URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)
17. Dezember 1997 (1)
„Gemeinsame Marktorganisation für Rohtabak Verwaltung durch die
Kommission Schadensersatzklage Verjährung Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit Grundsatz der Gleichbehandlung“
In der Rechtssache T-152/95
Odette Nicos Petrides Co. Inc., Gesellschaft griechischen Rechts mit Sitz in Kavala
(Griechenland), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Édouard Didier und Joël
Grangé, Paris, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Carlos Zeyen, 67,
rue Ermesinde, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Gérard Berscheid,
Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos
Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
wegen Verurteilung der Kommission zur Zahlung von Schadensersatz gemäß den
Artikeln 178 und 215 Absatz 2 EG-Vertrag wegen Wiedergutmachung des
Schadens, der durch bestimmte Handlungen der Kommission bei der Verwaltung
der gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabak im Zeitraum 1990 bis 1991
entstanden ist,
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts sowie der Richterin P. Lindh und
des Richters J. D. Cooke,
Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2.
Mai 1997,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
- 1.
- Am 21. April 1970 erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 727/70 über die
Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabak (ABl. L 94, S. 1;
im folgenden: Verordnung Nr. 727/70). Zu den wesentlichen Mechanismen dieser
gemeinsamen Marktorganisation gehört die Verpflichtung der Interventionsstellen
der Mitgliedstaaten, die in der Gemeinschaft geernteten und über den normalen
Handelsweg nicht abgesetzten Tabakblätter zum Interventionspreis anzukaufen.
Beim Absatz des so angekauften Tabaks darf keine Störung des Marktes auftreten
und ist den Käufern gleicher Zugang zu den Waren und gleiche Behandlung zu
gewährleisten (Artikel 7 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 727/70).
- 2.
- Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 327/71 des Rates vom 15. Februar 1971 zur
Festsetzung bestimmter Grundregeln für die Verträge über die erste Bearbeitung
und Aufbereitung, für Lagerverträge sowie für den Absatz des im Besitz der
Interventionsstellen befindlichen Tabaks (ABl. L 39, S. 3; im folgenden:
Verordnung Nr. 327/71) sieht vor, daß der Absatz auf der Grundlage von jeweils
festgesetzten Preisbedingungen erfolgt, wobei insbesondere die Marktentwicklung
und der Marktbedarf berücksichtigt werden.
- 3.
- Artikel 1 der mehrfach geänderten Verordnung (EWG) Nr. 3389/73 der
Kommission vom 13. Dezember 1973 zur Festlegung der Verfahren und
Bedingungen für den Verkauf von Tabak aus den Beständen der
Interventionsstellen (ABl. L 345, S. 47; im folgenden: Verordnung Nr. 3389/73)
bestimmt:
„(1) Die im Besitz der Interventionsstellen befindlichen Tabakballen werden
durch Ausschreibung oder öffentliche Versteigerung auf den Markt gebracht.
(2) Ausschreibung ist eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten, wobei der
Zuschlag demjenigen erteilt wird, dessen Angebot das günstigste ist und den
Bedingungen dieser Verordnung entspricht.
...“
- 4.
- Artikel 6 Absatz 1 dieser Verordnung bestimmt zum Ablauf der Ausschreibungen:
„Innerhalb von 15 Tagen nach Ablauf der Angebotsfrist wird auf Grund der
Angebote und nach dem Verfahren des Artikels 17 der Verordnung (EWG) Nr.
727/70 für jede Partie ein Mindestverkaufspreis festgesetzt, oder es wird
beschlossen, die Ausschreibung aufzuheben.“
- 5.
- Ursprünglich sah Artikel 5 Absatz 1 folgendes vor:
„Jeder Bieter stellt eine Kaution in Höhe von 0,28 Rechnungseinheiten je
Kilogramm Rohtabak bei der betreffenden Interventionsstelle.“
- 6.
- Die Kaution wurde durch die Verordnung (EWG) Nr. 3263/85 der Kommission
vom 21. November 1985 zur Änderung der Verordnung Nr. 3389/73 (ABl. L 311,
S. 22) auf 0,339 ECU/kg angehoben. Abweichend von Artikel 5 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 3389/73 wurde sie durch die Verordnung (EWG) Nr. 3040/91 der
Kommission vom 15. Oktober 1991 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr.
2436/91 über die Ausschreibung des Verkaufs zur Ausfuhr von Tabakballen aus
Beständen der deutschen, griechischen und italienischen Interventionsstelle (ABl.
L 288, S. 18; im folgenden: Verordnung Nr. 3040/91) auf 0,7 ECU/kg angehoben.
Sachverhalt
- 7.
- Die Klägerin ist eine griechische Gesellschaft, deren Tätigkeit hauptsächlich in der
Bearbeitung und im Vertrieb von Tabak in Griechenland und im Ausland besteht.
Im streitigen Zeitraum verfügte sie über einen Betrieb zur Tabakbearbeitung und -lagerung sowie über ein weiteres Zentrallager. Je nach Bedarf mietete sie
außerdem verschiedene kleine Betriebe und Büroräume. Sie arbeitete mit
Zwischenhändlern und anderen Beauftragten in Griechenland und im Ausland
zusammen.
- 8.
- Der streitige Zeitraum begann im April 1990 und erstreckte sich bis Ende 1991.
Während dieser Zeit veranstaltete die Kommission drei Ausschreibungen für Tabak
aus Beständen der griechischen Interventionsstelle und eine Ausschreibung für
Tabak aus Beständen von drei Interventionsstellen der Mitgliedstaaten
einschließlich der griechischen. Am 15. Oktober 1991 erließ sie außerdem die
Verordnung Nr. 3040/91, durch die die Sicherheit erhöht wurde, die jeder Bieter
bei der betreffenden Interventionsstelle stellen mußte.
- 9.
- Die erste streitige Ausschreibung (im folgenden: erste Ausschreibung) wurde durch
die Verordnung (EWG) Nr. 899/90 der Kommission vom 5. April 1990 über eine
Ausschreibung zum Verkauf von zur Ausfuhr bestimmten Tabakballen aus
Beständen der griechischen Interventionsstelle (ABl. L 93, S. 7) veranstaltet und
umfaßte vier Partien Rohtabakballen der Ernten 1986 und 1987 aus Beständen der
griechischen Interventionsstelle, aufgeteilt nach Sorten mit einer Gesamtmenge von
5 271 428 kg. Die Frist für die Entscheidung der Kommission über die
Ausschreibung lief am 14. Juni 1990 ab. Die erste Partie umfaßte 1 805 903 kg
Tabak. Sie setzte sich aus den Sorten Mavra, klassischer Kaba Kulak und Elassona,
nicht klassischer Kaba Kulak, Katerini, Burley EL und Basmas zusammen. Die
zweite Partie umfaßte 1 519 836 kg Tabak der gleichen Sorten mit Ausnahme der
Sorte Basmas. Die dritte Partie umfaßte 1 519 991 kg Tabak der gleichen Sorten
wie die zweite Partie. Die vierte Partie umfaßte 425 698 kg Tabak, die sich nur aus
den Sorten Mavra und Basmas zusammensetzte. Die Klägerin reichte ein Angebot
für die erste und die zweite Partie ein (in Höhe von 76,11 DR und 63,11 DR je
Kilogramm). Die Kommission beschloß jedoch am 14. Juni 1990, die Angebote der
Bieter nicht anzunehmen, weil die Angebotspreise die Gefahr einer Marktstörung
darstellten.
- 10.
