Language of document : ECLI:EU:C:2013:435

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

27. Juni 2013(*)

„Rechtsangleichung – Richtlinie 2008/95/EG – Art. 4 Abs. 4 Buchst. g – Marken – Voraussetzungen für den Erwerb und die Aufrechterhaltung einer Marke – Ablehnung der Eintragung oder Ungültigkeit – Begriff der ‚Bösgläubigkeit‘ des Anmelders – Kenntnis des Anmelders von einer ausländischen Marke“

In der Rechtssache C‑320/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Højesteret (Dänemark) mit Entscheidung vom 29. Juni 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juli 2012, in dem Verfahren

Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd

gegen

Ankenævnet for Patenter og Varemærker

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász, D. Šváby und C. Vajda (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd, vertreten durch J. Glæsel, advokat,

–        der Kabushiki Kaisha Yakult Honsha, vertreten durch C. L. Bardenfleth, advokat,

–        der dänischen Regierung, vertreten durch V. Pasternak Jørgensen als Bevollmächtigte im Beistand von R. Holdgaard, advokat,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Palatiello, avvocato dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Støvlbæk und F. Bulst als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs „bösgläubig“ im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Malaysia Dairy Industries Pte. Ltd (im Folgenden: Malaysia Dairy) gegen den Ankenævn for Patenter og Varemærker (Beschwerdeausschuss für Patent- und Markensachen; im Folgenden: Beschwerdeausschuss), bei dem es um die Rechtmäßigkeit einer von diesem erlassenen Entscheidung über die Aufhebung der Eintragung einer Plastikflasche als Marke mit der Begründung geht, dass Malaysia Dairy zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung Kenntnis von der ausländischen Marke von Kabushiki Kaisha Yakult Honsha (im Folgenden: Yakult) gehabt habe.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 40, S. 1) wurde durch die Richtlinie 2008/95, die am 28. November 2008 in Kraft trat, aufgehoben und kodifiziert.

4        Die Erwägungsgründe 2, 4, 6 und 8 der Richtlinie 2008/35 lauten:

„(2)      Das vor Inkrafttreten der Richtlinie 89/104/EWG in den Mitgliedstaaten geltende Markenrecht wies Unterschiede auf, durch die der freie Warenverkehr und der freie Dienstleistungsverkehr behindert und die Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt verfälscht werden konnten. Um das gute Funktionieren des Binnenmarkts sicherzustellen, war daher eine Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erforderlich.

(4)      Es erscheint nicht notwendig, die Markenrechte der Mitgliedstaaten vollständig anzugleichen. Es ist ausreichend, wenn sich die Angleichung auf diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften beschränkt, die sich am unmittelbarsten auf das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken.

(6)      Den Mitgliedstaaten sollte es weiterhin freistehen, Verfahrensbestimmungen für die Eintragung, den Verfall oder die Ungültigkeit der durch Eintragung erworbenen Marken zu erlassen. Es steht ihnen beispielsweise zu, die Form der Verfahren für die Eintragung und die Ungültigerklärung festzulegen, zu bestimmen, ob ältere Rechte im Eintragungsverfahren oder im Verfahren zur Ungültigerklärung oder in beiden Verfahren geltend gemacht werden müssen, und — wenn ältere Rechte im Eintragungsverfahren geltend gemacht werden dürfen — ein Widerspruchsverfahren oder eine Prüfung von Amts wegen oder beides vorzusehen. Die Mitgliedstaaten sollen weiterhin festlegen können, welche Rechtswirkung dem Verfall oder der Ungültigerklärung einer Marke zukommt.

