jahren erfolgen solle, die wettbewerbsrechtlichen Bedenken nicht zerstreuen. Tatsächlich würden für die Dauer dieses Zeitraums Mitbewerber vom Markt ferngehalten. Außerdem sei der voraussichtliche Zeitpunkt der Schließung der alten Kernreaktoren nicht garantiert.

128    Ferner habe die Kommission die Auswirkungen auf die Möglichkeit des Markteintritts von neuen Marktteilnehmern insbesondere für den Zeitraum von 2026 bis 2032 bzw. 2037 nicht berücksichtigt. Die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass Investitionen in Kernkraftwerke allgemein dazu beitrügen, dass staatliche Investitionen in erneuerbare Energiequellen zurückgingen und gleichzeitig die Marktkonzentration am gesamten Energiemarkt signifikant steige.

129    Zu der Feststellung, dass die MVM-Gruppe und die Gesellschaft Paks II zusammen auf den gekoppelten Märkten Ungarns, der Slowakei und Rumäniens einen Marktanteil von nicht mehr als 20 % hätten, führt die Republik Österreich aus, dass dies allein nicht ausreiche, um eine grenzüberschreitende Wirkung von vornherein auszuschließen. Nach Ansicht der Republik Österreich hätte die Kommission insbesondere auch die Marktstruktur insgesamt berücksichtigen müssen. Angesichts der Tatsache, dass das Kernkraftwerk Paks bereits mit den alten Reaktoren über 50 % Marktanteil in Ungarn verfüge, sei das Risiko eines Missbrauchs dieser Stellung sowie einer sich daraus ergebenden Wettbewerbsverzerrung evident.

130    Die Kommission, Ungarn und die Tschechische Republik treten dem Vorbringen der Republik Österreich entgegen.

131    Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV eine Beihilfe nur genehmigt werden kann, wenn sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändert, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, was impliziert, dass die positiven Auswirkungen der geplanten Beihilfe auf die Entwicklung der Tätigkeiten, die sie fördern soll, gegen die negativen Auswirkungen, die diese Beihilfe auf den Binnenmarkt haben kann, abgewogen werden müssen (Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 101). Solche negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb bestehen insbesondere dann, wenn die Beihilfen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung einer beherrschenden Stellung auf dem Markt des Beihilfeempfängers führen.

132    Unter diesem Blickwinkel hat die Kommission in Abschnitt 5.3.8.1 des angefochtenen Beschlusses geprüft, ob es zu einer Verstärkung einer möglichen Marktkonzentration kommen würde, da die alten und die neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks im Eigentum derselben Eigentümerin und Betreibergesellschaft stehen würden.

133    Im 347. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission festgestellt, dass der ungarische Stromerzeugungsmarkt durch eine verhältnismäßig hohe Marktkonzentration gekennzeichnet sei, da auf das Kernkraftwerk Paks (MVM-Gruppe) etwa 50 % der inländischen Erzeugung entfielen. Aus dem 349. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die Kommission Bedenken hatte, dass eine rechtliche Trennung der Gesellschaft Paks II von der MVM-Gruppe nicht hinreichend sein könnte oder dass sie ohne zusätzliche diesbezügliche Garantien nicht aufrechterhalten werden könnte. Die Kommission war jedoch der Ansicht, dass ihre Bedenken mit bestimmten Informationen ausgeräumt würden. Dazu zählte sie erstens, dass der Zweck der ungarischen Maßnahme in der schrittweisen Ersetzung vorhandener nuklearer Kapazität im Kernkraftwerk Paks zwischen 2025 und 2037 bestehe, zweitens, dass Ungarn vorgebracht habe, dass die MVM-Gruppe und die Gesellschaft Paks II unabhängig voneinander und nicht miteinander verbunden seien, und drittens, dass Ungarn zufolge die Gesellschaft Paks II sowie ihre Rechtsnachfolger und verbundenen Gesellschaften rechtlich und strukturell vollständig voneinander getrennt sein würden und unabhängig von der MVM-Gruppe und deren Geschäftsbereichen, Rechtsnachfolgern und Gesellschaften sowie von anderen staatlich kontrollierten und im Bereich der Erzeugung und des Stromhandels auf dem Großkunden- und dem Endverbrauchermarkt tätigen Unternehmen verwaltet und geleitet würden (Erwägungsgründe 350 bis 354 des angefochtenen Beschlusses).

 Zur Leistung des Kernkraftwerks Paks auf dem ungarischen Markt und auf dem Binnenmarkt der Union

134    Die Republik Österreich macht geltend, durch die fragliche Beihilfe werde eine marktbeherrschende Stellung geschaffen.

135    Die Republik Österreich behauptet als Erstes, das Kernkraftwerk Paks verfüge bereits mit den alten Reaktoren über 50 % Marktanteil in Ungarn, was zu einer widerlegbaren Vermutung für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung führe. Dieses Argument beruht jedoch auf einem Tatsachenirrtum.

136    Im 43. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es: „Als Stromerzeuger verfügt die in staatlichem Eigentum stehende MVM-Gruppe dank ihres wichtigsten Kraftwerks, des Atomkraftwerks Paks, über einen beträchtlichen Marktanteil (52,67 % der gesamten Stromerzeugung in Ungarn im Jahr 2015)“. Diese Feststellung behandelt ebenso wie die Erwägungsgründe 18 und 347 des angefochtenen Beschlusses den Anteil des Kernkraftwerks Paks an der in Ungarn erzeugten Energie. Diese Prozentsätze geben jedoch nicht den Anteil des Kernkraftwerks Paks am ungarischen Strommarkt an. Dieser ergibt sich vielmehr aus der ebenfalls im 43. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Abbildung 1, die sich auf den „gesamten Stromverbrauch in Ungarn im Jahr 2015“ bezieht und wonach sich der Marktanteil des Kernkraftwerks Paks auf 36,19 % beläuft. Da Ungarn, wie die Kommission im 47. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erläutert hat, mit einem Importanteil von etwa 30 % des Stromverbrauchs ein Nettoimporteur ist, wird der Marktanteil des Kernkraftwerks Paks automatisch durch diese Importe verringert, die einen wesentlichen Teil des Verbrauchs in Ungarn decken.

137    Die Kommission weist daher zu Recht darauf hin, dass sie sich im 358. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf gestützt hat, dass der vom Kernkraftwerk Paks erzeugte Strom 36 % des gesamten Stromverbrauchs in Ungarn deckt. Außerdem hat die Kommission im 358. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass erstens der damals im Kernkraftwerk Paks erzeugte Strom 36 % des gesamten Stromverbrauchs in Ungarn decke, zweitens dieser Deckungsgrad angesichts der erwarteten Zunahme der Nachfrage abnehmen werde und drittens davon auszugehen sei, dass nach dem Abschalten der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks in den neuen Reaktoren in ähnlichem Umfang Strom erzeugt werde.

138    Hinzu kommt, dass die Marktanteile, wie Ungarn zu Recht ausführt, an sich nicht die Marktbeherrschung definieren, sondern diese nur Ausgangspunkt für jede Marktanalyse sind, bei der alle anderen relevanten Umstände zu berücksichtigen sind, etwa die Zutrittsschranken und die Marktentwicklung über einen längeren Zeitraum (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, EU:C:1978:22, Rn. 66) oder die Struktur des betreffenden Marktes. Insoweit weist Ungarn zu Recht darauf hin, dass zum einen der Bau der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks ein Vorhaben ist, das auf die Erhaltung der Stromerzeugungskapazität und nicht auf deren Erhöhung abzielt und das eine Lösung für vorausgesagte Kapazitätsengpässe bietet sowie zur Netzstabilität beiträgt, und zum anderen der angefochtene Beschluss in seinem Art. 3 Bedingungen – insbesondere betreffend die Verwendung der Gewinne, die kommerziellen Handelsvereinbarungen und die Gewährleistung der rechtlichen und strukturellen Trennung der Gesellschaft Paks II von der MVM-Gruppe – enthält, die die wettbewerbswidrige Wirkung der Beihilfemaßnahme verringern sollen und für die Ungarn zudem die Übermittlung von Jahresberichten zugesagt hat.

139    Die Kommission hat nämlich im angefochtenen Beschluss ihre Beurteilung einer etwaigen Marktverfälschung auf alle diese Gesichtspunkte gestützt, ohne dass die Republik Österreich die Wirtschaftsstudien zur gegenwärtigen Situation und zu den Prognosen der Entwicklung auf dem ungarischen Markt und den miteinander verbundenen Märkten, auf die sich die Kommission gestützt hat, in Frage gestellt hätte.

140    Insoweit ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass nach diesen Studien, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 360 und 388 des angefochtenen Beschlusses erläutert hat, in Ungarn weiterhin Energieknappheit herrschen wird, so dass Ungarn nach dem Abschalten der vier Reaktorblöcke des derzeit in Betrieb befindlichen Atomkraftwerks Paks weiterhin ein Nettoimporteur bleiben wird. Außerdem geht nach dem 373. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aus der NERA-Studie hervor, dass selbst bei gleichzeitigem Betrieb der neuen und der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks von 2025 bis 2037 die erwartete Zunahme der nationalen Spitzennachfrage nicht allein durch Kraftwerke in Ungarn gedeckt werden kann (vgl. auch 389. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die Behauptung der Republik Österreich, dass es während des parallelen Betriebs der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks zwischen 2026 und 2032 zu einer Abschottung des ungarischen Strommarkts mit einer Behinderung für den Markteintritt neuer Marktteilnehmer kommen werde, die die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht berücksichtigt habe, erweist sich somit als unbegründet.

