Language of document : ECLI:EU:T:2013:348

URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)

9. Juli 2013(*)

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Personal der EIB – Überprüfung des Urteils des Gerichts – Abweisung der Klage im ersten Rechtszug als unzulässig – Versorgungsbezüge – Erhöhung der Versorgungsbeiträge – Rechtsbehelfsfrist – Angemessene Frist“

In der Rechtssache T‑234/11 P‑RENV‑RX

betreffend ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 4. Februar 2011, Arango Jaramillo u. a./EIB (F‑34/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wegen Aufhebung dieses Beschlusses,

Oscar Orlando Arango Jaramillo, Bediensteter der Europäischen Investitionsbank, wohnhaft in Luxemburg (Luxemburg), und die 34 weiteren Bediensteten der Europäischen Investitionsbank, deren Namen im Anhang aufgeführt sind, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B. Cortese und C. Cortese,

Rechtsmittelführer,

andere Verfahrensbeteiligte:

Europäische Investitionsbank (EIB), vertreten durch C. Gómez de la Cruz und T. Gilliams als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt P.‑E. Partsch,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger, der Richterin I. Pelikánová (Berichterstatterin) und des Richters A. Dittrich,

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

1        Das vorliegende Verfahren folgt auf das Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 28. Februar 2013, Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB (C‑334/12 RX‑II, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), in dem der Gerichtshof im Anschluss an die Feststellung, dass das Urteil des Gerichts (Rechtsmittelkammer) vom 19. Juni 2012, Arango Jaramillo u. a./EIB (T‑234/11 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: überprüftes Urteil), betreffend ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 4. Februar 2011, Arango Jaramillo u. a./EIB (F‑34/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss), die Einheit und die Kohärenz des Rechts der Europäischen Union beeinträchtigt, das überprüfte Urteil aufgehoben und die Sache an das Gericht zurückverwiesen hat.

 Sachverhalt

2        Aus den Randnrn. 2 bis 4 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass Herr Oscar Orlando Arango Jaramillo und die 34 weiteren Rechtsmittelführer, deren Namen im Anhang aufgeführt sind, Bedienstete der Europäischen Investitionsbank (EIB) sind. Seit dem 1. Januar 2007 werden die Gehaltsabrechnungen der Bediensteten der EIB nicht mehr in der herkömmlichen Papierform, sondern elektronisch erstellt. Sie werden nunmehr jeden Monat in das EDV-System „Peoplesoft“ der EIB eingestellt und können dort von jedem Bediensteten an seinem Arbeitsplatzcomputer eingesehen werden.

3        Am Samstag, dem 13. Februar 2010, wurden die Gehaltsabrechnungen für Februar 2010 in das EDV-System „Peoplesoft“ eingestellt. Diese Abrechnungen wiesen gegenüber den Abrechnungen für Januar 2010 eine Erhöhung des Versorgungsbeitragssatzes aus, die sich aus Entscheidungen ergab, die von der EIB im Rahmen der Reform des Versorgungssystems ihrer Bediensteten getroffen worden waren.

 Verfahren im ersten Rechtszug und angefochtener Beschluss

4        Am 26. Mai 2010 erhoben die Rechtsmittelführer beim Gericht für den öffentlichen Dienst eine unter dem Aktenzeichen F‑34/10 in das Register eingetragene Klage auf Aufhebung ihrer Gehaltsabrechnungen für Februar 2010, soweit sie die Entscheidungen der EIB, ihre Versorgungsbeiträge zu erhöhen, umsetzten, und auf Verurteilung der EIB zum symbolischen Ersatz ihres immateriellen Schadens durch Zahlung von einem Euro.

5        Mit besonderem, an die Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst gerichteten Schriftsatz erhob die EIB gemäß Art. 78 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst eine Einrede der Unzulässigkeit und beantragte, vorab über die Unzulässigkeit der Klage zu entscheiden.

6        In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit machten die Rechtsmittelführer u. a. geltend, im Licht der besonderen Umstände des Falles, insbesondere des Fehlens jeder ausdrücklichen Vorschrift über die Klagefristen der Bediensteten der EIB, würde die strikte Anwendung der allgemeinen Klagefrist von drei Monaten und zehn Tagen ihr Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf beeinträchtigen (angefochtener Beschluss, Randnr. 18).

