Language of document : ECLI:EU:T:2021:164

URTEIL DES GERICHTS (Zehnte Kammer)

24. März 2021(*)

„Unionsmarke – Anmeldung der Unionswortmarke WINDSOR-CASTLE – Absolutes Eintragungshindernis – Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 – Anpreisender Charakter“

In der Rechtssache T‑93/20,

Albert Darboven Holding GmbH & Co. KG mit Sitz in Hamburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Thünken,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch J. Schäfer, A. Söder und D. Hanf als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 19. Dezember 2019 (Sache R 2448/2018-1) über die Anmeldung des Wortzeichens WINDSOR-CASTLE als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov (Berichterstatter), der Richterin K. Kowalik-Bańczyk und des Richters G. Hesse,

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 17. Februar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 31. März 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2020

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 28. März 2018 meldete die Klägerin, die Albert Darboven Holding GmbH & Co. KG, gemäß der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Dabei handelt es sich um das Wortzeichen WINDSOR-CASTLE.

3        Die Klägerin machte in ihrer Anmeldung geltend, dass sie bereits Inhaberin 27 weiterer nationaler und internationaler Eintragungen der Anmeldemarke für zahlreiche Mitgliedstaaten sei.

4        Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 16 und 30 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 16: „Filtermaterial aus Papier“;

–        Klasse 30: „Kaffee, Tee, Kakao und Ersatzstoffe hierfür; Back- und Konditorwaren; Zucker, natürliche Süßungsmittel“.

5        Mit Entscheidung vom 18. Oktober 2018 wies die Prüferin die Anmeldung auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 teilweise zurück, und zwar für die Waren „Kaffee, Tee und Ersatzstoffe hierfür; Back- und Konditorwaren“ in Klasse 30 (im Folgenden: betreffende Waren).

6        Am 13. Dezember 2018 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Prüferin nach den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 Beschwerde beim EUIPO ein.

7        Mit Entscheidung vom 19. Dezember 2019 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Der Anmeldemarke stehe das Eintragungshindernis nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 entgegen, weil der Durchschnittsverbraucher der Europäischen Union sie mit dem britischen Königshaus verbinden und denken werde, die betreffenden Waren würden im Rahmen des Tourismus zum bekannten Schloss Windsor verkauft; er werde sie daher nicht mit einer konkreten betrieblichen Herkunft verbinden. Es bestehe keine Notwendigkeit, die Anmeldung auch nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 zu prüfen, da für die Zurückweisung einer Markenanmeldung das Vorliegen eines der Eintragungshindernisse nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung ausreiche.

 Anträge der Parteien

8        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung dahin gehend abzuändern, dass die Unionsmarkenanmeldung Nr. 017881910, WINDSOR-CASTLE, auch für die Waren „Kaffee, Tee, und Ersatzstoffe hierfür; Back- und Konditorwaren“ zur Veröffentlichung zugelassen wird;

–        hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

9        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

10      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den zweiten Antrag der Klägerin – auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung – zu prüfen.

 Zum Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

11      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 geltend.

12      Entgegen der Auffassung der Beschwerdekammer komme der angemeldeten Marke das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft zu, da zwischen ihr und den betreffenden Waren keinerlei Verbindung bestehe, es sich dabei weder um einen Werbeslogan noch um eine Werbebotschaft handele und die betreffenden Waren solche des laufenden Verbrauchs seien, die in verschiedenen Zusammenhängen und nicht nur im Rahmen des Tourismus zum Schloss Windsor verkauft werden könnten. Die maßgeblichen Verkehrskreise würden daher in der Anmeldemarke nicht nur einen Hinweis auf Schloss Windsor, sondern auch auf die betriebliche Herkunft der Waren sehen.

13      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Die Verwendung der Marke WINDSOR-CASTLE sei für die Vermarktung der betreffenden Waren üblich: Diese würden häufig in Dosen oder anderen Verpackungen verkauft, auf denen Mitglieder der britischen Königsfamilie oder Schlösser, einschließlich Schloss Windsor, abgebildet seien; auch sei es eine allgemein bekannte Praxis, Führungen auf Schloss Windsor mit dem Angebot eines anschließenden klassischen Nachmittagstees oder ‑kaffees mit Kuchen oder Gebäck nach dem Vorbild der mit der Königsfamilie verbundenen britischen Tradition des Nachmittagstees („afternoon tea“) zu kombinieren, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Anmeldemarke als übliche anpreisende Angabe für ein bestimmtes positives Lebensgefühl und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren wahrnehmen würden.