141    Was die Rüge in Bezug auf die Wettbewerber auf dem ungarischen Markt und auf den gekoppelten Märkten Ungarns, der Slowakei und Rumäniens betrifft, so wurden die Auswirkungen auf diese Wettbewerber in den Erwägungsgründen 357 ff. und 366 ff. des angefochtenen Beschlusses analysiert und bei der Schlussfolgerung zur Verfälschung des Wettbewerbs und zur allgemeinen Abwägungsprüfung im 388. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses berücksichtigt. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich die gemeinsamen Marktanteile der beiden Unternehmen nicht zu berücksichtigen sind, da die Unabhängigkeit der Gesellschaft Paks II von der MVM-Gruppe nachgewiesen und garantiert wurde, wie unten in den Rn. 152 ff. ausgeführt wird.

142    Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist die Kritik der Republik Österreich, die sieben Jahre der gleichzeitigen Stromerzeugung seien ein Zeitraum, in dem Mitbewerber vom Markt ferngehalten würden, so dass ein Verdrängungseffekt langfristig unvermeidbar sei, unbegründet. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 387. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses und auf der Grundlage von darin vorgebrachten Studien zu dem Schluss gelangt ist, dass insbesondere im begrenzten Zeitraum des gleichzeitigen Betriebs der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks ein etwaiges Hindernis für einen Markteintritt von Erzeugungskapazitäten, die auf anderen Technologien beruhen, dadurch begrenzt wäre, dass die Lücke der vom ungarischen Netzbetreiber ermittelten künftigen installierten Gesamtkapazität die Durchdringung des Marktes mit anderen Erzeugungstechnologien (unter Nutzung sowohl erneuerbarer Energiequellen als auch CO2-intensiver Energieträger) unabhängig vom Bau der neuen Reaktoren ermöglichen würde.

143    Was schließlich die mögliche Verdrängung von Erzeugern von Energie aus neuen und erneuerbaren Quellen anbelangt, so ist der in den Schriftsätzen dargelegte und von der Republik Österreich nicht bestrittene Umstand zu berücksichtigen, dass diese Art von Energie naturgemäß unvorhersehbar ist und nur schwer zu der zu deckenden Grundlast beitragen kann (vgl. 181. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

144    Als Zweites ist das Vorbringen der Republik Österreich zurückzuweisen, die Kommission hätte im Rahmen der Beurteilung einer etwaigen Marktkonzentration eine von Candole Partners erstellte Studie berücksichtigen müssen, auf die sie sich bei der Ermittlung der Vorteile der fraglichen Beihilfe gestützt habe und die Marktkonzentrationsschätzungen enthalte. Die Republik Österreich leitet aus dieser Studie ab, dass Investitionen in Kernkraftwerke allgemein dazu beitrügen, dass staatliche Investitionen in erneuerbare Energiequellen zurückgingen und gleichzeitig die Marktkonzentration am gesamten Energiemarkt signifikant steige.

145    Erstens ist daran zu erinnern, dass es einem Mitgliedstaat freisteht, die Zusammensetzung seines Energiemixes zu bestimmen.

146    Im Übrigen geht insoweit aus dem 362. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die nationale Energiestrategie Ungarns nach dem Klima- und Energiepaket 2020 der Kommission, nach den für erneuerbare Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt festgelegten nationalen Zielvorgaben der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. 2009, L 140, S. 16) und nach den Schlüsselzielen des Rahmens für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 die Nutzung erneuerbarer Energiequellen vorsieht. Angesichts der genannten Ziele auf Unions- und auf nationaler Ebene im Hinblick auf erneuerbare Energiequellen sei zudem festzustellen, dass Ungarn bezüglich der Einrichtung von Mechanismen, mit denen die Einbindung neuer, mit erneuerbaren Energiequellen betriebener Kraftwerke in das Stromnetz gefördert werden soll, keine Sonderstellung einnimmt. Die Kommission hat auch darauf hingewiesen, dass Teile des ungarischen Programms zur Förderung erneuerbarer Energiequellen seit Januar 2017 durchgeführt wurden, während andere Teile des Programms, die für größere Unternehmen von Bedeutung sind, die Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses noch auf das Vorliegen staatlicher Beihilfen geprüft wurden.

147    Zweitens bestätigen die von der Republik Österreich wiedergegebenen Indizes zur Messung der Marktkonzentration nur in Zahlen, was bereits aus den Feststellungen der Kommission im angefochtenen Beschluss hervorgeht: Der Herfindahl-Hirschman-Index (HHI) stellt Werte dar, die einer „hohen Marktkonzentration“ von 2 594 heute, von 6 889 im Jahr 2030 (Überschneidungszeitraum) und von 2 582 im Jahr 2040 entsprechen. Da die Republik Österreich nicht darlegt, inwieweit aus dieser Studie hervorgehende Daten die Beurteilung des Umfangs einer etwaigen Wettbewerbsverzerrung beeinflussen könnten, ist das Vorbringen, die von Candole Partners durchgeführte Studie sei nicht in die Abwägung einbezogen worden, zurückzuweisen.

148    Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Kommission im 372. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend die Auswirkungen der fraglichen Beihilfe auf den Markt angesichts des Ziels der Versorgungssicherheit und der Notwendigkeit einer sorgfältigen Vorbereitung der Stilllegung der Reaktorblöcke des Kernkraftwerks Paks als verhältnismäßig erachtet hat. Die Republik Österreich hat nicht dargetan, dass der Kommission bei der Prüfung der Marktkonzentration, die sich aus der fraglichen Beihilfe ergeben könnte, ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen wäre. Die vorliegende Rüge ist somit zurückzuweisen.

 Zur Verlängerung des Parallelbetriebs der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks

149    Nach Ansicht der Republik Österreich hätte die Kommission im angefochtenen Beschluss als Bedingung für die Genehmigung der Beihilfe die Verpflichtung vorsehen müssen, die alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks zu schließen. Ohne eine solche Bedingung könne der Parallelbetrieb der alten und der neuen Reaktoren theoretisch lange fortwähren, so dass nicht sicher sei, dass die Reaktoren 1 bis 4 des Kernkraftwerks Paks nicht über 2032, 2034, 2036 bzw. 2037 hinaus betrieben würden, da in zahlreichen Staaten Laufzeitverlängerungen angestrebt bzw. vorgenommen würden.

150    Im vorliegenden Fall stellt die Aufstellung einer Bedingung im verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses jedoch kein zwingendes Erfordernis dar, um die Einhaltung dieser Vorgabe zu gewährleisten. Aus dem 350. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht zum einen hervor, dass sich der Überschneidungszeitraum auf die Jahre 2026–2032 beschränken sollte, und zum anderen, dass die vollständige Abschaltung der nuklearen Kapazität der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks bis 2037 abgeschlossen sein sollte. Die Planung der Abschaltung der nuklearen Kapazität findet sich auch in der Beschreibung der Beihilfe in Abschnitt 2 („Ausführliche Beschreibung der Maßnahme“) des angefochtenen Beschlusses, in dem die Kommission im zehnten Erwägungsgrund ausgeführt hat, dass „[d]er Betrieb der Blöcke 5 und 6 … den Kapazitätsverlust infolge der Stilllegung der Blöcke 1‑4 (insgesamt 2 000 MW) ausgleichen [soll]“ und dass „[n]ach Auskunft von Ungarn … die Blöcke 1‑4 jeweils bis Ende 2032, 2034, 2036 bzw. 2037 betrieben werden [sollen], wobei eine weitere Laufzeitverlängerung nicht vorgesehen ist“. In der Beschreibung der Beihilfe wird die Maßnahme also so dargestellt, dass sie in einer schrittweisen Ersetzung der nuklearen Kapazität der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks besteht. Die Entscheidung der Kommission, die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären, bezieht sich jedoch nur auf die Beihilfe, wie sie im angefochtenen Beschluss beschrieben wird, so dass mit dem angefochtenen Beschluss die Beihilfe nur genehmigt wird, soweit sie mit der angemeldeten Maßnahme in Einklang bleibt.

151    Im Übrigen ist das Vorbringen der Republik Österreich, mit dem die Glaubwürdigkeit der Behauptung Ungarns in Frage gestellt wird, wonach der geplante Zeitraum, in dem die vier derzeit in Betrieb befindlichen Reaktoren parallel zu den zwei neuen betrieben werden, auf den Zeitraum 2026–2032 beschränkt sein sollte und es bis 2037 zur vollständigen Abschaltung der nuklearen Kapazität dieser Reaktoren kommen sollte, nicht durch Beweise untermauert, die belegen könnten, dass der Kommission hinsichtlich des wahrscheinlichen Vorliegens einer beherrschenden Stellung ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen wäre.

 Zur Unabhängigkeit des Unternehmens, das die alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks betreibt, von dem Unternehmen, das die neuen Reaktoren dieses Kernkraftwerks betreibt

152    Was den zweiten und den dritten Gesichtspunkt betrifft, auf die sich die Kommission in den Erwägungsgründen 351 bis 353 des angefochtenen Beschlusses stützt, um ihre Bedenken hinsichtlich der Verstärkung eines Einflusses auf den ungarischen Energiemarkt auszuräumen, nämlich dass es weder eine Zusammenführung des Betreibers der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks, der MVM-Gruppe, einerseits und der Gesellschaft Paks II als Betreiberin der neuen Reaktoren andererseits noch eine Abstimmung ihrer Maßnahmen gegeben habe, macht die Republik Österreich im Wesentlichen geltend, dass die vier Merkmale, auf die die Kommission ihre Feststellung einer rechtlichen und strukturellen Trennung stütze, hierfür nicht ausreichend seien. Diese Merkmale bestünden darin, dass die beiden Unternehmen von unterschiedlichen staatlichen Stellen geführt würden (MVM vom Ministerium für nationale Entwicklung und die Gesellschaft Paks II vom Amt des Premierministers), dass die Aufsichtsgremien der beiden Unternehmen unterschiedliche Direktoren hätten, dass es Garantien gebe, wonach zwischen den Unternehmen keine geschäftlich empfindlichen und vertraulichen Informationen ausgetauscht würden, und dass in den Unternehmen jeweils getrennte Entscheidungsbefugnisse bestünden.

