Language of document : ECLI:EU:T:1997:184

BESCHLUSS DES GERICHTS (Vierte Kammer)

26. November 1997 (1)

Landwirtschaft - Gemeinsame Marktorganisation - Bananen - Antrag auf Erteilung zusätzlicher Einfuhrbescheinigungen - Untätigkeitsklage - Versäumnisverfahren - Erledigung der Hauptsache“

In der Rechtssache T-39/97

T. Port GmbH & Co., Gesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Hamburg (Deutschland), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Gert Meier, Köln, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Marc Baden, 24, rue Marie-Adelaïde, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Hauptrechtsberater Dierk Booß sowie durch Klaus-Dieter Borchardt und Hubert van Vliet, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Feststellung nach Artikel 175 EG-Vertrag, daß die Kommission es unterlassen hat, über den Antrag der Klägerin vom 16. Dezember 1996 auf Erteilung zusätzlicher Einfuhrbescheinigungen im Wege von Übergangsmaßnahmen im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen zu entscheiden,

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin P. Lindh sowie der Richter K. Lenaerts und D. Cooke,

Kanzler: H. Jung

folgenden

Beschluß

Rechtlicher Rahmen

1.
    Durch die Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1) wurde eine gemeinsame Einfuhrregelung für Bananen eingeführt, die an die Stelle der verschiedenen nationalen Regelungen trat. Die gemeinsame Marktorganisation wurde zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 478/95 der Kommission vom 1. März 1995 mit ergänzenden Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates betreffend die Zollkontingentregelung für die Einfuhr von Bananen in die Gemeinschaft und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1442/93 (ABl. L 49, S. 13) ergänzt.

2.
    Titel IV der Verordnung Nr. 404/93, der die Regelung für den Handel mit dritten Ländern betrifft, sieht in Artikel 18 Absatz 1 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 3290/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über erforderliche Anpassungenund Übergangsmaßnahmen im Agrarsektor zur Anwendung der im Rahmen der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde geschlossenen Übereinkünfte (ABl. L 349, S. 105) vor, daß für Einfuhren von Bananen aus Nicht-AKP-Drittländern (nachstehend: Drittlandsbananen) und nichttraditionelle Einfuhren von Bananen aus den AKP-Staaten (nachstehend: nichttraditionelle AKP-Bananen) jährlich ein Zollkontingent eröffnet wird; die Zollkontingentsmenge für das Jahr 1994 wurde auf 2,1 Millionen Tonnen (Eigengewicht) und die für die Folgejahre auf 2,2 Millionen Tonnen (Eigengewicht) festgesetzt. Im Rahmen dieses Zollkontingents unterliegen die Einfuhren von nichttraditionellen AKP-Bananen einem Zollsatz von Null und die von Drittlandsbananen einem Zollsatz von 75 ECU/Tonne.

3.
    Nach Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 1 wird das Zollkontingent auf die einzelnen Gruppen der Marktbeteiligten aufgeteilt. Artikel 19 Absatz 2 bestimmt:

„(2) Jeder Marktbeteiligte erhält nach Berechnungen, die für jede der in Absatz 1 ... genannten Gruppen von Marktbeteiligten getrennt durchgeführt werden, Einfuhrbescheinigungen auf der Grundlage des durchschnittlichen Absatzes von Bananen, den er in den letzten drei Jahren, für die Angaben vorliegen, getätigt hat ...

Für das zweite Halbjahr 1993 werden jedem Marktbeteiligten Bescheinigungen unter Zugrundelegung der Hälfte der in den Jahren 1989 bis 1991 durchschnittlich vermarkteten Menge ausgestellt.“

4.
    Nach Artikel 18 Absatz 1 Unterabsatz 4 kann der Umfang des jährlichen Kontingents erhöht werden, wenn der Bedarf steigt.

5.
    Artikel 19 Absatz 4 bestimmt:

„Im Fall einer Aufstockung des Zollkontingents wird die zusätzlich verfügbare Menge den Marktbeteiligten der in Absatz 1 genannten Kategorien ... zugeteilt.“

6.
    Artikel 30 der Verordnung bestimmt:

„Erweisen sich besondere Maßnahmen ab Juli 1993 als notwendig, um den Übergang von den vor Inkrafttreten dieser Verordnung gültigen Regelungen zu der durch diese Verordnung eingeführten Regelung zu erleichtern und insbesondere ernsthafte Schwierigkeiten zu überwinden, so trifft die Kommission ... alle für erforderlich erachteten Übergangsmaßnahmen.“

Sachverhalt

7.
    Die Klägerin ist eine in Deutschland ansässige Fruchtimporteurin, die seit Anfang dieses Jahrhunderts mit Drittlandsbananen handelt. Seit Inkrafttreten dergemeinsamen Marktorganisation für Bananen am 1. Juli 1993 bemüht sie sich um die Zuteilung von Referenzmengen in einer Höhe, die ihr das wirtschaftliche Überleben als Bananenimporteurin erlaubt.