- Die zweite streitige Ausschreibung (im folgenden: zweite Ausschreibung) wurde
durch die Verordnung (EWG) Nr. 1560/90 der Kommission vom 8. Juni 1990 über
eine Ausschreibung zum Verkauf von zur Ausfuhr bestimmten Tabakballen aus
Beständen der griechischen Interventionsstelle (ABl. L 148, S. 7; im folgenden:
Verordnung Nr. 1560/90) veranstaltet. Sie umfaßte die gleichen vier Partien
Rohtabakballen. Die Frist für die Entscheidung der Kommission über die
Ausschreibung lief am 9. August 1990 ab. Die Klägerin gab ein Angebot für die
erste und die vierte Partie ab (in Höhe von 91,11 DR und 101,11 DR je
Kilogramm). Am 7. August 1990 erteilte die Kommission den Zuschlag für das
Angebot eines anderen Bieters für die zweite Partie (in Höhe von 102 DR je
Kilogramm) und lehnte alle Angebote über die erste, die dritte und die vierte
Partie ab, wobei sie sich auf die Gefahr einer Marktstörung berief.
- 11.
- Die dritte streitige Ausschreibung (im folgenden: dritte Ausschreibung) wurde für
die drei restlichen Partien durch die Verordnung (EWG) Nr. 2610/90 der
Kommission vom 10. September 1990 über eine Ausschreibung zum Verkauf von
zur Ausfuhr bestimmten Tabakballen aus Beständen der griechischen
Interventionsstelle (ABl. L 248, S. 5) veranstaltet. Die Frist für die Entscheidung
der Kommission über die Ausschreibung lief am 12. November 1990 ab. Die
Klägerin gab ein Angebot für alle drei Partien ab (in Höhe von 152,26 DR, 132,26
DR, und 121,26 DR je Kilogramm). Ihr Angebot für die erste Partie war das
höchste der eingegangenen Angebote. Die Kommission beschloß am 16. November
1990 erneut, die Angebote der Bieter abzulehnen, weil die angebotenen Preise eine
anormale Marktentwicklung hervorrufen könnten.
- 12.
- Die vierte streitige Ausschreibung (im folgenden: vierte Ausschreibung) wurde
durch die Verordnung (EWG) Nr. 2436/91 der Kommission vom 7. August 1991
über eine Ausschreibung zum Verkauf von zur Ausfuhr bestimmten Tabakballen
aus Beständen der deutschen, der griechischen und der italienischen
Interventionsstelle (ABl. L 222, S. 23; im folgenden: Verordnung Nr. 2436/91)
veranstaltet. Die Gesamtmenge von 105 486 276 kg war auf elf in vier Gruppen
aufgeteilte Partien verteilt. Eine Gruppe von Partien konnte erst dann zum Verkauf
gestellt werden, wenn für die vorhergehende Gruppe der Zuschlag erteilt war.
Damit wurde bezweckt, für alle Tabaksorten Angebote zu erhalten, wobei mit den
am wenigsten nachgefragten Sorten begonnen werden sollte. In jeder Partie war der
Tabak einer bestimmten Sorte aus den Beständen der verschiedenen
Interventionsstellen der betreffenden Mitgliedstaaten zusammengefaßt. Die
Klägerin beteiligte sich an einigen Vorgängen dieser Serie. Ihre Angebote, die für
eine geringere Menge galten, als für die fraglichen Partien festgesetzt war, wurden
als nicht vorschriftsmäßig abgelehnt.
- 13.
- Nachdem die Klägerin am 13. September 1991 an das für Landwirtschaftsfragen
zuständige Mitglied der Kommission geschrieben hatte, um die Aussetzung der
Verordnung Nr. 2436/91 zu erwirken, ohne allerdings eine in ihren Augen
zufriedenstellende Antwort zu erhalten, erhob sie beim Gerichtshof Klage auf
Nichtigerklärung dieser Verordnung und der gemäß dieser Verordnung
veröffentlichten Ausschreibung Nr. 91/C/213/04 der Kommission (Rechtssache C-232/91). Außerdem reichte sie im Verfahren der einstweiligen Anordnung einen
Antrag auf Aussetzung der angefochtenen Verordnung ein (Rechtssache C-232/91 R). Da die Klägerin durch die angefochtenen Rechtsakte nicht individuell
betroffen war, wurde ihre Klage mit Beschluß vom 14. November 1991 in den
Rechtssachen C-232/91 und C-233/91 (Petridi und Kapnemporon
Makedonias/Kommission, Slg. 1991, I-5351) als unzulässig abgewiesen. Ihr Antrag
auf einstweilige Anordnung wurde mit Beschluß vom 10. Januar 1992 in den
Rechtssachen C-232/91 R und C-233/91 R (nicht in der amtlichen Sammlung
veröffentlicht) ebenfalls zurückgewiesen.
- 14.
- Durch die Verordnung (EWG) Nr. 162/92 der Kommission vom 24. Januar 1992
zur Änderung der Verordnung Nr. 2436/91 (ABl. L 18, S. 16) teilte die Kommission
die letzten drei Partien der vierten Ausschreibung in zehn Partien auf, weil eine
Unterscheidung nach dem Erntejahr auf einen höheren Verkaufswert hoffen ließ.
Verfahren und Anträge der Parteien
- 15.
- Mit Klageschrift, die am 24. Juli 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,
hat die Klägerin gegen die Kommission eine auf Artikel 215 Absatz 2 EG-Vertrag
gestützte Schadensersatzklage erhoben.
- 16.
- Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die
mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat
jedoch beide Parteien aufgefordert, einige Fragen schriftlich zu beantworten, was
ordnungsgemäß geschehen ist.
- 17.
- Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 2. Mai 1997 mündlich
verhandelt.
- 18.
- Die Klägerin beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte gemäß Artikel 215 Absatz 2 des Vertrages
haftet;
die Beklagte dementsprechend zum Ersatz des der Klägerin entstandenen
Schadens zu verurteilen und 20 403 788 ECU an sie zu zahlen;
der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 19.
- In ihrer Erwiderung beantragt sie außerdem, der Beklagten aufzugeben, folgendes
vorzulegen:
die Protokolle der Verwaltungsausschüsse vom 25. Juli 1990 bis 30. Januar
1992;
sämtliche Studien, internen Noten und Unterlagen über
Marktbedarfsanalysen und die Verwaltung der Interventionsbestände an
Tabak während des betreffenden Zeitraums;
sämtliche internen Unterlagen über den geplanten Verkauf von Tabak nach
Rußland und die gesamte Korrespondenz zwischen der Kommission und
Agrointorg sowie sämtliche Belege über die Rolle von Herrn Ballot als
Vermittler.
- 20.
- Sie fügt hinzu, daß sie sich der Benennung eines Sachverständigen zur Beurteilung
des ihr entstandenen Schadens nicht widersetze, wenn die Beklagte die Kosten
vorstrecke.
- 21.
- Die Kommission beantragt,
die Schadensersatzklage für unzulässig zu erklären, soweit sie sich auf
Ereignisse und Handlungen der Beklagten vor dem 23. Juli 1990 bezieht;
die Behandlung von Einzelheiten und Informationen in bezug auf die
Arbeiten des Verwaltungsausschusses Tabak im Rahmen des vorliegenden
Verfahrens für unzulässig zu erklären;
die Klage im übrigen als unbegründet abzuweisen;
der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 22.
- In ihrer Gegenerwiderung beantragt sie außerdem, die neuen Anträge auf
Übermittlung von Unterlagen und auf Vorlage der Kosten für ein
Sachverständigengutachten für unzulässig zu erklären und jedenfalls
zurückzuweisen.
Zur Verjährung der Klage, soweit sie sich auf Handlungen der Kommission vor
dem 24. Juli 1990 bezieht
Vorbringen der Parteien
- 23.
- Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit der Klage, soweit sie sich auf ihre
Handlungen vor dem 23. Juli 1990 bezieht, da die Klageschrift am 24. Juli 1995
eingereicht worden sei. Sie weist darauf hin, daß für die auf der Grundlage von
Artikel 215 Absatz 2 des Vertrages geltend gemachten Schadensersatzansprüche
eine Verjährungsfrist von fünf Jahren nach Eintritt des ihnen zugrunde liegenden
Ereignisses gelte. Die Verjährungsfrist beginne zu laufen, wenn sämtliche
Voraussetzungen gegeben seien, von denen die Schadensersatzpflicht abhänge. Was
die erste Ausschreibung angehe, so datiere die Entscheidung, die Angebote nicht
anzunehmen, vom 14. Juni 1990. Der der Klägerin angeblich entstandene Schaden
habe sich daher vor dem 23. Juli 1990 hinreichend konkretisiert. Folglich sei die
Klage zumindest hinsichtlich der ersten Ausschreibung verjährt.
