Language of document : ECLI:EU:T:2013:256

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

16. Mai 2013(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke VORTEX – Ältere Gemeinschaftswortmarke VORTEX – Relatives Eintragungshindernis – Fehlen einer Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Prioritätsrecht – Art. 29 der Verordnung Nr. 207/2009 – Teilverzicht – Art. 50 der Verordnung Nr. 207/2009 – Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör – Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑104/12

Verus Eood mit Sitz in Sofia (Bulgarien), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwalt S. Vykydal, dann Rechtsanwalt F. Henkel,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte des Verfahrens vor der Beschwerdekammer des HABM:

Performance Industries Manufacturing Inc. mit Sitz in Odessa, Florida (Vereinigte Staaten),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 21. Dezember 2011 (Sache R 512/2011-4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Verus Eood und Performance Industries Manufacturing Inc.,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas (Berichterstatter) sowie der Richter V. Vadapalas und K. O’Higgins,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 1. März 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 13. Juni 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 11. Oktober 2006 meldete die Performance Industries Manufacturing Inc. nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen VORTEX.

3        Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 7 und 12 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 7: „Motorenteile für Motorräder, Ersatzteile (Verschleißteile) für Verbrennungsmotoren, Zahnriemen, Zahnräder, Gehäusedeckel für Motorradmotoren, Riemenspannvorrichtungen, Gelenke (Motorenteile), Auspuffrohre“;

–        Klasse 12: „Motorräder und Motorradzubehör, Kippständer für Motorräder, Bauteile für Motorräder, Lenker für Motorräder, Kupplungen und Ketten für Motorräder, Rennständer für Motorräder, Halterungen für Verkleidungen für Motorräder, Führungsrollen für Pendelachsen (Teile der Federung von Motorrädern), Verbindungsglieder als Bauteile der Federung von Motorradrädern, Verschlusskappen für Öleinfüllöffnungen für Motorräder“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 24/2007 vom 11. Juni 2007 veröffentlicht.

5        Am 25. Juli 2007 erhob die Klägerin Verus Eood gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Randnr. 3 genannten Waren und Dienstleistungen.

6        Der Widerspruch stützte sich auf die Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke VORTEX, die am 30. November 2006 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 12, 35 und 39 angemeldet und für die die Priorität aus einer am 30. Mai 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt für die gleichen Waren und Dienstleistungen eingereichten Markenanmeldung in Anspruch genommen worden war.

7        Der Widerspruch wurde mit dem Eintragungshindernis aus Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 begründet.

8        Nach Abschluss eines Widerspruchsverfahrens gegen die oben in Randnr. 6 genannte Gemeinschaftsmarkenanmeldung wurde die Marke in das Register der Gemeinschaftsmarken unter der Nummer 5514104 (im Folgenden: ältere Gemeinschaftsmarke) für folgende Dienstleistungen eingetragen:

–        Klasse 35: „Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften, auch im Rahmen von e-commerce; Vermittlung von Verträgen über die Anschaffung und Veräußerung von Kraftfahrzeugen“;

–        Klasse 39: „Vermietung von Kraftfahrzeugen; Beförderung von Personen und Gütern mittels Kraftfahrzeuge; Organisation und Durchführung von Kraftfahrzeugtransporten, auch im Rahmen des Betriebs einer Datenbank“.

9        Im November 2010 erklärte die Klägerin in Bezug auf das Dienstleistungsverzeichnis der Klasse 35 der älteren Gemeinschaftsmarke einen teilweisen Verzicht.

10      Am 13. Januar 2011 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch der Klägerin zurück.

11      Am 14. Februar 2011 wurde das Dienstleistungsverzeichnis der älteren Gemeinschaftsmarke in Klasse 35 nach der Bestätigung der Klägerin vom 14. Dezember 2010, dass sie, wie vom HABM vorgeschlagen, die Streichung bestimmter Dienstleistungen aus dem Verzeichnis akzeptiere, wie folgt geändert:

–        Klasse 35: „Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften, auch im Rahmen von e-commerce; nämlich der Einzelhandel und Großhandel mit Fahrzeugen, Kraftfahrzeugrädern, Fahrwerks-Teilen für Zweiräder, Elektronik-Produkten und deren Teilen, Maschinen für die Erzeugung von Elektronik-Produkten und deren Teilen, Geräten und Behältern für Haushalt und Küche, Kämme und Schwämme, Bürsten und Pinsel (ausgenommen für Mahlzwecke), Bürstenmachermaterial, Putzzeug, Stahlwolle, rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas), Glaswaren, Porzellan und Steingut, Baumaterialien (nicht aus Metall), Rohre (nicht aus Metall) für Bauzwecke, Asphalte, Pech und Bitumen, transportable Bauten (nicht aus Metall), Denkmäler (nicht aus Metall), Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, Uhren und Zeitmessinstrumente, chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, fotografische, land- garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand, Düngemittel, Feuerlöschmittel, Mittel zum Härten und Löten von Metallen, chemische Erzeugnisse zum Frischalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln, Gerbmittel, Klebstoffen für gewerbliche Zwecke, Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgeräte sowie sanitäre Anlagen, Garnen und Fäden für textile Zwecke, Möbeln, optischen Apparaten, Hochdruckreinigern, Fitnessgeräten, Telefonen, PC‑Hardware, PC‑Software, Helmen, Spielen, Spielzeug, Lebensmitteln und Getränken; Vermittlung von Verträgen über die Anschaffung und Veräußerung von Kraftfahrzeugen“.

