Language of document : ECLI:EU:T:2013:280

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

30. Mai 2013(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke DIVINUS – Ältere nationale Bildmarke MOSELLAND Divinum – Existenz, Gültigkeit und Schutzumfang des älteren Rechts – Nachweis“

In der Rechtssache T‑214/10

Moselland eG – Winzergenossenschaft mit Sitz in Bernkastel-Kues (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Dippelhofer,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), zunächst vertreten durch S. Schäffner, dann durch D. Walicka, als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

Renta Siete, SL mit Sitz in Albacete (Spanien),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des HABM vom 22. Februar 2010 (Sache R 1204/2009-2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Moselland eG – Winzergenossenschaft und der Renta Siete, SL

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richter S. Soldevila Fragoso und G. Berardis (Berichterstatter),

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 7. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 28. Juli 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der am 15. Oktober 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

aufgrund der Entscheidung des Präsidenten des Gerichts vom 1. Oktober 2012, die Rechtssache der Sechsten Kammer neu zuzuweisen,

aufgrund der schriftlichen Fragen des Gerichts an die Klägerin,

aufgrund der am 10. Januar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erklärungen der Klägerin,

auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2013

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 11. Juni 2008 meldete die Renta Siete, SL nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen DIVINUS.

3        Die Marke wurde u. a. für „Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“ in Klasse 33 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 30/2008 vom 28. Juli 2008 veröffentlicht.

5        Am 24. Oktober 2008 erhob die Klägerin, die Moselland eG – Winzergenossenschaft, nach Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die vorstehend in Randnr. 3 genannten Waren.

6        Der Widerspruch wurde auf folgende am 14. Mai 2002 unter der Nr. 30211259 für Waren der Klasse 33 eingetragene deutsche Bildmarke gestützt:

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7        Als Widerspruchsgrund wurde der des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) geltend gemacht.

8        Mit Schreiben vom 5. November 2008 informierte das HABM die Klägerin u. a. darüber, dass ihr Widerspruch als zulässig erachtet worden sei, und forderte sie auf, sofern nicht bereits geschehen, den Nachweis der Existenz, der Gültigkeit und des Schutzumfangs der älteren deutschen Marke (im Folgenden: erforderlicher Nachweis) bis spätestens 6. März 2009 zu erbringen.

9        Nachdem diese Frist abgelaufen war, ohne dass die Klägerin auf sein Schreiben geantwortet hatte, stellte das HABM ihr gegenüber mit Schreiben vom 8. Juli 2009 fest, dass sie den erforderlichen Nachweis nicht erbracht habe und der Widerspruch auf der Grundlage der dem HABM zur Verfügung stehenden Anhaltspunkte untersucht werde.

10      Mit Schreiben vom 13. Juli 2009 trat die Klägerin dem Standpunkt des HABM unter Hinweis darauf entgegen, dass sie am 24. Oktober 2008 über den Internet-Server des HABM gerade zwecks Erbringung des erforderlichen Nachweises nicht nur die Widerspruchsschrift und die Widerspruchsbegründung, sondern auch einen Auszug aus dem Register des Deutschen Patent- und Markenamts über die ältere Marke (im Folgenden: Registerauszug) sowie eine Übersetzung dieses Auszugs in die Verfahrenssprache übermittelt habe.

11      Mit Entscheidung vom 20. August 2009 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch gemäß den Regeln 19 Abs. 1 und 20 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) als unbegründet zurück, weil die Klägerin den erforderlichen Nachweis nicht erbracht habe. Das einzige am 24. Oktober 2008 mit der Widerspruchsschrift eingegangene Dokument sei der Schriftsatz mit der Widerspruchsbegründung.

12      Am 12. Oktober 2009 legte die Klägerin beim HABM Beschwerde gemäß den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein und machte geltend, sie habe den erforderlichen Nachweis fristgerecht beigebracht. Dafür legte sie eine Kopie der vom Internet-Server des HABM nach Einreichung ihres Widerspruchs am 24. Oktober 2008 automatisch erzeugten Empfangsbestätigung (im Folgenden: fragliche Empfangsbestätigung) vor. Dieses Dokument umfasste folgende Unterlagen:

–        die Widerspruchsschrift,

–        den Schriftsatz mit der Widerspruchsbegründung,

–        eine Bilddatei mit der älteren Marke,

–        eine Kopie des Registerauszugs,

–        eine Übersetzung des Registerauszugs.

13      Mit Entscheidung vom 22. Februar 2010 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück und bestätigte, dass der Widerspruch gemäß den Regeln 19 Abs. 1 und 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 als unbegründet zurückzuweisen gewesen sei, weil die Klägerin den erforderlichen Nachweis nicht erbracht habe. Insbesondere bekräftigte sie, dass sich aus der Widerspruchsakte ergebe, dass das HABM am 24. Oktober 2008 nur die aus fünf Seiten bestehende Widerspruchsschrift erhalten habe, der vier der Widerspruchsbegründung entsprechende Seiten beigefügt gewesen seien; diese Feststellung ließ die Beschwerdekammer von dem für die elektronischen Dokumente verantwortlichen Personal des HABM bestätigen.

