Language of document : ECLI:EU:T:2023:606

URTEIL DES GERICHTS (Zehnte Kammer)

4. Oktober 2023(*)

„Schutzmaßnahmen – Markt für Stahlerzeugnisse – Einfuhr bestimmter Stahlerzeugnisse – Durchführungsverordnung (EU) 2021/1029 – Nichtigkeitsklage – Rechtsschutzinteresse – Klagebefugnis – Zulässigkeit – Verlängerung einer Schutzmaßnahme – Notwendigkeit – Gefahr einer bedeutenden Schädigung – Anpassungsmaßnahmen – Interesse der Union – Offensichtlicher Beurteilungsfehler“

In der Rechtssache T‑598/21,

European Association of NonIntegrated Metal Importers & distributors (Euranimi) mit Sitz in Brüssel (Belgien), vertreten durch Rechtsanwälte M. Campa, D. Rovetta, P. Gjørtler und V. Villante,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Luengo und P. Němečková als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin O. Porchia sowie der Richter M. Jaeger (Berichterstatter) und P. Nihoul,

Kanzler: M. Zwozdziak-Carbonne, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere der Entscheidung vom 3. November 2021, mit der der Antrag der Klägerin auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren zurückgewiesen worden ist,

auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Klägerin, die European Association of Non‑Integrated Metal Importers & distributors (Euranimi), die Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1029 der Kommission vom 24. Juni 2021 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2019/159 der Kommission und zur Verlängerung der Schutzmaßnahme gegenüber den Einfuhren bestimmter Stahlerzeugnisse (ABl. 2021, L 225 I, S. 1, im Folgenden: angefochtene Verordnung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerin ist eine Vereinigung von Unternehmen der Europäischen Union, die die Interessen von Importeuren, Vertriebshändlern, Händlern und Verarbeitern im Hinblick auf nicht integrierten Stahl, rostfreien Stahl und Metallerzeugnisse vertritt.

3        Am 23. März 2018 führten die Vereinigten Staaten von Amerika gemäß Section 232 des Trade Expansion Act (Gesetz zur Förderung des Handels) Einfuhrzölle ein.

4        Angesichts der statistischen Daten, die nach der Einführung von Überwachungsmaßnahmen erhoben wurden, leitete die Europäische Kommission eine Schutzmaßnahmenuntersuchung ein, um die Lage bei mehreren Kategorien von Stahlerzeugnissen zu untersuchen.

5        Da die Kommission aus ihrer Analyse der Daten den vorläufigen Schluss zog, dass der Stahlindustrie der Union in Bezug auf 23 der 28 Warenkategorien, die Gegenstand der Schutzmaßnahmenuntersuchung waren, eine bedeutende Schädigung drohe, erließ sie die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1013 vom 17. Juli 2018 zur Einführung vorläufiger Schutzmaßnahmen betreffend die Einfuhren bestimmter Stahlerzeugnisse (ABl. 2018, L 181, S. 39).

6        Da die Kommission anschließend zu der Auffassung gelangte, dass der Stahlindustrie der Union in Bezug auf 26 Kategorien von Stahlerzeugnissen eine bedeutende Schädigung drohe, erließ sie die Durchführungsverordnung (EU) 2019/159 vom 31. Januar 2019 zur Einführung endgültiger Schutzmaßnahmen gegenüber den Einfuhren bestimmter Stahlerzeugnisse (ABl. 2019, L 31, S. 27). Mit dieser Durchführungsverordnung wurde für einen Zeitraum von drei Jahren mit einer Verlängerungsmöglichkeit auf bis zu acht Jahre eine endgültige Schutzmaßnahme in Form von kategorienspezifischen Zollkontingenten eingeführt, deren mengenmäßige Obergrenze auf die durchschnittliche Menge der Einfuhren aus den betroffenen Ländern im Zeitraum von 2015 bis 2017 zuzüglich 5 % festgesetzt wurde, um sicherzustellen, dass die traditionellen Handelsströme aufrechterhalten werden und die vorhandenen Verwender und die Einfuhrwirtschaft in der Union hinreichend geschützt sind. Der Satz des außerhalb der Kontingente geltenden Zolls, der im Rahmen der vorläufigen Schutzmaßnahme auf 25 % festgesetzt worden war, wurde mit der endgültigen Schutzmaßnahme bestätigt.

7        Im Gegensatz zu der im Rahmen der vorläufigen Schutzmaßnahme geltenden Regelung wurden mit der Durchführungsverordnung 2019/159 länderspezifische Kontingente für Länder mit einem starken Lieferinteresse festgelegt (d. h. für Länder mit einem Anteil von über 5 % der Einfuhren in Bezug auf die betroffene Warenkategorie). Zugleich wurde für die anderen Länder, die in das Gebiet der Union exportieren, ein „Rest-“ oder „globales“ Zollkontingent festgelegt. Die Kommission war ferner der Ansicht, dass ein Lieferland, wenn es sein spezifisches Zollkontingent ausgeschöpft habe, die Möglichkeit des Zugangs zum Restzollkontingent haben sollte, um die Aufrechterhaltung der traditionellen Handelsströme sicherzustellen, aber auch, um zu vermeiden, dass gegebenenfalls Teile des Restzollkontingents ungenutzt bleiben.

8        Vom Inkrafttreten der Durchführungsverordnung 2019/159 am 2. Februar 2019 bis zum 30. Juni 2021 wurde die Schutzmaßnahme regelmäßig überprüft und in regelmäßigen Abständen schrittweise liberalisiert, um die quantitativen Schwellenwerte nach und nach zu erhöhen, damit sich der Wirtschaftszweig der Union anpassen kann.

9        Anlässlich der in den Monaten September 2019 und Juni 2020 durchgeführten Überprüfungen nahm die Kommission Änderungen in der Verwaltung des Systems der Zollkontingente vor, um insbesondere die aktuellsten wirtschaftlichen Daten zu berücksichtigen.

10      Am 15. Januar 2021 ging bei der Kommission ein begründeter Antrag von zwölf EU-Mitgliedstaaten ein, gemäß Art. 19 der Verordnung (EU) 2015/478 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 über eine gemeinsame Einfuhrregelung (ABl. 2015, L 83, S. 16, im Folgenden: Grundverordnung über Schutzmaßnahmen) zu prüfen, ob die geltende Schutzmaßnahme verlängert werden sollte.

11      Am 26. Februar 2021 veröffentlichte die Kommission eine Einleitungsbekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union, mit der sie die interessierten Parteien dazu aufforderte, durch die Abgabe einer Stellungnahme und die Vorlage von entsprechenden Nachweisen an einer Untersuchung im Hinblick auf die mögliche Verlängerung der Schutzmaßnahme teilzunehmen.

12      Am 24. Juni 2021 erließ die Kommission die angefochtene Verordnung, mit der die Schutzmaßnahme um drei Jahre bis zum 30. Juni 2024 verlängert wurde, da sie der Ansicht war, dass zum einen eine Aufhebung der Schutzmaßnahme im Zusammenhang mit der Covid‑19-Pandemie wahrscheinlich zu einer plötzlichen Welle von Einfuhren führen würde, die die derzeit noch instabile finanzielle Lage der Stahlindustrie der Union ernsthaft verschlechtern würde, und zum anderen die Verwender in allen Warenkategorien die Möglichkeit gehabt hätten, ausreichend Stahl zollfrei aus mehreren Quellen zu beziehen, weil ungefähr elf Millionen Tonnen zollfreier Kontingente ungenutzt geblieben seien, was etwa 36 % der gesamten verfügbaren Zollkontingente betrage.

