Language of document : ECLI:EU:T:2010:547

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

17. Dezember 2010(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung einer dreidimensionalen Gemeinschaftsmarke – Form eines Rentiers aus Schokolade – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EG] Nr. 207/2009)“

In der Rechtssache T‑337/08

Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG mit Sitz in Kilchberg (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Lange, E. Schalast und G. Hild,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch A. Pohlmann als Bevollmächtigten,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 12. Juni 2008 (Sache R 780/2005‑4) über die Anmeldung eines aus der Form eines Rentiers aus Schokolade bestehenden dreidimensionalen Zeichens als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

im Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung der Präsidentin I. Wiszniewska-Białecka sowie der Richter F. Dehousse und H. Kanninen (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 18. August 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 26. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

nach Änderung der Zusammensetzung der Ersten Kammer des Gerichts,

aufgrund der schriftlichen Frage des Gerichts an die Parteien und deren hierzu am 28. und 29. Juni 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahmen,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 29. Oktober 2004 meldete die Klägerin, die Chocoladenfabriken Lindt & Sprüngli AG, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes dreidimensionales Zeichen in Form eines Rentiers aus Schokolade, das nach der in der Anmeldung enthaltenen Beschreibung die Farben Gold, Braun und Rot aufweist:

Image not found

3        Die Marke wurde für die Waren „Schokolade, Schokoladewaren“ in Klasse 30 des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Mit Entscheidung vom 2. Mai 2005 wies der Prüfer die Gemeinschaftsmarkenanmeldung auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) zurück, da er der Ansicht war, dass die Marke keine Unterscheidungskraft habe.

5        Am 1. Juli 2005 legte die Klägerin beim HABM nach den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers ein.

6        Mit Entscheidung vom 12. Juni 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Sie war im Wesentlichen der Ansicht, dass keines der Elemente der angemeldeten Marke (Form, Goldfolie, rotes Band mit Glöckchen), einzeln oder zusammen betrachtet, der Marke Unterscheidungskraft für die betreffenden Produkte verleihen könne. Die beanspruchte Form sei nur eine weitere Tierform, in Goldfolie verpackt, ohne Bezug zu einem Unternehmen, und das Band sowie das Glöckchen als dekorative Elemente seien bloß unentbehrliche und traditionelle Gestaltungsmerkmale für ein Rentier. Somit fehle der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 in der gesamten Europäischen Union, da keine Gründe erkennbar seien, warum die Verbraucher in Deutschland und in Österreich die angemeldete Form anders wahrnehmen sollten als die Verbraucher in den anderen Mitgliedstaaten. Außerdem ließen die von der Klägerin eingereichten Unterlagen, da sie ausschließlich Deutschland beträfen, nicht den Schluss zu, dass die angemeldete Marke nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft für die betreffenden Produkte im gesamten Unionsgebiet erlangt habe.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

8        Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

9        Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 geltend.

10      Sie macht im Wesentlichen geltend, dass die Kombination unüblicher und unterscheidungskräftiger Merkmale, aus denen die angemeldete Marke bestehe, es ermögliche, die Herkunft der Ware zu erkennen und sie von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

11      Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

12      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

13      Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne dieser Bestimmung, dass diese Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteile des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Procter & Gamble/HABM, C-473/01 P und C-474/01 P, Slg. 2004, I‑5173, Randnr. 32, und vom 21. Oktober 2004, HABM/Erpo Möbelwerk, C‑64/02 P, Slg. 2004, I‑10031, Randnr. 42).

14      Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (Urteile des Gerichtshofs in der Rechtssache Procter & Gamble/HABM, Randnr. 33, und vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑24/05 P, Slg. 2006, I‑5677, Randnr. 23).

15      Im vorliegenden Fall steht fest, dass das angemeldete Zeichen aus dem Erscheinungsbild der Verpackung der beanspruchten Waren, nämlich einer Verpackung in Form eines Rentiers, besteht.