14      Die Beschwerdekammer sah auch in der fraglichen Empfangsbestätigung keinen tauglichen Beleg dafür, dass das HABM irgendein Dokument zur Erbringung des erforderlichen Nachweises innerhalb der gesetzten Frist erhalten habe. Außerdem stellte sie gewisse Abweichungen zwischen dem Inhalt der Widerspruchsschrift in dieser Empfangsbestätigung und dem Inhalt der vom HABM tatsächlich empfangenen Widerspruchsschrift fest. Insbesondere habe in der Empfangsbestätigung eine Seite der empfangenen Widerspruchsschrift gefehlt, während zwei Seiten davon doppelt vorhanden gewesen seien.

15      Jedenfalls wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass die fraglichen Dokumente, selbst wenn sie beim HABM fristgerecht eingegangen wären, nicht die Annahme erlaubt hätten, dass der erforderliche Nachweis erbracht worden sei. Zum einen fehle nämlich im Registerauszug in der fraglichen Empfangsbestätigung das Verzeichnis der Waren, für die die ältere Marke eingetragen sein solle, und zum anderen könne die Kopie der Übersetzung dieses Auszugs, die ein Warenverzeichnis enthalte, nicht als hinreichender Nachweis angesehen werden.

 Anträge der Parteien

16      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten des Verfahrens einschließlich der im Laufe des Beschwerdeverfahrens angefallenen Kosten aufzuerlegen.

17      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

18      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, dass sie beantrage, das HABM zur Tragung der Kosten einschließlich der Kosten des vorhergehenden Verfahrens zu verurteilen.

 Rechtliche Würdigung

19      Die Klägerin stützt ihre Klage auf sieben Gründe, nämlich

–        erstens eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften, insbesondere des Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie der Regeln 19 Abs. 1 und 2 und 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95;

–        zweitens einen Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009;

–        drittens einen Verstoß gegen Art. 78 Abs. 1, 3 und 4 der Verordnung Nr. 207/2009;

–        viertens eine Verletzung des in Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Grundsatzes des rechtlichen Gehörs;

–        fünftens einen Verstoß gegen Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95;

–        sechstens einen Ermessensmissbrauch und eine Missachtung von Regel 50 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95;

–        siebtens einen Verstoß gegen Regel 51 Buchst. b der Verordnung Nr. 2868/95.

20      In ihrer Erwiderung fügt die Klägerin hinzu, das HABM habe Regel 80 Abs. 2 in Verbindung mit Regel 82 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 (im Folgenden: Übermittlungsvorschriften) missachtet, indem es sie zum einen nicht darüber unterrichtet habe, dass der von ihr übermittelte Registerauszug unvollständig eingegangen sei, und sie zum anderen nicht aufgefordert habe, das Originaldokument nochmals zu übermitteln.

21      Der erste, der fünfte und der sechste Klagegrund betreffen die Anwendung der Regeln 19 Abs. 1 und 2 und 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 sowohl durch die Widerspruchsabteilung als auch – kraft Regel 50 Abs. 1 dieser Verordnung – durch die Beschwerdekammer und werfen im Wesentlichen die Frage auf, ob die Klägerin den erforderlichen Nachweis erbracht hat. Diese drei Klagegründe sind deshalb zusammen zu prüfen.

22      Desgleichen wendet sich die Klägerin mit dem zweiten, dem dritten und dem vierten Klagegrund im Wesentlichen dagegen, dass die Beschwerdekammer von Amts wegen das für die elektronischen Dokumente verantwortliche Personal des HABM befragte, ohne ihr insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Auch diese Klagegründe sind zusammen zu prüfen.

 Zu den Klagegründen 1, 5 und 6, die im Wesentlichen die Frage betreffen, ob die Klägerin den erforderlichen Nachweis erbracht hat

 Vorbemerkungen

23      Aus Regel 19 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 2868/95 ergibt sich, dass es im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens dem Widersprechenden obliegt, innerhalb der vom HABM gesetzten Frist einen Nachweis über die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang der älteren Marke einschließlich des Nachweises über deren Verlängerung zu erbringen, und dass dieser Nachweis in der Verfahrenssprache verfasst sein oder ihm eine Übersetzung beiliegen muss. Insbesondere ist, wenn der Widerspruch auf eine Marke gestützt wird, die keine Gemeinschaftsmarke ist, der Widersprechende nach Regel 19 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii gefordert, die Eintragung der betreffenden Marke namentlich mit einer Abschrift der Eintragungsurkunde zu belegen.

24      Nach Regel 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 wird der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, wenn der Widersprechende nicht innerhalb der nach Regel 19 Abs. 1 dieser Verordnung gesetzten Frist die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang des älteren Rechts sowie seine Befugnis zur Einlegung des Widerspruchs belegt.

25      Außerdem sieht Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 vor, dass die Vorschriften für das Verfahren vor der Dienststelle, die die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung erlassen hat, im Beschwerdeverfahren entsprechend anwendbar sind, soweit nichts anderes vorgesehen ist.