 Anträge der Parteien

13      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

14      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

15      Ohne förmlich die Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, macht die Kommission die Unzulässigkeit der vorliegenden Klage geltend, da die Klägerin weder ein Rechtsschutzinteresse habe noch klagebefugt sei. Die Klägerin hingegen beruft sich darauf, dass sie in Bezug auf die angefochtene Verordnung ein Rechtsschutzinteresse habe und klagebefugt sei.

 Zum Rechtsschutzinteresse

16      Die Kommission führt erstens aus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht nachgewiesen habe, dass sie die für das Rechtsschutzinteresse notwendigen Voraussetzungen erfülle.

17      Zunächst verhindere die angefochtene Verordnung die Einfuhren der betroffenen Kategorien von Stahlerzeugnissen in die Union nicht, da der Schutzzoll nur im Fall des Auftretens einer bedeutenden Schädigung aufgrund des Anstiegs der Einfuhren über die traditionellen Handelsströme hinaus Anwendung finde. In Bezug auf die Verpflichtung zur Zahlung des außerhalb der Kontingente geltenden Zolls in Höhe von 25 % sei das Interesse der Klägerin demnach hypothetisch.

18      Außerdem sei das Zollkontingent für die Kategorien von Erzeugnissen, die von den von der Klägerin vertretenen Unternehmen eingeführt würden, im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht erschöpft gewesen. Infolgedessen könne die Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung der Klägerin keinen Vorteil bringen, da diese Verordnung noch keine Rechtswirkungen auf sie oder ihre Mitglieder gehabt habe. Folglich habe die Klägerin weder ein bestehendes noch ein gegenwärtiges Rechtsschutzinteresse.

19      In diesem Zusammenhang trägt die Kommission vor, dass der Umstand, dass die Mitglieder der Klägerin das Bestehen von Zollkontingenten in ihren wirtschaftlichen Planungen berücksichtigten, nicht bedeute, dass ihre Rechtsstellung sich durch die angefochtene Verordnung geändert habe. Des Weiteren sei die Annahme, dass die Zollkontingente Wirkungen hervorriefen, vom Gericht bereits im Urteil vom 20. Oktober 2021, Novolipetsk Steel/Kommission (T‑790/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:706), zurückgewiesen worden. Außerdem zeige der Umstand, dass die Einfuhren konstant blieben – während die Höhe der nicht genutzten Zollkontingente ansteige –, dass die Schutzmaßnahme nicht die von der Klägerin angeführten nachteiligen Wirkungen auf die Handelsströme habe.

20      Schließlich werde den Importeuren durch den Umstand, dass die Einfuhren Zollkontingenten unterworfen seien, keine besondere Belastung auferlegt. Der Klägerin würde daher in dieser Hinsicht kein Vorteil aus der Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung entstehen.

21      Zweitens hebt die Kommission hervor, es sei im Hinblick auf die von ihr während des Anwendungszeitraums der Schutzmaßnahme regelmäßig durchgeführten Überprüfungen ungewiss, ob die angefochtene Verordnung zu einem gegebenen Zeitpunkt Rechtswirkungen auf die von den Mitgliedern der Klägerin eingeführten Erzeugnisse entfalten könne.

22      Drittens bedeute der Umstand, dass die Klägerin und ihre Mitglieder dann – und erst dann – ein Rechtsschutzinteresse hätten, wenn der außerhalb der Kontingente geltende Zoll in Höhe von 25 % zur Anwendung komme, nicht, dass kein wirksamer Rechtsbehelf existiere. Tatsächlich sei ihnen in dieser Situation die Möglichkeit eröffnet, die Erhebung der Abgabe durch die nationalen Zollbehörden vor den nationalen Gerichten anzufechten, wobei diese dann nach Art. 267 AEUV den Gerichtshof im Hinblick auf die Frage der Gültigkeit der angefochtenen Verordnung anrufen könnten.

23      Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

24      Nach ständiger Rechtsprechung ist das Rechtsschutzinteresse die wesentliche und erste Voraussetzung jeder Klage. Eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person ist somit nur zulässig, soweit die klagende Partei ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Das Rechtsschutzinteresse einer klagenden Partei setzt voraus, dass die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann, dass also die Klage der Partei, die sie erhoben hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann und dass diese ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung nachweist (vgl. Urteil vom 18. Mai 2022, Uzina Metalurgica Moldoveneasca/Kommission, T‑245/19, EU:T:2022:295, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Im vorliegenden Fall geht jedoch aus dem mit der angefochtenen Verordnung eingeführten Mechanismus hervor, dass die für die Einfuhr der betreffenden Erzeugnisse in die Union geltende rechtliche Regelung weniger günstig ist als diejenige, die ohne die Schutzmaßnahmen galt (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Mai 2022, Uzina Metalurgica Moldoveneasca/Kommission, T‑245/19, EU:T:2022:295, Rn. 33).

26      Folglich wäre die Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung durch eine für die Klägerin günstige Entscheidung als solche geeignet, Rechtswirkungen zu entfalten und der Klägerin im Ergebnis einen Vorteil zu verschaffen, so dass diese ein Rechtsschutzinteresse hat (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Mai 2022, Uzina Metalurgica Moldoveneasca/Kommission, T‑245/19, EU:T:2022:295, Rn. 34).

27      In dieser Hinsicht sehen die Erwägungsgründe 85 und 86 der angefochtenen Verordnung ein Überprüfungs- und Liberalisierungsverfahren hinsichtlich der Schutzmaßnahme vor (siehe in diesem Zusammenhang Rn. 8 oben). Dieses Verfahren zielt insbesondere darauf ab, eine offenere Einfuhrregelung zu ermöglichen, die folglich vorteilhaft für die Importeure ist. Die schrittweise Liberalisierung der Zollkontingente verändert die Rechtsstellung der Importeure. Eine Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung wäre folglich mit einer vollumfänglichen Liberalisierung dieser Kontingente vergleichbar. Es lässt sich somit nicht bestreiten, dass die Klägerin ein Interesse daran hat, dass diese Verordnung für nichtig erklärt wird, so dass sie ihre Tätigkeit in einem Rechtsrahmen ohne die Zwänge quantitativer Schwellenwerte ausüben kann.

28      Entgegen dem Vorbringen der Kommission (siehe Rn. 18 oben) war dieses Interesse des Weiteren am Tag der Klageerhebung sowohl bestehend als auch gegenwärtig. Aus dem ersten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ergibt sich nämlich, dass der eingeführte Schutzmaßnahmenmechanismus zwei Stufen umfasst, wobei die erste Stufe in der Einführung von Zollkontingenten und die zweite Stufe in der Anwendung eines zusätzlichen Zolls für Einfuhren besteht, wenn die festgesetzten quantitativen Schwellenwerte dieser Zollkontingente überschritten worden sind. Die zweite Stufe kommt zwar definitionsgemäß erst zeitversetzt zur ersten zum Tragen, die erste Stufe dagegen besteht zum Zeitpunkt der Anwendbarkeit der sie vorsehenden Verordnung, d. h. hier am 1. Juli 2021. Die Klägerin hat indessen ihre Klage am 20. September 2021 erhoben.