7        Mit dem angefochtenen Beschluss, der gemäß Art. 78 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst erging, wies das Gericht für den öffentlichen Dienst, ohne mündlich zu verhandeln und ohne die Entscheidung dem Endurteil vorzubehalten, die Klage wegen Verspätung als unzulässig ab.

 Rechtsmittel vor dem Gericht

8        Mit Schriftsatz, der am 28. April 2011 bei der Kanzlei des Gerichts einging, legten die Rechtsmittelführer gemäß Art. 9 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ein Rechtsmittel gegen den angefochtenen Beschluss ein, das unter dem Aktenzeichen T‑234/11 P in das Register eingetragen wurde.

9        Im Rahmen dieses Rechtsmittels beantragten die Rechtsmittelführer, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, die von der EIB in der Rechtssache F‑34/10 erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen und die Sache an das Gericht für den öffentlichen Dienst zurückzuverweisen, damit es über die Begründetheit entscheidet.

10      Im Anschluss an die Feststellung, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hatte, entschied das Gericht ohne mündliche Verhandlung über den Rechtsstreit.

11      Die Rechtsmittelführer stützten ihr Rechtsmittel auf drei Gründe, einen Hauptgrund und zwei hilfsweise geltend gemachte Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund rügten sie einen Rechtsfehler bei der Auslegung des Begriffs der angemessenen Frist für die Erhebung einer Klage und insbesondere einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie eine Verletzung des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz. Der zweite Rechtsmittelgrund wurde auf einen Rechtsfehler bei der Auslegung der einschlägigen Verfahrensvorschriften, insbesondere der Vorschriften über das Vorliegen eines Falles höherer Gewalt, gestützt. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund wurden eine Verfälschung der dem Gericht für den öffentlichen Dienst unterbreiteten Belege für das Vorliegen eines Falles höherer Gewalt sowie eine Verletzung der Vorschriften über die Beweisaufnahme und prozessleitende Maßnahmen im ersten Rechtszug gerügt.

12      Im überprüften Urteil wies das Gericht das Rechtsmittel mit der Begründung zurück, dass die von den Rechtsmittelführern angeführten Rechtsmittelgründe teils unzulässig und im Übrigen unbegründet seien.

13      Zur Zurückweisung des ersten Rechtsmittelgrundes, auf den sich das Rechtsmittel in erster Linie stützte, führte das Gericht aus, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst im angefochtenen Beschluss auf den Fall der Rechtsmittelführer zutreffend eine Regel angewandt habe, nach der in Analogie zu der in Art. 91 Abs. 3 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut) vorgesehenen Klagefrist eine Frist von drei Monaten für die Erhebung einer Anfechtungsklage durch einen Bediensteten der EIB gegen eine ihn beschwerende Handlung der Bank grundsätzlich als angemessen anzusehen sei (überprüftes Urteil, Randnr. 27). Das Gericht kam ferner zu dem Ergebnis, dass die den Bediensteten der EIB damit auferlegte Pflicht, innerhalb einer genauen Frist Klage zu erheben, nicht als Beeinträchtigung ihres Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf oder des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angesehen werden könne (überprüftes Urteil, Randnr. 41).

 Überprüfung durch den Gerichtshof

14      Im Anschluss an den vom Ersten Generalanwalt unterbreiteten Vorschlag beschloss der Gerichtshof (in Art. 123b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs in ihrer zur Zeit dieses Vorschlags geltenden Fassung vorgesehene besondere Kammer) mit Entscheidung vom 12. Juli 2012 (C‑334/12 RX, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), eine Überprüfung vorzunehmen. Nach dieser Entscheidung sollte sich die Überprüfung auf die Fragen erstrecken, ob das überprüfte Urteil dadurch die Einheit oder die Kohärenz des Unionsrechts beeinträchtigt, dass das Gericht als Rechtsmittelgericht den Begriff „angemessene Frist“ im Kontext der Erhebung einer Klage von Bediensteten der EIB auf Aufhebung einer sie beschwerenden Handlung der Bank als eine Frist ausgelegt hat, deren Überschreitung zur Verspätung und damit zur Unzulässigkeit der Klage führt, ohne dass der Unionsrichter die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hätte, und ob diese Auslegung des Begriffs „angemessene Frist“ geeignet ist, das in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2010, C 83, S. 389) verankerte Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf zu verletzen.