(8)      Die Verwirklichung der mit der Angleichung verfolgten Ziele setzt voraus, dass für den Erwerb und die Aufrechterhaltung einer eingetragenen Marke in allen Mitgliedstaaten grundsätzlich gleiche Bedingungen gelten. Zu diesem Zweck muss eine Beispielliste der Zeichen erstellt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, und die somit eine Marke darstellen können. Die Eintragungshindernisse und Ungültigkeitsgründe betreffend die Marke selbst, wie fehlende Unterscheidungskraft, oder betreffend Kollisionen der Marke mit älteren Rechten sollten erschöpfend aufgeführt werden, selbst wenn einige dieser Gründe für die Mitgliedstaaten fakultativ aufgeführt sind und es diesen folglich freisteht, die betreffenden Gründe in ihren Rechtsvorschriften beizubehalten oder dort aufzunehmen. Die Mitgliedstaaten sollten in ihrem Recht Eintragungshindernisse oder Ungültigkeitsgründe beibehalten oder einführen können, die an die Bedingungen des Erwerbs oder der Aufrechterhaltung der Marke gebunden sind, für die keine Angleichungsbestimmungen bestehen und die sich beispielsweise auf die Markeninhaberschaft, auf die Verlängerung der Marke, auf die Vorschriften über die Gebühren oder auf die Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften beziehen.“

5        Art. 4 („Weitere Eintragungshindernisse oder Ungültigkeitsgründe bei Kollision mit älteren Rechten“) Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat kann zudem vorsehen, dass eine Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist oder im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung unterliegt, wenn und soweit

g)      die Marke mit einer Marke verwechselt werden kann, die zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung im Ausland benutzt wurde und weiterhin dort benutzt wird, wenn der Anmelder die Anmeldung bösgläubig eingereicht hat.“

6        Der Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 ist identisch mit der entsprechenden Bestimmung der Richtlinie 89/104. Die Erwägungsgründe 2, 4, 6 und 8 der Richtlinie 2008/95 entsprechen im Kern den Erwägungsgründen 1, 3, 5 und 7 der Richtlinie 89/104.

 Dänisches Recht

7        § 15 Abs. 3 Nr. 3 des Markengesetzes in der Fassung des konsolidierten Gesetzes Nr. 109 vom 24. Januar 2012 und in seinem gegenwärtigen Wortlaut eingeführt durch § 1 Nr. 3 des Gesetzes Nr. 1201 vom 27. Dezember 1996 bestimmt:

„Eine Marke ist auch von der Eintragung ausgeschlossen, wenn

(3)      sie mit einer Marke identisch ist oder sich nur unwesentlich von einer Marke unterscheidet, die zum Zeitpunkt des für die Anmeldung, gegebenenfalls zum Zeitpunkt des für die Anmeldung in Anspruch genommenen Zeitvorrangs, im Ausland benutzt wurde oder dort fortwährend für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die von derselben oder ähnlicher Art sind wie diejenigen, für die die jüngere Marke angemeldet ist, und wenn der Anmelder zum Zeitpunkt der Anmeldung die ausländische Marke kannte oder kennen musste.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

8        1965 erwirkte Yakult in Japan die Eintragung einer Plastikflasche für ein Milchgetränk als Muster oder Modell, die später in Japan und in mehreren anderen Ländern, zu denen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gehören, als Marke eingetragen wurde.

9        Malaysia Dairy erzeugt und verkauft seit 1977 ein Milchgetränk in einer Plastikflasche. Aufgrund eines 1980 gestellten Antrags erwirkte Malaysia Dairy die Eintragung einer ähnlichen Plastikflasche als Marke u. a. in Malaysia.

10      1993 schlossen Malaysia Dairy und Yakult eine Vergleichsvereinbarung, die die gegenseitigen Rechte und Pflichten in Bezug auf die Verwendung und Eintragung ihrer jeweiligen Flaschen in einer Reihe von Ländern festlegte.

11      Aufgrund einer Anmeldung von 1995 erwirkte Malaysia Dairy die Eintragung ihrer Plastikflasche in Dänemark als dreidimensionale Marke.