29      Außerdem ist das Rechtsschutzinteresse, das sich nach ständiger Rechtsprechung nicht auf eine zukünftige und hypothetische Situation beziehen kann und sich nicht aus reinen Hypothesen ergeben darf (vgl. Beschluss vom 28. September 2021, Airoldi Metalli/Kommission, T‑611/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:641, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung), im vorliegenden Fall, entgegen dem Vorbringen der Kommission (siehe Rn. 17 und 21 oben), bei der Klägerin sicher gegeben, da das Kontingentierungssystem nach Art. 2 der angefochtenen Verordnung zum Zeitpunkt der Anwendbarkeit der betreffenden Verordnung wirksam wird. Dazu ist festzustellen, dass das Argument der Kommission, das sich auf das Vorhandensein regelmäßiger Überprüfungen stützt (siehe Rn. 21 oben), insofern irrelevant ist, als die Situation zwischen den einzelnen Überprüfungen keinerlei Unsicherheit aufweist, was die Einführung eines Kontingents und somit die mit dem Kontingentierungssystem verbundenen Rechtswirkungen betrifft.

30      Der Standpunkt der Kommission, dass das Rechtsschutzinteresse erst am Tag der etwaigen, durch das Überschreiten der Schwellenwerte bedingten Erhebung des zusätzlichen Zolls vorliegen könne, scheint auf eine Vermischung der beiden oben in Rn. 28 genannten Stufen zurückzuführen zu sein. Das Interesse der Klägerin beschränkt sich nicht auf die Anfechtung der Erhebung des zusätzlichen Zolls, sondern erstreckt sich auch auf die Anfechtung der Kontingentierungsregelung, die durch ihr bloßes Bestehen die Rechtsstellung der Mitglieder der Klägerin geändert hat. Die Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung brächte folglich die Umkehr dieser Änderung mit sich, da sie die frühere Rechtsstellung der Mitglieder der Klägerin wiederherstellen würde, die vorteilhafter als die unter einem Kontingentierungssystem war, so dass sie ihnen, entgegen dem Vorbringen der Kommission (siehe Rn. 20 oben), einen Vorteil verschaffen würde.

31      In diesem Zusammenhang ist ein Vorbringen wie das der Kommission (siehe Rn. 19 oben) irrelevant, dass zum einen die Zollkontingente die früheren Einfuhrmengen aufrechterhielten und dass zum anderen die angefochtene Verordnung Einfuhren nicht verhindere, zumal die Zollkontingente nicht ausgeschöpft worden seien. Ohne näher auf die von der Klägerin in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Schwierigkeiten einzugehen, mit denen die Gründe für die fehlende Erschöpfung der Zollkontingente erläutert werden sollen, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass diese Überlegungen keine Wirkungen rechtlicher, sondern tatsächlicher Art betreffen, die gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt eintreten sollen.

32      Wenn das Rechtsschutzinteresse der Klägerin in Bezug auf die Anfechtung der Kontingentierungsregelung von der Erhebung eines zusätzlichen Zolls abhängig gemacht würde, könnte dies zudem dazu führen, die Klägerin zu verpflichten, Mengen oberhalb der quantitativen Schwellenwerte einzuführen, um die genannte Regelung anfechten zu können, und die für einen Importeur nachteilige Situation zu ignorieren, die die Anwendung einer solchen Regelung für sich genommen bedeutet.

33      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das oben in Rn. 19 wiedergegebene Vorbringen der Kommission, das in der mündlichen Verhandlung wiederholt wurde und mit dem dargetan werden soll, dass das Gericht im Urteil vom 20. Oktober 2021, Novolipetsk Steel/Kommission (T‑790/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:706), die Annahme zurückgewiesen habe, dass Zollkontingente Wirkungen entfalteten, irrelevant ist.

34      Erstens hat sich das Gericht im Urteil vom 20. Oktober 2021, Novolipetsk Steel/Kommission (T‑790/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:706), nicht zur Zulässigkeit der betreffenden Klage geäußert. Die Erwägungen, auf die sich die Kommission stützt, sind daher im Rahmen der Prüfung des Rechtsschutzinteresses der Klägerin im vorliegenden Verfahren irrelevant.

35      Zweitens hat das Gericht in der Rechtssache, in der das Urteil vom 20. Oktober 2021, Novolipetsk Steel/Kommission (T‑790/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:706), ergangen ist, ausgeführt, dass die Klägerin das Bestehen von Auswirkungen vor der Anwendung des außerhalb der Kontingente geltenden Zolls nicht rechtlich hinreichend dargetan habe. Diese Erkenntnis ist jedoch das Ergebnis einer Prüfung der Wirkungen von Zollkontingenten, die darauf abzielte, das Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers in der Analyse der Kommission festzustellen. In diesem Zusammenhang spielt das Ausmaß der Kontrolle des Gerichts eine wesentliche Rolle, was hingegen bei der Prüfung, die das Gericht im Hinblick auf die Überprüfung des Rechtsschutzinteresses eines Klägers durchzuführen hat, nicht der Fall ist.

36      Drittens müssen im Rahmen dieser Überprüfung die betreffenden Wirkungen rechtlicher Art sein, wie sich aus der oben in Rn. 24 angeführten Rechtsprechung ergibt. Die Prüfung des Gerichts im Urteil vom 20. Oktober 2021, Novolipetsk Steel/Kommission (T‑790/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:706), befasst sich indessen mit den Nachweisen, mit denen das Bestehen von hinreichend ausgeprägten Wirkungen vor der Erschöpfung der Zollkontingente gezeigt werden sollte. Dementsprechend basiert die Begründung des Gerichts auf statistischen Daten zu den Strömen und der Erklärung eines Importeurs, die das Bestehen von hinreichend ausgeprägten wirtschaftlichen Wirkungen belegen sollte, wie es die in jener Rechtssache relevante Gesetzgebung erforderte.

37      Die Einrede der Unzulässigkeit wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

 Zur Klagebefugnis

38      Nach ständiger Rechtsprechung sieht Art. 263 Abs. 4 AEUV zwei Fälle vor, in denen einer natürlichen oder juristischen Person die Befugnis zuerkannt wird, gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung Klage zu erheben. Zum einen kann eine derartige Klage erhoben werden, wenn diese Handlung die Person unmittelbar und individuell betrifft. Zum anderen kann eine solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft (vgl. Urteile vom 16. Mai 2019, Pebagua/Kommission, C‑204/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:425, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 18. Mai 2022, Uzina Metalurgica Moldoveneasca/Kommission, T‑245/19, EU:T:2022:295, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      In Anbetracht des Akteninhalts ist zunächst der zweite Fall zu untersuchen.

