Language of document : ECLI:EU:F:2015:116

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION (Erste Kammer)

6. Oktober 2015(*)

„Öffentlicher Dienst – Einstellung – Allgemeines Auswahlverfahren – Aufnahme in die Reserveliste – Entscheidung der Anstellungsbehörde, einen erfolgreichen Teilnehmer nicht einzustellen – Jeweilige Zuständigkeit des Prüfungsausschusses und der Anstellungsbehörde – Bedingungen für die Zulassung zum Auswahlverfahren – Mindestdauer der Berufserfahrung – Berechnungsmodalitäten – Offensichtlicher Beurteilungsfehler des Prüfungsausschusses – Fehlen – Verlust einer Einstellungschance – Entschädigung“

In der Rechtssache F‑119/14

betreffend eine Klage nach Art. 270 AEUV, der gemäß Art. 106a EA auch für den EAG-Vertrag gilt,

FE, wohnhaft in Luxemburg (Luxemburg), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. Levi und A. Blot,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch J. Currall und G. Gattinara als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer),

unter Mitwirkung des Präsidenten R. Barents sowie der Richter E. Perillo (Berichterstatter) und J. Svenningsen,

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2015

folgendes

Urteil

1        Mit Klageschrift, die am 24. Oktober 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat FE die vorliegende Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung der Entscheidung der Anstellungsbehörde der Europäischen Kommission (im Folgenden: Anstellungsbehörde) vom 17. Dezember 2013, mit der ihre Einstellung durch die Generaldirektion (GD) Justiz von der Reserveliste des Auswahlverfahrens EPSO/AD/42/05 abgelehnt wurde, sowie den Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens begehrt, der ihr aufgrund dieser Entscheidung entstanden sein soll.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 5 des Statuts der Beamten der Europäischen Union in der im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung (im Folgenden: Statut) sieht für die Einstellung von Beamten in Abs. 3 u. a. Folgendes vor:

„Für eine Ernennung gelten folgende Mindestanforderungen:

c)      Funktionsgruppe AD [Administration] Besoldungsgruppen 7 bis 16

i)      ein Bildungsniveau, das einem abgeschlossenem Universitätsstudium, bescheinigt durch ein Diplom, entspricht, wenn die Regelstudienzeit vier Jahre oder darüber beträgt, oder

ii)      ein Bildungsniveau, das einem abgeschlossenen Universitätsstudium, bescheinigt durch ein Diplom, entspricht, und mindestens einjährige einschlägige Berufserfahrung, wenn die Regelstudienzeit mindestens drei Jahre beträgt, oder

iii)      wenn es das Interesse des Dienstes rechtfertigt, eine gleichwertige Berufsausbildung.“

3        In Art. 28 des Statuts heißt es:

„Zum Beamten darf nur ernannt werden, wer

a)      Staatsangehöriger einer der Mitgliedstaaten der Gemeinschaften ist und die bürgerlichen Ehrenrechte besitzt; von dem Erfordernis der Staatsangehörigkeit kann die Anstellungsbehörde absehen;

b)      sich seinen Verpflichtungen aus den für ihn geltenden Wehrgesetzen nicht entzogen hat;

c)      den für die Ausübung des Amtes zu stellenden sittlichen Anforderungen genügt;

d)      die Bedingungen des in Anhang III [des Statuts] geregelten Auswahlverfahrens auf Grund von Befähigungsnachweisen oder Prüfungen oder auf Grund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen erfüllt hat; Artikel 29 Absatz 2 [des Statuts] bleibt unberührt;

e)      die für die Ausübung des Amtes erforderliche körperliche Eignung besitzt;

f)      nachweist, dass er gründliche Kenntnisse in einer Sprache der Union und ausreichende Kenntnisse in einer weiteren Sprache der Union in dem Umfang besitzt, in dem dies für die Ausübung seines Amtes erforderlich ist.“

4        Art. 30 des Statuts lautet:

„Für jedes Auswahlverfahren bestellt die Anstellungsbehörde einen Prüfungsausschuss. Dieser stellt ein Verzeichnis der geeigneten Bewerber auf.

Die Anstellungsbehörde wählt aus diesem Verzeichnis die Bewerber aus, mit denen sie die freien Stellen besetzt.“

5        Art. 4 des Anhangs III des Statuts bestimmt:

„Die Anstellungsbehörde stellt das Verzeichnis der Bewerber auf, die die Voraussetzungen nach Artikel 28 Buchstaben a), b) und c) des Statuts erfüllen, und übermittelt es mit den Bewerbungsunterlagen dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses.“

6        Art. 5 dieses Anhangs des Statuts sieht vor:

„Der Prüfungsausschuss nimmt von den Unterlagen Kenntnis und stellt das Verzeichnis der Bewerber auf, die den Bedingungen der Stellenausschreibung entsprechen.

Bei einem Auswahlverfahren auf Grund von Prüfungen werden sämtliche in diesem Verzeichnis aufgeführten Bewerber zu den Prüfungen zugelassen.

…“

7        Schließlich lautet Titel A Ziff. II der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens EPSO/AD/42/05 (siehe Rn. 8 des vorliegenden Urteils) im Hinblick auf das Anforderungsprofil und die ersten beiden Zulassungsbedingungen wie folgt:

„Teilnahmeberechtigt sind Bewerberinnen und Bewerber, die … folgende Bedingungen erfüllen:

1.      Diplome und sonstige Bildungsabschlüsse

Kandydaci muszą legitymować się dyplomem ukończenia wyższych studiów prawniczych w Polsce. [Die Bewerberinnen und Bewerber müssen einen polnischen Abschluss in Rechtswissenschaften nachweisen.]

2.       Berufserfahrung

Die Bewerberinnen und Bewerber müssen nach Erlangen des Hochschulabschlusses [gemäß Nr. 1] eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren erworben haben.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

8        Am 8. Dezember 2005 machte das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO) das allgemeine Auswahlverfahren EPSO/AD/42/05 (im Folgenden: Auswahlverfahren) zur Bildung einer Einstellungsreserve für Rechts- und Sprachsachverständige der Besoldungsgruppe AD 7 polnischer Sprache zur Besetzung freier Planstellen in den Organen der Europäischen Union, insbesondere beim Europäischen Gerichtshof (ABl. C 310 A, S. 3, im Folgenden: Bekanntmachung des Auswahlverfahrens), bekannt. Die Bewerbungsfrist für das Auswahlverfahren endete am 11. Januar 2006.

9        In Titel A Ziff. I („A[rt der Tätigkeit]“) der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens waren die auszuübenden Tätigkeiten wie folgt beschrieben:

„–      Übersetzung von Rechtstexten aus mindestens zwei Amtssprachen der Europäischen Union ins Polnische und/oder Überprüfung solcher Übersetzungen.

–        Überprüfung der sprachlichen und juristischen Übereinstimmung von bereits ins Polnische übersetzten und revidierten Rechtsvorschriften mit den anderen Sprachfassungen desselben Textes sowie Kontrolle ihrer redaktionellen Qualität und der Einhaltung der Regeln über die formelle Präsentation.

…“

10      In Titel A Ziff. II Nr. 2 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens hieß es außerdem, dass die Bewerberinnen und Bewerber, um zu den Prüfungen zugelassen werden zu können, zum Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist für das Auswahlverfahren „nach Erlangen des Hochschulabschlusses eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren“ nachweisen mussten.

11      Die Klägerin bewarb sich am 27. Dezember 2005 für das Auswahlverfahren. In ihrem Bewerbungsfragebogen für das Auswahlverfahren (im Folgenden: Bewerbungsfragebogen) gab sie unter der Rubrik „Berufserfahrung“ an, dass sie über eine durch sechs Beschäftigungen erworbene Berufserfahrung mit einer Gesamtdauer von einunddreißig Monaten, darunter 15 Monate Tätigkeit als Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige für den Gerichtshof, nämlich vom 15. Oktober 2004 bis zu ihrer Bewerbung, sowie drei Monate Praktikum bei der Anwaltskanzlei W. in Brüssel (Belgien), und zwar vom 1. Juli bis zum 30. September 2005, verfüge.

12      Die Klägerin wurde zur Teilnahme an den Prüfungen des Auswahlverfahrens zugelassen. Nach Abschluss seiner Arbeiten nahm der Prüfungsausschuss ihren Namen in die Reserveliste des Auswahlverfahrens auf, die ursprünglich bis zum 31. Dezember 2007 gültig sein sollte und mehrfach bis zu ihrem endgültigen Auslaufen am 31. Dezember 2013 verlängert wurde.

13      Mit E‑Mail vom 22. Mai 2013 wurde die Klägerin von den Dienststellen der GD Justiz zum 28. Mai 2013 zu einem Gespräch über ihre etwaige Einstellung als Verwaltungsrätin bei dieser Generaldirektion eingeladen. Im Hinblick auf diese Einstellung teilten die Dienststellen der GD Humanressourcen und Sicherheit (im Folgenden: GD Humanressourcen) der Klägerin mit E‑Mail vom 24. Mai 2013, die an diese und in Kopie an die GD Justiz gerichtet war, ferner mit, da sie derzeit Bedienstete auf Zeit des Gerichtshofs sei, sei „die ärztliche [Einstellungs-]Untersuchung] nicht erforderlich, weil im Fall der Einstellung durch die Kommission [die GD Humanressourcen] die Übertragung der Feststellung [ihrer] medizinischen Eignung beantragen wird“.

14      Im Juni 2013 wurde die Klägerin von der GD Justiz benachrichtigt, dass sie für die Verwaltungsratsstelle ausgewählt worden sei und dass ein sie betreffendes Einstellungsersuchen an die GD Humanressourcen gerichtet worden sei.

15      Aus den Akten geht hervor, dass die zuständigen Dienststellen der Kommission der Klägerin im Juni 2013 ferner Folgendes mitteilten: „Da die Kommission nicht an der Organisation des Auswahlverfahrens … beteiligt war und die aus dem Auswahlverfahren hervorgegangene Reserveliste, in die [die Klägerin] aufgenommen worden ist, eine Liste für Rechts- und Sprachsachverständige und keine Liste für Verwaltungsräte ist, musste bei dem für Humanressourcen und Sicherheit zuständigen Kommissionsmitglied die Genehmigung für einen abweichenden Zugriff auf diese Liste beantragt werden, denn nach der Politik der Kommission wird von diesen Listen, abgesehen von besonderen, unter bestimmten Bedingungen gewährten Ausnahmen für ihren Juristischen Dienst und einige spezialisierte Dienststellen in anderen [Generaldirektionen], kein Gebrauch gemacht.“

16      Mit E‑Mail vom 26. Juli 2013 teilte der Leiter des Referats Vertragsrecht der Generaldirektion Justiz der Klägerin mit, dass die GD Humanressourcen „ihre Zustimmung zu ihrer [abweichenden] Einstellung als Verwaltungsrätin von der Reserveliste für Rechts- und Sprachsachverständige“ erteilt habe, wobei er zugleich darauf hinwies, dass sich die GD Humanressourcen mit ihr in Verbindung setzen werde und sie nichts unternehmen solle, bevor sie eine offizielle Mitteilung von dieser erhalten habe.

17      Ende August 2013 forderte die GD Humanressourcen die Klägerin auf, bezüglich der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens enthaltenen Zulassungsbedingung der Mindestdauer der Berufserfahrung von zwei Jahren Nachweise für ihre vor ihrer Bewerbung erworbene Berufserfahrung vorzulegen.

18      In der Zeit von August 2013 bis November 2013 führte die Klägerin mehrere Gespräche mit Vertretern der GD Humanressourcen und legte verschiedene Unterlagen und Erläuterungen zur Klärung der Frage der in ihrem Bewerbungsfragebogen geltend gemachten Berufserfahrung vor. Während dieses Zeitraums bekräftigten die Vertreter der GD Justiz mehrmals ihr Interesse an ihrer Einstellung.

