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Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NICHOLAS EMILIOU

vom 18. April 2024(1)

Rechtssache C119/23

Virgilijus Valančius

gegen

Lietuvos Respublikos Vyriausybė,

Beteiligte:

Lietuvos Respublikos Seimo kanceliarija,

Lietuvos Respublikos Prezidento kanceliarija,

Saulius Lukas Kalėda

(Vorabentscheidungsersuchen des Vilniaus apygardos administracinis teismas [Regionales Verwaltungsgericht Vilnius, Litauen])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Nationales Verfahren zur Auswahl eines Bewerbers für die Ernennung zum Richter des Gerichts der Europäischen Union – Art. 19 Abs. 2 EUV – Art. 254 AEUV – Anforderung, dass der Bewerber jede Gewähr für Unabhängigkeit bietet – Unabhängigkeit der Justiz – Gruppe unabhängiger Experten – Auswahlkriterien – Rangliste der Bewerber“






I.      Einleitung

1.        Die Ernennung von Richtern des Gerichts der Europäischen Union ist in Art. 19 Abs. 2 EUV und in Art. 254 AEUV geregelt. Diese Bestimmungen – die relativ kurz und ähnlich formuliert sind – sehen u. a. vor, dass die Richter „von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen nach Anhörung des in Artikel 255 vorgesehenen Ausschusses … ernannt“ werden und dass „Personen auszuwählen [sind], die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und über die Befähigung zur Ausübung hoher richterlicher Tätigkeiten verfügen“.

2.        Finden die in diesen Bestimmungen niedergelegten Grundsätze auf die nationalen Verfahren zur Auswahl der von den Regierungen der Mitgliedstaaten für das Amt eines Richters des Gerichts vorzuschlagenden Bewerber Anwendung? Falls ja, werden den Mitgliedstaaten durch die in diesen Bestimmungen vorgesehene Anforderung an die Unabhängigkeit besondere Pflichten in Bezug auf die Art und Weise, wie sie dieses Verfahren zu organisieren und durchzuführen haben, auferlegt? Genauer gesagt, verbietet es das Unionsrecht einem Mitgliedstaat, der eine Gruppe unabhängiger Experten zur Bewertung der Bewerber und zur Erstellung einer Rangliste derer, die die Anforderungen an die fachliche Befähigung und die Unabhängigkeit erfüllen, eingesetzt hat, aus dieser Liste einen anderen als den erstplatzierten Bewerber auszuwählen?

3.        Dies sind im Wesentlichen die Schlüsselfragen, die in dem vorliegenden Verfahren aufgeworfen werden.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

4.        Gemäß Art. 1 des Beschlusses des Rates vom 25. Februar 2010 über die Arbeitsweise des in Artikel 255 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehenen Ausschusses(2) (im Folgenden: Artikel‑255-Ausschuss) sind diese Vorschriften im Anhang dieses Beschlusses wiedergegeben. In den Nrn. 6 bis 8 der Vorschriften heißt es:

„6.      Befassung des Ausschusses und Einholung zusätzlicher Informationen

Hat die Regierung eines Mitgliedstaats einen Bewerber vorgeschlagen, so übermittelt das Generalsekretariat des Rates diesen Vorschlag dem Vorsitzenden des Ausschusses.

Der Ausschuss kann die Regierung, von der der Vorschlag stammt, ersuchen, ihm zusätzliche Informationen oder andere Angaben zu übermitteln, die ihm für seine Beratungen erforderlich erscheinen.

7.      Anhörung

Außer in Fällen, in denen es sich um einen Vorschlag zur Wiederernennung eines Richters oder Generalanwalts handelt, führt der Ausschuss eine nicht öffentliche Anhörung des Bewerbers durch.

8.      Begründung und Vorlage der Stellungnahme

Die Stellungnahme des Ausschusses enthält eine Begründung. Darin werden die wesentlichen Gründe genannt, auf die der Ausschuss seine Stellungnahme stützt.

Die Stellungnahme des Ausschusses wird den Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten übermittelt. …“

B.      Nationales Recht

5.        Art. 52 Abs. 3 des Lietuvos Respublikos Vyriausybės įstatymas (Gesetz der Republik Litauen über die Regierung) vom 19. Mai 1994(3) bestimmt:

„Die Regierung nominiert Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichtshofs der Europäischen Union oder des Gerichts der Europäischen Union [(im Folgenden: Gericht)] im Einvernehmen mit dem Präsidenten der Republik Litauen und nach Anhörung des litauischen Parlaments gemäß den Bestimmungen des Lietuvos Respublikos Seimo statutas [(Satzung des Parlaments der Republik Litauen)].“

6.        Die Nrn. 2 bis 4, 13, 15, 19, 21 und 22 der Pretendento į Europos Sąjungos bendrojo teismo teisėjus atrankos tvarkos aprašas (Beschreibung des Auswahlverfahrens für Bewerber für das Amt eines Richters des [Gerichts]) in der auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung, die mit Erlass Nr. 1R‑65 der Justizministerin der Republik Litauen vom 9. März 2021 verabschiedet wurde, sehen vor:

„2.      Die Arbeitsgruppe ‚Auswahl‘ (im Folgenden: Arbeitsgruppe) wird durch Erlass des Premierministers der Republik Litauen eingerichtet. Die Arbeitsgruppe ist aus sieben Personen zusammengesetzt. Dazu gehören der Justizminister der Republik Litauen (Vorsitzender der Arbeitsgruppe) und ein Vertreter des Parlaments der Republik Litauen, ein Vertreter des Präsidenten der Republik Litauen, ein Vertreter des Justizrats der Republik Litauen, ein Vertreter der Juristischen Fakultät der Universität Mykolas Romeris, ein Vertreter der Juristischen Fakultät der Universität Vilnius und ein Vertreter der Juristischen Fakultät der Universität Vytautas Magnus. Ein Beamter des Justizministeriums der Republik Litauen wird zum Sekretär der Arbeitsgruppe ernannt.

3.      Die Arbeitsgruppe informiert unter Berücksichtigung der sechs Kriterien für die Auswahl von Bewerbern für das Amt eines Richters des [Gerichts], wie sie in den die Europäische Union begründenden Verträgen festgelegt und im Sechsten Tätigkeitsbericht des [Artikel‑255-Ausschuss] näher erläutert sind, … die Öffentlichkeit durch eine Bekanntmachung auf der Website des Justizministeriums über die Eröffnung des Auswahlverfahrens und fordert Personen, die die genannten Auswahlkriterien erfüllen, dazu auf, Bewerbungsunterlagen für das Auswahlverfahren einzureichen …

4.      Die Arbeitsgruppe legt eine Frist von mindestens zehn Arbeitstagen fest, innerhalb deren die Bewerber ihre Bewerbungen beim Justizministerium einzureichen haben, um an dem Auswahlverfahren teilzunehmen. …

13.      Das Auswahlverfahren umfasst eine auf die von den Bewerbern eingereichten Unterlagen und auf ein Auswahlgespräch gestützte Beurteilung der Frage, ob die Bewerber die in Nr. 3 der Beschreibung genannten Kriterien erfüllen. …

15.      In der Auswahlphase werden die Bewerber auf der Grundlage der sechs in Nr. 3 der Beschreibung genannten Kriterien beurteilt: juristische Kompetenz, Berufserfahrung, Befähigung zur Ausübung des Richteramts, Sprachkenntnisse, Teamfähigkeit in einem internationalen Umfeld, in dem verschiedene Rechtstraditionen vertreten sind, sowie die Garantien der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Redlichkeit und Integrität.

19.      Am Ende des Auswahlverfahrens benotet jedes Mitglied der Arbeitsgruppe den Bewerber mit einer Punktzahl zwischen eins und zehn. Die niedrigste Bewertung beträgt einen Punkt und die höchste zehn Punkte. Die von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe vergebenen Einzelbewertungen werden zusammengerechnet. Die auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse festgelegte Rangfolge wird in einer Liste aufgeführt. Die Liste enthält alle Bewerber, die nach Auffassung der Arbeitsgruppe die Kriterien für die Auswahl zum Richter des [Gerichts] erfüllen, unabhängig von der erreichten Punktzahl.