153    Als Erstes ist das Vorbringen der Republik Österreich zurückzuweisen, dass die Gesellschaft Paks II bei ihrer Gründung zur MVM-Gruppe gehört habe. Aus dem 27. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die ursprünglich im Eigentum der MVM-Gruppe stehenden Anteile an der Gesellschaft Paks II 2014 auf den ungarischen Staat übertragen wurden. Der angefochtene Beschluss wurde jedoch am 6. März 2017 erlassen, so dass es zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses durch die Kommission unerheblich war, dass die Anteile an der Gesellschaft Paks II ursprünglich im Eigentum der MVM-Gruppe standen.

154    Als Zweites ist festzustellen, dass das Vorbringen, mit dem die Republik Österreich die Gültigkeit des zweiten im 352. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannten Kriteriums (siehe oben, Rn. 152), nämlich das Bestehen einer autonomen Entscheidungsbefugnis, in Frage stellt, nicht überzeugen kann. Trotz der rechtlichen und strukturellen Trennung der beiden Energieerzeuger kann nach Ansicht der Republik Österreich der Umstand, dass die Führung der beiden Gesellschaften unterschiedlichen Ministerien zugeordnet sei, nichts an der Tatsache ändern, dass letztlich der ungarische Staat sämtliche Anteile beider Gesellschaften halte und das Verhalten beider Gesellschaften steuern oder koordinieren könne, zumal es sich um Minister derselben Regierung handle und insbesondere der „Ministerpräsident“ eine besondere Rolle in der ungarischen Regierung einnehme.

155    Ungarn weist jedoch zu Recht darauf hin, dass die Republik Österreich keine Grundlage für die Behauptung liefert, wonach der ungarische Ministerpräsident eine besondere Rolle in der ungarischen Regierung einnehme, mit der angeblich die Kontrolle der Strategien der die alten Reaktoren betreibenden Gesellschaft und des die neuen Reaktoren betreibenden Unternehmens und deren Leitung ermöglicht werde. Die Republik Österreich hat auch keine Angaben zu etwaigen Ermittlungsrechten gemacht. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass der – von der Republik Österreich in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte – Umstand, dass der Premierminister nach der ungarischen Verfassung das Recht hat, die Entlassung von Ministern vorzuschlagen, für sich genommen ein hinreichendes Indiz für eine koordinierte Führung dieser rechtlich selbständigen Gesellschaften ist.

156    Als Drittes wendet sich die Republik Österreich gegen den Ansatz, den die Kommission im 353. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung verfolgt hat, um die rechtliche und strukturelle Unabhängigkeit der Gesellschaft Paks II, ihrer Rechtsnachfolger und ihrer verbundenen Gesellschaften von der MVM-Gruppe festzustellen. Insoweit hat sich die Kommission auf die Nrn. 52 und 53 ihrer Konsolidierten Mitteilung zu der Verordnung Nr. 139/2004 gestützt. Nr. 52 dieser Mitteilung behandelt Zusammenschlüsse unter Beteiligung staatlicher Unternehmen und nimmt die Unterscheidung zwischen einer internen Reorganisation und einem Zusammenschluss anhand des Kriteriums vor, ob die Unternehmen eine „autonome Entscheidungsbefugnis“ besitzen.

157    Die Republik Österreich erläutert insoweit nicht, warum dieser Ansatz unzutreffend sein soll. Sie schlägt lediglich unter Bezugnahme auf das Vergaberecht einen anderen Ansatz vor.

158    Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um Aufträge zwischen zwei Einheiten, die derselben juristischen Person angehören. Die Kriterien, die für diesen Fall in Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2014/25 vorgesehen sind, lassen sich nicht auf die Frage übertragen, ob die Macht zweier Einheiten auf einem identischen Markt, die beide dem Staat angehören, aber strukturell getrennt sind, zusammenzurechnen ist. Das mit Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2014/25 verfolgte Ziel besteht nämlich nicht darin, die Schaffung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung zu verhindern. Die Frage, ob in einer „Inhouse“-Konstellation, in der eine Einheit Dienstleistungen für die andere Einheit erbringen soll, diese Einheit in der Lage sein muss, diese Dienstleistungen zu erbringen, ohne mit externen Unternehmen in Wettbewerb zu treten, ist nämlich nicht mit der Frage der Feststellung eines etwaigen Zusammenschlusses auf dem Markt, auf dem beide Einheiten tätig sind, vergleichbar. Die genannte Vorschrift des Vergaberechts hat nicht die Abstimmung der Tätigkeiten zweier Einheiten auf demselben Markt zum Gegenstand, sondern betrifft die Situation eines zwischen den jeweiligen Einheiten vergebenen Auftrags. Daher ist es für die vorliegende Rechtssache unerheblich, dass die MVM-Gruppe und die Gesellschaft Paks II, wie die Republik Österreich geltend macht, nach der vergaberechtlichen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu sogenannten „Inhouse“-Konstellationen dem Staat zugerechnet werden müssten.

159    Auch die Bezugnahme der Republik Österreich auf ein Urteil zum Wettbewerbsrecht stellt den Ansatz der Kommission nicht in Frage. Im Urteil vom 10. Januar 2006, Cassa di Risparmio di Firenze u. a. (C‑222/04, EU:C:2006:8, Rn. 112 und 113), hat der Gerichtshof nämlich nicht festgestellt, dass alle Einheiten, die rechtlich oder faktisch von derselben Einheit kontrolliert werden, als ein einziges Unternehmen angesehen würden, sondern vielmehr entschieden, dass eine Einheit, die keine andere wirtschaftliche Tätigkeit ausübt als die Kontrolle eines anderen Unternehmens, selbst als Unternehmen eingestuft wird. Diese besondere Situation der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, steht jedoch in keinem Zusammenhang mit den Umständen der vorliegenden Rechtssache.

160    Als Viertes ist darauf hinzuweisen, dass die Einrichtung und die Aufrechterhaltung von strukturellen Garantien, die eine autonome Entscheidungsfindung der MVM-Gruppe und der Gesellschaft Paks II gewährleisten, durch Art. 3 Abs. 5 des angefochtenen Beschlusses sichergestellt werden, der folgende Bedingung enthält: „Ungarn verpflichtet sich zu gewährleisten, dass die Gesellschaft Paks II sowie die Rechtsnachfolger und verbundene Gesellschaften rechtlich und strukturell vollständig voneinander getrennt sind, dass sie autonome Entscheidungsbefugnisse im Sinne der Nummern 52 und 53 der Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Fusionskontrollverordnung besitzen und unabhängig von der MVM-Gruppe und ihren Geschäftsbereichen, Rechtsnachfolgern und Gesellschaften sowie von anderen staatlich kontrollierten und im Bereich der Erzeugung und des Stromhandels auf dem Großkunden- und dem Endverbrauchermarkt tätigen Unternehmen verwaltet und geleitet werden.“ Des Weiteren sieht Art. 4 des angefochtenen Beschlusses vor, dass „Ungarn … der Kommission Jahresberichte über die Erfüllung der in Artikel 3 genannten Verpflichtungen [übermittelt]“ und dass „[d]er erste Bericht … einen Monat nach dem Stichtag des ersten Finanzjahres des Geschäftsbetriebs von Paks II vorgelegt [wird]“. Wie Ungarn und die Tschechische Republik hervorheben, wird aufgrund dieser Bedingung und des 381. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses die Kommission die Marktlage nach Inbetriebnahme der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks ständig überwachen. Ungarn fügt zutreffend hinzu, dass der Verstoß gegen diese Voraussetzungen ein neues Beihilfeverfahren der Kommission zur Folge hätte, das die laufenden Investitionen Ungarns in das Vorhaben gefährden könnte.

161    Aus dem Vorstehenden folgt, dass die von der Kommission vorgenommene Feststellung der Unabhängigkeit der Gesellschaft Paks II von der MVM-Gruppe keinen Beurteilungsfehler enthält und dass es keine Anhaltspunkte für die Bedenken der Republik Österreich gibt, dass der ungarische Staat seinen Einfluss auf beide Unternehmen koordiniert ausüben und damit seine beherrschende Stellung verstärken könnte.

162    Der siebte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

 Zum achten Klagegrund: Liquiditätsrisiko für den ungarischen Stromgroßhandelsmarkt

163    Mit dem achten Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, die Kommission habe das Liquiditätsrisiko für den ungarischen Stromgroßhandelsmarkt nicht hinreichend berücksichtigt.

