Language of document : ECLI:EU:C:2015:95

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 12. Februar 2015(1)

Rechtssache C‑18/14

CO Sociedad de Gestión y Participación SA,

Depsa 96 SA,

INOC SA,

Corporación Catalana Occidente SA,

La Previsión 96 SA,

Grupo Catalana Occidente SA,

Grupo Compañia Española de Crédito y Caución SL,

Atradius NV,

Atradius Insurance Holding NV,

J. M. Serra Farré,

M. A. Serra Farré,

J. Serra Farré,

De Nederlandsche Bank NV


(Vorabentscheidungsersuchen des College van Beroep voor het bedrijfsleven [Niederlande])

„Aufsichtsrechtliche Beurteilung des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung an einem Versicherungsunternehmen – Richtlinie 2007/44/EG – Richtlinie 92/49/EWG – Beurteilungsverfahren und ‑kriterien – Bedingte Genehmigung – Art. 49 AEUV und 63 AEUV – Anspruch auf rechtliches Gehör – Begründungspflicht“





I –    Einleitung

1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen des College van Beroep voor het bedrijfsleven (Niederlande) gibt dem Gerichtshof Gelegenheit zu klarstellenden Ausführungen zum Verfahren, mit dem die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten den beabsichtigten Erwerb von Beteiligungen an einem Versicherungsunternehmen zu beurteilen haben.

2.        Jedes Unternehmen, das eine Versicherungstätigkeit ausüben möchte, hat die vorherige Zulassung der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats zu erlangen, in dessen Staatsgebiet sich sein Sitz befindet. Auch trifft jedes Unternehmen, das eine qualifizierte Beteiligung an einem zugelassenen Versicherungsunternehmen erwerben möchte, die Pflicht, die vorherige Genehmigung der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats einzuholen, in dessen Staatsgebiet das Unternehmen, dessen Anteile erworben werden sollen, seinen Sitz hat.

3.        Das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung des beabsichtigten Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung wurde, was die Nichtlebensversicherung betrifft, durch die Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadenversicherung)(2) eingeführt. Die Richtlinie 2007/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Änderung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2002/83/EG, 2004/39/EG, 2005/68/EG und 2006/48/EG in Bezug auf Verfahrensregeln und die Beurteilungskriterien für die aufsichtsrechtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor regelte nachfolgend die Kriterien und das Beurteilungsverfahren im Einzelnen(3).

4.        In diesem Zusammenhang wurde Art. 15 der Richtlinie 92/49 durch die Richtlinie 2007/44 geändert. Mit dieser Richtlinie wurden darüber hinaus Art. 15a betreffend das Verfahren der Beurteilung des Erwerbs oder der Abtretung einer qualifizierten Beteiligung sowie Art. 15b betreffend die Beurteilungskriterien neu in die Richtlinie eingefügt. Der Wortlaut von Art. 15 ergibt sich somit aus Art. 15 der Richtlinie 92/49 in Verbindung mit dem diesen ändernden Art. 1 der Richtlinie 2007/44. Der Wortlaut der Art. 15a und 15b ist in Art. 1 der Richtlinie 2007/44 enthalten. Zur Vereinfachung bezeichne ich im Folgenden diese Vorschriften als „Art. 15 der geänderten Richtlinie 92/49“, „Art. 15a der geänderten Richtlinie 92/49“ und „Art. 15b der geänderten Richtlinie 92/49“.

5.        In der vorliegenden Rechtssache hat der Gerichtshof darüber zu entscheiden, ob die Mitgliedstaaten, ohne gegen die Richtlinie 2007/44 zu verstoßen, einem interessierten Erwerber bei der Genehmigung von dessen beabsichtigtem Erwerb die Erfüllung bestimmter Bedingungen auferlegen können. Die Richtlinie 2007/44 sieht zwar vor, dass die zuständigen Behörden Einspruch gegen einen beabsichtigten Erwerb erheben können, enthält jedoch keine ausdrückliche Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung(4).

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

6.        Art. 15 der geänderten Richtlinie 92/49 verlangt die vorherige Anmeldung eines beabsichtigten Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung(5) an einem Versicherungsunternehmen.

7.        Art. 15a der geänderten Richtlinie 92/49 betrifft das Beurteilungsverfahren: Er legt insbesondere die maximale Dauer für die Beurteilung eines beabsichtigten Erwerbs fest und begrenzt deren Unterbrechung.

8.        Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 führt fünf Kriterien auf, die die zuständigen Behörden berücksichtigen müssen, um die „Eignung des interessierten Erwerbers“ und die „finanzielle Solidität des beabsichtigten Erwerbs“ zu beurteilen, nämlich die Zuverlässigkeit des interessierten Erwerbers, die Zuverlässigkeit und Erfahrung der (künftigen) Geschäftsführer des Unternehmens, an dem der Erwerb beabsichtigt ist, die finanzielle Solidität des interessierten Erwerbers, die Tatsache, ob das Unternehmen, an dem der Erwerb beabsichtigt ist, in der Lage ist, den Aufsichtsanforderungen zu genügen, sowie die Tatsache, ob ein Verdacht auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung besteht.

B –    Niederländische Rechtsvorschriften

9.         Art. 3:95 des niederländischen Gesetzes vom 28. September 2006 über die Finanzaufsicht (Wet op het financieel toezicht) (im Folgenden: Wft) verlangt die vorherige Anmeldung eines beabsichtigten Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung(6) an einem Versicherungsunternehmen.

10.      Nach Art. 3:100 Wft gibt die zuständige Behörde – im vorliegenden Fall De Nederlandsche Bank (im Folgenden: DNB) – bei beabsichtigtem Erwerb einer qualifizierten Beteiligung eine „Erklärung, keine Einwände zu haben“, ab, „es sei denn“, die in dieser Vorschrift vorgesehenen Kriterien sind nicht erfüllt. Art. 3:100 Wft wurde bei der Umsetzung der Richtlinie 2007/44 in das niederländische Recht geändert. Vor der Umsetzung bestand das Kriterium insbesondere in der „soliden und umsichtigen Geschäftsführung“ des Unternehmens, „dessen Erwerb beabsichtigt ist“. Seit der Umsetzung sind fünf Kriterien vorgesehen: die Verlässlichkeit des interessierten Erwerbers im Zusammenhang mit der „Bestimmung der Geschäftspolitik [des Unternehmens, auf das sich der Erwerb bezieht]“, die Eignung der künftigen Unternehmensleiter, die finanzielle Solidität des interessierten Erwerbers, die Fähigkeit des Unternehmens, an dem ein Erwerb beabsichtigt ist, den aufsichtsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, sowie das Bestehen eines Verdachts auf Geldwäsche oder Finanzierung von Terrorismus.

11.      Nach Art. 3:104 Abs. 1 Wft „kann [DNB] eine Erklärung, keine Einwände … zu haben, mit Anforderungen oder Bedingungen versehen, unter Berücksichtigung der Belange“, die u. a. durch Art. 3:100 Wft geschützt werden. Anders als Art. 3:100 ist diese Vorschrift nicht bei der Umsetzung der Richtlinie 2007/44 in niederländisches Recht geändert worden. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter von DNB ausgeführt, dass die Nichterfüllung einer Bedingung durch den interessierten Erwerber nicht automatisch zur Nichtigkeit der in Art. 3:100 Wft vorgesehenen Erklärung, keine Einwände zu haben, führe: Die vorherige Lage werde erst wiederhergestellt, wenn DNB die Erklärung, keine Einwände zu haben, aufhebe, was nur in einem letzten Schritt erfolge, nachdem beispielsweise eine Geldbuße auferlegt worden sei.

III – Sachverhalt, Vorlageverfahren und Vorlagefragen

12.      Im Jahr 2007 erwarb die Grupo Catalana Occidente SA mit Sitz in Barcelona (im Folgenden: GCO) eine Beteiligung von 64,23 % am Kapital der Atradius NV (im Folgenden: ATNV) und ihres Tochterunternehmens Atradius Credit Insurance Holding NV (im Folgenden: ACINV) mit Sitz in Amsterdam, bei denen es sich um einen der weltweit wichtigsten Akteure im Bereich der Kreditversicherungen handelt. Mit Entscheidung vom 13. August 2007 gab DNB in Bezug auf diesen Erwerb eine Erklärung, keine Einwände zu haben, gemäß Art. 3:100 Wft ab.

13.      GCO erhöhte sodann sukzessive ihre Beteiligung am Kapital von ATNV und ACINV auf 100 %. Mit Entscheidung vom 25. Mai 2010 gab DNB eine diese Transaktion betreffende Erklärung, keine Einwände zu haben, im Sinne von Art. 3:100 Wft ab. Diese versah sie jedoch mit drei Bedingungen, wonach erstens ATNV und die Unternehmen ihrer Gruppe DNB die zur Ausübung der aufsichtsrechtlichen Überwachung nötige Mitarbeit zu leisten hätten, zweitens die Dividendenverteilung durch ACINV insbesondere nicht dazu führen dürfe, dass ihr Solvabilitätsquotient unterhalb von 150 % liege, und drittens mindestens die Hälfte der Mitglieder der Aufsichtsräte von ATNV und ACINV sowie deren Vorsitzende von den Aktionären unabhängig sein müssten.

14.      Des Weiteren änderte DNB mit Entscheidung vom 20. Juli 2010 die am 13. August 2007 erlassene Erklärung, keine Einwände zu haben, um sie mit Bedingungen zu versehen, die mit denen ihrer Entscheidung vom 25. Mai 2010 identisch sind.