21.      Nach Beendigung des Auswahlverfahrens legt der Leiter der Arbeitsgruppe der litauischen Regierung den Entwurf eines Rechtsakts über die Ernennung des für die Ernennung zum Richter beim [Gericht] am höchsten eingestuften Bewerbers vor und fügt das Protokoll der Arbeitsgruppensitzung mit einer Anlage (der von der Arbeitsgruppe erstellten Rangliste unter Angabe der von den Bewerbern erreichten Punktzahlen) sowie den Lebenslauf des am höchsten eingestuften Bewerbers bei.

22.      Hierbei handelt es sich um eine Empfehlung hinsichtlich des am höchsten eingestuften Bewerbers für das Amt eines Richters des [Gerichts], die an die litauische Regierung gerichtet ist, die gemäß § 52 Abs. 3 des Gesetzes über die Regierung einen Bewerber für das Amt eines Richters beim [Gericht] vorschlägt.“

III. Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

A.      Das beanstandete Auswahlverfahren

7.        Herr Virgilijus Valančius, der Kläger des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Kläger), wurde am 13. April 2016 zum Richter des Gerichts ernannt, nachdem er von der litauischen Regierung als Bewerber vorgeschlagen worden war. Die Amtszeit des Klägers endete am 31. August 2019, doch übte er das Amt eines Richters des Gerichts auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Satzung) weiterhin aus(4).

8.        Mit Entscheidung vom 31. Juli 2019 ersuchte die litauische Regierung den Präsidenten der Republik Litauen und das litauische Parlament um Zustimmung zu der Bewerbung von Herrn Valančius für eine weitere Amtszeit. Nachdem diese Nominierung gescheitert war, weil zwischen den drei beteiligten nationalen Organen kein Konsens erzielt werden konnte, wurde im März 2021 ein Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen im Hinblick auf die Ernennung eines Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts veröffentlicht. Zugleich wurde die Arbeitsgruppe durch Erlass des Premierministers eingerichtet, und die Regeln für die Durchführung des Auswahlverfahrens wurden durch Erlass der Justizministerin genehmigt.

9.        Am 10. Mai 2021 bewertete die Arbeitsgruppe die potenziellen Bewerber und einigte sich auf eine Liste von acht Personen, die nach Auffassung der Arbeitsgruppe die Kriterien für die Auswahl als Richter erfüllten und in absteigender Reihenfolge entsprechend ihrer Bewertung aufgeführt waren (im Folgenden: Verdienstrangliste). Der Kläger wurde in der Verdienstrangliste als der am besten geeignete Bewerber aufgeführt.

10.      Am 11. Mai 2021 schlug die Justizministerin der litauischen Regierung die Bewerbung des Klägers vor.

11.      Am 6. April 2022 ersuchte die litauische Regierung den Präsidenten der Republik Litauen und das litauische Parlament um Zustimmung zu der Bewerbung der Person, die auf der Verdienstrangliste an zweiter Stelle stand. Mit Beschluss vom 4. Mai 2022 schlug die litauische Regierung unter Berücksichtigung des durch den Präsidenten der Republik Litauen und das litauische Parlament erteilten Einverständnisses diese Person als Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts vor (im Folgenden: erste Ernennungsentscheidung).

12.      Am 5. Juli 2022 gab der Artikel‑255-Ausschuss in Bezug auf diesen Bewerber eine ablehnende Stellungnahme ab.

13.      Am 14. September 2022 ersuchte die Regierung der Republik Litauen den Präsidenten der Republik Litauen und das Parlament um Zustimmung zu dem Vorschlag der Bewerbung der drittplatzierten Person auf der Verdienstrangliste für das Amt eines Richters des Gerichts, Herrn Saulius Lukas Kalėda. Nachdem die beiden Organe zugestimmt hatten, entschied die litauische Regierung, diese Person als Bewerber vorzuschlagen (im Folgenden: zweite Ernennungsentscheidung)(5).

14.      Nach einer befürwortenden Stellungnahme durch den Artikel‑255-Ausschuss wurde Herr Kalėda von den Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten am 15. September 2023 zum Richter des Gerichts ernannt und in der Sitzung des Gerichts vom 27. September 2023 vereidigt; zu diesem Zeitpunkt endete die Amtszeit des Klägers als Richter des Gerichts.

B.      Zum Ausgangsverfahren und zum Verfahren vor dem Gerichtshof

15.      Am 18. Mai 2022 erhob der Kläger beim Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionales Verwaltungsgericht Vilnius, Litauen) Klage auf Nichtigerklärung der ersten Ernennungsentscheidung und beantragte insbesondere, der litauischen Regierung aufzugeben, die Verfahren zur Anhörung und zur Nominierung eines Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts gemäß den gesetzlich vorgesehenen Verfahren wiederzueröffnen, indem sie den Namen des von der Arbeitsgruppe am höchsten eingestuften Bewerbers zur Anhörung und zur Nominierung vorlege. In diesem Zusammenhang machte der Kläger geltend, das nationale Verfahren zur Auswahl eines Bewerbers für die Position eines Richters des Gerichts (im Folgenden: beanstandetes nationales Verfahren) verstoße in der Form, in der es durchgeführt worden sei, gegen die sich aus Art. 19 Abs. 2 Satz 3 EUV und aus Art. 254 Abs. 2 AEUV ergebenden Grundsätze. In der Folge erstreckte der Kläger seine Klage auch auf den zweiten Ernennungsbeschluss(6).

16.      Da das Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) Zweifel hinsichtlich der richtigen Auslegung der genannten unionsrechtlichen Vorschriften hat, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Erfordert es Art. 254 AEUV in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 EUV, der vorsieht, dass zu Mitgliedern des Gerichts Personen auszuwählen sind, „die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und über die Befähigung zur Ausübung hoher richterlicher Tätigkeiten verfügen“, dass ein Bewerber für die Ernennung zum Richter des Gerichts in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ausschließlich auf Grundlage fachlicher Fähigkeiten ausgewählt wird?

2.      Ist eine nationale Praxis wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende, bei der die Regierung eines Mitgliedstaats, der es obliegt, einen Bewerber für die Ernennung zum Richter des Gerichts vorzuschlagen, zur Gewährleistung der Transparenz der Auswahl eines bestimmten Bewerbers eine Gruppe unabhängiger Experten zur Bewertung der Bewerber einrichtet, die nach Anhörung aller Bewerber auf Grundlage im Voraus festgelegter, klarer und objektiver Auswahlkriterien eine Rangliste der Bewerber erstellt und der Regierung gemäß den im Voraus bekannt gegebenen Voraussetzungen den Bewerber vorschlägt, der auf Grundlage seiner fachlichen Fähigkeiten und Kompetenzen am höchsten eingestuft wurde, aber die Regierung einen anderen als den auf der Rangliste erstplatzierten Bewerber für die Ernennung zum Richter der Europäischen Union vorschlägt, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Richter, der möglicherweise unrechtmäßig ernannt wurde, die Entscheidungen des Gerichts der Europäischen Union beeinflussen könnte, mit der Anforderung, dass der Richter jede Gewähr für Unabhängigkeit bietet, und den anderen in Art. 254 AEUV Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 EUV niedergelegten Anforderungen für richterliche Ämter vereinbar?

17.      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 26. September 2023 ist an das vorlegende Gericht ein Auskunftsersuchen gerichtet worden, in dem es aufgefordert wurde, mitzuteilen, ob die Tatsache, dass Herr Kalėda durch Beschluss der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 15. September 2023 zum Richter des Gerichts ernannt worden ist, Auswirkungen auf den Gegentand des Ausgangsverfahrens hatte und, falls ja, ob das vorlegende Gericht sein Vorabentscheidungsersuchen aufrecht erhalten wolle. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2023 wies das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Ernennung keine Auswirkungen auf den Gegenstand des Ausgangsverfahrens habe und dass es sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalten wolle.