164    Die Republik Österreich bringt vor, dass im Zuge der Prüfung negativer wirtschaftlicher Auswirkungen der Beihilfe die Effekte auf nachgelagerte Märkte zu prüfen seien. Die Genehmigung der Beihilfe sei rechtswidrig, da das von der Kommission im 377. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses selbst eingeräumte Risiko der Verringerung der Marktliquidität weiterhin bestehe und sich sogar erhöhe. Mehrere Faktoren erhöhten das Liquiditätsrisiko, insbesondere der Parallelbetrieb der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks, der für eine relativ lange Zeit erfolgen werde, und die hohe Marktkonzentration am ungarischen Strommarkt. Die Kommission habe ohne wirklichen Grund ihre Bedenken ausgeräumt, wonach der Markt, auf dem die Erzeugerkapazität vom Staat im großen Ausmaß kontrolliert werde, weiter an Liquidität verlieren könnte, da die wenigen Marktteilnehmer die Lieferangebote verknappen könnten. Es reiche nicht aus, wie es die Kommission getan habe, den Ausschluss von Verbindungen der Gesellschaft Paks II zu in staatlichem Eigentum stehenden Marktteilnehmern auf dem Einzelhandelsmarkt festzustellen und auf die weiteren im angefochtenen Beschluss genannten Rahmenbedingungen hinzuweisen, wonach Ungarn den Verkauf über die Strombörse und Auktionen garantiere. Tatsächlich bestehe die Verbindung weiterhin, da die Gesellschaft Paks II – so wie die MVM-Gruppe – vom Staat kontrolliert werde, der selbst im Fall eines dazwischengeschalteten Unternehmens als 100%iger Eigentümer alle erforderlichen (Personal-)Entscheidungen treffen könne. Auch die Verteilung der Zuständigkeiten auf verschiedene Ministerien könne nach nationalem Recht leicht geändert werden, und innerhalb der Regierung erfolge ein Mindestmaß an Kommunikation und Abstimmung. Trotz der rechtlichen und strukturellen Trennung der beiden Unternehmen könne der Staat daher seinen Einfluss auf die beiden Unternehmen in koordinierter Weise ausüben, so dass eine marktbeherrschende Stellung nicht ausgeschlossen werden könne. Zur Garantie eines Verkaufs an der Strombörse und von Versteigerungen bringt die Republik Österreich vor, der subventionierte Strom gelange auf den Markt und wirke sich unmittelbar auf den Marktpreis für Strom aus, ohne dass es auf den Verkaufsweg ankomme. Da keine Mindestmengen an Strom, die so zum Verkauf gelangen müssten, vorgesehen seien, sei es eine durchaus denkbare Handelsstrategie der MVM-Gruppe und der Gesellschaft Paks II, das Stromangebot insgesamt zu verknappen, um so höhere Preise zu erzielen.

165    Nach Ansicht der Kommission und Ungarns ist der achte Klagegrund zurückzuweisen.

166    Die Republik Österreich stützt ihren achten Klagegrund, mit dem sie rügt, die Kommission habe das Liquiditätsrisiko für den ungarischen Stromgroßhandelsmarkt nicht hinreichend berücksichtigt, auf zwei Gruppen von Argumenten.

167    Als Erstes ist zunächst das Vorbringen der Republik Österreich zurückzuweisen, das sich auf die Behauptung einer beherrschenden Stellung der Gesellschaft Paks II stützt.

168    Insoweit ist zum einen auf die Würdigung zu verweisen, die im Rahmen der Prüfung des siebten Klagegrundes oben in den Rn. 131 ff. vorgenommen worden ist. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 3 Abs. 5 des angefochtenen Beschlusses verankerte und oben in Rn. 160 wiedergegebene Bedingung, die die Schaffung einer beherrschenden Stellung auf dem Energiemarkt während des Zeitraums des Parallelbetriebs der alten und der neuen Reaktoren verhindern soll, vorsieht, dass sich die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Verwaltung und des Betriebs der neuen Reaktoren, insbesondere von der MVM-Gruppe, ausdrücklich auch auf andere staatlich kontrollierte und im Bereich des Stromhandels auf dem Großkunden- und dem Endverbrauchermarkt tätige Unternehmen bezieht. Die Schlussfolgerung der Kommission im 379. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass der Ausschluss von Verbindungen der Gesellschaft Paks II zu in staatlichem Eigentum stehenden Marktteilnehmern auf dem Endverbrauchermarkt dazu beigetragen habe, ihre Bedenken in gewissem Umfang zu zerstreuen, wird nicht durch das Vorbringen der Republik Österreich in Frage gestellt, dass die Situation nach nationalem Recht leicht geändert werden könne und dass innerhalb der Regierung ein Mindestmaß an Kommunikation und Abstimmung erfolge. Ungarn weist insoweit nämlich zu Recht darauf hin, dass die Kommission die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt unter Bedingungen festgestellt hat, zu denen auch die oben erwähnte Verpflichtung zur Trennung der beiden Gesellschaften gehört. Die Pflicht nach Art. 4 des angefochtenen Beschlusses zur Übermittlung von Jahresberichten wird von der Kommission fortlaufend auf ihre Einhaltung hin überwacht.

169    Was als Zweites den Vertrieb des erzeugten Stroms betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss, insbesondere in Abschnitt 2.6, ihre Bedenken hinsichtlich der gegenwärtigen Strukturen des Großhandels mit Strom aus dem Kernkraftwerk Paks durch die MVM-Gruppe zum Ausdruck gebracht hat. Im 377. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat sie ausgeführt, dass Geschäfte auf dem ungarischen Stromgroßhandelsmarkt meist in Form bilateraler Stromliefervereinbarungen getätigt würden und an der ungarischen Strombörse noch keine angemessene Liquidität erreicht worden sei. Die Märkte könnten an Liquidität verlieren, da die beteiligten Marktteilnehmer die Lieferangebote verknappen könnten. Im 378. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission außerdem festgestellt, dass je nachdem, wie der in den neuen Reaktoren erzeugte Strom auf dem Markt verkauft werde, die Liquidität erheblich beeinträchtigt werden könnte und die Kosten für nachgelagerte Wettbewerber erhöht werden könnten, da deren Zugang zu einem wichtigen Input beschränkt werden könnte (Marktabschottung auf Vorleistungsebene), und dass dies etwa dann denkbar wäre, wenn der von der Gesellschaft Paks II erzeugte Strom hauptsächlich nach Maßgabe langfristiger Liefervereinbarungen nur an bestimmte Versorger verkauft und auf diese Weise die Marktmacht der Gesellschaft Paks II vom Erzeugungsmarkt auf den Endkundenmarkt übertragen würde.

170    In Würdigung dieser Situation hat die Kommission Bedingungen vorgesehen, um das Liquiditätsrisiko zu begrenzen, indem Ungarn verpflichtet wird, die Einhaltung bestimmter Regeln für den Verkauf des von der Gesellschaft Paks II erzeugten Stroms zu gewährleisten. Diese Regeln sind in Art. 3 Abs. 3 und 4 des angefochtenen Beschlusses enthalten und sehen Folgendes vor:

„Bezüglich des Verkaufs von Strom aus Paks II gewährleistet Ungarn, dass die von Paks II verfolgte Strategie zum Verkauf des erzeugten Stroms eine marktübliche, auf Gewinnmaximierung gerichtete Handelsstrategie ist, die mit kommerziellen Handelsvereinbarungen aufgrund von Geboten auf einer transparenten Handelsplattform oder Börse betrieben wird. Die Strategie zum Handel mit dem in Paks II erzeugten Strom (ausgenommen den Eigenverbrauch von Paks II) gestaltet sich wie folgt:

Ebene 1: Paks II verkauft mindestens 30 % des insgesamt erzeugten Stroms auf dem Day-Ahead-Markt, dem Intraday-Markt und dem Future-Markt der ungarischen Strombörse (HUPX). Vorbehaltlich der Zustimmung der Kommissionsdienststellen innerhalb von zwei Wochen nach Stellung eines entsprechenden Antrags der ungarischen Behörden kann auch an anderen vergleichbaren Strombörsen gehandelt werden.

Ebene 2: Den übrigen in Paks II erzeugten Strom verkauft Paks II in Auktionen zu objektiven, transparenten und diskriminierungsfreien Bedingungen. Die Bedingungen für diese Auktionen werden von der ungarischen Regulierungsbehörde für die Energiewirtschaft festgelegt – ähnlich den Auktionsvorschriften, die für MVM Partner verfügt wurden (Beschluss 741/2011 der ungarischen Regulierungsbehörde). Die ungarische Regulierungsbehörde überwacht auch die Durchführung dieser Auktionen.

Ungarn gewährleistet, dass die Auktionsplattform für diese Ebene 2 von Paks II betrieben wird und sichergestellt ist, dass für Kauf- und Verkaufsangebote bei allen zugelassenen oder eingetragenen Händlern die gleichen Marktbedingungen gelten. Das Clearing-System auf dieser Plattform ist überprüfbar und transparent. Bezüglich der Endverwendung des gekauften Stroms wird es keinerlei Auflagen geben.“

171    Wie aus Art. 4 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, hat sich Ungarn auch verpflichtet, der Kommission Jahresberichte über die Erfüllung der in Art. 3 des angefochtenen Beschlusses genannten Verpflichtungen zu übermitteln, so dass deren Umsetzung von der Kommission fortlaufend überwacht wird.

172    In den Erwägungsgründen 383 und 384 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass auf diese Weise sichergestellt wurde, dass der von den neuen Reaktoren erzeugte Strom auf dem Großhandelsmarkt für alle Marktteilnehmer in transparenter Weise verfügbar ist und dass daher keine Gefahr besteht, dass der von der Gesellschaft Paks II erzeugte Strom langfristigen Monopolvereinbarungen unterworfen würde und somit ein Risiko für die Marktliquidität bestehen würde. Die Kommission ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Risiken, die sich für die Marktliquidität ergeben könnten, nur untergeordnet sind.