26      Im vorliegenden Fall wies die Beschwerdekammer die Beschwerde zurück und bestätigte die Zurückweisung des Widerspruchs mit der Begründung, die Klägerin habe den erforderlichen Nachweis nicht erbracht. Sie war der Ansicht, dass die Widerspruchsakte diesen Nachweis nicht enthalte und dass das Dokument, das die Klägerin im Rahmen der bei ihr eingelegten Beschwerde vorgelegt hatte, nämlich die Kopie der fraglichen Empfangsbestätigung, an dieser Feststellung nichts ändern könne.

27      Hilfsweise stellte die Beschwerdekammer fest, dass die dem HABM angeblich am 24. Oktober 2008 in Anlage zur Widerspruchsschrift vorgelegten Dokumente, wie sie in der fraglichen Empfangsbestätigung enthalten seien, unvollständig seien und deshalb nicht die Annahme erlaubten, dass der erforderliche Nachweis erbracht worden sei.

28      Die Begründung der angefochtenen Entscheidung umfasst also zwei verschiedene Teile, nämlich einen ersten betreffend die Frage der Beweiskraft der fraglichen Empfangsbestätigung und einen zweiten, von der Beschwerdekammer hilfsweise geprüften betreffend die Eignung der von der Klägerin nach deren eigener Aussage übermittelten Dokumente zur Erbringung des erforderlichen Nachweises. Diese beiden Teile der angefochtenen Entscheidung werden nacheinander zu prüfen sein.

 Zur Würdigung der Beweiskraft der fraglichen Empfangsbestätigung durch die Beschwerdekammer

29      Die Klägerin macht geltend, sie habe über den Internet-Server des HABM am 24. Oktober 2008 gleichzeitig mit der Widerspruchsschrift und der Widerspruchsbegründung eine Grafik der älteren Marke, einen Registerauszug über diese Marke und eine Übersetzung dieses Auszugs übermittelt. Im Wesentlichen beanstandet sie, die Beschwerdekammer habe diese Dokumente nicht berücksichtigt, obwohl mit der Kopie der fraglichen Empfangsbestätigung – die der Beschwerdeschrift in Anlage beigefügt war – ihr rechtzeitiger Eingang bewiesen werden könne. Die unterbliebene Übermittlung dieser Dokumente an die zuständigen Stellen des HABM sei ein Versäumnis, das ihr weder zugerechnet werden noch zum Nachteil gereichen könne.

30      Das HABM bekräftigt, dass die betreffende Widerspruchsakte insgesamt nur neun Seiten umfasse, nämlich die Widerspruchsschrift (fünf Seiten) und die Widerspruchsbegründung (vier Seiten).

31      Zu prüfen ist, ob die von der Klägerin im Rahmen des Verfahrens vor der Beschwerdekammer vorgelegten Beweise, wie von ihr behauptet, belegen können, dass sie die Dokumente mit dem erforderlichen Nachweis fristgerecht übermittelt hatte.

32      Dazu ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer die von der Klägerin für ihre Beschwerde vorgelegten Beweise fehlerhaft gewürdigt hat, da die Kopie der fraglichen Empfangsbestätigung beweist, dass der Widerspruchsschrift zusätzliche Dokumente beigefügt waren.

33      Die fragliche Empfangsbestätigung ist nämlich erstens zweifellos ein vom HABM stammendes Dokument, da in ihrer Fußzeile die Adresse des Internet-Servers des HABM (http://secure.oami.europa.eu) angegeben ist. Das HABM hat die Echtheit dieses Dokuments auch nicht bestritten.

34      Zweitens lässt die fragliche Empfangsbestätigung auch klar erkennen, dass sie am 24. Oktober 2008, d. h. am Tag der Einreichung der Widerspruchsschrift, erzeugt wurde.

35      Drittens umfasst die fragliche Empfangsbestätigung u. a. die fünf Seiten des Widerspruchsformblatts und die vier Seiten mit der Widerspruchsbegründung, deren Eingang vom HABM zugestanden wird, so dass kein Zweifel daran besteht, dass dieses Dokument die Bestätigung ist, die vom Internet-Server des HABM nach der Erhebung des Widerspruchs am 24. Oktober 2008 erzeugt wurde.

36      Viertens umfasst die fragliche Empfangsbestätigung 14 Seiten, die von 1 bis 14 durchnummeriert sind („page 1 of 14“ bis „page 14 of 14“).

37      Die Beschwerdekammer hat somit, indem sie bestätigte, dass die Widerspruchsakte nur neun Seiten umfasse, die sich aus der Widerspruchsschrift (fünf Seiten) und der Widerspruchsbegründung (vier Seiten) zusammensetzten, die ihr vorgelegten Beweise fehlerhaft gewürdigt, mit denen rechtlich hinreichend dargetan werden konnte, dass die Klägerin außer der Widerspruchsschrift und der Widerspruchsbegründung noch weitere Dokumente übermittelt hatte, auch wenn die internen Dienststellen des HABM das Gegenteil behaupteten.