15.      Nach Verwaltungsbeschwerden gegen die Entscheidungen von DNB vom 25. Mai und vom 20. Juli 2010 und einer darauffolgenden Entscheidung der Rechtbank Rotterdam wurde das vorlegende Gericht mit einer Berufung u. a. von GCO befasst. Das vorlegende Gericht fragt sich, ob DNB nach Erlass der geänderten Richtlinie 2007/44 ihre Befugnis behalten hat, die von ihr nach Art. 3:100 Wft abgegebene Erklärung, keine Einwände zu haben, mit Bedingungen zu versehen. Es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist es der zuständigen Behörde, wenn sie einen beabsichtigten Erwerb im Sinne von Art. 15a der geänderten Richtlinie 92/49(7) ausdrücklich genehmigt, erlaubt, diese Genehmigung auf der Grundlage der nationalen Rechtsvorschriften mit Anforderungen oder Bedingungen zu versehen? Macht es dabei einen Unterschied, ob diese Anforderungen oder Bedingungen auf Zusagen des interessierten Erwerbers im Sinne des dritten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2007/44 beruhen?

2.      Sofern Frage 1 bejaht wird: Müssen die von der zuständigen Behörde festgelegten Anforderungen oder Bedingungen in dem Sinn erforderlich sein, dass sich die genannte Behörde ohne diese Anforderungen oder Bedingungen aufgrund der Beurteilung, die sie nach den in Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 genannten Kriterien vorgenommen hat, genötigt sähe, Einspruch gegen den beabsichtigten Erwerb zu erheben?

3.      Sofern es zulässig ist, Anforderungen oder Bedingungen vorzusehen: Bietet Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 der zuständigen Behörde eine Grundlage dafür, im Rahmen des Erwerbs Bedingungen in Bezug auf die Unternehmensführung („Corporate Governance“) des Unternehmens, dessen Erwerb beabsichtigt ist, festzulegen, wie beispielsweise ein dualistisches System der Zusammensetzung des Aufsichtsrats?

16.      Zu diesen Fragen haben GCO, DNB, die niederländische, die belgische, die estnische, die französische, die italienische und die portugiesische Regierung sowie die Europäische Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. GCO, DNB, die niederländische und die portugiesische Regierung sowie die Kommission wurden darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2014 gehört.

IV – Rechtliche Würdigung

A –    Zur ersten Vorlagefrage

17.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine nationale Maßnahme die Befugnis vorsehen darf, die Genehmigung eines beabsichtigten Erwerbs mit Bedingungen zu versehen, obwohl die Richtlinie 2007/44 keine solche Befugnis vorsieht. Bejahendenfalls fragt das vorlegende Gericht, ob die nationalen Behörden einseitig Bedingungen festlegen dürfen, oder ob sie nur befugt sind, vom interessierten Erwerber vorgeschlagene Bedingungen zu akzeptieren.

1.      Fehlen einer ausdrücklichen Vorschrift über die Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung in der Richtlinie 2007/44

18.      Die Richtlinie 2007/44 sieht ausdrücklich vor, dass die zuständigen Behörden gegen einen beabsichtigten Erwerb Einspruch erheben können. Art. 15b Abs. 2 der geänderten Richtlinie 92/49 bestimmt nämlich, dass die zuständigen Behörden „gegen den beabsichtigten Erwerb nur dann Einspruch erheben [können], wenn es dafür vernünftige Gründe auf der Grundlage der in Absatz 1 genannten Kriterien gibt“, und Art. 15a Abs. 4 der geänderten Richtlinie 92/49 legt fest, dass „die zuständigen Behörden [wenn sie entscheiden,] Einspruch gegen den beabsichtigten Erwerb zu erheben“, den interessierten Erwerber davon schriftlich unter Angabe der Gründe für die Entscheidung in Kenntnis setzen(8). Was hingegen die Genehmigung eines beabsichtigten Erwerbs angeht, beschränkt sich Art. 15a Abs. 5 der geänderten Richtlinie 92/49 darauf, festzulegen, dass das Schweigen als Genehmigung gilt(9), während der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/44 besagt, dass die zuständigen Behörden den interessierten Erwerber – zumindest wenn dieser darum ersucht – von einer „positiven Beurteilung“ in Kenntnis setzen. A fortiori enthält die Richtlinie 2007/44 keinerlei Bezugnahme auf eine bedingte Genehmigung.

19.      Entgegen dem Vorbringen der niederländischen Regierung und der Kommission umfasst Art. 15b Abs. 3 der geänderten Richtlinie 92/49 meines Erachtens keine Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung.

20.      Art. 15b Abs. 3 bestimmt: „Die Mitgliedstaaten dürfen [keine] Vorbedingungen an die Höhe der zu erwerbenden Beteiligung knüpfen.“ Die niederländische Regierung und die Kommission machen geltend, diese Vorschrift sei a contrario dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten „Vorbedingungen“ im Sinne von Bedingungen vorsehen könnten, mit denen die Genehmigung eines beabsichtigten Erwerbs versehen werden könne, soweit diese nicht die Höhe der Beteiligung beträfen. Die Kommission stützt sich darüber hinaus auf den dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/44, wonach „die zuständigen Behörden … durch die vorliegende Richtlinie nicht daran gehindert werden [sollten], Zusagen des interessierten Erwerbers zur Erfüllung von aufsichtsrechtlichen Anforderungen“ zu berücksichtigen, sowie auf die Leitlinien des Ausschusses der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (im Folgenden: Leitlinien des AEAVBA), die die Möglichkeit von Zusagen erwähnten(10).

21.      Demgegenüber möchte ich darauf hinweisen, dass die Erste Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung)(11) die Begriffe „Bedingungen für die Aufnahme der Versicherungstätigkeit“ und „Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit“ in Bezug auf Kriterien für die Aufnahme der Versicherungstätigkeit und für die Ausübung dieser Tätigkeit verwendet(12). Mit dem Begriff „Bedingungen“ sind also offenbar nicht Bedingungen gemeint, mit denen die Genehmigung eines bestimmten beabsichtigten Erwerbs verbunden werden kann, sondern normative Kriterien. Im Übrigen wendet sich das in Art. 15b Abs. 3 der geänderten Richtlinie 92/49 vorgesehene Verbot an die Mitgliedstaaten und nicht an die zuständigen Behörden. Letztere aber legen die Bedingungen bei der Beurteilung eines bestimmten beabsichtigten Erwerbs fest.

22.      Entgegen dem Vorbringen von DNB und der niederländischen Regierung sieht Art. 15 Abs. 4 der geänderten Richtlinie 92/49 meines Erachtens ebenso wenig wie deren Art. 15b Abs. 3 eine Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung vor.

23.      Art. 15 Abs. 4 der geänderten Richtlinie 92/49 bestimmt nämlich: „Die Mitgliedstaaten schreiben vor], dass, falls der durch die in Absatz 1 genannten Personen ausgeübte Einfluss sich zum Schaden einer umsichtigen und soliden Geschäftsführung des Versicherungsunternehmens auswirken könnte, die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um diesen Zustand zu beenden“, und zwar „vor allem Anordnungen, Sanktionen gegen die Unternehmensleiter oder die Suspendierung des Stimmrechts aus den Aktien oder Anteilen der betreffenden Aktionäre oder Gesellschafter“. Entgegen dem Vorbringen von DNB und der niederländischen Regierung handelt es sich bei den in dieser Vorschrift genannten „erforderlichen Maßnahmen“ nicht um Bedingungen, mit denen die Genehmigung eines beabsichtigten Erwerbs versehen wird, die also ex ante auferlegt werden, d. h. vor der Durchführung eines beabsichtigten Erwerbs. Es handelt sich um Maßnahmen, die von den zuständigen Behörden im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit getroffen werden, der sie während der gesamten Zeit der Ausübung der Versicherungstätigkeit des Unternehmens nachzugehen haben(13). Diese werden somit ex post festgesetzt, d. h. nach der Genehmigung derselben oder gegebenenfalls nach der Genehmigung eines beabsichtigten Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung. Art. 15 Abs. 4 der geänderten Richtlinie 92/49 nimmt nämlich als Beispiel für „erforderliche Maßnahmen“ Bezug auf „Sanktionen“ gegen die Unternehmensleiter. Die Beurteilung eines beabsichtigten Erwerbs hat nun aber nicht zum Gegenstand, ein Verhalten zu sanktionieren; es handelt sich um eine Kontrolle von Strukturen.

24.      Der Wortlaut der Art. 15, 15a und 15b der geänderten Richtlinie 92/49 erlaubt also nicht die Schlussfolgerung auf das Bestehen einer Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung. Im Übrigen möchte ich feststellen, dass dem Vorschlag der EZB, die eine Änderung des Wortlauts der Richtlinie dahin verlangte, dass eine solche Befugnis vorgesehen werde, nicht gefolgt wurde(14).

25.      Ist daraus zu folgern, dass die Mitgliedstaaten keine Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung vorsehen dürfen? Die Verfahrensbeteiligten, mit Ausnahme von GCO, stimmen darin überein, dass diese Frage zu verneinen ist. Nach Ansicht von GCO nimmt die Richtlinie 2007/44, wie in ihrem sechsten Erwägungsgrund festgestellt wird, eine „möglichst weitgehende“ Harmonisierung vor und sind die Mitgliedstaaten daher nicht befugt, eine von dieser Richtlinie nicht vorgesehene Maßnahme zu ergreifen(15). Einer solchen Sichtweise kann meines Erachtens jedoch nicht gefolgt werden, da Art. 15a Abs. 7 der geänderten Richtlinie 92/49 nur den Erlass von Maßnahmen verbietet, die „strengere Anforderungen“ stellen als die in der Richtlinie 2007/44 vorgesehenen. Die bedingte Genehmigung eines beabsichtigten Erwerbs – von der geänderten Richtlinie 92/49 nicht vorgesehen – kann jedoch nicht als strengere Anforderung angesehen werden als die von dieser Richtlinie vorgesehene Ablehnung eines solchen Vorhabens.