16      Die Beschwerdekammer nahm an, dass Schokolade und Schokoladewaren in Supermärkten und anderen Vertriebsstätten aus Gründen der Hygiene und Gesundheit „ausschließlich verpackt“ abgegeben würden. Da für den Vertrieb „eine Verpackung erforderlich ist, die der Ware ihre Form verleiht“, sei diese Verpackung für die Zwecke der Prüfung einer Anmeldung als Marke mit der Form der Ware gleichzusetzen. Unter Berufung auf die Urteile des Gerichts vom 3. Dezember 2003, Nestlé Waters France/HABM (Form einer Flasche) (T‑305/02, Slg. 2003, II‑5207, Randnr. 30), und vom 29. April 2004, Eurocermex/HABM (Form einer Bierflasche) (T‑399/02, Slg. 2004, II‑1391, Randnr. 24), vertrat sie die Ansicht, dass die Verpackung von Schokolade ein zwingendes Vertriebserfordernis sei, dem der Verbraucher in erster Linie bloße Portionierungsfunktion beimesse.

17      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Schokolade und Schokoladewaren auch unverpackt verkauft werden können. Sie werden zwar gewiss in den Selbstbedienungsabteilungen von Supermärkten meistens nur verpackt abgegeben. Auch in Supermärkten sowie insbesondere in Kinos werden jedoch Bonbons, einschließlich unverpackter Schokoladewaren, einzeln in Selbstbedienung verkauft; der Kunde wählt dabei seine Schokoladestücke selbst aus und gibt sie in eine Tüte. Außerdem werden in Schokoladefachgeschäften Schokoladewaren auch unverpackt verkauft. In solchen Geschäften wird die unverpackte Schokolade auf einem Verkaufstisch präsentiert und beim Verkauf von einem Verkäufer übergeben, der sie in eine Schachtel oder Tüte gibt, die nicht ihre Verpackung im eigentlichen Sinne ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdekammer erfordert daher der Vertrieb von Schokolade oder Schokoladewaren nicht immer „eine Verpackung, die der Ware ihre Form verleiht“.

18      Im vorliegenden Fall jedoch ist, wie die Beschwerdekammer zutreffend hervorgehoben hat, für die Zwecke der Prüfung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke die Verpackung der fraglichen Waren mit der Form der Ware gleichzusetzen. Ferner geht aus der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Beschwerdekammer trotz ihrer Ausführungen zur Portionierungsfunktion der Verpackung nicht ausschloss, dass die Form der Verpackung der Schokolade Unterscheidungskraft haben könne.

19      Des Weiteren ist zu konstatieren, dass die beanspruchten Waren, nämlich Schokolade und Schokoladewaren, wie die Beschwerdekammer zutreffend feststellte, allgemeine Verbrauchsgüter sind, die der Verbraucher normalerweise schnell und ohne große Aufmerksamkeit kauft, was von der Klägerin nicht bestritten wird.

20      Was die Prüfung der Unterscheidungskraft betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, keine anderen als für die übrigen Markenkategorien sind. Jedoch ist im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien zu berücksichtigen, dass eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, vom Durchschnittsverbraucher nicht zwingend in gleicher Weise wahrgenommen wird wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke (Urteile des Gerichtshofs vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, Slg. 2004, I‑9165, Randnr. 30, und Storck/HABM, Randnrn. 24 und 25).

21      Demnach ist, je mehr sich die angemeldete Form der Form annähert, in der die betreffende Ware am wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, umso eher zu erwarten, dass dieser Form Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 fehlt. Eine Marke hingegen, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllt, besitzt auch Unterscheidungskraft (Urteile des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Henkel/HABM, C‑456/01 P und C‑457/01 P, Slg. 2004, I‑5089, Randnr. 39, und vom 12. Januar 2006, Deutsche SiSi‑Werke/HABM, C‑173/04 P, Slg. 2006, I‑551, Randnr. 31; Urteil des Gerichts vom 24. November 2004, Henkel/HABM [Form einer weißen und transparenten Flasche], T‑393/02, Slg. 2004, II‑4115, Randnr. 31).