173    Die Republik Österreich erläutert nicht, inwiefern die von der Kommission aufgestellten Bedingungen nicht ausreichen sollten, um den bei der Gewährung der Beihilfe, die zur Ersetzung der Produktion aus den alten Reaktoren durch jene aus den neuen Reaktoren führt, wahrgenommenen Problemen abzuhelfen. Die Liquidität wird nämlich erhöht, und es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Situation, die aus den Beihilfebedingungen nach Art. 3 des angefochtenen Beschlusses resultiert, zu unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen auf dem Markt führen würde.

174    Die Kritik der Republik Österreich, wonach aufgrund des Umstands, dass keine Mindestmengen an Strom, die zum Verkauf gelangen müssten, vorgesehen seien, es eine Handelsstrategie der MVM-Gruppe und der Gesellschaft Paks II sein könne, das Stromangebot insgesamt zu verknappen, um so höhere Preise – durchaus im Zuge der Veräußerung auf der Strombörse bzw. in Auktionen – zu erzielen, kann nicht überzeugen. Die Kommission weist nämlich zu Recht darauf hin, dass die beiden Kernkraftwerke die sogenannte Baseload-Kapazität erzeugen sollen, so dass sie nicht willkürlich – nur um das Stromangebot zu verknappen – ihre Reaktorblöcke herunterfahren können, da das Hochfahren der Kernkraftanlagen mit hohen Kosten und Aufwand verbunden ist.

175    Der Kommission ist daher kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie festgestellt hat, dass die Gewährung einer staatlichen Beihilfe an die Gesellschaft Paks II zur Ersetzung der alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks durch neue Reaktoren in Bezug auf den Aspekt der Liquidität des Stromgroßhandelsmarkts mit Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV vereinbar ist.

176    Der achte Klagegrund ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum neunten Klagegrund: Unzureichende Determinierung der Beihilfe

177    Mit dem neunten Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, die Kommission habe es versäumt, das Beihilfeelement eindeutig bestimmbar zu machen. Insbesondere würden die Kosten für die Finanzierung der Schulden und die Kosten der Abfallbehandlung nicht angegeben.

178    Aus dem Sekundärrecht sowie diversen beihilferechtlichen Leitlinien und Mitteilungen ergebe sich, dass eine Beihilfe grundsätzlich nur dann genehmigt werden dürfe, wenn das Beihilfeelement zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe bestimmbar sei. Dieses Erfordernis sei schon deshalb zwingend, um die Prüfung der Geeignetheit, der Erforderlichkeit, der Angemessenheit und der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV zu ermöglichen.

179    Die Republik Österreich vertritt die Auffassung, dass der angefochtene Beschluss zwar Einzelheiten über die Beihilfeempfängerin, die Höhe und die Finanzierung der Beihilfe enthalte, jedoch weitere Angaben fehlten, die notwendig seien, um das Beihilfeelement insgesamt eindeutig bestimmbar zu machen. Als Erstes habe die Kommission die Kosten der Fremdfinanzierung (Kreditzinsen), wie sie ein privater Investor unter marktkonformen Bedingungen zu zahlen hätte, nicht ausgewiesen.

180    Als Zweites lasse sich dem angefochtenen Beschluss nicht eindeutig entnehmen, ob die Kommission bei der Ermittlung des Beihilfeelements von dem – aus den Leitlinien für Unternehmen in Schwierigkeiten und aus der Entscheidungspraxis der Kommission ableitbaren – Grundsatz einer 100%igen Ausfallwahrscheinlichkeit ausgegangen sei, wenn es sich um ein nicht wettbewerbsfähiges Vorhaben handle, das keine marktkonforme, private Finanzierung finden würde.

181    Als Drittes sei unklar, inwieweit die Abfallentsorgungskosten, die mit dem Betrieb des Kernkraftwerks in Verbindung stünden, im Rahmen des angefochtenen Beschlusses mitberücksichtigt worden seien oder ob die Kommission weiter gehende, in Zukunft anfallende Beihilfen in Kauf genommen habe. In Art. 2 des angefochtenen Beschlusses stelle die Kommission lediglich fest, dass sämtliche Gewinne aufgrund des Betriebs der neuen Reaktoren u. a. für die Entsorgung von Abfällen und die Stilllegung der beiden neuen Reaktorblöcke verwendet würden.

182    Als Viertes wirft die Republik Österreich der Kommission vor, nicht auf die Frage geantwortet zu haben, ob die in der Regel bei Projekten dieser Größenordnung zu erwartenden Kostenerhöhungen im Zuge der Planung, des Baus und der Inbetriebnahme der neuen Reaktoren noch immer vom angefochtenen Beschluss gedeckt seien, auch wenn sie über den im Beschluss angegebenen 12,5 Mrd. Euro lägen.

183    Die Kommission, unterstützt durch Ungarn, beantragt, den neunten Klagegrund als ins Leere gehend zurückzuweisen.

184    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Zweck der Ermittlung der Beihilfeelemente darin besteht, die Kommission in die Lage zu versetzen, aufgrund der Beihilfeelemente festzustellen, dass die Beihilfe geeignet, erforderlich und nicht unverhältnismäßig ist. Insoweit hat das Gericht bereits entschieden, dass die Kommission bei einer Beihilfemaßnahme, bevor sie deren Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV prüft, nicht das Subventionsäquivalent beziffern muss (Urteil vom 12. Juli 2018, Österreich/Kommission, T‑356/15, EU:T:2018:439, Rn. 250).

185    Was erstens die Finanzierungskosten betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass im 28. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Kosten für die Schuldenfinanzierung über die gesamte Laufzeit der revolvierenden Kreditfazilität erwähnt werden. Die Republik Österreich hat nicht substantiiert dargetan, dass die Kommission auf der Grundlage der in diesem Erwägungsgrund angeführten Angaben zu den Darlehenszinssätzen und der Präzisierungen weiter unten in Fn. 16 des angefochtenen Beschlusses nicht in der Lage gewesen wäre, die Verhältnismäßigkeit des Beihilfeelements zu prüfen und wozu die Angabe der Kosten der Fremdfinanzierung (Kreditzinsen), wie sie ein privater Investor unter marktkonformen Bedingungen zu zahlen hätte, in diesem Zusammenhang dienen sollte.

186    Zweitens ist das Vorbringen der Republik Österreich zurückzuweisen, dass die Kommission angesichts der in Abschnitt 5.3.4 des angefochtenen Beschlusses angeblich angenommenen fehlenden Wettbewerbsfähigkeit des fraglichen Projekts im angefochtenen Beschluss erläutern hätte müssen, ob sie sich bei der Ermittlung des Beihilfeelements auf eine 100%ige Ausfallwahrscheinlichkeit gestützt habe. Insoweit hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass der Umstand, dass ein Vorhaben keine marktkonforme, private Finanzierung findet, zu dem Schluss führt, dass der Begünstigte einen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV erlangt hat, und dass im 262. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nichts anderes festgestellt worden ist. Die Kommission macht zu Recht geltend, dass durch diese Feststellung das mit öffentlichen Mitteln geförderte Vorhaben nicht gleichzeitig als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ oder als unwirtschaftlich eingestuft wird. Wie nämlich oben in Rn. 121 festgestellt worden ist, ist die Gesellschaft Paks II kein Unternehmen in Schwierigkeiten.

187    Drittens ist das Vorbringen, die Kosten der Entsorgung und Lagerung der Nuklearabfälle seien nicht bestimmbar, zurückzuweisen, da der angefochtene Beschluss nur die Entwicklung neuer Reaktoren und nicht eine etwaige staatliche Beihilfe zur Deckung der Kosten für die Behandlung und Lagerung dieser Abfälle betrifft. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Kosten der Entsorgung der Nuklearabfälle für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens während seiner gesamten Laufzeit im Rahmen der Bewertung des internen Zinsfußes berücksichtigt worden sind.

188    Was viertens das Vorbringen zu der Frage betrifft, ob etwaige in der Regel bei Projekten dieser Größenordnung zu erwartende Kostenerhöhungen im Zuge der Planung, des Baus und der Inbetriebnahme der neuen Reaktoren noch immer vom Genehmigungsbeschluss gedeckt sind, auch wenn sie über den im angefochtenen Beschluss angegebenen 12,5 Mrd. Euro liegen, so geht – wie die Kommission zu Recht ausführt – aus den Erwägungsgründen 15 und 16 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Beihilfe aus einer revolvierenden Kreditfazilität in Höhe von 10 Mrd. Euro und einem weiteren Betrag des ungarischen Staates in Höhe von 2,5 Mrd. Euro besteht. Im Übrigen bestätigt der 29. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auch, dass nach Art. 1 des zwischenstaatlichen Finanzierungsabkommens vom 28. März 2014 die revolvierende Kreditfazilität 80 % der bestätigten Investitionskosten finanzieren soll, der ungarische Staat dagegen für die Finanzierung der übrigen 20 % aufkommen soll.

189    Die Behauptung, dass sämtliche mögliche Kosten im Zusammenhang mit den Investitionen in der Berechnung enthalten seien, auf die sich die im angefochtenen Beschluss durchgeführte Prüfung der Vereinbarkeit stütze, wird durch die Angabe Ungarns bestätigt, wonach das von ihm vorgelegte und durch die Kommission – u. a. mit Hilfe der auf der Grundlage einer Wahrscheinlichkeitsprognose mit für das Modell vorgenommenen Änderungen der Voraussetzungen – geprüfte Vorhaben die vorab vorgesehenen Kosten für die Inbetriebnahme der beiden Blöcke abdeckt, einschließlich der mit dem Vertrag über die Entwicklung, den Kauf und den Bau verbundenen Kosten, der Eigentümerkosten, der im Zusammenhang mit dem Auftrag typischen, unvorhergesehenen Kosten sowie der Sensibilitäten im Zusammenhang mit etwaigen Verzögerungen und Ergänzungsarbeiten. Außerdem geht aus dem 16. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass Ungarn im Anschluss an den Bau der neuen Blöcke keine weiteren Beihilfen für die Gesellschaft Paks II beabsichtigt. Etwaige spätere Beihilfen sind daher nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses. Diese Rüge ist somit zurückzuweisen.