12      Am 16. Oktober 2000 legte Yakult Widerspruch gegen diese Eintragung mit der Begründung ein, dass Malaysia Dairy zum Zeitpunkt der Anmeldung im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 3 des Markengesetzes die identischen älteren Marken von Yakult im Ausland gekannt habe oder hätte kennen müssen. Mit Entscheidung vom 14. Juni 2005 wies die Patent- og Varemærkestyrelse (dänisches Patent- und Markenamt) den Widerspruch von Yakult u. a. mit der Begründung zurück, da Malaysia Dairy über eine eingetragene Marke in Malaysia verfüge, die sie anschließend in Dänemark angemeldet habe, reiche allein der Umstand, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung Kenntnis von der ausländischen Marke von Yakult gehabt habe, nicht für die Darlegung ihrer Bösgläubigkeit aus.

13      Yakult legte gegen diese Entscheidung beim Beschwerdeausschuss Beschwerde ein, der mit Entscheidung vom 16. Oktober 2006 die Markeneintragung für Malaysia Dairy aufhob. Der Beschwerdeausschuss war insbesondere der Ansicht, dass § 15 Abs. 3 Nr. 3 des Markengesetzes dahin auszulegen sei, dass das Kennen oder Kennenmüssen einer im Ausland benutzten Marke im Sinne dieser Bestimmung für die Annahme der Bösgläubigkeit des Anmelders einer Marke (im Folgenden: Anmelder) genüge, selbst wenn unterstellt werden könne, dass dieser zuvor eine Eintragung der angemeldeten Marke in einem anderen Land erwirkt habe.

14      Malaysia Dairy erhob gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses Klage beim Sø- og Handelsret (See- und Handelsgericht), das mit Urteil vom 22. Oktober 2009 die Entscheidung des Beschwerdeausschusses u. a. mit der Begründung bestätigte, es sei unbestritten, dass Malaysia Dairy von der älteren Marke von Yakult bei ihrer Anmeldung in Dänemark Kenntnis gehabt habe.

15      Malaysia Dairy legte am 4. November 2009 gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Højesteret ein.

16      Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts besteht Streit zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens zum einen über die Frage, ob der Begriff „bösgläubig“ im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 im Unionsrecht einheitlich auszulegen sei, und zum anderen, ob es für die Annahme der Bösgläubigkeit des Anmelders im Sinne dieser Bestimmung genüge, dass er die ausländische Marke kannte oder hätte kennen müssen.

17      Unter diesen Umständen hat das Højesteret das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist der Begriff „bösgläubig“ in Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 ein allgemeiner Rechtsbegriff, der im Einklang mit nationalem Recht ausgefüllt werden kann, oder handelt es sich um einen unionsrechtlichen Begriff, der in der gesamten Union einheitlich auszulegen ist?

2.      Ist, wenn der Begriff „bösgläubig“ in Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 ein unionsrechtlicher Begriff ist, dieser Begriff so zu verstehen, dass es ausreichend sein kann, dass der Anmelder zum Zeitpunkt der Anmeldung die ausländische Marke kannte oder hätte kennen müssen, oder werden für die Ablehnung der Eintragung weitere Anforderungen in subjektiver Hinsicht an den Anmelder gestellt?

3.      Steht es einem Mitgliedstaat frei, einen besonderen Schutz ausländischer Marken einzuführen, der sich in Bezug auf das Erfordernis der Bösgläubigkeit dadurch von Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 unterscheidet, dass beispielsweise das zusätzliche Erfordernis aufgestellt wird, dass der Anmelder die ausländische Marke kannte oder hätte kennen müssen?

 Zu den Vorlagefragen

18      Das Vorabentscheidungsersuchen nimmt Bezug auf die Richtlinie 2008/85. Es erweist sich jedoch, dass sich ein Teil des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 2008/95 am 28. November 2008 abgespielt hat.

19      Die auf die Vorlagefragen zu erteilende Antwort würde jedoch die gleiche bleiben, auch wenn der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens von der Richtlinie 89/104 erfasst würde, da deren Art. 4 Abs. 4 Buchst. g identisch mit der entsprechenden Bestimmung der Richtlinie 2008/95 ist und der Inhalt der betreffenden Erwägungsgründe dieser beiden Richtlinien im Kern der gleiche ist.