18.      Der Kläger, die tschechische, die litauische, die ungarische, die niederländische, die polnische und die schwedische Regierung sowie die Europäische Kommission haben im vorliegenden Verfahren schriftliche Erklärungen eingereicht. Der Kläger, die tschechische Regierung, Irland, die litauische und die polnische Regierung sowie die Kommission haben auch in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2024 mündliche Ausführungen gemacht.

IV.    Würdigung

19.      Mit seinen beiden Fragen, die zusammen geprüft werden können, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 19 Abs. 2 EUV und Art. 254 AEUV einer nationalen Regelung oder Praxis entgegenstehen, wonach die Regierung eines Mitgliedstaats, die eine Gruppe unabhängiger Experten eingesetzt hat, um die Bewerber zu beurteilen, die für das Amt eines Richters des Gerichts vorgeschlagen werden sollen, und um eine Rangliste derjenigen Bewerber zu erstellen, die die in den Unionsverträgen genannten Anforderungen an die fachliche Befähigung und die Unabhängigkeit erfüllen, aus dieser Liste einen anderen als den erstplatzierten Bewerber auswählen darf.

20.      Bevor ich diese Frage inhaltlich beurteile, werde ich einige verfahrensrechtliche Vorfragen prüfen.

A.      Verfahrensfragen: Zuständigkeit des Gerichtshofs, Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens und Erforderlichkeit der Beantwortung der Vorlagefrage

21.      Einige der Regierungen der Mitgliedstaaten, die Erklärungen eingereicht haben, haben verschiedene Einwände gegen die Zuständigkeit des Gerichtshofs und/oder gegen die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens und/oder gegen die Erforderlichkeit der Beantwortung der vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen durch den Gerichtshof vorgebracht. Obwohl diese Beteiligten ihre Ausführungen zu diesen drei Fragen teilweise zusammengefasst haben, werde ich sie gleichwohl getrennt prüfen.

1.      Zuständigkeit

22.      Zunächst einmal waren einige Regierungen der Ansicht, dass der Gerichtshof für die Beantwortung der vorgelegten Fragen nicht zuständig sei. Sie sind der Auffassung, dass die Unionsvorschriften, um deren Auslegung ersucht werde, auf das Ausgangsverfahren nicht anwendbar seien, da das Verfahren, mit dem eine Regierung einen Bewerber vorschlage, nur dem nationalen Recht unterliege. Einige der Regierungen weisen zudem auf den komplexen Charakter des Ernennungsverfahrens für das Amt eines Richters des Gerichts hin, das mit dem Erlass einer einvernehmlichen Entscheidung der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten ende, die keiner Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Gerichtshof unterliege. Für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der nationalen Stufe dieses komplexen Verfahrens könne der Gerichtshof erst recht nicht zuständig sein.

23.      Insoweit sei zunächst darauf hingewiesen, dass die vorgelegten Fragen den Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 2 EUV und von Art. 254 AEUV und damit eine Frage betreffen, die die Auslegung dieser Bestimmungen des Primärrechts der Union erfordert, weshalb sie in vollem Umfang in die Zuständigkeit des Gerichtshofs nach Art. 267 AEUV fällt(7).

24.      Zudem möchte ich in Erinnerung rufen, dass nach ständiger Rechtsprechung zwar die Organisation der Justiz in den Mitgliedstaaten in deren Zuständigkeit fällt, die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Zuständigkeit jedoch die Verpflichtungen einzuhalten haben, die sich für sie aus dem Unionsrecht ergeben. Das kann insbesondere der Fall sein bezüglich der nationalen Vorschriften über den Erlass der Entscheidungen über die Richterernennung und gegebenenfalls der Vorschriften über die gerichtliche Kontrolle solcher Ernennungsverfahren(8). Meines Erachtens muss dieser Grundsatz erst recht für nationale Vorschriften über den Erlass von Entscheidungen gelten, die – wie ich im Folgenden erläutern werde – Teil des Verfahrens zur Ernennung von Mitgliedern des Gerichtshofs der Europäischen Union sind.

25.      Darüber hinaus bin ich nicht davon überzeugt, dass eine Analogie gezogen werden kann zwischen der vorliegenden Rechtssache und den Fällen, in denen der Gerichtshof entschieden hat, dass er gemäß Art. 263 AEUV nicht zuständig ist für die Überprüfung der Gültigkeit von Handlungen der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, die nicht als Mitglieder des Rates, sondern als Vertreter ihrer Regierungen handeln und auf diese Weise gemeinsam Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten ausüben, wie es bei der Entscheidung über die Ernennung der Mitglieder des Gerichtshofs der Europäischen Union der Fall ist(9).

26.      Bei den beanstandeten Entscheidungen handelt es sich nicht um Handlungen mit zwischenstaatlichem Charakter, sondern um Handlungen, die von den litauischen Behörden auf der Grundlage des nationalen Rechts ausgeführt wurden. Diese Handlungen können durchaus – wie einige Regierungen vortragen – insoweit als vorgeschaltete Handlungen betrachtet werden, als sie einen Abschnitt in einem komplexen Verfahren darstellen sollen, das im Ergebnis zum Erlass einer Entscheidung mit zwischenstaatlichem Charakter führen soll. Jedoch ändert dies nichts daran, dass die beanstandeten Entscheidungen – die zweifellos gewisse Rechtswirkungen entfalten – zwar nach nationalem Recht der gerichtlichen Kontrolle unterliegen können, doch ist der Umstand, dass der Gerichtshof in Bezug auf einen anderen, davon zu unterscheidenden Rechtsakt (die Ernennungsentscheidung der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten) nicht zuständig ist, offensichtlich unerheblich für die Beurteilung der Frage, ob der Gerichtshof die Befugnis (vielmehr: die Pflicht) hat, die nach Art. 267 AEUV vorgelegten Fragen zu beantworten, sofern diese Fragen die Auslegung von Unionsrecht betreffen.

2.      Zulässigkeit

27.      Zweitens haben einige Regierungen argumentiert, die Vorlagefragen seien insofern unzulässig, als eine Beantwortung dieser Fragen für die Entscheidung des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens nicht erforderlich sei. Hierfür werden zwei Gründe angeführt: Erstens sei das vorlegende Gericht nicht befugt, die von dem Kläger begehrte Maßnahme (eine Anordnung gegenüber der Regierung) zu treffen, da dies die Ausübung der Vorrechte der Regierung auf dem Gebiet der Außenpolitik betreffen würde, und zweitens seien die Fragen hypothetisch, da das beanstandete nationale Verfahren – selbst wenn man die in Rede stehenden Unionsvorschriften für anwendbar hielte – jedenfalls im Einklang mit diesen Vorschriften durchgeführt worden sei.

28.      Es ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, ist, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen, die es dem Gerichtshof vorlegt. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift betreffen. Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(10).

29.      Ich vermag keinen Gesichtspunkt zu erkennen, der diese Vermutung im vorliegenden Fall entkräften könnte. Es handelt sich nämlich um einen echten Rechtsstreit, der beim vorlegenden Gericht anhängig ist und in dem sich der Kläger auf Unionsvorschriften gestützt hat, deren Auslegung den Gegenstand der Vorlagefragen bilden(11).      Die Fragen, ob die geltend gemachten Vorschriften in diesem Rechtsstreit tatsächlich anwendbar sind, und, wenn ja, ob sie eingehalten wurden, betreffen die Begründetheit der Vorlagefragen und können der Zulässigkeit der Vorlagefragen folglich nicht entgegenstehen(12).