190    Da mit dem angefochtenen Beschluss lediglich das von Ungarn angemeldete Projekt genehmigt wird, würde es sich, sollte sich Ungarn nach dem Erlass des Beschlusses dafür entscheiden, den Betrag der der Gesellschaft Paks II gewährten Beihilfe zu erhöhen, dabei um einen Vorteil handeln, der von dem Beschluss nicht abgedeckt und deshalb bei der Kommission anzumelden wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 135). Die Kommission weist zu Recht darauf hin, dass jede Finanzierung, die über die Summe von 12,5 Mrd. Euro hinausginge, eine Änderung der bestehenden Beihilfe darstellen würde, die nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV (ABl. 2004, L 140, S. 1) zu bewerten ist.

191    Da die Kommission die fragliche Beihilfe hinreichend bestimmt hat, ist somit der neunte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum zehnten Klagegrund: Unzureichende Begründung

192    Mit ihrem zehnten Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, der angefochtene Beschluss sei gemäß Art. 296 Abs. 2 AEUV unzureichend begründet. Dieser Klagegrund gliedert sich in sechs Teile, die verschiedene Punkte des angefochtenen Beschlusses betreffen, die auch von anderen Klagegründen erfasst werden.

193    Die Kommission, Ungarn und die Republik Polen treten dem Vorbringen der Republik Österreich entgegen.

194    Gemäß Art. 296 Abs. 2 AEUV sind sämtliche Rechtsakte der Organe der Union mit einer Begründung zu versehen. Die Pflicht der Organe der Union, ihre Entscheidungen eingehend zu begründen, ergibt sich auch aus Art. 41 Abs. 2 der Charta der Grundrechte.

195    Nach ständiger Rechtsprechung muss die in Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts entsprechen und die Überlegung des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Dieses Erfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 10. September 2015, Fliesen-Zentrum Deutschland, C‑687/13, EU:C:2015:573, Rn. 75 und 76 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zum ersten Teil des zehnten Klagegrundes: Unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Vereinbarkeit der Beihilfe mit anderen Vorschriften des Unionsrechts

196    Die Republik Österreich macht geltend, dass die Kommission nicht angemessen begründet habe, weshalb keine Verletzung von grundlegenden Vergabevorschriften, deren Einhaltung untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe zusammenhänge, vorliege. Die Kommission habe insbesondere in den Erwägungsgründen 283 ff. des angefochtenen Beschlusses nicht näher geprüft, ob die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften eine „zusätzliche verfälschende Wirkung auf den Wettbewerb und auf den Handel auf dem Strommarkt“ verursache. Genauso habe es die Kommission unterlassen, im angefochtenen Beschluss darauf einzugehen, warum offenbar in diesem Fall die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Art. 50 Buchst. c der Richtlinie 2014/25 vorliegen sollten.

197    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission ausweislich der Erwägungsgründe 280 bis 284 des angefochtenen Beschlusses unter Berufung auf das Urteil vom 3. Dezember 2014, Castelnou Energía/Kommission (T‑57/11, EU:T:2014:1021), in einem ersten Schritt festgestellt hat, dass mangels einer untrennbaren Verbindung zwischen dem etwaigen Verstoß gegen die Richtlinie 2014/25 und dem Zweck der Beihilfe dieser etwaige Verstoß keine Auswirkungen auf die Vereinbarkeit der Beihilfe haben kann. Auf der Grundlage dieses Zwischenergebnisses durfte sie daher davon ausgehen, dass es nicht erforderlich war, in einem zweiten Schritt einen etwaigen Verstoß gegen die Bestimmungen der Richtlinie 2014/25 wegen der vorgesehenen Direktvergabe des Auftrags für den Bau der beiden neuen Kernreaktoren zu prüfen.

198    Somit weisen die Kommission und Ungarn zu Recht darauf hin, dass die Kommission nicht verpflichtet war, im angefochtenen Beschluss zu begründen, warum die Voraussetzungen von Art. 50 Buchst. c der Richtlinie 2014/25 erfüllt waren.

199    Wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat, bemängelt die Republik Österreich mit dem Vorwurf einer unzureichenden Begründung in Wirklichkeit, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht auf alle aus Sicht der Republik Österreich einschlägigen Gesichtspunkte des Vergaberechts eingegangen ist, sondern nur die Umstände und Erwägungen erläutert hat, die die Grundlage für ihre Schlussfolgerung zur Vereinbarkeit der gegenständlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt waren. Dies ist jedoch genau der Umfang der Begründungspflicht der Kommission. Ob die Prämisse, dass sich ein etwaiger Verstoß gegen das Vergaberecht auf die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt nicht auswirken würde, richtig oder falsch ist, ist hingegen eine materielle Frage.

200    Entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich musste die Kommission in den Erwägungsgründen 283 ff. des angefochtenen Beschlusses auch nicht näher prüfen, ob die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften eine zusätzliche verfälschende Wirkung auf den Wettbewerb und auf den Handel auf dem Strommarkt verursacht.

201    Aus einer Zusammenschau der Erwägungsgründe 280 und 281 des angefochtenen Beschlusses geht nämlich hervor, dass die Kommission eine untrennbare Verbindung dann als gegeben ansieht, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Beihilfemodalität auf den vom Gegenstand der Beihilfe erfassten Markt auswirkt. Im 283. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission hervorgehoben, dass zwar eine mögliche Nichtbeachtung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge in dieser Sache Verfälschungen auf dem Markt für den Bau von Atomkraftwerken bewirken könnte, jedoch keine zusätzliche verfälschende Wirkung auf den Wettbewerb und auf den Handel auf dem Strommarkt festgestellt wurde, die auf einen Verstoß gegen die Richtlinie 2014/25 zurückzuführen wäre.

202    Außerdem war es nicht erforderlich, die etwaige Rechtswidrigkeit der Direktvergabe des Auftrags für den Bau der beiden neuen Kernreaktoren zu prüfen (siehe oben, Rn. 197).

203    Somit ist der erste Teil des zehnten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des zehnten Klagegrundes: Unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Einstufung der Förderung der Kernenergie als von gemeinsamem Interesse

204    Mit dem zweiten Teil des zehnten Klagegrundes wirft die Republik Österreich der Kommission vor, sie habe im Wesentlichen nur die Förderung der Kernkraft als gemeinsames Interesse genannt und sich dabei auf den Euratom-Vertrag berufen. Obwohl die von der Kommission vorgenommene Auslegung des Euratom-Vertrags offensichtlich im Spannungsverhältnis zu den Bestimmungen des AEU‑Vertrags stehe, habe sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in nicht nachvollziehbarer und unzureichender Weise dargelegt. Die Kommission hätte genau darlegen müssen, welche Vorzüge Kernkraft im Vergleich zu anderen Energiequellen habe.

205    Insoweit wendet die Kommission zu Recht ein, dass sie nicht verpflichtet war, sich zum Beitrag der Kernkraft zur Sicherheit der Stromversorgung weiter zu äußern, da die Stromversorgungssicherheit nicht als Ziel von gemeinsamem Interesse von Ungarn geltend gemacht wurde.

206    Da Ungarn sich nicht auf die Stromversorgungssicherheit als Ziel von gemeinsamem Interesse berufen hat, kann folglich auch die Rüge betreffend den 295. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses keinen Erfolg haben, mit der die Republik Österreich geltend macht, die Kommission erkläre nicht, weshalb und inwiefern die Förderung der Kernkraft, deren Erzeugung nahezu ausschließlich von Importen aus dem Ausland abhängig sei, zur Sicherheit der Stromversorgung beitragen könne.

207    Wie im Übrigen die Republik Polen vorträgt, bezieht sich das Vorbringen der Republik Österreich, die Kommission habe fehlerhaft das Bestehen eines gemeinsamen Interesses angenommen, in Wirklichkeit nicht auf einen Begründungsmangel des angefochtenen Beschlusses, sondern zielt auf dessen materielle Kontrolle ab. Bei der Begründungspflicht handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (vgl. Urteil vom 5. Februar 2015, Aer Lingus/Kommission, T‑473/12, EU:T:2015:78, Rn. 33 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).

208    Auch rügt die Republik Österreich zu Unrecht, die Kommission habe ihre Erwägungen zum Bestehen eines gemeinsamen Interesses in nicht nachvollziehbarer und unzureichender Weise dargelegt. Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission u. a. im 292. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ihre Erwägungen zum Verhältnis zwischen dem Euratom-Vertrag und dem AEU‑Vertrag dargelegt hat, indem sie auch Fundstellen in den Fußnoten angeführt hat, um sodann zu dem Schluss zu gelangen, dass die Förderung von Investitionen im Kernenergiebereich für die Zwecke der Beihilfenkontrolle als Ziel von gemeinsamem Interesse betrachtet werden könne. Da die Republik Österreich keine genaueren Angaben dazu gemacht hat, inwiefern diese Begründung unzureichend sein soll, ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

209    Nach alledem kann der zweite Teil des zehnten Klagegrundes keinen Erfolg haben.

 Zum dritten Teil des zehnten Klagegrundes: Unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Marktabgrenzung und das Kapitalmarktversagen

210    Mit dem dritten Teil des zehnten Klagegrundes macht die Republik Österreich geltend, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Marktabgrenzung und das Kapitalmarktversagen unzureichend sei.