8.
    Durch Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Februar 1995 im Verfahren der einstweiligen Anordnung erhielt die Klägerin Sondereinfuhrlizenzen in Höhe von 2 500 Tonnen und durch Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg ein lizenzfreies Sonderkontingent in Höhe von 9 839 Tonnen Drittlandsbananen.

9.
    Mit demselben Beschluß vom 9. Februar 1995 legte der Hessische Verwaltungsgerichtshof gemäß Artikel 177 EG-Vertrag Fragen u. a. nach der Auslegung des Artikels 30 der Verordnung Nr. 404/93, der Gültigkeit des Artikels 19 dieser Verordnung und den Voraussetzungen, unter denen ein nationales Gericht befugt ist, im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorläufige Maßnahmen zu erlassen, zur Vorabentscheidung vor.

10.
    Mit Urteil vom 26. November 1996 in der Rechtssache C-68/95 (T. Port, Slg. 1996, I-6065) hat der Gerichtshof u. a. entschieden, daß die nationalen Gerichte nach dem EG-Vertrag nicht befugt sind, im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorläufige Maßnahmen zu erlassen, bis die Kommission nach Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 einen Rechtsakt zur Regelung der bei den Marktbeteiligten vorliegenden Härtefälle erlassen hat. Er hat außerdem entschieden, daß Artikel 30 der Verordnung der Kommission die Befugnis gibt und sie gegebenenfalls verpflichtet, Härtefälle zu regeln, die dadurch auftreten, daß Importeure von Drittlandsbananen oder nichttraditionellen AKP-Bananen in existentielle Schwierigkeiten geraten, weil ihnen auf der Grundlage der nach Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung zu berücksichtigenden Referenzjahre ein ungewöhnlich niedriges Kontingent zugeteilt worden ist, wenn diese Schwierigkeiten untrennbar mit dem Übergang von den vor Inkrafttreten der Verordnung bestehenden nationalen Regelungen zur gemeinsamen Marktorganisation verbunden und nicht auf mangelnde Sorgfalt der betroffenen Marktbeteiligten zurückzuführen sind.

11.
    Mit Schreiben vom 16. Dezember 1996 beantragte die Klägerin bei der Kommission den zeitnahen Erlaß einer Härtefallregelung und insbesondere die Erteilung zusätzlicher Einfuhrbescheinigungen für Drittlandsbananen im Rahmen des Zollkontingents. Dieses Schreiben wurde der Beklagten am 23. Dezember 1996 per Einschreiben zugestellt. Die Beklagte hat zu diesem Antrag nicht innerhalb der beiden darauf folgenden Monate Stellung genommen.

Verfahren

12.
    Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 27. Februar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

13.
    Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Artikel 185 und 186 EG-Vertrag den Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt. Dieser Antrag ist unter dem Aktenzeichen T-39/97 R eingetragen worden. Nach der mündlichen Verhandlung vom 17. März 1997 im einstweiligen Anordnungsverfahren, aber vor Erlaß des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts hat die Klägerin dem Gericht mit Schreiben vom 26. März 1997 mitgeteilt, daß sie ihren Antrag auf einstweilige Anordnung zurücknehme; der Präsident des Gerichts hat daraufhin mit Beschluß vom 13. Juni 1997 die Streichung der Rechtssache im Register angeordnet und die Kostenentscheidung vorbehalten.

14.
    Die der Kommission zur Einreichung der Klagebeantwortung gesetzte Frist ist am 14. April 1997 abgelaufen. Nachdem der Schriftsatz der Kommission am 15. April 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin der Verlängerung der Frist widersprochen und nach Artikel 122 § 1 der Verfahrensordnung Versäumnisurteil beantragt. Dieser Antrag ist der Kommission zugestellt worden, und die Kanzlei hat ihr die Klagebeantwortung zurückgereicht, da diese nicht habe angenommen werden können.

15.
    Mit Schriftsätzen, die am 4. Juni 1997 und 30. Juli 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Französische Republik und das Königreich Spanien beantragt, in dieser Rechtssache als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

16.
    Mit Schreiben vom 9. Juli 1997 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, den Hinweis in der Klageschrift auf Kontakte zwischen der Klägerin und den Dienststellen der Kommission im Januar 1997 näher zu erläutern und gegebenenfalls den gesamten darauf bezüglichen Schriftwechsel in Kopie vorzulegen. Mit ihrer Antwort vom 18. Juli 1997 hat die Klägerin bestätigt, daß die Kontakte, auf die sie in der Klageschrift Bezug genommen hatte, ausschließlich schriftlich stattgefunden hätten, und Kopie dieses Schriftwechsels vorgelegt.

17.
    Mit Schreiben, das am 16. Juli 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission darauf hingewiesen, daß sie die Anträge der Klägerin in deren Schreiben vom 16. Dezember 1996 auf Erteilung zusätzlicher Einfuhrbescheinigungen, die Gegenstand der vorliegenden Untätigkeitsklage sind, mit Entscheidung vom 9. Juli 1997 abgelehnt habe. Die Kommission ist der Auffassung, daß die Untätigkeitsklage damit gegenstandslos geworden sei und daß sich auch eine Beantwortung der schriftlichen Frage des Gerichts vom 9. Juli 1997 erübrige, falls das Gericht nichts anderes verfüge.