2.      Zum Begriff der von der Richtlinie 92/49 verbotenen Festsetzung „strengerer Anforderungen“

26.      Nach Art. 15a Abs. 7 der geänderten Richtlinie 92/49 dürfen die Mitgliedstaaten „an die zuständigen Behörden und die Genehmigung eines derartigen Erwerbs durch diese Behörden keine strengeren Anforderungen stellen, als in dieser Richtlinie vorgesehen ist“. Nach dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/44 ist die Harmonisierung eine „möglichst weitgehende“ und dürfen die Mitgliedstaaten keine „noch strengeren Vorschriften einführen“.

27.      Was aber ist eine „strengere Anforderung“? Meiner Ansicht nach handelt es sich im Hinblick auf das von der Richtlinie 2007/44 verfolgte Ziel um eine nationale Maßnahme, die den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherungsunternehmen behindert oder erschwert, indem sie dem interessierten Erwerber die Erfüllung von in der geänderten Richtlinie 92/49 nicht vorgesehenen Verfahrenspflichten vorschreibt.

28.      Nach dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/44 ist nämlich deren „Ziel … die Einführung harmonisierter Verfahrensregeln und Beurteilungskriterien in der gesamten Gemeinschaft“. Sie bezweckt damit eine größere Transparenz sowohl der Kriterien des Beurteilungsverfahrens, wie in ihrem zweiten Erwägungsgrund ausgeführt wird, wonach „[e]ine Klärung der Kriterien und des Verfahrens der aufsichtsrechtlichen Beurteilung … erforderlich [ist], damit die nötige Rechtssicherheit, Klarheit und Vorhersehbarkeit in Bezug auf den Beurteilungsprozess und das entsprechende Ergebnis geschaffen wird“. Hierzu stellt die Kommission in der Begründung ihres Richtlinienvorschlags fest, dass „[e]ine ungebührliche Einmischung seitens der Regulierungsbehörden“ die grenzübergreifende Konsolidierung(16) behindern oder sogar scheitern lassen könnte. Die missbräuchliche Verwendung von aufsichtsrechtlichen Prüfungsverfahren hatte nämlich zu Vertragsverletzungsklagen gegen Mitgliedstaaten geführt, die gegen den Erwerb von Beteiligungen an nationalen Banken Einspruch erhoben hatten(17).

29.      Im Hinblick auf dieses Ziel wäre eine „strengere Anforderung“ eine nationale Maßnahme, die von einem interessierten Erwerber unter Verstoß gegen Art. 15b Abs. 4 der geänderten Richtlinie 92/49 die Übermittlung von für die Beurteilung des beabsichtigten Erwerbs nicht relevanten Informationen (z. B. über dessen Marktanteile) oder von Informationen, die nicht unbedingt für die Beurteilung des betreffenden beabsichtigten Erwerbs erforderlich sind, verlangte. Ebenso wäre als „strengere Anforderung“ eine nationale Maßnahme anzusehen, die es den zuständigen Behörden unter Verstoß gegen Art. 15a Abs. 2 und 3 der geänderten Richtlinie 92/49 gestattete, die Beurteilungsfrist unbegrenzt zu unterbrechen, um ergänzende Informationen beim interessierten Erwerber einzuholen.

30.      Im vorliegenden Fall sieht Art. 3:104 Wft die Befugnis vor, eine aufgrund von Art. 3:100 erlassene Erklärung, keine Einwände zu haben, mit Bedingungen zu versehen. Wie der Vertreter der DNB in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist die Nichterfüllung der Bedingungen zwar unerheblich für die Gültigkeit der Erklärung, keine Einwände zu haben: Sie führt nicht zu deren Nichtigkeit kraft Gesetzes, und die frühere Lage wird erst dann wieder hergestellt, wenn die DNB die Erklärung, keine Einwände zu haben, zurücknimmt. Nichtsdestoweniger beinhaltet Art. 3:104 Wft die Befugnis zu einer bedingten Genehmigung, da die Bedingungen zwingend sind und ihre Nichtbeachtung letztlich zur Aufhebung der Genehmigung führt. Diese Vorschrift stellt also sicherlich eine von der Richtlinie nicht vorgesehene „strengere Anforderung“ im Sinne von Art. 15a Abs. 7 der geänderten Richtlinie 92/49 dar, da sie vom interessierten Erwerber verlangt, von der Richtlinie nicht vorgesehene Verfahrenspflichten zu erfüllen (Übermitteln zusätzlicher Informationen, Erfüllung der Bedingungen). Doch bezweifle ich, dass diese Verfahrenspflichten als im Vergleich zu den von der Richtlinie vorgesehenen „strenger“ angesehen werden können, da die Erfüllung von Zusagen für den interessierten Erwerber nicht „strenger“ ist als der Verzicht auf den Erwerb, der sich aus der ausdrücklich von der Richtlinie 2007/44 vorgesehenen Entscheidung, Einspruch zu erheben, ergäbe.

31.      Weder Art. 15a Abs. 7 der geänderten Richtlinie 92/49 noch eine andere Vorschrift dieser Richtlinie verbietet daher den Mitgliedstaaten, eine Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung vorzusehen. Mangels einer Unionsregelung in diesem Bereich steht es den Mitgliedstaaten frei, die Verfahrensmodalitäten festzulegen, mit denen der Schutz des dem interessierten Erwerber aus der geänderten Richtlinie 92/49 zustehenden Rechts, nämlich des Rechts auf Genehmigung des von ihm beabsichtigten Erwerbs durch die zuständigen Behörden, gewährleistet wird, wenn er die Gewähr bietet, die „solide und umsichtige Führung“ des Versicherungsunternehmen sicherzustellen. Die vom nationalen Recht vorgesehenen Verfahrensmodalitäten dürfen indessen nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln, (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz)(18).

32.      Bevor ich die Vereinbarkeit des niederländischen Gesetzes mit den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität prüfe, halte ich es jedoch für erforderlich, auf das von mir oben angeführte(19) Argument von GCO einzugehen, wonach die von der Richtlinie 2007/44 vorgenommene „möglichst weitgehende“ Harmonisierung die Mitgliedstaaten nicht nur daran hindert, „strengere Anforderungen“ zu stellen, sondern jede von der geänderten Richtlinie 92/49 nicht vorgesehene Maßnahme verbietet, wenn diese in deren Anwendungsbereich fällt. Meines Erachtens kann nämlich der Ansicht nicht gefolgt werden, der Unionsgesetzgeber habe mit Erlass der Richtlinie 2007/44 den Mitgliedstaaten die gesetzgeberische Kompetenz im Bereich der geteilten Zuständigkeit, zu dem der Binnenmarkt für Versicherungen zu zählen ist, entzogen(20). Ich möchte betonen, dass die hier in Rede stehende Frage (der bedingten Genehmigung) nicht die Harmonisierung von Vorschriften des materiellen Rechts betrifft (die Beurteilungskriterien für einen beabsichtigten Erwerb), sondern die Harmonisierung von Verfahrensvorschriften. Nach dem in Art. 4 Abs. 3 EUV vorgesehenen Grundsatz der „loyalen Zusammenarbeit“ erfolgt die Durchführung des Unionsrechts grundsätzlich nach den nationalen Verfahren und durch die nationalen Behörden. Wenn der Unionsgesetzgeber also den Mitgliedstaaten in einem Bereich jegliche Gesetzgebungszuständigkeit hätte nehmen wollen, in dem diese über eine vom Gerichtshof als „autonom“ qualifizierte Handlungsfreiheit verfügen(21), hätte er in Art. 15a Abs. 7 der geänderten Richtlinie 92/49 ausdrücklich vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten keine „anderen Anforderungen“ als die in der Richtlinie vorgesehenen festlegen dürfen, statt sich darauf zu beschränken, ihnen zu verbieten, „strengere Anforderungen“ vorzuschreiben(22).

33.      Selbst wenn man jedoch annähme, die Richtlinie 2007/44 habe den Mitgliedstaaten jegliche Gesetzgebungszuständigkeit entzogen, wäre dies nur insoweit möglich gewesen, als die fragliche nationale Maßnahme in ihren Anwendungsbereich fällt. Die Richtlinie 2007/44 führt meines Erachtens zwar unbestreitbar eine „möglichst weitgehende“, jedoch keine abschließende Harmonisierung durch. Insbesondere enthält sie keine Regelung der Entscheidung über die Genehmigung, sei diese bedingt oder nicht. Eine nationale Maßnahme, die die Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung vorsieht, fällt daher nicht in ihren Anwendungsbereich, so dass den Mitgliedstaaten erlaubt ist, eine solche Befugnis vorzusehen. Ich werde deshalb – hilfsweise – kurz darauf eingehen, weshalb die Richtlinie 2007/44 keine abschließende Harmonisierung des Verfahrens vornimmt.

3.      Nicht abschließender Charakter der Harmonisierung des Beurteilungsverfahrens

34.      Zwar nimmt die Richtlinie 2007/44 eine abschließende Harmonisierung der Beurteilungskriterien vor – worauf ich zurückkommen werde –, sie führt jedoch keine abschließende Harmonisierung des Beurteilungsverfahrens durch.