211    Als Erstes bringt die Republik Österreich vor, aus dem angefochtenen Beschluss sei nicht erkennbar, weshalb die Kommission im vorliegenden Fall nicht den liberalisierten Elektrizitätsmarkt insgesamt, sondern nur den Bau von Kernkraftwerken als Referenzmarkt herangezogen habe. Die Kommission stelle jedoch neben dem Ziel der Förderung der Kernenergie auch auf die Sicherheit der Stromversorgung ab. Obwohl es sich um eine für die Prüfung der Zulässigkeit der Beihilfe entscheidende Frage handle, fehle im angefochtenen Beschluss jegliche Begründung hierzu.

212    Aus dem 301. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht eindeutig hervor, dass die Kommission der Ansicht war, dass es zur Beurteilung der Erforderlichkeit der Beihilfe nicht notwendig sei, einen relevanten Markt zu bestimmen. Hierzu hat sie erstens festgehalten, dass sie zur Feststellung, ob ein Marktversagen vorliege, zunächst prüfen müsse, welches Ziel von gemeinsamem Interesse der betreffende Mitgliedstaat verfolge und ob dieses Ziel ohne ein staatliches Eingreifen erreicht werden könne oder ob ein Marktversagen seiner Erreichung entgegenstehe. Dieses Ziel betreffe weder den Strom im Allgemeinen noch Investitionen in die Stromerzeugung im Allgemeinen, sondern vielmehr die Förderung neuer Investitionen im Kernenergiebereich, die Bestandteil des Strommarkts seien und zur Schließung der zu erwartenden Lücke der installierten Gesamtkapazität Ungarns beitragen würden. Außerdem müsse die Kommission prüfen, ob das freie Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf dem Strommarkt im Allgemeinen gewährleiste, dass das Ziel neuer Entwicklungen im Kernenergiebereich ohne staatlichen Eingriff erreicht werden könne.

213    Damit hat die Kommission rechtlich hinreichend erläutert, aus welchem Grund sie die Frage des relevanten Marktes offengelassen hat. Ohnehin brauchen in der Begründung eines Rechtsakts nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2007, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission, T‑475/04, EU:T:2007:196, Rn. 54).

214    Als Zweites macht die Republik Österreich geltend, der angefochtene Beschluss sei insoweit mit einem Begründungsmangel behaftet, als die Kommission in Abschnitt 5.3.4 des angefochtenen Beschlusses ihre Argumentation zum Vorliegen eines Kapitalmarktversagens auf eine Studie von ICF Consulting Services gestützt habe, die nach dem 312. Erwägungsgrund und Fn. 137 zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht veröffentlicht gewesen sei. Die in der Studie enthaltenen Überlegungen seien daher weder nachvollziehbar noch überprüfbar.

215    Hierzu ist anzumerken, dass die Kommission im 312. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses schematisch und detailliert alle für ihre Beurteilung relevanten Punkte wiederholt hat, die sich aus der betreffenden Studie ergeben. Sie hat auch Angaben zur Methodik der Studie gemacht und darauf hingewiesen, dass sich ICF Consulting Services u. a. auf Stellungnahmen von in der Studie befragten Interessenträgern gestützt habe. Gleichzeitig hat sie Informationen über die Fundstelle der genannten Studie gegeben, die hinreichend detailliert sind, um sich die Studie bei Bedarf beschaffen zu können. Da die Studie laut dem 312. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses von ICF Consulting Services für die Generaldirektion „Wirtschaft und Finanzen“ der Kommission durchgeführt wurde, stand diese Studie nicht nur der Generaldirektion „Wettbewerb“ der Kommission, die den angefochtenen Beschluss erlassen hat, sondern auch der Generaldirektion, die die Studie in Auftrag gegeben hatte, zur Verfügung, wobei die Kommission verpflichtet ist, Zugang zu den ihr vorliegenden Dokumenten zu gewähren. Die Informationen im 312. Erwägungsgrund ermöglichten es der Klägerin somit, sich die angeführte Studie mit einem Antrag auf Zugang zu Dokumenten zu beschaffen. Im Übrigen scheint der Hinweis in der Fußnote, dass die Studie „noch nicht“ veröffentlicht worden sei, darauf hinzudeuten, dass eine Veröffentlichung gleichwohl geplant war. In Anbetracht all dieser Umstände und unter Berücksichtigung der oben in Rn. 195 angeführten Rechtsprechung, wonach in der Begründung nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden brauchen und wonach die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet, kann die Begründung der Kommission zu bestimmten Merkmalen, die die Finanzierung von Nuklearprojekten besonders schwierig machen, nicht als unzureichend eingestuft werden. Der dritte Teil des zehnten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Zum vierten Teil des zehnten Klagegrundes: Unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Beihilfe

216    Die Republik Österreich macht geltend, die Verhältnismäßigkeit der Beihilfe sei nicht hinreichend begründet worden.

217    Als Erstes kann dem Vorbringen der Republik Österreich, die Kommission hätte in Abschnitt 5.3.7 des angefochtenen Beschlusses näher auf mögliche Alternativen zur Subventionierung zweier neuer Reaktoren des Kernkraftwerks Paks eingehen müssen, nicht gefolgt werden. Insoweit genügt der Hinweis, dass die Kommission als Ziel von gemeinsamem Interesse die Förderung der Kernenergie und nicht die Versorgungssicherheit herangezogen hat. Sie war daher nicht verpflichtet, den von den neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks erzeugten Energiemengen Angebote alternativer Energieanbieter gegenüberzustellen. Mit ihrem Vorbringen, alternative Energieanbieter erzeugten bei niedrigeren staatlichen Beihilfen eine gleich hohe oder sogar noch höhere Menge elektrischer Energie, bezieht sich die Republik Österreich in Wirklichkeit nicht auf eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften, sondern auf die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses. Das Gleiche gilt für das Vorbringen, dass in die Analyse auch Energieeinsparungs- sowie Energieeffizienzmaßnahmen miteinzubeziehen gewesen wären.

218    Als Zweites ist die Rüge zurückzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 339 und 341 des angefochtenen Beschlusses zunächst die externen Kosten, die etwa durch die Behandlung und Lagerung von nuklearen Abfällen entstünden, adäquat hätte berücksichtigen müssen, bevor sie hätte feststellen können, dass Ungarn während des Betriebs der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks keine weitere Unterstützung gewähren werde. Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission in den genannten Erwägungsgründen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass eine Überkompensation des Begünstigten aufgrund der Beihilfemaßnahme ausgeschlossen sei. Die Republik Österreich erläutert nicht, inwieweit die Kosten für die Behandlung und Lagerung von nuklearen Abfällen für diese Frage unmittelbar relevant sein sollen. Außerdem hat die Kommission festgestellt, dass die streitige Beihilfe keine weitere Unterstützung für die Phase des Betriebs umfasse. Im Übrigen hat die Kommission im 338. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf Abschnitt 5.1 des angefochtenen Beschlusses verwiesen, in dem sie in den Erwägungsgründen 238 und 246 für die Beurteilung der Rentabilität die Kosten der Abfallentsorgung berücksichtigt hat.

219    Als Drittes erläutert die Republik Österreich nicht, welche Relevanz die Gefahr von Störfällen und die sich aus solchen Störfällen ergebenden externen Kosten für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe haben könnten.

220    Als Viertes rügt die Republik Österreich, es fehlten Ausführungen zu den Besonderheiten des Finanzierungsbedarfs von Kernkraftwerken, da diese neben den Baukosten erhebliche Zusatzkosten für den Abbau der Anlagen sowie die Behandlung und Lagerung radioaktiver Abfälle am Ende des Projekts verursachten, während im Fall von erneuerbaren Energien die höchsten Kosten zu Beginn des Projekts anfielen, so dass der Finanzierungsbedarf vor allem zum Zeitpunkt des Baus bestehe. Mit diesem Argument wirft die Republik Österreich der Kommission vor, im Rahmen der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe einen Gesichtspunkt nicht geprüft zu haben, den die Kommission jedoch nicht für relevant gehalten hat. Die Kommission hat ihre Prüfung nämlich auf den Aspekt der Beschränkung der Investitionsbeihilfe konzentriert und keine mit der Phase des Betriebs zusammenhängenden Fragen behandelt. Dies erklärt sich dadurch, dass sie sich auf den im 325. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses eindeutig erwähnten Umstand gestützt hat, dass Ungarn nicht beabsichtige, der Gesellschaft Paks II während des Betriebs eine Betriebsbeihilfe zu gewähren und dass sich die staatliche Beihilfe auf die Investition für die Durchführung des Vorhabens beschränke. Nach ihrem Ansatz ist die einzige indirekte Relevanz der Betriebsphase der neuen Reaktoren die Erzielung von Gewinnen, die zu einer Überkompensation führen könnten. Die Frage, ob der Umstand, dass die Betriebsphase eines Kernkraftwerks im Gegensatz zu Kraftwerken für erneuerbare Energien relativ hohe Kosten verursachen kann, für die Frage der Verhältnismäßigkeit unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verstärkung der Wettbewerbsverzerrung relevant ist, ist jedoch eine Frage des Inhalts und der materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses und betrifft daher in keiner Weise dessen Begründung.

