Language of document : ECLI:EU:T:2019:67

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

7. Februar 2019(*)

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsverfahren – Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das eine Leuchte darstellt – Nichtigkeitsgrund – Älteres Geschmacksmuster – Eigenart – Informierter Benutzer – Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers – Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002“

In der Rechtssache T‑767/17

Eglo Leuchten GmbH mit Sitz in Pill (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Lauf,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Söder als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Briloner Leuchten GmbH & Co. KG, vormals Briloner Leuchten GmbH, mit Sitz in Brilon (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M.‑H. Hoffmann,


betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des EUIPO vom 26. September 2017 (Sache R 746/2016‑3) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Eglo Leuchten und Briloner Leuchten

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni, der Richterin K. Kowalik-Bańczyk (Berichterstatterin) und des Richters C. Mac Eochaidh,

Kanzler: R. Ukelyte, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 23. November 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 2. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 31. Januar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2018

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 28. März 2014 meldete die Streithelferin, die Briloner Leuchten GmbH & Co. KG, nach der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster an.

2        Das angegriffene Geschmacksmuster wird wie folgt wiedergegeben:

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3        Das angegriffene Geschmacksmuster soll für „Leuchten“ in Klasse 26 05 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung verwendet werden.

4        Das angegriffene Geschmacksmuster wurde als Gemeinschaftsgeschmacksmuster unter der Nr. 2435768‑0036 eingetragen und im Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 98/2014 vom 28. Mai 2014 veröffentlicht.

5        Am 23. Oktober 2015 stellte die Klägerin, die Eglo Leuchten GmbH, beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung des angegriffenen Geschmacksmusters nach Art. 52 der Verordnung Nr. 6/2002. Der Antrag wurde auf Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 gestützt.

6        In ihrem Antrag auf Nichtigerklärung machte die Klägerin insbesondere geltend, dass es dem angegriffenen Geschmacksmuster an Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 fehle. Dabei stützte sie sich auf mehrere Dokumente, die belegen sollen, dass der Öffentlichkeit ältere Geschmacksmuster zugänglich gemacht wurden, und zwar u. a. auf

–        einen Auszug aus dem Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 81/2008 vom 23. April 2008, der die Veröffentlichung des unter der Nr. 894126 0011 eingetragenen Geschmacksmusters betrifft, das wie folgt wiedergegeben wird:

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–        mehrere Seiten eines Katalogs der Klägerin mit dem Titel „Wohnraumleuchten 2009/10“, der u. a. folgende Bilder enthält:

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7        Mit Entscheidung vom 19. Februar 2016 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf Nichtigerklärung statt.

8        Am 22. April 2016 legte die Streithelferin beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

9        Mit Entscheidung vom 26. September 2017 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Dritte Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung auf und wies den Antrag auf Nichtigerklärung zurück.

10      Dabei führte die Beschwerdekammer zum einen aus, die beiden Bilder aus dem oben in Rn. 6 genannten Katalog seien eine Wiedergabe des eingetragenen älteren Geschmacksmusters. Zum anderen reichten die Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern aus, um den Schluss zu ziehen, dass sie beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorriefen. Somit könne der Gesamteindruck des älteren Geschmacksmusters dem angegriffenen Geschmacksmuster nicht seine Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 nehmen.

 Anträge der Parteien

11      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO und, hilfsweise, der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

12      Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

13      Als einzigen Klagegrund führt die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 an.

14      Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem auf einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 gestützten ersten Teil rügt die Klägerin, dass die Beschwerdekammer einen durchschnittlichen Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers angenommen habe. Mit dem zweiten Teil macht sie einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung geltend, da die Beschwerdekammer davon ausgegangen sei, dass das angegriffene Geschmacksmuster Eigenart habe.