19      Mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 teilte die Anstellungsbehörde der Klägerin mit, dass sie nicht bei der GD Justiz eingestellt werden könne, da sie nicht die die verlangte Berufserfahrung betreffende Zulassungsbedingung für das Auswahlverfahren erfülle (im Folgenden: streitige Entscheidung). Nach Ansicht der Anstellungsbehörde verfügte die Klägerin zum Anmeldeschluss für das Auswahlverfahren nur über 22 Monate anstatt der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verlangten zwei Jahre Berufserfahrung. Um zu diesem Schluss zu kommen, hatte die Anstellungsbehörde als Berufserfahrung als „Freelance-Übersetzerin“ für den Gerichtshof nur sieben Monate und als Berufserfahrung als Praktikantin bei der Anwaltskanzlei W. nur zwei Monate berücksichtigt, was nicht den 15 bzw. drei Monaten entsprach, die die Klägerin in dem Bewerbungsfragebogen angegeben hatte. In der streitigen Entscheidung wurde ferner dargelegt, dass die Dauer der Berufserfahrung der Klägerin als „Freelance-Mitarbeiterin für den Gerichtshof“ auf der Grundlage der Gesamtzahl der übersetzten Seiten, nämlich 721, und einer Norm von 5 Seiten pro Tag, die für die Kommission als angemessen angesehen werde und erheblich unter der beim Gerichtshof üblichen Norm von 8 Seiten pro Tag liege, berechnet worden sei.

20      Am 14. März 2014 legte die Klägerin Beschwerde gegen die streitige Entscheidung ein. Die Beschwerde wurde mit Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 14. Juli 2014 zurückgewiesen (im Folgenden: Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde).

 Anträge der Parteien

21      Die Klägerin beantragt,

–        die streitige Entscheidung aufzuheben;

–        die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben;

–        die Kommission zur Zahlung von 26 132,85 Euro zuzüglich Verzugszinsen und zur Zahlung der Versorgungsbeiträge ab September 2013 sowie zur Zahlung eines symbolischen Euro als Ersatz des ihr entstandenen immateriellen Schadens zu verurteilen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

22      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

1.     Zum Gegenstand der Klage

23      Nach ständiger Rechtsprechung bewirkt ein Aufhebungsantrag, der formal gegen die Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde gerichtet ist, in einem Fall, in dem diese Entscheidung keinen eigenständigen Gehalt hat, dass das Gericht mit der Maßnahme befasst wird, gegen die die Beschwerde gerichtet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Januar 1989, Vainker/Parlament, 293/87, EU:C:1989:8, Rn. 8).

24      Im vorliegenden Fall wird die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde durch die streitige Entscheidung bestätigt. Folglich hat ein Antrag auf Aufhebung der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde keinen eigenständigen Gehalt und ist als formal gegen die streitige Entscheidung, wie sie durch die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde näher ausgeführt wird, gerichtet anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 2004, Eveillard/Kommission, T‑258/01, EU:T:2004:177, Rn. 32).

2.     Zum Antrag auf Aufhebung der streitigen Entscheidung

25      Die Klägerin stützt ihren Aufhebungsantrag im Wesentlichen auf vier Klagegründe:

–        erstens Unzuständigkeit der Anstellungsbehörde;

–        zweitens, hilfsweise, offensichtlicher Beurteilungsfehler der Anstellungsbehörde sowie Verstoß gegen die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens und gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung;

–        drittens Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, Verletzung der Fürsorgepflicht und Überschreitung einer angemessenen Verfahrensdauer;

–        viertens Rechtswidrigkeit der die Berufserfahrung betreffenden Zulassungsbedingung für das Auswahlverfahren.

 Zum ersten Klagegrund: Unzuständigkeit der Anstellungsbehörde

 Vorbringen der Parteien

26      Die Klägerin ist der Ansicht, die Anstellungsbehörde habe die von der Rechtsprechung festgelegten Grenzen ihrer Befugnis zur Kontrolle der Entscheidungen des Prüfungsausschusses überschritten, da es im vorliegenden Fall keinen Hinweis darauf gebe, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses, sie zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens zuzulassen, um sie anschließend in die Reserveliste aufzunehmen, mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet gewesen sei.

27      Die Klägerin macht insoweit als Erstes geltend, in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens werde hinsichtlich der verlangten zweijährigen Berufserfahrung nicht klargestellt, ob es sich dabei um Voll- oder um Teilzeitbeschäftigungen handeln müsse.

28      Was als Zweites die von der Klägerin für den Gerichtshof geleistete Arbeit als Rechts- und Sprachsachverständige angeht, ergebe sich sowohl deren Freelance-Charakter als auch der Umstand, dass sie parallel dazu studiert habe, eindeutig aus den Unterlagen, die sie dem Bewerbungsfragebogen beigefügt habe. Ferner gebe es keine Regel, die zur Ermittlung der Dauer einer solchen Berufserfahrung in Vollzeitäquivalent eine Teilung der Gesamtzahl der übersetzten Seiten durch eine bestimmte Tagesnorm vorschreibe.

29      Was als Drittes das Praktikum bei der Anwaltskanzlei W. betrifft, sei der Prüfungsausschusses durch nichts daran gehindert gewesen, die Angaben der Klägerin in ihrem Bewerbungsfragebogen mit den Nachweisen, die sie diesem beigefügt habe, zu vergleichen, so dass kein Grund zu der Annahme bestehe, der Prüfungsausschusses sei durch die Art und Weise, in der die Dauer dieser Berufserfahrung im Bewerbungsfragebogen dargestellt worden sei, in die Irre geführt worden.

30      Demzufolge könne die Anstellungsbehörde, die nicht wisse, welche Methode oder Regeln der Prüfungsausschuss für die Beurteilung der Dauer der Berufserfahrung der Klägerin angewandt habe, keine erneute Prüfung der Zulässigkeit ihrer Bewerbung zum Auswahlverfahren rechtfertigen, ohne gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu verstoßen, die für das Auswahlverfahren der Beamten der Organe der Europäischen Union kennzeichnend sein sollten.

31      Die Kommission weist erstens darauf hin, dass nach der Rechtsprechung dann, wenn in der Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens eine Berufserfahrung mit einer Mindestdauer gefordert werde, dieses Erfordernis als Bezugnahme auf eine während dieser Dauer ausgeübte Vollzeitbeschäftigung oder auf eine Teilzeitbeschäftigung zu verstehen sei, die hinsichtlich der Arbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigung der geforderten Dauer entspreche.

32      In Anbetracht des Wortlauts der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens und des Umstands, dass die Tätigkeit der Klägerin als „Freelance-Übersetzerin“ für den Gerichtshof nicht mit einer Vollzeitbeschäftigung gleichgesetzt werden könne, da sie ihre Arbeitszeit völlig frei habe einteilen können und sogar parallel dazu studiert habe, hätte der Prüfungsausschuss diese Berufserfahrung für eine Vollzeitbeschäftigung „anrechnen“ müssen.

33      Nach Ansicht der Kommission zeigt die Aufnahme des Namens der Klägerin in die Reserveliste jedoch den offensichtlichen Beurteilungsfehler des Prüfungsausschusses; dieser habe die Dauer der Berufserfahrung als „Freelance-Übersetzerin“ auf der Grundlage der Zeitpunkte berücksichtigt, die in dem Bewerbungsfragebogen für Anfang und Ende dieser Tätigkeit angegeben worden seien, ohne Rücksicht darauf, dass es sich nicht um eine Vollzeitbeschäftigung gehandelt und dass die Tätigkeit Freelance-Charakter gehabt habe, und letztlich ohne Anwendung irgendeiner Methode, um die Dauer der fraglichen Berufserfahrung in Vollzeitäquivalent zu berechnen.

34      Als Zweites habe der Prüfungsausschuss nicht ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler für das Praktikum bei der Anwaltskanzlei W. – wie von der Klägerin im Bewerbungsfragebogen angegeben – drei Monate Berufserfahrung berücksichtigen dürfen, da in dem einzigen ihm zur Verfügung stehenden Nachweis, der dem Bewerbungsfragebogen beigefügten Bescheinigung über das Praktikum, nur etwa 40, über den Zeitraum von Mai bis September 2005 verteilte Praktikumstage angegeben seien.

35      Folglich habe der Prüfungsausschuss, dessen Aufmerksamkeit im Übrigen durch die dem Bewerbungsfragebogen beigefügten Unterlagen hätte geweckt werden müssen, mehrere offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, als er die Auffassung vertreten habe, dass die Klägerin die die Berufserfahrung betreffende Zulassungsbedingung für das Auswahlverfahren erfüllt habe. Die Anstellungsbehörde sei unter diesen Umständen gezwungen gewesen, der Entscheidung des Prüfungsausschusses, sie in die Reserveliste aufzunehmen, nicht Folge zu leisten, und habe die Einstellung der Klägerin nur ablehnen können. Der erste Klagegrund sei deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

36      Der Klagegrund der Unzuständigkeit betrifft im Wesentlichen die Frage der Bedingungen für die Ausübung und der rechtlichen Tragweite der Befugnis der Anstellungsbehörde zur Kontrolle der Entscheidungen, die der Prüfungsausschuss im Rahmen seiner eigenen Zuständigkeiten getroffen hat.

37      Angesichts der verschiedenen und zahlreichen von der Klägerin und der Kommission hierzu vorgetragenen Argumente erfolgt die Prüfung des ersten Klagegrundes in fünf getrennten, jedoch eng miteinander verbundenen Teilen: Ein erster Teil betrifft die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Anstellungsbehörde und dem Prüfungsausschuss, ein zweiter den Voll- bzw. Teilzeitcharakter der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verlangten Berufserfahrung, ein dritter den Berechnungsmodus für die Mindestdauer der Berufserfahrung von zwei Jahren, ein vierter den Umfang der Befugnis der Anstellungsbehörde, einen erfolgreichen Teilnehmer von der Reserveliste ausschließen und schließlich ein fünfter den vom Prüfungsausschuss möglicherweise begangenen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Beurteilung der Berufserfahrung der Klägerin.

38      Nach Abschluss dieser Prüfung wird dem ersten Klagegrund zu folgen sein, da die Anstellungsbehörde, indem sie im Stadium der Einstellung entschieden hat, die Klägerin aus nicht in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens genannten Zulassungsgründen von der Reserveliste auszuschließen, die Grenzen ihrer Zuständigkeit, wie sie in eben dieser Bekanntmachung festgelegt waren, überschritten hat, während der Prüfungsausschuss diese Grenzen ordnungsgemäß beachtet hat.

–       Zur Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Anstellungsbehörde und dem Prüfungsausschuss

39      Der Unionsrichter hat im Bereich der Einstellung von Personal der europäischen Organe im Wege der Veranstaltung eines allgemeinen Auswahlverfahrens durchgängig entschieden, dass die Anstellungsbehörde nach dem Grundsatz der Unabhängigkeit, der für die Ausübung der Aufgaben der Prüfungsausschüsse gilt, nicht befugt ist, eine Entscheidung, die ein Prüfungsausschuss im Rahmen seiner u. a. in Art. 30 des Statuts und in Art. 5 des Anhangs III des Statuts festgelegten Zuständigkeiten getroffen hat, aufzuheben oder abzuändern (vgl. Urteil vom 20. Februar 1992, Parlament/Hanning, C‑345/90 P, EU:C:1992:79, Rn. 22, und Beschluss vom 10. Juli 2014, Mészáros/Kommission, F‑22/13, EU:F:2014:189, Rn. 48).