- 24.
- Die Klägerin erwidert, sie beanstande die Voraussetzungen, die nach der
Ablehnung ihrer Angebote vorgelegen hätten, wie die Aussetzung des
Ausschreibungsverfahrens und die Bedingungen für die Wiederaufnahme von
Ausschreibungen. Die verschiedenen Fehler der Kommission seien alle nach dem
23. Juli 1990 begangen worden. Bei Ablehnung ihres Angebots durch die
Kommission am 14. Juni 1990 sei der Schaden noch nicht in vollem Umfang
eingetreten.
Würdigung durch das Gericht
- 25.
- Nach Artikel 43 der EG-Satzung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 46 dieser
Satzung auf das Gericht Anwendung findet, verjähren die aus außervertraglicher
Haftung der Gemeinschaft hergeleiteten Ansprüche in fünf Jahren nach Eintritt des
Ereignisses, das ihnen zugrunde liegt.
- 26.
- Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in ihren Schriftsätzen nicht darzulegen
versucht, weshalb die im Rahmen der ersten Ausschreibung ergangene
Ablehnungsentscheidung vom 14. Juni 1990 ein rechtswidriges Verhalten der
Kommission darstellen soll. Sie hat nämlich ihre gesamten Ausführungen den
anderen von ihr beanstandeten Handlungen der Kommission gewidmet.
- 27.
- Außerdem hat sie entgegen ihrem Vorbringen zur Zulässigkeit ihrer Klage nicht
darzulegen versucht, daß irgendein Zusammenhang zwischen der Entscheidung vom
14. Juni 1990 und diesen anderen von ihr beanstandeten Handlungen der
Kommission besteht. Sie hat auch keinerlei Kausalzusammenhang zwischen der
Entscheidung vom 14. Juni 1990 und dem Schaden, dessen Ersatz sie beantragt,
erwähnt.
- 28.
- Schließlich ist bei der Berechnung, auf die sie sich für die Bestimmung des von ihr
geforderten Schadensersatzbetrags stützt (vgl. Bericht des Sachverständigen in der
Anlage Nr. 121 zur Klageschrift), die erste Ausschreibung als solche nicht
berücksichtigt.
- 29.
- Somit kann sie sich nicht auf die Rechtsprechung berufen, wonach die
Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnt, bevor sich der zu ersetzende Schaden
konkretisiert hat (Urteil des Gerichtshofes vom 27. Januar 1982 in den
Rechtssachen 256/80, 257/80, 265/80, 267/80 und 5/81, Birra Wührer u. a./Rat und
Kommission, Slg. 1982, 85, Randnr. 10), ohne weitere Umstände des Falles
darzulegen, die die Anwendung dieser Rechtsprechung rechtfertigen.
- 30.
- Im Stadium der Beurteilung der Zulässigkeit der Klage besteht daher kein Anlaß,
die Entscheidung vom 14. Juni 1990 als ein Element zu betrachten, das von einem
allgemeineren rechtswidrigen Verhalten der Kommission nicht zu trennen wäre.
- 31.
- Folglich ist die Klage für unzulässig zu erklären, soweit sie sich auf die erste
Ausschreibung bezieht.
Begründetheit
- 32.
- Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts kann die
außervertragliche Haftung der Gemeinschaft nur ausgelöst werden, wenn eine
Reihe von Voraussetzungen in bezug auf die Rechtswidrigkeit des dem
Gemeinschaftsorgan zur Last gelegten Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens
und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem rechtswidrigen
Verhalten und dem geltend gemachten Schaden erfüllt ist (vgl. Urteil des Gerichts
vom 13. Dezember 1995 in den Rechtssachen T-481/93 und T-484/93, Exporteurs
in Levende Varkens u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2941, Randnr. 80).
- 33.
- Bevor über das Vorliegen eines rechtswidrigen Verhaltens der Kommission
entschieden wird, ist zu prüfen, was es mit den Informationen über die Arbeiten
des Verwaltungsausschusses Tabak auf sich hat, auf die sich die Klägerin im
vorliegenden Verfahren beruft.
Zum Recht der Klägerin, sich auf bestimmte Informationen zu berufen
Vorbringen der Parteien
- 34.
- Die Kommission vertritt die Ansicht, die Klägerin sei nicht berechtigt, sich auf
Informationen über die Arbeiten des Verwaltungsausschusses Tabak zu berufen,
weil nach Artikel 10 der Geschäftsordnung des Ausschusses dessen Beratungen
vertraulich seien. Außerdem seien die Mitglieder der Ausschüsse gemäß Artikel 214
des Vertrages verpflichtet, Auskünfte, die unter das Berufsgeheimnis fielen, nicht
preiszugeben. Die Klägerin sei daher nicht berechtigt gewesen, sich die fraglichen
Informationen zu beschaffen, und erst recht nicht, sie im Rahmen der vorliegenden
Klage zu verwenden. Artikel 214 des Vertrages habe unmittelbare und zeitlich
unbegrenzte Wirkung, und auf den Umstand, daß die Klägerin die Protokolle gut-
oder bösgläubig erhalten habe, komme es nicht an. Es habe der Klägerin nämlich
nicht verborgen bleiben können, daß die Protokolle nicht öffentlich gewesen seien
und folglich nicht dazu bestimmt gewesen seien, bekanntgemacht zu werden.
- 35.
- Die Klägerin macht geltend, sie habe die Geschäftsordnung des Ausschusses nicht
gekannt, da sie nicht veröffentlicht worden sei. Diese Geschäftsordnung könne ihr
daher nicht entgegengehalten werden. Außerdem habe sie sich die von den
griechischen Behörden erstellten Protokolle der Verwaltungsausschüsse nicht auf
unzulässige Weise beschafft. Der griechische Verband der Tabakindustrie verteile
diese Protokolle nämlich regelmäßig an seine Mitglieder, ohne sie auf die
Vertraulichkeit dieser Unterlagen hinzuweisen. Die Klägerin könne diese
Schriftstücke daher in die Verhandlung einführen. Außerdem sehe man bei
vernünftiger Betrachtung nicht, weshalb es nützlich sein könne, diese
Vertraulichkeit über vier Jahre nach den Ereignissen zu wahren.
Würdigung durch das Gericht
- 36.
- Vorliegend sind für die Entscheidung des Rechtsstreits allein die Informationen aus
den Beratungen des Verwaltungsausschusses Tabak relevant, die die Angebote für
die erste, die zweite und die vierte Partie der zweiten Ausschreibung und für die
erste Partie der dritten Ausschreibung betreffen.
- 37.
- Die von der Klägerin zu diesen Angeboten angeführten Informationen sind jedoch
aufgrund anderer Quellen bekannt. Die Kommission hat nämlich in ihrer Antwort
auf eine schriftliche Frage des Gerichts selbst bestätigt, daß die Angebote der
Klägerin für die erste Partie der zweiten und der dritten Ausschreibung die
höchsten der für diese Partien eingegangenen Angebote gewesen seien. Die Höhe
des Angebots, das für die zweite Partie der zweiten Ausschreibung angenommen
wurde, ist der Klägerin von der Kommission in deren Entscheidung vom 7. August
1990 mitgeteilt worden. Die Tatsache, daß das Angebot der Klägerin für die vierte
Partie der zweiten Ausschreibung das höchste der eingegangenen Angebote war,
wurde vom Rechnungshof in seinem Sonderbericht Nr. 8/93 über die
Marktorganisation für Rohtabak bestätigt (ABl. 1994, C 65, S. 1; im folgenden:
Sonderbericht). Schließlich sind die zweite und die vierte Partie der zweiten
Ausschreibung Gegenstand einer detaillierten Erörterung in den Nummern 4.53 bis
4.55 dieses Berichts.