15      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Vorbemerkungen

16      Aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 geht hervor, dass im Fall eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters die Eigenart im Hinblick auf den bei einem informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindruck zu beurteilen ist. Der beim informierten Benutzer hervorgerufene Gesamteindruck muss sich von demjenigen unterscheiden, den ein anderes Geschmacksmuster hervorruft, das der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, vor dem Prioritätstag zugänglich gemacht worden ist. Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 stellt klar, dass bei der Beurteilung der Eigenart der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters zu berücksichtigen ist.

17      Nach der Rechtsprechung beruht die Eigenart eines Geschmacksmusters darauf, dass aus der Sicht eines informierten Benutzers in Bezug auf den vorbestehenden Formschatz ein Unterschied im Gesamteindruck oder kein „Déjà-vu“ besteht, wobei Unterschiede außer Betracht bleiben, die – auch wenn sie über unbedeutende Details hinausgehen – zu schwach ausgeprägt sind, um diesen Gesamteindruck zu beeinflussen, jedoch Unterschiede berücksichtigt werden, die hinreichend ausgeprägt sind, um einen unähnlichen Gesamteindruck hervorzurufen (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Budziewska/HABM – Puma [Springende Raubkatze], T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Bei der Beurteilung, ob ein Geschmacksmuster Eigenart in Bezug auf den vorbestehenden Formschatz aufweist, sind die Art des Erzeugnisses, bei dem das Geschmacksmuster benutzt wird oder in das es aufgenommen wird, und insbesondere der jeweilige Industriezweig (vgl. 14. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 6/2002) und der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters, eine mögliche Sättigung des Stands der Technik, durch die der informierte Benutzer für Unterschiede zwischen den verglichenen Geschmacksmustern aufmerksamer wird, sowie die Art der Benutzung des fraglichen Erzeugnisses, insbesondere im Hinblick auf die dafür übliche Bedienungsweise, zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Springende Raubkatze, T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Schließlich ist bei der Beurteilung der Eigenart eines Geschmacksmusters auch die Sicht des informierten Benutzers zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der informierte Benutzer eine Person, der eine besondere Wachsamkeit eigen ist und die über eine gewisse Kenntnis vom vorherigen Stand der Technik verfügt, d. h. vom Formenschatz der sich auf das fragliche Erzeugnis beziehenden Geschmacksmuster, die am Anmeldetag des streitigen Geschmacksmusters oder gegebenenfalls an dem in Anspruch genommenen Prioritätstag zugänglich waren (Urteile vom 18. März 2010, Grupo Promer Mon Graphic/HABM – PepsiCo [Wiedergabe eines runden Werbeträgers], T‑9/07, EU:T:2010:96, Rn. 62, vom 9. September 2011, Kwang Yang Motor/HABM – Honda Giken Kogyo [Verbrennungsmotor], T‑11/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:447, Rn. 23, und vom 29. Oktober 2015, Roca Sanitario/HABM – Villeroy & Boch [Einhandmischer], T‑334/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:817, Rn. 18).

20      Die beiden Teile des einzigen von der Klägerin geltend gemachten Klagegrundes sind im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.

 Erster Teil: Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002

21      Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer hätte davon ausgehen müssen, dass der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers mangels gegenteiliger Nachweise der Streithelferin hoch sei. Im Übrigen sei die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers nach dem übereinstimmenden Parteivortrag vor dem EUIPO zum einen hinsichtlich der Befestigungsvorrichtung praktisch nicht vorhanden und zum anderen hinsichtlich des Leuchtenkopfs hoch.

22      Insoweit ist festzustellen, dass der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters insbesondere durch die Vorgaben bestimmt wird, die sich aus den durch die technische Funktion des Erzeugnisses oder eines Bestandteils des Erzeugnisses bedingten Merkmalen oder aus den auf das Erzeugnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften ergeben. Diese Vorgaben führen zu einer Standardisierung bestimmter Merkmale, die dann zu gemeinsamen Merkmalen aller beim betreffenden Erzeugnis verwendeten Geschmacksmuster werden (Urteil vom 18. März 2010, Wiedergabe eines runden Werbeträgers, T‑9/07, EU:T:2010:96‚ Rn. 67).

