Language of document : ECLI:EU:C:2009:119

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

3. März 2009(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Verstoß gegen Art. 307 Abs. 2 EG – Nichtergreifung geeigneter Maßnahmen zur Behebung der Unvereinbarkeiten zwischen den vor dem Beitritt des Mitgliedstaats zur Europäischen Union mit Drittstaaten geschlossenen bilateralen Abkommen und dem EG-Vertrag – Bilaterale Investitionsabkommen des Königreichs Schweden mit der Argentinischen Republik, der Republik Bolivien, der Republik Côte d’Ivoire, der Arabischen Republik Ägypten, Hong Kong, der Republik Indonesien, der Volksrepublik China, der Republik Madagaskar, Malaysia, der Islamischen Republik Pakistan, der Republik Peru, der Republik Senegal, der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, der Tunesischen Republik, der Sozialistischen Republik Vietnam, der Republik Jemen und der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien“

In der Rechtssache C‑249/06

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 29. Mai 2006,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Tufvesson, B. Martenczuk und H. Støvlbæk

Klägerin,

gegen

Königreich Schweden, vertreten durch A. Falk und K. Wistrand als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Republik Litauen, vertreten durch D. Kriaučiūnas als Bevollmächtigten,

Republik Ungarn, vertreten durch J. Fazekas, K. Szíjjártó und M. Fehér als Bevollmächtigte,

Republik Finnland, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski und J. Heliskoski als Bevollmächtigte,

Streithelferinnen,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts, M. Ilešič, A. Ó Caoimh und J.-C. Bonichot (Berichterstatter) sowie der Richter G. Arestis, A. Borg Barthet, J. Malenovský, U. Lõhmus und E. Levits,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2008,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juli 2008

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Schweden dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 307 Abs. 2 EG verstoßen hat, dass es nicht die geeigneten Mittel angewandt hat, um Unvereinbarkeiten in Bezug auf die Bestimmungen über den Transfer von Kapital zu beheben, die in den Investitionsabkommen mit der Argentinischen Republik, der Republik Bolivien, der Republik Côte d’Ivoire, der Arabischen Republik Ägypten, Hong Kong, der Republik Indonesien, der Volksrepublik China, der Republik Madagaskar, Malaysia, der Islamischen Republik Pakistan, der Republik Peru, der Republik Senegal, der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, der Tunesischen Republik, der Sozialistischen Republik Vietnam, der Republik Jemen und der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien enthalten sind.

 Rechtlicher Rahmen

2        Das Königreich Schweden schloss vor seinem Beitritt zur Europäischen Union im Sveriges internationella överenskommelser (im Folgenden: SÖ) veröffentlichte bilaterale Investitionsabkommen mit der Argentinischen Republik (in Kraft getreten am 28. September 1992 [SÖ 1992:91]), der Republik Bolivien (in Kraft getreten am 3. Juli 1992 [SÖ 1992:19]), der Republik Côte d’Ivoire (in Kraft getreten am 3. November 1966 [SÖ 1966:31]), der Arabischen Republik Ägypten (in Kraft getreten am 29. Januar 1979 [SÖ 1979:1]), Hong Kong (in Kraft getreten am 26. Juni 1994 (SÖ 1994:19]), der Republik Indonesien (in Kraft getreten am 18. Februar 1993 [SÖ 1993:68]), der Volksrepublik China (in Kraft getreten am 29. März 1982 [SÖ 1982:28]), der Republik Madagaskar (in Kraft getreten am 23. Juni 1967 [SÖ 1967:33]), Malaysia (in Kraft getreten am 6. Juli 1979 [SÖ 1979:17]), der Islamischen Republik Pakistan (in Kraft getreten am 14. Juni 1981 [SÖ 1981:8]), der Republik Peru (in Kraft getreten am 1. August 1994 [SÖ 1994:22]), der Republik Senegal (in Kraft getreten am 23. Februar 1968 [SÖ 1968:22]), der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka (in Kraft getreten am 30. April 1982 [SÖ 1982:16]), der Tunesischen Republik (in Kraft getreten am 13. Mai 1985 [SÖ 1985:25]), der Sozialistischen Republik Vietnam (in Kraft getreten am 2. August 1994 [SÖ 1994:69]), der Republik Jemen (in Kraft getreten am 23. Februar 1984 [SÖ 1983:110]) und der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (in Kraft getreten am 21. November 1979 [SÖ 1979:29]).