12      Am selben Tag wurde die in der vorstehenden Randnummer genannte Änderung in das Register für Gemeinschaftsmarken eingetragen, worüber die Klägerin informiert wurde.

13      Am 9. März 2011 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

14      Mit Entscheidung vom 21. Dezember 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück.

15      Die Beschwerdekammer war im Wesentlichen der Ansicht, dass die als teilweiser Verzicht zugunsten der Klägerin eingetragene Änderung des Dienstleistungsverzeichnisses der älteren Gemeinschaftsmarke bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die die einander gegenüberstehenden Marken beanspruchten, keine Berücksichtigung finden könne, weil diese Änderung nicht vom Prioritätsrecht umfasst sei. Nach Art. 29 der Verordnung Nr. 207/2009 könne die Klägerin das Prioritätsdatum 30. Mai 2006 nur für diejenigen Waren und Dienstleistungen geltend machen, die teilweise oder vollständig mit denen des Prioritätsrechts identisch seien. Hingegen sei die nachträgliche Änderung des Dienstleistungsverzeichnisses nicht Gegenstand der ersten Anmeldung, so dass der Tag der Einreichung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung, auf die der Widerspruch gestützt werde, nämlich der 30. November 2006, als Anmeldetag gelte, so dass sich der Widerspruch nicht auf eine ältere Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 stütze.

16      Darüber hinaus sei die Änderung des Dienstleistungsverzeichnisses im Hinblick auf den Wortlaut von Art. 50 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 207/2009 unzulässig, weil es sich nicht um eine Einschränkung, sondern um eine Erweiterung des Schutzgegenstands der älteren Gemeinschaftsmarke um Dienstleistungen – nämlich Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels für eine Vielzahl von Waren – handele, die nicht Gegenstand der Anmeldung gewesen seien. Folglich habe die Widerspruchsabteilung zu Recht die geänderte Fassung des Dienstleistungsverzeichnisses der älteren Gemeinschaftsmarke bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr unberücksichtigt gelassen.

17      Zur Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die von den einander gegenüberstehenden Marken beansprucht werden, führte die Beschwerdekammer außerdem aus, dass keine Ähnlichkeit im Hinblick auf ihre Art, ihren Gegenstand und ihren Verwendungszweck vorliege, die die relevanten Verkehrskreise zur Annahme eines gemeinsamen betrieblichen Ursprungs veranlassen könnte. Die Beschwerdekammer kam somit zu dem Ergebnis, dass ungeachtet der Identität der einander gegenüberstehenden Marken in Bezug auf sie keinerlei Verwechslungsgefahr bestehe.

 Anträge der Parteien

18      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an die Beschwerdekammer zurückzuverweisen;

–        die Kosten des Verfahrens vor dem Gericht sowie die Kosten für das Verfahren vor der Beschwerdekammer dem HABM aufzuerlegen.

19      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

20      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend und bringt in diesem Rahmen drei Rügen vor.

21      Erstens wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, gegen die Art. 29 und 50 der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen zu haben, da sie weder das Prioritätsdatum der ersten Anmeldung vom 30. Mai 2006 noch den teilweisen Verzicht, der sich auf das Dienstleistungsverzeichnis der älteren Gemeinschaftsmarke beziehe, berücksichtigt habe, obwohl der genannte Verzicht in das Register für Gemeinschaftsmarken eingetragen worden sei. In diesem Zusammenhang sei die Beschwerdekammer durch den fraglichen Verzicht gebunden und nicht befugt, sich zu dessen Rechtmäßigkeit zu äußern.

22      Zweitens rügt die Klägerin einen Verstoß der Beschwerdekammer gegen Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009: Die Beschwerdekammer habe ihr nicht ermöglicht, zur Nichtberücksichtigung des Prioritätsdatums und des teilweisen Verzichts Stellung zu nehmen.

23      Drittens wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, eine unzutreffende Beurteilung beim Vergleich der Waren und Dienstleistungen der einander gegenüberstehenden Marken angestellt zu haben.

24      Soweit die Prüfung der ersten Rüge impliziert, dass das Gericht die Rechtmäßigkeit des von der Beschwerdekammer angestellten Vergleichs der fraglichen Waren und Dienstleistungen beurteilt, ist diese Rüge zusammen mit der dritten Rüge zu prüfen. Nach dieser Prüfung ist die zweite Rüge zu prüfen, mit der eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin nach Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend gemacht wird.