40      Da die Anstellungsbehörde jedoch gehalten ist, rechtsfehlerfreie Entscheidungen zu treffen, kann sie nicht durch eine Entscheidung eines Prüfungsausschusses gebunden sein, deren Rechtswidrigkeit sich folgerichtig auf ihre eigenen Entscheidungen auswirken könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Februar 1992, Parlament/Hanning, C‑345/90 P, EU:C:1992:79, Rn. 22). Die Anstellungsbehörde hat deshalb vor Ernennung eines Beamten zu prüfen, ob der betroffene Bewerber die Bedingungen des Statuts für eine ordnungsgemäße Einstellung in den Dienst der Union erfüllt. Andernfalls ist die Einstellungsentscheidung nichtig. Ist beispielsweise offenkundig, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses, den Bewerber zum Auswahlverfahren zuzulassen, aufgrund eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers rechtswidrig ist, so muss es die Anstellungsbehörde, der die Reserveliste mit dem Namen des Bewerbers, der inzwischen die Prüfungen bestanden hat, vom Prüfungsausschuss übermittelt wurde, ablehnen, den erfolgreichen Teilnehmer zu ernennen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Oktober 1986, Schwiering/Rechnungshof, 142/85, EU:C:1986:405, Rn. 19 und 20, und vom 23. Oktober 2012, Eklund/Kommission, F‑57/11, EU:F:2012:145, Rn. 49).

41      Zudem ist, ebenfalls im Hinblick auf die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Anstellungsbehörde und dem Prüfungsausschuss, darauf hinzuweisen, dass der Zweck der Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens im Wesentlichen darin besteht, die Mitglieder des Prüfungsausschusses und die Personen, die als Bewerber am Auswahlverfahren teilnehmen, transparent, umfassend und möglichst genau über die in den geltenden Bestimmungen festgelegten Bedingungen für eine etwaige Ernennung auf die betreffende Stelle zu informieren. Dieser Zweck der Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens entspricht im Übrigen dem grundlegenden Bedürfnis der Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit.

42      Könnte die Anstellungsbehörde einen erfolgreichen Teilnehmer unter Berufung auf eine Zulassungsbedingung oder ‑modalität, die weder in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens noch im Statut enthalten ist oder nicht jedenfalls vor Erlass der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens Gegenstand einer zugänglichen oder dem Prüfungsausschuss und den interessierten Bewerbern notwendigerweise bekannten Veröffentlichung war, von der Reserveliste ausschließen, so wäre diese Bekanntmachung ihres Zwecks beraubt (vgl. in diesem Sinne zu Stellenausschreibungen Urteile vom 14. April 2011, Šimonis/Kommission, F‑113/07, EU:F:2011:44, Rn. 74, und vom 15. Oktober 2014, Moschonaki/Kommission, F‑55/10 RENV, EU:F:2014:235, Rn. 42).

43      Die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens bildet somit den Regelungsrahmen für jedes Auswahlverfahren zur Besetzung einer Stelle bei den Organen der Union, da sie – unbeschadet einschlägiger höherrangiger Bestimmungen des Statuts, einschließlich des Anhangs III des Statuts – zum einen die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Anstellungsbehörde und dem Prüfungsausschuss bei Organisation und Ablauf der Prüfungen des Auswahlverfahrens regelt und zum anderen die Bedingungen für die Beteiligung der Bewerber, insbesondere ihr Profil sowie ihre besonderen Rechte und Pflichten, festlegt.

44      Was im vorliegenden Fall die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Anstellungsbehörde und dem Prüfungsausschuss im Rahmen des Auswahlverfahrens betrifft, hieß es in Titel B („A[uswahlverfahren]“) Nr. 1 Buchst. a der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens jedoch im Hinblick auf die Zulassung zum Auswahlverfahren: „Die Anstellungsbehörde stellt das Verzeichnis der Bewerberinnen und Bewerber auf, die die in Titel A Ziffer II Nummer 4 [der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens] genannten allgemeinen Bedingungen erfüllen, und übermittelt es zusammen mit den Bewerbungsakten der oder dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses“, wobei es sich bei den „in Titel A Ziffer II Nummer 4 [der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens] genannten allgemeinen Bedingungen“ um die allgemeinen Zulassungsbedingungen handelt, die im Übrigen aus Art. 28 der Satzung übernommen wurden (siehe Rn. 3 des vorliegenden Urteils).

45      Gemäß dem Wortlaut von Titel B Nr. 1 Buchst. b hat hingegen „[n]ach Kenntnisnahme der Bewerbungsakten der Prüfungsausschuss [im Übrigen in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Art. 5 des Anhangs III des Statuts] das Verzeichnis derjenigen Bewerberinnen und Bewerber auf[zustellen], die die allgemeinen Bedingungen gemäß Titel A Ziffer II Nummern 1, 2 und 3 [der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens] erfüllen und somit zum Auswahlverfahren zugelassen werden“, wobei es sich bei den „allgemeinen Bedingungen gemäß Titel A Ziffer II Nummern 1, 2 und 3 [der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens]“ um die für die Zulassung zum Auswahlverfahren zu erfüllenden Bedingungen hinsichtlich Diplomen und sonstigen Bildungsabschlüssen, Berufserfahrung und Sprachkenntnissen handelt (vgl. Rn. 7 des vorliegenden Urteils).

46      Insbesondere mussten die Bewerber gemäß Titel A Ziff. II Nr. 2 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens für ihre Zulassung zu den Prüfungen nicht nur die in Art. 5 Abs. 3 Buchst. c des Statuts vorgesehenen Bedingungen erfüllen, d. h. Inhaber eines polnischen Hochschulabschlusses in Rechtswissenschaften sein, sondern mussten ebenfalls, als zusätzliche Bedingung, nachweisen, dass sie nach dem Hochschulabschluss „eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren“ erworben hatten. Weder die letztgenannte Bestimmung noch die Bestimmung des Titels B Nr. 1 Buchst. b der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens enthielten jedoch eine genaue Anweisung oder Hinweise für den Prüfungsausschuss zur Art dieser Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren oder zu ihrem Bezug zu den als Unionsbeamter wahrzunehmenden Aufgaben. Auch enthielten diese Bestimmungen keine näheren Angaben zu den Modalitäten der während der zweijährigen Berufserfahrung geleisteten Arbeit, z. B. dazu, ob es sich dabei um eine als Arbeitnehmer oder als Selbständiger ausgeübte Vollzeit‑ oder Teilzeitbeschäftigung handeln musste.

47      Zudem enthielt auch der „Bewerbungsleitfaden“ (ABl. C 327 A, S. 3), auf den die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens die Bewerber in Titel C („E[inreichung der Bewerbungen]“) für die ordnungsgemäße Einreichung ihrer Bewerbung verwies (im Folgenden: Bewerbungsleitfaden), keine zweckdienlichen Erläuterungen, von denen sich zum einen die Mitglieder des Prüfungsausschusses bei der Erledigung der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens genannten Aufgaben und zum anderen die Bewerber bei der Abfassung ihres Bewerbungsfragebogens tatsächlich hätten leiten lassen können. In diesem Leitfaden hieß es nämlich in Titel A Ziff. II Nr. 4 unter der Überschrift „Angaben zur Berufserfahrung …“ nur: „Auf dem Bewerbungsfragebogen ist genau einzutragen, wann die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse begonnen und beendet wurden und welche Funktionen und Aufgaben jeweils damit verbunden waren. … Eine nicht lohn- oder gehaltsabhängige Erwerbstätigkeit (Selbständige, freie Berufe u. a.) kann durch Auszüge aus der Steuererklärung oder jeden anderen amtlichen Beleg nachgewiesen werden.“

48      In Anbetracht dieser in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens und im Bewerbungsleitfaden enthaltenen Bestimmungen zur Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Anstellungsbehörde und dem Prüfungsausschuss ist festzustellen, dass der aus diesen beiden Texten bestehende Regelungsrahmen keine Aussage dazu enthielt, welches Organ für die Überprüfung der Art und der Dauer der für die Teilnahme an dem Auswahlverfahren verlangten Berufserfahrung und der Beachtung der Kriterien für die Berechnung von deren Dauer zuständig sein sollte, wobei jedoch nach der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens ausschließlich der Prüfungsausschuss damit beauftragt war, in Wahrnehmung seiner Aufgaben und im Rahmen seines weiten Ermessens die Liste der zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens zugelassenen Bewerber zu erstellen.

–       Voll- bzw. Teilzeitcharakter der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verlangten Berufserfahrung

49      Insoweit und insbesondere betreffend die von der Klägerin beim Gerichtshof erworbene Berufserfahrung als Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige, d. h. in einer beruflichen Tätigkeit, die definitionsgemäß selbständig ausgeübt wird und bei der es sich im vorliegenden Fall in Anbetracht des Gegenstand des Auswahlverfahrens, das gerade der Einstellung von Rechts- und Sprachsachverständigen diente, um die relevanteste Berufserfahrung handelte, enthielten weder die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens noch andere Rechtsakte, die im Rahmen des Auswahlverfahrens rechtlich zu berücksichtigen waren, Angaben dazu, was unter „Berufserfahrung“ zu verstehen war, oder zu den Modalitäten der Berechnung der dieser „Berufserfahrung“ zugrunde liegenden Arbeitszeit, wie beispielsweise anhand der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden oder der Zahl der pro Tag übersetzten Seiten und ob – in letzterem Fall – zwischen der Übersetzung komplexer Rechtstexte und der Übersetzung von Texten anderer Art zu unterscheiden war.

50      In Ermangelung einer entsprechenden Regelung in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens und im Bewerbungsleitfaden – wie dies von der zuständigen Anstellungsbehörde gewollt war – macht die Kommission gleichwohl geltend, dass dann, wenn die Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens als Bedingung für die Zulassung zu den Prüfungen eine Berufserfahrung mit einer Mindestdauer vorsehe, diese Beschäftigungszeit per definitionem sowohl vom Prüfungsausschuss als auch von den Bewerbern als Bezugnahme auf eine Vollzeitbeschäftigung zu verstehen sei.

51      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter in den von der Kommission angeführten Rechtssachen, in denen das Urteil vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission (T‑293/03, EU:T:2006:37), und die Beschlüsse vom 14. Dezember 2006, Klopfer/Kommission (F‑118/05, EU:F:2006:137), sowie vom 10. Juli 2014, Mészáros/Kommission (F‑22/13, EU:F:2014:189), ergangen sind, zwar festgestellt hat, dass die Dauer der verlangten Berufserfahrung selbst bei Fehlen einer genauen Angabe in der betreffenden Bekanntmachung des Auswahlverfahrens als die Dauer einer in Vollzeitarbeit erworbenen Berufserfahrung zu verstehen ist. In den vorgenannten Rechtssachen ging es jedoch vor allem um in abhängiger Beschäftigung ausgeübte Berufstätigkeiten, deren Dauer sich mithin anhand von Arbeitsverträgen oder Arbeitsbescheinigungen von Arbeitgebern einfach bestimmen ließ. Dagegen forderte im vorliegenden Fall die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens zwar eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren im Bereich der Übersetzung oder – wahrscheinlicher – im Bereich der juristischen Übersetzung, doch wurde nicht näher erläutert, wie eine in selbständiger Tätigkeit erworbene Berufserfahrung zu berücksichtigen und hinsichtlich der Dauer anzurechnen war, obwohl eine derartige Berufserfahrung als Freelance-Mitarbeiter der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens beschriebenen Art der Tätigkeiten voll entspricht.