15      Im Urteil Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB hat der Gerichtshof das überprüfte Urteil aufgehoben, weil es seines Erachtens in der Tat dadurch die Kohärenz des Unionsrechts beeinträchtigt, dass das Gericht als Rechtsmittelgericht den Begriff „angemessene Frist“ im Kontext der Erhebung einer Anfechtungsklage von Bediensteten der EIB auf Aufhebung einer sie beschwerenden Handlung der Bank als eine Frist von drei Monaten ausgelegt hat, deren Überschreitung automatisch zur Verspätung der Klage und damit zu ihrer Unzulässigkeit führt, ohne dass der Unionsrichter die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hätte.

16      Aufgrund der Erwägung, dass sich die endgültige Klärung der Frage, ob die Klage der Rechtsmittelführer zulässig ist und ob sie insbesondere innerhalb einer angemessenen Frist im Sinne der mit dem Grundsatz des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf konformen Rechtsprechung erhoben wurde, nicht aus den Tatsachenfeststellungen ergibt, auf denen das überprüfte Urteil beruht, ist der Gerichtshof jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass er den Rechtsstreit nicht gemäß Art. 62b seiner Satzung selbst endgültig entscheiden kann. Infolgedessen hat er zwar über die Kosten des Überprüfungsverfahrens entschieden, die Sache aber an das Gericht zurückverwiesen, damit es im Licht aller Umstände der Rechtssache beurteilt, ob die Rechtsmittelführer ihre Klage vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst innerhalb einer angemessenen Frist erhoben haben.

 Zur nach Überprüfung zurückverwiesenen Sache

 Verfahren

17      Nach Art. 121a der Verfahrensordnung des Gerichts ist infolge des Urteils Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB die vorliegende Rechtssache erneut beim Gericht anhängig geworden.

18      Mit Schreiben vom 1. März 2013 hat die Kanzlei des Gerichts die Parteien gemäß Art. 121c § 1 der Verfahrensordnung aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB schriftlich dazu Stellung zu nehmen, welche Schlussfolgerungen aus diesem Urteil für die Entscheidung des Rechtsstreits zu ziehen sind.

19      Am 22. März und am 16. April 2013 sind die Stellungnahmen der EIB und der Rechtsmittelführer bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

20      Die EIB beantragt in ihrer Stellungnahme,

–        die Rechtssache an das Gericht für den öffentlichen Dienst zurückzuverweisen;

–        hilfsweise, das Rechtsmittel zurückzuweisen, nachdem die Unzulässigkeit der von den Rechtsmittelführern vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst erhobenen Klage wegen Verspätung mit der Begründung bestätigt wurde, dass die Klage innerhalb einer Frist erhoben wurde, die im Licht aller Umstände der Rechtssache nicht angemessen erscheint, und den Rechtsmittelführern die durch das Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.

21      Die Rechtsmittelführer beantragen in ihrer Stellungnahme,

–        dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben und den angefochtenen Beschluss auf dieser Grundlage aufzuheben, weil ihre Klage vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst im Licht aller Umstände der Rechtssache innerhalb einer angemessenen Frist erhoben wurde;

–        die Sache an das Gericht für den öffentlichen Dienst zurückzuverweisen, damit es über die Begründetheit der Klage und die durch das Verfahren im ersten Rechtszug entstandenen Kosten entscheidet;

–        der EIB die durch das Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

22      Infolge des Urteils Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB ist das oben in Randnr. 8 angeführte Rechtsmittel erneut beim Gericht anhängig geworden, und das Gericht muss die drei von den Rechtsmittelführern zu seiner Stützung angeführten, oben in Randnr. 11 wiedergegebenen Gründe erneut prüfen, wobei es alle nach dem genannten Urteil gebotenen Schlussfolgerungen für die Entscheidung des Rechtsstreits zu ziehen hat.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund, mit dem ein Rechtsfehler bei der Auslegung des Begriffs der angemessenen Frist für die Erhebung einer Klage und insbesondere ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie eine Verletzung des Rechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gerügt werden

23      Der erste Rechtsmittelgrund besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil wird ein Rechtsfehler bei der Auslegung des Begriffs der angemessenen Frist für die Erhebung einer Klage gerügt. Mit dem zweiten Teil werden ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie eine Verletzung des Rechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz geltend gemacht.