14      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

15      Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 bedeutet, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Urteil vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, EU:C:2004:258, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Schon bei einem Mindestmaß an Unterscheidungskraft greift das absolute Eintragungshindernis nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 nicht ein (Urteil vom 3. Dezember 2019, Hästens Sängar/EUIPO [Darstellung eines Karomusters], T‑658/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:830, Rn. 16).

17      Das Vorbringen der Klägerin ist im Licht dieser Grundsätze und vor dem Hintergrund der von der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Beurteilung zu prüfen.

18      In den Rn. 13 und 14 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer festgestellt, die betreffenden Waren seien Konsumgüter und Gegenstände des allgemeinen Vertriebs. Die maßgeblichen Verkehrskreise seien daher die breite Öffentlichkeit. Die Bezeichnung Windsor Castle weise auf das berühmte Schloss der britischen Monarchen hin, das in der Europäischen Union eine bekannte historische Sehenswürdigkeit sei. Auf dieser Grundlage ist die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gelangt, dass der Durchschnittsverbraucher der Europäischen Union den Namen Windsor Castle kenne und ihn unmittelbar mit dem berühmten Schloss der britischen Monarchen verbinde.

19      Die von der Beschwerdekammer vorgenommene Definition der maßgeblichen Verkehrskreise und die Tatsache, dass ein Teil dieser Verkehrskreise die Anmeldemarke mit Schloss Windsor verbinden könnte, werden von der Klägerin nicht bestritten. Doch reiche dies nicht aus, um der Anmeldemarke die Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 abzusprechen.

20      Erstens ist hierzu festzustellen, dass grundsätzlich auch Zeichen eine Unionsmarke sein können, die aus Namen historischer Gebäude oder musealer Orte bestehen; dies ergibt sich aus Art. 4 der Verordnung 2017/1001, wonach „Unionsmarken … Zeichen aller Art sein [können], insbesondere Wörter, einschließlich Personennamen, oder Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Farben, die Form oder Verpackung der Ware oder Klänge“.

21      Das EUIPO hat insoweit in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die Eintragung des Namens eines berühmten bzw. touristischen Ortes als Unionsmarke nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist; es sei aber eine konkrete Prüfung unter Berücksichtigung der betreffenden Waren und Dienstleistungen und der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise vorzunehmen.

22      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Eintragung eines Zeichens als Marke nicht von der Feststellung eines bestimmten Maßes an künstlerischer Kreativität oder Einbildungskraft des Anmelders abhängt (Urteil vom 16. September 2004, SAT.1/HABM, C‑329/02 P, EU:C:2004:532, Rn. 41), sondern allein davon, ob durch das Zeichen die Waren des Anmelders von denen seiner Wettbewerber abgegrenzt werden können (Urteil vom 27. Februar 2002, REWE‑Zentral/HABM [LITE], T‑79/00, EU:T:2002:42 Rn. 30).

23      Dass die Anmeldemarke den Namen eines historischen Gebäudes oder eines musealen Ortes – hier von Schloss Windsor – darstellt oder damit übereinstimmt, steht daher für sich allein ihrer Eintragung nicht entgegen. Dies wird vorliegend übrigens daran deutlich, dass die Prüferin gegen die Eintragung der in Rede stehenden Marke für „Filtermaterial aus Papier“ in Klasse 16 sowie für „Kakao“, „Zucker“ und „Süßungsmittel“ in Klasse 30 keine Einwände erhoben hat.

24      Nach dieser Klarstellung ist zweitens gemäß der oben in Rn. 15 angeführten Rechtsprechung die Unterscheidungskraft der Anmeldemarke im Hinblick auf die betreffenden Waren und auf deren Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu prüfen.