40      Einleitend ist festzuhalten, dass die Klägerin nach der Rechtsprechung als Vereinigung, die die Interessen von Importeuren, Vertriebshändlern, Händlern und Verarbeitern im Hinblick auf nicht integrierten Stahl, rostfreien Stahl und Metallerzeugnisse vertritt, nur dann zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage befugt ist, wenn sie ein eigenes Interesse geltend machen kann oder andernfalls die von ihr vertretenen Unternehmen oder einige davon individuell klagebefugt sind (Urteil vom 13. März 2018, European Union Copper Task Force/Kommission, C‑384/16 P, EU:C:2018:176, Rn. 87).

41      Im vorliegenden Fall ist die Klagebefugnis der Mitglieder der Klägerin nach Art. 263 Abs. 4 letzte Variante AEUV nachgewiesen, wenn es sich zum einen um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter handelt, der diese Mitglieder unmittelbar betrifft, und dieser Rechtsakt zum anderen keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht.

42      Die Kommission ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass die Klägerin keine Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung nach Art. 263 Abs. 4 AEUV erheben dürfe, da sie zum einen nicht belegt habe, dass ihre Mitglieder von der genannten Verordnung unmittelbar betroffen seien, und sie zum anderen das Fehlen von Durchführungsmaßnahmen im Hinblick auf ihre Mitglieder nicht nachgewiesen habe.

–       Zum Verordnungscharakter des angefochtenen Rechtsakts

43      Nach ständiger Rechtsprechung bezieht sich der Begriff „Rechtsakt mit Verordnungscharakter“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 letzte Variante AEUV grundsätzlich auf alle Rechtsakte mit allgemeiner Geltung unter Ausschluss von Gesetzgebungsakten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 23 und 28 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Die Unterscheidung zwischen einem Gesetzgebungsakt und einem Rechtsakt, der kein Gesetzgebungsakt ist, richtet sich gemäß dem AEU-Vertrag danach, ob er im Gesetzgebungsverfahren ergangen ist oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat, C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 58, und Beschluss vom 6. September 2011, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, T‑18/10, EU:T:2011:419, Rn. 65).

44      Im vorliegenden Fall hat die angefochtene Verordnung aber zum einen insofern allgemeine Geltung, als sie eine Schutzmaßnahme gegenüber den Einfuhren bestimmter Stahlerzeugnisse verlängert. Zum anderen ist diese Verordnung kein Gesetzgebungsakt, da sie nicht in einem ordentlichen oder besonderen Gesetzgebungsverfahren erlassen wurde.

45      Daher ist die angefochtene Verordnung ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 letzte Variante AEUV.

–       Zur unmittelbaren Betroffenheit

46      Die Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Maßnahme unmittelbar betroffen sein muss, verlangt, dass zwei kumulative Kriterien erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung dieser Person auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (vgl. Urteil vom 3. Dezember 2020, Changmao Biochemical Engineering/Distillerie Bonollo u. a., C‑461/18 P, EU:C:2020:979, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Die Kommission macht im vorliegenden Fall geltend, dass die Situation der Klägerin die Voraussetzungen einer unmittelbaren Betroffenheit nicht erfülle. Die Rechtswirkungen der angefochtenen Verordnung ergäben sich nämlich nicht automatisch allein aus der Verordnung, da die Mitglieder der Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung ihre Tätigkeiten weiterhin genau so wie vor dem Erlass der Verordnung hätten ausüben können.

48      In dieser Hinsicht sei jeder Importeur in der Union erst dann betroffen, wenn die Zollbehörden der Mitgliedstaaten eine Festlegung zur Höhe des Schutzzolls getroffen hätten, indem sie die angefochtene Verordnung durch Mitteilung der Zollschuld oder eine ähnliche Erklärung angewandt hätten.

49      Hinsichtlich der Erfüllung des ersten oben in Rn. 46 angeführten Kriteriums ist festzustellen, dass die angefochtene Verordnung den rechtlichen Rahmen und die Bedingungen festlegt, unter denen die Mitglieder der Klägerin sowohl in Bezug auf die Menge als auch auf den Preis die Möglichkeit haben, in die Union zu importieren, weil ihre Waren nunmehr einem Kontingentierungssystem und nicht mehr einer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Union unterliegen, der weder eine Mengenfestsetzung noch eine Genehmigung durch die Kommission erfordert. In einem solchen Kontingentierungssystem hängt die Möglichkeit für die Mitglieder der Klägerin, das zollfreie Kontingent in Anspruch zu nehmen, davon ab, dass die Kommission für ihre Waren entsprechende Mengen in dem Kontingent festsetzt (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Mai 2022, Uzina Metalurgica Moldoveneasca/Kommission, T‑245/19, EU:T:2022:295, Rn. 44). Daher ist festzustellen, dass sich die angefochtene Verordnung unmittelbar auf die Rechtsstellung der Mitglieder der Klägerin auswirkt.

50      In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass, wenn man der Ansicht der Kommission folgte, dies dazu führen würde, die Bedeutung der Trennung der beiden Stufen des Schutzmaßnahmenmechanismus (siehe Rn. 28 oben) wie auch des wesentlichen Unterschieds zwischen den Wirkungen rechtlicher und wirtschaftlicher Art zu verringern (siehe Rn. 31 oben).

51      Hinsichtlich der Erfüllung des zweiten oben in Rn. 46 angeführten Kriteriums kommt es in rechtlicher Hinsicht darauf an, dass die Adressaten des Rechtsakts, die mit seiner Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum haben (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 14. Januar 2015, SolarWorld u. a./Kommission, T‑507/13, EU:T:2015:23, Rn. 40).

52      Vorliegend lässt die angefochtene Verordnung den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten jedoch keinerlei Ermessensspielraum bei der Durchführung der Schutzmaßnahmen (vgl. entsprechend Urteile vom 3. Dezember 2020, Changmao Biochemical Engineering/Distillerie Bonollo u. a., C‑461/18 P, EU:C:2020:979, Rn. 59, und vom 12. Dezember 2014, Crown Equipment [Suzhou] und Crown Gabelstapler/Rat, T‑643/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1076, Rn. 28), weder im Rahmen der ersten Stufe des Schutzmaßnahmenmechanismus – da das Kontingentierungssystem mit dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit der angefochtenen Verordnung wirksam wird (siehe Rn. 28 oben) – noch im Rahmen der zweiten Stufe dieses Mechanismus – da die zuständigen Behörden verpflichtet sind, nach Erschöpfung der Zollkontingente einen außerhalb der Kontingente geltenden Zoll in Höhe von 25 % zu erheben (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Mai 2022, Uzina Metalurgica Moldoveneasca/Kommission, T‑245/19, EU:T:2022:295, Rn. 46).

53      Folglich sind die Mitglieder der Klägerin von der angefochtenen Verordnung unmittelbar betroffen im Sinne der oben in Rn. 46 angeführten Rechtsprechung.

–       Zum Fehlen von Durchführungsmaßnahmen

54      Nach Ansicht der Kommission treten die Wirkungen der gemeinsamen Handelspolitik durch die Durchführungsmaßnahmen ein, die die Mitgliedstaaten auf die individuelle Situation des jeweiligen Importeurs anwenden. Tatsächlich seien auf dem Gebiet der gemeinsamen Handelspolitik die Durchführungsmaßnahmen die einzigen, durch die die Wirkungen einer Verordnung einträten.