30.      Auch das Vorbringen, wonach das vorlegende Gericht angeblich nicht befugt sei, die beanstandeten Entscheidungen zu überprüfen oder den konkreten Anträgen des Klägers stattzugeben, erscheint mir nicht überzeugender. Nach gefestigter Rechtsprechung sind die von einem nationalen Gericht vorgelegten Fragen zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen zu beantworten, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat(13). Die Beantwortung der Frage, ob die vor dem vorlegenden Gericht anhängige Klage zulässig ist oder ob die Vorlageentscheidung den nationalen Vorschriften über das gerichtliche Verfahren entspricht, würden die Zuständigkeit des Gerichtshofs nach Art. 267 AEUV überschreiten(14).

31.      Gleichermaßen hat der Gerichtshof auch nicht die Frage zu prüfen, ob die zuständigen nationalen Behörden die sich aus den einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften ergebenden Grundsätze in dem streitigen nationalen Verfahren richtig angewandt haben. Für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens genügt der Hinweis, dass dieser Aspekt zwischen den Parteien im Ausgangsverfahren streitig ist und dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Unterstützung ersucht hat, um insoweit zu entscheiden. Dies reicht aus, um eine Vorlage zur Vorabentscheidung für zulässig zu erklären. Im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens ist es Aufgabe des Gerichtshofs, die richtige Auslegung der in Rede stehenden unionsrechtlichen Vorschriften zu klären, und Aufgabe des vorlegenden Gerichts, die ausgelegten Vorschriften auf den konkreten Sachverhalt anzuwenden(15) und dabei die entsprechenden Konsequenzen aus einem möglichen Verstoß gegen diese Vorschriften zu ziehen(16).

3.      Zur Erforderlichkeit einer Beantwortung der Vorlagefragen

32.      Drittens machen einige der Regierungen geltend, dass das Ausgangsverfahren gegenstandslos geworden sei, da Herr Kalėda zwischenzeitlich sein Amt angetreten habe, weshalb es nicht erforderlich sei, die Vorlagefragen zu beantworten. Selbst wenn das beanstandete nationale Verfahren die Rechte des Klägers verletzt hätte (was nicht der Fall gewesen sei), könne dem Klageantrag des Klägers nicht mehr stattgegeben werden: Die Entscheidung des vorlegenden Gerichts würde sich nicht auf die Gültigkeit der Entscheidung der Regierungen der Mitgliedstaaten auswirken, Herrn Kalėda zum Richter des Gerichts zu ernennen.

33.      Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Vorabentscheidungsverfahren u. a. voraussetzt, dass bei einem nationalen Gericht tatsächlich ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem dieses Gericht eine Entscheidung erlassen muss, bei der das im Vorabentscheidungsverfahren ergangene Urteil berücksichtigt werden kann(17).

34.      Im vorliegenden Fall teile ich die Auffassung dieser Regierungen, dass, selbst wenn die beanstandeten Entscheidungen durch das vorlegende Gericht aufgehoben werden sollten, dies keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Gültigkeit der Entscheidung der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten hätte, Herrn Kalėda zum Richter des Gerichts zu ernennen. In diesem Zusammenhang sei am Rande darauf hingewiesen, dass die Tatsache, dass Herr Kalėda die in den Verträgen genannten Anforderungen erfüllt, offenbar zwischen den Parteien unstreitig ist. Ebenso bin ich der Ansicht, dass das Ersuchen des Klägers an das vorlegende Gericht, das Verfahren zur Auswahl eines Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts wiederzueröffnen, mittlerweile insoweit gegenstandslos geworden ist, als die Stelle, für deren Besetzung das Verfahren stattgefunden hat, nicht mehr verfügbar ist.

35.      In diesem Zusammenhang sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt, dass die abschließende Überprüfung, ob ein bestimmter Bewerber die in den Verträgen genannten Anforderungen an die Befähigung und die Unabhängigkeit erfüllt, eine Aufgabe ist, die den Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten obliegt, und dass diese Beurteilung nicht Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle durch die Unionsgerichte oder die nationalen Gerichte sein kann. Nach seiner Ernennung kann ein Mitglied des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht aufgrund eines während des Auswahlverfahrens auf nationaler Ebene (angeblich oder tatsächlich) begangen Fehlers automatisch seines Amtes enthoben werden. Dies verstieße gegen den Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter(18).

36.      Das bedeutet jedoch nicht, dass Fehler im Ernennungsverfahren nicht behoben werden können. Art. 6 der Satzung bestimmt: „Ein Richter kann nur dann seines Amtes enthoben oder seiner Ruhegehaltsansprüche oder anderer an ihrer Stelle gewährter Vergünstigungen für verlustig erklärt werden, wenn er nach einstimmigem Urteil der Richter und Generalanwälte des Gerichtshofs nicht mehr die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt oder den sich aus seinem Amt ergebenden Verpflichtungen nicht mehr nachkommt. … Ist der Betroffene ein Mitglied des Gerichts oder eines Fachgerichts, so entscheidet der Gerichtshof nach Anhörung des betreffenden Gerichts.“(19)

37.      Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass der Gerichtshof, falls nach der Ernennung eines Richters ein Anhaltspunkt auftreten sollte, der Zweifel daran hervorrufen kann, ob die Beurteilung durch die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Grundlage vollständiger, zutreffender und tatsächlicher Angaben erfolgt ist, diese Angelegenheit untersuchen und gegebenenfalls entscheiden könnte, das Verfahren nach Art. 6 der Satzung einzuleiten. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn ein Bewerber den zuständigen nationalen Behörden oder dem Artikel‑255-Ausschuss bewusst irreführende Informationen übermittelt und/oder gefälschte Dokumente vorgelegt hat(20).

38.      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Prärogative des Gerichtshofs, solche Fragen nach der Ernennung zu prüfen, als eine Pflicht definiert ist und nicht als ein weites Ermessen. Wie der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung – u. a. in der Rechtssache Simpson (in der es um einen Fehler im Verfahren zur Ernennung eines Richters am damaligen Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union ging) – entschieden hat, folgt aus dem in Art. 47 der Charta verankerten Grundrecht auf ein unabhängiges, unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht, dass „jedes Gericht überprüfen [muss], ob es in Anbetracht seiner Zusammensetzung ein solches Gericht ist, wenn insoweit ein ernsthafter Zweifel besteht. Diese Überprüfung ist im Hinblick auf das Vertrauen erforderlich, das die Gerichte einer demokratischen Gesellschaft bei den Rechtssuchenden wecken müssen. In diesem Sinne stellt eine solche Überprüfung ein wesentliches Formerfordernis dar, das zwingend zu beachten und von Amts wegen zu prüfen ist“(21).

39.      Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen halte ich es nicht für offenkundig, dass der in Rede stehende Rechtsstreit gegenstandslos geworden ist. Das vorlegende Gericht hat auf Nachfrage des Gerichtshofs nämlich angegeben, dass das Ausgangsverfahren noch immer anhängig sei und dass seiner Ansicht nach kein Anlass dafür bestehe, das Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV zurückzuziehen, da eine Beantwortung dieser Vorlagefragen für die Entscheidung des Rechtsstreits weiterhin erforderlich sei(22). Ferner hat der Kläger – ohne dass ihm die litauische Regierung widersprochen hätte – in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er, wenn das Verfahren nach der durch das vorlegende Gericht nach Art. 267 AEUV beschlossenen Aussetzung wieder aufgenommen werde, seine ursprünglichen Klageanträge und Klagegründe anpassen könne, indem er z. B. ein Feststellungsurteil beantrage, das ihm als eine Form von Schadensersatz Genugtuung verschaffen könne, oder indem er finanzielle Entschädigung verlange.

40.      Unter Berücksichtigung der vom vorlegenden Gericht sowie von den Parteien des Ausgangsverfahrens übermittelten Informationen bin ich daher der Auffassung, dass eine Beantwortung der Vorlagefragen weiterhin erforderlich ist, damit das vorlegende Gericht den bei ihm anhängigen Rechtsstreit entscheiden kann.

