Urteil des Gerichts (Neunte Kammer) vom 29. Februar 2016 – Deutsche Bahn u. a./Kommission
(Rechtssache T‑267/12)
„Wettbewerb – Kartelle – Speditionsdienste im internationalen Luftverkehr – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird – Preisfestsetzung – Aufschläge und Rechnungsstellungsmechanismen, die sich auf den Endpreis auswirken – In einem Antrag auf Erlass der Geldbuße enthaltene Beweismittel – Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwälten und Mandanten – Berufsständische Regeln betreffend eine Loyalitätspflicht und ein Verbot der Doppelvertretung – Treuhänderische Pflichten – Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung – Wahl der Unternehmen – Geldbußen – Verhältnismäßigkeit – Schwere der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände – Gleichbehandlung – Zusammenarbeit – Teilweiser Erlass der Geldbuße – Unbeschränkte Nachprüfung – Transaktion – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen (2006)“
1. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Befugnis des Unionsrichters zu unbeschränkter Nachprüfung – Umfang (Art. 261 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 31) (vgl. Rn. 34-37)
2. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Heranziehung von Erklärungen anderer an der Zuwiderhandlung beteiligter Unternehmen als Beweise – Zulässigkeit – Voraussetzungen (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2) (vgl. Rn. 43-45)
3. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Nachprüfungsbefugnisse der Kommission – Befugnis, die Vorlage eines Schriftwechsels zwischen Rechtsanwalt und Mandant zu fordern – Grenzen – Schutz der Vertraulichkeit einer solchen Kommunikation – Bedeutung (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2, 17 und 19) (vgl. Rn. 48, 49)
4. Wettbewerb – Verkehr – Wettbewerbsregeln – Luftverkehr – Verordnung Nr. 17 – Geltungsbereich – Tätigkeiten, die unmittelbar die Erbringung von Luftverkehrsleistungen betreffen – Ausschluss – Tätigkeiten, die sich nicht auf den Luftverkehr selbst, sondern auf einen vor- oder nachgelagerten Markt beziehen – Einschluss (Art. 101 AEUV; Verordnungen des Rates Nr. 17, Nr. 141, dritter Erwägungsgrund und Art. 1) (vgl. Rn. 80-86)
5. Wettbewerb – Regeln der Union – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Für die Zuwiderhandlung verantwortliche rechtliche Einheit – Verschwinden dieser Einheit zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses der Kommission oder Übertragung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten auf eine andere Einheit mit einer strukturellen Verbindung zu ihr – Zurechnung an den wirtschaftlichen Nachfolger – Zulässigkeit (Art. 101 AEUV) (vgl. Rn. 120-124)
6. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt und eine Geldbuße verhängt wird – Auswahl der rechtlichen Einheiten, gegen die eine Sanktion verhängt wird – Wertungsspielraum – Grenzen – Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2) (vgl. Rn. 142-150)
7. Handlung der Organe – Begründung – Verpflichtung – Umfang – Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln – Möglichkeit der Kommission, das Fehlen einer Begründung des Beschlusses im Verfahren vor den Unionsgerichten zu heilen – Fehlen (Art. 101 AEUV und 296 AEUV) (vgl. Rn. 160-162, 445)
8. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Festlegung des Grundbetrags – Ermittlung des Umsatzes – Schwere der Zuwiderhandlung – Festsetzung der Geldbuße in angemessenem Verhältnis zu den Gesichtspunkten für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung – Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens – Mit den Waren, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, erzielter Umsatz – Jeweilige Berücksichtigung – Grenzen (Art. 101 AEUV; Charta der Grundrechte, Art. 49 Abs. 3; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 3; Mitteilung 2006/C 210/02, Nr. 13) (vgl. Rn. 175-179)
9. Wettbewerb – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Rechtsnatur – Verhaltensnorm mit Hinweischarakter, die eine Selbstbeschränkung des Ermessens der Kommission impliziert – Möglichkeit der Kommission, davon abzuweichen – Voraussetzungen (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Nrn. 13 und 37) (vgl. Rn. 180-183)
10. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Festlegung des Grundbetrags – Ermittlung des Umsatzes – Umsätze, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen – Kartell im Sektor der Speditionsdienste im internationalen Luftverkehr – Kartell, das sich auf die Speditionsdienste als Dienstleistungspaket bezieht – Berücksichtigung der mit den Speditionsdiensten als Dienstleistungspaket erzielten Umsätze – Zulässigkeit (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Nr. 13) (vgl. Rn. 187-201, 205-207)
11. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Festlegung des Grundbetrags – Ermittlung des Umsatzes – Umsätze, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen – Beschränkung auf die tatsächlich vom Kartell betroffenen Umsätze – Fehlen (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Nr. 13) (vgl. Rn. 215-218)
12. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Leitlinien der Kommission – Existenz eines Kartells, das sich auf einen vorgelagerten Markt bezieht – Umstand, wegen dessen die Kommission von den Leitlinien abweichen muss – Fehlen (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Nr. 13) (vgl. Rn. 224-228)
13. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Verfolgung eines Ziels der Generalprävention – Zulässigkeit (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Nr. 13) (vgl. Rn. 239)
14. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – Existenz eines Kartells, das sich auf einen vorgelagerten Markt bezieht – Fehlen (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Nr. 29) (vgl. Rn. 265-267)
15. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Grundsatz der Gleichbehandlung – Entscheidungspraxis der Kommission – Unverbindlichkeit (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Nr. 13) (vgl. Rn. 274-278, 452)
16. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Akteneinsicht – Umfang – Weigerung, ein Dokument zu übermitteln – Folgen – Notwendigkeit, bei der dem betroffenen Unternehmen obliegenden Beweislast zwischen belastenden und entlastenden Schriftstücken zu unterscheiden (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 27 Abs. 1 und 2; Verordnung Nr. 773/2004 der Kommission, Art. 15) (vgl. Rn. 290-294)
17. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Anpassung des Grundbetrags – Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen als Gegenleistung für die Zusammenarbeit der beschuldigten Unternehmen – Zwingender Charakter für die Kommission – Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes – Voraussetzungen (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 298/11 der Kommission, Nr. 38) (vgl. Rn. 303)
18. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Rechtlicher Rahmen – Leitlinien der Kommission – Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen als Gegenleistung für die Zusammenarbeit der beschuldigten Unternehmen – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Umfang (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 298/11 der Kommission) (vgl. Rn. 315)
19. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Nachprüfungsbefugnis der Kommission – Beschluss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird – Begründungspflicht – Umfang (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 20 Abs. 4) (vgl. Rn. 317-319)
20. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Nichtverhängung oder Herabsetzung einer Geldbuße als Gegenleistung für die Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens – Gewährung eines bedingten Geldbußenerlasses – Voraussetzung – Vorlage von Informationen, die es der Kommission ermöglichen müssen, sich im Einzelnen ein genaues Bild von der Art und dem Umfang des mutmaßlichen Kartells zu machen – Fehlen – Informationen, die es der Kommission ermöglichen müssen, eine gezielte Untersuchung im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Zuwiderhandlung durchzuführen (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 298/11 der Kommission, Nrn. 8, Buchst. a, 9, Buchst. a, und 18) (vgl. Rn. 335-338, 364)
21. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Anpassung des Grundbetrags – Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen als Gegenleistung für die Zusammenarbeit der beschuldigten Unternehmen – Unternehmen, das als erstes zwingende Beweise übermittelt – Beurteilungskriterien (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 298/11 der Kommission, Nr. 26 Abs. 3) (vgl. Rn. 375-377)
22. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Vergleichsverfahren – Einleitung – Ermessen der Kommission – Umfang (Art. 101 AEUV und 102 AEUV; Verordnungen der Kommission Nr. 773/2004, Art. 10a Abs. 1, und Nr. 622/2008, vierter Erwägungsgrund; Mitteilung 2008/C 167/01 der Kommission) (vgl. Rn. 417, 418, 424, 438)
Gegenstand
| Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2012) 1959 final der Kommission vom 28. März 2012 in einem Verfahren nach Art. 101 [AEUV] und Art. 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39462 – Speditionsdienste), soweit er die Klägerinnen betrifft, sowie Klage auf Abänderung der darin gegen sie verhängten Geldbußen |
Tenor
1. | | Die Klage wird abgewiesen. |
2. | | Die Deutsche Bahn AG, die Schenker AG, die Schenker China Ltd und die Schenker International (HK) Ltd tragen die Kosten. |