52      In Ermangelung einer ausdrücklichen Angabe in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens zum Berechnungsmodus für die verlangte Berufserfahrung oder irgend eines anderen insoweit zweckdienlichen Hinweises kann demzufolge die ratio iuris dieser Zulassungsbedingung, insbesondere für Bewerber, die – wie die Klägerin – eine spezifische Erfahrung als Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige geltend machen konnten, sicherlich nicht darin bestehen, von ihnen zum Nachweis dessen, dass es sich um eine einer vollzeitlich ausgeübten Arbeit gleichwertige Berufstätigkeit handelt, zu verlangen, dass sie an jedem während des Referenzzeitraums von zwei Jahren in dieser Eigenschaft geleisteten Arbeitstag eine bestimmte Zahl von Seiten von Rechtstexten übersetzt haben. Diese Bedingung war nämlich in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens – insbesondere angesichts anderer in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens enthaltener Bedingungen – weder ausdrücklich noch implizit vorgesehen.

53      Da die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens keine Kriterien oder Modalitäten zur Berechnung der für die Zulassung zum Auswahlverfahren verlangten Berufserfahrung enthielt, ist mithin festzustellen, dass sich der Prüfungsausschuss, selbst wenn sich die Dauer dieser Berufserfahrung auf eine Vollzeitbeschäftigung beziehen sollte, für die Beurteilung der Zulassung der Klägerin zur Teilnahme an den Prüfungen zum einen darauf stützen konnte, dass es sich um eine „berufliche“ Tätigkeit als Rechts- und Sprachsachverständige – also um eine Tätigkeit, die nicht nur „gelegentlich“ ausgeübt worden sein durfte und hauptsächlich die Übersetzung von Rechtstexten zum Gegenstand gehabt haben musste –, die beständig, d. h. während eines signifikanten Zeitraums, für einen professionellen – öffentlichen oder privaten – Auftraggeber ausgeübt worden sein musste, der aufgrund des betreffenden Vertrags jederzeit und gegebenenfalls innerhalb verbindlicher Fristen Übersetzungen von Rechtstexten verlangen konnte, eben weil seine berufliche bzw. institutionelle Tätigkeit juristische Übersetzungen eines bestimmten Niveaus erfordert.

54      Zum anderen musste sich der Prüfungsausschuss zur Beurteilung der verlangten Berufserfahrung gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Bewerbungsleitfadens auf den Nachweis stützen, dass die beruflichen Leistungen tatsächlich, und zwar nicht nur während eines zusammenhängenden Zeitraums, sondern auch in einem erheblichen Umfang erbracht worden sind; eben dies hatte der Prüfungsausschuss, der aus Fachleuten in diesem Bereich bestand, im Hinblick auf die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens beschriebene Art der Tätigkeiten und in Anbetracht aller anderen von den einzelnen Bewerbern innerhalb des zweijährigen Referenzzeitraums gegebenenfalls ausgeübten Tätigkeiten zu beurteilen.

55      Da der Bewerbungsleitfaden von den Bewerber verlangte, im Bewerbungsfragebogen genau anzugeben, welche Aufgaben sie wahrgenommen hatten, hatte der Prüfungsausschuss somit im Rahmen der Zuständigkeiten, die ihm in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens übertragen wurden, den beruflichen Charakter der erworbenen Erfahrung unterschiedlich zu beurteilen, je nachdem ob es sich um eine Tätigkeit als „Freelance-Übersetzer“ oder als „Freelance-Rechts- und Sprachsachverständiger“ handelte, zumal wenn diese zweite Tätigkeit für ein Organ der Union erbracht wurde, das, wie der Gerichtshof, von seinen Dienstleistern nur die Übersetzung von Texten mit ausschließlich juristischem Inhalt verlangt.

56      Da dieser zusätzlichen Zulassungsbedingung in Anbetracht des hierzu keine Aussage enthaltenden Wortlauts der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens keine andere als die vorgenannte Tragweite beigemessen werden kann, ohne gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit zu verstoßen (siehe Rn. 41 des vorliegenden Urteils), kann der Ansicht der Kommission, dass die Mindestdauer der Berufserfahrung von zwei Jahren im besonderen Fall des Auswahlverfahrens per definitionem als Bezugnahme auf eine Vollzeitbeschäftigung zu verstehen und zudem nach Maßgabe der in der streitigen Entscheidung enthaltenen Modalitäten zu berechnen sei (siehe Rn. 19 des vorliegenden Urteils), nicht gefolgt werden, denn in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens ist nicht angegeben, dass insbesondere für Bewerber, die eine Berufserfahrung als Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige geltend machen, die fragliche Vollzeit der nach den internen Modalitäten der Kommission oder jedenfalls einer nach spezifischen Modalitäten berechneten Vollzeit entsprechen muss.

–       Zum Berechnungsmodus für die Mindestdauer der Berufserfahrung von zwei Jahren

57      Hierzu ist festzustellen, dass der Prüfungsausschuss, der an keine ausdrücklich in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens angegebene Modalität hinsichtlich der Art und Weise der Berechnung der für die Zulassung zum Auswahlverfahren erforderlichen Mindestdauer der Berufserfahrung von zwei Jahren gebunden war, auf der Grundlage seines weiten Ermessens in diesem Bereich vernünftigerweise davon ausgehen konnte, dass kein spezifischer Berechnungsmodus eines bestimmten Organs anzuwenden war, da das Auswahlverfahren jedenfalls nicht hauptsächlich die Kommission betraf. Gemäß Titel A Abs. 2 der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens diente dieses nämlich der Aufstellung einer Reserveliste „zur Besetzung freier Planstellen in den Organen der Europäischen Union, insbesondere beim … Gerichtshof“.

58      Falls sich der Prüfungsausschuss zur Berechnung der Berufserfahrung von zwei Jahren jedoch von einem bei einem bestimmten Organ der Union bereits bestehenden Berechnungsmodus hätte leiten lassen müssen, so hätte er sich auf der Grundlage des Kriteriums der ordnungsgemäßen Durchführung des Auswahlverfahrens und der praktischen Wirksamkeit dieses Verfahrens in erster Linie auf den vom Gerichtshof verwendeten Berechnungsmodus und nicht notwendigerweise oder ausschließlich auf den Berechnungsmodus der Kommission beziehen können, die sich im Übrigen, wie aus Rn. 15 des vorliegenden Urteils hervorgeht, als nicht an der Organisation des Auswahlverfahrens beteiligt ansieht.

59      Im Übrigen ist insoweit das Vorbringen der Kommission, der beim Gerichtshof geltende Berechnungsmodus sei, was das Verhältnis der übersetzten Seiten pro geleistetem Arbeitstag anbelangt, in Anbetracht der Berufserfahrung der Klägerin weniger vorteilhaft als der von der Kommission zugrunde gelegte Berechnungsmodus (siehe Rn. 19 des vorliegenden Urteils), nicht erheblich, da es nach dem Standpunkt der Kommission dabei um die Frage ginge, ob der Prüfungsausschuss den Berechnungsmodus der Kommission und nicht den anderer Organe oder seinen eigenen Berechnungsmodus anwenden musste.

60      Ebenfalls hierzu ist ferner festzustellen, dass die Kommission sowohl in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde als auch in ihrer Klagebeantwortung auf die Berufserfahrung der Klägerin als „Freelance-Übersetzerin“ Bezug genommen hat, obwohl aus den dem Bewerbungsfragebogen beigefügten Unterlagen hervorgeht, dass diese dem Prüfungsausschuss Arbeitsnachweise für eine Tätigkeit als Freelance- „Rechts- und Sprachsachverständige“ beim Gerichtshof übermittelt hatte. Dabei handelt es sich jedoch um Tätigkeiten, die sich deutlich voneinander unterscheiden, was dem Prüfungsausschuss, der aus Fachleuten in diesem Bereich bestand, sicherlich nicht entgangen sein konnte, da es sich um ein Auswahlverfahren zur Einstellung von Rechts- und Sprachsachverständigen (die dienstrechtlich daher grundsätzlich direkt in der Besoldungsgruppe AD 7 eingestellt werden) und nicht von Übersetzern (die demgegenüber in der Eingangsbesoldungsgruppe, d. h. AD 5, der Funktionsgruppe Administration eingestellt werden) handelte.

61      Folglich bedeutet der Umstand, dass der Prüfungsausschuss nicht den von den Dienststellen der Kommission verwendeten Modus für die Berechnung der Mindestdauer einer Berufserfahrung, die als auf eine Vollzeitbeschäftigung bezogen angesehen wird, übernommen hat, nicht ohne Weiteres, dass er die Bedingung der Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren, die die Klägerin für ihre Zulassung zur Teilnahme an den Prüfungen des Auswahlverfahrens nachzuweisen hatte, fehlerhaft beurteilt hat.

–       Zur Befugnis der Anstellungsbehörde, die Klägerin von der Reserveliste der erfolgreichen Teilnehmer auszuschließen

62      Aufgrund der vorstehenden, insbesondere in den Rn. 39 bis 48 des vorliegenden Urteils enthaltenen Erwägungen zur Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Anstellungsbehörde und dem Prüfungsausschuss ist festzustellen, dass, wenn wie hier hinsichtlich der verlangten bisherigen Berufserfahrung die Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren als spezifische Bedingung für die Zulassung zu den Prüfungen vorsieht, die Anstellungsbehörde nicht zum Zeitpunkt, zu dem sie die Einstellung eines vom Prüfungsausschuss als solchen ausgewählten erfolgreichen Teilnehmers am Auswahlverfahrens beabsichtigt, diesen erfolgreichen Teilnehmer von der Reserveliste ausschließen kann, indem sie sich auf Modalitäten der Beurteilung und Berechnung der verlangten Berufserfahrung beruft, deren Aufnahme in die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens sie selbst versäumt hat oder die nicht in einem Rechtsakt enthalten sind, der den Mitgliedern des Prüfungsausschusses und den Teilnehmern am Auswahlverfahren entgegengehalten werden kann.

63      Andernfalls wäre der Grundsatz der Rechtssicherheit, bei dem es sich um einen der maßgebenden Grundsätze für jedes Auswahlverfahren handelt (siehe Rn. 41 des vorliegenden Urteils), in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt, wenn einem Bewerber, der unter genauer Angabe von Beginn und Ende seiner einzelnen Verträge die in einer Bekanntgabe eines Auswahlverfahrens verlangte Dauer der Berufserfahrung erreicht, das Vorhandensein weiterer, zur Erfüllung dieser Bedingung der Dauer der Berufserfahrung erforderlicher Modalitäten erst zu dem Zeitpunkt bekannt würden, zu dem ihn die betreffende Anstellungsbehörde, nachdem er zuvor ein Einstellungsangebot als erfolgreicher Teilnehmer am Auswahlverfahren erhalten hat, von der Existenz dieser Modalitäten und davon in Kenntnis setzt, dass er in Anbetracht dieser Modalitäten nicht zu den Prüfungen hätte zugelassen werden dürfen.

64      Im Übrigen käme es unter den Umständen eines allgemeinen interinstitutionellen Auswahlverfahrens, wie sie hier vorliegen, neben dem Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit auch zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Die Anstellungsbehörde jedes gegebenenfalls von dem Auswahlverfahren betroffenen Organs könnte nämlich im Stadium der Einstellung davon ausgehen, dass sie befugt sei, die die erforderliche Berufserfahrung betreffende Zulassungsbedingung selbständig zu beurteilen, und dass der Prüfungsausschuss immer dann, wenn er die Mindestdauer der erforderlichen Berufserfahrung anders als das Organ selbst berechne, notwendigerweise einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begehe, der es rechtfertige, dass die Anstellungsbehörde von der Beurteilung des Prüfungsausschusses abweiche. Würde dieser Argumentation gefolgt, so wäre jede Anstellungsbehörde berechtigt, den vom Prüfungsausschuss zur Berechnung der Dauer der erforderlichen Berufserfahrung unterschiedslos auf alle Bewerber angewandten Berechnungsmodus durch ihren eigenen Berechnungsmodus zu ersetzen. Letztlich könnte damit die gesamte vom Prüfungsausschuss im Rahmen seiner Aufgaben und im Interesse aller von einem Auswahlverfahren betroffenen Organe geleistete Arbeit nach Maßgabe je nach Organ unterschiedlicher Anforderungen bzw. sogar einer gewissen Neigung der für Einstellungen zuständigen Dienststellen des einen oder anderen Organs, ihre eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen des Prüfungsausschusses zu setzen, in Frage gestellt werden.