 Zur ersten Frage

20      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „bösgläubig“ im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 ein Begriff des Unionsrechts ist, der einer einheitlichen Auslegung bedarf.

21      Malaysia Dairy, die italienische Regierung und die Europäische Kommission vertreten in ihren Erklärungen die Ansicht, es handele sich um einen eigenständigen Begriff des Unionsrechts, der in den verschiedenen unionsrechtlichen Regelungen, die die Marken zum Gegenstand hätten, einheitlich auszulegen sei.

22      Yakult und die dänische Regierung nehmen an, dass die Mitgliedstaaten, da es sich um einen Begriff handele, der von der Richtlinie 2008/95 nicht genau definiert werde, grundsätzlich berechtigt seien, dessen Inhalt unter Beachtung der Zielsetzung dieser Richtlinie und im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genauer zu bestimmen.

23      Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 2008/95 in ihren Art. 3 und 4 die absoluten oder relativen Gründe aufführt, aus denen eine Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist oder im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung unterliegt. Einige von diesen Gründen sind als für die Mitgliedstaaten fakultativ aufgeführt, denen es, wie es im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/95 heißt, „folglich freisteht, die betreffenden Gründe in ihren Rechtsvorschriften beizubehalten oder dort aufzunehmen“.

24      Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 enthält ein solches fakultatives Eintragungshindernis bzw. einen solchen fakultativen Ungültigkeitsgrund.

25      Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Kontextes der Bestimmung und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (vgl. u. a. Urteil vom 22. September 2011, Budějovický Budvar, C‑482/09, Slg. 2011, I‑8701, Randnr. 29).

26      Es steht fest, dass Art. 4 Absatz 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 keine Definition des Begriffs „bösgläubig“ enthält und dass dieser Begriff auch in den anderen Artikeln dieser Richtlinie nicht definiert wird. Außerdem enthält diese Bestimmung keinen ausdrücklichen Verweis auf das Recht der Mitgliedstaaten in Bezug auf diesen Begriff. Daher sind Sinn und Bedeutung dieses Begriffs unter Berücksichtigung des Kontextes der fraglichen Bestimmung der Richtlinie 2008/95 und des mit dieser verfolgten Ziels zu bestimmen.

27      Was Zweck und Ziel der Richtlinie 2008/95 betrifft, erscheint es zwar nach dem vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie nicht notwendig, die Markenrechte der Mitgliedstaaten vollständig anzugleichen, jedoch enthält diese Richtlinie eine Harmonisierung der zentralen Sachvorschriften auf diesem Gebiet, nämlich, wie es in diesem Erwägungsgrund heißt, derjenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die sich am unmittelbarsten auf das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken; eine umfassende Harmonisierung dieser Rechtsvorschriften schließt dieser Erwägungsgrund nicht aus (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 1998, Silhouette International Schmied, C‑355/96, Slg. 1998, I‑4799, Randnr. 23, und Budějovický Budvar, Randnr. 30).

28      Ferner ist der fakultative Charakter einer Bestimmung der Richtlinie 2008/95 ohne Einfluss auf die Frage, ob diese Bestimmung einheitlich auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Oktober 2003, Adidas-Salomon und Adidas Benelux, C‑408/01, Slg. 2003, I‑12537, Randnrn. 18 bis 21).

29      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „bösgläubig“ im Sinne dieser Bestimmung einen eigenständigen Begriff des Unionsrechts darstellt, der in der Union einheitlich auszulegen ist.

 Zur zweiten Frage

30      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird, wissen, ob es für die Annahme der Bösgläubigkeit des Anmelders genügt, dass dieser zum Zeitpunkt seiner Anmeldung eine im Ausland genutzte Marke, die mit der Anmeldemarke verwechselt werden kann, kannte oder hätte kennen müssen, oder ob weitere bei ihm vorliegende subjektive Anforderungen berücksichtigt werden müssen.