38      Was den Inhalt dieser Dokumente angeht, ergibt sich aus der der Beschwerdekammer und dem Gericht vorgelegten fraglichen Empfangsbestätigung auch, dass sie, wie von der Klägerin vorgetragen, in einer Grafik der älteren Marke, einem Registerauszug über diese Marke und einer Übersetzung dieses Auszugs bestehen.

39      Nach alledem ist die von der Beschwerdekammer in Randnr. 20 der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Würdigung fehlerhaft, wonach mit den ihr von der Klägerin vorgelegten Dokumenten nicht der Beweis erbracht werden könne, dass beim HABM gleichzeitig mit der Widerspruchsschrift ein Registerauszug eingegangen sei. Auch wenn nicht geklärt ist, weshalb die von der Klägerin übermittelten zusätzlichen Dokumente nicht zu der Widerspruchsakte genommen wurden, auf deren Grundlage die Widerspruchsabteilung ihre Entscheidung erließ, ist doch festzustellen, dass es zu dieser Unterlassung unabhängig vom Verhalten der Klägerin gekommen ist.

40      Daran können auch die von der Beschwerdekammer in Randnr. 21 der angefochtenen Entscheidung festgestellten „erheblichen, den Inhalt der Widerspruchsschrift berührenden Mängel“ nichts ändern. Das Fehlen von Seite 4 der Widerspruchsschrift und die doppelte Vorlage von deren Seiten 2 und 5 sind nämlich ein Fall eines schlichten materiellen Fehlers der Klägerin bei der Zusammenstellung der der Beschwerdekammer übermittelten Unterlagen. Insoweit ist festzustellen, dass die gleiche fragliche Empfangsbestätigung, die dem Gericht in Anlage zur Klageschrift vorgelegt worden ist, diese Unregelmäßigkeiten nicht enthält. Daher kann entgegen dem, was die Beschwerdekammer in Randnr. 22 der angefochtenen Entscheidung hat anklingen lassen, zumindest in Bezug darauf, dass die Widerspruchsakte mehr als neun Seiten umfasste, das Bestehen dieser „erheblichen Mängel“ nicht die Beweiskraft dieser Empfangsbestätigung berühren.

41      Wäre der Widerspruch mit der angefochtenen Entscheidung allein auf der Grundlage dieser fehlerhaften Feststellung der Beschwerdekammer ohne Würdigung der zur Erbringung des erforderlichen Nachweises beigebrachten Anhaltspunkte zurückgewiesen worden, wäre diese Entscheidung aufzuheben.

42      Die Beschwerdekammer hat aber gleichwohl hilfsweise die von der Klägerin nach deren eigener Aussage gleichzeitig mit der Widerspruchsschrift übermittelten Dokumente analysiert, wie sie in der fraglichen Empfangsbestätigung wiedergegeben sind, die in Anlage zu der Beschwerdeschrift bei der Beschwerdekammer eingereicht wurde, und die Auffassung vertreten, dass sie nicht die Annahme erlaubten, dass die Klägerin den erforderlichen Nachweis erbracht habe. Diese zweite Analyse wäre, sollte sie zu bestätigen sein, für sich ausreichend, um den Tenor der angefochtenen Entscheidung zu stützen.

43      Daher ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer zu Recht der Ansicht war, dass die von der Klägerin übermittelten Dokumente den erforderlichen Nachweis nicht erbracht hätten.

 Zur Würdigung der Eignung des Registerauszugs und der Übersetzung dieses Dokuments in die Verfahrenssprache, den erforderlichen Nachweis zu erbringen, durch die Beschwerdekammer

44      Die Beschwerdekammer war der Ansicht, dass, selbst wenn man den rechtzeitigen Eingang aller in der fraglichen Empfangsbestätigung wiedergegebenen und zur Erbringung des erforderlichen Nachweises gedachten Dokumente beim HABM unterstelle, diese Dokumente für den besagten Nachweis nicht ausgereicht hätten. Zum einen nämlich sei die Kopie des Registerauszugs unvollständig und erlaube nicht den Nachweis des Schutzumfangs der älteren Marke, da das Verzeichnis der Waren fehle, für die diese eingetragen sein solle. Zum anderen sei das als Übersetzung des Registerauszugs in die Verfahrenssprache vorgelegte Dokument, das tatsächlich ein Verzeichnis dieser Waren enthalte, kein ausreichender Nachweis, da es erstens keinen eigenständigen Beweiswert habe und zweitens nicht als echte Übersetzung angesehen werden könne, weil es nicht den Inhalt des Originaldokuments wiedergebe.

45      Die Klägerin macht geltend, dass der Registerauszug in der fraglichen Empfangsbestätigung unvollständig wiedergegeben sei, bedeute nicht, dass das Originaldokument tatsächlich unvollständig übermittelt worden sei. Der Internet-Server des HABM gebe nämlich derartige Dokumente häufig unvollständig wieder. Als Beweis hat die Klägerin die Kopie einer Empfangsbestätigung vorgelegt, die vom Internet-Server des HABM in einem anderen, am 3. November 2008 eingeleiteten und auf dieselbe ältere deutsche Marke wie im vorliegenden Fall gestützten Widerspruchsverfahren automatisch erzeugt wurde und auf der der von ihr übermittelte Registerauszug ebenfalls unvollständig wiedergegeben ist; in jenem Verfahren sei der Widerspruch aber geprüft worden, ohne dass er wegen fehlenden Nachweises des Schutzumfangs der älteren Marke zurückgewiesen worden wäre.

