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Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Wien (Österreich) eingereicht am 3. Januar 2023 - FL und KM Baugesellschaft m.b.H. & Co. KG, S AG

(Rechtssache C-2/23, FL und KM Baugesellschaft et S)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Oberlandesgericht Wien

Parteien des Ausgangsverfahrens

Beschwerdeführerinnen: FL und KM Baugesellschaft m.b.H. & Co. KG, S AG

Andere Beteiligte: Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption

Vorlagefragen

Frage 1:

Sind die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Unionsrechts – insbesondere die Richtlinie 2014/104/EU1 und deren Artikel 6 Absätze 6 und 7 und Artikel 7 Absatz 1 sowie die Richtlinie 2019/1/EU2 und deren Artikel 31 Absatz 3 – dahingehend auszulegen, dass dem dort normierten Schutz von Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen sowie daraus gewonnenen Informationen absolute Wirkung zukommt, der auch gegenüber Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaften und Strafgerichten) gilt, so dass Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen im Strafverfahren nicht zum Akt genommen und als Basis für weitere Ermittlungen verwendet werden dürfen?

Frage 2:

Sind die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Unionsrechts – insbesondere die Richtlinie 2014/104 und deren Artikel 6 Absätze 6 und 7 und Artikel 7 Absatz 1 sowie die Richtlinie 2019/1 und deren Artikel 31 Absatz 3 – dahingehend auszulegen, dass der absolute Schutz von Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen (im Sinn von Frage 1) auch Dokumente und daraus gewonnene Informationen umfasst, die der Kronzeuge oder Vergleichsausführende zur Darlegung, zur Konkretisierung und zum Beweis des Inhalts der Kronzeugenerklärung oder Vergleichsausführung vorgelegt hat?

Frage 3:

Sind die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Unionsrechts – insbesondere die Richtlinie 2014/104 und deren Artikel 6 Absätze 6 und 7 und Artikel 7 Absatz 1 sowie die Richtlinie 2019/1 und deren Artikel 31 Absatz 3 – dahingehend auszulegen, dass dem dort normierten Schutz von Kronzeugenerklärungen, Vergleichsausführungen (und Dokumenten im Sinn von Frage 2) sowie daraus gewonnenen Informationen absolute Wirkung zukommt, der in einem Strafverfahren einerseits auch gegenüber Beschuldigten, bei denen es sich nicht um die Verfasser der jeweiligen Kronzeugenerklärung oder der Vergleichsausführung handelt, und andererseits gegenüber sonstigen Beteiligten des Strafverfahrens (insbesondere Geschädigten zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche) gilt, so dass Beschuldigten und Geschädigten keine Einsicht in Kronzeugenerklärungen, Vergleichsausführungen und die dazu vorgelegten Dokumente sowie in daraus gewonnene Informationen gewährt werden darf?

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1 Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl. 2014, L 349, S. 1).

1 Richtlinie (EU) 2019/1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts (ABl. 2019, L. 11, S. 3).