55      Infolgedessen könne der Importeur die Durchführungsmaßnahmen vor den jeweiligen nationalen Gerichten anfechten, wobei diese dem Gerichtshof nach Art. 267 AEUV eine Vorlagefrage zur Gültigkeit der Verordnung, auf die sich diese Maßnahmen stützten, vorlegen könnten.

56      Hierzu weist die Kommission darauf hin, dass die von der Klägerin beanstandeten Beschränkungen, die sich daraus ergäben, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten einander ergänzten, ihre Grundlage im AEU-Vertrag hätten und folglich nicht außer Acht gelassen werden könnten.

57      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die angefochtene Verordnung die Schutzmaßnahme verlängert, die zum einen in der Einführung von Zollkontingenten für bestimmte Stahlerzeugnisse und zum anderen in der Anwendung eines außerhalb der Kontingente geltenden Zolls in Höhe von 25 % für alle nach Überschreitung der quantitativen Schwellenwerte dieser Kontingente durchgeführten Einfuhren besteht. Aus diesem System ergeben sich somit die Einführung einer an eine Einfuhrmenge geknüpften Bedingung und für die Importeure, die sich über diese Menge hinaus eindecken möchten, die Anwendung eines Zollaufschlags.

58      Insoweit folgt aus der Rechtsprechung, dass, selbst wenn man davon ausgeht, dass die im vorliegenden Fall auf die individuelle Situation eines Importeurs angewandten Maßnahmen Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 letzte Variante AEUV sind, der Umstand, dass ein Unionsrechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, so dass bestimmte Rechtswirkungen dieser Verordnung nur über diese Maßnahmen eintreten, es nicht ausschließt, dass die Verordnung weitere Rechtswirkungen auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder juristischen Person entfaltet, die nicht vom Erlass von Durchführungsmaßnahmen abhängen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2018, European Union Copper Task Force/Kommission, C‑384/16 P, EU:C:2018:176, Rn. 45).

59      Im vorliegenden Fall ist die Einführung des Kontingentierungssystems, die – wie auch die Anwendung des außerhalb der Kontingente geltenden Zolls – eine Wirkung der angefochtenen Verordnung ist, mit dem Erlass der genannten Verordnung verbunden. Infolgedessen muss ein Importeur sich ab dem Erlass der angefochtenen Verordnung in einem neuen rechtlichen Rahmen bewegen, der sich vom vorherigen rechtlichen Rahmen unterscheidet. Das Entstehen der Rechtswirkungen des Kontingentierungssystems, wie sie oben in Rn. 49 genannt wurden, hängt aber nicht von einer Durchführungsmaßnahme ab. In diesem Zusammenhang kann festgestellt werden, dass die Maßnahmen, auf die sich die Kommission stützt, wenn sie argumentiert, dass das Kriterium des Fehlens von Durchführungsmaßnahmen nicht erfüllt sei, diese Rechtswirkungen nicht betreffen (siehe Rn. 58 oben).

60      Folglich gibt es vor der Erschöpfung der Zollkontingente nicht zwingend Durchführungsmaßnahmen, die die Mitglieder der Klägerin, deren Rechtsstellung durch die Einführung des Kontingentierungssystems betroffen wird, vor den nationalen Gerichten anfechten könnten.

61      Daher befinden sich die Importeure, wie die Mitglieder der Klägerin, in einer Situation, die dem in Art. 263 Abs. 4 letzte Variante AEUV beschriebenen Fall entspricht, und sind daher befugt, Klage gegen die angefochtene Verordnung zu erheben.

62      Unter diesen Umständen – und gemäß der oben in Rn. 40 angeführten Rechtsprechung – ist die Klägerin als repräsentative Vereinigung nach Art. 263 Abs. 4 letzte Variante AEUV im Hinblick auf die angefochtene Verordnung klagebefugt.

63      Die Klage ist daher für zulässig zu erklären.

 Zur Begründetheit

64      Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe.

65      Erstens seien die Voraussetzungen für die Verlängerung der Schutzmaßnahme nach Art. 19 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen nicht erfüllt.

66      Zweitens liege die genannte Verlängerung nicht im Interesse der Union.

67      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Unionsorgane im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, besonders im Bereich handelspolitischer Schutzmaßnahmen, nach ständiger Rechtsprechung wegen der Komplexität der von ihnen zu prüfenden wirtschaftlichen und politischen Sachverhalte über ein weites Ermessen verfügen. Die gerichtliche Kontrolle einer entsprechenden Beurteilung ist daher auf die Prüfung der Fragen zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, ob der Sachverhalt, der der beanstandeten Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 2019, Trace Sport, C‑251/18, EU:C:2019:766, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 18. Mai 2022, Uzina Metalurgica Moldoveneasca/Kommission, T‑245/19, EU:T:2022:295, Rn. 74 und 75).

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen Art. 19 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen

68      Der erste Klagegrund der Klägerin gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile.

69      Mit dem ersten Teil argumentiert die Klägerin, dass aus den Daten, auf deren Analyse die Kommission den Erlass der angefochtenen Verordnung gestützt habe, nicht geschlossen werden könne, dass die Verlängerung der Schutzmaßnahme im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Buchst. a der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen erforderlich gewesen sei, um eine bedeutende Schädigung zu vermeiden oder wiedergutzumachen.

70      Mit dem zweiten Teil trägt die Klägerin vor, dass die Kommission fehlerhaft den Schluss gezogen habe, dass der Wirtschaftszweig der Union nachweislich Anpassungen vornehme, wie es Art. 19 Abs. 2 Buchst. b der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen erfordere.

71      Die Kommission hält den ersten Klagegrund für unbegründet.

–       Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Erforderlichkeit der Verlängerung der Schutzmaßnahme zur Vermeidung oder Wiedergutmachung einer bedeutenden Schädigung

72      Gemäß Art. 19 Abs. 2 Buchst. a der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen kann eine Schutzmaßnahme verlängert werden, wenn festgestellt wird, dass eine Verlängerung erforderlich ist, um eine bedeutende Schädigung zu vermeiden oder wiedergutzumachen.

73      Erstens hat die Kommission nach Ansicht der Klägerin bei der Bestimmung der Erforderlichkeit der Verlängerung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Buchst. a der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie bestimmte Aspekte des Marktes während des für die mögliche Verlängerung der Schutzmaßnahme relevanten Untersuchungszeitraums, nämlich der Jahre 2018 bis 2020 (im Folgenden: Untersuchungszeitraum), nicht berücksichtigt habe, die dem Schluss widersprächen, dass eine Verlängerung der Schutzmaßnahme erforderlich gewesen sei, um eine bedeutende Schädigung zu vermeiden.

74      Zunächst wirft die Klägerin der Kommission vor, dass sie Faktoren im Hinblick auf Produktionskapazitäten des Wirtschaftszweigs der Union und auf seine Marktanteile in der Union nicht berücksichtigt habe.

75      In einem ersten Schritt sind hinsichtlich der Relevanz, die die Klägerin jedem dieser Faktoren beimisst, einige Vorbehalte angebracht.

76      Zum einen argumentiert die Klägerin, dass die Produktionskapazitäten des Wirtschaftszweigs der Union stabil geblieben seien. Aus der Analyse im 12. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung, in der die Entwicklung der Produktionsmenge, der Produktionskapazitäten und der Kapazitätsauslastung gegenübergestellt werden, geht jedoch ausdrücklich hervor, dass die Produktionskapazitätsauslastung um 13 Prozentpunkte zurückgegangen ist.