46      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

47      Zunächst ist das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des sechsten Klagegrundes, dass die Beschwerdekammer von dem ihr nach Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 eingeräumten Ermessen im Sinne einer Zulassung der von der Klägerin vorgelegten Beweise hätte Gebrauch machen müssen, zurückzuweisen. Da die Beschwerdekammer die von der Klägerin vorgelegten Beweise geprüft hat, geht dieses Vorbringen nämlich unbeschadet der Frage, ob sie dies machen durfte, in der Sache fehl.

48      Sodann ist, wie es die Beschwerdekammer in Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung getan hat, festzustellen dass der Registerauszug, wie er sich auf der Kopie der fraglichen Empfangsbestätigung darstellt, nicht das Verzeichnis der von der älteren Marke erfassten Waren umfasst. Das als Übersetzung dieses Auszugs vorgelegte Dokument enthält dagegen ein Verzeichnis dieser Waren.

49      Die Klägerin macht geltend, der Registerauszug könne nicht unvollständig sein, da es sich um ein im PDF‑Format übermitteltes Dokument handle. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass der Teil des Registerauszugs mit dem Warenverzeichnis bei der Erstellung des PDF‑Dokuments selbst z. B. wegen eines Fehlers oder einer falschen Handhabung bei der Digitalisierung der Dokumente wegfiel.

50      Somit ist festzuhalten, dass die Beschwerdekammer für die Prüfung, ob der erforderliche Nachweis erbracht worden war, nur über die Anhaltspunkte verfügte, die aus der fraglichen Empfangsbestätigung ersichtlich waren. Der in dieser Bestätigung wiedergegebene Registerauszug ermöglichte dem HABM insoweit aufgrund seiner Unvollständigkeit keine Kenntnis vom Schutzumfang der älteren Marke. Was die Übersetzung des Registerauszugs betrifft, die anders als dieser ein Verzeichnis der von der älteren Marke erfassten Waren umfasst, so hat die Beschwerdekammer sie wegen ihrer Abweichungen vom Original zu Recht nicht als Übersetzung angesehen. Außerdem kann dieses Dokument für die Zwecke der Erbringung des erforderlichen Nachweises nicht an die Stelle des Originaldokuments treten.

51      Das Vorbringen der Klägerin zu einem anderen Widerspruchsverfahren vor dem HABM kann daran nichts ändern.

52      Selbst wenn nämlich zutrifft, dass der Server des HABM auch in jenem anderen Verfahren eine Empfangsbestätigung erzeugte, die den Registerauszug genau wie die fragliche Empfangsbestätigung unvollständig wiedergab, bedeutet diese Entsprechung für sich allein nicht, dass die Sachlage in beiden Verfahren die gleiche war. In Wirklichkeit stellte die Widerspruchsabteilung in dem von der Klägerin angeführten Verfahren keinerlei Problem bei der Übermittlung des Registerauszugs fest und musste sich nicht mit der Empfangsbestätigung und ihrem Beweiswert befassen. Die erwähnte Entsprechung erlaubt somit nicht die Feststellung, dass das HABM die beiden Verfahren in der gleichen Weise hätte behandeln müssen.

53      Demnach kann aufgrund der hier geprüften Klagegründe zwar festgestellt werden, dass der erste der beiden oben, in Randnr. 28 geschilderten Teile der Begründung der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft ist, doch reichen sie nicht für die Aufhebung dieser Entscheidung, da sie den zweiten Teil nicht entkräften.

 Zu den Klagegründen 2, 3 und 4, die den Umstand betreffen, dass die Beschwerdekammer von Amts wegen das für die elektronischen Dokumente verantwortliche Personal des HABM befragte, ohne der Klägerin insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben

54      Die Klägerin weist darauf hin, dass die Beschwerdekammer das für die elektronischen Dokumente verantwortliche Personal des HABM befragt habe, um die Zusammensetzung der Widerspruchsakte zu überprüfen und sich insbesondere zu vergewissern, dass am 24. Oktober 2008 kein anderes Dokument als die Widerspruchsbegründung gleichzeitig mit der Widerspruchsschrift übermittelt worden sei.

55      Für ihren zweiten Klagegrund bringt die Klägerin vor, das HABM habe mit dieser Einholung von Auskünften unter Verstoß gegen Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 einen nicht von den Beteiligten angebotenen Beweis von Amts wegen erhoben.

56      Mit ihrem dritten Klagegrund fügt die Klägerin hinzu, dass diese Einholung von Auskünften in Form einer Vernehmung im Sinne von Art. 78 Abs. 1, 3 und 4 der Verordnung Nr. 207/2009 hätte erfolgen müssen, in deren Rahmen sie zur Stellungnahme hätte aufgefordert werden müssen.