31      In ihren Ausführungen vertreten Malaysia Dairy, die italienische Regierung und die Kommission im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung des erwähnten Begriffs im Kontext der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) die Ansicht, dass eine Gesamtbewertung sämtlicher Umstände der Rechtssache vorgenommen werden müsse und dabei nicht nur die objektive Kenntnis des Anmelders von einer ausländischen Marke zugrunde gelegt werden dürfe, sondern auch seine subjektive Absicht bei seiner Anmeldung berücksichtigt werden müsse.

32      Die dänische Regierung und Yakult führen aus, dass der Begriff „bösgläubig“ in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Kontext der Verordnung Nr. 40/94 nicht auf die Richtlinie 2008/95 übertragbar sei. Der Begriff „bösgläubig“ im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 sei dahin zu verstehen, dass es für die Annahme der Bösgläubigkeit des Anmelders genügen könne, wenn er die ausländische Marke zum Zeitpunkt seiner Anmeldung gekannt habe oder hätte kennen müssen. Das Erfordernis der Vorhersehbarkeit des Rechts und einer ordnungsgemäßen Verwaltung sprächen für eine solche Auslegung.

33      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Gemeinschaftsregelung für Marken ein autonomes System, das aus einer Gesamtheit von Vorschriften besteht und Zielsetzungen verfolgt, die ihm eigen sind, und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist (vgl. Urteil Budějovický Budvar, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Der Begriff „bösgläubig“ findet sich in Art. 51 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94, wonach die Gemeinschaftsmarke für nichtig erklärt wird, „wenn der Anmelder bei der Anmeldung der Marke bösgläubig war“. Diese Bestimmung wurde in identischer Form in Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) übernommen, die die Verordnung Nr. 40/94 aufgehoben und ersetzt hat.

35      Die Verordnung Nr. 207/2009, die das Markenrecht der Union durch die Schaffung eines Gemeinschaftssystems für Marken ergänzt, verfolgt den gleichen Zweck wie die Richtlinie 2008/95, nämlich die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts. In Anbetracht der Notwendigkeit eines harmonisierten Zusammenspiels der beiden Markensysteme, des Gemeinschaftssystems und der nationalen Systeme, ist der Begriff „bösgläubig“ im Sinne von Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinien 2008/95 in gleicher Weise wie im Kontext der Verordnung Nr. 207/2009 auszulegen. Eine solche Vorgehensweise gewährleistet eine kohärente Anwendung der verschiedenen Bestimmungen, die in der Rechtsordnung der Union die Marken zum Gegenstand haben.

36      Aus der Rechtsprechung zur Auslegung dieses Begriffs im Kontext dieser Verordnung ergibt sich, dass die Bösgläubigkeit umfassend zu beurteilen ist, wobei alle im vorliegenden Fall erheblichen Faktoren zu berücksichtigen sind, die zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung vorlagen, wie u. a., dass der Anmelder wusste oder wissen musste, dass ein Dritter ein gleiches oder ähnliches Zeichen für ein gleiches oder ähnliches Erzeugnis benutzt. Jedoch genügt der Umstand, dass der Anmelder einer Marke weiß oder wissen muss, dass ein Dritter ein solches Zeichen benutzt, allein noch nicht für die Bejahung der Bösgläubigkeit dieses Anmelders. Es ist auch die Absicht des Anmelders zum Zeitpunkt seiner Anmeldung zu berücksichtigen, die ein subjektives Tatbestandsmerkmal ist, das anhand der objektiven Fallumstände bestimmt werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2009, Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, C‑529/07, Slg. 2009, I‑4893, Randnrn. 37 und 40 bis 42).