B.      Begründetheit

41.      Das Verfahren und die Voraussetzungen für die Ernennung von Richtern des Gerichts sind in Art. 19 Abs. 2 EUV und in Art. 254 AEUV geregelt. Diese Bestimmungen, die ähnlich formuliert sind, sehen vor, dass zu Richtern des Gerichts insbesondere erstens „Personen auszuwählen [sind], die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und über die Befähigung zur Ausübung hoher richterlicher Tätigkeiten verfügen“, und dass diese Personen zweitens nach Anhörung des Artikel‑255-Ausschusses „von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen … ernannt“ werden.

42.      Die erste Frage, die im Mittelpunkt der vorliegenden Rechtssache steht, geht dahin, ob die in diesen Bestimmungen aufgestellte Anforderung, dass die Richter des Gerichts unter Personen auszuwählen sind, die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten (im Folgenden: Anforderung an die Unabhängigkeit) für die Mitgliedstaaten eine Verpflichtung in Bezug auf das Verfahren zur Auswahl der Bewerber, die für diese Ämter vorgeschlagen werden sollen, begründet.

43.      Die meisten Regierungen, die Erklärungen eingereicht haben, haben das verneint. Sie betonen, dass Art. 19 Abs. 2 EUV und Art. 254 AEUV das Verfahren beträfen, mit dem Bewerber zu Richtern ernannt würden, d. h. das Verfahren, das durchgeführt werde, nachdem ein Mitgliedstaat einen Bewerber vorgeschlagen habe. Dagegen enthielten diese Bestimmungen keine konkrete Regelung über die Art und Weise, wie die Mitgliedstaaten die Bewerber auszuwählen hätten. Folglich falle das Verfahren zur Auswahl der Bewerber in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die insoweit über einen unbegrenzten Beurteilungsspielraum verfügen würden.

44.      Auf den folgenden Seiten werde ich erklären, warum ich diese Ansicht nicht teile. Bevor ich auf diese Argumente eingehe, sind einige Vorbemerkungen zum Begriff „richterliche Unabhängigkeit“ und zu seiner Bedeutung in Situationen wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden geboten.

1.      Ein Begriff der richterlichen Unabhängigkeit

45.      Nach gefestigter Rechtsprechung wird mit Art. 19 EUV der Kernbestand der Rechtsstaatlichkeit nach Art. 2 EUV konkretisiert(23), indem die Aufgabe, in der Rechtsordnung der Union die gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, durch diese Vorschrift dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten übertragen wird(24). Der Anspruch auf effektive gerichtliche Kontrolle durch eine unabhängige Instanz – der nunmehr in Art. 47 der Charta niedergelegt ist – wurde vom Gerichtshof als „dem Wesen eines Rechtsstaats inhärent“ bezeichnet(25). Überdies hat der Gerichtshof entschieden, dass die Garantie der Unabhängigkeit – die zwei Aspekte umfasst, nämlich die Unabhängigkeit im engeren Sinne und die Unparteilichkeit(26) – dem Auftrag des Richters inhärent ist und daher sowohl auf der Ebene der Union (für die Mitglieder des Gerichtshofs der Europäischen Union) als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten (für die Mitglieder der nationalen Gerichte, die über Fragen der Anwendung oder der Auslegung des Unionsrechts zu entscheiden haben) zu gewährleisten ist(27).

46.      Darüber hinaus hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Garantie der Unabhängigkeit das Vorhandensein von Regeln über die Rechtspflege voraussetzt, die es ermöglichen, bei den Rechtsunterworfenen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit eines Rechtsprechungsorgans für äußere Faktoren und an ihrer Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen auszuräumen(28).

47.      Insbesondere geht aus der ständigen Rechtsprechung hervor, dass es zwei Regelungskomplexe geben muss: Mit einem Regelungskomplex – den man als Ex-ante-Vorschriften ansehen könnte – soll sichergestellt werden, dass nur Personen, die unabhängig sind und wirken, zu Richtern ernannt werden dürfen. Zu diesen Vorschriften gehören die materiellen Voraussetzungen und die Verfahrensmodalitäten für den Erlass der Ernennungsentscheidungen(29). Mit einem anderen Regelungskomplex – den man als Ex-post-Vorschriften ansehen könnte – soll sichergestellt werden, dass die zu Richtern ernannten Personen die richterlichen Aufgaben in einer Weise ausüben, die keinen objektiv berechtigten Zweifel an ihrer Unabhängigkeit aufkommen lassen kann. Zu diesen Vorschriften gehören u. a. die Vorschriften, in denen die Gründe für die Enthaltung, die Ablehnung und die Abberufung der Mitglieder der Judikative(30) sowie andere Aspekte ihrer Tätigkeit festgelegt sind(31).

48.      Aus der oben angeführten Rechtsprechung ergibt sich daher ausdrücklich, dass es im Unionsrecht nur einen Begriff der richterlichen Unabhängigkeit gibt(32), der für die Unionsgerichte und die nationalen Gerichte gleichermaßen gilt. Zu diesem Zweck müssen die jeweiligen Rechtsordnungen u. a. über Vorschriften über die Ernennung der Richter verfügen, die von der Legislative erlassen wurden(33) und hinreichend klar, präzise und vollständig formuliert sind(34), um die tatsächliche und die anscheinende Unabhängigkeit der Richter zu bewahren(35).

49.      Nach diesen Klarstellungen ist als Nächstes zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie die vorstehend erläuterten Grundsätze in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden angewandt werden können.

2.      Das Verfahren zur Auswahl der Bewerber für das Amt eines Richters des Gerichts

50.      An dieser Stelle muss ich auf die vorstehend in Nr. 43 dargelegten Einwände zurückkommen, die einige Regierungen gegen die Anwendbarkeit der sich aus Art. 19 Abs. 2 EUV und aus Art. 254 AEUV ergebenden Grundsätze auf das fragliche nationale Verfahren erhoben haben.

51.      Zwar betreffen das Verfahren und die Entscheidungen, die die litauische Regierung nach Beendigung dieses Verfahrens getroffen hat, isoliert betrachtet nicht die Ernennung eines Richters, da sie nur zur Auswahl eines Bewerbers für dieses Amt führen. Dieser Aspekt ist in diesem Zusammenhang meines Erachtens jedoch nicht von Bedeutung. Die von einigen Regierungen insoweit vorgebrachten Argumente erscheinen mir nämlich als äußerst formalistisch.

52.      Die nationalen Verfahren zur Auswahl von Bewerbern und die Entscheidungen, mit denen diese Verfahren abgeschlossen werden, sind integrale Bestandteile des gesamten Verfahrens, das zu der Ernennung der Richter des Gerichts führt. Dieses Verfahrens besteht aus drei getrennten Verfahrensstufen: eine findet auf nationaler Ebene statt (zur Auswahl des Bewerbers), eine auf Unionsebene (vor dem Artikel‑255-Ausschuss(36)) und eine auf zwischenstaatlicher Ebene (wenn die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten eine Entscheidung treffen).

53.      Jede dieser drei Stufen bildet eine notwendige Phase des Verfahrens. Insbesondere dürfen die Regierungen der Mitgliedstaaten keine Entscheidung über die Ernennung eines Mitglieds des Gerichtshofs der Europäischen Union treffen, ohne dass zuvor zu diesem Zweck ein förmlicher Vorschlag einer nationalen Regierung abgegeben worden ist (und die betreffende Person von dem Artikel‑255-Ausschuss befragt worden ist).

54.      Es steht meines Erachtens außer Zweifel, dass den Mitgliedstaaten – angesichts des Schweigens der Verträge zu diesem Punkt – ein großer Spielraum bezüglich der Frage eingeräumt ist, wie das Verfahren zur Auswahl ihrer Bewerber organisiert, strukturiert und durchgeführt wird. Sie können ein Standardverfahren einführen, das in allen Fällen ähnlicher Ernennungen anwendbar ist, oder stattdessen jedes Mal auf ein Ad-hoc-Verfahren zurückgreifen. Diese Verfahren können relativ einfach und unkompliziert oder aus verschiedenen Verfahrensstadien zusammengesetzt sein, indem z. B. unterschiedliche Einrichtungen und/oder Organe an dem Auswahlverfahren beteiligt werden.