57      Im Rahmen ihres vierten Klagegrundes weist die Klägerin schließlich darauf hin, dass das HABM den Beteiligten die von ihm von Amts wegen zusammengetragenen tatsächlichen Gesichtspunkte mitteilen müsse, damit sie dazu Stellung nehmen könnten. Die Beschwerdekammer habe ihr aber die Antwort des Personals des HABM nicht übermittelt, obwohl nicht ausgeschlossen sei, dass die angefochtene Entscheidung, insbesondere die Würdigung der vorgelegten Beweise durch die Beschwerdekammer, auf dieser Antwort beruhe. Damit habe die Beschwerdekammer das in Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör missachtet.

58      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

59      Gemäß Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ermittelt das HABM in dem Verfahren vor ihm den Sachverhalt von Amts wegen; soweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse handelt, ist es bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt.

60      Art. 78 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 nennt zulässige Beweismittel. Nach den Abs. 3 und 4 dieses Artikels lädt das HABM, wenn es die mündliche Vernehmung eines Beteiligten, Zeugen oder Sachverständigen für erforderlich hält, den Betroffenen zu einer Vernehmung vor dem HABM und benachrichtigt die Beteiligten, die berechtigt sind, an der Vernehmung teilzunehmen und Fragen an den zu Vernehmenden zu richten.

61      Nach Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 sind die Entscheidungen des HABM mit Gründen zu versehen und dürfen nur auf Gründe gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

62      Im vorliegenden Fall ist, wie vom HABM geltend gemacht, die Nachfrage der Beschwerdekammer bei dem für die elektronischen Dokumente verantwortlichen Personal des HABM eine einfache interne Überprüfung in Bezug auf die mit der Widerspruchsschrift empfangenen Dokumente. Es handelt sich daher weder um die Ausübung einer Amtsermittlungsbefugnis zu dem Zweck, nicht von den Beteiligten unterbreitete tatsächliche Gesichtspunkte zusammenzutragen, noch um eine förmliche Beweisaufnahme.

63      Außerdem bestätigte das Personal des HABM mit seiner Antwort auf die Nachfrage nur, dass das HABM weder ein elektronisches Dokument noch eine Datei gleichzeitig mit der Widerspruchsschrift und der Widerspruchsbegründung empfangen hatte. Wie vom HABM ausgeführt, wurde aber damit nur der bereits von der Widerspruchsabteilung vertretene Standpunkt bestätigt, zu dem die Klägerin hatte Stellung nehmen können.

64      Die Klagegründe 2, 3 und 4 sind deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum Verstoß gegen die Übermittlungsvorschriften

65      In der Erwiderung hat die Klägerin einen Verstoß des HABM gegen die Übermittlungsvorschriften geltend gemacht.

66      Das HABM hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Berufung auf diese Vorschriften verspätet sei, da sich die Klägerin weder in ihrer Klageschrift beim Gericht noch in ihrer Beschwerdeschrift bei der Beschwerdekammer darauf berufen habe.

67      Die Klägerin hält es für zulässig, einen Verstoß gegen die Übermittlungsvorschriften geltend zu machen, da diese in engem Zusammenhang mit dem ersten Klagegrund stünden.

 Zur Zulässigkeit

68      Nach Art. 48 § 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, sie werden auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

69      Ein Angriffsmittel, das eine Erweiterung eines zuvor in der Klageschrift unmittelbar oder implizit vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und in engem Zusammenhang mit diesem steht, ist jedoch für zulässig zu erklären (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. September 2010, British Aggregates u. a./Kommission, T‑359/04, Slg. 2010, II‑4227, Randnr. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass das HABM nach Regel 80 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 verpflichtet ist, dem Absender mitzuteilen, wenn eine durch Fernkopierer erhaltene Mitteilung unvollständig oder unleserlich ist, und ihn aufzufordern, innerhalb einer vom HABM festgelegten Frist das Originalschriftstück nochmals zu übermitteln. Nach Regel 82 Abs. 2 derselben Verordnung gilt diese Bestimmung entsprechend, wenn eine Mitteilung elektronisch übermittelt wird.

71      Für die Beurteilung, ob die Berufung der Klägerin auf die Übermittlungsvorschriften mit der vorstehend in Randnr. 69 geschilderten Rechtsprechung in Einklang steht, ist daran zu erinnern, dass die Klägerin im Rahmen ihres ersten Klagegrundes, der insbesondere auf einen Verstoß gegen die Regeln 19 Abs. 1 und 2 sowie 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 gestützt ist, im Wesentlichen geltend gemacht hat, dass das Funktionieren des Servers des HABM in dessen Verantwortungsbereich falle und dass ihr etwaige Funktionsstörungen des Servers nicht zum Nachteil gereichen dürften. Ebenfalls zu beachten ist, dass die Klägerin vor der Beschwerdekammer vorbrachte, sie habe, was sich auch aus der vom Server des HABM automatisch erzeugten fraglichen Empfangsbestätigung ergebe, ihrer elektronischen Widerspruchsschrift, wie sie bei der Widerspruchsabteilung eingereicht worden sei, drei Dokumente beigefügt.

