Language of document : ECLI:EU:C:2009:260

Rechtssache C‑59/08

Copad SA

gegen

Christian Dior couture SA u. a.

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Frankreich])

„Richtlinie 89/104/EWG – Markenrecht – Erschöpfung der Rechte des Markeninhabers – Lizenzvertrag – Verkauf von mit der Marke versehenen Waren unter Missachtung einer Bestimmung des Lizenzvertrags – Fehlende Zustimmung des Markeninhabers – Verkauf an Discounter – Schädigung des Ansehens der Marke“

Leitsätze des Urteils

1.        Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Lizenz – Markeninhaber, der die Rechte aus der Marke gegenüber einem Lizenznehmer geltend machen kann, der gegen eine Klausel verstößt, die den Verkauf von Prestigewaren an Discounter verbietet – Voraussetzungen

(Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 8 Abs. 2)

2.        Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Inverkehrbringen von Waren durch einen Lizenznehmer unter Missachtung einer Bestimmung des Lizenzvertrags – Fehlende Zustimmung des Inhabers – Voraussetzung

(Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 2)

3.        Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Inverkehrbringen von Prestigewaren durch einen Lizenznehmer unter Verstoß gegen eine Bestimmung des Lizenzvertrags, das gleichwohl als mit der Zustimmung des Inhabers erfolgt angesehen werden muss – Widerspruch des Rechtsinhabers

(Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 7 Abs. 2)

1.        Art. 8 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass der Markeninhaber die Rechte aus der Marke gegen einen Lizenznehmer geltend machen kann, der gegen eine Bestimmung des Lizenzvertrags verstößt, nach der aus Gründen des Ansehens der Marke der Verkauf von Waren an Discounter untersagt ist, sofern nachgewiesen ist, dass dieser Verstoß aufgrund der besonderen Umstände des betreffenden Falls den Prestigecharakter schädigt, der diesen Waren eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht.

Die Qualität von Prestigewaren beruht nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht.

Da Prestigewaren hochwertige Artikel sind, ist die luxuriöse Ausstrahlung, die von ihnen ausgeht, ein wesentliches Element dafür, dass die Verbraucher sie von anderen ähnlichen Produkten unterscheiden können.

Daher ist eine Schädigung dieser luxuriösen Ausstrahlung geeignet, die Qualität der Waren selbst zu beeinträchtigen.

Es ist Sache des nationalen Richters, zu prüfen, ob der Verstoß des Lizenznehmers gegen eine Bestimmung, nach der der Verkauf von Prestigewaren an Discounter untersagt ist, unter Berücksichtigung der Umstände des von ihm zu entscheidenden Rechtsstreits die luxuriöse Ausstrahlung dieser Waren schädigt und damit ihre Qualität beeinträchtigt.

Hierbei insbesondere zu berücksichtigen sind einerseits die Art der mit der Marke versehenen Prestigewaren, der Umfang und der systematische oder aber sporadische Charakter der Verkäufe dieser Waren durch den Lizenznehmer an Discounter, die nicht dem selektiven Vertriebsnetz angehören, und andererseits die Art der von diesen Discountern üblicherweise vertriebenen Waren und die in deren Branche üblichen Vertriebsformen.

(vgl. Randnrn. 24-26, 31-32, 37, Tenor 1)

2.        Art. 7 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass ein Lizenznehmer, der mit der Marke versehene Waren unter Missachtung einer Bestimmung des Lizenzvertrags in den Verkehr bringt, ohne die Zustimmung des Inhabers der Marke handelt, wenn nachgewiesen ist, dass diese Bestimmung einer der in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie genannten Bestimmungen entspricht.

Das Inverkehrbringen von mit der Marke versehenen Waren durch einen Lizenznehmer muss grundsätzlich als mit der Zustimmung des Inhabers der Marke im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie erfolgt angesehen werden.

Zwar folgt hieraus, dass sich der Inhaber der Marke unter solchen Umständen nicht auf die Schlechterfüllung des Vertrags berufen kann, um gegen den Lizenznehmer seine Rechte aus der Marke geltend zu machen. Der Lizenzvertrag kommt jedoch keiner absoluten und unbedingten Zustimmung des Markeninhabers zum Inverkehrbringen von mit dieser Marke versehenen Waren durch den Lizenznehmer gleich.

Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie räumt nämlich dem Markeninhaber ausdrücklich die Möglichkeit ein, seine Rechte aus der Marke gegen einen Lizenznehmer geltend zu machen, wenn dieser gegen bestimmte Klauseln des Lizenzvertrags verstößt.

(vgl. Randnrn. 46-48, 51, Tenor 2)

3.        Verkauft ein Lizenznehmer an einen Discounter Waren unter Verstoß gegen eine Bestimmung des Lizenzvertrags, so ist das von dem Lizenzvertrag erfasste berechtigte Interesse des Markeninhabers daran, gegen Discounter geschützt zu sein, die nicht dem selektiven Vertriebsnetz angehören und die diese Marke zu geschäftlichen Zwecken in einer Weise benutzen, die ihren Ruf schädigen könnte, gegen das Interesse des Discounters abzuwägen, die betreffenden Waren unter Verwendung der für seine Branche üblichen Vertriebsformen weiterverkaufen zu können.

Stellt das nationale Gericht fest, dass der Verkauf durch den Lizenznehmer an einen Dritten nicht geeignet ist, die Qualität der mit der Marke versehenen Prestigewaren in Frage zu stellen, so dass das Inverkehrbringen dieser Waren als mit der Zustimmung des Inhabers der Marke erfolgt angesehen werden muss, ist es daher Sache dieses Gerichts, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob das Ansehen der Marke dadurch geschädigt wird, dass der Dritte die mit der Marke versehenen Waren unter Verwendung der in seiner Branche üblichen Vertriebsformen weiterverkauft.

Hierbei sind insbesondere der Adressatenkreis, an den die Waren weiterverkauft werden sollen, und die spezifischen Umstände des Verkaufs von Prestigewaren zu berücksichtigen.

Muss das Inverkehrbringen von Prestigewaren durch den Lizenznehmer als mit der Zustimmung des Markeninhabers erfolgt angesehen werden, obwohl der Lizenznehmer dabei gegen eine Bestimmung des Lizenzvertrags verstoßen hat, kann der Inhaber der Marke eine solche Bestimmung daher nur geltend machen, um sich unter Berufung auf Art. 7 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken dem Weiterverkauf der Waren zu widersetzen, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nachgewiesen ist, dass ein solcher Weiterverkauf dem Ansehen der Marke schadet.

(vgl. Randnrn. 56-59, Tenor 3)