 Zur ersten und zur dritten Rüge: Verstoß gegen die Art. 29 und 50 der Verordnung Nr. 207/2009 und unzutreffende Beurteilung des Vergleichs der fraglichen Waren und Dienstleistungen

25      Die Klägerin trägt erstens vor, dass die am 14. Februar 2011 eingetragene Änderung des Verzeichnisses der Dienstleistungen, die mit der Gemeinschaftsmarkenanmeldung beansprucht würden, auf der Grundlage von Art. 50 der Verordnung Nr. 207/2009 wirksam erfolgt sei. Insoweit macht sie zum einen geltend, dass es sich bei Dienstleistungen betreffend „Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften“ sowohl bei wörtlicher Auslegung der fraglichen Begriffe als auch nach der Rechtsprechung um Dienstleistungen des Einzel- oder Großhandels handele. Zum anderen gelte – wie im vorliegenden Fall – das in Art. 29 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehene Prioritätsrecht auch dann, wenn das Verzeichnis, auf das sich die Gemeinschaftsmarke beziehe, kleiner sei als dasjenige der prioritätsbegründenden Anmeldung. Durch die Hinzufügung des Begriffs „nämlich“ sei der Schutzumfang für Dienstleistungen betreffend „Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften, auch im Rahmen von e-commerce“ der Klasse 35 eingeschränkt worden, so dass diese Dienstleistungen nur noch diejenigen Waren beträfen, die ausdrücklich in der geänderten Gemeinschaftsmarke bezeichnet würden.

26      Zweitens macht die Klägerin geltend, dass die Beschwerdekammer nicht befugt gewesen sei, sich zur Rechtmäßigkeit des teilweisen Verzichts zu äußern, sondern dass sie an ihn gebunden gewesen sei und sich folglich beim Vergleich der Waren und Dienstleistungen, die von den sich gegenüberstehenden Marken beansprucht würden, auf das geänderte Verzeichnis hätte stützen müssen.

27      Drittens trägt die Klägerin vor, dass der Beschwerdekammer ein Rechtsfehler unterlaufen sei, indem sie davon ausgegangen sei, dass die von den sich gegenüberstehenden Marken beanspruchten Waren und Dienstleistungen in Anbetracht des Umstands, dass das Verzeichnis nicht zu berücksichtigen sei, das aus der Erklärung des teilweisen Verzichts resultiere, nicht als ähnlich anzusehen seien.

28      Das HABM tritt diesem Vorbringen entgegen.

29      Zu prüfen ist zunächst die Argumentation der Klägerin, mit der dargetan werden soll, dass die Beschwerdekammer ihre Befugnisse überschritten habe, indem sie sich zur Rechtmäßigkeit des teilweisen Verzichts geäußert habe.

 Zur Ausübung der Befugnisse der Beschwerdekammer bei der Prüfung des teilweisen Verzichts

30      Art. 50 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 207/2009 gewährt dem Inhaber einer Gemeinschaftsmarke die Möglichkeit, für alle oder einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen ist, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem HABM einen Verzicht zu erklären.

31      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin auf der Grundlage der vorgenannten Bestimmung erklärt, dass sie auf Dienstleistungen aus dem Verzeichnis der älteren Gemeinschaftsmarke, deren Inhaber sie war, teilweise verzichte. Dieser Verzicht wurde in der Form erklärt, dass die Dienstleistungen „Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften, auch im Rahmen von e-commerce“ der Klasse 35, die ursprünglich mit der älteren Gemeinschaftsmarke beansprucht wurden, um den Zusatz „nämlich der Einzelhandel und Großhandel“ ergänzt wurden, dem eine sehr große Zahl von Waren angefügt wurde.

32      Erstens ist daran zu erinnern, dass der teilweise Verzicht, wie ihn die Klägerin am 14. Dezember 2010 bestätigt hat, vom HABM in das Register für Gemeinschaftsmarken eingetragen und der Klägerin gemäß Regel 84 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 303, S. 1) am 14. Februar 2011 mitgeteilt worden ist. Da diese Eintragung erfolgte, nachdem die Widerspruchsabteilung den Widerspruch am 13. Januar 2011 zurückgewiesen hatte, konnte die Widerspruchsabteilung dies nicht in ihre Beurteilung einbeziehen, was die Klägerin im Übrigen einräumt. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 50 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 der Verzicht erst wirksam wird, wenn er eingetragen worden ist, und dass er somit noch keine Wirkungen entfaltete, als die Widerspruchsabteilung die Entscheidung über die Zurückweisung des Widerspruchs erließ.

33      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung aus Art. 64 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 207/2009 hervorgeht, dass die Beschwerdekammer nach der Prüfung, ob die Beschwerde begründet ist, über die Beschwerde entscheidet und dabei u. a. „im Rahmen der Zuständigkeit der Dienststelle tätig [werden kann], die die angefochtene Entscheidung erlassen hat“, d. h., sie konnte im vorliegenden Fall über den Widerspruch durch Zurückweisung oder Stattgabe selbst entscheiden und damit die Entscheidung der Stelle des HABM, die in erster Instanz über die Sache zu befinden hatte, entweder bestätigen oder für unwirksam erklären. Folglich ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass die Beschwerdekammer infolge der bei ihr anhängigen Beschwerde dazu aufgerufen ist, erneut eine vollständige Prüfung der Begründetheit des Widerspruchs sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht vorzunehmen (vgl. Urteil des Gerichts vom 25. März 2009, Anheuser-Busch/HABM – Budějovický Budvar [BUDWEISER], T‑191/07, Slg. 2009, II‑691, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer befugt war, sich zur Zulässigkeit des Verzichts zu äußern, da mit der älteren Gemeinschaftsmarke, auf die sich der Widerspruch stützte, Priorität in Anspruch genommen wurde und der teilweise Verzicht, der sich auf das Dienstleistungsverzeichnis dieser Marke bezog, zwangsläufig Auswirkungen auf die Prüfung des Widerspruchs und folglich auf die von der Beschwerdekammer zu beurteilende Frage gehabt hätte, ob bei den einander gegenüberstehenden Marken Verwechslungsgefahr vorliegt.