72      Unter diesen Umständen ist erstens festzustellen, dass sich die Klägerin, auch wenn sie die Übermittlungsvorschriften vor Einreichung der Erwiderung nicht erwähnt hat, doch bereits auf ihre ratio berufen hat, da sie gerade bewirken sollen, dass technische Probleme bei der Übermittlung von Dokumenten, die ein Beteiligter dem HABM unterbreiten möchte, von Letzterem entdeckt werden, das dann diesem Beteiligten Gelegenheit geben muss, die fraglichen Dokumente erneut zu übersenden. Der Klagegrund, mit dem beanstandet wird, dass das HABM die Klägerin nicht gemäß den Übermittlungsvorschriften aufgefordert habe, ihm die fraglichen Dokumente nochmals zu übermitteln, steht nämlich in engem Zusammenhang damit, dass die Klägerin mehrfach und bereits vor der Widerspruchsabteilung behauptete, sie habe dem HABM alle erforderlichen Dokumente übermittelt, und dass sie sich auf die fragliche Empfangsbestätigung stützte, die, wie oben in den Randnrn. 32 bis 40 festgestellt, zeigt, dass zusammen mit der Widerspruchsschrift noch weitere Dokumente verschickt worden waren.

73      Zweitens sind die Übermittlungsvorschriften Bestimmungen, die in Verbindung mit Vorschriften zur Anwendung kommen, die die Übermittlung bestimmter Dokumente an das HABM vorsehen. Zwar wäre nicht zulässig, dass die Klägerin in der Erwiderung einen Verstoß gegen die Übermittlungsvorschriften in Verbindung mit von ihr vor der Beschwerdekammer und in der Klageschrift beim Gericht nicht angeführten Bestimmungen geltend macht, doch steht fest, dass sie sich im vorliegenden Fall auf die Übermittlungsvorschriften in Verbindung mit Bestimmungen, nämlich den Regeln 19 Abs. 1 und 2 sowie 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95, stützt, deren Verletzung durch das HABM sie zuvor durchaus beanstandet hat. Demnach hat unter den vorliegenden Gegebenheiten der Umstand, dass sich die Klägerin vor Einreichung der Erwiderung nicht ausdrücklich auf die Übermittlungsvorschriften gestützt hat, keine Auswirkung auf die Zulässigkeit der Berufung auf eine Verletzung dieser Vorschriften im Stadium der Erwiderung, worin eine Erweiterung eines bereits vorgetragenen Angriffsmittels liegt (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile des Gerichts vom 21. Mai 2008, Belfass/Rat, T‑495/04, Slg. 2008, II‑781, Randnrn. 88 bis 90, und British Aggregates u. a./Kommission, Randnrn. 88 und 89).

74      Drittens betrifft der Gegenstand des Rechtsstreits, wie er zunächst vor die Beschwerdekammer und dann vor das Gericht gelangt ist, die Frage, ob das HABM die Unterlagen empfangen hat, die die Klägerin ihm nach ihrer eigenen Aussage unterbreitet hat, um den erforderlichen Nachweis zu erbringen. Mit der Berufung auf die Übermittlungsvorschriften hat die Klägerin also den Rahmen des Rechtsstreits, wie er in der Klageschrift umgrenzt worden ist, nicht überschritten, sondern nur ihr in der Klageschrift enthaltenes und bereits vor der Beschwerdekammer gemachtes Vorbringen weiterentwickelt, dass die Widerspruchsabteilung den erforderlichen Nachweis zu Unrecht für nicht erbracht gehalten habe (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Cableuropa u. a./Kommission, T‑346/02 und T‑347/02, Slg. 2003, II‑4251, Randnrn. 112 und 113).

75      Die Berufung der Klägerin auf einen Verstoß gegen die Übermittlungsvorschriften ist daher zulässig.

 Zur Begründetheit

76      Nach der Rechtsprechung besteht das Ziel der Übermittlungsvorschriften darin, den Absendern von per Fax oder auf elektronischem Weg an das HABM gesandten Mitteilungen die Möglichkeit zu geben, diesem nach Ablauf der Widerspruchsfrist ihre Unterlagen nochmals zu übermitteln oder die Originalschriftstücke vorzulegen, wenn eine der in diesen Vorschriften angesprochenen Situationen vorliegt, damit sie die sich daraus ergebenden Mängel beheben können (vgl. entsprechend Urteile des Gerichts vom 15. Mai 2007, Black & Decker/HABM – Atlas Copco [Dreidimensionale Darstellung eines gelb-schwarzen Elektrowerkzeugs u. a.], T‑239/05, T‑240/05 bis T‑247/05, T‑255/05, T‑274/05 und T‑280/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 60, und vom 15. März 2011, Ifemy’s/HABM – Dada & Co. Kids [Dada & Co. kids], T‑50/09, Slg. 2011, II‑945, Randnr. 43).

77      Die Übermittlungsvorschriften zielen also auf die Fälle ab, in denen ein objektives Element, das mit besonderen oder anomalen technischen Umständen zusammenhängt, die nicht dem Willen des fraglichen Beteiligten unterliegen, diesen daran hindert, die Unterlagen in zufriedenstellender Weise per Fax oder auf elektronischem Weg zu übermitteln (vgl. entsprechend Urteil Dada & Co. kids, Randnr. 44).