55.      Insoweit erscheint mir der von dem Artikel‑255-Ausschuss verfolgte Ansatz recht vernünftig, wonach das Vorhandensein eines „offene[n], transparente[n] und strenge[n] nationale[n] Auswahlverfahren[s]“ ein Merkmal ist, das bei der Bewertung der Eignung eines Bewerbers positiv zu berücksichtigen ist, während das Fehlen eines solchen Verfahrens für sich genommen einen Grund darstellen kann, einen Bewerber als für das Amt ungeeignet anzusehen(37).

56.      In diesem Zusammenhang kann der Hinweis darauf sinnvoll sein, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Bestimmung des Unionsrechts (auch nicht Art. 2 oder Art. 19 EUV) den Mitgliedstaaten ein konkretes verfassungsrechtliches Modell vorgibt, das die Beziehungen und das Zusammenwirken zwischen den verschiedenen Staatsgewalten, namentlich in Bezug auf die Festlegung und Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten, regeln würde(38). Außerdem hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Union, wie es in Art. 4 Abs. 2 EUV heißt, die nationale Identität der Mitgliedstaaten achtet, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen zum Ausdruck kommt, so dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit über einen gewissen Gestaltungsspielraum verfügen(39).

57.      In Bezug auf die Ernennung der nationalen Richter hat der Gerichtshof daher entschieden, dass der bloße Umstand, dass die nationalen Rechtsvorschriften vorsahen, dass die in Rede stehenden Entscheidungen durch den Präsidenten(40), den Premierminister(41) oder die gesetzgebenden Organe(42) des Staates oder nach deren Anhörung getroffen wurden, an sich grundsätzlich kein Merkmal darstellt, das geeignet ist, Zweifel an der Unabhängigkeit der Richter gegenüber diesen Einrichtungen aufkommen zu lassen. Der Gerichtshof hat überdies entschieden, dass die Beteiligung beratender Einrichtungen, die sich z. B. aus anderen Richtern zusammensetzen, grundsätzlich zur Objektivierung dieses Verfahrens beitragen kann, indem sie den Handlungsspielraum der anderen an diesem Verfahren beteiligten Organe einschränken, sofern diese Einrichtungen selbst hinreichend unabhängig sind. Jedoch kann die Beteiligung solcher Organe nicht als erforderlich angesehen werden(43). Auch ist es an sich nicht problematisch, dass das entscheidungsbefugte Organ bei der Auswahl der zu ernennenden Bewerber über ein gewisses Ermessen verfügt(44).

58.      All dies vorausgeschickt, hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung stets deutlich gemacht, dass der große Spielraum der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung der Beziehungen zwischen den staatlichen Einrichtungen, bei der Festlegung ihrer eigenen Gerichtsstruktur und nicht zuletzt bei der Regelung des Verfahrens zur Ernennung der nationalen Richter die Mitgliedstaaten nicht von der Einhaltung des Unionsrechts entbindet. Insbesondere müssen die Mitgliedstaaten die Anforderung an die Unabhängigkeit der Gerichte erfüllen, die sich aus den Art. 2 und 19 EUV ergibt(45). Denn wie vorstehend in Nr. 24 dargelegt, fällt nach ständiger Rechtsprechung die Organisation der Justiz in den Mitgliedstaaten zwar in deren Zuständigkeit, doch haben die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Zuständigkeit ihre unionsrechtlichen Verpflichtungen zu beachten.

59.      Diese Grundsätze müssen zwingend auch auf das Verfahren zur Ernennung der Richter des Gerichts und auf jede der drei Phasen dieses Verfahrens Anwendung finden. Es erscheint mir künstlich und fernliegend, zu argumentieren, dass die erste Stufe dieses Verfahrens trotz ihres wesentlichen Charakters und der maßgeblichen Rolle, die die am Ende dieses Verfahrens getroffene Entscheidung spielt, als „unionsrechtsfreier Raum“ anzusehen sein soll(46). Es ist nämlich kein Zufall, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Unabhängigkeit der Justiz oft auf das Verfahren zur Ernennung von Richtern Bezug genommen hat(47), was meines Erachtens die verschiedenen Verfahrensstufen umfasst, die letztlich zu der formalen Ernennung von Richtern führen.

60.      Andererseits ist es meines Erachtens ebenso offensichtlich, dass keine Verfahrensstufe isoliert betrachtet werden darf: Entscheidend ist, wie das aus den verschiedenen Verfahrensstufen zusammengesetzte gesamte Verfahren von der Öffentlichkeit objektiv wahrgenommen werden kann(48).

61.      Vor diesem Hintergrund lässt sich meines Erachtens nicht vertreten, dass ein Mitgliedstaat das Unionsrecht beachtet, wenn das nationale Verfahren zur Auswahl eines Bewerbers für die Stelle eines Mitglieds des Gerichtshofs der Europäischen Union, wie es von dem nationalen Gesetzgeber konzipiert ist oder einfach in der Praxis von den zuständigen Behörden angewandt wird(49), die Integrität des gesamten Ernennungsverfahrens und damit dessen Ergebnis beeinträchtigen kann(50). Das ist der Fall, wenn das Verfahren zur Auswahl eines Bewerbers trotz des Vorhandenseins unionsrechtlicher Vorschriften, die zum einen die anderen beiden Stufen des Ernennungsverfahrens(51) und zum anderen weitere Gesichtspunkte der Rechtsprechung zu dem Zweck regeln, sicherzustellen, dass die Rechtsprechung frei von jedem äußeren Einfluss ausgeübt wird(52), so ausgestaltet ist, dass in Bezug auf die Unabhängigkeit der ausgewählten Person berechtigte Zweifel aufkommen können.

62.      Um einige extreme Beispiele zu nennen: Dies wäre etwa der Fall, wenn bei einem Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen als Anforderung an die Bewerber die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei genannt wird oder wenn die Entscheidung auf einen Bewerber fällt, der (gegenüber der Presse, vor einer öffentlichen Einrichtung oder einem Ausschuss usw.) öffentlich erklärt hat, dass er im Interesse seines Heimatstaates oder nach den Anweisungen des Organs, das ihn ausgewählt hat, handeln wird.

63.      Daher kann ich auch nicht dem Vorbringen einiger Regierungen zustimmen, wonach die Entscheidung, ob ein bestimmter Bewerber die in den Verträgen genannten Anforderungen erfüllt, eine Aufgabe sei, die ausschließlich dem Artikel‑255-Ausschuss obliege.

64.      Selbstverständlich soll der Artikel‑255-Ausschuss insoweit eine entscheidende Rolle spielen. Die Prüfung der „Eignung der Bewerber für die Ausübung des Amts eines Richters oder eines Generalanwalts beim Gerichtshofs oder beim Gericht“ ist nämlich gerade der Sinn und Zweck dieses Ausschusses. Es ist meines Erachtens auch ganz klar, dass die Einsetzung des Artikel‑255-Ausschusses – dessen Wurzeln sich bis zu dem in dem sogenannten Due-Bericht vom Januar 2000(53) und in dem Schlussbericht des Arbeitskreises über den Gerichtshof vom März 2003(54) vorgesehenen „beratenden Ausschuss“ zurückverfolgen lassen – keine einfache Pro-forma-Übung darstellt, sondern für die Mitgliedstaaten tatsächlich „Maßstäbe setzen“ sollte(55).

65.      Dessen ungeachtet ist der Artikel‑255-Ausschuss lediglich eine beratende Einrichtung, die in der Angelegenheit eine nicht bindende Stellungnahme abgibt. Seine Rolle kann nicht dahin ausgelegt werden, dass es sich um die einzige Einrichtung handelt, der die Aufgabe obliegt, die fachliche Befähigung und die Unabhängigkeit der Bewerber zu prüfen. Aus den vorstehend genannten Gründen ist es meines Erachtens Aufgabe aller an dem Verfahren beteiligten Organe (der nationalen Behörden, des Artikel‑255-Ausschusses und der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten), von denen jedes in seinem Zuständigkeitsbereich und in dem entsprechenden Stadium des Verfahrens tätig wird, sicherzustellen, dass diese Anforderungen erfüllt sind.