65      Im vorliegenden Fall sah die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens in ihrem Titel D („A[llgemeine Hinweise]“) zwar wie üblich vor: „Wird [den erfolgreichen Teilnehmern] eine Stelle angeboten, so haben sie zum gegebenen Zeitpunkt zwecks Feststellung der Übereinstimmung die Originale aller verlangten Dokumente und besonders ihrer Diplome und Zeugnisse vorzulegen. Die Einstellung erfolgt nach Maßgabe des Beamtenstatuts und der verfügbaren Haushaltsmittel.“

66      Derartige Klauseln können für sich genommen jedoch keine rechtliche Grundlage für die Befugnis der Anstellungsbehörde darstellen, einen erfolgreichen Teilnehmer, der eine Zulassungsbedingung nicht erfüllt, die nicht in der von der Anstellungsbehörde selbst angenommenen Bekanntmachung des Auswahlverfahrens und auch nicht in einer Bestimmung des Statuts oder in einer sonstigen Regelung, die den Bewerbern entgegengehalten werden kann, enthalten war, im Nachhinein von der vom Prüfungsausschuss erstellten Liste auszuschließen.

67      In diesem Fall ergäbe sich nämlich der Rechtsverstoß, den die Anstellungsbehörde dem erfolgreichen Teilnehmer entgegenhalten möchte, nicht aus einem offensichtlichen Fehler des Prüfungsausschusses bei der Beurteilung einer spezifischen, in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens vorgesehenen oder in einer Bestimmung des Statuts enthaltenen Zulassungsbedingung, sondern aus einem von der Anstellungsbehörde selbst begangenen Fehler, der darin besteht, dass sie es versäumt hat, in die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens eine zusätzliche Klausel aufzunehmen, wonach die für die Zulassung zu den Prüfungen verlangte mindestens zweijährige Berufserfahrung eine zwei Jahre lang vollzeitlich geleistete Berufserfahrung sein und nach Maßgabe spezifischer, vorab klar festgelegter Kriterien berechnet werden musste, deren Nichtbeachtung die Nichtzulassung zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens zur Folge gehabt hätte. Eine solche bei der Einstellung vorgenommene nachträgliche Berichtigung der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens durch die Anstellungsbehörde unter Missachtung der Zuständigkeit des Prüfungsausschusses, der im Rahmen des Auswahlverfahrens an den Wortlaut der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens gebunden ist, und zum Nachteil des betroffenen erfolgreichen Teilnehmers kann nicht zugelassen werden.

68      Demzufolge geht das Vorbringen, die Anstellungsbehörde dürfe jedenfalls keine deshalb rechtswidrige Einstellungsentscheidung erlassen, weil der Prüfungsausschusses zuvor eine rechtswidrige Entscheidung erlassen habe, ins Leere, da die von der Anstellungsbehörde im vorliegenden Fall angeführte Entscheidung gemessen an den Bestimmungen des Statuts oder den klar in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens niedergelegten Bedingungen nicht rechtswidrig war. Es handelt sich allenfalls um einen Unterschied zwischen der Methode, nach der der Prüfungsausschuss im Rahmen seiner Zuständigkeiten die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens vorgegebene Mindestberufserfahrung beurteilt hat, und dem Berechnungsmodus für die Vollzeit nach den spezifischen Kriterien, die die Anstellungsbehörde im Stadium der Ernennung anwenden zu können meint. Da die Anstellungsbehörde jedoch in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nicht angegeben hat, dass die Bedingung der zweijährigen Berufserfahrung als eine zwei Jahre lang in Vollzeit erworbene Berufserfahrung zu verstehen sei, wodurch dies zu einer sowohl für den Prüfungsausschuss als auch für die Bewerber rechtsverbindlichen Modalität geworden wäre, deren Nichtbeachtung durch die Bewerber deren Ausschluss von dem Auswahlverfahren zur Folge gehabt hätte, ist dieser Beurteilungsunterschied, der sich aus der von der Anstellungsbehörde getroffenen Wahl einer bestimmten Methode ergibt, ausschließlich der Anstellungsbehörde zuzuschreiben, da nur sie – und nicht der Prüfungsausschuss – dafür zuständig ist, in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens die Zulassungsbedingungen festzulegen.

69      In diesem Zusammenhang führt die Kommission weiter aus, der Prüfungsausschuss habe es im vorliegenden Fall unter Verstoß gegen die Bestimmungen der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, nach denen es seine spezifische Aufgabe gewesen sei, für jeden einzelnen Bewerber zu prüfen, ob er die Zulassungsbedingung der Berufserfahrung erfülle, tatsächlich völlig versäumt, dieser Klausel Rechnung zu tragen. Die Dienststellen der GD Humanressourcen der Kommission, die versucht hätten, nachzuvollziehen, wie der Prüfungsausschuss die Berufserfahrung der Klägerin berechnet habe, hätten zu dem Schluss kommen müssen, dass dieser keinerlei Methode zur Berechnung der Dauer der Berufserfahrung angewandt habe. Dieses Versäumnis rechtfertige mithin die Befugnis der Anstellungsbehörde zum rechtmäßigen Ausschluss der Klägerin von der Reserveliste.

70      Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn die Kommission hat nicht den Nachweis für ein offensichtliches Versäumnis des Prüfungsausschusses oder zumindest dafür erbracht, dass dieser die Zulassung der Klägerin zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens gemessen am Wortlaut der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens offensichtlich willkürlich beschlossen hätte. Aus den dem Gericht vorgelegten Akten geht nämlich hervor, dass der Prüfungsausschuss, was die Zulassung der Klägerin zu den Prüfungen anbelangt, über von dieser mit ihrem Bewerbungsfragebogen vorgelegte Unterlagen verfügte, durch die eine 15-monatige ununterbrochene Tätigkeit als Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige beim Gerichtshof bescheinigt wurde, und dass es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Prüfungsausschuss diese Unterlagen nicht geprüft hätte, beispielsweise auf der Grundlage des in den Rn. 53 und 55 des vorliegenden Urteils genannten Kriteriums, bei dem es sich um ein Kriterium handelt, das die Anstellungsbehörde, die sich nur durch ihren eigenen, organinternen Berechnungsmodus gebunden sah, dagegen sicherlich nicht berücksichtigt hat.

71      Daraus folgt, dass die Anstellungsbehörde durch den Erlass der streitigen Entscheidung ihre Zuständigkeit für die Kontrolle der Einhaltung der zusätzlichen die Berufserfahrung betreffenden Zulassungsbedingung überschritten und somit die in der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens insoweit ausdrücklich dem Prüfungsausschuss vorbehaltene Zuständigkeit und auch die den Prüfungsausschüssen eigene Autonomie und Unabhängigkeit missachtet hat.

72      Im Übrigen hat die Kommission auch nicht dargetan, dass der Prüfungsausschuss für den Fall, dass er gleichwohl für jeden einzelnen Bewerber eine Beurteilung der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verlangten Dauer der Berufserfahrung vorgenommen haben sollte, in diesem Stadium bei der Berechnung dieser Dauer einen offensichtlichen Fehler begangen hat, der es rechtfertigen würde, dass die Anstellungsbehörde die Liste der zum Auswahlverfahren zugelassenen Bewerber revidieren und mithin auch ihre Befugnis rechtfertigen kann, die Klägerin sogar noch unmittelbar vor einer etwaigen Einstellung von der Reserveliste auszuschließen.

–       Zu dem vom Prüfungsausschuss gegebenenfalls begangenen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Beurteilung der Berufserfahrung der Klägerin

73      Ein Fehler ist dann offensichtlich, wenn er anhand der Kriterien, die nach dem Willen des Gesetzgebers für die Ausübung des weiten Ermessens durch die Verwaltung maßgebend sind, leicht zu erkennen ist. Es kann insbesondere dann kein offensichtlicher Fehler vorliegen, wenn die beanstandete Beurteilung als richtig oder gültig angesehen werden kann (Urteil vom 23. Oktober 2012, Eklund/Kommission, F‑57/11, EU:F:2012:145, Rn. 51, und Beschluss vom 10. Juli 2014, Mészáros/Kommission, F‑22/13, EU:F:2014:189, Rn. 52).

74      Wie in den Rn. 45 und 48 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hatte der Prüfungsausschuss, dem nach der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens ausdrücklich die Kontrolle der die verlangte Berufserfahrung betreffenden Zulassungsbedingung und insbesondere der Dauer dieser Berufserfahrung oblag, ohne dass sie jedoch von der Beachtung eines bestimmten Berechnungskriteriums abhängig gemacht war, diese Aufgabe auf der Grundlage von Bescheinigungen auszuführen, die gemäß den Bestimmungen des Bewerbungsleitfadens von jedem Bewerber vorzulegen waren (siehe Rn. 47 des vorliegenden Urteils), insbesondere im Hinblick auf die Frage „wann [genau] die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse begonnen und beendet wurden und welche Funktionen und Aufgaben jeweils damit verbunden waren“.

75      Im vorliegenden Fall hat sich die Klägerin in ihrem Bewerbungsfragebogen präzise auf eine durch mehrere Beschäftigungen erworbene Berufserfahrung mit einer Gesamtdauer von 31 Monaten berufen. Zum einen hat sie mehrere berufliche Tätigkeiten mit einer kumulierten Dauer von 13 Monaten angeführt, die von der Kommission nicht in Frage gestellt worden sind. Zum anderen hat sie angegeben, dass sie 15 Monate lang eine Tätigkeit als Freelance-Rechts‑ und Sprachsachverständige beim Gerichtshof ausgeübt und ein dreimonatiges Praktikum bei der Anwaltskanzlei W. absolviert habe, was von der Anstellungsbehörde jedoch nur als sieben bzw. zwei Monate Berufserfahrung angerechnet worden ist.

76      Die Kommission macht dagegen geltend, der Prüfungsausschuss habe tatsächlich nicht berücksichtigt, dass die von der Klägerin für den Gerichtshof ausgeübte Tätigkeit als „Übersetzerin“ Freelance-Charakter gehabt habe, da die Klägerin „kein Gehalt als Gegenleistung erhielt, keine Arbeitszeit einzuhalten hatte und keiner Hierarchie unterstellt war und ihre Anwesenheit am Gerichtshof für die Durchführung ihrer Aufgaben nicht erforderlich war“ (siehe hierzu Rn. 87 des vorliegenden Urteils).

77      Aus den Bescheinigungen des Gerichtshofs und den Auftragsscheinen geht jedoch eindeutig hervor, dass die Klägerin zwischen dem 1. Oktober 2004 und der Einreichung ihres Bewerbungsfragebogens ohne Unterbrechung als „Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige“ für den Gerichtshof tätig war. Mithin besteht kein Grund für die Annahme, dass, wie die Kommission meint, der Prüfungsausschuss, der aus Fachleuten in diesem Bereich bestand, den Freelance-Charakter dieser beruflichen Tätigkeit, die ihrem Wesen nach keinen vorab festgelegten Vorgaben im Hinblick auf die Arbeitszeit unterliegt, übersehen hätte. Möglicherweise verwechselt die Kommission die Tätigkeit als Freelance-„Übersetzer“ mit der als Freelance-„Rechts- und Sprachsachverständiger“, indem sie beide gleich behandelt.