35      Daraus folgt, dass das Vorbringen der Klägerin, wonach sich die Zuständigkeit der Beschwerdekammer auf die Prüfung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr beschränkt habe, zurückzuweisen ist.

 Zu den Auswirkungen des teilweisen Verzichts im Hinblick auf das geltend gemachte Prioritätsrecht und den Vergleich der Waren und Dienstleistungen

36      Nach Art. 29 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 genießt „[j]edermann, der in einem oder mit Wirkung für einen Vertragsstaat der Pariser Verbandsübereinkunft oder des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation eine Marke vorschriftsmäßig angemeldet hat, oder sein Rechtsnachfolger … hinsichtlich der Anmeldung derselben Marke als Gemeinschaftsmarke für die Waren oder Dienstleistungen, die mit denen identisch sind, für welche die Marke angemeldet ist, oder die von diesen Waren oder Dienstleistungen umfasst werden, während einer Frist von sechs Monaten nach Einreichung der ersten Anmeldung ein Prioritätsrecht“.

37      Nach Art. 31 der genannten Verordnung hat ferner „[d]as Prioritätsrecht … die Wirkung, dass für die Bestimmung des Vorrangs von Rechten der Prioritätstag als Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke gilt“.

38      Aus den in den beiden vorstehenden Randnummern genannten Bestimmungen folgt, dass das Prioritätsrecht, wenn gleichzeitig mit der Anmeldung eine Priorität in Anspruch genommen wird, zu einem wesentlichen Bestandteil der Anmeldung wird, da es eine ihrer wesentlichen Eigenschaften bestimmt, nämlich dass zum Zweck der Bestimmung des Vorrangs von Rechten als Anmeldetag der Tag gilt, an dem die frühere Anmeldung eingereicht worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. November 2001, Signal Communications/HABM [TELEYE], T‑128/99, Slg. 2001, II‑3273, Randnr. 42).

39      Im vorliegenden Fall entspricht, wie die Beschwerdekammer zu Recht in Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, ein Verzicht auf einen Teil der Waren und Dienstleistungen, für die eine Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, dem Art. 50 der Verordnung Nr. 207/2009 nur dann, wenn das Verzeichnis der genannten Waren und Dienstleistungen tatsächlich eingeschränkt wird. Jedoch hat die Klägerin im vorliegenden Fall die Dienstleistungen „Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften, auch im Rahmen von e-commerce“ um Dienstleistungen des „Einzelhandels und Großhandels“ ergänzt und sodann die betreffenden Waren angeführt. Dass die Klägerin das Wort „nämlich“ verwendet hat, das im Prinzip darauf hindeutet, dass eine Dienstleistungskategorie auf bestimmte spezifische Dienstleistungen oder Waren, die zu dieser Kategorie gehören, beschränkt wird, vermag dieses Ergebnis nicht zu entkräften, da die Dienstleistungen des „Einzelhandels und Großhandels“ nicht im Verzeichnis der Dienstleistungen aufgeführt wurden, die ursprünglich von der älteren Gemeinschaftsmarke beansprucht wurden, und auch nicht mit dem Prioritätsrecht beansprucht wurden, auf das die genannte Marke gestützt wird.

40      Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach Art. 29 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009, was die Klägerin im Übrigen eingeräumt hat, die Inanspruchnahme eines Prioritätsrechts voraussetzt, dass dieselbe Marke für die Waren oder Dienstleistungen, die mit denen identisch sind, für welche die erste Marke angemeldet ist, oder die von diesen Waren oder Dienstleistungen umfasst werden, während der Prioritätsfrist angemeldet wird.

41      Wie das HABM zutreffend ausgeführt hat, kann die ältere Gemeinschaftsmarke, auf die der Widerspruch gestützt worden ist, da sie am 30. November 2006 und damit nach dem Zeitpunkt der Anmeldung der angefochtenen Gemeinschaftsmarke angemeldet worden ist, nur insoweit als ältere Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 gelten, als sie wirksam die Priorität der ersten, am 30. Mai 2006 eingereichten Anmeldung beanspruchen kann, die im vorliegenden Fall lediglich die Dienstleistungen der Klassen 35 und 39 vor Änderung des Verzeichnisses umfasste.

42      Es lässt sich auch nicht die Ansicht vertreten, dass die Dienstleistungen des Einzel- und Großhandels von den ursprünglich mit der Widerspruchsgemeinschaftsmarke beanspruchten Dienstleistungen umfasst würden und damit als identisch angesehen werden könnten. Eine derartige Auslegung lässt sich entgegen den Ausführungen der Klägerin nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juli 2005, Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte (C‑418/02, Slg. 2005, I‑5873), herleiten.