- 38.
- Alle diese Informationen sind daher unabhängig von irgendeiner Handlung
griechischer Behörden oder Verbände verfügbar.
- 39.
- Die Frage, ob die Klägerin berechtigt war, sich auf die Beratungen des
Verwaltungsausschusses zu berufen, ist daher irrelevant.
Zur Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Kommission
- 40.
- Die Klägerin scheint die Ansicht zu vertreten, das der Kommission vorgeworfene
rechtswidrige Verhalten setze sich aus einer Reihe von Handlungen im Anschluß
an verschiedene Ausschreibungen zusammen. Dennoch prüft sie jeden Aspekt
dieses Verhaltens einzeln. Mit Ausnahme der Entscheidung vom 14. Juni 1990
(siehe oben, Randnrn. 25 bis 31) ist die angebliche Rechtswidrigkeit der einzelnen
Aspekte dieses Verhaltens daher getrennt zu beurteilen. Darüber hinaus sind die
Rügen der Klägerin in bezug auf die zwischen der dritten und der vierten
Ausschreibung verstrichene Frist und die von der Kommission vorgenommene
Erhöhung der Kaution zu prüfen.
Zur zweiten Ausschreibung
Vorbringen der Parteien
- 41.
- Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe dadurch gegen die Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoßen, daß sie am 7. August
1990 ihre Angebote für die zweite Ausschreibung abgelehnt habe.
- 42.
- Erstens sei die Ablehnung der Angebote entgegen dem Vorbringen der
Kommission nicht durch die Gefahr einer Marktstörung gerechtfertigt gewesen. Die
von der Kommission insoweit gewählten Mittel seien zur Erreichung des
angestrebten Zweckes nicht geeignet gewesen und über das hierzu Erforderliche
hinausgegangen, im Gegensatz zu dem, was die Wahrung des in der
Rechtsprechung verankerten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verlange (Urteil
des Gerichtshofes vom 8. April 1992 in der Rechtssache C-256/90, Mignini, Slg.
1992, I-2651, Randnr. 16).
- 43.
- Da die Ablehnung der Angebote der Klägerin weder nützlich noch erforderlich
gewesen sei, stehe sie nicht im Einklang mit dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit.
- 44.
- Die Klägerin weist darauf hin, daß ihr Angebot für die erste Partie abgelehnt
worden sei, obwohl es das höchste gewesen sei. Auch wenn man das von der
Kommission in ihrer Antwort auf den Sonderbericht vorgebrachte Argument, die
zweite und die vierte Partie seien gleichwertig gewesen, akzeptierte, so sei doch die
Ablehnung ihres Angebots für die vierte Partie lächerlich gewesen, da der
Unterschied zwischen den Preisangeboten weniger als eine Drachme betragen
habe. Ihr Angebot für die vierte Partie sei im Gegenteil (mehr als dreimal) höher
gewesen als das für die zweite Partie angenommene. Die Klägerin zitiert hierzu
auszugsweise den Sonderbericht (Nr. 4.55): „...stellte das nicht angenommene
Gebot für das geringerwertige Los [die vierte Partie] ein relativ günstigeres
Angebot als das für das höherwertige Los angenommene Gebot [die zweite Partie]
dar“. Sie erinnert daran, daß die vierte Partie nur 425 Tonnen umfaßte, und macht
geltend, daß der Verkauf einer solchen Menge keine Marktstörung hätte
hervorrufen können.
- 45.
- Die Klägerin trägt zweitens vor, dadurch, daß die Kommission ihr Angebot für die
vierte Partie abgelehnt und das Angebot eines anderen Bieters für die zweite Partie
angenommen habe, habe sie offensichtlich gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung verstoßen, der in diesem Fall aufgrund von Artikel 40 Absatz 3
des Vertrages, der Gemeinschaftsrechtsprechung und Artikel 7 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 727/70 gelte.
- 46.
- Die Kommission beruft sich erstens darauf, daß sie den Wirtschaftsteilnehmern
verständlich habe machen wollen, daß sie bereit gewesen sei, die Ausschreibungen
der Partien wieder aufzunehmen, sobald die Preise hinreichend gestiegen seien. Im
übrigen hätten die in den anderen Ausschreibungen erzielten Preise für die beiden
fraglichen Sorten bei der vierten Partie ihr Zögern in vollem Umfang gerechtfertigt.
Das Angebot für die zweite Partie sei hingegen akzeptabel gewesen, wenn man die
Zusammensetzung der Partie und die Durchschnittspreise der Sorten, aus denen
sie sich zusammengesetzt habe, mit dem Preisangebot für die dritte Partie
vergleiche, die praktisch die gleiche Zusammensetzung gehabt habe wie die zweite.
- 47.
- Die Kommission hält der Klägerin zweitens entgegen, sie werfe die Tabaksorten
ohne Rücksicht auf ihren Preis generell in einen Topf. Es habe daher keinerlei
Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gegeben, der sich aus derAblehnung des Angebots der Klägerin für die vierte Partie und der gleichzeitigen
Annahme des Angebots eines Bieters für die zweite Partie ergeben hätte.
Würdigung durch das Gericht
- 48.
- Nach ständiger Rechtsprechung gehört der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu
den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts. Nach diesem Grundsatz
müssen die durch eine Gemeinschaftshandlung vorgeschriebenen Maßnahmen
geeignet sein, das verfolgte Ziel zu erreichen, und dürfen die Grenzen des hierzu
Erforderlichen nicht überschreiten. Außerdem ist von mehreren geeigneten
Maßnahmen die am wenigsten einschränkende zu wählen, und die verursachten
Unzuträglichkeiten dürfen nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen
(vgl. Urteil Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, a. a. O.,
Randnr. 119).
- 49.
- Vorliegend behauptet die Klägerin zwar, die Entscheidung der Kommission über
die Ablehnung ihrer Angebote für die erste und die vierte Partie sei unnütz und
unangemessen gewesen; sie legt aber nicht dar, in bezug auf welches Ziel die
Entscheidung diese Merkmale aufgewiesen hat, und trägt nichts zum Nachweis
dieser Merkmale vor.
- 50.
- In Wirklichkeit macht sie geltend, die Entscheidung der Kommission vom 7. August
1990, die auf das durch Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3389/73 verliehene
Recht zur Aufhebung einer Ausschreibung gestützt sei (siehe oben, Randnr. 4), sei
nicht durch die Sorge begründet, im Hinblick auf das Niveau der eingereichten
Preisangebote nicht den Markt zu stören, sondern dadurch, daß die Kommission
die Marktpreise nicht gekannt habe, wie ihre Entscheidung, der Klägerin nicht den
Zuschlag für die vierte Partie zu erteilen, sondern das im übrigen weniger
interessante Angebot eines anderen Bieters für die zweite Partie anzunehmen,
zeige.
- 51.
- Selbst wenn man annimmt, daß die Kommission beim Erlaß der streitigen
Entscheidung die Marktpreise tatsächlich nicht gekannt hat, weil sie sich dafür
entschieden hat, Tabakpartien verschiedener Sorten zusammenzustellen, wie die
Klägerin vorträgt, so wäre dieser Umstand für die Beurteilung der Frage, ob das
Organ bei dieser Gelegenheit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt hat,
doch nicht von Nutzen.
- 52.
- Jedenfalls besteht eines der mit der einschlägigen Regelung verfolgten Ziele darin,
eine Störung des betreffenden Marktes zu vermeiden (vgl. insoweit Artikel 7 Absatz
2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 727/70). Es steht aber fest, daß die
Entscheidung der Kommission die fraglichen Wirtschaftsteilnehmer veranlaßt hat,
ihr im Rahmen der dritten Ausschreibung höhere Preise vorzuschlagen, als für die
gleichen Partien im Rahmen der zweiten Ausschreibung angeboten worden waren
(siehe oben, Randnrn. 10 und 11). Die Klägerin kann sich daher für ihre
Behauptung, die Entscheidung vom 7. August 1990 entspreche nicht dem Ziel, den
betreffenden Markt nicht zu stören, nicht darauf berufen, daß die Kommission die
Preise nicht gekannt habe.