24      Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes werfen die Rechtsmittelführer dem Gericht für den öffentlichen Dienst vor, es habe im angefochtenen Beschluss einen Rechtsfehler begangen, als es ihre Klage im Wesentlichen mit der Begründung als unzulässig abgewiesen habe, dass die Frist von drei Monaten, zehn Tagen und einigen Sekunden für die Einreichung der Klageschrift bei der Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst keine angemessene Frist sei. Dadurch habe das Gericht für den öffentlichen Dienst der Rechtsprechung zu den Klagefristen der Bediensteten der EIB (Urteile des Gerichts vom 23. Februar 2001, De Nicola/EIB, T‑7/98, T‑208/98 und T‑109/99, Slg. ÖD 2001, I‑A‑49 und II‑185, Randnr. 99, und vom 6. März 2001, Dunnett u. a./EIB, T‑192/99, Slg. 2001, II‑813, Randnrn. 53 und 58) eine ihr fremde Tragweite beigemessen, indem es den Grundsatz der Wahrung einer angemessenen Frist, der seinem Wesen nach flexibel und offen für die konkrete Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen sei, de facto aufgegeben und durch eine genaue, strikt anwendbare und generalisierte Frist von drei Monaten ersetzt habe. Außerdem habe das Gericht für den öffentlichen Dienst die ihm vorgelegten Unterlagen und Zeugenaussagen nicht berücksichtigt, die belegt hätten, dass andere Adressaten, die an andere Server als den Ausgangsserver angeschlossen gewesen seien, innerhalb der Frist von drei Monaten und zehn Tagen per E‑Mail beglaubigte Kopien der Klageschrift erhalten hätten und dass es in den Büroräumen ihrer Anwälte am Abend der Übersendung der Klageschrift einen Stromausfall gegeben habe, der etwa zehn Minuten vor Mitternacht beendet gewesen sei und die Übersendung verzögert habe. Überdies habe das Gericht für den öffentlichen Dienst die besonderen Umstände des konkreten Falles außer Acht gelassen, insbesondere die Tatsache, dass die EIB es schuldhaft versäumt habe, ihrer Regelungspflicht nachzukommen und eine feste und verlässliche Frist festzulegen, und dass sie die angefochtenen Entscheidungen in Form der Gehaltsabrechnungen für Februar 2010 auf der Grundlage einer Regelung erlassen habe, die weder zu diesem Zeitpunkt noch zum Zeitpunkt der Klageerhebung veröffentlicht gewesen sei.

25      Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführer geltend, das Gericht für den öffentlichen Dienst habe im angefochtenen Beschluss ihr Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz verletzt und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, von dem sich die Anwendung von Rechtsvorschriften oder ‑grundsätzen leiten lassen müsse, wenn sie das Recht auf Zugang zu einem Gericht einschränkten. Abweichend von seiner früheren, auf einer flexiblen und für die Rechtsmittelführer günstigen Anwendung des Grundsatzes der Einhaltung einer angemessenen Klagefrist beruhenden Rechtsprechung habe sich das Gericht für den öffentlichen Dienst in Widerspruch zu dem grundlegenden Erfordernis einer angemessenen Abwägung des Anspruchs der Rechtssuchenden auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz und des Erfordernisses der Rechtssicherheit gesetzt. Dieser Widerspruch sei unter den oben in Randnr. 24 geschilderten besonderen Umständen des vorliegenden Falles offenkundig. Angesichts dieser besonderen Umstände erweise sich die strikte und generalisierte Anwendung einer genauen Frist von drei Monaten, die in keinem Rechtstext festgelegt sei und sich auch nicht aus einer klaren und konstanten Rechtsprechung ergebe, als übermäßige Beschränkung ihres durch Art. 47 der Charta der Grundrechte gewährleisteten Rechts auf Zugang zu einem Gericht. Sie stehe überdies außer Verhältnis zu dem Ziel der Sicherstellung des Bestands der Rechtsakte der EIB, das mit dem Grundsatz der Einhaltung einer angemessenen Frist verfolgt werde.