22      Außerdem sind die Neuheit oder die Originalität keine maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke, so dass es für die Eintragungsfähigkeit einer Marke nicht genügt, dass sie originell ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 31. Mai 2006, De Waele/HABM [Form einer Wurst], T‑15/05, Slg. 2006, II‑1511, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Um zu beurteilen, ob einer Marke Unterscheidungskraft fehlt, ist auf den von ihr hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht zunächst die einzelnen Gestaltungselemente der Marke nacheinander geprüft werden dürften. Es kann sich nämlich als zweckmäßig erweisen, bei der Gesamtbeurteilung jeden einzelnen Bestandteil der betreffenden Marke zu untersuchen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2007, Henkel/HABM, C‑144/06 P, Slg. 2007, I‑8109, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Im vorliegenden Fall besteht die angemeldete Marke im Wesentlichen aus drei Elementen. Das erste Element ist die Form eines Rentiers, das zweite die Goldfolie, in die das Schokoladerentier eingepackt ist, und das dritte das rote Plisseeband, an dem ein Glöckchen befestigt ist.

25      Die Beschwerdekammer nahm an, dass keines dieser Elemente allein Unterscheidungskraft habe. Die Klägerin macht hingegen geltend, dass jedes von ihnen für sich Unterscheidungskraft besitze.

26      Vor der Gesamtbeurteilung der angemeldeten Marke ist daher jedes einzelne dieser Elemente zu prüfen.

27      Was als Erstes die Form eines Rentiers betrifft, stellte die Beschwerdekammer fest, dass Schokolade und Schokoladewaren außer in ihren Grundformen auch in bestimmten Formen für bestimmte Jahreszeiten vorzufinden seien, wie Lämmer, Hasen (Ostern), Krampus, Nikolaus, Weihnachtsmann (Advent), Schornsteinfeger, Schweine und Marienkäfer (Neujahr).

28      Die Klägerin macht geltend, dass die Form der Anmeldemarke keine typische Rentierform sei, sondern eine ungewöhnliche Form, die nicht technisch bedingt sei.

29      Es trifft zwar zu, dass sich die fragliche Form von der Form eines Rentiers in der Natur unterscheidet. Es steht jedoch fest, dass Schokolade und Schokoladewaren oft in Tierformen vorzufinden sind und diese Tierformen keine getreuen Nachbildungen dieser Tiere in der Natur sind, sondern vereinfachte Formen, was auch dazu führt, dass sich diese verschiedenen Formen nicht wesentlich voneinander unterscheiden.

30      Außerdem stellte die Beschwerdekammer nicht fest, dass die fragliche Form selbst technisch bedingt sei. Dazu genügt der Hinweis, dass die Beschwerdekammer zutreffend annahm, dass im vorliegenden Fall für die Zwecke der Prüfung der Anmeldung die fragliche Verpackung mit der Form der Ware gleichzusetzen sei.

31      Was als Zweites die goldfarbene Verpackungsfolie anbelangt, nahm die Beschwerdekammer an, dass die Verwendung einer goldfarbenen Folie als Verpackungsmaterial in der Schokolade- und Schokoladewarenbranche üblich sei, und zwar nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern auch in den übrigen Mitgliedstaaten der Union.

32      Die Klägerin ist der Ansicht, dass es keine andere Darstellung eines Rentiers in goldener Farbe gebe und dass daher diese Farbe für die fragliche Form ungewöhnlich sei.

33      Zu diesem Punkt genügt die Feststellung, dass es allgemein bekannt ist, dass es auf dem Gebiet der Verpackung von Schokolade und Schokoladewaren üblich ist, die Ware in Goldfolie einzuwickeln. Diese Feststellung gilt sowohl für die Grundformen als auch für die verschiedenen Tierformen aus Schokolade. Diese Farbe als solche ist daher, wie die Beschwerdekammer zu Recht feststellte, für Schokolade und Schokoladewaren nicht ungewöhnlich.