43      Nach Randnr. 34 dieses Urteils besteht nämlich der Zweck des Einzelhandels im Verkauf von Waren an den Verbraucher. Dieser Handel umfasst neben dem Rechtsgeschäft des Kaufvertrags die gesamte Tätigkeit, die ein Wirtschaftsteilnehmer entfaltet, um zum Abschluss eines solchen Geschäfts anzuregen. Diese Tätigkeit besteht insbesondere in der Auswahl eines Sortiments von Waren, die zum Verkauf angeboten werden, und im Angebot verschiedener Dienstleistungen, die einen Verbraucher dazu veranlassen sollen, den Kaufvertrag mit diesem Händler statt mit einem seiner Wettbewerber abzuschließen.

44      Erstens ist festzustellen, dass die fragliche Rechtsprechung bei den Dienstleistungen des Einzelhandels zum einen die Rechtsgeschäfte eines Wirtschaftsteilnehmers und zum anderen seine übrigen Tätigkeiten zur Förderung des Absatzes seiner Waren und Dienstleistungen unterscheidet. Die gleiche Unterscheidung gilt für die Dienstleistungen des Großhandels. Demgegenüber betreffen die Dienstleistungen der Vermittlung und des Abschlusses von Handelsgeschäften, auf die die Gemeinschaftsmarke ursprünglich abstellte, lediglich die Rechtsgeschäfte eines Wirtschaftsteilnehmers. Daraus folgt, dass sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf die genannte Rechtsprechung berufen kann, soweit diese die Dienstleistungen des „Einzelhandels und Großhandels“ betraf, um nachzuweisen, dass diese mit den Dienstleistungen „Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften“ identisch sind. Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass Vermittlungsdienstleistungen den Einsatz eines Handelsmaklers oder Handelsvertreters voraussetzen, während dies bei Dienstleistungen des Einzel- oder Großhandels nicht unbedingt der Fall ist. Drittens muss, worauf das HABM zu Recht hingewiesen hat, „Handelsgeschäfte“ in Verbindung mit „Vermittlung“ und „Abschluss“ (von Handelsgeschäften) und nicht unabhängig hiervon gelesen werden, so dass sich nicht die Ansicht vertreten lässt, dass sich diese Geschäfte auf verschiedene andere Tätigkeiten eines Wirtschaftsteilnehmers, die im Rahmen des Einzel- und Großhandels anfallen, als die Vermittlung und den Abschluss der genannten Geschäfte bezögen. Insoweit geht das klägerische Vorbringen ins Leere, wonach die Beschwerdekammer die Dienstleistungen des Abschlusses von Handelsgeschäften nicht gewürdigt habe, da diese an die Rechtsgeschäfte des Kaufmanns gekoppelten Dienstleistungen auch nicht denselben Gegenstand haben wie Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels.

45      Unter diesen Umständen lässt sich nicht die Ansicht vertreten, dass Dienstleistungen der „Vermittlung und des Abschlusses von Handelsgeschäften, auch im Rahmen von e-commerce“ Dienstleistungen des „Einzelhandels und Großhandels“ seien oder diese einschlössen, da die Dienstleistungen des „Einzelhandels und Großhandels“ umfassender sind als die ursprünglich beanspruchten Dienstleistungen.

46      Die Klägerin konnte folglich die Priorität der ersten Anmeldung nicht für Dienstleistungen des Einzel- und Großhandels und hiermit in Zusammenhang stehende Waren geltend machen.

47      Die Beschwerdekammer ist somit zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass durch den Verzicht der Klägerin der Schutzgegenstand der älteren Marke um Dienstleistungen und Waren erweitert wurde, die nicht Gegenstand der ersten Anmeldung waren. Ebenso ist festzustellen, dass der Beschwerdekammer kein Rechtsfehler unterlaufen ist, als sie ihre Beurteilung der Ähnlichkeit der mit den sich gegenüberstehenden Marken beanspruchten Waren und Dienstleistungen auf das Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke stützte, weil sie mit den Dienstleistungen der ersten Anmeldung übereinstimmten.

48      Nach alledem ist die erste Rüge als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass die Argumente der Klägerin zur Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken wegen der angeblichen Identität der Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels bezüglich Waren wie „Fahrzeuge“ und „Fahrwerks-Teile für Zweiräder“ der Klasse 35 mit bestimmten von der bestrittenen Marke beanspruchten Waren zu prüfen wären.

49      Folglich ist die Prüfung des Vergleichs der fraglichen Waren und Dienstleistungen, wie er von der Beschwerdekammer angestellt wurde, auf die von der angegriffenen Marke erfassten Waren der Klassen 7 und 12, bei denen es sich im Wesentlichen um Motorräder, Motorenteile, Ersatzteile und Zubehör handelt, und die Dienstleistungen der Klassen 35 und 39 der älteren Gemeinschaftsmarke zu konzentrieren, auf die sich die ursprüngliche Anmeldung erstreckt.