3        Diese Abkommen enthalten eine Klausel, der zufolge jede Vertragspartei Investoren der anderen Vertragspartei ohne ungebührliche Verzögerung den freien Transfer in frei konvertierbarer Währung der im Zusammenhang mit einer Investition stehenden Zahlungen gewährleistet.

 Vorverfahren

4        Da die Kommission der Auffassung war, dass diese bilateralen Abkommen die Anwendung von Beschränkungen des Kapital‑ und Zahlungsverkehrs, die der Rat der Europäischen Union nach den Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG erlassen kann, vereiteln können, richtete sie am 12. Mai 2004 an das Königreich Schweden ein Aufforderungsschreiben.

5        Mit Schreiben vom 12. Juli 2004 übermittelte das Königreich Schweden der Kommission seine Stellungnahme zu dem Aufforderungsschreiben. Es erklärte, dass die streitigen Bestimmungen der fraglichen Investitionsabkommen der Beachtung seiner Verpflichtungen aus den Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 EG nicht entgegenstünden.

6        Da die Kommission der Ansicht war, dass die vom Königreich Schweden vorgetragenen Argumente unzureichend seien und dass es entgegen Art. 307 Abs. 2 EG versäumt habe, die geeigneten Mittel zur Behebung der Unvereinbarkeiten in Bezug auf die Transferbestimmungen in den verschiedenen fraglichen Investitionsabkommen anzuwenden, übersandte sie ihm am 21. März 2005 eine mit Gründen versehene Stellungnahme.

7        Mit Schreiben vom 19. Mai 2005 übermittelte das Königreich Schweden der Kommission seine Stellungnahme in Beantwortung der genannten mit Gründen versehenen Stellungnahme. Sie erhielt die in ihrer Stellungnahme zum Aufforderungsschreiben dargelegten Argumente aufrecht.

8        Die Kommission war der Meinung, dass diese Argumente ihre Rügen in der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht entkräften könnten, und hat daher die vorliegende Klage erhoben.

 Zur Klage

 Zum Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

9        Mit Schreiben vom 18. Juli 2008 hat das Königreich Schweden die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß Art. 61 der Verfahrensordnung beantragt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung unzulässigerweise eine neue Rüge vorgebracht habe und dass infolgedessen der Generalanwalt seine Schlussanträge auf Tatsachen und Argumente gestützt habe, die die Parteien nicht sachgerecht hätten erörtern können.

10      Die Kommission habe nämlich erstmals vorgetragen, dass die unveränderte Beibehaltung der fraglichen bilateralen Investitionsabkommen mit Art. 10 EG unvereinbar sei.

11      Der Generalanwalt habe daraufhin in den Nrn. 33 bis 43 und 71 seiner Schlussanträge dem Gerichtshof vorgeschlagen, die Feststellung der behaupteten Vertragsverletzung auf Art. 10 EG in Verbindung mit den Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG zu stützen.

12      Insoweit ist zum einen daran zu erinnern, dass der Gerichtshof nach Art. 61 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auf Antrag der Parteien die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (vgl. Urteile vom 14. Dezember 2004, Swedish Match, C‑210/03, Slg. 2004, I‑11893, Randnr. 25, und vom 14. September 2006, Stichting Zuid-Hollandse Milieufederatie, C‑138/05, Slg. 2006, I‑8339, Randnr. 23; Beschluss vom 4. Februar 2000, Emesa Sugar, C‑17/98, Slg. 2000, I‑665, Randnr. 18).

13      Zum anderen hat der Generalanwalt nach Art. 222 Abs. 2 EG öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen zu stellen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs seine Mitwirkung erforderlich ist. Da die Schlussanträge des Generalanwalts oder ihre Begründung den Gerichtshof nicht binden, ist es nicht unerlässlich, die mündliche Verhandlung jedes Mal nach Art. 61 der Verfahrensordnung wiederzueröffnen, wenn der Generalanwalt einen rechtlichen Gesichtspunkt aufwirft, der zwischen den Parteien nicht erörtert worden ist.