23      Je größer also die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters ist, desto weniger reichen kleine Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern aus, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen. Je beschränkter umgekehrt die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters ist, desto eher genügen kleine Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen. Daher bestärkt ein hoher Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters die Schlussfolgerung, dass Geschmacksmuster, die keine signifikanten Unterschiede aufweisen, beim informierten Benutzer den gleichen Gesamteindruck hervorrufen (Urteil vom 9. September 2011, Verbrennungsmotor, T‑11/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:447, Rn. 33).

24      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer angenommen, dass der Entwerfer bei Wand- oder Deckenleuchten einen durchschnittlichen Grad an Gestaltungsfreiheit habe, da diese zwangsläufig über eine Fassung für das Leuchtmittel sowie über eine Vorrichtung zur Befestigung der Leuchte an der Wand oder an der Decke verfügen müssten. Außerdem sei bei den mehrflammigen Deckenleuchten der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers in Bezug auf die Vorrichtung zur Befestigung, die Fassung sowie die Zahl und die Anordnung der Leuchtenköpfe nur durchschnittlich. Die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers unterliege jedoch grundsätzlich keinen Beschränkungen in Bezug auf die jeweilige Ausgestaltung der Fassungen und der Vorrichtungen zur Befestigung.

25      Erstens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach die Beschwerdekammer von einem hohen Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers hätte ausgehen müssen, weil die Streithelferin das Gegenteil nicht bewiesen habe und es für die Klägerin tatsächlich nicht möglich sei, die fehlende Sättigung des Stands der Technik zu beweisen.

26      Zum einen kann, wie im Übrigen die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, die Sättigung des Stands der Technik nicht als Beschränkung der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers angesehen werden (vgl. Urteil vom 16. Februar 2017, Antrax It/EUIPO – Vasco Group [Thermosiphons für Heizkörper], T‑828/14 und T‑829/14, EU:T:2017:87, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zum anderen stand es der Klägerin im Hinblick auf die oben in Rn. 22 angeführte Rechtsprechung frei, gegebenenfalls nachzuweisen, dass die für Leuchten geltenden gesetzlichen Vorschriften oder die Vorgaben, die sich aus den durch die technische Funktion der Leuchten oder eines ihrer Bestandteile bedingten Merkmalen ergeben, nicht geeignet waren, den Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers spürbar zu beschränken.

27      Zweitens ist, worauf das EUIPO zutreffend hinweist, die Argumentation der Klägerin insoweit widersprüchlich, als sie einerseits der Beschwerdekammer vorwirft, in Bezug auf Leuchten nicht von einem hohen Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers auszugehen, und andererseits den Ansatz der Beschwerdekammer rügt, dass die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers in Bezug auf die Vorrichtungen zur Befestigung dieser Leuchten unbeschränkt sei, obwohl sie ausgeführt habe, dass es diese Gestaltungsfreiheit praktisch nicht gebe.

28      Drittens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach der Entwerfer in Bezug auf die Befestigungsvorrichtungen und die Fassungen mehrflammiger Deckenleuchten praktisch keine Gestaltungsfreiheit habe, da die Form dieser Vorrichtungen standardisiert sei.

29      Die Frage, ob ein Geschmacksmuster einer allgemeinen Designtendenz folgt, spielt im Rahmen der Prüfung, ob das betroffene Geschmacksmuster Eigenart besitzt, bei der untersucht wird, ob sich der von diesem Geschmacksmuster hervorgerufene Gesamteindruck von dem unterscheidet, der – unabhängig von ästhetischen oder kommerziellen Erwägungen – jeweils von älteren Geschmacksmustern hervorgerufen wird, keine Rolle (Urteil vom 22. Juni 2010, Shenzhen Taiden/HABM – Bosch Security Systems [Fernmeldegeräte], T‑153/08, EU:T:2010:248, Rn. 58). Demnach kann der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers nicht davon abhängen, ob es eine solche Designtendenz gibt.