78      Was ferner das Spezialstudium des internationalen Rechts anbelangt, das die Klägerin von Oktober 2004 bis Juni 2005 parallel zu einem Teil ihrer Tätigkeit als Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige beim Gerichtshof absolviert hat, genügt die Feststellung, dass dieser Umstand in den dem Bewerbungsfragebogen beigefügten Unterlagen eindeutig angegeben war. Mithin gibt es auch keinen Grund für die Annahme, dass der Prüfungsausschuss diesen Umstand bei der Beurteilung der für die Zulassung zum Auswahlverfahren erforderlichen Berufserfahrung nicht angemessen berücksichtigt hätte.

79      Sodann ist festzustellen, dass aus den dem Bewerbungsfragebogen beigefügten Auftragsscheinen in Anbetracht der Häufigkeit und des Umfangs der während der 15-monatigen Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof von diesem Organ erteilten und von der Klägerin ausgeführten Aufträge klar hervorgeht, dass die Klägerin die von ihr als Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige (also nicht als „,Freelance‘-Übersetzerin“) geleistete Arbeit ungeachtet des parallel dazu absolvierten Studiums des internationalen Rechts sowohl regelmäßig als auch in quantitativ erheblichem Umfang erbracht hat.

80      Schließlich verfügte der Prüfungsausschuss, wie bereits in Rn. 57 des vorliegenden Urteils festgestellt, über ein weites Ermessen bei der Beurteilung der hinsichtlich der Arbeitszeit bestehenden Gleichwertigkeit zwischen einer als Freelance-Mitarbeiter ausgeübten Tätigkeit mit variabler Arbeitszeit und einer Vollzeitbeschäftigung. Insbesondere hatte er hierfür aufgrund des Umstands, dass die kumulierte Dauer der Berufserfahrung der Klägerin die geforderte Mindestdauer von zwei Jahren insgesamt um sieben Monate überstieg, einen weiten Spielraum.

81      Somit ist festzustellen, dass die Kommission auch nicht den Beweis erbracht hat, dass der Prüfungsausschuss bei der Berechnung der Berufserfahrung der Klägerin einen offensichtlichen Fehler begangen hätte.

82      Nach alledem ist dem ersten, auf die Unzuständigkeit der Anstellungsbehörde gestützten Klagegrund daher zu folgen.

 Zum zweiten, hilfsweise vorgetragenen Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler der Anstellungsbehörde sowie Verstoß gegen die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens und gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung

83      Da dieser Klagegrund im Wesentlichen die Beurteilung des Sachverhalts der vorliegenden Rechtssache betrifft, ist das Gericht insoweit und im Interesse einer geordneten Rechtspflege der Auffassung, dass es diesen Klagegrund prüfen kann, auch wenn es dem ersten Klagegrund bereits gefolgt ist.

 Vorbringen der Parteien

84      Die Klägerin macht geltend, dass die Anstellungsbehörde, unterstellt, sie habe ihre eigene Beurteilung der die Berufserfahrung betreffenden Bedingung rechtmäßig an die Stelle derjenigen des Prüfungsausschusses setzen können, die Bedingung der Berufserfahrung dennoch offensichtlich fehlerhaft beurteilt habe, insbesondere was zunächst die Berechnung ihrer Berufserfahrung als Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige beim Gerichtshof in Vollzeitäquivalent, weiterhin die Dauer ihres Praktikums bei der Anwaltskanzlei W. und schließlich die Anwendung der Tagesnorm einer bestimmten Zahl zu übersetzender Seiten, die jedoch in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nicht angegeben gewesen sei, auf ihre Berufserfahrung als Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige beim Gerichtshof angehe.

85      Nach Auffassung der Kommission ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

86      Zur Prüfung, ob die Beurteilung der Anstellungsbehörde hinsichtlich der Dauer der Berufserfahrung der Klägerin offensichtlich fehlerhaft ist, ist zunächst zu untersuchen, ob die von der Anstellungsbehörde hierzu verwendeten Modalitäten oder Kriterien in Anbetracht des von der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens gebildeten Regelungsrahmens auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage beruhen, die es rechtfertigt, dass die Anstellungsbehörde bei der Beurteilung einer Zulassungsbedingung mit Ausschlusscharakter ein spezifisches und rechtmäßiges Berechnungskriterium auf Personen anwendet, die nicht dem Organ angehören.

87      Aus der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde ergibt sich jedoch, dass die Anstellungsbehörde von Folgendem ausgegangen ist: „Der Prüfungsausschuss hat möglicherweise nicht berücksichtigt, dass die Arbeit der [Klägerin] für den Gerichtshof eine Freelance-Tätigkeit war und sie daher nicht auf der Grundlage der Monate, während deren sie mit dem Organ zusammengearbeitet hatte, sondern auf der Grundlage der tatsächlich geleisteten Arbeit angerechnet werden musste, da die [Klägerin] kein Gehalt als Gegenleistung erhielt, keine Arbeitszeit einzuhalten hatte und keiner Hierarchie unterstellt war und ihre Anwesenheit am Gerichtshof für die Durchführung ihrer Aufgaben nicht erforderlich war. Mithin war eine Berechnung der in diesem Zusammenhang gearbeiteten Tage, beispielsweise auf der Grundlage der Zahl der übersetzten Seiten zwingend geboten. Dies galt umso mehr, als sich die Auftragsscheine für die Übersetzungen in der Akte befanden und in dem Bewerbungsleitfaden vorgesehen war, dass auf diese für eine nicht lohn- oder gehaltsabhängige Erwerbstätigkeit Bezug genommen werden konnte“ (Hervorhebung nur hier).

88      Nach Ansicht der Kommission bildete der Bewerbungsleitfaden somit die hinreichende Rechtsgrundlage für die Anwendung der Mechanismen zur Umrechnung des Umfangs der erbrachten Arbeit in geleistete Arbeitstage, wie sie von den Dienststellen der Kommission für die Übersetzungsarbeit innerhalb dieses Organs verwendet werden. Daraus folgt nach Ansicht der Kommission, dass die Anstellungsbehörde „die Arbeitszeit der Klägerin als Freelance-Mitarbeiterin für den Gerichtshof zu Recht überprüft hat“ (Hervorhebung nur hier).

89      In ihrer Klagebeantwortung weist die Kommission zudem darauf hin, dass es, „[d]a die Klägerin um Einstellung durch die Kommission ersucht hatte, … für die Anstellungsbehörde unumgänglich [war], sich bei der Berechnung der Berufserfahrung in Vollzeitäquivalent auf ihre eigenen Kriterien zu stützen“ (Hervorhebung nur hier).

90      Unbestreitbar hätte zwar im vorliegenden Fall die Einstellung der Klägerin gegebenenfalls bei der Kommission erfolgen sollen; die Kommission gibt jedoch nirgends, weder im Stadium der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde noch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens, an, auf welcher der Klägerin unmittelbar entgegenzuhaltenden Rechtsgrundlage die Anstellungsbehörde verpflichtet gewesen sein soll, den von dem Prüfungsausschuss bei der Berechnung der Berufserfahrung der Klägerin etwa begangenen Fehler unter Verwendung des Kriteriums der Zahl der pro Tag übersetzten Seiten nach dem von den Übersetzungsdiensten der Kommission verwendeten Verhältnis, d. h. fünf Seiten pro Arbeitstag, zu berichtigten, und dies unabhängig davon, dass es im vorliegenden Fall spezifisch um die Übersetzung von Rechtstexten und/oder die Überprüfung der sprachlichen und juristischen Übereinstimmung von Rechtsvorschriften ging.

91      Selbst wenn sich ein solcher Berechnungsmodus aus der Bekanntmachung des Vizepräsidenten der Kommission SEC (2004) 638 vom 25. Mai 2004 hinsichtlich des Bedarfs an Übersetzungen ergeben können sollte, ist er doch in diesem Dokument nicht als zwingendes Auswahlkriterium für die Zulassung zu einem Auswahlverfahren speziell zur Einstellung von Rechts- und Sprachsachverständigen vorgeschrieben worden. Jedenfalls war dieser Berechnungsmodus nicht in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens enthalten oder Gegenstand einer zugänglichen oder dem Prüfungsausschuss oder den betroffenen Bewerbern notwendigerweise bekannten Veröffentlichung. Außerdem entspricht dieses Kriterium, wie die Kommission im Übrigen selbst vorgetragen hat, nicht den Kriterien, die von den anderen Übersetzungsdiensten der Organe, die für die etwaige Einstellung ihrer Rechts- und Sprachsachverständigen auf die Reserveliste zugreifen können, verwendet werden. Es handelt sich daher nicht um ein den Organen der Union gemeinsames Kriterium.

92      Die Anstellungsbehörde durfte deshalb, als sie anstelle des Prüfungsausschusses tätig wurde, um die Einhaltung einer Bedingung für die Zulassung zu den Prüfungen sicherzustellen, deren für alle Teilnehmer an dem Auswahlverfahren einheitliche Beurteilung und Anwendung geboten war, keinen rein kommissionsinternen und demzufolge nicht organübergreifenden Berechnungsmodus verwenden, der damit, da es im vorliegenden Fall um die Einstellung von Rechts- und Sprachsachverständigen ging, ungeeignet und gegenüber nicht dem Organ angehörenden Personen nicht verbindlich war.

93      Daraus folgt, dass die von der Kommission vorgenommene Analyse der Berufserfahrung der Klägerin, die darin bestand, die Zahl der von der Klägerin während ihrer Zeit als Freelance-Rechts- und Sprachsachverständige beim Gerichtshof übersetzten Seiten nach den von den Übersetzungsdiensten der Kommission verwendeten Kriterien so zu berechnen, als handelte es sich um die Arbeit eines „Übersetzers“ bei der Kommission, selbst wenn diese Analyse als plausibel angesehen würde, nicht auf einer einschlägigen und der Klägerin unmittelbar entgegenzuhaltenden Rechtsvorschrift beruht und demzufolge einen offensichtlichen Fehler der Anstellungsbehörde darstellt, der für das Gericht leicht zu erkennen ist (siehe Rn. 70 des vorliegenden Urteils).

94      Nach alledem ist daher dem zweiten Klagegrund, auch wenn dieser hilfsweise geltend gemacht wird, zu folgen, ohne das es erforderlich wäre, die übrigen von der Klägerin hierzu vorgetragenen Argumente zu prüfen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, Verletzung der Fürsorgepflicht und Überschreitung einer angemessenen Verfahrensdauer

95      Da dieser Klagegrund im Wesentlichen die Beurteilung des Sachverhalts der vorliegenden Rechtssache betrifft, ist das Gericht insoweit und im Interesse einer geordneten Rechtspflege der Auffassung, dass es diesen Klagegrund prüfen kann, auch wenn es dem ersten Klagegrund bereits gefolgt ist.

 Vorbringen der Parteien

96      Die Klägerin wirft der Anstellungsbehörde zunächst vor, die Entscheidung des Prüfungsausschusses, sie zum Auswahlverfahren zuzulassen, in der letzten Phase des Verfahrens zu ihrer Einstellung, fast sieben Jahre nach der Erstellung der Reserveliste und insbesondere nachdem die GD Humanressourcen für ihre Einstellung als Verwaltungsrätin eine Abweichung genehmigt habe, in Frage gestellt zu haben. Im Übrigen sei die Gültigkeit der Reserveliste mehrmals verlängert worden, und die Klägerin sei in der Zwischenzeit zu mehreren Einstellungsgesprächen eingeladen worden, ohne dass ihre Zulassung zum Auswahlverfahren zu irgendeinem Zeitpunkt überprüft oder in Frage gestellt worden wäre.