14      Da sich der Gerichtshof im vorliegenden Fall für ausreichend unterrichtet hält, um über die Rechtssache zu entscheiden, und hierfür kein Vorbringen erheblich ist, das zwischen den Parteien, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, nicht erörtert worden wäre, ist dem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht stattzugeben.

 Zur Unvereinbarkeit der Investitionsabkommen mit dem EG-Vertrag

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

15      Die Kommission meint, dem Königreich Schweden könne die Einhaltung seiner gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen dadurch erschwert, ja unmöglich gemacht werden, dass keinerlei Bestimmung in den fraglichen Abkommen ihm ausdrücklich die Möglichkeit vorbehalte, die gegebenenfalls vom Rat auf der Grundlage der Art. 57 EG, 59 EG und 60 EG beschlossenen Maßnahmen anzuwenden. Da das Königreich Schweden nicht die geeigneten Mittel zur Behebung dieser Unvereinbarkeit angewandt habe, habe es gegen seine Verpflichtungen aus Art. 307 Abs. 2 EG verstoßen.

16      Die Kommission führt aus, dass im Fall eines Erlasses von Beschränkungen des Kapital‑ und Zahlungsverkehrs durch den Rat der für die Kündigung oder Neuverhandlung der fraglichen Abkommen erforderliche Zeitraum dazu führen würde, dass das Königreich Schweden völkerrechtlich verpflichtet wäre, in der Zwischenzeit weiterhin die fraglichen Abkommen einschließlich ihrer jeweiligen Transferklausel anzuwenden, was im Übrigen Art. 307 Abs. 1 EG entspräche. Das hätte zur Folge, dass die vom Rat erlassenen Maßnahmen in der Europäischen Gemeinschaft nicht einheitlich angewandt würden.

17      Das Königreich Schweden, das von der Republik Ungarn, der Republik Finnland und, in der mündlichen Verhandlung, der Republik Litauen als Streithelferinnen unterstützt worden ist, vertritt die Ansicht, dass die Kommission einen sich aus den streitigen Bestimmungen der fraglichen bilateralen Abkommen ergebenden Verstoß nur dadurch dartun könnte, dass sie belegte, dass das Königreich Schweden wegen der Investoren aus Drittländern in diesen Abkommen garantierten Rechte nicht die Möglichkeit hätte, die mittels des Gemeinschaftsrechts eingeführten konkreten restriktiven Maßnahmen durchzuführen.

18      Die Konstellation, auf die Art. 307 Abs. 2 EG abstelle, trete somit ausschließlich infolge des tatsächlichen Erlasses der nach den einschlägigen Bestimmungen zulässigen Maßnahmen und in Ermangelung oder bei fehlender Wirksamkeit von völkerrechtlichen Mitteln ein, mit denen in einem gegebenen Fall einer Unvereinbarkeit abgeholfen werden könne. Dann erst könne die Kommission im Hinblick auf einen bestimmten und benannten Gemeinschaftsrechtsakt eine Klage wegen Verstoßes gegen Art. 307 Abs. 2 EG erheben, indem sie sich auf eine konkrete restriktive Maßnahme, auf den tatsächlichen Widerspruch zwischen dieser und dem streitigen Abkommen und auf die Maßnahmen beziehe, die zur Beseitigung dieses Widerspruchs ergriffen oder nicht ergriffen worden seien.

19      Die Republik Ungarn und die Republik Finnland betonen die schwerwiegenden Folgen, die sich aus dem Standpunkt der Kommission ergeben könnten, der es ermöglichte, eine Vertragsverletzung nach Art. 307 Abs. 2 EG in all jenen Fällen festzustellen, in denen eine entweder vor Inkrafttreten des Vertrags oder vor dem Beitritt des betreffenden Mitgliedstaats geschlossene Übereinkunft mit einem Drittland auf einem Gebiet gelte, auf dem die Gemeinschaft noch nicht die ihr aufgrund des Vertrags zustehende Zuständigkeit ausgeübt habe, d. h. auf einem Gebiet, auf dem sie noch nicht gesetzgeberisch tätig geworden sei. Eine derartige Auslegung verliehe Art. 307 Abs. 2 EG eine grenzenlose Reichweite, was sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit als auch unter dem der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten zu beanstanden wäre, und zerstörte das mit Art. 307 Abs. 1 und 2 EG geschaffene Gleichgewicht.