30      Viertens hat die Beschwerdekammer den Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers gemäß der oben in Rn. 22 angeführten Rechtsprechung beurteilt.

31      Aus der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass nach Auffassung der Beschwerdekammer die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers durch die technische Funktion der Leuchten, die es erforderlich macht, eine Fassung für ein Leuchtmittel mit einer Befestigungsvorrichtung zu kombinieren, beschränkt wird.

32      Folglich ist die Beschwerdekammer entgegen den Ausführungen der Klägerin zutreffend davon ausgegangen, dass der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers zwar in Bezug auf die Fassungen und die Befestigungsvorrichtungen jeweils hoch, hinsichtlich der gesamten Leuchte dagegen nur durchschnittlich sei.

33      Also ist der erste Teil des einzigen von der Klägerin geltend gemachten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Zweiter Teil: Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002

34      Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer sei fälschlich davon ausgegangen, dass das angegriffene Geschmacksmuster Eigenart besitze, und zwar allein aufgrund der Merkmale der Deckenhalterung, der kurzen Leisten und der Kipp-Dreh-Gelenke der in Rede stehenden Leuchte.

35      Vorliegend ist erstens festzustellen, dass der informierte Benutzer von der Beschwerdekammer zutreffend als Person bestimmt worden ist, die mit Leuchten sowie den verschiedenen Geschmacksmustern in diesem Bereich vertraut sei, übrigens ohne dass die Klägerin in diesem Punkt widersprochen hätte.

36      Zweitens ist die Beschwerdekammer, wie oben in Rn. 30 ausgeführt, zutreffend von einem mittleren Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers ausgegangen.

37      Drittens ist übereinstimmend mit der Beschwerdekammer darauf hinzuweisen, dass zum einen die Leuchtenköpfe, selbst wenn das eingetragene ältere und das angegriffene Geschmacksmuster jeweils einen ringförmigen Leuchtenkopf haben, doch in Bezug auf die Innenseite dieser Ringe Unterschiede aufweisen und dass zum anderen das angegriffene Geschmacksmuster über eine Vorrichtung zur Befestigung an der Decke, über eine lange und zwei kurze Leisten sowie über zwei Kipp‑Dreh‑Gelenke und einen zweiten Leuchtenkopf verfügt, die beim eingetragenen älteren Geschmacksmuster fehlen.

38      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die sichtbaren Merkmale der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster erhebliche Unterschiede aufweisen, so dass sich der durch das angegriffene Geschmacksmuster hervorgerufene Gesamteindruck von dem der älteren Geschmacksmuster unterscheidet.

39      Dieser Unterschied tritt dadurch noch deutlicher hervor, dass der durch ein Geschmacksmuster beim informierten Benutzer hervorgerufene Eindruck zwangsläufig auch durch die Art und Weise der Benutzung des fraglichen Produkts bestimmt wird (Urteile vom 22. Juni 2010, Fernmeldegeräte, T‑153/08, EU:T:2010:248, Rn. 66, und vom 14. Juni 2011, Sphere Time/HABM – Punch [An einem Schlüsselband befestigte Uhr], T‑68/10, EU:T:2011:269, Rn. 78). In der vorliegenden Rechtssache handelt es sich beim angegriffenen Geschmacksmuster jedoch zum einen um eine Deckenleuchte, deren Leuchtenköpfe durch die Kipp-Dreh-Gelenke entsprechend den Bedürfnissen des Benutzers ausgerichtet werden können. Zum anderen geht aus dem oben in Rn. 6 erwähnten Katalog hervor, dass das ältere Geschmacksmuster sowohl an einer Wand befestigt werden als auch Bestandteil einer Hänge- oder einer Stehleuchte sein kann. Also kann nicht ausgeschlossen werden, dass die von dem älteren Geschmacksmuster dargestellte Leuchte genauso wie die durch das angegriffene Geschmacksmuster dargestellte Deckenleuchte genutzt wird.