77      Zum anderen führt die Klägerin an, dass die Marktanteile des Wirtschaftszweigs der Union von Jahr zu Jahr gestiegen seien. Dieser positive Trend gehe ebenfalls aus der von der Kommission durchgeführten zusätzlichen Analyse nach Produktfamilie oder ‑kategorie hervor. Wie jedoch aus dem 13. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung hervorgeht, war dieser Anstieg mit einem Rückgang des Verbrauchs während des gesamten Bezugszeitraums verbunden. Folglich ist die Bedeutung des Anstiegs der Marktanteile im Rahmen einer Analyse der wirtschaftlichen Situation der Stahlindustrie in der Union zu relativieren, denn in der Praxis hat dieser Anstieg nicht zu einer Verbesserung der Rentabilität geführt. In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass diese Situation explizit im 15. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung in den Fokus genommen wird, in dem näher ausgeführt wird, dass der Wirtschaftszweig der Union in der Zeit von 2018 bis 2019 Verluste schrieb und die Rentabilität in der Zeit von 2019 bis 2020 weiter zurückging.

78      In einem zweiten Schritt ist die Methode, die der von der Klägerin vorgeschlagenen Analyse zugrunde liegt, im Hinblick auf diese Faktoren zu relativieren.

79      Zum einen leidet der Ansatz der Klägerin an einer fehlenden Kontextualisierung. Es ist nämlich wichtig, den Umstand nicht zu vernachlässigen, dass eine positive oder negative Entwicklung eines Faktors in den richtigen Kontext gestellt werden muss, um ihre Bedeutung zu bestimmen. Folglich muss der Anstieg der Marktanteile des Wirtschaftszweigs der Union im Bezugszeitraum unter Berücksichtigung des Umstands betrachtet werden, dass die Höhe der betreffenden Marktanteile in der Zeit von 2019 bis 2020 nahe der von 2017 war, als der Wirtschaftszweig der Union von einem Anstieg der Einfuhren betroffen war. Infolgedessen kann von dem Anstieg der Marktanteile des Wirtschaftszweigs der Union nicht darauf geschlossen werden, dass dessen Situation nicht mehr anfällig oder verwundbar war. Da die Schutzmaßnahme auf die Aufrechterhaltung der traditionellen Handelsströme im Bereich der Einfuhrmengen auf der Grundlage des Zeitraums von 2015 bis 2017 gestützt wird, zeigt darüber hinaus ein Anstieg der Marktanteile auf diese Höhe nicht das Fehlen einer Schädigung.

80      Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass bei der von der Kommission vorzunehmenden Analyse der wirtschaftlichen Situation der Stahlindustrie verschiedene Faktoren berücksichtigt werden müssen, von denen keiner alleine entscheidend ist. Folglich kommt es bei der Frage nach einem von der Kommission im Rahmen ihrer Analyse möglicherweise begangenen offensichtlichen Beurteilungsfehler auf die Methode an, die sie angewandt hat. Insbesondere aus den ausdrücklichen Feststellungen in Abschnitt 3.1 der angefochtenen Verordnung ergibt sich aber, dass sich die Schlussfolgerung, zu der die Kommission im 17. Erwägungsgrund dieser Verordnung gelangt ist, nämlich, dass die Situation des Wirtschaftszweigs der Union anfällig und verwundbar sei, auf zahlreiche weitere Schädigungsindikatoren stützt, die fast alle von starken negativen Trends zeugen. So wiesen die Indikatoren für die Produktion, die Verkäufe, die Kapitalrendite und die Beschäftigung alle einen Rückgang auf, in einem Kontext, in dem die Verkäufe und die Verkaufspreise im Binnenmarkt ebenfalls zurückgegangen sind, was zu einem Rückgang der Rentabilität des Wirtschaftszweigs der Union geführt hat.

81      Angesichts des Vorstehenden ist festzustellen, dass die Beurteilungen der Klägerin bruchstückhaft und isoliert sind.

82      Sodann wirft die Klägerin der Kommission vor, dass sie den sich aus den Daten in der angefochtenen Verordnung ergebenden Rückgang der Einfuhren im Untersuchungszeitraum nicht berücksichtigt habe.

83      Um diesen Vorwurf zurückzuweisen, ist jedoch die Feststellung ausreichend, dass die Beurteilungen der Klägerin irrelevant sind, da es ihnen an Kontextualisierung mangelt. Tatsächlich entspricht zum einen die Einfuhrmenge 2020 derjenigen von 2015, die bereits als nachteilig angesehen wird, und zum anderen führt der Rückgang der Einfuhren nach Maßgabe der Marktanteile zu einem Niveau, das dem 2017 festgestellten entspricht, wie es im 25. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ausdrücklich dargestellt ist. Weiterhin ist festzustellen, dass die Klägerin der Schlussfolgerung der Kommission in keinerlei Hinsicht direkt widerspricht, nach der die Einfuhren in den Unionsstahlmarkt nach dem oben beschriebenen kontextbezogenen Ansatz im Vergleich zum Zeitraum vor der Einführung der Schutzmaßnahme relativ gesehen vielmehr zugenommen hätten.

84      Infolgedessen kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, den vorgebrachten Rückgang der Einfuhren nicht berücksichtigt zu haben.

85      Zweitens behauptet die Klägerin, dass die Kommission – ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler im Hinblick auf Art. 19 Abs. 2 Buchst. a der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen zu begehen – auf der Grundlage einer positiven und objektiven Untersuchung der oben in den Rn. 74 und 82 genannten Daten nicht den Schluss habe ziehen können, dass eine Verlängerung der Schutzmaßnahme erforderlich sei, um eine bedeutende Schädigung zu vermeiden.

86      Einleitend ist festzustellen, dass sich aus der angefochtenen Verordnung ergibt, dass die Kommission eine auf die Zukunft gerichtete Untersuchung vorgenommen hat, was die Klägerin nicht bestreitet. In dieser Hinsicht bringt die Klägerin zwei Rügen vor.

87      Zum einen wirft die Klägerin der Kommission vor, den Anstieg der Gewinne der Hauptakteure des Wirtschaftszweigs der Union nicht berücksichtigt zu haben. Da diese Rüge sich auf Grundlagen stützt, die in zeitlicher Hinsicht über den von der Kommission betrachteten Zeitraum hinausgehen, muss sie jedoch als ins Leere gehend verworfen werden.

88      Zum anderen wirft die Klägerin der Kommission vor, dass sie den fehlenden Druck auf den Wirtschaftszweig der Union durch die aus der Volksrepublik China stammenden Einfuhren nicht berücksichtigt habe. Aus den Erwägungsgründen 39 und 43 der angefochtenen Verordnung ergibt sich jedoch, dass die auf die Zukunft gerichtete Untersuchung, die die Kommission vorgenommen hat, den weltweiten Zustand der Überproduktion und der Überkapazitäten berücksichtigt hat. Diese Rüge ist folglich ebenfalls zurückzuweisen.