35.      In diesem Zusammenhang weist die Kommission, ohne eine Aussage zum abschließenden Charakter der Harmonisierung zu treffen, darauf hin, dass die Richtlinie 2007/44 den Mitgliedstaaten ein gewisses Maß an Flexibilität einräume. Meines Erachtens überlassen die Erwägungsgründe der Richtlinie 2007/44 den Mitgliedstaaten tatsächlich die Regelung bestimmter Verfahrensmodalitäten: Ihnen ist erlaubt, ein Vorverfahren zur Anmeldung vorzusehen (siebter Erwägungsgrund), auch nach Ablauf der zu diesem Zweck von der Richtlinie vorgesehenen Frist von 50 Arbeitstagen (siebter Erwägungsgrund) zusätzliche Informationen anzufordern (oder entgegenzunehmen) und den interessierten Erwerber nicht nur, wie von der Richtlinie verlangt, von der Entscheidung, Einspruch gegen den Erwerb zu erheben, in Kenntnis zu setzen, sondern auch von der „positiven Beurteilung“ des beabsichtigten Erwerbs (fünfter Erwägungsgrund). Die „möglichst weitgehende“ Harmonisierung erstreckt sich also nicht auf das gesamte Beurteilungsverfahren.

36.      Insbesondere kann unter einer Mitteilung der „positiven Beurteilung“, die der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/44 den Mitgliedstaaten freistellt, eine einfache Genehmigung des beabsichtigten Erwerbs oder dessen bedingte Genehmigung verstanden werden, denn diese ist „positiver“ für den interessierten Erwerber als ein Einspruch gegen den Erwerb. Es ist nicht einzusehen, wie eine bedingte Genehmigung dem interessierten Erwerber anders als schriftlich, also in Form einer Entscheidung, mitgeteilt werden kann, denn wie sollte der interessierte Erwerber sonst vom genauen Inhalt der von ihm zu erfüllenden Bedingungen Kenntnis erlangen? Indem also den zuständigen Behörden gemäß dem fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/44 die Möglichkeit eingeräumt wird, dem interessierten Erwerber die „positive Entscheidung“ über den Erwerb mitzuteilen, wird den Mitgliedstaaten die Befugnis zuerkannt, ihren zuständigen Behörden zu gestatten, eine förmliche Genehmigungsentscheidung zu erlassen, zumindest wenn eine solche Zulassung mit Bedingungen versehen ist(23).

37.      Die Richtlinie 2007/44 hat also keine abschließende Harmonisierung des Beurteilungsverfahrens vorgenommen. Insbesondere hat sie nicht den Rechtsakt harmonisiert, mit dem die zuständigen Behörden das Verfahren beenden, wenn das Verfahren zu einer „positiven Entscheidung“ führt. Wie DNB und die italienische Regierung hervorheben, bezieht sich die Harmonisierung nicht auf den Verwaltungsrechtsakt, mit dem die zuständigen Behörden das Verfahren beenden. Selbst wenn der Gerichtshof, meines Erachtens zu Unrecht, der Auffassung sein sollte, dass die Richtlinie 2007/44 den Mitgliedstaaten nicht nur den Erlass „strengerer“ Maßnahmen, sondern jeglicher in der geänderten Richtlinie 92/49 nicht vorgesehenen Maßnahme verbiete, untersagte sie ihnen somit nicht, eine Befugnis zur Erteilung bedingter Genehmigungen vorzusehen. Letzteres läge nämlich außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie.

4.      Beachtung des Effektivitätsgrundsatzes

38.      Die nationale Maßnahme, mit der ein Mitgliedstaat die Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung vorsieht, unterfällt seiner verfahrensrechtlichen Autonomie. Er hat daher bei der Ausübung dieser Autonomie die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zu beachten.

39.      Im Zusammenhang des vorliegenden Falles ist nur auf den Effektivitätsgrundsatz einzugehen.

40.      Ich vermag allerdings nicht zu erkennen, inwieweit die Erteilung einer bedingten Genehmigung die Ausübung der dem interessierten Erwerber aufgrund der Richtlinie 2007/44 zustehenden Rechte übermäßig erschweren könnte. Diese Richtlinie verleiht dem interessierten Erwerber nämlich nur dann das Recht, eine qualifizierte Beteiligung an einem Versicherungsunternehmen zu erwerben, wenn der beabsichtigte Erwerb den Kriterien von Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 genügt. Die Bedingungen verfolgen jedoch gerade den Zweck, die Beachtung dieser Kriterien sicherzustellen. Sie können kein anderes Ziel verfolgen, da die Liste der Kriterien in Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 abschließend ist.

41.      Art. 15b Abs. 2 der Richtlinie 92/49 sieht nämlich vor, dass die zuständigen Behörden „gegen den beabsichtigten Erwerb nur dann Einspruch erheben [können], wenn es dafür vernünftige Gründe auf der Grundlage der in Absatz 1 genannten Kriterien gibt“(24). Darüber hinaus kann Art. 15b Abs. 3 der geänderten Richtlinie 92/49 nicht im Umkehrschluss dahin ausgelegt werden, dass er den Mitgliedstaaten gestattet, andere als die in Abs. 1 aufgeführten Kriterien festzulegen, sofern sich diese nicht auf die Höhe der Beteiligung beziehen, deren Erwerb beabsichtigt ist. Aus dem dritten Erwägungsgrund ergibt sich nämlich, dass die von der Richtlinie aufgeführte Liste „eine begrenzte Zahl [von] Beurteilungskriterien“ bestimmt. Die Absicht, eine abschließende Aufzählung festzulegen, ergibt sich auch aus den Vorarbeiten. Im Vorschlag der Kommission heißt es: „Mit den geänderten Richtlinien wird eine genau festgelegte Liste von Kriterien für die Beurteilung der Eignung des Erwerbers abgesteckt.“(25) Die Mitgliedstaaten können also keine Kriterien festlegen, die in Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 nicht enthalten sind. Die Verfahrensbeteiligten stimmen im Übrigen hierin überein (diejenigen zumindest, die sich zu diesem Punkt geäußert haben).

42.      Die Beachtung der von der geänderten Richtlinie 92/49 vorgesehenen Kriterien kommt also keiner Einschränkung des dem interessierten Erwerber aufgrund dieser Richtlinie zustehenden Rechts gleich, sondern bedeutet im Gegenteil, dass diesem Recht innerhalb der ihm von der Richtlinie selbst gezogenen Grenzen zu voller Geltung verholfen wird, nämlich der Einhaltung der in ihr genannten Kriterien. Wie DNB geltend macht, fördert die Möglichkeit, die Genehmigung mit Bedingungen zu versehen, die Effektivität der aufsichtsrechtlichen Kontrolle.

43.      Obwohl die Auslegung des innerstaatlichen Rechts alleinige Sache des nationalen Gerichts ist(26), bin ich vorliegend der Ansicht, der nationale Gesetzgeber habe durchaus berücksichtigt, dass die Bedingungen nur die Erfüllung der fünf in Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 genannten Beurteilungskriterien zum Zweck haben können. Art. 3:104 Wft sieht nämlich vor, dass „DNB … die Erklärung, keine Einwände zu haben, mit Anforderungen und Bedingungen im Hinblick auf die Belange versehen [kann]“, deren Schutz Art. 3:100 bezweckt. Der Wortlaut von Art. 3:100 Wft, wonach „[DNB] eine Erklärung, keine Einwände zu haben, [abgibt], es sei denn“, eines der fünf Kriterien ist nicht erfüllt, zeigt meines Erachtens, dass deren Aufzählung abschließend ist(27). Darüber hinaus scheint Art. 3:100 die Kriterien des Art. 15b Abs. 1 wortgetreu wiederzugeben(28). Zwar erfolgte die Umsetzung der Richtlinie 2007/44 verspätet, und das Königreich der Niederlande wurde aufgrund dessen wegen einer Vertragsverletzung verurteilt(29). Folglich nahm Art. 3:100 in seiner für den Zeitraum des Ausgangssachverhalts maßgeblichen Fassung nicht auf die Kriterien des Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 Bezug. Da das vorlegende Gericht jedoch mitgeteilt hat, es beabsichtige, diese Vorschrift im Licht der Richtlinie 2007/44 auszulegen, hat die verspätete Umsetzung nicht zur Folge, dass es DNB gestattet wäre, Bedingungen festzulegen, die andere Zwecke verfolgten als die Erfüllung eines der oben genannten Kriterien.

44.      Was die Frage betrifft, ob die Mitgliedstaaten ihren zuständigen Behörden gestatten dürfen, dem interessierten Erwerber einseitig Bedingungen aufzuerlegen, und nicht auf die Verleihung der Befugnis beschränkt sind, von diesem vorgeschlagene Bedingungen zu akzeptieren, ist diese meines Erachtens zu bejahen.

45.      Zwar legt die Verwendung des Begriffs „Zusagen“ des interessierten Erwerbers im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/44 es nahe, dass dessen freiwilliges Handeln gemeint ist, und dies umso mehr, als die Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen(30) in entsprechender Weise den Begriff „Verpflichtungszusage“ in Bezug auf die von den Beteiligten vorgeschlagenen Änderungen angezeigter Unternehmenszusammenschlüsse verwendet(31). Ich vermag jedoch nicht zu erkennen, inwiefern eine einseitige Festlegung von Bedingungen die Ausübung des dem interessierten Erwerber aufgrund der Richtlinie 2007/44 zustehenden Rechts in der Praxis übermäßig behindern könnte, wenn die Bedingungen die Erfüllung – ausschließlich – der in Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 vorgesehenen Kriterien ermöglichen.

46.      Vor meinen Ausführungen zur zweiten Vorlagefrage bleibt schließlich zu prüfen, ob das niederländische Gesetz mit dem AEU-Vertrag vereinbar ist. Zwar hat das vorlegende Gericht hierzu keine Fragen an den Gerichtshof gerichtet. Dennoch sollte diese Frage meines Erachtens geprüft werden, um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu erteilen(32). Die Richtlinie 2007/44 führt nämlich keine abschließende Harmonisierung des Beurteilungsverfahren durch. Nur bei Vorliegen einer abschließenden Harmonisierung ist jedoch die nationale Maßnahme ausschließlich anhand der Richtlinie zu beurteilen(33); fehlt es hieran, ist ihre Vereinbarkeit mit dem AEU-Vertrag zu prüfen. Auf diese Frage ist zudem, wenn auch indirekt, in den schriftlichen Erklärungen der estnischen, der französischen und der italienischen Regierung eingegangen worden(34), und an den Vertreter der Kommission wurde diesbezüglich eine Frage gerichtet.