40      Folglich ist davon auszugehen, dass die Beschwerdekammer zutreffend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das angegriffene Geschmacksmuster über Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 verfügt.

41      Das Vorbringen der Klägerin kann daran nichts ändern.

42      Die Klägerin macht erstens geltend, dass Befestigungsvorrichtungen in der Leuchtenindustrie im Allgemeinen banal seien, so dass der Gesamteindruck der Geschmacksmuster durch die Leuchtenköpfe bestimmt werde. Außerdem beträfen zwei der drei Abbildungen des angegriffenen Geschmacksmusters gerade die Leuchtenköpfe, während keine einzige der Abbildungen speziell die Befestigungsvorrichtung betreffe.

43      Insoweit ist hinsichtlich der Beurteilung des Gesamteindrucks, den ein Geschmacksmuster beim informierten Benutzer hervorruft, darauf hinzuweisen, dass dieser Benutzer Bestandteilen, die völlig banal und allen Exemplaren vom Typ der fraglichen Erzeugnisse gemeinsam sind, nur eine begrenzte Aufmerksamkeit widmet und sich auf willkürliche oder von der Norm abweichende Merkmale konzentriert (vgl. Urteil vom 21. Juni 2017, Kneidinger/EUIPO – Topseat International [Toilettendeckel], T‑286/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:411, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Im vorliegenden Fall ist jedoch zunächst festzustellen, dass die Klägerin zur Begründung ihres Vorbringens, dass die Vorrichtung zur Befestigung der mit dem angegriffenen Geschmacksmuster dargestellten Leuchte banal sei, lediglich geltend macht, dass zum einen der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers in Bezug auf diese Befestigungsvorrichtung gering sei und dass zum anderen die Streithelferin im Verfahren vor dem EUIPO eingeräumt habe, dass die ovale Form dieser Vorrichtung banal sei.

45      Zunächst ist aber, wie oben in Rn. 30 ausgeführt, der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers in Bezug auf die Befestigungsvorrichtung als solcher hoch. Sodann geht aus der oben in Rn. 23 angeführten Rechtsprechung hervor, dass kleine Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern umso eher genügen, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen, je beschränkter die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers ist. Folglich wird durch die Annahme, dass in Bezug auf die Befestigungsvorrichtung der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers gering sei, diese Vorrichtung für den informierten Benutzer nicht banaler, sondern weniger banal. Schließlich bestreitet die Klägerin nicht, dass davon ausgegangen werden kann, dass alle Deckenleuchten eine Vorrichtung zur Befestigung haben, so dass gemäß der oben in Rn. 43 angeführten Rechtsprechung nicht angenommen werden kann, dass diese Vorrichtung nicht geeignet wäre, die Aufmerksamkeit des informierten Benutzers auf sich zu ziehen.

46      Sodann ruft das angegriffene Geschmacksmuster beim informierten Benutzer nicht dadurch einen anderen Gesamteindruck hervor, dass bestimmte Bestandteile der in Rede stehenden Leuchte auf zwei der drei Abbildungen dieses Geschmacksmusters nicht wiedergegeben werden, denn alle diese Bestandteile sind auf mindestens einer der zur Reproduktion geeigneten Wiedergaben zu sehen, was vorliegend nicht bestritten wird.

47      Zweitens sind nach Auffassung der Klägerin, die insoweit ihr Vorbringen nicht näher belegt, die kurzen Leisten sowie die Kipp-Dreh-Gelenke banal, so dass sie den Gesamteindruck des angegriffenen Geschmacksmusters nicht beeinflussen könnten. Jedoch ist im Hinblick auf die Ausführungen oben in Rn. 39 festzustellen, dass die Kipp-Dreh-Gelenke und infolgedessen die kurzen Leisten, in die sie eingelassen sind, für die Ausrichtung der Leuchtenköpfe erforderlich sind. Daher können die Kipp-Dreh-Gelenke und die kurzen Leisten sich auf die Art und Weise der Benutzung der mit dem angegriffenen Geschmacksmuster dargestellten Leuchte auswirken und damit dem informierten Benutzer nicht entgehen. Diese Elemente sind also relevant für die Beurteilung des durch dieses Geschmacksmuster hervorgerufenen Gesamteindrucks.