 Zur Ähnlichkeit der Waren der angegriffenen Marke und der Dienstleistungen der Gemeinschaftsmarke

50      Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind nach ständiger Rechtsprechung alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis von Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Hierzu gehören insbesondere ihre Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren. Es können auch andere Faktoren wie die Vertriebswege der betreffenden Waren berücksichtigt werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, Slg. 2007, II‑2579, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Waren oder Dienstleistungen einander ergänzen, wenn zwischen ihnen ein enger Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass die eine Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, so dass die Verbraucher denken könnten, die Verantwortung für die Herstellung dieser Waren oder die Erbringung dieser Dienstleistungen liege bei demselben Unternehmen. Waren, die sich an verschiedene Verkehrskreise richten, können einander definitionsgemäß nicht ergänzen (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, Slg. 2009, II‑43, Randnrn. 57 und 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Zu den im vorliegenden Fall relevanten Verkehrskreisen hat die Beschwerdekammer, ohne dass die Klägerin dem entgegengetreten wäre, ausgeführt, dass die Waren der angegriffenen Marke sich sowohl an den Endverbraucher, soweit er selbst Reparaturen ausführe, als auch an Fachleute der Motorrad- und Kraftfahrzeugbranche richteten. Die Dienstleistungen der älteren Marke in Klasse 35 richteten sich an Unternehmen und Händler, während die Vermietungs-, Beförderungs- und Transportdienstleistungen in Klasse 39 auch vom Endverbraucher in Anspruch genommen werden könnten. Da die ältere Marke eine Gemeinschaftsmarke sei, sei auf die Auffassung der relevanten Verkehrskreise in der Gemeinschaft abzustellen.

53      Zu den Waren der angegriffenen Marke und den mit der älteren Gemeinschaftsmarke beanspruchten Dienstleistungen „Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften, auch im Rahmen von e-commerce“ in Klasse 35 ist erstens festzustellen, dass sie sich in ihrer Art unterscheiden und nicht über dieselben Vertriebswege angeboten werden. Vermittlungsdienstleistungen werden nämlich von Handelsvertretern, Handelsmaklern oder kaufmännischen Vertretern erbracht und richten sich an Unternehmen, die deren Dienste in Anspruch nehmen, während die Motorräder, die Motorteile und die Ersatzteile, die für sie bestimmt sind, und ihr Zubehör von Motorradherstellern oder Vertragshändlern dem Endkunden angeboten werden. Wie die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt hat, bestehen für die genannten Dienstleistungen, selbst wenn sie auf Handelsgeschäfte gerichtet sein können, die von Herstellern von Motorrädern und Motorradersatzteilen oder für deren Rechnung geschlossen werden, keine Berührungspunkte zu den genannten Waren, und diese Dienstleistungen veranlassen den Verkehr nicht zur Annahme eines gemeinsamen betrieblichen Ursprungs.

54      Darüber hinaus ergänzen sich die fraglichen Dienstleistungen und Waren entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht. Überdies ist die von der Klägerin zur Untermauerung ihres Vortrags angeführte Rechtsprechung, nämlich das Urteil des Gerichts vom 24. September 2008, Oakley/HABM – Venticinque (O STORE) (T‑116/06, Slg. 2008, II‑2455), im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil sie die Komplementarität von Einzelhandelsdienstleistungen betrifft, die dieselben Waren zum Gegenstand haben wie die ältere Gemeinschaftsmarke. Es genügt der Hinweis, dass die Klägerin ihren Widerspruch nicht auf solche Dienstleistungen stützen kann.

55      Zweitens macht die Klägerin in Bezug auf die Dienstleistungen der „Vermittlung von Verträgen über die Anschaffung und Veräußerung von Kraftfahrzeugen“ geltend, dass Identität zwischen den Waren der angemeldeten Marke und denjenigen Waren bestehe, auf deren Verkauf oder Vermittlung die von der älteren Gemeinschaftsmarke geschützten Dienstleistungen abzielten, weil der Verkauf von Kraftfahrzeugen nur in Ausnahmefällen durch den Hersteller selbst erfolge, ansonsten aber durch Vermittler zwischen Käufer und Hersteller.

56      Es ist allerdings festzustellen, dass die Klägerin nicht angegeben hat, welche Waren sie mit der vorstehenden Randnummer meint, und keine Ware im Verzeichnis den betreffenden Dienstleistungen besonders zugeordnet hat. Wie im Übrigen die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt hat, werden die Händler und Kraftfahrzeugkäufer, die die Dienstleistung der Vermittlung der Kraftfahrzeugveräußerung in Anspruch nehmen, nicht davon ausgehen, dass der Vermittler auch zugleich der Hersteller der Kraftfahrzeuge ist, da Gegenstand der Dienstleistungen die Vermittlung und nicht der Verkauf von Kraftfahrzeugen ist.

57      Mithin ist festzustellen, dass die Dienstleistungen der „Vermittlung von Verträgen über die Anschaffung und Veräußerung von Kraftfahrzeugen“ in Klasse 35 sich von den Waren in Klasse 7 und 12 unterscheiden, die von der angegriffenen Marke erfasst werden.