- 53.
- Demnach greift der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit nicht durch.
- 54.
- Auch der Grundsatz der Gleichbehandlung, dessen Verletzung ebenfalls behauptet
wird, gehört nach ständiger Rechtsprechung zu den Grundprinzipien des
Gemeinschaftsrechts; er verlangt, daß vergleichbare Sachverhalte nicht
unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, daß eine Differenzierung objektiv
gerechtfertigt wäre (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1994 in der
Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Randnr. 67).
- 55.
- Im vorliegenden Fall umfaßten die zweite und die vierte Partie, die die Klägerin
miteinander vergleicht, nicht die gleichen Tabaksorten. Wie die Verordnung Nr.
1560/90 zeigt, setzte sich die zweite Partie aus den Sorten Mavra, klassischer Kaba
Kulak und Elassona, nicht klassischer Kaba Kulak, Katerini und Burley EL
zusammen, während die vierte Partie aus den Sorten Mavra und Basmas
zusammengesetzt war; mithin war die Sorte Mavra die einzige, die in beiden
Partien enthalten war. Außerdem handelte es sich um ganz unterschiedliche
Mengen, da die zweite Partie 1 519 836 kg Tabak umfaßte und die vierte Partie nur
425 698 kg.
- 56.
- Im übrigen hat die Kommission auf der Grundlage der Angaben, über die sie
damals verfügte, entschieden, daß das Angebot der Klägerin für die vierte Partie
niedrig war, daß das Angebot für die zweite Partie jedoch akzeptabel war, vor
allem im Vergleich zu dem Angebotspreis für die dritte Partie, die eine sowohl
hinsichtlich der Tabaksorten als auch in bezug auf das Gewicht fast identische
Zusammensetzung aufwies.
- 57.
- Schließlich hat die Kommission ausgeführt, wenn man in der zweiten und in der
vierten Partie die Menge Mavra, die in beiden Partien fast die gleiche gewesen sei
(306 491 kg für die zweite Partie und 333 872 kg für die vierte), außer Betracht
lasse, zeige sich, daß die Klägerin für die Tabaksorte Basmas der vierten Partie
einen geringeren Preis je Kilogramm angeboten habe, als je Kilogramm für die
anderen Tabaksorten der zweiten Partie von dem Bieter angeboten worden sei,
dem diese Partie zugeschlagen worden sei, obwohl die Sorte Basmas gefragter
gewesen sei als die übrigen Sorten, aus denen sich die zweite Partie
zusammengesetzt habe, was die Klägerin nicht bestreitet. Die Klägerin hat im
vorliegenden Verfahren aber nicht dargetan, warum diese Beurteilung offensichtlich
fehlerhaft ist, sondern sich damit begnügt, einen Auszug aus dem Sonderbericht zu
zitieren, in dem es heißt, daß das abgelehnte Angebot für die vierte Partie
interessanter gewesen sei als das für die zweite Partie angenommene Angebot
(siehe oben, Randnr. 44), ohne überzeugend auf die oben dargelegten Argumente
der Kommission einzugehen, die der in dem zitierten Auszug aus dem
Sonderbericht enthaltenen Schlußfolgerung widersprechen.
- 58.
- Die Kommission ist als Verwalterin der gemeinsamen Marktorganisation für Tabak
verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln. Sie hat über die Annahme oder Ablehnung
der Angebote für ausgeschriebene Partien unter Berücksichtigung sämtlicher ihr
zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorliegender Angaben zu entscheiden. Nach
ständiger Rechtsprechung verfügt sie dabei über ein weites Ermessen, da es sich
um Entscheidungen handelt, bei denen verschiedene Faktoren wie die für die
einzelnen Partien angebotenen Preise sowie die für nicht verkaufte Partien
entstehenden Lagerkosten miteinander in Einklang zu bringen sind. Unter diesen
Umständen begründen selbst Entscheidungen, die sich im nachhinein als angreifbar
erweisen können, nicht notwendigerweise die Haftung der Gemeinschaft, wenn kein
offensichtlicher Beurteilungsfehler des Organs vorliegt (vgl. Urteil des Gerichtshofes
vom 11. März 1987 in der Rechtssache 27/85, Vandemoortele/Kommission, Slg.
1987, 1129, Randnrn. 31 bis 34).
- 59.
- Abschließend kann sich die Klägerin nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz
der Gleichbehandlung berufen, da sie nicht dargetan hat, daß die Kommission zwei
vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt hat.
- 60.
- Aus alledem folgt, daß die Entscheidung der Kommission vom 7. August 1990 über
die Ablehnung der Angebote der Klägerin für die erste und die vierte Partie der
zweiten Ausschreibung in keiner Hinsicht rechtswidrig ist. Sie kann daher keine
außervertragliche Haftung der Gemeinschaft gegenüber der Klägerin begründen.
Zur dritten Ausschreibung
Vorbringen der Parteien
- 61.
- Die Klägerin beruft sich auch in bezug auf die dritte Ausschreibung auf einen
Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und macht geltend, daß die
erneut mit den Gefahren einer Marktstörung begründete Ablehnung der Angebote
durch die Kommission vom 16. November 1990 zu anormal hohen Preisen
beigetragen, zu zusätzlichen Lagerkosten geführt und der Gemeinschaft erhebliche
Mittel vorenthalten habe. Entgegen den Erklärungen der Kommission sei die Höhe
der Angebote im Verhältnis zum Ausfuhrverkaufspreis weder anormal noch
übermäßig gewesen. Sie sei vielmehr eine logische Konsequenz der Ablehnung der
Angebote bei der vorherigen Ausschreibung gewesen.
- 62.
- Die Kommission antwortet, sie habe bei dieser Ausschreibung sämtliche Angebote
abgelehnt, um zu versuchen, die gesamten Lagerbestände auf einmal zu verkaufen,
und um später Verkäufe sortenweise vorzunehmen, damit der tatsächliche
Marktwert dieser Sorten habe festgestellt werden können. Da zudem die Marktlage
damals unsicher gewesen sei, habe sie es vorgezogen, sämtliche Angebote
abzulehnen, um neue Vorschläge auszuarbeiten.
Würdigung durch das Gericht
- 63.
- Wie in bezug auf die zweite Ausschreibung trägt die Klägerin für ihren Klagegrund
eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor, daß die
Entscheidung der Kommission vom 16. November 1990 unnötig und unangemessen
gewesen sei; sie gibt jedoch nicht genau an, im Hinblick auf welches Ziel die
Entscheidung diesen Charakter aufweist, sondern verweist ganz allgemein bald auf
„die mit Ausschreibungsverfahren für Tabak verbundenen Ziele“, bald auf das Ziel,
wonach „die Ausschreibungen den Bedürfnissen des Marktes Rechnung zu tragen
haben“.
- 64.
- Selbst wenn man annimmt, daß die Kommission beim Erlaß ihrer Entscheidung
vom 16. November 1990 die Marktpreise tatsächlich nicht gekannt hat, wie die
Klägerin erneut vorträgt, so wäre dieser Umstand für die Beurteilung der Frage,
ob das Organ bei dieser Gelegenheit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
verletzt hat, ohne jeden Nutzen (siehe oben, Randnrn. 50 und 51).
- 65.
- Im übrigen hat die Klägerin nichts dafür vorgetragen, daß die Kommission, als sie
am 16. November 1990 beschloß, sämtliche Angebote abzulehnen, um den Markt
nicht zu stören, dem Marktbedarf, dessen Berücksichtigung Artikel 3 Buchstabe c
der Verordnung Nr. 327/71 vorschreibt, nicht Rechnung getragen hätte. Der
Umstand, daß die Kommission den Markt nicht stören wollte, zeigt bis zum Beweis
des Gegenteils, daß sie der Entwicklung und den Bedürfnissen des Marktes
zumindest so, wie sie sie damals einschätzte, Rechnung getragen hat.