97      Ferner hätten ihr die Bediensteten der GD Humanressourcen bei den Gesprächen im September und Oktober 2013 den Zugang zu ihrer EPSO-Akte verweigert; erst im November 2013 sei ihr Zugang gewährt worden.

98      Zudem habe die Anstellungsbehörde dadurch, dass sie vier Monate für den Erlass der streitigen Entscheidung benötigt habe, den für die Prüfung der Angelegenheit angemessenen Zeitraum überschritten. In Anbetracht zum einen der Art der im vorliegenden Fall von der Anstellungsbehörde vorzunehmenden Kontrolle, die auf offensichtliche Beurteilungsfehler beschränkt gewesen sei, und zum anderen des von der GD Justiz bekundeten beständigen Interesses an ihrer – ursprünglich für September 2013 vorgesehenen – Einstellung sei eine solche Verfahrensdauer unangemessen und im Übrigen vollständig der GD Humanressourcen zuzurechnen.

99      Schließlich habe die Anstellungsbehörde die Angelegenheit auf unbillige Art und Weise behandelt, da die Vertreter der GD Humanressourcen widersprüchliche und unklare Ansichten zu den für die Berechnung der Dauer der Berufserfahrung maßgeblichen Elementen und zu den in diesem Zusammenhang vorzulegenden Unterlagen – die anschließend nicht berücksichtigt worden seien – geäußert hätten. Dieses Verhalten habe auch das Einstellungsverfahren verzögert.

100    Nach Auffassung der Kommission ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

101    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Anstellungsbehörde die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Prüfungsausschusses, einen Bewerber in die Reserveliste eines Auswahlverfahrens aufzunehmen, erst zu dem Zeitpunkt prüfen darf, zu dem sich die Frage der tatsächlichen Einstellung stellt, und keinesfalls zu dem Zeitpunkt, zu dem ihr der Prüfungsausschuss die Reserveliste übermittelt (Urteil vom 15. September 2005, Luxem/Kommission, T‑306/04, EU:T:2005:326, Rn. 24). Die seit Erstellung der Reserveliste verstrichene Zeit oder die Anzahl der Verlängerungen der Gültigkeit dieser Liste sind daher ohne Bedeutung für die Beurteilung der Frage, ob die Abstellungsbehörde im vorliegenden Fall dadurch, dass sie die Entscheidung des Prüfungsausschusses, die Klägerin zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens zuzulassen, in Frage gestellt hat, gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen hat.

102    Was ferner den abweichenden Zugriff auf die fragliche Reserveliste anbelangt (siehe Rn. 15 des vorliegenden Urteils), ist festzustellen, dass diese Entscheidung notwendigerweise nach der Entscheidung des Prüfungsausschusses, die Klägerin in diese Liste aufzunehmen, jedoch vor der unerlässlichen Überprüfung ihrer Eignung für die Übernahme ins Beamtenverhältnis durch Dienststellen der Anstellungsbehörden getroffen worden ist. Obwohl die Abweichungsentscheidung unzeitig, nämlich lange bevor die Anstellungsbehörde die Eignung der Klägerin, auf die betroffene Stelle ernannt zu werden, überprüfen konnte, ergangen ist, ist damit de iure jedoch nicht verbunden, dass die Anstellungsbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeiten nicht mehr die Einhaltung dieser im Statut zwingend vorgeschriebenen Ernennungsbedingungen überprüfen könnte. Mit anderen Worten ist eine Abweichungsentscheidung wie die in Rede stehende nicht automatisch mit einer Entscheidung gleichzusetzen, mit der die Eignung für die Übernahme ins Beamtenverhältnis festgestellt wird. Zu den Bedingungen des Statuts für die Ernennung gehört jedoch die Regelung in Art. 28 des Statuts, nämlich die erfolgreiche Teilnahme an einem Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen, bei dem es sich im vorliegenden Fall nur um das hier in Rede stehende Auswahlverfahren handeln konnte.

103    Was zweitens den Zugang zur EPSO-Akte anbelangt, ist festzustellen, dass die Klägerin ihr Vorbringen, ihre mündlichen Zugangsersuchen seien von den Bediensteten der GD Humanressourcen abgelehnt worden, durch keinerlei Beweise untermauert hat. Die Klägerin hat zwar diese Ablehnung in einer an die GD Humanressourcen gerichteten E‑Mail vom 11. November 2013 erwähnt, doch wird ihre Behauptung nicht durch den Empfänger bestätigt; dieser lud sie vielmehr ein, bereits am folgenden Tag Einsicht in ihre Akte zu nehmen. Die Klägerin, die einräumt, dass sie am 12. November 2013 Zugang zu ihrem Bewerbungsfragebogen und zu den diesem beigefügten Unterlagen hatte, gibt im Übrigen nicht an, inwiefern die behauptete frühere Ablehnung einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und eine Verletzung der Fürsorgepflicht darstellen soll.

104    Was drittens die von der Anstellungsbehörde für den Erlass ihrer Entscheidung benötigte Zeit betrifft, ist festzustellen, dass durch keine Bestimmung des Unionsrechts eine Frist für die Entscheidung über die Einstellung eines Beamten im Rahmen eines Auswahlverfahrens wie dem, an dem die Klägerin teilgenommen hat, festgelegt wird. Daraus folgt nach ständiger Rechtsprechung, dass die Angemessenheit des Zeitraums, den das Organ benötigt, um die in Rede stehende Handlung vorzunehmen, anhand aller Umstände jeder einzelnen Rechtssache und insbesondere anhand der Bedeutung der Interessen, die für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, der Komplexität der Rechtssache sowie des Verhaltens der Parteien zu beurteilen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2013, Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB, C‑334/12 RX‑II, EU:C:2013:134, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

105    Die GD Justiz hat im vorliegenden Fall im Juni 2013, im Anschluss an das Einstellungsgespräch vom 28. Mai 2013, das Einstellungsersuchen für die Klägerin an die GD Humanressourcen übermittelt. Im Juli 2013 hat die GD Humanressourcen die für die Einstellung eines in die Reserveliste für Rechts- und Sprachsachverständige aufgenommenen Bewerbers auf eine Stelle als Verwaltungsrat erforderliche Abweichung genehmigt. Die EPSO-Akte ist der Kommission im September 2013 übermittelt worden, und die streitige Entscheidung ist am 17. Dezember 2013 erlassen worden. In der Zwischenzeit hat sich die Klägerin Ende August 2013 bei der GD Humanressourcen über den Stand des Einstellungsverfahrens erkundigt.

106    Was zunächst das Kriterium der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Interessen anbelangt, kann die Klägerin, obwohl die Aussicht auf ihre Einstellung von unbestreitbarer Bedeutung für sie war, keinerlei Anspruch auf Ernennung zur Beamtin geltend machen und sich mangels Zustimmung der GD Humanressourcen, unbeschadet des von der GD Justiz bekundeten beständigen Interesses an ihrer Einstellung, auch nicht auf ein dahin gehendes berechtigtes Vertrauen berufen (vgl. Urteil vom 19. Mai 2015, Brune/Kommission, F‑59/14, EU:F:2015:50, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung). Da die Anstellungsbehörde – wenn auch zu Unrecht – der Auffassung war, der Prüfungsausschuss habe mit der Zulassung der Klägerin zum Auswahlverfahren einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, war ferner die Prüfung, ob die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verlangte Zulassungsbedingung der Berufserfahrung erfüllt war, als solche und in den in den Rn. 53 bis 55 des vorliegenden Urteils dargestellten Grenzen von einer gewissen Komplexität. Schließlich hat die Anstellungsbehörde, die die in der EPSO-Akte enthaltenen Informationen in einigen Punkten für widersprüchlich und unzureichend hielt, von der Klägerin zusätzliche Unterlagen und Erläuterungen angefordert. Mithin kann der Anstellungsbehörde keine ungerechtfertigte Verzögerung des Einstellungsverfahrens angelastet werden.

107    Daher kann der zwischen dem im Juni 2013 von der GD Justiz an die GD Humanressourcen gerichteten Einstellungsersuchen und dem Erlass der streitigen Entscheidung am 17. Dezember 2013 verstrichene Zeitraum von ungefähr sechs Monaten insgesamt nicht als unangemessen angesehen werden.

108    Viertens kann darin, dass die Bediensteten der GD Humanressourcen die Klägerin in verschiedenen Stadien des Einstellungsverfahrens über die Gesichtspunkte, die sie für die Berechnung der Dauer der Berufserfahrung für maßgeblich erachteten, und über die in diesem Zusammenhang vorzulegenden Nachweise auf dem Laufenden gehalten haben, keine unbillige Behandlung ihrer Situation gesehen werden. Vielmehr hatte die Klägerin so Gelegenheit, zu den umstrittenen Punkten ihrer Akte Stellung zu nehmen und im Laufe des Einstellungsverfahrens zu ihren Gunsten alle ihr zur Verfügung stehenden Argumente und Nachweise geltend zu machen. Im Übrigen konnte die Anstellungsbehörde die Beweiskraft dieser Nachweise frei beurteilen.

109    Somit kann auf der Grundlage der von der Klägerin vorgetragenen Umstände kein Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, keine Verletzung der Fürsorgepflicht und keine Überschreitung einer angemessenen Verfahrensdauer festgestellt werden. Der dritte Klagegrund ist folglich zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der die Berufserfahrung betreffenden Zulassungsbedingung für das Auswahlverfahren

 Vorbringen der Parteien

110    Die Klägerin trägt im Wege einer Einrede der Rechtswidrigkeit vor, die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens enthaltene Zulassungsbedingung der Berufserfahrung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da andere Bekanntmachungen von Auswahlverfahren für die Einstellung von Rechts- und Sprachsachverständigen keine solche Bedingung vorsähen.

111    Die Kommission beantragt, den vierten Klagegrund als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

112    Da dem ersten, auf die Unzuständigkeit der Anstellungsbehörde gestützten Aufhebungsgrund gefolgt worden ist, ist der vierte Klagegrund nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen ist festgestellt worden, dass die Anstellungsbehörde angesichts der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens geregelten Verteilung der Zuständigkeiten zwischen ihr und dem Prüfungsausschuss an die Entscheidung des Prüfungsausschusses, die Klägerin hinsichtlich der Zulassungsbedingung der Berufserfahrung zum Auswahlverfahren zuzulassen, gebunden war, da diese Entscheidung nicht mit einem offensichtlichen Fehler behaftet war, so dass die etwaige Rechtswidrigkeit dieser Zulassungsbedingung nicht zu einem zusätzlichen, der Klägerin zu ersetzenden persönlichen Schaden führen könnte.

3.     Zum Schadensersatzantrag

 Vorbringen der Parteien

113    Die Klägerin macht geltend, sie wäre sicherlich im September 2013 eingestellt worden, wenn der Rechtsverstoß, mit dem die streitige Entscheidung behaftet sei, nicht begangen worden wäre. Da sie zwischen dem 1. September 2013 und dem 1. Februar 2014, an dem sie als Rechtsreferentin eines Mitglieds des Gerichts der Europäischen Union eingestellt worden sei, in Erwartung der Entscheidung der Anstellungsbehörde ohne Beschäftigung gewesen sei, habe ihr dieser Rechtsverstoß einen materiellen Schaden in Form des Verlusts der Bezüge, die sie erhalten hätte, sowie anderer mit einer Ernennung verbundener Vorteile verursacht, einschließlich der Möglichkeit, unter Geltung günstigerer Statutsbestimmungen, die bis zum 31. Dezember 2013 in Kraft gewesen seien, als Beamtin eingestellt zu werden.