34      Was als Drittes das zu einer Schleife gebundene rote Plisseeband betrifft, an dem ein goldenes Glöckchen angebracht ist, stellte die Beschwerdekammer fest, dass Glocken in der mitteleuropäischen Weihnachtstradition große Bedeutung hätten. Die Beschwerdekammer berief sich außerdem auf ein Urteil des Handelsgerichts Wien (Österreich), wonach ein rotes Band mit Glöckchen seit langem von verschiedenen Anbietern für Schokolade-Osterhasen verwendet werde. Die Beschwerdekammer bemerkte dazu, sie könne nicht erkennen, warum ein rotes Band mit Glöckchen in Bezug auf Weihnachten Kennzeichnungskraft zukommen sollte.

35      Die insoweit von der Beschwerdekammer getroffenen Feststellungen, die die Klägerin gar nicht bestreitet, sind nicht zu beanstanden. Es ist nämlich allgemein bekannt, dass sowohl Glocken als auch rote Bänder zu den Elementen gehören, die zur Dekorierung von Schokoladewaren verwendet werden, insbesondere um die Osterzeit, aber auch zu Weinachten. Dieses Element, das im Handel als rein dekoratives Element eingesetzt wird, hat keine Unterscheidungskraft.

36      Was die Gesamtbeurteilung der angemeldeten Marke betrifft, entschied die Beschwerdekammer, dass dieser auch unter Berücksichtigung der Kombination ihrer einzelnen Elemente für die beanspruchten Waren jede Unterscheidungskraft im gesamten Unionsgebiet fehle. Tatsächlich sei die mit der Anmeldemarke beanspruchte Form nur eine weitere Tierform, in Goldfolie verpackt, ohne Bezug zu einem Unternehmen, und die weiteren dekorativen Elemente, nämlich das Band und das Glöckchen, seien bloß unentbehrliche und traditionelle Gestaltungsmerkmale für ein Rentier. Die zeichnerische Ausgestaltung des Rentiers, insbesondere Maul, Augen, Füße und Geweih, könnten die Schutzfähigkeit des Zeichens nicht begründen. Das weihnachtliche Rentier sei in ganz Europa bekannt.

37      Die Klägerin bringt vor, die Beschwerdekammer habe nicht nachgewiesen, dass die Kombination der Elemente, aus denen die Anmeldemarke bestehe, auf dem Markt üblich geworden sei, und sie habe nicht die „konkrete Ausgestaltung“ beurteilt, sondern einen Motivschutz verhindern wollen.

38      Zunächst ist hervorzuheben, dass aus der angefochtenen Entscheidung, anders als die Klägerin offenbar zum Ausdruck bringen will, klar hervorgeht, dass die Beschwerdekammer den von der angemeldeten Marke hervorgerufenen Gesamteindruck berücksichtigt hat.

39      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer, auch ohne dafür konkrete Beispiele anführen zu müssen, ihre Feststellung auf Tatsachen stützen darf, die sich aus der allgemeinen praktischen Erfahrung im Handel mit Schokolade und Schokoladewaren ergeben und die jedermann und insbesondere den Verbrauchern von Schokolade und Schokoladewaren bekannt sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil Storck/HABM, Randnr. 54).

40      Soweit die Klägerin geltend macht, die Anmeldemarke habe entgegen der vom HABM vorgenommenen Beurteilung Unterscheidungskraft, ist es ihre Sache, durch konkrete und fundierte Angaben darzutun, dass die Anmeldemarke Unterscheidungskraft entweder von Haus aus besitzt oder durch Benutzung erworben hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2007, Develey/HABM, C‑238/06 P, Slg. 2007, I‑9375, Randnr. 50). Im vorliegenden Fall ist es der Klägerin nicht gelungen, die Richtigkeit der vorstehend wiedergegebenen allgemein bekannten oder vom HABM festgestellten Tatsachen in Frage zu stellen und darzutun, dass der angemeldeten Marke von Haus aus Unterscheidungskraft zukommt.