5.      Vereinbarkeit des Wft mit den Art. 49 AEUV und 63 AEUV

47.      Wenn die fragliche nationale Maßnahme nur für Beteiligungen gelten soll, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf das Unternehmen zu erlangen, ist sie im Hinblick auf Art. 49 AEUV zu prüfen. Wenn sie für alle Beteiligungen, auch Minderheitsbeteiligungen, gelten soll, ist die Prüfung im Hinblick auf die Art. 49 AEUV und 63 AEUV vorzunehmen(35). Im vorliegenden Fall ist, auch wenn dies nicht klar aus den Schriftsätzen hervorgeht, das Wft offensichtlich sowohl auf Beteiligungen, die einen sicheren Einfluss verleihen, als auch auf solche, bei denen dies nicht der Fall ist, anwendbar. Die Prüfung ist also im Hinblick auf Art. 63 AEUV und auf Art. 49 AEUV vorzunehmen.

a)       Vereinbarkeit mit Art. 63 AEUV

48.      Art. 3:104 Wft, der eine Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung vorsieht, stellt eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar(36). Eine nationale Maßnahme, die die Verpflichtung auferlegt, von den zuständigen Behörden festgesetzte Bedingungen zu erfüllen, hindert nämlich den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung oder macht diesen weniger attraktiv.

49.      Eine derartige Beschränkung könnte jedoch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Statt auf den Verbraucherschutz Bezug zu nehmen, schlage ich – da die in Rede stehende Kreditversicherung auch Gewerbetreibende betrifft – dem Gerichtshof vor, die Gewährleistung der Stabilität und der Sicherheit des von einem Versicherungsunternehmen verwalteten Aktivvermögens als zwingenden Grund des Allgemeininteresses anzuerkennen und sich dabei auf die Urteile Kommission/Polen und VBV – Vorsorgekasse(37) als Musterfälle zu stützen, in denen der Gerichtshof entschieden hat, dass das Interesse, die Stabilität und die Sicherheit des Vermögens, das durch eine von einer betrieblichen Vorsorgekasse eingerichtete Veranlagungsgemeinschaft bzw. einen Pensionsfonds verwaltet wird, insbesondere durch den Erlass von Aufsichtsvorschriften, zu gewährleisten, einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt.

50.      Im vorliegenden Fall sind die „Belange“, deren Schutz die nach Art. 3:104 Wft auferlegten Bedingungen gewährleisten sollen, mit den Kriterien des Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 identisch, der die „solide und umsichtige Führung“ des Versicherungsunternehmens gewährleisten soll, die in erster Linie darin besteht, die Stabilität seines Vermögens zu gewährleisten. Das Wft ist also eine im Hinblick auf das verfolgte Ziel geeignete Maßnahme.

51.      Was die Verhältnismäßigkeit dieses Gesetzes angeht, stellen sich meines Erachtens zwei Fragen.

52.      Erstens geht es darum, festzustellen, ob es erforderlich ist, im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Genehmigung a priori Bedingungen festzulegen, statt diese a posteriori im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Überwachung festzusetzen, sobald sich Schwierigkeiten ergeben. Die Frage ist meines Erachtens zu bejahen. Die in Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 vorgesehenen Kriterien sollten gegebenenfalls sowohl Gegenstand von Bedingungen als auch von Maßnahmen der aufsichtsrechtlichen Überwachung sein. Wenn sich beispielsweise das Versicherungsunternehmen zum Zeitpunkt der Genehmigung des beabsichtigten Erwerbs in finanziellen Schwierigkeiten befindet, wäre es unsinnig, ihm nicht sofort entsprechende Verpflichtungen in Form von Bedingungen aufzuerlegen. Ebenso muss es aber auch danach noch aufsichtsrechtlichen Überwachungsmaßnahmen unterworfen werden können, die zum Ziel haben, seine finanzielle Stabilität zu gewährleisten, wie dies im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/44 vorgesehen ist, in dem es heißt, dass die „aufsichtsrechtliche Beurteilung [nicht] dauerhaft an die Stelle der laufenden aufsichtsrechtlichen Überwachung … treten [sollte]“.

53.      Zweitens ist es nötig, sich zu vergewissern, dass entsprechend den Anforderungen, die vom Gerichtshof in Bezug auf ein System der vorherigen Erlaubnis festgelegt wurden – und das Wft sieht effektiv ein solches System der vorherigen Erlaubnis vor –, die Festsetzung von Bedingungen „objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien“ genügt und dass gegen jede Entscheidung über eine bedingte Genehmigung ein gerichtlicher Rechtsbehelf eingelegt werden kann(38). Was den gerichtlichen Rechtsbehelf anbelangt, weise ich darauf hin, dass die Richtlinie 2007/44 ausschließlich für die Entscheidung, Einspruch zu erheben, eine Begründung vorsieht(39). Der Richter kann jedoch keine wirkliche Kontrolle der Bedingungen durchführen, wenn die Entscheidung über die bedingte Genehmigung nicht mit Gründen versehen ist: Meines Erachtens sind die zuständigen Behörden im Fall einer bedingten Genehmigung daher verpflichtet, eine schriftliche und mit Gründen versehene Entscheidung zu erlassen(40). Im vorliegenden Fall sieht Art. 3:100 Wft objektive und nicht diskriminierende Kriterien vor, die jenen entsprechen, die von der Richtlinie 2007/44 eingeführt wurden. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, ihre Vorhersehbarkeit für den interessierten Erwerber zu beurteilen, wobei es die verspätete Umsetzung der Richtlinie zu beachten hat. Darüber hinaus können gegen die Entscheidungen von DNB selbstverständlich Rechtsbehelfe eingelegt werden. Es obliegt indessen dem vorlegenden Gericht, sicherzustellen, dass die fraglichen Entscheidungen ausreichend begründet sind, so dass GCO ihr Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz in voller Kenntnis der ihr zur Verfügung stehenden Argumente ausüben kann.

54.      Art. 3:104 Wft, der eine Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung vorsieht, stellt daher meines Erachtens eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die aus Gründen des Allgemeininteresses, nämlich der Gewährleistung der Stabilität und der Sicherheit des von einem Versicherungsunternehmen verwalteten Aktivvermögens, gerechtfertigt werden kann. Dem vorlegenden Gericht obliegt es, zu überprüfen, ob eine solche Beschränkung verhältnismäßig ist. Es hat zum einen zu untersuchen, ob im Hinblick auf die verspätete Umsetzung der Richtlinie 2007/44 die Beurteilungskriterien für GCO ausreichend vorhersehbar waren, und zum anderen zu überprüfen, ob die fraglichen Entscheidungen von DNB ausreichend begründet waren, so dass GCO in der Lage war, ihr Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf auszuüben.

b)      Vereinbarkeit mit Art. 49 AEUV

55.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist, soweit die fragliche nationale Maßnahme zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führt, eine solche Beschränkung die unmittelbare Folge der vorstehend geprüften Hindernisse für den freien Kapitalverkehr, mit denen sie untrennbar verbunden ist(41).

56.      Art. 3:104 Wft stellt somit ebenfalls eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Wie die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs kann jedoch auch diese durch Interessen des Allgemeininteresses, nämlich die Gewährleistung der Stabilität und der Sicherheit des vom Versicherungsunternehmen verwalteten Aktivvermögens, gerechtfertigt werden. Jedoch ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die oben unter Nr. 54 genannten Überprüfungen vorzunehmen.

B –    Zur zweiten Frage

57.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die zuständigen Behörden Bedingungen auferlegen dürfen, die für die Genehmigung des beabsichtigten Erwerbs nicht erforderlich sind, nämlich Bedingungen, deren Ziel nicht in der Erfüllung eines der fünf in Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 aufgeführten Kriterien besteht.

58.      Diese Frage ist zu verneinen. Wie ich oben ausgeführt habe(42), können die Mitgliedstaaten dieser Liste keine neuen Kriterien hinzufügen, und die zuständigen nationalen Behörden dürfen keine Bedingungen festlegen, die nicht einem der in nationales Recht umgesetzten Kriterien genügen.

59.      Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die Bedingungen nicht nur zur Erfüllung eines der Beurteilungskriterien erforderlich, sondern auch angemessen sein müssen, d. h. nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erfüllung dieser Kriterien erforderlich ist. Zwar fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof nicht danach, ob die Voraussetzungen angemessen sein müssen, dennoch hat der Gerichtshof meines Erachtens diese sich aus der Frage der Erforderlichkeit der Bedingungen ergebende Frage zu prüfen.

60.      Zum einen schreibt nämlich die Richtlinie 2007/44 zwar die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur in Bezug auf die Informationen vor, die der interessierte Erwerber bei seiner Anzeige zu übermitteln hat(43), doch folgt aus den Leitlinien des AEAVBA, dass der interessierte Erwerber insbesondere dann höheren Anforderungen genügen muss, wenn es sich um eine Kontrollübernahme und nicht nur um die Übernahme einer Minderheitsbeteiligung handelt(44). Die Bedingungen müssen also im Fall einer Kontrollübernahme strenger sein.

61.      Zum anderen ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, den die Mitgliedstaaten beachten müssen, wenn die fragliche nationale Vorschrift in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt(45). Es ist daher Sache der zuständigen Behörden und des nationalen Gerichts, zu überprüfen, ob die Bedingungen nicht nur erforderlich sind, sondern auch angemessen.