20      Die künftige und etwaige Unvereinbarkeit einer mit einem Drittland geschlossenen Übereinkunft mit dem sekundären Gemeinschaftsrecht falle nicht in den Anwendungsbereich von Art. 307 EG und könnte gegebenenfalls nur dann festgestellt werden, wenn der Rat von seiner Befugnis auf diesem Gebiet tatsächlich Gebrauch machen würde.

21      Insoweit macht das Königreich Schweden geltend, dass gegenüber der Republik Côte d’Ivoire und der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien getroffene Maßnahmen zu Beschränkung des Kapitalverkehrs durch die Investitionsabkommen zwischen diesen Staaten und dem Königreich Schweden nicht gestört worden seien, was die Kommission im Übrigen nicht in Abrede stelle.

22      Die Republik Ungarn wirft außerdem die Frage nach den Folgen des Vorgehens der Kommission auf, da die Mitgliedstaaten etwa 1 000 bilaterale Investitionsabkommen mit Drittländern geschlossen hätten, die vergleichbare Transferklauseln enthielten, deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht von der Kommission niemals in Abrede gestellt worden sei.

23      Das Königreich Schweden, die Republik Litauen, die Republik Ungarn und die Republik Finnland sind der Ansicht, dass entgegen dem Vorbringen der Kommission die in den Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG genannten Schutzmaßnahmen nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen durchgeführt werden könnten, die beim Abschluss der fraglichen Übereinkünfte nicht vorhersehbar gewesen seien. So könne sich das Königreich Schweden auf den Grundsatz der clausula rebus sic stantibus berufen, um die Bestimmungen über den freien Transfer vorläufig auszusetzen, falls die Kommission auf der Grundlage dieser Vertragsbestimmungen Schutzmaßnahmen erlassen sollte.

24      Die Mitgliedstaaten, die Erklärungen abgegeben haben, machen geltend, dass die Kommission das Vorliegen der gerügten Vertragsverletzung nicht bewiesen habe und sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht auf Vermutungen stützen könne.

 Würdigung durch den Gerichtshof

25      Die verschiedenen streitigen Investitionsabkommen des Königreichs Schweden enthalten gleichartige Klauseln, die den freien Transfer der im Zusammenhang mit einer Investition stehenden Zahlungen in frei konvertierbarer Währung und ohne ungebührliche Verzögerung gewährleisten.

26      So werden insbesondere der freie Transfer von Geldmitteln für die Durchführung, Verwaltung und Erweiterung einer Investition, die freie Rückführung der Erträge aus den Investitionen sowie der freie Transfer der für die Rückzahlung von Darlehen erforderlichen Mittel und des Erlöses aus der Liquidation oder Veräußerung der Investitionen garantiert.

27      Diese Abkommen stehen insoweit im Einklang mit dem Wortlaut des Art. 56 Abs. 1 EG, wonach „alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten [sind]“, sowie des Art. 56 Abs. 2 EG, dem zufolge „alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten [sind]“, und sie liegen auf der Linie des mit diesem Artikel verfolgten Zieles.

28      Zwar verleihen die Bestimmungen des Vertrags, auf die die vorliegende Klage der Kommission abstellt, dem Rat die Befugnis, unter bestimmten Umständen den Kapital‑ und Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern zu beschränken, zu dem die unter die fraglichen Transferklauseln fallenden Bewegungen gehören.

29      Die fraglichen Bestimmungen in den Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG führen, um das allgemeine Interesse der Gemeinschaft zu schützen und es ihr zu ermöglichen, gegebenenfalls ihren internationalen Verpflichtungen und denen der Mitgliedstaaten nachzukommen, Ausnahmen vom Grundsatz des freien Kapital‑ und Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen und Drittländern ein.

30      Art. 57 Abs. 2 EG gestattet dem Rat, auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit bestimmte beschränkende Maßnahmen für den Kapitalverkehr u. a. im Zusammenhang mit Direktinvestitionen zu erlassen, die für Drittländer bestimmt sind oder aus solchen stammen. Stellen diese Maßnahmen für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit Drittländern „einen Rückschritt“ dar, bedürfen sie der Einstimmigkeit.