25      Unstreitig ist, dass der Begriff „Windsor Castle“ keine konkrete Information vermittelt, die auf die betreffenden Waren – Kaffee, Tee oder Back- und Konditorwaren – oder deren Merkmale hinweist. Es wird nämlich nicht bestritten, dass Schloss Windsor für die Herstellung oder Erfindung solcher Waren nicht sonderlich bekannt ist.

26      Gleichwohl hat die Beschwerdekammer in den Rn. 15 und 16 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise glauben könnten, die betreffenden Waren würden im Rahmen des Tourismus zum Schloss Windsor verkauft, da sie z. B. in den verschiedenen Souvenirläden des Vereinigten Königreichs verkauft werden könnten.

27      Wie die die Klägerin zu Recht anführt, ist jedoch der Vertriebsort der gekennzeichneten Waren kein relevantes Kriterium, da er als solcher nicht geeignet ist, Merkmale, Beschaffenheiten oder Besonderheiten der Waren zu bezeichnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2018, Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise/EUIPO, C‑488/16 P, EU:C:2018:673, Rn. 50). Dies gilt umso mehr, als es sich vorliegend um Waren des täglichen Bedarfs handelt, die normalerweise in Lebensmittelgeschäften, Supermärkten und ähnlichen Orten verkauft werden und sowohl in Restaurants und Cafés als auch zu Hause verzehrt werden können. Der Behauptung der Beschwerdekammer, die Verbraucher würden beim Anblick des auf Lebensmitteln angebrachten Zeichens WINDSOR-CASTLE denken, diese Waren würden im Rahmen des Tourismus zum Schloss Windsor zum Verkauf angeboten, kann daher nicht gefolgt werden (vgl. entsprechend Urteil vom 27. Juni 2017, Aldi Einkauf/EUIPO – Fratelli Polli [ANTICO CASALE], T‑327/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:439, Rn. 43).

28      Unerheblich ist des Weiteren der von der Beschwerdekammer in Rn. 16 der angefochtenen Entscheidung angeführte Umstand, dass die betreffenden Waren bei einer Besichtigung des Schlosses Windsor als Souvenir verkauft werden können. Dazu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Funktion als Souvenir, die einer Ware zugedacht wird, kein objektives, dem Wesen der Ware innewohnendes Merkmal ist, da diese Funktion vom freien Willen des Käufers abhängt und allein an seinen Absichten ausgerichtet ist; dass die betreffenden Waren allein aufgrund der Anbringung dieser Bezeichnung zu Souvenirs werden, stellt für sich genommen kein wesentliches, die Waren beschreibendes Merkmal dar (Urteil vom 6. September 2018, Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise/EUIPO, C‑488/16 P, EU:C:2018:673, Rn. 44 und 45). Dies gilt auch im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001, da auch die Unterscheidungskraft des in Rede stehenden Zeichens u. a. im Hinblick auf die betreffenden Waren zu beurteilen ist.

29      Drittens hat die Beschwerdekammer in den Rn. 17 bis 19 der angefochtenen Entscheidung die Unterscheidungskraft der Anmeldemarke mit der Begründung verneint, die Marke würde lediglich als „Reklame“ oder „Werbebotschaft“ für das Schloss Windsor wahrgenommen.

30      Die Unterscheidungskraft der Anmeldemarke ist nach ständiger Rechtsprechung aber nicht abstrakt, sondern in Bezug auf die beanspruchten Waren zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Mai 2017, EUIPO/Deluxe Entertainment Services Group, C‑437/15 P, EU:C:2017:380, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung), und aus der angefochtenen Entscheidung geht nirgends hervor, aus welchen Gründen die Beschwerdekammer angenommen hat, die Anmeldemarke werde als „Reklame“ oder „Werbebotschaft“ für die Waren wahrgenommen werden.

31      Auch aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, dass die Anmeldemarke, die lediglich aus dem Namen von Schloss Windsor besteht, eine Werbebotschaft oder eine Reklame für die betreffenden Waren enthält. Wie oben in Rn. 25 ausgeführt, vermittelt der Ausdruck „Windsor Castle“ keine konkreten Informationen, die auf die betreffenden Waren oder ihre Merkmale hinweisen, da Schloss Windsor für die Herstellung oder Erfindung solcher Waren nicht sonderlich bekannt ist.