62.      Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass GCO in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, sie sei von dem Erlass der Entscheidung über die bedingte Genehmigung „überrascht“ worden. Zwar enthält die geänderte Richtlinie 92/49 selbst für den Fall der Einspruchserhebung gegen den beabsichtigten Erwerb keine Bezugnahme auf das Recht auf Anhörung. Jedoch garantiert das Recht auf Anhörung, das integraler Bestandteil der Achtung der Verteidigungsrechte ist, die einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen(46). Diese Verpflichtung besteht für die Verwaltungen der Mitgliedstaaten, wenn sie Entscheidungen treffen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, auch dann, wenn die anwendbaren Unionsvorschriften ein solches Verfahrensrecht nicht ausdrücklich vorsehen(47). Die zuständigen Behörden trifft daher die Pflicht, den interessierten Erwerber über ihre Absicht in Kenntnis zu setzen, Bedingungen aufzuerlegen, und es ihm zu ermöglichen, vor dem Erlass der Entscheidung über die bedingte Genehmigung seine Stellungnahme hierzu abzugeben(48).

63.      Es ist deshalb Sache des nationalen Gerichts, zu überprüfen, ob GCO vor dem Erlass der Entscheidungen von DNB die Möglichkeit hatte, ihre Stellungnahme hierzu abzugeben.

C –    Zur dritten Vorlagefrage

64.      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die zuständigen Behörden eine Bedingung auferlegen dürfen, die die Unternehmensführung betrifft, wenn nämlich eine solche Bedingung der Erfüllung der in Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 vorgesehenen Kriterien dient. Ich möchte daran erinnern, dass DNB im vorliegenden Fall verlangt hat, dass mindestens die Hälfte der Mitglieder der Aufsichtsräte von ATNV und ACINV sowie deren Vorsitzende von den Aktionären unabhängig sind.

65.      Die Kommission ist der Ansicht, DNB könne in Bezug auf die Unternehmensführung keine Bedingung festlegen, weil sich eine solche auf keines der Kriterien des Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 – auch nicht auf dessen Buchst. d − beziehe. Die anderen Verfahrensbeteiligten stimmen hingegen darin überein, dass sich eine Bedingung auf die Unternehmensführung beziehen könne.

66.      Der Ansicht der Kommission kann jedoch meines Erachtens nicht gefolgt werden. Eine Bedingung, die die Führung des Unternehmens betrifft, auf das sich der beabsichtigte Erwerb bezieht, scheint mir nämlich dem in Art. 15b Abs. 1 Buchst. d der geänderten Richtlinie 92/49 vorgesehenen Kriterium zu entsprechen.

67.      Gemäß diesem Kriterium prüfen die zuständigen Behörden „die Tatsache, ob das [Unternehmen] in der Lage sein und bleiben wird, den [für es geltenden] Aufsichtsanforderungen … zu genügen, und insbesondere die Tatsache, ob die Gruppe, zu der es gehören wird, über eine Struktur verfügt, die es ermöglicht, eine wirksame Beaufsichtigung auszuüben“. Die Bezugnahme auf die Struktur der Gruppe war auf Vorschlag der EZB eingeführt worden, die diesen wie folgt erläutert: „Darüber hinaus sollte sichergestellt sein, dass die wirksame Beaufsichtigung eines Zielinstituts nicht dadurch beeinträchtigt werden kann, dass das Zielinstitut infolge des vorgeschlagenen Erwerbs Teil einer Gruppe wird, deren Struktur nicht hinreichend transparent ist.“(49) Es geht also darum, einem unzulässigem Einfluss des interessierten Erwerbers zu begegnen.

68.      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die Verhältnismäßigkeit der oben in Nr. 64 erwähnten Bedingung zu beurteilen. Der Gerichtshof kann ihm jedoch Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts geben(50). Diesbezüglich weise ich darauf hin, dass das niederländische System eine dualistische Struktur der Unternehmensführung vorsieht, bei der zwei unterschiedliche Organe die Leitungs‑ und die Aufsichtsfunktion ausüben. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter von DNB vorgetragen, die oben in Nr. 64 angeführte Bedingung betreffe die Aufsichtsorgane von ATNV und ACINV. Eine Bedingung, mit der die Unabhängigkeit des Aufsichtsorgans des Unternehmens gewährleistet werden soll, auf das sich ein beabsichtigter Erwerb bezieht, ist meines Erachtens geeignet, einen unzulässigen Einfluss des interessierten Erwerbers zu verhindern. Wäre dieser in der Lage, aufgrund seines Gewichts in der Aktionärsgesamtheit des Zielunternehmens die Mehrheit der Mitglieder der Aufsichtsorgane zu bestimmen, hinderte ihn nichts, Entscheidungen entgegen der von Art. 15b Abs. 1 der geänderten Richtlinie 92/49 vorgeschriebenen „soliden und umsichtigen Führung“ zu treffen(51). Ich weise im Übrigen darauf hin, dass die Leitlinien des AEAVBA im Rahmen des in Art. 15b Abs. 1 Buchst. d der geänderten Richtlinie 92/49 vorgesehenen Kriteriums auf die Möglichkeit Bezug nehmen, Bedingungen in Bezug auf die Führung des Unternehmens festzulegen(52).

69.      Was die Verhältnismäßigkeit der GCO auferlegten Bedingung angeht, hat das vorlegende Gericht das Gewicht von GCO in der Aktionärsgesamtheit von ATNV und ACINV zu berücksichtigen, auf die mehrere Verfahrensbeteiligte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen haben. Es hat ebenso zu berücksichtigen, dass die von DNB auferlegte Bedingung die Zusammensetzung nicht der Geschäftsführungsorgane von ATNV und ACINV betrifft, sondern die der Aufsichtsorgane. Diese beiden Tatsachen sprechen für die Verhältnismäßigkeit der GCO auferlegten Bedingung. Was das Erfordernis anbelangt, dass die Vorsitzenden der Aufsichtsräte ebenfalls von den Aktionären unabhängig sein müssen, ist es meines Erachtens Sache des nationalen Gerichts, die Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf das nationale Gesellschaftsrecht und die Befugnisse, die dieses dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats zuerkennt, zu beurteilen.

V –    Ergebnis

70.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Fragen des College van Beroep voor het bedrijfsleven wie folgt zu antworten:

1.      Die Art. 15, 15a und 15b der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadenversicherung) in ihrer durch die Richtlinie 2007/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie den Mitgliedstaaten nicht verbieten, ihren zuständigen Behörden zu gestatten, die Genehmigung eines beabsichtigten Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung an einem Versicherungsunternehmen mit einer Bedingung zu versehen. Den Mitgliedstaaten steht es frei, ihren zuständigen Behörden zu gestatten, nicht nur Vorschläge anzunehmen, die ein interessierter Erwerber unterbreitet, sondern diesem auch einseitig Bedingungen aufzuerlegen.

2.      Art. 15b Abs. 1 der Richtlinie 92/49 in der Fassung der Richtlinie 2007/44 ist dahin auszulegen, dass er den zuständigen Behörden untersagt, Bedingungen festzulegen, die nicht erforderlich sind, d. h. die nicht die Erfüllung eines der in dieser Vorschrift vorgesehenen Beurteilungskriterien bezwecken. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit untersagt den zuständigen Behörden, Bedingungen festzusetzen, die im Hinblick auf die Erfüllung dieser Kriterien nicht verhältnismäßig sind.

3.      Der allgemeine Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte begründet für die zuständigen Behörden die Verpflichtung, den interessierten Erwerber vor Erlass einer Entscheidung über eine bedingte Genehmigung anzuhören.

4.      Art. 15b Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 92/49 in der Fassung der Richtlinie 2007/44 ist dahin auszulegen, dass er den zuständigen Behörden gestattet, eine Bedingung festzulegen, die die Führung des Zielunternehmens betrifft. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit einer solchen Bedingung im Hinblick auf den Anteil des Hauptaktionärs am Kapital des Zielunternehmens, auf die von dem Organ, auf das sich die Bedingung bezieht, ausgeübten Leitungs‑ oder Aufsichtsfunktionen und auf die Befugnisse, die das nationale Recht dem Vorsitzenden dieses Organs verleiht, zu überprüfen.

5.      Eine nationale Maßnahme, die eine Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung vorsieht, stellt eine Art. 49 AEUV und Art. 63 AEUV zuwiderlaufende Beschränkung des freien Kapitalverkehrs und der Niederlassungsfreiheit dar. Diese Beschränkung kann jedoch durch das Allgemeininteresse der Gewährleistung der Stabilität und der Sicherheit des von einem Versicherungsunternehmen verwalteten Aktivvermögens gerechtfertigt werden. Das vorlegende Gericht hat zum einen zu prüfen, ob die Bedingungen zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sind, und zum anderen, ob die Bedingungen verhältnismäßig sind. Um die Verhältnismäßigkeit der Entscheidung über die bedingte Genehmigung zu beurteilen, hat das vorlegende Gericht sich zu vergewissern, dass sie objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus festgelegten Kriterien entspricht und dass sie mit einem wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf anfechtbar ist. Diese Prüfung muss insbesondere die verspätete Umsetzung und deren Auswirkungen auf die Vorhersehbarkeit der Bedingungen sowie das Vorliegen einer ausreichenden Begründung der Genehmigung berücksichtigen, da nur so dem interessierten Erwerber ermöglicht wird, sein Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz auszuüben.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. L 228, S. 1.


3 – ABl. L 247, S. 1.