26      Die EIB tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführer entgegen und beantragt im Wesentlichen, die beiden Teile des ersten Rechtsmittelgrundes als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund versuchten die Rechtsmittelführer, dem Rechtsmittelgericht Tatsachenwürdigungen des Gerichts für den öffentlichen Dienst im angefochtenen Beschluss zur Prüfung zu unterbreiten, was nicht in die Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts falle. Jedenfalls sei der erste Rechtsmittelgrund unbegründet. Aus der Rechtsprechung gehe nämlich hervor, dass die angemessene Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage durch einen Bediensteten der EIB eine feste Frist von drei Monaten zuzüglich der pauschalen Entfernungsfrist von zehn Tagen sei, die im Wege der Analogie aus den Bestimmungen des Statuts über Rechtsbehelfe herzuleiten sei. Außerdem ergebe sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und der Unionsgerichte, dass die Vorschriften über Klagefristen sowohl mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch mit dem Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz in Einklang gebracht werden könnten.

27      Soweit die EIB die Zulässigkeit der beiden Teile des ersten Rechtsmittelgrundes in Abrede stellt, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung allein das Gericht des ersten Rechtszugs für die Feststellung der Tatsachen – sofern sich nicht aus den ihm vorgelegten Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und für ihre Würdigung zuständig ist. Hat das Gericht des ersten Rechtszugs die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt, so ist das Rechtsmittelgericht zur Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der Rechtsfolgen, die das Gericht des ersten Rechtszugs aus ihnen gezogen hat, befugt (Urteil des Gerichts vom 2. Juli 2010, Kerstens/Kommission, T‑266/08 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37; vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 6. April 2006, General Motors/Kommission, C‑551/03 P, Slg. 2006, I‑3173, Randnr. 51, und vom 21. September 2006, JCB Service/Kommission, C‑167/04 P, Slg. 2006, I‑8935, Randnr. 106).

28      Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wenden sich die Rechtsmittelführer nicht gegen die Tatsachenfeststellungen, die das Gericht für den öffentlichen Dienst im angefochtenen Beschluss zu der Frist getroffen hat, innerhalb deren die Klage erhoben wurde, sondern gegen die vom Gericht aus diesen Feststellungen gezogenen Schlüsse, dass nämlich die Frist, innerhalb deren die Klage erhoben worden sei, nicht als „angemessen“ eingestuft werden könne. Die Frage, ob das Gericht für den öffentlichen Dienst aufgrund des Sachverhalts des vorliegenden Falles zu dem Schluss berechtigt war, dass die Rechtsmittelführer ihre Klage nicht innerhalb einer angemessenen Frist erhoben hatten, stellt aber eine Rechtsfrage dar, die der Prüfung durch das Rechtsmittelgericht unterliegt.

29      Folglich ist die von der EIB gegen den ersten Rechtsmittelgrund erhobene Einrede der Unzulässigkeit als unbegründet zurückzuweisen.

30      Zur inhaltlichen Prüfung des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes, mit dem ein Rechtsfehler bei der Auslegung des Begriffs der angemessenen Frist für die Erhebung einer Klage gerügt wird, ist festzustellen, dass weder der AEU-Vertrag noch die vom Verwaltungsrat der EIB gemäß Art. 29 ihrer Geschäftsordnung erlassene Personalordnung der EIB Angaben zur Klagefrist bei Rechtsstreitigkeiten zwischen der EIB und ihren Bediensteten enthält. Der Ausgleich zwischen dem zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts zählenden Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz, kraft dessen der Kläger über eine angemessene Frist für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des ihn beschwerenden Rechtsakts und gegebenenfalls die Vorbereitung seiner Klage verfügen muss, und dem Gebot der Rechtssicherheit, das erfordert, dass nach Ablauf einer bestimmten Frist die von den Stellen der Union erlassenen Rechtsakte unanfechtbar werden, verlangt aber, dass der Unionsrichter mit diesen Rechtsstreitigkeiten innerhalb einer angemessenen Frist befasst wird (vgl. Urteile De Nicola/EIB, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnrn. 97 bis 99 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Dunnett u. a./EIB, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnrn. 51 bis 53 und die dort angeführte Rechtsprechung; Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 6. Dezember 2002, D/EIB, T‑275/02 R, Slg. ÖD 2002, I‑A‑259 und II‑1295, Randnrn. 31 und 32).