41      Im vorliegenden Fall sind somit die Feststellungen der Beschwerdekammer zu bestätigen. Die Merkmale, die die Kombination aus der Form, den Farben und dem roten Plisseeband mit Glöckchen der angemeldeten Marke aufweist, sind nämlich von denen der Grundformen, die für die Verpackung von Schokolade und Schokoladewaren häufig verwendet werden, nicht hinreichend weit entfernt. Sie sind damit nicht geeignet, von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Hinweise auf die betriebliche Herkunft im Gedächtnis behalten zu werden. Denn die Verpackung in Form eines Rentiers, in goldener Farbe und mit einem roten Plisseeband mit Glöckchen unterscheidet sich nicht wesentlich von den handelsüblichen Verpackungen der fraglichen Erzeugnisse, die als eine typische Verpackungsform dieser Waren nahe liegend sind.

42      Auch die zeichnerischen Elemente, insbesondere Maul, Augen, Hufe und Geweih, können, wie die Beschwerdekammer zutreffend feststellte, die Schutzfähigkeit des Zeichens nicht begründen. Es handelt sich nämlich um gängige Elemente, die normalerweise jede Rentierform aufweist, und sie sind nicht mit solchem künstlerischen Niveau gestaltet, dass sie dem Verbraucher als Herkunftshinweis dienen könnten.

43      Es ist auch das Argument der Klägerin zurückzuweisen, dass der Umstand, dass das weihnachtliche Rentier weltweit bekannt sei, nicht zur Zurückweisung der Markenanmeldung führen dürfe. Die Beschwerdekammer schloss nämlich die Anmeldemarke nicht auf der Grundlage einer solchen Feststellung von der Eintragung aus, sondern beschränkte sich darauf, auf diese Tatsache hinzuweisen. In dieser Hinsicht ist nicht auszuschließen, dass ebenso, wie z. B. Schokolade-Osterhasen in mehreren Mitgliedstaaten bekannt und üblich sind, auch Schokoladerentiere zu Weihnachten in einigen Mitgliedstaaten bekannt sind.

44      Selbst unter der Annahme, dass eine Tradition des Verkaufs von Schokoladerentieren zur Weihnachtszeit nicht existiert, genügt der Hinweis, dass die verschiedenen Tierformen Teil des typischen Formenschatzes von Schokolade und Schokoladewaren sind. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass sich die Anmeldemarke erheblich von den anderen auf dem Markt befindlichen Tierformen unterscheidet.

45      Nach alledem hat die Beschwerdekammer die „konkrete Ausgestaltung“ der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit geprüft und dabei nicht das Ziel verfolgt, einen Motivschutz zu verhindern.

46      Auf jeden Fall könnte die Gefahr einer Monopolisierung der fraglichen Verpackung für Schokolade und Schokoladewaren sowie insbesondere für Schokoladerentiere im Einklang mit dem Allgemeininteresse, das dem absoluten Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 zugrunde liegt, eine Bestätigung dafür bilden, dass diese Verpackung für Schokoladewaren ohne Unterscheidungskraft ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 10. November 2004, Storck/OHMI [Wicklerform], T‑402/02, Slg. 2004, II‑3849, Randnr. 60).

47      Auch vor diesen Hintergrund kann entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht angenommen werden, dass der Marke ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft zukommt.

48      Nach alledem nahm die Beschwerdekammer zu Recht an, dass die angemeldete Marke nicht unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 sei.

49      Die Klage ist daher abzuweisen.

 Kosten

50      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG trägt die Kosten.

Wiszniewska-Białecka

Dehousse

Kanninen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Dezember 2010.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.