89      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission, entgegen den Behauptungen der Klägerin, weder bestimmte Daten noch deren Bedeutung außer Acht gelassen hat. Da die Klägerin ihre Anfechtung aber auf die vorgebrachte fehlende Berücksichtigung von Daten stützt, ist unter Anwendung der oben in Rn. 67 aufgeführten Grundsätze festzustellen, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Analyse begangen hat, die sie zu der Schlussfolgerung geführt hat, die Verlängerung der Schutzmaßnahme sei notwendig, um eine bedeutende Schädigung zu vermeiden oder wiedergutzumachen.

90      Drittens schließlich wirft die Klägerin der Kommission vor, keine geeignete Prüfung der Nichtzurechenbarkeit im Hinblick auf die im Jahr 2020 entstandenen, durch die Covid‑19-Pandemie verursachten außergewöhnlichen Marktumstände durchgeführt zu haben. Dazu bringt sie vor, dass diese Frage in der angefochtenen Verordnung nur am Rande behandelt werde.

91      Einleitend ist festzuhalten, dass es zum einen nicht bestritten wird, dass aus zahlreichen Passagen der angefochtenen Verordnung hervorgeht, dass die Kommission im Rahmen ihrer Analyse die Auswirkungen der Covid‑19-Pandemie untersucht hat, und dass zum anderen die Klägerin in ihrer Argumentation nicht genau diejenigen Passagen identifiziert, die ihrer Ansicht nach zeigen, dass dieser Gesichtspunkt unzureichend behandelt worden sei, sondern sich in dieser Hinsicht darauf beschränkt, die von der Kommission durchgeführte Analyse als unzureichend zu bezeichnen. Infolgedessen steht der vage Charakter dieser Rüge der Anerkennung eines von der Kommission begangenen offensichtlichen Beurteilungsfehlers entgegen.

92      Jedenfalls hat zum einen die Klägerin in der mündlichen Verhandlung in Reaktion auf die Aufforderung des Gerichts, den Inhalt der betreffenden Rüge zu präzisieren, ihre Einwände hinsichtlich der unzureichenden Natur der Analyse der Kommission im Hinblick auf die seinerzeit verfügbaren Daten aufrechterhalten. Sie hat jedoch den Inhalt dieser Daten nicht spezifiziert und sich in allgemeiner Weise auf den Umstand bezogen, dass die Kommission über detaillierte Informationen zur Lage verfügt habe, da sie im Rahmen von anderen handelspolitischen Schutzmaßnahmen Untersuchungen durchgeführt habe. Außerdem hat die Klägerin die Unzulänglichkeiten nicht genau benannt, die in der angefochtenen Verordnung in dieser Hinsicht enthalten sein sollen.

93      Zum anderen muss im Rahmen der Kontrolle, die das Gericht im vorliegenden Fall auszuüben hat, gemäß den oben in Rn. 67 aufgeführten Grundsätzen bei der Beurteilung der auf die Zukunft gerichteten Analysen, die von der Kommission durchgeführt worden sind, der besonders wichtige Unsicherheitsfaktor berücksichtigt werden, der mit einer außergewöhnlichen Krise verbunden ist. Das Argument der Klägerin, die Kommission habe sich bei der Durchführung der Prüfung der Nichtzurechenbarkeit auf genauere Daten stützen können, die ihr vorgelegen hätten, berücksichtigt jedoch den sehr hohen Unsicherheitsgrad nicht, der mit einer Krise von außergewöhnlichem Ausmaß wie der Covid‑19-Pandemie verbunden ist.

94      Nach alledem ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

–       Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Nachweis von Anpassungen

95      Nach Art. 19 Abs. 2 Buchst. b der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen kann eine Schutzmaßnahme verlängert werden, wenn festgestellt wird, dass die Unionshersteller nachweislich Anpassungen vornehmen.

96      Erstens führt die Klägerin aus, dass die Kommission einen Fehler begangen habe, als sie den Schluss gezogen habe, dass derartige Nachweise existierten, da die angefochtene Verordnung keine hinreichenden Nachweise enthalte, aus denen geschlossen werden könne, dass der Wirtschaftszweig der Union geeignete Maßnahmen ergriffen habe, um sich an den Anstieg der Einfuhren anzupassen. Dazu trägt die Klägerin vor, dass kein Anpassungsplan bereitgestellt worden sei, und behauptet, dass klar ersichtlich sei, dass die Unionshersteller im Verlauf der letzten zweieinhalb Jahre keine geeigneten Anpassungsmaßnahmen vorgenommen hätten.

97      Zunächst ergibt sich aus der angefochtenen Verordnung, dass die Kommission eine Reihe von Anhaltspunkten berücksichtigt hat, die vom Wirtschaftszweig der Union ergriffene Anpassungsmaßnahmen aufzeigen. Im 68. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung wird darauf hingewiesen, dass der Kommission vertrauliche Informationen über von den Unionsherstellern vorgenommene Anpassungsmaßnahmen zugeleitet worden seien; detaillierte Informationen werden gleichwohl in den Erwägungsgründen 69 und 70 der Verordnung dargestellt. Es ist festzustellen, dass die Klägerin jegliche Analyse dieser Informationen unterlassen und sich auf die Behauptung beschränkt hat, dass alle Bezüge auf die von der Kommission angegebenen Anpassungsmaßnahmen durch keinen Nachweis gestützt seien.

98      Angesichts der oben in Rn. 67 aufgeführten Grundsätze kommt es indessen kaum darauf an, dass die Klägerin – ohne spezifisches Bestreiten der Anhaltspunkte, auf die sich die Analyse der Kommission stützt – behauptet, andere Arten von Informationen seien relevant gewesen.

99      Zweitens ist nach Ansicht der Klägerin weder ein Nachweis für eine fehlende Produktionskapazität des Wirtschaftszweigs der Union noch für dessen Unfähigkeit, dem Unionsmarkt alle notwendigen Erzeugnisse zur Verfügung zu stellen, erbracht worden.

100    Diese Rüge muss wegen Irrelevanz verworfen werden, da alle vom Wirtschaftszweig der Union ergriffenen Maßnahmen Handlungen zur Effizienzsteigerung der Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Effizienz des Wirtschaftszweigs der Union und zur ordnungsgemäßen Aufrechterhaltung des Wettbewerbs in einer von einem Einfuhranstieg gekennzeichneten Marktsituation betrafen, aber nicht zum Ziel hatten, den Wirtschaftszweig der Union zu befähigen, den Versorgungsbedarf auf dem Unionsmarkt zu decken.

101    In dieser Hinsicht müssen die in diesem Zusammenhang wiederholten Behauptungen der Klägerin, die Kommission habe den Anstieg der Marktanteile des Wirtschaftszweigs der Union und den Rückgang der Einfuhren nicht berücksichtigt, aus den oben in den Rn. 77, 83 und 84 dargestellten Gründen zurückgewiesen werden.

102    Drittens argumentiert die Klägerin, dass der Wirtschaftszweig der Union keinerlei Anpassungen vorgenommen habe, da er nicht in einer Situation einer Schädigung oder einer drohenden Schädigung gewesen sei, wie die erheblichen realisierten Gewinne der Herstellerunternehmen der Union und der fehlende Druck durch aus der Volksrepublik China stammende Einfuhren zeigten. In dieser Hinsicht genügt es, in Erinnerung zu rufen, dass oben in den Rn. 87 und 88 die Prämissen dieser Argumentation zurückgewiesen wurden.