32      Zwar kann nach der Rechtsprechung ein Zeichen nicht nur dann anpreisend sein, wenn es für konkrete Eigenschaften wirbt, die den erfassten Waren und Dienstleistungen direkt zuzuordnen sind, sondern auch durch Werbung für ihre abstrakten Eigenschaften (vgl. Beschluss vom 11. September 2018, Hermann Biederlack/EUIPO [Feeling home], T‑715/17, nicht veröffentlicht, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vorliegend besteht die Anmeldemarke jedoch lediglich aus dem Namen eines Schlosses, das im Zusammenhang mit den mit dieser Marke gekennzeichneten Waren nicht sonderlich bekannt ist, weshalb die Marke nicht als Anpreisung oder Werbebotschaft für diese Waren angesehen werden kann. Selbst wenn die Anmeldemarke, wie die Beschwerdekammer in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung ausführt, als Werbemotiv für das Schloss wahrgenommen werden könnte, ist zudem die Behauptung der Beschwerdekammer, die maßgeblichen Verkehrskreise würden in der Anmeldemarke nur ein Werbemotiv für das Schloss, „keinesfalls“ aber einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der mit diesem Zeichen gekennzeichneten Waren sehen, nicht substantiiert.

33      Das EUIPO führt erstmals vor dem Gericht an, die von der Anmeldemarke vermittelte „positive Botschaft“ hänge mit einem gewissen „Lebensgefühl“ zusammen, das insbesondere mit der ursprünglich vom britischen Königshaus stammenden Tradition des Nachmittagstees in Verbindung gebracht werde. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zutreffend geltend gemacht hat, kann jedoch dieser neue, in der angefochtenen Entscheidung nicht enthaltene Gesichtspunkt die Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht ergänzen und die Beurteilung der Gültigkeit der Entscheidung nicht beeinflussen (Urteil vom 21. Mai 2015, adidas/HABM – Shoe Branding Europe [Zwei parallele Streifen auf einem Schuh], T‑145/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:303, Rn. 44).

34      Eine Berücksichtigung dieses neuen Gesichtspunkts hätte jedenfalls außerdem vorausgesetzt, dass die Beschwerdekammer die von dieser Tradition erfassten Waren angibt und gegebenenfalls zwischen diesen und den nicht erfassten Waren unterscheidet. Dies ist in der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht geschehen.

35      Auch der von der Beschwerdekammer in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung angeführte Umstand, dass die Anmeldemarke keine weiteren Gestaltungelemente oder zusätzlichen unterscheidungskräftigen Begriffe enthalte und keine Originalität oder Prägnanz aufweise, ist hier nicht entscheidend. Nach der oben in Rn. 22 angeführten Rechtsprechung hängt die Eintragung eines Zeichens als Marke nicht von der Feststellung ab, dass der Anmelder ein bestimmtes Maß an künstlerischer Kreativität oder Einbildungskraft an den Tag gelegt hat.

36      Viertens streiten die Parteien über die Relevanz der oben in den Rn. 27 und 28 angeführten Urteile des Gerichts und des Gerichtshofs zum Zeichen Neuschwanstein (Urteile vom 6. September 2018, Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise/EUIPO, C‑488/16 P, EU:C:2018:673, und vom 5. Juli 2016, Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise/EUIPO – Freistaat Bayern [NEUSCHWANSTEIN], T‑167/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:391). In diesen Urteilen hat der Unionsrichter festgestellt, dass das Zeichen Neuschwanstein, das auf das berühmte Schloss im Freistaat Bayern (Deutschland) verweist, für die Waren und Dienstleistungen in mehreren Klassen (einschließlich Klasse 30) nicht beschreibend ist, weil Schloss Neuschwanstein für die Herstellung der betreffenden Waren nicht bekannt ist. Ferner hat der Unionsrichter entschieden, dass das Zeichen die nötige Unterscheidungskraft besitzt, da es für die betreffenden Waren nicht beschreibend und weder ein Werbemittel noch ein Slogan ist, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise den Schluss ziehen werden, dass alle mit der angegriffenen Marke bezeichneten Waren und Dienstleistungen unter der Kontrolle des Markeninhabers hergestellt, vertrieben oder geliefert bzw. erbracht worden sind und dieser für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (Urteile vom 6. September 2018, Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise/EUIPO, C‑488/16 P, EU:C:2018:673, Rn. 67 bis 69, und vom 5. Juli 2016, NEUSCHWANSTEIN, T‑167/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:391, Rn. 27 und 35 bis 45).