78      Dagegen zielen die Übermittlungsvorschriften nicht auf die Fälle ab, in denen die Unvollständigkeit oder Unleserlichkeit der Mitteilung allein auf den Willen des Absenders zurückgeht, der eine vollständige und lesbare Übermittlung absichtlich nicht vornimmt, obwohl er hierzu technisch in der Lage wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil Dada & Co. kids, Randnr. 45).

79      Nach der Rechtsprechung kann ferner eine Mitteilung gemäß den vorstehend angeführten Grundsätzen nur dann als unvollständig angesehen werden, wenn der Absender tatsächlich beabsichtigt und auch versucht hat, die fraglichen Beweisstücke zu übermitteln (Urteil Dada & Co. kids, Randnr. 48).

80      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass die Klägerin durchaus versuchte, den Registerauszug zu übermitteln, und glaubte, eine vollständige Fassung davon übermittelt zu haben. Erstens nämlich wies sie in ihrer Widerspruchsschrift darauf hin, dass dieser Auszug in Anlage beigefügt sei. Zweitens wird ihre Absicht, dem HABM eine vollständige Fassung des Registerauszugs zu übermitteln, dadurch bestätigt, dass die Übersetzung dieses Auszugs, die sie der Widerspruchsschrift ebenfalls beifügte, vollständig ist und so das Verzeichnis der von der älteren Marke erfassten Waren enthält. Dass das HABM nur eine unvollständige Fassung des Registerauszugs ohne dieses Verzeichnis empfing, geht somit auf nicht geklärte Umstände zurück, die aber nicht dem Willen der Klägerin zuzurechnen sind.

81      Die Situation, die im vorliegenden Fall entstanden war, fiel also in den Anwendungsbereich der Übermittlungsvorschriften. Gegen diese Vorschriften hat die Beschwerdekammer verstoßen, da sie sich in den Randnrn. 23 und 24 der angefochtenen Entscheidung auf die Feststellung beschränkte, dass die Dokumente, die die Klägerin an die Widerspruchsabteilung gesandt habe, um den erforderlichen Nachweis zu erbringen, unvollständig gewesen seien, obwohl die Klägerin während des gesamten Verwaltungsverfahrens geltend machte, dass sie dem HABM alle für diesen Nachweis nötigen Dokumente rechtzeitig übermittelt habe. Im Übrigen wurde durch den ausdrücklichen Hinweis in der Widerspruchsschrift auf das Vorhandensein des Registerauszugs samt Übersetzung in der Anlage bereits vor der Widerspruchsabteilung deutlich, dass die elektronische Übermittlung der den Widerspruch betreffenden Dokumente unvollständig war, was das HABM dazu hätte veranlassen müssen, den Absender darüber zu informieren und ihn zur Vervollständigung der Akte aufzufordern.

82      Insoweit ist festzustellen, dass die Anwendung der Übermittlungsvorschriften im vorliegenden Fall, anders als vom HABM in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens zulasten von Renta Siete, der Anmelderin der Gemeinschaftsmarke, geführt hätte. Mit der Anwendung der Übermittlungsvorschriften erlaubt das HABM nämlich einem Beteiligten keineswegs unter Stärkung seiner Position zulasten des anderen am Verwaltungsverfahren Beteiligten die Vorlage weiterer Beweise, die zu den bereits vorgelegten hinzukämen. In Wirklichkeit hat die Anwendung dieser Vorschriften nur die Behebung eines Übermittlungsproblems zur Folge, das bei der Übersendung der Dokumente aufgetreten ist, die ein Beteiligter dem HABM unterbreiten wollte, und nicht die Zulassung der Einreichung neuer Dokumente durch diesen Beteiligten.

83      Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung, ohne dass der siebte Klagegrund der Klägerin geprüft zu werden braucht, aufzuheben, da die Beschwerdekammer die Verpflichtungen außer Acht gelassen hat, die dem HABM unter den gegebenen Umständen aufgrund der Übermittlungsvorschriften oblagen.

 Kosten

84      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

85      Die Klägerin hat außerdem beantragt, dem HABM die Kosten aufzuerlegen, die ihr im Verwaltungsverfahren vor ihm entstanden sind. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 136 § 2 der Verfahrensordnung die Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten gelten. Gleiches gilt jedoch nicht für die Aufwendungen für das Verfahren vor der Widerspruchsabteilung. Daher kann dem Antrag der Klägerin, dem mit seinen Anträgen unterlegenen HABM die Kosten des Verwaltungsverfahrens aufzuerlegen, nur hinsichtlich ihrer für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendigen Aufwendungen stattgegeben werden.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 22. Februar 2010 (Sache R 1204/2009-2) wird aufgehoben.

2.      Das HABM trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten der Moselland eG – Winzergenossenschaft in den Verfahren vor dem Gericht und vor der Beschwerdekammer.

Kanninen

Soldevila Fragoso

Berardis

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. Mai 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.