66.      Im Hinblick auf die vorstehend genannten Grundsätze werde ich mich nun den vom Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionales Verwaltungsgericht Vilnius) vorgelegten Fragen, wie sie oben in Nr. 19 umformuliert worden sind, zuwenden.

3.      Das streitige nationale Verfahren

67.      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass sich bei der Behandlung der im vorliegenden Fall aufgeworfenen Probleme die Kernfrage stellt, ob das streitige nationale Verfahren, wie es von den litauischen Behörden konzipiert und/oder angewandt wird, so ausgestaltet ist, dass es die Integrität des Verfahrens zur Ernennung des Richters des Gerichts in Frage stellt.

68.      Es ist grundsätzlich Sache des vorlegenden Gerichts, diese Beurteilung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände vorzunehmen. Zur Unterstützung des vorlegenden Gerichts möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass ich keine rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte systemischer oder umstandsbezogener Art(56) zu erkennen vermag, die für sich allein oder in Kombination mit anderen Gesichtspunkten(57) bei den Rechtsunterworfenen objektiv berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit des von der litauischen Regierung vorgeschlagenen Bewerbers für das Amt eines Richters des Gerichts aufwerfen können.

69.      Erstens ist meines Erachtens – von vornherein – zu betonen, dass die Arbeitsgruppe der Auffassung war, dass alle Personen, die in der von dieser Einrichtung erstellten Rangliste aufgeführt wurden, die in den Unionsverträgen genannten Anforderungen an die Befähigung und die Unabhängigkeit erfüllten(58). Ferner kam, wie oben erläutert, im Ausgangsverfahren nach meinem Verständnis kein Zweifel an der Frage auf, ob Herr Kalėda diese Anforderungen erfüllte.

70.      Zweitens hat die litauische Regierung nach meinem Verständnis in dem streitigen nationalen Verfahren auch keineswegs den rechtlichen Rahmen missachtet, den sie sich selbst gesetzt hatte und den sie einzuhalten hatte(59). Insbesondere handelt es sich bei der Arbeitsgruppe nach dem anwendbaren nationalen Recht offenbar um eine beratende Einrichtung, und ihre Empfehlung zur Ernennung des höchstplatzierten Bewerbers scheint für die litauische Regierung nicht bindend zu sein.

71.      Drittens verlangt keine Vorschrift des Unionsrechts – auch nicht Art. 19 EUV oder Art. 254 AEUV – von den Regierungen, den Bewerber vorzuschlagen, der ihres Erachtens für das Amt „am besten geeignet“ ist. Für die Ernennung eines Richters des Gerichts verlangen die Unionsverträge nur, dass die Bewerber die beiden darin genannten Anforderungen an die Befähigung und die Unabhängigkeit erfüllen. Ist die fragliche Regierung der Auffassung, dass mehrere Bewerber diese Anforderungen erfüllen, so steht es in ihrem Ermessen, den Bewerber ihrer Wahl vorzuschlagen.

72.      Insoweit möchte ich hinzufügen, dass Regierungen bei der Auswahl der Bewerber sicherlich nicht daran gehindert sind, zusätzliche Auswahlkriterien anzuwenden, sofern diese mit den in den Verträgen genannten Kriterien der Befähigung und der Unabhängigkeit vergleichbar sind. So halte ich es nicht für bedenklich, dass eine Regierung möglicherweise auch Erwägungen hinsichtlich eines ausgewogenen Verhältnisses von Männern und Frauen oder der geografischen Ausgewogenheit berücksichtigen möchte(60). Desgleichen bin ich der Auffassung, dass die in den einschlägigen litauischen Rechtsvorschriften vorgesehenen Kriterien (juristische Kompetenz, Berufserfahrung, Befähigung zur Ausübung des Richteramts, Sprachkenntnisse, Teamfähigkeit in einem internationalen Umfeld, in dem verschiedene Rechtstraditionen vertreten sind, sowie die Garantien der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Redlichkeit und Integrität(61)) mit den in den Verträgen vorgesehenen Kriterien vollständig vereinbar sind.

73.      Dies vorausgeschickt, ist schließlich in Erinnerung zu rufen, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs(62) als auch nach derjenigen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte(63) nicht jede Vorschriftswidrigkeit, die im Verfahren zur Ernennung eines Richters begangen worden sein mag, zwingend Zweifel an der Unabhängigkeit dieses Richters aufwirft. Alles hängt von der Art der Vorschriftswidrigkeit ab und von den Umständen, unter denen sie aufgetreten ist(64). Ernste Zweifel kommen insbesondere dann auf, wenn die Art und Schwere der Vorschriftswidrigkeit dergestalt ist, dass sie die tatsächliche Gefahr begründet, dass andere Teile der Staatsgewalt (insbesondere die Exekutive) – oder, wie ich hinzufügen möchte, eine andere natürliche oder juristische Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts – diesen Richter unzulässig beeinflussen können. Hingegen stellen sich bei kleineren Vorschriftswidrigkeiten in der Regel keine Fragen bezüglich der Unabhängigkeit der betreffenden Richter.

74.      Daher bin ich der Auffassung, dass keiner der Gesichtspunkte, auf die in dem Vorabentscheidungsersuchen oder in den schriftlichen oder den mündlichen Erklärungen der Parteien Bezug genommen wurde, geeignet ist, bei den Rechtsunterworfenen die Frage nach der Unabhängigkeit des von der litauischen Regierung ausgewählten Bewerbers aufzuwerfen(65). Insbesondere ist meines Erachtens nicht ersichtlich, was einen objektiven Beobachter zu der Auffassung verleiten könnte, dass sich jene Person bei der Ausübung ihrer justiziellen Funktion am Gericht z. B. in einem Unterordnungs- oder Abhängigkeitsverhältnis(66) gegenüber einer nationalen Behörde wähnt oder jedenfalls geneigt wäre, einer Beeinflussung von außen(67) – unmittelbarer oder mittelbarer Art(68) – nachzugeben.

75.      Daher bin ich der Ansicht, dass die fragliche nationale Regelung oder Praxis, wie sie sich aus den einschlägigen nationalen Gesetzen ergibt (und, soweit ich es zu erkennen vermag, in dem streitigen nationalen Verfahren tatsächlich angewandt worden ist) mit Art. 19 Abs. 2 EUV und Art. 254 AEUV vereinbar sind.

V.      Ergebnis

76.      Im Ergebnis schlage ich dem Gerichtshof vor, die von dem Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionales Verwaltungsgericht Vilnius, Litauen) vorgelegten Fragen dahin zu beantworten, dass Art. 19 Abs. 2 EUV und Art. 254 AEUV einer nationalen Regelung oder Praxis nicht entgegenstehen, wonach die Regierung eines Mitgliedstaats, der eine Gruppe unabhängiger Experten zur Bewertung der für das Amt eines Richters des Gerichts vorzuschlagenden Bewerber und zur Erstellung einer Rangliste der Bewerber, die die in den Unionsverträgen genannten Anforderungen an die fachliche Befähigung und die Unabhängigkeit erfüllen, eingesetzt hat, aus dieser Liste einen anderen als den erstplatzierten Bewerber auswählen darf.


1      Originalsprache: Englisch.


2      ABl. 2010, L 50, S. 18.


3      Žin. 1994, Nr. 43-772.


4      In dieser Vorschrift heißt es: „Mit Ausnahme der Fälle, in denen Artikel 6 Anwendung findet, bleibt jeder Richter bis zum Amtsantritt seines Nachfolgers im Amt.“


5      Die beiden Ernennungsentscheidungen werden im Folgenden gemeinsam als „angefochtene Entscheidungen“ bezeichnet.


6      Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache vorgetragen, ohne dass die litauische Regierung dem widersprochen hätte.