48      Zum anderen macht die Klägerin geltend, dass sich die Anzahl der Leuchtenköpfe nicht auf den durch das angegriffene Geschmacksmuster hervorgerufenen Gesamteindruck auswirken könne, da diese Anzahl das Ergebnis rein technischer Erwägungen in Bezug auf die Größe des Raumes sei, den der Verbraucher beleuchten wolle. Insoweit genügt jedoch die auch vom EUIPO getroffene Feststellung, dass die Anzahl der Leuchtenköpfe ebenso aus ästhetischen Gründen gewählt werden kann, da die Stärke des Leuchtmittels der Größe des zu beleuchtenden Raums angepasst werden kann, ohne dass dafür zwangsläufig die Anzahl der Leuchtenköpfe erhöht werden müsste.

49      Drittens macht die Klägerin geltend, dass die Beschwerdekammer unzutreffend angenommen habe, die mit dem angegriffenen Geschmacksmuster dargestellte Leuchte habe Kipp-Dreh-Gelenke, obwohl aus den „statischen“ Abbildungen dieses Geschmacksmusters nicht geschlossen werden könne, dass die verschiedenen Bestandteile dieser Leuchte untereinander beweglich seien.

50      Insoweit ist festzustellen, dass auf den Abbildungen des angegriffenen Geschmacksmusters, anders als von der Klägerin vorgetragen, tatsächlich in mehreren Neigungswinkeln bewegliche Kipp-Dreh-Gelenke dargestellt sind und aus ihnen daher geschlossen werden kann, dass eine Ausrichtung der Leuchtenköpfe im Verhältnis zu den kurzen Leisten in verschiedene Richtungen möglich ist.

51      Viertens trägt die Klägerin vor, da sich das mit dem älteren Geschmacksmuster dargestellte Produkt auf einen Leuchtenkopf beschränke, sei bei der Bestimmung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters nur dieser dargestellte Leuchtenkopf zu berücksichtigen, nicht aber die Befestigungsvorrichtung und der zweite Leuchtenkopf; dies gelte umso mehr, als Letztere banal seien.

52      Insoweit ist daran zu erinnern, dass sich für die Bejahung der Eigenart eines Geschmacksmusters der Gesamteindruck, den dieses beim informierten Benutzer hervorruft, nicht von dem Gesamteindruck, den eine Kombination isolierter Elemente von mehreren älteren Geschmacksmustern hervorruft, sondern von dem Gesamteindruck, den ein oder mehrere ältere Geschmacksmuster für sich genommen hervorrufen, unterscheiden muss (Urteil vom 19. Juni 2014, Karen Millen Fashions, C‑345/13, EU:C:2014:2013‚ Rn. 35).

53      Im vorliegenden Fall sind jedoch ungeachtet der Tatsache, dass bestimmte Elemente des angegriffenen Geschmacksmusters bereits der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sein können, wie sich oben aus den Rn. 42 bis 48 ergibt, alle Elemente dieses Geschmacksmusters zu berücksichtigen, um den von diesem hervorgerufenen Gesamteindruck zu beurteilen und damit festzustellen, ob es sich dabei um einen anderen als den vom älteren Geschmacksmuster hervorgerufenen Gesamteindruck handelt.

54      Nach alledem ist der zweite Teil des einzigen von der Klägerin vorgetragenen Klagegrundes zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

55      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr, wie vom EUIPO und von der Streithelferin beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Eglo Leuchten GmbH trägt die Kosten.

Gervasoni

Kowalik-Bańczyk

Mac Eochaidh

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Februar 2019.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Gervasoni


*      Verfahrenssprache: Deutsch.