37      In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer die Relevanz der Urteile vom 6. September 2018, Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise/EUIPO (C‑488/16 P, EU:C:2018:673), und vom 5. Juli 2016, NEUSCHWANSTEIN (T‑167/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:391), in Frage gestellt, da anders als in der vorliegenden Rechtssache der Inhaber der in jenen Urteilen in Rede stehenden Marke auch Eigentümer von Schloss Neuschwanstein sei und da es sich bei der Marke Neuschwanstein um einen Phantasienamen handele (Rn. 21 der angefochtenen Entscheidung). In seiner Klagebeantwortung und in der mündlichen Verhandlung hat das EUIPO die Relevanz dieser Urteile auch mit der Begründung verneint, dass sie „hauptsächlich“ den beschreibenden Charakter der betreffenden Marke beträfen.

38      Die Umstände, die zu den Urteilen vom 6. September 2018, Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise/EUIPO (C‑488/16 P, EU:C:2018:673), und vom 5. Juli 2016, NEUSCHWANSTEIN (T‑167/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:391), geführt haben, unterscheiden sich zwar von denen in der vorliegenden Rechtssache. Anders als in der vorliegenden Rechtssache war etwa der Inhaber der in jenen Urteilen in Rede stehenden Marke auch Eigentümer von Schloss Neuschwanstein. Außerdem ist der Name Windsor nicht nur der Name des gleichnamigen Schlosses, sondern auch der des britischen Königshauses.

39      Trotzdem sind diese Urteile von gewisser Relevanz. Erstens wurde der vom Gericht in Rn. 42 des Urteils vom 5. Juli 2016, NEUSCHWANSTEIN (T‑167/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:391), angeführte Umstand, dass „die angegriffene Marke [es ermöglicht], unter diesem Zeichen Waren zu vertreiben und Dienstleistungen zu erbringen, deren Qualität der [Freistaat Bayern] … kontrollieren kann“, vom Gerichtshof als Hilfserwägung bezeichnet (Urteil vom 6. September 2018, Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise/EUIPO, C‑488/16 P, EU:C:2018:673, Rn. 70); ob eine Marke unterscheidungskräftig ist, hängt demnach nicht davon ab, ob der Anmelder Eigentümer des betreffenden historischen Gebäudes ist, was von beiden Parteien in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt wurde.

40      Zweitens hat das Gericht in Rn. 42 des Urteils vom 5. Juli 2016, NEUSCHWANSTEIN (T‑167/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:391), zwar darauf hingewiesen, dass der Begriff „Neuschwanstein“ ein Phantasiename ist, der wörtlich „der neue Stein des Schwans“ bedeutet, doch handelt es sich dabei um den echten Namen eines bekannten Schlosses, das es tatsächlich gibt, genau wie Schloss Windsor. Zudem ist jedenfalls nicht erforderlich, dass ein Zeichen ein Phantasiebegriff ist, damit es ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft besitzt (vgl. oben, Rn. 35).

41      Drittens betrifft zwar die Begründung der Urteile vom 6. September 2018, Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise/EUIPO (C‑488/16 P, EU:C:2018:673), und vom 5. Juli 2016, NEUSCHWANSTEIN (T‑167/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:391), hauptsächlich Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001; in den Rn. 35 und 45 seines Urteils hat das Gericht jedoch ausdrücklich auch die Unterscheidungskraft der in Rede stehenden Marke geprüft und bejaht. Im Rechtsmittelverfahren hat der Gerichtshof bestätigt, dass die Begründung des Gerichts hierzu ausreicht (Urteil vom 6. September 2018, Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise/EUIPO, C‑488/16 P, EU:C:2018:673, Rn. 67 bis 70).