114    Folglich sei sie zu entschädigen, indem ihr „alle Folgen“ einer Ernennung als Verwaltungsrätin der Besoldungsgruppe AD 7, Dienstaltersstufe 1, bei der GD Justiz zuzuerkennen seien, d. h. „unter anderem“ ein Dienstalter in der Besoldungsgruppe mit Wirkung vom 1. September 2013, die Wiederherstellung ihrer dienstlichen Laufbahn, die rückwirkende Zahlung der Versorgungsbeiträge und die Zahlung der Vergütung für den Zeitraum, während dessen sie ohne Beschäftigung gewesen sei, wobei diese Vergütung, vorbehaltlich einer Erhöhung, auf 26 132,85 Euro zuzüglich Verzugszinsen für den betroffenen Zeitraum in Höhe des von der Europäischen Zentralbank für Hauptrefinanzierungsgeschäfte festgesetzten und um zwei Prozentpunkte erhöhten Zinssatzes zu beziffern sei.

115    Außerdem habe die Klägerin aufgrund der streitigen Entscheidung auch einen immateriellen Schaden erlitten, der durch den Stress und die Angstzustände aufgrund der mehr als sieben Jahre nach ihrer Aufnahme in die Reserveliste erfolgten Infragestellung ihrer erworbenen Rechte als erfolgreiche Teilnehmerin am Auswahlverfahren und durch die Verpflichtung entstanden sei, selbst an ihre früheren Arbeitgeber heranzutreten, um die von der GD Humanressourcen verlangten Informationen zur Beurteilung ihrer Berufserfahrung zu erhalten. Die Klägerin beschränkt ihren Antrag in dieser Hinsicht auf einen symbolischen Euro.

116    Die Kommission beantragt, den Schadensersatzantrag zurückzuweisen. Was den materiellen Schaden aufgrund des Verlusts einer Einstellungschance anbelange, stehe der Schadensersatzantrag in einem engen Zusammenhang mit dem Aufhebungsantrag und müsse daher als unbegründet zurückgewiesen werden. Im Übrigen könne sich die Klägerin nicht auf eine ernsthafte Chance auf Einstellung berufen und könne auch nicht davon ausgehen, dass ihre Ernennung zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte erfolgen müssen. Jedenfalls wäre, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung einer im vorbereitenden Sitzungsbericht enthaltenen Frage erklärt hat, unter Berücksichtigung einer etwaigen Kündigungsfrist eine Einstellung vor dem 1. März 2014, im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen.

117    Im Übrigen seien die Anträge der Klägerin, ihr „alle Folgen“ einer Ernennung zuzuerkennen und ihre dienstliche Laufbahn wiederherzustellen, offensichtlich unzulässig, der erste wegen seiner Ungenauigkeit und der zweite, weil es dem Unionsrichter nach der Rechtsprechung im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 91 des Statuts nicht zustehe, der Verwaltung Anordnungen zu erteilen.

118    Der Antrag auf Ersatz des immateriellen Schadens sei mangels vorherigen Antrags nach Art. 90 des Statuts unzulässig, da dieser Schaden aufgrund eines Verhaltens der Verwaltung entstanden sei, das keine Entscheidung darstelle, nämlich der Verzögerung bei der Bearbeitung der Akte der Klägerin.

119    Der Antrag auf Ersatz des immateriellen Schadens sei aber auch unbegründet. So seien der behauptete Stress und die Angstzustände unter den Umständen des vorliegenden Falles wenig wahrscheinlich, zumal die Stellung als erfolgreicher Teilnehmer dem Betroffenen keinen Anspruch auf Ernennung zum Beamten verleihe und es jedem Bewerber obliege, alles vorzulegen, was zur Beurteilung der Existenz und der Relevanz seiner Befähigungsnachweise und seiner Berufserfahrung erforderlich sei.

 Würdigung durch das Gericht

120    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Haftung eines Organs an das Zusammentreffen mehrerer Voraussetzungen geknüpft, die sich auf die Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, den tatsächlichen Eintritt des behaupteten Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden beziehen (vgl. u. a. Urteile vom 1. Juni 1994, Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., C‑136/92 P, EU:C:1994:211, Rn. 42, und vom 21. Februar 2008, Kommission/Girardot, C‑348/06 P, EU:C:2008:107, Rn. 52).

121    Da die streitige Entscheidung, wie im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes festgestellt, rechtswidrig ist, ist zu prüfen, ob die Klägerin durch diese Entscheidung einen Schaden erlitten hat.

122    Hinsichtlich des materiellen Schadens ist festzustellen, dass die Klägerin durch die angefochtene Entscheidung eine reale Chance verloren hat, als Beamtin auf die freie Planstelle bei der GD Justiz eingestellt zu werden, zu deren Besetzung diese Generaldirektion in der Tat mehrmals ihr Interesse an der Klägerin bekundet hatte, (vgl. Rn. 18 des vorliegenden Urteils sowie in diesem Sinne Urteil vom 7. Oktober 2013, Thomé/Kommission, F‑97/12, EU:F:2013:142, Rn. 76).

123    Somit ist unabhängig von den Maßnahmen, die die Kommission nach Art. 266 AEUV zur Durchführung des vorliegenden Aufhebungsurteils zu ergreifen haben wird, davon auszugehen, dass die Klägerin endgültig die Chance verloren hat, als Verwaltungsrätin der Besoldungsgruppe AD 7 auf die freie Planstelle bei der GD Justiz ernannt zu werden, für die diese Generaldirektion im Übrigen eine administrative Genehmigung zum abweichenden Zugriff auf die in erster Linie zur Einstellung von Rechts- und Sprachsachverständigen bestimmten Reserveliste des Auswahlverfahrens erhalten hatte, um diese Stelle der Klägerin vorzuschlagen. Dieser Schaden begründet mithin, sofern die übrigen gesetzlichen Bedingungen erfüllt sind, einen Entschädigungsanspruch (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2011, AA/Kommission, F‑101/09, EU:F:2011:133, Rn. 79 bis 82).

124    Sodann behauptet die Klägerin unter Berufung auf das – im Übrigen von der Kommission nicht bestrittene – Interesse des Referats der GD Justiz, dem sie hätte zugewiesen werden sollen, dass sie ohne die rechtswidrige streitige Entscheidung zum 1. September 2013 eingestellt worden wäre.

125    Insoweit ist jedoch zum einen darauf hinzuweisen, dass die EPSO-Akte der Anstellungsbehörde erst im September 2013 zugegangen ist.

126    Zum anderen ist festzustellen, dass die Kommission zwar geltend macht, der frühestmögliche Einstellungstermin für die freie Planstelle sei der 1. März 2014 gewesen, dass aber die Akte der Klägerin, hätte die Anstellungsbehörde nicht zu Unrecht festgestellt, dass der Prüfungsausschuss einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, insbesondere wegen des von der GD Justiz mehrmals bekundeten Interesses an der Besetzung dieser Planstelle wahrscheinlich schneller bearbeitet worden wäre.

127    Unter den Umständen des vorliegenden Falles ist daher davon auszugehen, dass sich die Chance der Klägerin, auf die in Rede stehende Planstelle als Verwaltungsrätin eingestellt zu werden, ohne den der Kommission vorgeworfenen Rechtsverstoß frühestens am 1. November 2013 verwirklicht hätte, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass, wie aus der E‑Mail der GD Humanressourcen vom 24. Mai 2013 an die Klägerin (siehe Rn. 13 des vorliegenden Urteils) hervorgeht, im Fall der Einstellung durch die Kommission die ärztliche Einstellungsuntersuchung nicht erforderlich gewesen wäre, da die Klägerin diese Untersuchung bereits zuvor beim Gerichtshof absolviert hatte.

128    Schließlich trägt die Klägerin vor, dass sich ihr materieller Schaden für den Zeitraum vom 1. September 2013 bis zum 1. Februar 2014, während dessen sie in Erwartung des Erlasses der streitigen Entscheidung ohne Beschäftigung gewesen sei, auf 26 132,85 Euro belaufe, wobei es sich um die Bezüge handele, die sie als Beamtin der Besoldungsgruppe AD 7, Dienstaltersstufe 1, erhalten hätte. Außerdem sei die Kommission zur Zahlung der Versorgungsbeiträge ab September 2013 zu verurteilen.

129    Ohne dass über die Einrede der Unzulässigkeit zu befinden wäre, die die Kommission gegenüber den Anträgen auf Zuerkennung „aller Folgen“ einer Ernennung und auf Wiederherstellung der dienstlichen Laufbahn erhoben hat, genügt jedoch der Hinweis, dass der materielle Schaden, dessen Ersatz die Klägerin verlangen kann, nicht mit einem Verdienstausfall, sondern mit dem Verlust der Chance zusammenhängt, als Beamtin auf die Planstelle, die Gegenstand des in Rede stehenden Einstellungsverfahrens war, eingestellt zu werden.

130    In Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles und in Ausübung der Befugnis des Gerichts, den erlittenen Schaden nach billigem Ermessen festzusetzen, wird demzufolge der gesamte der Klägerin entstandene materielle Schaden insbesondere unter Berücksichtigung der mit der fraglichen Planstelle verbundenen monatlichen Bezüge, des Umstands, dass die Klägerin eine reale Chance verloren hat, des frühestmöglichen Einstellungstermins und der beruflichen Situation der Klägerin während des Bezugszeitraums angemessen ersetzt, indem die Kommission verurteilt wird, ihr einen Pauschalbetrag in Höhe von 10 000 Euro zu zahlen.

131    Hinsichtlich des immateriellen Schadens ist zunächst festzustellen, dass der behauptete Schaden entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht auf einem Verhalten der Verwaltung ohne Entscheidungscharakter beruht, nämlich der Verzögerung bei der Bearbeitung der Akte der Klägerin, sondern auf der streitigen Entscheidung.

132    Es ist jedoch zu entscheiden, dass die Aufhebung der streitigen Entscheidung als solche einen angemessenen und hinreichenden Ersatz des von der Klägerin behaupteten immateriellen Schadens darstellt, da dieser nicht der Nachweis gelungen ist, dass sie einen von dem Rechtsverstoß, der zur Aufhebung der streitigen Entscheidung führt, abtrennbaren immateriellen Schaden erlitten hat.

133    Folglich ist die Kommission zu verurteilen, der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 10 000 Euro zu zahlen.

 Kosten

134    Nach Art. 101 der Verfahrensordnung trägt die unterliegende Partei vorbehaltlich der übrigen Bestimmungen des Achten Kapitels des Zweiten Titels der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten und ist auf Antrag zur Tragung der Kosten der Gegenpartei zu verurteilen. Gemäß Art. 102 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende Partei ihre eigenen Kosten trägt, aber nur zur Tragung eines Teils der Kosten der Gegenpartei oder gar nicht zur Tragung dieser Kosten zu verurteilen ist.

135    Aus den Gründen des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass die Kommission im Wesentlichen unterlegen ist. Zudem hat die Klägerin ausdrücklich beantragt, sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Umstände des vorliegenden Falles die Anwendung von Art. 102 Abs. 1 der Verfahrensordnung nicht rechtfertigen, hat die Kommission ihre eigenen Kosten und die der Klägerin entstandenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung vom 17. Dezember 2013, mit der die Europäische Kommission es abgelehnt hat, FE einzustellen, wird aufgehoben.

2.      Die Europäische Kommission wird verurteilt, 10 000 Euro an FE zu zahlen.

3.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und wird verurteilt, die Kosten von FE zu tragen.

Barents

Perillo

Svenningsen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. Oktober 2015.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

W. Hakenberg

 

       R. Barents


* Verfahrenssprache: Französisch.