31      Nach der Rechtsprechung ist die „Angemessenheit“ einer Frist – sei es die Dauer eines Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens oder eine Fristfrage, die wie im vorliegenden Fall unmittelbaren Einfluss auf die Zulässigkeit einer Klage hat – stets anhand aller Umstände jedes Einzelfalls und insbesondere anhand der Interessen, die in dem Rechtsstreit für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, der Komplexität der Rechtssache sowie des Verhaltens der Parteien zu beurteilen (vgl. Urteil Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB, Randnrn. 28 bis 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus folgt im Allgemeinen, dass der Begriff der angemessenen Frist nicht als besondere Ausschlussfrist verstanden werden kann und dass insbesondere die in Art. 91 Abs. 3 des Statuts vorgesehene Frist von drei Monaten nicht analog als Ausschlussfrist auf die Bediensteten der EIB angewandt werden kann, wenn sie eine Anfechtungsklage gegen eine sie beschwerende Handlung der Bank erheben (vgl. Urteil Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Folglich kann allein daraus, dass ein Bediensteter der EIB eine Anfechtungsklage gegen eine ihn beschwerende Handlung der Bank innerhalb einer Frist erhoben hat, die drei Monate und zehn Tage überschreitet, nicht geschlossen werden, dass die Klage verspätet erhoben wurde, da der Unionsrichter in jedem Fall anhand der Umstände der Rechtssache die Angemessenheit der Frist prüfen muss.

33      Die bloße Tatsache, dass das Gericht in den Urteilen De Nicola/EIB (oben in Randnr. 24 angeführt, Randnrn. 118 bis 120) und Dunnett u. a./EIB (oben in Randnr. 24 angeführt, Randnrn. 57 und 58) Fristen, die drei Monate und zehn Tage nicht überschritten, als angemessen eingestuft hat, bedeutet nicht, dass nicht auch längere Fristen im Licht der Umstände der fraglichen Rechtssachen als „angemessen“ hätten eingestuft werden können, denn der Unionsrichter hat sich darauf beschränkt, über die konkreten ihm unterbreiteten Fälle zu entscheiden, ohne zu prüfen, ob längere Fristen noch als angemessen hätten eingestuft werden können. Umgekehrt lässt die Tatsache, dass der Präsident des Gerichts im Beschluss D/EIB (oben in Randnr. 30 angeführt, Randnrn. 38 bis 40) eine Frist von fünf Monaten im Licht der Umstände der Rechtssache nicht als angemessen eingestuft hat, nicht den Schluss zu, dass eine kürzere, aber gleichwohl mehr als drei Monate und zehn Tage betragende Frist nicht als „angemessen“ hätte eingestuft werden können, und erst recht nicht den Schluss, dass unter anderen Umständen eine solche Frist nicht als „angemessen“ hätte eingestuft werden können.

34      Im vorliegenden Fall hat das Gericht für den öffentlichen Dienst seine Entscheidung, dass die Klage nicht innerhalb einer angemessenen Frist erhoben worden und infolgedessen wegen Verspätung als unzulässig abzuweisen sei, allein damit begründet, dass sie einige Sekunden oder Sekundenbruchteile nach Ablauf der Frist von drei Monaten, zuzüglich der in Art. 100 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst vorgesehenen pauschalen Entfernungsfrist von zehn Tagen- erhoben worden sei, die sich aus einer analogen Anwendung der in Art. 91 Abs. 3 des Statuts vorgesehenen Klagefrist ergebe. Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat somit im angefochtenen Beschluss einen Rechtsfehler begangen, als es den Begriff „angemessene Frist“ im Kontext der Erhebung einer Klage von Bediensteten der EIB auf Aufhebung einer sie beschwerenden Handlung der Bank als eine Frist von drei Monaten und zehn Tagen ausgelegt hat, deren Überschreitung automatisch zur Verspätung der Klage und damit zu ihrer Unzulässigkeit führte, ohne seiner Rechtspflicht nachzukommen, die Umstände des konkreten Falles und insbesondere die Interessen, die in dem Rechtsstreit für die Rechtsmittelführer auf dem Spiel stehen, die Komplexität der Rechtssache sowie das jeweilige Verhalten der EIB und der Rechtsmittelführer zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB, Randnrn. 22, 27, 28, 46 und 54).

35      Daher ist dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, mit dem ein vom Gericht für den öffentlichen Dienst im angefochtenen Beschluss begangener Rechtsfehler bei der Auslegung des Begriffs der angemessenen Frist für die Erhebung einer Klage gerügt wird, stattzugeben.