37      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass für die Feststellung der Bösgläubigkeit des Anmelders im Sinne dieser Bestimmung alle maßgeblichen Umstände des konkreten Falls, die zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung vorlagen, zu berücksichtigen sind. Der Umstand, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter eine Marke im Ausland, die mit der Anmeldemarke verwechselt werden kann, zum Zeitpunkt der Einreichung seiner Anmeldung benutzt, genügt allein noch nicht für die Bejahung der Bösgläubigkeit des Anmelders im Sinne dieser Bestimmung.

 Zur dritten Frage

38      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass er die Mitgliedstaaten ermächtigt, einen besonderen Schutz ausländischer Marken einzuführen, der sich darauf stützt, dass der Anmelder eine ausländische Marke kannte oder kennen musste.

39      Malaysia Dairy, die italienische Regierung und die Kommission sind der Ansicht, dass der Ermessensspielraum, über den die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung der in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2008/95 als fakultativ aufgeführten Eintragungshindernisse oder Ungültigkeitsgründe verfügten, darauf beschränkt sei, die betreffenden Gründe in ihren Regelungen beizubehalten oder einzuführen, und es ihnen nicht erlaube, zusätzliche Gründe hinzuzufügen.

40      Yakult und die dänische Regierung machen dagegen geltend, da sich die auf Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 beruhenden einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften nicht am unmittelbarsten auf den Binnenmarkt auswirkten, nehme diese Bestimmung keine vollständige Harmonisierung vor.

41      Zwar wurden die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2008/95 aufgezählten Gründe vom Unionsgesetzgeber als fakultativ aufgeführt, doch bleibt der den Mitgliedstaaten belassene Ermessensspielraum auf die Frage beschränkt, ob dieser Grund so, wie er vom Gesetzgeber spezifisch eingegrenzt worden ist, in das nationale Recht eingeführt wird oder nicht (vgl. entsprechend zu Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104, Urteil Adidas-Salomon und Adidas Benelux, Randnrn. 18 bis 20).

42      Die Richtlinie 2008/95 untersagt es den Mitgliedstaaten, andere Eintragungshindernisse oder Ungültigkeitsgründe als die in der Richtlinie aufgeführten einzuführen, was durch ihren achten Erwägungsgrund bestätigt wird, wonach die Eintragungshindernisse oder Ungültigkeitsgründe, die die Marke selbst betreffen, beispielsweise die Konflikte zwischen der Marke und älteren Rechten, abschließend aufgeführt werden müssen, selbst wenn einige dieser Gründe als für die Mitgliedstaaten fakultativ aufgeführt sind, die daher die betreffenden Gründe in ihrem Recht beibehalten oder einführen dürfen.

43      Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass er die Mitgliedstaaten nicht ermächtigt, eine besondere Schutzregelung für ausländische Marken einzuführen, die sich von der durch diese Bestimmung aufgestellten unterscheidet und darauf beruht, dass der Anmelder eine ausländische Marke kannte oder hätte kennen müssen.

 Kosten

44      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass der Begriff „bösgläubig“ im Sinne dieser Bestimmung einen selbständigen Begriff des Unionsrechts darstellt, der in der Europäischen Union einheitlich auszulegen ist.

2.      Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass für die Feststellung der Bösgläubigkeit des Anmelders einer Marke im Sinne dieser Bestimmung alle maßgeblichen Umstände des konkreten Falles, die zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung vorlagen, zu berücksichtigen sind. Der Umstand, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter eine Marke im Ausland, die mit der Anmeldemarke verwechselt werden kann, zum Zeitpunkt der Einreichung seiner Anmeldung benutzt, genügt allein noch nicht für die Bejahung der Bösgläubigkeit des Anmelders im Sinne dieser Bestimmung.

3.      Art. 4 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten nicht ermächtigt, eine besondere Schutzregelung für ausländische Marken einzuführen, die sich von der durch diese Bestimmung aufgestellten unterscheidet und darauf beruht, dass der Anmelder einer Marke eine ausländische Marke kannte oder hätte kennen müssen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Dänisch.