4 – Ich möchte den Gerichtshof darauf hinweisen, dass, wie der Vertreter der DNB in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, die auszulegenden Vorschriften der Richtlinie 2007/44 identisch sind mit denen der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176, S. 338: vgl. die Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36).Während jedoch im Bereich der Versicherungen die nationalen Behörden über die ausschließliche Zuständigkeit verfügen, die betreffenden Zulassungen zu erteilen und beabsichtigten Erwerb zu genehmigen, ist im Bankensektor nunmehr die Europäische Zentralbank (im Folgenden: EZB) ausschließlich zuständig, Zulassungen zu erteilen und beabsichtigten Erwerb zu genehmigen, und zwar nach der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. L 287, S. 63), vgl. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und c dieser Verordnung. Hierzu bestimmt Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 dieser Verordnung: „Zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben und mit dem Ziel, hohe Aufsichtsstandards zu gewährleisten, wendet die EZB das einschlägige Unionsrecht an, und wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, wendet sie die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Richtlinien umgesetzt wurden.“ (vgl. hierzu A. Witte, „The Application of National Banking Supervision Law by the ECB: Three Parallel Modes of Executing EU Law“, Maastricht journal of European and comparative law, Bd. 21, 2014, Nr. 1, S. 89 bis 109). Wenn der Gerichtshof die Richtlinie 2007/44 dahin auslegen sollte, dass sie den Mitgliedstaaten verbietet, eine Befugnis zur Erteilung bedingter Genehmigungen vorzusehen, ist also die Annahme nicht ausgeschlossen, dass der EZB aufgrund von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013 eine solche Befugnis nicht zukommt, wenn sie einen beabsichtigten Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an einem Kreditinstitut genehmigt.


5 – Die „qualifizierte Beteiligung“ ist definiert als das Halten von wenigstens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte des Unternehmens oder die Möglichkeit der Wahrnehmung eines maßgeblichen Einflusses auf dessen Geschäftsführung (Art. 1 Buchst. g der geänderten Richtlinie 92/49). Gemäß Art. 15 der geänderten Richtlinie 92/49 unterliegt der Erwerb einer qualifizierten Beteiligung, mit der der Erwerber die Schwellenwerte von 20 %, 30 % oder 50 % der Anteile an den Stimmrechten oder am Kapitalerreichen oder überschreiten würde oder das Versicherungsunternehmen das Tochterunternehmen des interessierten Erwerbers würde. Der Anmeldepflicht unterliegt auch die Abtretung einer qualifizierten Beteiligung mit der Folge, dass der Erwerber die genannten Schwellenwerte über- oder unterschreitet.


6 – Die „qualifizierte Beteiligung“ ist definiert als das Halten von wenigstens 10 % des gezeichneten Kapitals oder der Stimmrechte an einem Unternehmen oder die Möglichkeit, eine vergleichbare Kontrolle über das Unternehmen auszuüben (Art. 1.1 Wft).


7 –      Das vorlegende Gericht bezeichnet die Richtlinie 2007/44 als „Antonveneta-Richtlinie“ nach der Bezeichnung für das betreffende Übernahmeangebot, das die niederländische Bank ABN AMRO im Jahr 2005 an die Banca Antonveneta richtete (vgl. unten, Fn. 17). Der Unionsgesetzgeber erließ die Richtlinie 2007/44 namentlich als Reaktion auf die unzureichend transparente Behandlung dieses Übernahmeangebots durch die italienischen Behörden (vgl. R. Raas, „A Legislator’s Job Is Never Easy“, European Company Law, 2009, Bd. 6, Nr. 5, S. 186).


8 – Hervorhebung nur hier.


9 – Art. 15a Abs. 5 der geänderten Richtlinie 92/49 bestimmt: „Erheben die zuständigen Behörden gegen den beabsichtigten Erwerb innerhalb des Beurteilungszeitraums schriftlich keinen Einspruch, so gilt dieser als genehmigt.“ Abs. 1 dieses Artikels sieht vor, dass der Beurteilungszeitraum 60 Arbeitstage nach Eingang der Anzeige nicht überschreiten darf und dass die zuständigen Behörden deren Eingang bestätigen.


10 –      Committee of European Banking Supervisors, Committee of European Banking Supervisors, Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors and Committee of European Securities Regulators, Guidelines for the prudential assessment of acquisitions and increases in holdings in the financial sector required by Directive 2007/44/EC, Nr. 70. Der Text ist nur in englischer Sprache verfügbar.


11 – ABl. L 228, S. 3.


12 – Der Titel von Abschnitt A des Kapitels II der Richtlinie 73/239 lautet „Bedingungen für die Aufnahme der Versicherungstätigkeit“, der von Abschnitt B dieses Kapitels „Bedingungen für die Ausübung der Versicherungstätigkeit“. In der konsolidierten Fassung der Richtlinie 73/239, die die durch die Richtlinie 92/49 und die Richtlinie 2007/44 vorgenommenen Änderungen enthält, gehören die Art. 15a, 15b und 15c der geänderten Richtlinie 92/49 zum Abschnitt B des Kapitels II.


13 – Art. 19 der Richtlinie 73/239 sieht eine Verpflichtung des Versicherungsunternehmens vor, die zuständigen Behörden jährlich und in regelmäßigen Abständen zu informieren, so dass sie in der Lage sind, die Beachtung der Bedingungen für die Ausübung der Versicherungstätigkeit zu überwachen (insbesondere die Erfüllung der in den Art. 15 bis 17 der Richtlinie vorgesehenen finanziellen Verpflichtungen). Die Art. 20 und 20a sehen die Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten für den Fall vor, dass diese Bedingungen nicht erfüllt werden.


14 – Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 18. Dezember 2006 zu einem Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung bestimmter Richtlinien der Gemeinschaft betreffend Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die aufsichtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor (ABl. 2007, C 27, S. 1), Punkt 2.8.


15 – Ich möchte feststellen, dass die Argumentation von GCO in ihren schriftlichen Erklärungen insofern etwas widersprüchlich erscheint, als sie zunächst geltend macht, die möglichst weitgehende Harmonisierung verbiete es den Mitgliedstaaten, „strengere Anforderungen“ zu stellen, zu denen die Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung zu zählen sei, um dann (ausführlich) darzulegen, dass die möglichst weitgehende Harmonisierung ihnen nur gestatte, Maßnahmen zu ergreifen, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fielen.


16 – Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2002/83/EG, 2004/39/EG, 2005/68/EG und 2006/48/EG betreffend Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die aufsichtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor (KOM[2006] 507 endg., Begründung, Punkt 1.2).


17 –      Commission Staff Working Document Accompanying document to the Proposal for a directive of the European Parliament and of the Council (SEC[2006] 1118, Nr. 5.2). Diese Veröffentlichung ist nur in englischer Sprache verfügbar. Zu diesen erfolglos gebliebenen Vertragsverletzungsklagen vgl. die Pressemitteilung der Kommission IP/05/1595 vom 14. Dezember 2005 (Versuch eines Übernahmeangebots an Banca Nazionale del Lavoro durch Banco Bilbao Vizcaya Argentaria und an Banca Antonveneta durch ABN AMRO) und die Pressemitteilung der Kommission IP/99/551 vom 20. Juli 1999 (Sache Champalimaud).


18 –      Urteil CA Consumer Finance (C‑449/13, EU:C:2014:2464, Rn. 23).


19 – Vgl. oben, Nr. 25.


20 – Art. 4 Abs. 2 Buchst. a AEUV.


21 –      Urteil CA Consumer Finance (C‑449/13, EU:C:2014:2464, Rn. 23).


22 – Hierzu möchte ich im Übrigen darauf hinweisen, dass der Gerichtshof mit dem Begriff des Vorrangs nur im Bereich der außenpolitischen Zuständigkeiten oder der Gemeinsamen Agrarpolitik argumentiert. Außerhalb dieser Bereiche zögert er, diese Argumentationsweise zu verwenden, selbst wenn ihm dies möglich wäre, vgl. z. B. das Urteil British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 77). Vgl. C. Timmermans, „ECJ Doctrines on Competences“, in The Question of Competence in the EU, Hrsg. L. Azoulai, Oxford University Press, 2014, S. 155 bis 167; L. W. Gormley, „Free Movement of Goods and Pre-emption of State Power“, in A Constitutional Order of States? Essays in EU Law in Order of Alan Dashwood, Hart Publishing, 2011, S. 365 bis 374, sowie in Bezug auf die Außenkompetenzen M. Cremona, „External Relations and External Competence of the European Union: the Emergence of an Integrated Policy“, in The Evolution of EU Law, Hrsg. P. Craig und G. de Búrca, Oxford University Press, 2011, S. 217 bis 268.


23 – Die Folgenabschätzung der Kommission, in Fn. 17 angeführt, sah dies im Übrigen in Nr. 6.2.3 Buchst. b ausdrücklich vor: „an amendment to the current rules could specifically state how decision notifications need to be carried out for both positive and negative determinations … Supervisory authorities would need to send a copy of their decisions within a certain time frame to all relevant parties involved“ (Hervorhebungen nur hier).


24 – Hervorhebung nur hier.


25 – Richtlinienvorschlag, in Fn. 16 angeführt, Begründung, Nr. 1.4, vierter Absatz.


26 –      Urteil CA Consumer Finance (C‑449/13, EU:C:2014:2464, Rn. 26).


27 – Hervorhebung nur hier.


28 – Vgl. oben, Nrn. 8 und 10.


29 – Urteil Kommission/Niederlande (C‑233/10, EU:C:2010:791). Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2007/44 lief am 21. März 2009 ab, die Bedingungen wurden GCO durch Entscheidungen vom 25. Mai und vom 20. Juli 2010 auferlegt, und das niederländische Umsetzungsgesetz trat am 7. Mai 2011 in Kraft.


30 – ABl. L 24, S. 1.


31 – Mitteilung der Kommission über nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahmen (ABl. 2008, C 267, S. 1), Rn. 6.


32 – Urteil Cipra und Kvasnicka (C‑439/01, EU:C:2003:31, Rn. 24).


33 – Urteil Deutscher Apothekerverband (C‑322/01, EU:C:2003:664, Rn. 64).