- 66.
- Jedenfalls gehört das Bemühen, den Markt nicht zu stören, zu den mit der
einschlägigen Regelung verfolgten Zielen (siehe oben, Randnr. 52), und die
Kommission war gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3389/73 berechtigt,
das Angebot der Klägerin für die erste Partie, auch wenn es das höchste Angebot
war, sowie alle übrigen Angebote, die sie erhalten hatte, abzulehnen.
- 67.
- Der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
greift somit nicht durch.
- 68.
- Im übrigen spielt es keine Rolle, daß die Entscheidung vom 16. November 1990
nach Ablauf der in Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3389/73 für den Erlaß
der Entscheidung über eine Ausschreibung gesetzten Frist von 15 Tagen getroffen
wurde. Da nämlich keinerlei Sanktion an die Nichteinhaltung dieser Frist geknüpft
ist, ist sie nur als Ordnungsfrist anzusehen, deren Überschreitung nach der
Rechtsprechung eine Haftung der Kommission nur dann begründen kann, wenn sie
auf eine mangelnde Sorgfalt ihrerseits zurückzuführen ist (vgl. Urteil des
Gerichtshofes vom 6. Oktober 1993 in der Rechtssache C-55/91,
Italien/Kommission, Slg. 1993, I-4813, Randnr. 69). Im vorliegenden Fall hat die
Klägerin jedoch nicht einmal behauptet, daß sich die Kommission einer solchen
mangelnden Sorgfalt schuldig gemacht habe, sondern sich damit begnügt, nur in
ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts auf die Nichteinhaltung
dieser Frist hinzuweisen.
- 69.
- Aus alledem folgt, daß die Entscheidung der Kommission vom 16. November 1990
über die Ablehnung der Angebote der Klägerin für die drei Partien der dritten
Ausschreibung in keiner Hinsicht rechtswidrig ist. Sie kann daher keine
außervertragliche Haftung der Gemeinschaft gegenüber der Klägerin begründen.
Zur Frist zwischen der dritten und der vierten Ausschreibung
Vorbringen der Parteien
- 70.
- Die Klägerin macht geltend, die Frist zwischen der dritten und der vierten
Ausschreibung sei unangemessen gewesen, da sie zu einem Anwachsen der
Lagerbestände geführt und somit den Markt schwerwiegend gestört habe. Die
Kommission habe mit dem Versuch, unter Mißachtung der Vorschriften des
Artikels 7 der Verordnung Nr. 727/70 und des in Artikel 3 Buchstabe c der
Verordnung Nr. 327/71 genannten Marktbedarfs ein Geschäft mit der Sowjetunion
zustande zu bringen, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, da
dieses Geschäft weder erforderlich noch angemessen gewesen sei. Die Klägerin
weist die verschiedenen Argumente der Kommission zur Rechtfertigung der
beanstandeten Frist zurück.
- 71.
- Die Kommission erklärt, der Zeitraum zwischen der dritten und der vierten
Ausschreibung sei auf mehrere Gründe zurückzuführen, insbesondere auf die
außerordentlichen Schwankungen des Preisniveaus zwischen der dritten
Ausschreibung und den vorherigen Ausschreibungen, auf die Gespräche zwischen
der Kommission und der ehemaligen Sowjetunion zur Erörterung der
Möglichkeiten, die gesamten Lagerbestände an diese zu verkaufen, und auf dieAbsicht der Kommission, den Absatz der gesamten Interventionsmengen zu
ermöglichen, um die neue gemeinsame Marktorganisation in einer bereinigten
Interventionssituation einführen zu können.
Würdigung durch das Gericht
- 72.
- Unterlassungen der Gemeinschaftsorgane können nur dann die Haftung der
Gemeinschaft begründen, wenn die Organe bei dieser Gelegenheit gegen eine
Rechtspflicht zum Tätigwerden verstoßen haben, die sich aus einer
Gemeinschaftsvorschrift ergibt (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 15. September
1994 in der Rechtssache C-146/91, KYDEP/Rat und Kommission, Slg. 1994, I-4199,
Randnr. 58).
- 73.
- Im vorliegenden Fall verlangte keine Vorschrift der einschlägigen Regelung von der
Kommission, innerhalb einer speziellen Frist eine Ausschreibung vorzunehmen, was
die Klägerin im übrigen auch nicht behauptet hat.
- 74.
- Somit ist, ohne daß die Begründetheit der Erklärungen der Kommission geprüft zu
werden braucht, festzustellen, daß die zwischen der dritten und der vierten
Ausschreibung verstrichene Frist von elf Monaten in keiner Weise rechtswidrig war.
Sie kann daher keine außervertragliche Haftung der Gemeinschaft gegenüber der
Klägerin begründen.
Zur vierten Ausschreibung
Vorbringen der Parteien
- 75.
- Die Klägerin trägt erstens vor, daß die Art und Weise, in der die Kommission die
vierte Ausschreibung veranstaltet habe, offensichtlich und schwerwiegend gegen den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, da sie die kleinen und mittleren
Unternehmen de facto ausschließe. Die im Rahmen dieser vierten Ausschreibung
angebotenen Partien hätten Tabaksorten umfaßt, die sich im Besitz von
Interventionsstellen in mehreren Mitgliedstaaten befunden hätten, und seien von
so erheblichem Umfang gewesen, daß sich nur multinationale Konzerne an der
Ausschreibung hätten beteiligen können, die über die entsprechenden Strukturen
verfügt hätten, um Ausfuhren aus jedem der Mitgliedstaaten vorzunehmen, in dem
sich ein Teil der im Rahmen dieser Ausschreibung zum Verkauf angebotenen
Lagerbestände befunden habe. Die Kommission habe diese Sachlage
stillschweigend dadurch anerkannt, daß sie die letzten drei, bei der vierten
Ausschreibung nicht vergebenen Partien bei der am 24. Januar 1992 beschlossenen
fünften Ausschreibung in zehn neue Partien aufgeteilt habe (siehe oben,
Randnr. 14).
- 76.
- Ebenso habe es die Notwendigkeit, gemäß den Anforderungen verschiedener
Interventionsstellen Kautionen zu stellen, den kleinen und mittleren Unternehmen
unmöglich gemacht, sich an der Ausschreibung zu beteiligen. Der Ankauf derart
großer Mengen hätte außerdem Lagerkosten verursacht, die mit dem Umfang
solcher Unternehmen, zu denen die Klägerin gehöre, nicht zu vereinbaren gewesen
wären. Die bei der vierten Ausschreibung zum Verkauf angebotene Tabakmenge
habe einer ganzen Jahresproduktion in Griechenland und einem Drittel der
jährlichen Gemeinschaftsproduktion entsprochen.
- 77.
- Die Klägerin beschwert sich darüber, daß die Verordnung zur Veranstaltung der
vierten Ausschreibung eine Frist von 20 Tagen zwischen dem Tag der
Bekanntmachung der Ausschreibung und dem Angebotstermin anstelle der
normalen Frist von 45 Tagen festgelegt habe, die in Artikel 3 der Verordnung Nr.
3389/73 in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1344/75 der Kommission vom 27.
Mai 1975 (ABl. L 137, S. 20) geänderten Fassung vorgesehen sei. Diese
Verkürzung habe für die kleinen und mittleren Unternehmen ein zusätzliches
Hindernis dargestellt.
- 78.
- Die Klägerin weist das Vorbringen der Kommission zurück, sie hätte sich anderen
Bietern zur Abgabe eines gemeinsamen Angebots anschließen können. Sie weist
darauf hin, daß der Rechnungshof in seinem Sonderbericht betont habe, daß der
Zusammenschluß mehrerer Wirtschaftsteilnehmer die Kommission dem Risiko der
Bildung von Kartellen aussetze.
