Language of document : ECLI:EU:T:2016:421

Rechtssache T‑483/13

(auszugsweise Veröffentlichung)

Athanassios Oikonomopoulos

gegen

Europäische Kommission

„Außervertragliche Haftung – Schäden, die von der Kommission im Rahmen einer Untersuchung des OLAF und vom OLAF verursacht wurden – Schadensersatzklage – Antrag auf Feststellung der rechtlichen Inexistenz und der Unzulässigkeit von Handlungen des OLAF als Beweismittel vor den nationalen Behörden – Zulässigkeit – Befugnismissbrauch – Verarbeitung personenbezogener Daten – Verteidigungsrechte“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 20. Juli 2016

1.      Schadensersatzklage – Selbständigkeit gegenüber der Nichtigkeitsklage – Grenzen – Klage auf Feststellung der Inexistenz von Handlungen der Union – Unzulässigkeit – Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und der Grundsätze der geordneten Rechtspflege und der Verfahrensökonomie – Fehlen

(Art. 19 Abs. 1 EUV; Art. 263 AEUV, 267 AEUV, 268 AEUV, 277 AEUV und 340 Abs. 2 AEUV, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41 und 47)

2.      Schadensersatzklage – Zuständigkeit des Unionsgerichts – Grenzen – Zuständigkeit, darüber zu entscheiden, dass Beweismittel im Rahmen eines Strafverfahrens vor den nationalen Gerichten betreffend eine Untersuchung des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) als unzulässig anzusehen sind – Ausschluss

(Art. 267 AEUV und 268 AEUV)

3.      Schadensersatzklage – Gegenstand – Antrag auf Ersatz der durch eine Untersuchung des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) verursachten Schäden – Antrag, der vor Abschluss des Verfahrens vor dem für die Feststellung etwaiger Verantwortlichkeiten des Klägers zuständigen nationalen Gericht gestellt wurde – Zulässigkeit

(Art. 268 AEUV)

4.      Organe der Europäischen Union – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Verordnung Nr.45/2001 – Verarbeitung personenbezogener Daten – Begriff – Durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) erfolgte Übermittlung eines Untersuchungsberichts mit personenbezogenen Daten an eine nationale Behörde – Einbeziehung

(Verordnung Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Buchst. a und b und Art. 5)

5.      Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Rechtswidrigkeit – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht – Verarbeitung personenbezogener Daten ohne vorherige Meldung an den behördlichen Datenschutzbeauftragten des betroffenen Organs – Einbeziehung

(Art. 340 Abs. 2 AEUV; Verordnung Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, 14. Erwägungsgrund und Art. 25 Abs. 1 und 27)

6.      Recht der Europäischen Union – Auslegung – Methoden – AEUV-konforme Auslegung des sekundären Rechts – Auslegung nach dem Zusammenhang und dem Zweck

7.      Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) – Befugnisse – Untersuchungen – Zuständigkeit zur Vornahme einer Untersuchung hinsichtlich der Durchführung eines für die Umsetzung eines Rahmenprogramms geschlossenen Vertrags

(Art. 325 AEUV; Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 1073/1999, 12. Erwägungsgrund und Art. 12 Abs. 3 und Nr. 2321/2002, Art. 20)

8.      Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) – Untersuchungen – Einleitung – Voraussetzungen

(Verordnung Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 5)

9.      Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) – Befugnisse – Untersuchungen – Befugnis zur Anberaumung von Gesprächen im Rahmen externer Untersuchungen

(Verordnung Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 und 4; Verordnung Nr. 2185/96 des Rates, Art. 7)

10.    Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) – Befugnisse – Untersuchungen – Befugnis zur Vornahme einer Untersuchung bei einer dritten Person

(Verordnung Nr. 2185/96 des Rates, Art. 5 Abs. 3)

11.    Eigenmittel der Europäischen Union – Verordnung über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft – Verfolgung von Unregelmäßigkeiten – Verjährungsfrist – Anwendbarkeit auf Maßnahmen oder Sanktionen, die nach dem Unionsrecht erlassen wurden – Ausschluss

(Verordnung Nr. 2988/95 des Rates, Art. 3 Abs. 1)

12.    Eigenmittel der Europäischen Union – Verordnung über den Schutz der finanziellen Interessen der Union – Verfolgung von Unregelmäßigkeiten – Verjährungsfrist – Unterbrechungshandlung – Der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde – Begriff

(Verordnung Nr.2988/95 des Rates, Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3)

13.    Recht der Europäischen Union – Grundsätze – Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer – Verwaltungsverfahren – Beurteilungskriterien

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 41 Abs. 1; Verordnung Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 6 Abs. 5)