34 – Die estnische Regierung ist der Ansicht, die nationale Maßnahme, die eine Befugnis zur Erteilung einer bedingten Genehmigung vorsehe, stelle eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, des freien Dienstleistungsverkehrs und des freien Kapitalverkehrs dar, wie sie in den Art. 49 AEUV, 56 AEUV und 63 AEUV vorgesehen seien, weil nicht alle Mitgliedstaaten eine solche Befugnis vorsähen; eine solche Beschränkung sei jedoch gerechtfertigt. Die französische Regierung macht geltend, eine bedingte Genehmigungsentscheidung führe zu einer geringeren Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs als eine ablehnende Entscheidung, und es stimme deshalb mit dem Ziel der Richtlinie 2007/44 überein, die Art. 15a und 15b der geänderten Richtlinie 92/49 im Sinne einer Befugnis der Mitgliedstaaten auszulegen, eine bedingte Genehmigung vorzusehen. Die italienische Regierung führt aus, die Bedingungen beschränkten nicht die Kapitalverkehrsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit, sondern förderten diese vielmehr.


35 – Urteil Kommission/Italien (C‑531/06, EU:C:2009:315, Rn. 40).


36 – Beschränkungen im Sinne von Art. 63 AEUV stellen Maßnahmen dar, die „geeignet sind, den Erwerb von Aktien der betreffenden Unternehmen zu verhindern oder zu beschränken“ oder „Investoren anderer Mitgliedstaaten davon abzuschrecken, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren“ (vgl. Urteil Kommission/Portugal, C‑171/08, EU:C:2010:412, Rn. 50).


37 – Urteile Kommission/Polen (C‑271/09, EU:C:2011:855, Rn. 57) und VBV – Vorsorgekasse (C‑39/11, EU:C:2012:327, Rn. 31).


38 – Vgl. Urteile Église de scientologie (C‑54/99, EU:C:2000:124, Rn. 21 und 22), Analir u. a. (C‑205/99, EU:C:2001:107, Rn. 38), Kommission/Spanien (C‑207/07, EU:C:2008:428, Rn. 48) sowie Carmen Media Group (C‑46/08, EU:C:2010:505, Rn. 87).


39 – Art. 15a Abs. 4 der geänderten Richtlinie 92/49. Das Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen, die „aufgrund von gemäß dieser Richtlinie erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften ergehen“, ist in Art. 56 der Richtlinie 92/49 vorgesehen.


40 – Hierzu möchte ich darauf hinweisen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass die Begründungspflicht sich aus dem Recht auf Anhörung „ergibt“, das integraler Bestandteil der Verteidigungsrechte ist, die einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellen (vgl. Urteile M., C‑277/11, EU:C:2012:744, Rn. 88, und Mukarubega, C‑166/13, EU:C:2014:2336, Rn. 48). Ebenso hat der Gerichtshof entschieden, dass die Begründungspflicht sich „aus dem grundlegenden Erfordernis [ergibt], dass jede Entscheidung einer nationalen Behörde, mit der die Gewährung eines vom [Unions]recht eingeräumten Rechts verweigert wird, gerichtlich überprüft werden kann; diese Prüfung soll einen effektiven Schutz des entsprechenden Rechts gewährleisten“ (Urteile Heylens u. a., 222/86, EU:C:1987:442, Rn. 15, BVBA Management, Training en Consultancy, C‑239/05, EU:C:2007:99, Rn. 36, und Mellor, C‑75/08, EU:C:2009:279, Rn. 59, sowie die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den Rechtssachen Housieaux, C‑186/04, EU:C:2005:70, Rn. 32, und Mellor, C‑75/08, EU:C:2009:32, Rn. 26 bis 34).


41 – Urteil Kommission/Portugal (C‑171/08, EU:C:2010:412, Rn. 80).


42 – Vgl. Nrn. 40 und 41.


43 – Art. 15b Abs. 4 der geänderten Richtlinie 92/49.


44 – Leitlinien des AEAVBA, in Fn. 10 angeführt, Nr. 44: „competence requirements are reduced for acquirers who are not in a position to exercise, or do not intend to exercise any influence over the target institution“.


45 – Urteil Dokter u. a. (C‑28/05, EU:C:2006:408, Rn. 71).


46 – Urteil Mukarubega (C‑166/13, EU:C:2014:2336, Rn. 45 bis 48).


47 – Urteil Sopropé (C‑349/07, EU:C:2008:746, Rn. 38).


48 – Die Verpflichtung der zuständigen Behörden zur Anhörung des interessierten Erwerbers ist, wie ich oben unter Nr. 62 ausgeführt habe, auf der Grundlage des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Achtung der Verteidigungsrechte anzuerkennen (Urteil Mukarubega, C‑166/13, EU:C:2014:2336, Rn. 45). Doch könnte diese Verpflichtung, wie ich meine, auch aufgrund des in Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) festgelegten Rechts auf eine gute Verwaltung anerkannt werden. Nach Abs. 2 Buchst. a dieser Vorschrift hat nämlich jede Person „das Recht …, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird“. Art. 41 der Charta anerkennt zwar ausdrücklich nur das Recht auf Anhörung durch die Organe der Union, nicht aber durch die Behörden der Mitgliedstaaten. Abs. 1 bestimmt nämlich dass, „[j]ede Person … ein Recht darauf [hat], dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden“ (Hervorhebung nur hier). Dementsprechend entschied der Gerichtshof, dass Art. 41 Abs. 2 der Charta auf die Mitgliedstaaten nicht anwendbar sei (vgl. Urteile Cicala, C‑482/10, EU:C:2011:868, Rn. 28, YS u. a., C‑141/12 und C‑372/12, EU:C:2014:2081, Rn. 67, Mukarubega, C‑166/13, EU:C:2014:2336, Rn. 44, und Boudjlida, C‑249/13, EU:C:2014:2431, Rn. 32 bis 33). Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass nach Art. 51 Abs. 1 der Charta die Mitgliedstaaten die Charta „bei der Durchführung des Rechts der Union“ anzuwenden haben. Die Mitgliedstaaten müssen also bei der Durchführung des Unionsrechts die Vorschriften der Charta beachten, und zwar, wie ich meine, unter Einschluss des in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a vorgesehenen Rechts des Bürgers auf Anhörung. Eine wörtliche Auslegung von Art. 41 der Charta, die darin läge, seine Anwendbarkeit auf die Mitgliedstaaten auszuschließen, würde nämlich zu der Annahme führen, dass das in Art. 41 vorgesehene Recht auf Anhörung eine Ausnahme in Bezug auf Art. 51 darstellt, der die Anwendbarkeit der Gesamtheit der Vorschriften „der Charta“ auf die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Unionsrechts vorsieht. Wie Generalanwalt Wathelet darlegt, ist es nicht „kohärent …, wenn der Wortlaut von Art. 41 der Charta in dieser Weise eine Ausnahme von der in Art. 51 der Charta vorgesehenen Regel einführen könnte, die es den Mitgliedstaaten erlauben würde, einen Artikel der Charta auch dann nicht anzuwenden, wenn sie das Unionsrecht durchführen“ (Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Mukarubega [C‑166/13, EU:C:2014:2031, Nr. 56]; vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Boudjlida [C‑249/13, EU:C:2014:2032, Nrn. 46 bis 48] und dessen Stellungnahme in der Rechtssache G. und R. [C‑383/13 PPU, EU:C:2013:553, Nrn. 49 bis 52]). Im Übrigen scheint der Gerichtshof Art. 41 der Charta in den Urteilen M. (C‑277/11, EU:C:2012:744, Rn. 84) und N. (C‑604/12, EU:C:2014:302, Rn. 49 und 50) auf die Mitgliedstaaten angewendet zu haben. Vgl. diesbezüglich auch die Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in den verbundenen Rechtssachen SECAP und Santorso (C‑147/06 und C‑148/06, EU:C:2007:711, Rn. 50 bis 51), die der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Mellor (C‑75/08, EU:C:2009:32, Rn. 33), meine Schlussanträge in der Rechtssache Stoilov i Ko (C‑180/12, EU:C:2013:492, Rn. 75 bis 79) und die des Generalanwalts Bot in der Rechtssache N. (C‑604/12, EU:C:2013:714, Rn. 36). Jedenfalls muss vorliegend die Frage der Anwendbarkeit von Art. 41 Abs. 2 der Charta auf die Mitgliedstaaten nicht entschieden werden. Wie ich weiter oben ausgeführt habe, ist nämlich die Verpflichtung der Behörden der Mitgliedstaaten, den interessierten Erwerber anzuhören, auf jeden Fall aufgrund der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts anzuerkennen.


49 – Stellungnahme der EZB, in Fn. 14 angeführt, Punkt 2.4.


50 – Urteil Profaktor Kulesza, Frankowski, Jóźwiak, Orłowski (C‑188/09, EU:C:2010:454, Rn. 30).


51 – Hierbei ist unerheblich, dass der niederländische Gesetzgeber bei seiner Umsetzung von Art. 15b Abs. 1 Buchst. d nicht auf die „Struktur“ der „Gruppe“ Bezug genommen und sich darauf beschränkt hat, die Befähigung des Versicherungsunternehmens, seine aufsichtsrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, in die Regelung aufzunehmen. Die Bezugnahme auf die Struktur der Gruppe verweist nämlich nach dem Wortlaut des Art. 15b Abs. 1 Buchst. d selbst („insbesondere“) nur auf einen einzelnen der von diesem Kriterium umfassten Fälle.


52 –      Leitlinien des AEAVBA, in Fn. 10 angeführt, Punkt 70: „these commitments could concern, for example, financial support in case of liquidity or solvency problems, corporate governance issues, the acquirer’s future target share in the institution, directions and goals for development, etc“ (Hervorhebung nur hier).