42      Was zum Schluss die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise betrifft, so spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass sie in einem bestimmten Zeichen sowohl einen Verweis auf ein bekanntes historisches Gebäude als auch einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren sehen. Die Feststellung in den Rn. 15 und 20 der angefochtenen Entscheidung, die maßgeblichen Verkehrskreise würden in der Anmeldemarke „lediglich“ den Namen des berühmten Schlosses Windsor, nicht jedoch eine unterscheidungskräftige Marke sehen, beruht auf unzureichend substantiierten, fehlerhaften oder irrelevanten Beurteilungen (vgl. oben, Rn. 24 bis 41); ihr kann daher nicht gefolgt werden. Denn der Umstand, dass die maßgeblichen Verkehrskreise oder ein Teil davon in der Anmeldemarke wahrscheinlich den Namen von Schloss Windsor erkennen würden, schließt grundsätzlich nicht aus, dass das streitige Zeichen auch ein Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren sein kann und damit die Hauptfunktion der Marke erfüllt; dies haben die Parteien auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hin auch eingeräumt.

43      Vorliegend reichen die Beurteilungen der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung allein nicht aus, um der Anmeldemarke ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft abzusprechen, denn sie eignen sich nicht als Nachweis dafür, dass die Anmeldemarke Informationen über die Merkmale der betreffenden Waren vermittelt oder ein Werbeslogan oder eine Werbebotschaft für diese Waren ist; daher ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise darin nicht nur einen Verweis auf Schloss Windsor, sondern auch einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren erkennen können. Allein auf der Grundlage der in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Beurteilung durfte die Beschwerdekammer daher nicht zu dem Ergebnis gelangen, die Anmeldemarke erfülle nicht die Hauptfunktion der Marke, die darin besteht, auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung hinzuweisen, um es dem Verbraucher, der die mit der Marke gekennzeichnete Ware oder Dienstleistung erwirbt, zu ermöglichen, bei einem späteren Erwerb seine Entscheidung davon abhängig zu machen, ob er gute oder schlechte Erfahrungen gemacht hat.

44      Nach alledem ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Anmeldemarke in Bezug auf die betreffenden Waren ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft fehle und ihr daher das absolute Eintragungshindernis nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 entgegenstehe.

45      Folglich ist dem einzigen Klagegrund der Klägerin stattzugeben und die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ohne dass über die Unzulässigkeitseinreden entschieden zu werden braucht, die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf die der Klagebeantwortung beigefügten Anlagen B1 und B2 und auf bestimmte Argumente in der Klagebeantwortung erhoben hat.

 Zum Antrag der Klägerin auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung

46      Was den ersten Antrag der Klägerin betrifft, „die angefochtene Entscheidung dahin gehend abzuändern, dass die Unionsmarkenanmeldung Nr. 017881910, WINDSOR-CASTLE, auch für die Waren ‚Kaffee, Tee, und Ersatzstoffe hierfür; Back- und Konditorwaren‘ zur Veröffentlichung zugelassen wird“, erübrigt sich eine Prüfung des Vorbringens des EUIPO, mit dem die Zulässigkeit des Antrags verneint wird, da die Voraussetzungen für die Ausübung der Abänderungsbefugnis des Gerichts jedenfalls nicht erfüllt sind.

47      Die      Beschwerdekammer hat ihre Prüfung nämlich auf das absolute Eintragungshindernis nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 beschränkt. Sie hat dementsprechend festgestellt, dass keine Notwendigkeit bestehe, die Anmeldung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung zu prüfen, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob es sich dabei auch um den Namen einer Teemischung handele. Im Übrigen lässt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die etwaige Beurteilung anderer gegebenenfalls einschlägiger absoluter Eintragungshindernisse durch die Dienststellen des EUIPO unberührt.

48      Daher vermag das Gericht nicht festzustellen, welche Entscheidung die Beschwerdekammer hätte erlassen müssen, und kann folglich seine Abänderungsbefugnis nicht ausüben (Urteil vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 72).

 Kosten

49      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das EUIPO unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 19. Dezember 2019 (Sache R 2448/2018-1) wird aufgehoben.

2.      Das EUIPO trägt die Kosten.

Kornezov

Kowalik-Bańczyk

Hesse

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. März 2021.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.