31      Durch Art. 59 EG wird der Rat ermächtigt, auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der Europäischen Zentralbank, falls Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern „das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion schwerwiegend stören oder zu stören drohen“, Schutzmaßnahmen unter der Bedingung zu treffen, dass diese unbedingt erforderlich sind und eine Geltungsdauer von „höchstens sechs Monaten“ haben.

32      Nach Art. 60 Abs. 1 EG kann der Rat zur Durchführung eines gemeinsamen Standpunkts oder einer gemeinsamen Aktion im Bereich der Gemeinsamen Außen‑ und Sicherheitspolitik auf Vorschlag der Kommission die „notwendigen Sofortmaßnahmen“ auf dem Gebiet des Kapital‑ und Zahlungsverkehrs ergreifen. Ein solches Handeln kann sich beispielsweise als erforderlich erweisen, um einen Beschluss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen durchzuführen.

33      Es steht fest, dass die fraglichen Abkommen keine Bestimmung enthalten, durch die solche seitens der Gemeinschaft möglichen Begrenzungen der Bewegungen von Geldmitteln im Zusammenhang mit Investitionen vorbehalten blieben. Somit ist zu prüfen, ob das Königreich Schweden aus diesem Grunde gehalten war, geeignete Mittel im Sinne des Art. 307 Abs. 2 EG anzuwenden.

34      Nach Art. 307 Abs. 1 EG werden die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die ein Mitgliedstaat vor dem Zeitpunkt seines Beitritts mit einem Drittstaat geschlossen hat, durch den Vertrag nicht berührt. Durch diese Bestimmung soll in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Völkerrechts klargestellt werden, dass die Geltung des Vertrags nicht die Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats berührt, die Rechte der Drittstaaten aus einer früheren Übereinkunft zu achten und seine Pflichten zu erfüllen (vgl. Urteile vom 14. Oktober 1980, Burgoa, 812/79, Slg. 1980, 2787, Randnr. 8, vom 4. Juli 2000, Kommission/Portugal, C 84/98, Slg. 2000, I‑5215, Randnr. 53, und vom 18. November 2003, Budĕjovický Budvar, C‑216/01, Slg. 2003, I‑13617, Randnrn. 144 und 145).

35      Art. 307 Abs. 2 EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle geeigneten Mittel anzuwenden, um die festgestellten Unvereinbarkeiten zwischen den vor ihrem Beitritt geschlossenen Übereinkünften und dem Gemeinschaftsrecht zu beheben. Erforderlichenfalls leisten nach dieser Vorschrift die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck einander Hilfe und nehmen gegebenenfalls eine gemeinsame Haltung ein.

36      Die Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG verleihen dem Rat eine Zuständigkeit, um in genau bestimmten Fällen den Kapital- und Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten zu beschränken.

37      Um die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmungen sicherzustellen, müssen die Maßnahmen zur Beschränkungen des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs, falls sie vom Rat erlassen werden, sofort gegenüber den Staaten anwendbar sein, die sie betreffen und zu denen die Staaten gehören können, die eines der fraglichen Abkommen mit dem Königreich Schweden unterzeichnet haben.

38      Folglich bringen diese Befugnisse des Rates, einseitig gegenüber Drittstaaten beschränkende Maßnahmen auf einem Gebiet zu erlassen, das mit dem durch ein früheres Abkommen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat geregelten übereinstimmt oder zusammenhängt, eine Unvereinbarkeit mit diesem Abkommen hervor, wenn zum einen dieses keine Bestimmung enthält, die dem betreffenden Mitgliedstaat die Ausübung seiner Rechte und Erfüllung seiner Pflichten als Mitglied der Gemeinschaft gestattet, und zum anderen auch kein völkerrechtlicher Mechanismus dies erlaubt.

39      Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Schweden erscheint jedoch durch die von ihm angeführten Maßnahmen, die ihm seiner Ansicht nach die Erfüllung seiner gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen erlauben, nicht gewährleistet, dass dies der Fall ist.

40      Erstens sind die durch jede internationale Verhandlung beanspruchten Zeiträume, die für eine Neuaushandlung der fraglichen Abkommen erforderlich wären, mit der praktischen Wirksamkeit dieser Maßnahmen naturgemäß unvereinbar.