18.
    Die Klägerin ist aufgefordert worden, sich zu der Frage zu äußern, ob die Untätigkeitsklage angesichts der im Schreiben der Kommission vom 16. Juli 1997 enthaltenen Angaben nach ihrer Ansicht gegenstandslos geworden ist.

19.
    Die Klägerin ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen.

Würdigung durch das Gericht

20.
    Will eine Partei auf der Grundlage des Artikels 114 § 1 der Verfahrensordnung vorab eine Entscheidung des Gerichts über einen Zwischenstreit herbeiführen, so kann das Gericht nach § 3 des Artikels ohne mündliche Verhandlung entscheiden. In der vorliegenden Rechtssache hat das Schreiben der Kommission vom 16. Juli 1997 einen Zwischenstreit ausgelöst, über den ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden ist.

21.
    Durch die Entscheidung vom 9. Juli 1997 hat die Kommission den Antrag der Klägerin im Schreiben vom 16. Dezember 1996, gemäß Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 zusätzliche Einfuhrbescheinigungen für Bananen im Rahmen des Zollkontingents zu erteilen, abgelehnt.

22.
    Nach der Rechtsprechung beruht die in Artikel 175 des Vertrages eröffnete Klagemöglichkeit auf der Vorstellung, daß die Untätigkeit des Gemeinschaftsorgans die Anrufung des Gerichts erlaubt, damit dieses feststellt, daß die Unterlassung - soweit das betroffene Organ sie nicht abgestellt hat - gegen den Vertrag verstößt. Diese Feststellung hat nach Artikel 176 des Vertrages zur Folge, daß das beklagte Organ die sich aus dem Urteil des Gerichts ergebenden Maßnahmen zu treffen hat. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Handlung, deren Unterlassung Gegenstand des Rechtsstreits ist, nach Klageerhebung, aber vor Verkündung des Urteils vorgenommen wurde, kann eine Entscheidung des Gerichts, mit der die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Unterlassung festgestellt wird, nicht mehr die in Artikel 176 des Vertrages bezeichneten Folgen haben. Der Rechtsstreit ist daher gegenstandslos geworden (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 24. November 1992 in den Rechtssachen C-15/91 und C-108/91, Buckl u. a./Kommission, Slg. 1992, I-6061, Randnrn. 14 und 15).

23.
    Folglich ist die Klage in der Hauptsache erledigt.

24.
    Im übrigen ist zu bemerken, daß die Klägerin mit Klageschrift, die am 12. September 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 9. Juli 1997 erhoben hat. Diese Klage ist unter dem Aktenzeichen T-251/97 eingetragen worden.

25.
    Die Tatsache, daß die Klägerin nach Artikel 122 der Verfahrensordnung Versäumnisurteil beantragt hat, hindert das Gericht nicht daran, festzustellen, daß die Klage gegenstandslos geworden ist und sich die Hauptsache erledigt hat, da das Gericht nach den Artikeln 113 und 114 §§ 3 und 4 der Verfahrensordnung diese Frage jederzeit von Amts wegen aufwerfen und über sie befinden kann.

26.
    Unter diesen Umständen braucht über die Streithilfeanträge der Französischen Republik und des Königreichs Spanien nicht entschieden zu werden.

Kosten

27.
    Nach Artikel 87 § 6 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht, wenn es die Hauptsache für erledigt erklärt, über die Kosten nach freiem Ermessen.

28.
    Das Gericht hält es für angemessen, daß die Klägerin sämtliche Kosten trägt, die mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung verbunden sind, da sie diesen Antrag nach der mündlichen Verhandlung über die einstweilige Anordnung, aber vor Erlaß des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts zurückgenommen hat.

29.
    Zu den übrigen Kosten, die mit der Untätigkeitsklage verbunden sind, ist festzustellen, daß im Zeitpunkt der Aufforderung der Kommission, d. h. am 23. Dezember 1996, weniger als ein Monat seit der Verkündung des genannten Urteils T. Port vergangen war. Die vorliegende Klage ist am 27. Februar 1997, also genau zwei Monate nach der Aufforderung der Kommission, eingereicht worden. Angesichts der Komplexität des von ihr zu prüfenden wirtschaftlichen Sachverhalts war es nicht unangebracht, daß die Kommission auf die Anträge der Klägerin nicht innerhalb der Zweimonatsfrist vor der Klageerhebung reagiert hat. Unter diesen Umständen sind den Parteien in bezug auf die Untätigkeitsklage ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

beschlossen:

1.    Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

2.    Die Klägerin trägt sämtliche mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung verbundenen Kosten.

3.    In bezug auf die Untätigkeitsklage trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 26. November 1997

Der Kanzler

Die Präsidentin

H. Jung

P. Lindh


1: Verfahrenssprache: Deutsch.