- 79.
- Sie macht zweitens geltend, daß die Art und Weise, in der die Kommission die
vierte Ausschreibung veranstaltet habe, außerdem offensichtlich und schwerwiegend
gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, insbesondere gegen Artikel 7 Absatz
2 der Verordnung Nr. 727/70 verstoße, da sie die kleinen und mittleren
Unternehmen de facto ausschließe.
- 80.
- Die Kommission führt erstens aus, sie habe keineswegs gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit verstoßen, da ihr Vorgehen für eine ordnungsgemäße
Verwaltung der gemeinsamen Marktorganisation geeignet und erforderlich gewesen
sei. Die Zusammenstellung der Partien habe ganz bestimmten Bedürfnissen der
Lage des Marktes entsprochen. Die Kommission bezweifelt, daß es, wie die
Klägerin behaupte, notwendig sei, über Strukturen in den verschiedenen
Mitgliedstaaten zu verfügen, um ein einheitliches Angebot zu verwirklichen.
Gleichwohl liege es auf der Hand, daß eine Ausfuhr aus dem Land der Lagerung
einfacher sei und daß es sich dabei um eine rationelle Entscheidung handele, um
die Verwaltungskosten möglichst gering zu halten. Daß Kautionen bei
verschiedenen Interventionsstellen gestellt werden müßten, sei hingegen für ein im
internationalen Handel erfahrenes Unternehmen kein Hindernis. Im übrigen hätten
sich Unternehmen mittlerer Größe an den Ausschreibungen beteiligt, und einige
davon hätten den Zuschlag erhalten.
- 81.
- Die Kommission macht geltend, sie sei berechtigt gewesen, die Frist von 45 auf 20
Tage zu verkürzen, da die Verordnung Nr. 2436/91 wirksam von der Verordnung
Nr. 3389/73 habe abweichen können, nachdem beide Verordnungen auf Artikel 7
Absatz 4 der Verordnung Nr. 727/70 gestützt seien, der die Kommission
ermächtige, die Verfahren und Bedingungen für den Absatz durch die
Interventionsstellen festzulegen.
- 82.
- Im übrigen gebe es einen Unterschied zwischen einem zulässigen Zusammenschluß
von Wirtschaftsteilnehmern zu einer vorübergehenden Vereinigung, die ein
gemeinsames Angebot abgebe, und einem unzulässigen Kartell. Es komme häufig
vor, daß sich Unternehmen zur Abgabe eines gemeinsamen Angebots für eine
Partie zusammenschlössen, die von dem einzelnen Unternehmen allein nicht
bewältigt werden könne.
- 83.
- Schließlich sei das neue Vorgehen bei der vierten Ausschreibung aus mehreren
Gründen gerechtfertigt gewesen.
- 84.
- Zum einen habe es eine starke Nachfrage nach Tabak gegeben, die die
Sowjetunion für Erzeugnisse von geringerer Qualität geäußert habe, was es
ermöglicht habe, einheitliche Partien zusammenzustellen, während es vorher
aufgrund der Überschüsse auf dem Welttabakmarkt notwendig gewesen sei, auf
den Verkauf von Partien aus verschiedenen Sorten zurückzugreifen. Die
Abwicklung der Geschäfte habe die Abgabe von Angeboten für alle Partien
erfordert, und dieses Ziel habe nur durch den Verkauf umfangreicher Partien in
zufriedenstellender Weise erreicht werden können.
- 85.
- Zum anderen habe die unmittelbar bevorstehende Reform der gemeinsamen
Marktorganisation für Tabak eine wichtige Rolle gespielt, insbesondere durch die
vorgesehene Abschaffung des Interventionssystems, ein Vorhaben, das den Absatz
der noch im Besitz der Interventionsstellen befindlichen Lagerbestände
vorausgesetzt habe. Es sei aufgrund der damals günstigen Marktbedingungen eine
rasche und umfassende Ausschreibung geboten gewesen. Ein homogenes Erzeugnis
habe leichter bewertet und abgesetzt werden können, da es Käufertypen und
speziellen Absatzmärkten entsprochen habe.
- 86.
- Die Kommission vertritt zweitens die Meinung, daß sie aus den gleichen Gründen
bei der Veranstaltung der vierten Ausschreibung nicht gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung verstoßen habe.
Würdigung durch das Gericht
- 87.
- Die Klägerin trägt für ihre Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit und eines Verstoßes gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung die gleichen Argumente vor.
- 88.
- Keinem dieser Argumente kann gefolgt werden.
- 89.
- Zunächst kann die Klägerin nicht behaupten, daß die Menge des mit den
verschiedenen Partien der vierten Ausschreibung zum Verkauf angebotenen Tabaks
die kleinen und mittleren Unternehmen daran gehindert habe, sich an dieser
Ausschreibung zu beteiligen. Aus den Antworten der Kommission auf die
schriftlichen Fragen des Gerichts geht nämlich hervor, daß mehrere mittlere
Unternehmen Angebote eingereicht hatten und einige von ihnen von der
Kommission berücksichtigt wurden. Diese Antworten zeigen außerdem, daß 20
zulässige Angebote für den ersten, 11 für den zweiten, 14 für den dritten und 25
für den vierten Ausschreibungsverkauf eingereicht wurden.
- 90.
- Die Klägerin kann auch nicht behaupten, daß die geographische Streuung der
Tabakmengen, aus denen die Partien zusammengesetzt waren, die kleinen und
mittleren Unternehmen daran gehindert habe, sich an der vierten Ausschreibung
zu beteiligen. Da aus der Verordnung Nr. 2436/91 hervorgeht, daß sich der Tabak
bei sechs von elf Partien im Besitz einer einzigen Interventionsstelle, bei vier von
elf Partien im Besitz von zwei Interventionsstellen und bei einer einzigen von elf
Partien im Besitz von drei Interventionsstellen befand, erreichten die praktischen
Schwierigkeiten, die sich aus der geographischen Streuung des zum Verkauf
angebotenen Tabaks ergaben, nicht das von der Klägerin behauptete Ausmaß.
- 91.
- Die Klägerin kann sich schließlich nicht auf irgendeine Rechtswidrigkeit aufgrund
der Verkürzung der Frist zwischen der Bekanntmachung der Ausschreibung und
dem Angebotstermin von 45 auf 20 Tage berufen. Die Kommission war insoweit
im Rahmen des weiten Ermessens, das ihr auf dem Gebiet der gemeinsamen
Agrarpolitik zusteht, berechtigt, von Artikel 3 der Verordnung Nr. 3389/73 in der
geänderten Fassung abzuweichen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 19. Mai 1992
in den Rechtssachen C-104/89 und C-37/90, Mulder u. a./Rat und Kommission, Slg.
1992, I-3061, Randnr. 12). Die Klägerin hat jedoch weder vorgetragen noch
nachgewiesen, daß die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler
begangen hat, als sie der Ansicht war, daß die geltende Frist zu verkürzen sei, um
vor der Einführung der neuen gemeinsamen Marktorganisation den Verkauf der
Partien beschleunigt vorzunehmen. Außerdem galt die Fristverkürzung für alle
beteiligten Wirtschaftsteilnehmer unabhängig von ihrer Größe. Im übrigen hat die
Klägerin nicht erläutert, inwiefern die Fristverkürzung den Wirtschaftsteilnehmern
einer bestimmten Größe gegenüber anderen Wirtschaftsteilnehmern Vorteile hätte
verschaffen können.
- 92.
- Da die Kommission dargetan hat, daß sich mittlere Unternehmen an der
Ausschreibung beteiligt haben, braucht über die Zulässigkeit eines etwaigen
gemeinsamen Angebots mehrerer Wirtschaftsteilnehmer für eine Partie nicht
entschieden zu werden.
- 93.