41      Zweitens ist die Möglichkeit, sich anderer vom Völkerrecht zur Verfügung gestellter Mittel, wie der Aussetzung des Abkommens oder auch der Kündigung der fraglichen Abkommen oder bestimmter ihrer Klauseln, zu bedienen, in ihren Wirkungen zu ungewiss, um zu gewährleisten, dass die vom Rat ergriffenen Maßnahmen wirksam angewandt werden könnten.

42      Es steht fest, dass in den von der Kommission benannten Fällen das Königreich Schweden innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission gesetzten Frist gegenüber den betroffenen Drittstaaten keine Schritte einleitete, um die Gefahr eines im Verhältnis zu den Maßnahmen, die der Rat gemäß den Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG erlassen kann, eintretenden Konflikts auszuräumen, der sich aus der Anwendung der mit diesen Drittstaaten geschlossenen Investitionsabkommen ergeben kann.

43      Es ist hinzuzufügen, dass sich, wie aus dem heutigen Urteil in der Rechtssache Kommission/Österreich (C‑205/06, Slg. 2009, I‑0000) hervorgeht, die Unvereinbarkeiten mit dem Vertrag, die durch die Investitionsabkommen mit Drittstaaten bewirkt werden und die der Anwendung der Beschränkungen des Kapital‑ und Zahlungsverkehrs entgegenstehen, welche der Rat gemäß den Art. 57 Abs. 2 EG, 59 EG und 60 Abs. 1 EG erlassen kann, nicht auf den in der vorliegenden Rechtssache beklagten Mitgliedstaat beschränken.

44      Es ist deshalb darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 307 Abs. 2 EG die Mitgliedstaaten einander erforderlichenfalls Hilfe leisten, um die festgestellten Unvereinbarkeiten zu beheben, und gegebenenfalls eine gemeinsame Haltung einnehmen. Im Rahmen der die Kommission nach Art. 211 EG treffenden Verantwortung, für die Anwendung des Vertrags Sorge zu tragen, obliegt es ihr, jede Initiative zu ergreifen, die geeignet ist, die gegenseitige Hilfe der betroffenen Mitgliedstaaten sowie die Einnahme einer gemeinsamen Haltung durch diese Mitgliedstaaten zu erleichtern.

45      Nach alledem ist festzustellen, dass das Königreich Schweden dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 307 Abs. 2 EG verstoßen hat, dass es nicht die geeigneten Mittel angewandt hat, um Unvereinbarkeiten in Bezug auf die Bestimmungen über den Transfer von Kapital zu beheben, die in den Investitionsabkommen mit der Argentinischen Republik, der Republik Bolivien, der Republik Côte d’Ivoire, der Arabischen Republik Ägypten, Hong Kong, der Republik Indonesien, der Volksrepublik China, der Republik Madagaskar, Malaysia, der Islamischen Republik Pakistan, der Republik Peru, der Republik Senegal, der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, der Tunesischen Republik, der Sozialistischen Republik Vietnam, der Republik Jemen und der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien enthalten sind.

 Kosten

46      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Königreichs Schweden beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Gemäß § 4 Abs. 1 dieses Artikels tragen die Republik Litauen, die Republik Ungarn und die Republik Finnland, die dem Rechtsstreit als Streithelferinnen beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Königreich Schweden hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 307 Abs. 2 EG verstoßen, dass es nicht die geeigneten Mittel angewandt hat, um Unvereinbarkeiten in Bezug auf die Bestimmungen über den Transfer von Kapital zu beheben, die in den Investitionsabkommen mit der Argentinischen Republik, der Republik Bolivien, der Republik Côte d’Ivoire, der Arabischen Republik Ägypten, Hong Kong, der Republik Indonesien, der Volksrepublik China, der Republik Madagaskar, Malaysia, der Islamischen Republik Pakistan, der Republik Peru, der Republik Senegal, der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka, der Tunesischen Republik, der Sozialistischen Republik Vietnam, der Republik Jemen und der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien enthalten sind.

2.      Das Königreich Schweden trägt die Kosten.

3.      Die Republik Litauen, die Republik Ungarn und die Republik Finnland tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Schwedisch.