58      Zu den Dienstleistungen „Vermietung von Kraftfahrzeugen; Beförderung von Personen und Gütern mittels Kraftfahrzeuge; Organisation und Durchführung von Kraftfahrzeugtransporten, auch im Rahmen des Betriebs einer Datenbank“ in Klasse 39, die von der älteren Gemeinschaftsmarke erfasst werden, hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass diese Dienstleistungen zwar auch die Vermietung von Motorrädern und die Beförderung mittels oder den Transport von Motorrädern umfassten, sich aber von den Waren der angegriffenen Marke unterschieden, weil Hersteller von Kraftfahrzeugen oder Ersatzteilen üblicherweise nicht als Anbieter von Vermietungs-, Beförderungs- oder Transportdienstleistungen am Markt aufträten.

59      Das Ergebnis der Beschwerdekammer, wonach die genannten Waren und Dienstleistungen sich unterscheiden, ist zutreffend und kann nicht durch das durch nichts belegte Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt werden, dass die Beschwerdekammer übersehen habe, dass Automobile auch geleast werden könnten, denn eine Person, die Transportdienstleistungen nachfragt oder ein Fahrzeug mieten möchte oder Dienstleistungen der Organisation des Transports mit Fahrzeugen in Anspruch nehmen möchte, wird sich an einen auf derartige Dienstleistungen spezialisierten Dienstleister, wie etwa einen Vermieter, ein Umzugsunternehmen oder ein Transportunternehmen, und nicht an den Hersteller oder den Vertragshändler einer bestimmten Automarke wenden. Darüber hinaus sind die Verkehrskreise, die an der Beförderung mit Motorrädern oder an der Miete eines solchen Fahrzeugs interessiert sind, nicht mit denen identisch, die einen Transport mit oder eine Miete von Wagen oder Fahrzeugen mit größerer Kapazität, wie etwa von Bussen oder Lastwagen, nachfragen.

60      Daraus folgt, dass die betreffenden Waren und Dienstleistungen sich an verschiedene Verkehrskreise richten, nicht zwangsläufig denselben Verwendungszweck haben und nicht über dieselben Vertriebswege verteilt oder angeboten werden.

61      Die fraglichen Waren und Dienstleistungen ergänzen sich auch nicht, da die Dienstleistungen in Klasse 39 für die Nutzung der Waren der angegriffenen Marke nicht unentbehrlich sind.

62      Die gleichen Erwägungen gelten für die Motorteile und die Ersatzteile der angegriffenen Marke, die lediglich zum Kauf angeboten werden und nicht als Waren angesehen werden können, die Transportdienstleistungen der Klasse 39 ergänzen.

63      Schließlich vermag auch das Vorbringen der Klägerin nicht durchzudringen, wonach die europäischen Organe oder die nationalen Behörden kurzfristig zur Aufstockung des bestehenden Fuhrparks unmittelbar von den Fahrzeugherstellern Fahrzeuge anmieteten, um den gelegentlichen Bedarf zur Beförderung von Personen zu befriedigen, die an von diesen Organen durchgeführten Großveranstaltungen teilnehmen. Hierzu ist festzustellen, dass nicht nachgewiesen werden kann, dass diese Dienstleistungen sich im Sinne der vorstehend in Randnr. 51 genannten Rechtsprechung mit den Waren der angegriffenen Marke ergänzen.

64      In Bezug auf die Anlagen K15 bis K19, die die Klägerin beim Gericht erstmals vorgelegt hat und die Presseartikel enthalten, wonach Kraftfahrzeughersteller Dienstleistungen der Vermietung von Kraftfahrzeugen wie die von Klasse 39 erfassten anböten, ist festzustellen, dass sie nicht berücksichtigt werden können. Die Klage beim Gericht ist nämlich auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des HABM erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 65 der Verordnung Nr. 207/2009 gerichtet, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, den Sachverhalt im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen zu überprüfen. Somit sind die genannten Dokumente zurückzuweisen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, Slg. 2005, II‑4891, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Nach alledem ist festzustellen, dass der von der Beschwerdekammer angestellte Vergleich der Waren und Dienstleistungen, auf die sich die einander gegenüberstehenden Marken beziehen, rechtsfehlerfrei und, wie die Beschwerdekammer festgestellt hat, ungeachtet der Identität der Marken eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen ist, da eine der kumulativen Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nicht erfüllt ist.

66      Folglich ist auch die dritte Rüge zurückzuweisen.

 Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009

67      Die Klägerin trägt vor, dass die Beschwerdekammer sie zu der Frage der Nichtberücksichtigung der Einschränkung der Warenliste infolge des Teilverzichts und zu der Nichtberücksichtigung des Prioritätsrechts hätte anhören müssen, da es sich um einen Umstand handele, der einen eigenen Grund der angefochtenen Entscheidung darstelle.