103    Somit ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

104    Da festgestellt wurde, dass beide Teile des ersten Klagegrundes unbegründet sind, ist dieser insgesamt zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Offensichtliche Beurteilungsfehler der Kommission bei der Beurteilung des Interesses der Union an der Verlängerung der Schutzmaßnahme

105    Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, dass die Auffassung der Kommission fehlerhaft sei, nach der es keine zwingenden wirtschaftlichen Gründe gebe, die zu dem Schluss führen könnten, dass die Verlängerung der bestehenden Schutzmaßnahme nicht im Interesse der Union sei.

106    Erstens bestreitet die Klägerin die Richtigkeit der in der angefochtenen Verordnung enthaltenen Aussage, dass die zollfreien Kontingente der Nachfrage entsprochen hätten. Die Klägerin trägt nämlich vor, dass sich während der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung nach der Covid‑19-Pandemie ein Ungleichgewicht zwischen der starken Nachfrage nach Rohstoffen und dem geringen Angebot der Unionshersteller, die ihr nicht hätten nachkommen können, entwickelt habe, was zu einem erheblichen Preisanstieg in der Union geführt habe. In diesem Zusammenhang trägt die Klägerin vor, dass die Erschöpfung der Kontingente der Hauptlieferanten von Stahl aus Drittländern die Belieferung der Verwender und Importeure mit Stahl im dritten Trimester des Jahres 2021 schwierig gemacht habe.

107    Es ist festzuhalten, dass das Argument der Klägerin auf einer Herangehensweise beruht, die den Mechanismus der Schutzmaßnahme nicht berücksichtigt, der den Importeur dazu bringt, seine Lieferquellen zu diversifizieren, indem er sich jeweils an Hersteller in solchen Drittländern wendet, für die das Zollkontingent nicht erschöpft ist. Vorliegend geht aber aus der Akte hervor, dass zollfreie Kontingente ungenutzt geblieben sind, was die Klägerin nicht bestreitet.

108    In diesem Zusammenhang ist zusammenfassend festzustellen, dass nicht nachgewiesen worden ist, dass die Analyse der Kommission von einem offensichtlichen Beurteilungsfehler beeinträchtigt wurde.

109    Zweitens trägt die Klägerin vor, dass die in der angefochtenen Verordnung enthaltenen Aussagen, dass zum einen kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Schutzmaßnahme und dem Preisanstieg bei Stahl existiere und sich zum anderen das Preisniveau nach der Anpassung des Marktes an die Situation nach der Covid‑19-Pandemie nicht gehalten habe, von den Daten, auf die sich die Analyse der Kommission stütze, nicht bestätigt würden.

110    Jedoch ist zunächst festzustellen, dass, wenn der Preisanstieg auf der Schutzmaßnahme beruht hätte, dann aus den Daten der Analyse hervorgegangen wäre, dass die Stahlindustrie der Union sich von jeglichem zwingenden Wettbewerbsdruck freimachen konnte. Die Kommission konnte jedoch nicht zu einem derartigen Schluss kommen, da es vorliegend im Lauf der letzten Periode der Schutzmaßnahme eine große Zahl an nicht erschöpften zollfreien Kontingenten aus verschiedenen Quellen in fast allen Kategorien von Erzeugnissen gab, wie oben in Rn. 107 festgestellt wurde.

111    Sodann kann der Einfluss anderer Faktoren – wie etwa der im 100. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung angeführte parallele Preissprung bei Rohstoffen – bei der Bestimmung der für den Preisanstieg auf dem Unionsmarkt verantwortlichen Ursachen nicht außer Acht gelassen werden.

112    Schließlich geht aus den Akten hervor, dass die Ausführungen der Klägerin zur Kausalität zwischen der Schutzmaßnahme und dem Preisanstieg nicht überzeugend sind, da die entsprechenden Preisanstiege auf den weltweiten Hauptstahlmärkten beobachtet wurden, wo die Schutzmaßnahme nicht zur Anwendung kam.

113    Folglich leidet die Beurteilung der Kommission im Hinblick auf den Preisanstieg im Rahmen der Bewertung des Interesses der Union an einer Verlängerung der Schutzmaßnahme nicht an einem offensichtlichen Fehler.

114    Drittens rügt die Klägerin den Umstand, dass die Kommission die Versorgungsprobleme nach der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung in der angefochtenen Verordnung als „vorübergehend“ eingestuft habe. Denn sie ist der gegensätzlichen Ansicht, dass die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Fabriken durch den Wirtschaftszweig der Union nicht dazu beitrage, die normalen Bedingungen für die Stahlversorgung, die vor der Covid‑19-Pandemie bestanden hätten, in einem akzeptablen, kurzen Zeitraum wiederherzustellen.

115    Die Klägerin macht nämlich geltend, dass der Anstieg der Nachfrage nach der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung insbesondere einen zunehmenden Mangel an Rohstoffen nach sich gezogen habe, der die Tätigkeiten der Verarbeiter dieser Stoffe beeinträchtigt habe. Folglich würden Lieferungen regelmäßig storniert oder ausgesetzt. Außerdem hätten sich die Seefrachtkosten exponentiell erhöht und es werde zunehmend schwieriger, die Logistik zu bewältigen.

116    In erster Linie ist darauf hinzuweisen, dass die Schutzmaßnahme angesichts dessen, dass die Zollkontingente nicht erschöpft waren (siehe Rn. 107 oben), nicht der Grund für die geltend gemachten Unfähigkeiten des Wirtschaftszweigs der Union sein kann, die Nachfrage auf dem Unionsmarkt zu decken.

117    Des Weiteren hat die Klägerin die Unzulänglichkeit des Angebots auf dem Unionsmarkt nicht hinreichend nachgewiesen; ihre auf Lieferfristen und Logistikkosten gestützten Argumente sind irrelevant.

118    Schließlich können die in den Erwägungsgründen 110 und 111 der angefochtenen Verordnung enthaltenen Informationen zur Fähigkeit des Wirtschaftszweigs der Union, die normalen Bedingungen in einem akzeptablen Zeitraum wiederherzustellen, nicht mit einer bloßen gegenteiligen Behauptung der Klägerin bestritten werden, ohne dass diese Nachweise zu ihrer Unterstützung vorlegt.

119    Folglich hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission in Bezug auf das Interesse der Union an der Verlängerung der Schutzmaßnahme vorliegt.

120    Ergänzend kann festgestellt werden, dass die Argumente der Klägerin, die sich auf Daten zur Entwicklung nach dem Untersuchungszeitraum stützen, ins Leere gehen, da sie nicht geeignet sind, das Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers in der Analyse der Kommission im Hinblick auf das Interesse der Union an der Verlängerung der Schutzmaßnahme nachzuweisen, weil diese Daten während der Untersuchung zur möglichen Verlängerung der Schutzmaßnahme nicht berücksichtigt werden konnten.

121    Nach alledem ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.

 Kosten

122    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

123    Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die European Association of NonIntegrated Metal Importers & distributors (Euranimi) trägt die Kosten.

Porchia

Jaeger

Nihoul

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Oktober 2023.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.