221    Als Fünftes ist der angefochtene Beschluss entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich nicht mit einem Begründungsmangel insofern behaftet, als die Kommission das Unterbleiben der Ausschreibung hinsichtlich der Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht erschwerend berücksichtigt hat. Hierzu ist anzumerken, dass die Kommission im 336. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass nach den Beihilfevorschriften die Durchführung einer Ausschreibung zur Abschätzung von Kosten und Einnahmen nicht erforderlich sei und dass eine Ausschreibung nur eine von mehreren Möglichkeiten zur Vornahme einer Schätzung sei.

222    Somit ist der vierte Teil des zehnten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum fünften Teil des zehnten Klagegrundes: Unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Nichtverfälschung des Wettbewerbs

223    Die Republik Österreich beanstandet die angeblich unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Nichtverfälschung des Wettbewerbs und bringt vor, dass die Kommission im Einleitungsbeschluss auf die Gefahr einer erheblichen Konzentration des Strommarkts in Ungarn hingewiesen habe. Im angefochtenen Beschluss gehe die Kommission über dieses Bedenken jedoch ohne genauere Begründung hinweg. Insbesondere habe die Kommission weder die Marktstruktur in Ungarn ermittelt noch den grenzüberschreitenden Sachverhalt oder die angebliche Abschaltung der alten Kernreaktoren im Jahr 2032 hinreichend erörtert.

224    In den Erwägungsgründen 346 ff. des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission jedoch auf die Bedenken hingewiesen, die sie im Einleitungsbeschluss hinsichtlich der Gefahr einer erheblichen Marktkonzentration in Ungarn geäußert hatte. In den Erwägungsgründen 350 ff. des angefochtenen Beschlusses hat sie die Gründe dargelegt, aus denen sie der Ansicht war, dass mit den von Ungarn und der MVM-Gruppe übermittelten zusätzlichen Informationen ihre Bedenken hinsichtlich etwaiger künftiger Konzentrationen vollständig ausgeräumt würden.

225    Was die Ermittlung der Marktstruktur in Ungarn betrifft, erläutert die Republik Österreich nicht, warum sie an der Feststellung zweifelt, dass ein Marktanteil von 20 % nicht auf eine beherrschende Stellung schließen lässt. Zu der Feststellung, dass die MVM-Gruppe und die Gesellschaft Paks II zusammen auf den gekoppelten Märkten Ungarns, der Slowakei und Rumäniens einen Marktanteil von nicht mehr als 20 % hätten, ist anzumerken, dass die Kommission im 370. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf dessen 112. Erwägungsgrund verwiesen hat, der eine der NERA-Studie entnommene erläuternde Abbildung enthält.

226    Zum Vorbringen der Republik Österreich, der 388. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses sei unzureichend begründet, ist festzustellen, dass nach diesem Erwägungsgrund durch den Betrieb der neuen Kernreaktoren „größere grenzüberschreitende Wirkungen“ nicht erwartet werden, da Ungarn weiterhin ein Nettoimporteur und einer der teuersten Anbieter bleiben wird und ein drastischer Anstieg der Strompreise in den Grenzregionen nicht zu befürchten ist. Der 388. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthält die Schlussfolgerung des Abschnitts über die Verfälschung des Wettbewerbs und die allgemeine Abwägungsprüfung, wobei die ausführliche Begründung in den vorherigen Abschnitten enthalten ist. Diese in den vorherigen Abschnitten des angefochtenen Beschlusses enthaltene ausführlichere Begründung umfasst Studien, die belegen, dass Ungarn weiterhin ein Nettoimporteur und einer der teuersten Anbieter bleiben wird und dass die Inbetriebnahme der neuen Kernreaktoren wegen der Entfernungen und wegen netzbedingter Sachzwänge, die in Ungarn erzeugten Strom für weiter entfernte Regionen nochmals verteuern würden, nur begrenzte Wirkungen auf den Strompreis in Regionen außerhalb der unmittelbar an Ungarn angrenzenden Regionen hätte. Die Frage, ab wann „grenzüberschreitende Wirkungen“ tatsächlich zu einer Verfälschung des Wettbewerbs führen, ist theoretischer Natur und für den angefochtenen Beschluss ohne Bedeutung, da die Kommission festgestellt hat, dass die beiden neuen Reaktoren einen ähnlichen Umfang haben wie die vier derzeit in Betrieb befindlichen Blöcke und größere grenzüberschreitende Wirkungen nicht erwartet werden.

227    Schließlich ist zu dem Vorbringen der Republik Österreich, die Begründung des angefochtenen Beschlusses sei insofern unzureichend, als die Kommission ihre Gewissheit, dass die Abschaltung der alten Reaktoren im Jahr 2032 erfolge, wie sich etwa aus den Erwägungsgründen 350 und 356 des angefochtenen Beschlusses ergebe, nicht belege, festzustellen, dass sich die Kommission nicht darauf stützt, dass die vier alten Reaktoren im Jahr 2032 abgeschaltet würden, sondern darauf, dass sich der Zeitraum, über den „alle derzeit in Betrieb befindlichen Reaktorblöcke … parallel zu den Reaktorblöcken von Paks II betrieben werden“, auf die Jahre 2026 bis 2032 beschränkt. Wie aus dem ersten Satz des 350. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses sowie aus dessen Erwägungsgründen 10 und 17 hervorgeht, erfolgt die Ersetzung vorhandener nuklearer Kapazität im Kernkraftwerk Paks schrittweise zwischen 2025 und 2037, wobei dieser Umstand ein integraler Bestandteil der Beschreibung der Beihilfemaßnahme ist. Der Vorwurf der Republik Österreich, dass die Begründung in dieser Hinsicht unzureichend sei, ist daher nicht gerechtfertigt.

228    Somit ist der fünfte Teil des zehnten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum sechsten Teil des zehnten Klagegrundes: Unzureichende Determinierung der Beihilfe

229    Was die Rüge betrifft, die Kommission habe ihre Begründungspflicht verletzt, indem sie die Beihilfe nicht ausreichend bestimmbar gemacht habe, verweist die Republik Österreich zur Stützung dieses Teils lediglich auf ihre Ausführungen zum neunten Klagegrund, mit denen sie eine unzureichende Bestimmung der Beihilfe geltend gemacht hat. In ihren Ausführungen zum neunten Klagegrund macht die Republik Österreich jedoch keinen Begründungsmangel geltend. Jedenfalls ergibt sich aus der oben in den Rn. 184 bis 191 vorgenommenen Prüfung, dass die Kommission die fragliche Beihilfe hinreichend bestimmt hat. Außerdem zeigt das Vorbringen der Republik Österreich im Rahmen des neunten Klagegrundes, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses insofern ausreichend war, als sie ihr – wie dies die Rechtsprechung verlangt – die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen konnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2015, Fliesen-Zentrum Deutschland, C‑687/13, EU:C:2015:573, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

230    Daher sind der sechste Teil des zehnten Klagegrundes und damit der zehnte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

231    Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

232    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Republik Österreich unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission deren Kosten aufzuerlegen.

233    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Deshalb haben das Großherzogtum Luxemburg sowie die Tschechische Republik, die Französische Republik, Ungarn, die Republik Polen, die Slowakische Republik und das Vereinigte Königreich ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Republik Österreich trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Die Tschechische Republik, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, die Republik Polen, die Slowakische Republik sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

Van der Woude

De Baere

Steinfatt

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. November 2022.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

M. van der Woude


Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtener Beschluss

Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zum ersten Klagegrund: Fehlende Durchführung eines Vergabeverfahrens

Zum vierten Klagegrund: Unverhältnismäßigkeit der fraglichen Beihilfemaßnahme

Zum ersten Teil: Unvollständige Prüfung der Erforderlichkeit der fraglichen Maßnahme

Zum zweiten Teil des vierten Klagegrundes: Unzureichende Abwägung der positiven und negativen Auswirkungen der fraglichen Beihilfe

Zum dritten Teil des vierten Klagegrundes: Nichtberücksichtigung der Alternativen zur Kernenergie

Zum fünften Klagegrund: Unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen und Ungleichbehandlungen, weshalb die Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei

Zum sechsten Klagegrund: Rechtswidrigkeit einer Beihilfe für ein Unternehmen in Schwierigkeiten

Zum siebten Klagegrund: Verstärkung oder Schaffung einer marktbeherrschenden Stellung

Zur Leistung des Kernkraftwerks Paks auf dem ungarischen Markt und auf dem Binnenmarkt der Union

Zur Verlängerung des Parallelbetriebs der alten und der neuen Reaktoren des Kernkraftwerks Paks

Zur Unabhängigkeit des Unternehmens, das die alten Reaktoren des Kernkraftwerks Paks betreibt, von dem Unternehmen, das die neuen Reaktoren dieses Kernkraftwerks betreibt

Zum achten Klagegrund: Liquiditätsrisiko für den ungarischen Stromgroßhandelsmarkt

Zum neunten Klagegrund: Unzureichende Determinierung der Beihilfe

Zum zehnten Klagegrund: Unzureichende Begründung

Zum ersten Teil des zehnten Klagegrundes: Unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Vereinbarkeit der Beihilfe mit anderen Vorschriften des Unionsrechts

Zum zweiten Teil des zehnten Klagegrundes: Unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Einstufung der Förderung der Kernenergie als von gemeinsamem Interesse

Zum dritten Teil des zehnten Klagegrundes: Unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Marktabgrenzung und das Kapitalmarktversagen

Zum vierten Teil des zehnten Klagegrundes: Unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Beihilfe

Zum fünften Teil des zehnten Klagegrundes: Unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Nichtverfälschung des Wettbewerbs

Zum sechsten Teil des zehnten Klagegrundes: Unzureichende Determinierung der Beihilfe

Kosten


*      Verfahrenssprache: Deutsch.