7      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż.  (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 76, und die dort angeführte Rechtsprechung).


8      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Januar 2024, G u. a. (Ernennung von Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Polen) (C‑181/21 und C‑269/21, EU:C:2024:1, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).


9      Vgl. insbesondere Urteil vom 16. Juni 2021, Sharpston/Rat und Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten (C‑685/20 P, EU:C:2021:485, Rn. 46 und 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


10      Vgl. u. a. Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 97 und 98 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


11      In diesem Zusammenhang brauche ich wohl kaum darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis der Unabhängigkeit der Gerichte, das sich u. a. aus Art. 19 EUV und aus Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) ergibt, unmittelbare Wirkung hat, was bedeutet, dass sich der Kläger grundsätzlich auf dieses Erfordernis berufen kann, um die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Entscheidungen anzugreifen. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).


12      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż.  (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).


13      Vgl. u. a. Urteil vom 14. September 2023, Volkswagen Group Italia und Volkswagen Aktiengesellschaft (C‑27/22, EU:C:2023:663, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


14      Vgl. z. B. Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż.  (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 96 und 98).


15      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi (C‑561/19, EU:C:2021:799, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


16      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in den verbundenen Rechtssachen Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a. (C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:403, Nrn. 90 und 91 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


17      Vgl. unter vielen Urteil vom 2. Februar 2023, Towarzystwo Ubezpieczeń Ż (Irreführende Musterversicherungsverträge) (C‑208/21, EU:C:2023:64, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).


18      Zur Bedeutung dieses Grundsatzes und zum Anwendungsbereich der zulässigen Ausnahmen vgl. u. a. Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż.  (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2021:557, Nrn. 156 bis 161).


19      Vgl. auch Art. 6 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und Art. 7 der Verfahrensordnung des Gerichts.


20      Vgl. insoweit Art. 255 Nrn. 6 und 7 der Vorschriften über die Arbeitsweise des Artikel‑255-Ausschusses (wiedergegeben oben in Nr. 4 der vorliegenden Schlussanträge).


21      Urteil vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission (C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 57). Vgl. auch aus jüngerer Zeit Urteil vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 276 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22      Siehe oben, Nr. 17 der vorliegenden Schlussanträge.


23      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


25      Ebd., Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung.


26      Vgl. u. a. Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 121 und 122 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


27      Vgl. Urteil vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 40 und 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


28      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2023, Krajowa Rada Sądownictwa (Verbleib eines Richters im Amt) (C‑718/21, EU:C:2023:1015, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).


29      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. April 2021, Repubblika (C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30      Vgl. z. B. Urteil vom 7. September 2023, Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ (C‑216/21, EU:C:2023:628, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).


31      Vgl., mit Nachweisen aus der Rechtsprechung, meine Schlussanträge in der Rechtssache Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ (C‑216/21, EU:C:2023:116, Nr. 45).


32      Vgl. entsprechend Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2021:557, Nr. 35).


33      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż.  (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 129).


34      Vgl. in diesen Sinne Urteile vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 136), und vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 152 und 154).


35      Zur Bedeutung des Eindrucks vgl. u. a. Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 127 bis 129).


36      Es ist meines Erachtens ganz offensichtlich, dass es sich bei dem Artikel‑255-Ausschuss um eine „Einrichtung der Union“ im Sinne des Unionsrechts handelt, u. a. deshalb, weil seine Einrichtung in Art. 255 AEUV vorgesehen ist, seine Verfahrensvorschriften in einem Beschluss des Rates geregelt sind (siehe oben, Nr. 4 der vorliegenden Schlussanträge) und weil der Rat (und damit der Haushalt der Union) die Kosten seiner Tätigkeit trägt.


37      Vgl. Siebter Tätigkeitsbericht, angenommen am 25. Februar 2022, S. 11.


38      Vgl. z. B. Urteil vom 21. Dezember 2021, Euro Box Promotion u. a. (C‑357/19, C‑379/19, C‑547/19, C‑811/19 und C‑840/19, EU:C:2021:1034, Rn. 229 und die dort angeführte Rechtsprechung).


39      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 73).


40      Vgl. u. a. Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż.  (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 147 und die dort angeführte Rechtsprechung).


41      Vgl. Urteil vom 20. April 2021, Repubblika (C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 70 bis 72).


42      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2020, Land Hessen (C‑272/19, EU:C:2020:535, Rn. 54 bis 56).


43      Vgl. z. B. Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż.  (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 149 und die dort angeführte Rechtsprechung).


44      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. April 2021, Repubblika (C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 71).


45      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2022, RS (Wirkung der Urteile eines Verfassungsgerichts), C‑430/21, EU:C:2022:99, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).


46      Vgl. entsprechend Urteil vom 2. März 2021, A.B. u. a. (Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Rechtsbehelf) (C‑824/18, EU:C:2021:153, Rn. 126).


47      Vgl. u. a. Urteile vom 20. April 2021, Repubblika (C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 66 und 73), vom 6. Oktober, W.Ż.  (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 89 und 125), und vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 141 und 205).


48      Vgl. in diesem Sinne meine Schlussanträge in der Rechtssache Asociaţia „Forumul Judecătorilor din România“ (C‑216/21, EU:C:2023:116, Rn. 52).


49      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 144).


50      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 146).


51      Ich beziehe mich natürlich auf Art. 19 Abs. 2 EUV und auf die Art. 253 bis 255 AEUV.


52      Vgl. u. a. Art. 2 bis 4 und 18 der Satzung, auf Art. 4 und 5 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und auf Art. 16 der Verfahrensordnung des Gerichts.


53      „Bericht der Reflexionsgruppe über die Zukunft des Gerichtssystems der Europäischen Gemeinschaften“, S. 51.


54      Sekretariat des Europäischen Konvents, Schlussbericht des Arbeitskreises über die Arbeitsweise des Gerichtshofs, CONV 636/03, 25. März 2003, S. 6.


55      Vgl. hierzu die verschiedenen Beiträge in Bobek, M., Selecting Europe's Judges: A Critical Review of the Appointment Procedures to the European Courts, Oxford University Press, 2015.


56      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2023, Krajowa Rada Sądownictwa (Verbleib eines Richters im Amt) (C‑718/21, EU:C:2023:1015, Rn. 77).


57      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 152), und Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in den verbundenen Rechtssachen Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a. (C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:403, Rn. 152).


58      Vgl. entsprechend Urteil vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission (C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 64).


59      Vgl. hierzu ebd., Rn. 61.


60      Vgl. entsprechend ebd., Rn. 66.


61      Diese Kriterien entsprechen den Kriterien, die der Artikel‑255-Ausschuss öffentlich bekannt gegeben hat Vgl. z. B. Siebter Tätigkeitsbericht, S. 17 bis 19. Meines Erachtens können diese Kriterien als Bestandteile der in den Verträgen genannten Anforderungen an die fachliche Befähigung und die Unabhängigkeit angesehen werden.


62      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission (C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 75), und vom 6. Oktober 2021, W.Ż.  (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 130).


63      Vgl. insbesondere Urteile vom 1. Dezember 2020, Guðmundur Andri Ástráðsson/Island (CE:ECHR:2020:1201JUD002637418, §§ 243 bis 252), und vom 22. Juli 2021, Reczkowicz/Polen (CE:ECHR:2021:0722JUD004344719, §§ 221 bis 224).


64      Vgl. zu dieser Frage u. a. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in Überprüfung Simpson/Rat und Überprüfung HG/Kommission (C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2019:977, Nrn. 85 und 106 bis 109).


65      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2022, Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2022:235, Rn. 129).


66      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż.  (Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung) (C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 147 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie Schlussanträge des Generalanwalts Tanchev in derselben Rechtssache (EU:C:2021:289, Nr. 84).


67      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2021:557, Nrn. 100, 115 und 129).


68      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2023, Kommission/Polen (Unabhängigkeit und Privatleben von Richtern) (C‑204/21, EU:C:2023:442, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).