36      Infolgedessen ist, ohne dass über den zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes und über den zweiten und den dritten Rechtsmittelgrund entschieden zu werden braucht, dem Rechtsmittelantrag stattzugeben und der angefochtene Beschluss aufzuheben.

 Zur Zurückverweisung der Sache an das Gericht für den öffentlichen Dienst

37      Nach Art. 13 Abs. 1 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs kann das Gericht, wenn das Rechtsmittel begründet ist, die Entscheidung des Gerichts für den öffentlichen Dienst aufheben und den Rechtsstreit selbst entscheiden. Es verweist die Sache zur Entscheidung an das Gericht für den öffentlichen Dienst zurück, wenn der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif ist.

38      Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat im angefochtenen Beschluss nicht alle für die Entscheidung über die Angemessenheit der Klagefrist und damit über die Zulässigkeit der Klage gebotenen rechtlichen Würdigungen vorgenommen. Aus diesem Grund ergibt sich die endgültige Entscheidung über die Frage, ob die Klage der Rechtsmittelführer zulässig ist, nicht aus der Tatsachenwürdigung, auf der der angefochtene Beschluss beruht. Unter diesen Umständen ist der vorliegende Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif. Daher ist die Sache an das Gericht für den öffentlichen Dienst zurückzuverweisen, damit es erneut über die Klage entscheidet.

 Kosten

39      Da die Sache an das Gericht für den öffentlichen Dienst zurückverwiesen wird, ist die Entscheidung über die Kosten des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens vorzubehalten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 4. Februar 2011, Arango Jaramillo u. a./EIB, wird aufgehoben.

2.      Die Sache wird an das Gericht für den öffentlichen Dienst zurückverwiesen.

3.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Jaeger

Pelikánová

Dittrich

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Juli 2013.

Unterschriften


Anhang

María Esther Badiola, wohnhaft in Luxemburg (Luxemburg),

Marcella Bellucci, wohnhaft in Luxemburg,

Stefan Bidiuc, wohnhaft in Grevenmacher (Luxemburg),

Raffaella Calvi, wohnhaft in Schuttrange (Luxemburg),

Maria José Cerrato, wohnhaft in Luxemburg,

Sara Confortola, wohnhaft in Verona (Italien),

Carlos D’Anglade, wohnhaft in Luxemburg,

Nuno Da Fonseca Pestana Ascenso Pires, wohnhaft in Luxemburg,

Andrew Davie, wohnhaft in Medernach (Luxemburg),

Marta De Sousa e Costa Correia, wohnhaft in Itzig (Luxemburg),

Nausica Di Rienzo, wohnhaft in Luxemburg,

José Manuel Fernandez Riveiro, wohnhaft in Sandweiler (Luxemburg),

Eric Gällstad, wohnhaft in Rameldange (Luxemburg),

Andres Gavira Etzel, wohnhaft in Luxemburg,

Igor Greindl, wohnhaft in Canach (Luxemburg),

José Doramas Jorge Calderón, wohnhaft in Luxemburg,

Monica Lledó Moreno, wohnhaft in Sandweiler,

Antonio Lorenzo Ucha, wohnhaft in Luxemburg,

Juan Antonio Magaña-Campos, wohnhaft in Luxemburg,

Petia Manolova, wohnhaft in Bereldange (Luxemburg),

Ferran Minguella Minguella, wohnhaft in Gonderange (Luxemburg),

Barbara Mulder-Bahovec, wohnhaft in Luxemburg,

István Papp, wohnhaft in Luxemburg,

Stephen Richards, wohnhaft in Blaschette (Luxemburg),

Lourdes Rodriguez Castellanos, wohnhaft in Sandweiler,

Daniela Sacchi, wohnhaft in Mondorf-les-Bains (Luxemburg),

Maria Teresa Sousa Coutinho da Silveira Ramos, wohnhaft in Almargem do Bispo (Portugal),

Isabelle Stoffel, wohnhaft in Mondorf-les-Bains,

Fernando Torija, wohnhaft in Luxemburg,

María del Pilar Vargas Casasola, wohnhaft in Luxemburg,

Carolina Vento Sánchez, wohnhaft in Luxemburg,

Pé Verhoeven, wohnhaft in Brüssel (Belgien),

Sabina Zajc, wohnhaft in Contern (Luxemburg),

Peter Zajc, wohnhaft in Contern


* Verfahrenssprache: Französisch.