- Jedenfalls waren die Maßnahmen, die die Kommission im Rahmen der vierten
Ausschreibung für den Absatz der im Besitz der Interventionsstellen befindlichen
Tabakmengen gewählt hat, geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen, und
überschritten nicht das hierfür Erforderliche (Urteil Vandemoortele/Kommission,
a. a. O., Randnr. 34), da die bei den Interventionsstellen gelagerten Mengen
zwischen 1991 und 1992 erheblich abgenommen hatten und die bei der vierten
Ausschreibung zumindest für einige Sorten erzielten Preise deutlich höher waren
als die bei den früheren Ausschreibungen angebotenen. Somit hat die Kommission
die Grenzen ihres Ermessens bei der Durchführung der gemeinsamen
Marktorganisation für Rohtabak nicht überschritten.
- 94.
- Darüber hinaus war die vierte Ausschreibung sämtlichen Unternehmen des Sektors
zu den gleichen Bedingungen und nach den gleichen Vorschriften zugänglich, und
die Kommission konnte diese Ausschreibung im Verhältnis zu den vorherigen
anders organisieren, da sie die Freiheit, ihre Politik der Entwicklung der
Marktgegebenheiten und den verfolgten Zielen anzupassen, nicht verloren hatte
(vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1981 in den Rechtssachen 197/80,
198/80, 199/80, 200/80, 243/80, 245/80 und 247/80, Ludwigshafener Walzmühle
u. a./Rat und Kommission, Slg. 1981, 3211, Randnr. 40).
- 95.
- Demnach greifen die Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit und eines Verstoßes gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung nicht durch.
- 96.
- Nach alledem weist die Verordnung Nr. 2436/91 keine Rechtswidrigkeit auf, die die
außervertragliche Haftung der Gemeinschaft gegenüber der Klägerin begründen
könnte.
Zur Erhöhung des Kautionsbetrags
Vorbringen der Parteien
- 97.
- Die Klägerin trägt vor, durch die Erhöhung des Kautionsbetrags habe die
Kommission gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, da diese
Erhöhung weder durch die Marktentwicklung noch durch die Ausfuhrerstattungen
gerechtfertigt gewesen sei. Die Kaution solle gewährleisten, daß der
Zuschlagsempfänger die sich aus seiner Beteiligung an der Ausschreibung
ergebenden Verpflichtungen einhalte, und vor allem, daß die Ware tatsächlich
ausgeführt werde. Durch die Festlegung eines einheitlichen Kautionsbetrags
unabhängig von der Tabaksorte und damit von deren Wert habe die Kommissionbewiesen, daß nicht die Marktentwicklungen der Erhöhung zugrunde gelegen
hätten.
- 98.
- Die Klägerin trägt außerdem vor, diese Erhöhung habe praktisch bezweckt,
bestimmte potentielle Käufer auszuschließen, was zeige, daß auch ein Verstoß
gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vorliege.
- 99.
- Die Kommission entgegnet, die Kaution sei keineswegs überhöht gewesen; sie sei
unverzichtbar gewesen, um den Unterschiedsbetrag zwischen dem
Ausfuhrverkaufspreis und dem Preis auf dem Gemeinschaftsmarkt sowie zumindest
die Auswirkung der Ausfuhrerstattungen auszugleichen.
- 100.
- Außerdem habe sich die Klägerin an einer fünften Ausschreibung beteiligt, bei der
eine Kaution von 0,7 ECU verlangt worden sei, was beweise, daß sie keineswegs
von den Interventionsverkäufen ausgeschlossen gewesen sei.
- 101.
- Die Klägerin erwidert, ihre Beteiligung an einer Ausschreibung, bei der die Kaution
auf 0,7 ECU je Kilogramm festgesetzt gewesen sei, sei dadurch zu erklären, daß
es bei der Ausschreibung um eine wesentlich geringere Tabakmenge gegangen sei.
Würdigung durch das Gericht
- 102.
- In der ersten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3040/91 hat die
Kommission dargelegt, daß die Erhöhung der Kaution durch die Notwendigkeit
gerechtfertigt gewesen sei, der auf dem Markt und bei den Ausfuhrerstattungen
eingetretenen Änderung Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Verfahren hat die
Kommission ausgeführt, daß diese Erhöhung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt
gewesen sei, zu gewährleisten, daß die Zuschlagsempfänger die sich aus ihrer
Beteiligung an einer Ausschreibung ergebenden Verpflichtungen einhielten, und,
bei einer Ausschreibung zum Zweck der Ausfuhr, zu gewährleisten, daß die Ware
tatsächlich aus der Gemeinschaft ausgeführt werde.
- 103.
- Ferner geht aus einer Antwort der Kommission auf eine schriftliche Frage des
Gerichts hervor, daß der Betrag der Kaution selbst nach der Erhöhung sowie der
im Rahmen der von der Kommission vorgenommenen Ausschreibungen erzielte
Verkaufspreis unter dem Kaufpreis lagen, zu dem die betreffenden
Interventionsstellen den fraglichen Tabak erworben hatten, was die Klägerin in der
Sitzung nicht bestritten hat.
- 104.
- Somit kann die Erhöhung des Kautionsbetrags durch die Verordnung Nr. 3040/91
nicht als übermäßig betrachtet werden.
- 105.
- Schließlich muß die Kommission bei der Verwaltung der gemeinsamen
Marktorganisation für Tabak insbesondere verhindern, daß der Markt durch den
Tabakabsatz gestört wird. Die Tatsache, daß strenge Sicherheiten verlangt werden,
stellt grundsätzlich ein Indiz für die Annahme dar, daß die Kommission ihrer
Verpflichtung ordnungsgemäß nachkommt. Sicherheitsbedingungen wie die in der
Verordnung Nr. 3040/91 aufgestellten implizieren zwangsläufig den Ausschluß von
Unternehmen, die nicht in der Lage sind, sie zu erfüllen. Eine solche
Ausschlußwirkung, die mit jeder Sicherheitsbedingung verbunden ist, stellt daher
keine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dar (vgl. Urteil des
Gerichtshofes vom 7. April 1992 in der Rechtssache C-358/90, Compagnia italiana
alcool/Kommission, Slg. 1992, I-2457, Randnr. 54). Da bei der vierten
Ausschreibung kleine und mittlere Unternehmen unter den Zuschlagsempfängern
waren, hatten die Sicherheitsbedingungen jedenfalls nicht praktisch zur Folge, daß
solche Unternehmen von einer Beteiligung an dieser Ausschreibung ausgeschlossen
wurden.
- 106.
- Demnach greifen die Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit und eines Verstoßes gegen den Grundsatz der
Gleichbehandlung nicht durch.
- 107.
- Nach alledem weist die Verordnung Nr. 3040/91, soweit sie den Kautionsbetrag
erhöht hat, keine Rechtswidrigkeit auf, die die außervertragliche Haftung der
Gemeinschaft gegenüber der Klägerin begründen könnte.
- 108.
- Dem in der Erwiderung gestellten Antrag der Klägerin, einen Sachverständigen zu
benennen und der Kommission die Vorlage ergänzender Unterlagen aufzugeben,
kann nicht stattgegeben werden. Die fraglichen Unterlagen sind nämlich für die
Entscheidung des Rechtsstreits nicht erforderlich, und die Benennung eines
Sachverständigen zur Beurteilung des behaupteten Schadens ist im vorliegenden
Fall nutzlos, da die Klägerin die Rechtswidrigkeit des von ihr beanstandeten
Verhaltens der Kommission nicht nachgewiesen hat.
- 109.
- Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen, ohne daß geprüft zu
werden braucht, ob die übrigen Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung
der Gemeinschaft, nämlich das Vorliegen eines Schadens sowie ein
Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Kommission und dem geltend
gemachten Schaden, gegeben sind.
Kosten
- 110.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen
unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, ihr die Kosten aufzuerlegen, ist
die Klägerin zur Tragung der Kosten des Verfahrens zu verurteilen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Dezember 1997.
Der Kanzler
Die Präsidentin
H. Jung
P. Lindh