68      Das HABM hat hierzu nichts vorgetragen.

69      Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 stellt einen besonderen Anwendungsfall des auch in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2010, C 83, S. 389) niedergelegten allgemeinen Grundsatzes des Schutzes der Verteidigungsrechte dar, wonach Personen, deren Interessen durch eine amtliche Entscheidung berührt werden, Gelegenheit erhalten müssen, ihren Standpunkt gebührend darzulegen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör erstreckt sich auf alle tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte, die die Grundlage der Entscheidungsfindung bilden (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Juni 2012, XXXLutz Marken/HABM – Meyer Manufacturing [CIRCON], T‑542/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Nach Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 dürfen Entscheidungen des Amts nur auf Gründe gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Diese Bestimmung bezieht sich sowohl auf die tatsächlichen als auch auf die rechtlichen Gründe sowie auf die Beweise (Urteil des Gerichts vom 4. Oktober 2006, Freixenet/HABM [Form einer mattweißen Flasche], T‑190/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 28).

71      Jedoch beschränkt sich der durch den Anspruch auf rechtliches Gehör verliehene Schutz auf diese Möglichkeit, in Kenntnis der tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte Stellung zu nehmen (Urteile des Gerichts vom 21. November 2007, Wesergold Getränkeindustrie/HABM – Lidl Stiftung [VITAL FIT], T‑111/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 57, und vom 26. November 2008, Rajani/HABM – Artoz-Papier [ATOZ], T‑100/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 76).

72      Schließlich erstreckt sich der Anspruch auf rechtliches Gehör, wie er in Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 verankert ist, zwar auf alle tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte sowie auf die Beweise, die die Grundlage für die Entscheidungsfindung bilden, nicht aber auf den endgültigen Standpunkt, den die Verwaltung einnehmen will (Urteile des Gerichts vom 20. April 2005, Krüger/HABM – Calpis [CALPICO], T‑273/02, Slg. 2005, II‑1271, Randnr. 65, und vom 15. November 2011, Abbott Laboratories/HABM [RESTORE], T‑363/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 61).

73      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer zum einen darauf hingewiesen, dass die Änderung des Verzeichnisses der mit der älteren Gemeinschaftsmarke bezeichneten Dienstleistungen bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht berücksichtigt werden könne, weil sie nicht vom Prioritätsrecht umfasst sei, auf das sich der Widerspruch stütze, und zum anderen, dass, da die vom Prioritätsrecht umfassten Dienstleistungen nicht geändert worden seien, der Tag der Einreichung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung, auf die der Widerspruch gestützt werde, nämlich der 30. November 2006, als Anmeldetag gelte, so dass der Widerspruch nicht auf einem Recht beruhe, das von einer älteren Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 geschützt werde.

74      Was erstens die Frage der Nichtberücksichtigung der Änderung des Dienstleistungsverzeichnisses betrifft, ist festzustellen, dass die Klägerin dem HABM nicht vorwerfen kann, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verkannt zu haben, und auch nicht vorbringen kann, sie habe nicht zu allen Aspekten Stellung nehmen können, die für die angefochtene Entscheidung berücksichtigt worden seien. Denn zum einen geht aus der angefochtenen Entscheidung und zum anderen aus der Verfahrensakte des HABM, die dem Gericht gemäß Art. 133 Abs. 3 seiner Verfahrensordnung übermittelt worden ist, hervor, dass die Klägerin in ihrem am 13. Mai 2011 eingereichten Schriftsatz, in dem sie die Gründe ihrer Beschwerde vor der Beschwerdekammer dargelegt hat, der Widerspruchsabteilung vorgeworfen hat, diese habe diesen Aspekt nicht berücksichtigt, und dass sie dieses Vorbringen untermauert hat. Mithin hat die Klägerin die Beschwerdekammer förmlich mit dieser Frage befasst und auf diese Weise im Sinne der in Randnr. 71 angeführten Rechtsprechung Stellung genommen, so dass der Beschwerdekammer kein Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör vorgeworfen werden kann.

75      Überdies hätte, wie die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hat, eine Berücksichtigung des von der Klägerin beantragten Teilverzichts im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zur Folge gehabt, dass sie nicht in den Genuss des Prioritätsdatums hätte kommen können, das sie zur Stützung des Widerspruchs geltend gemacht hat, so dass der Widerspruch mangels älterer Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 zurückgewiesen worden wäre.

76      Was zweitens die Frage der Nichtberücksichtigung des Prioritätsrechts durch die Beschwerdekammer betrifft, genügt der Hinweis, dass die Klägerin, selbst wenn man unterstellte, sie hätte hierzu Stellung nehmen können, in keiner Weise die Würdigung durch die Beschwerdekammer hätte beeinflussen können, da diese Würdigung, wie sich der Prüfung der ersten Rüge entnehmen lässt (vgl. oben, Randnr. 47), Art. 29 und Art. 50 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 207/2009 entsprach. Was den in Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 niedergelegten Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte angeht, so kann die Nichtbeachtung der geltenden Regeln für den Schutz dieser Rechte ein Verwaltungsverfahren nämlich nur dann fehlerhaft machen, wenn nachgewiesen ist, dass dieses Verfahren anderenfalls möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil RESTORE, oben in Randnr. 72 angeführt, Randnr. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Nach alledem kann die zweite Rüge der Klägerin, mit der sie eine Verletzung ihrer Verfahrensrechte aus Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend macht, keinen Erfolg haben und ist somit zurückzuweisen.

78      Folglich ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

79      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Verus Eood trägt die Kosten.

Papasavvas

Vadapalas

O’Higgins

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Mai 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.