14.    Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) – Untersuchungen – Einleitung – Verpflichtung, die betroffenen Personen im Rahmen von externen Untersuchungen des OLAF zu unterrichten – Umfang – Grenzen

(Beschluss Nr. 1999/396 der Kommission, Art. 4)

15.    Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) – Untersuchungen – Einsicht in die Akte und in den Abschlussbericht – Verpflichtung, einer von einer externen Untersuchung betroffenen Person Zugang zu den Dokumenten der Untersuchung zu gewähren – Fehlen

(Beschluss Nr. 1999/396 der Kommission, Art. 4)

1.      Die Schadensersatzklage ist ein selbständiger Rechtsbehelf mit Eigenfunktion im System der Klagemöglichkeiten und von Voraussetzungen abhängig, die ihrem besonderen Zweck angepasst sind.

Ein Antrag auf Feststellung, dass die vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) erlassenen Maßnahmen rechtlich inexistent sind, läuft in Wirklichkeit darauf hinaus, zu beantragen, dass das Unionsgericht die vom OLAF erlassenen Maßnahmen für ungültig erklären und gleichzeitig entscheiden möge, dass sie keine Rechtswirkung entfaltet haben. Das geht über die bloße Feststellung einer Rechtswidrigkeit hinaus, die das Unionsgericht im Rahmen einer Schadensersatzklage gegebenenfalls vornehmen könnte. Die Unzulässigerklärung [dieses Antrags] stellt weder eine Verletzung des Rechts auf wirksamen Rechtsschutz noch der Grundsätze der geordneten Rechtspflege und der Verfahrensökonomie dar. Die gerichtliche Kontrolle der Wahrung der Rechtsordnung der Union wird nämlich, wie sich aus Art. 19 Abs. 1 EUV ergibt, durch den Gerichtshof der Europäischen Union und die Gerichte der Mitgliedstaaten gewährleistet. Zu diesem Zweck hat der AEU-Vertrag mit seinen Art. 263 und 277 einerseits und mit seinem Art. 267 andererseits ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen, das die Rechtmäßigkeitskontrolle der Unionshandlungen gewährleisten soll, mit der das Unionsgericht betraut ist. Die von den nationalen Behörden auf der Grundlage der Informationen vom OLAF erlassenen Entscheidungen müssen vor den nationalen Gerichten anfechtbar sein, die wiederum ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung der unionsrechtlichen Bestimmungen, die sie für den Erlass ihrer Urteile für erforderlich halten, vorlegen können.

Daher ist die bloße Tatsache, dass ein Antrag für unzulässig erklärt wird, kein hinreichender Nachweis für eine Verletzung des Rechts auf wirksamen Rechtsschutz oder der Grundsätze der geordneten Rechtspflege und der Verfahrensökonomie.

(vgl. Rn. 26, 27, 29, 31)

2.      Die Verfahrensweise der nationalen Stellen auf die Übermittlung der Informationen durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) hin fällt allein und vollständig in deren Verantwortungsbereich und es ist Sache dieser Stellen, selbst zu prüfen, ob solche Informationen die Einleitung einer strafrechtlichen Verfolgung rechtfertigen oder erforderlich machen. Folglich muss der Rechtsschutz vor solcher Verfolgung auf nationaler Ebene mit allen innerstaatlich vorgesehenen Garantien einschließlich derjenigen sichergestellt werden, die sich aus den Grundrechten ergeben, sowie mit der Möglichkeit des angerufenen Gerichts, dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV vorzulegen. Sollten sich die nationalen Behörden für die Einleitung von Ermittlungen entscheiden, würden sie die aus etwaigen vom OLAF begangenen rechtswidrigen Handlungen zu ziehenden Konsequenzen beurteilen und diese Beurteilung wäre vor einem nationalen Gericht anfechtbar. Sollte kein Strafverfahren eingeleitet werden oder ein Strafverfahren mit einem freisprechenden Urteil enden, würde eine Schadensersatzklage beim Unionsgericht ausreichen, um die Wahrung der Interessen der betreffenden Person sicherzustellen, indem ihr ermöglicht werde, den Ersatz jeglichen Schadens zu verlangen, der auf das rechtswidrige Verhalten des OLAF zurückzuführen ist.

Insoweit ist davon auszugehen, dass eine Entscheidung des Gerichts, mit der den griechischen Justizbehörden übermittelte Beweise für unzulässig erklärt würden, offensichtlich außerhalb der Zuständigkeit des Gerichts läge. Das Gericht ist somit nicht für die Entscheidung zuständig, dass die den nationalen Stellen übermittelten Angaben und Daten des Klägers sowie jegliches den nationalen Stellen übermittelte einschlägige Beweisstück unzulässige Beweise vor den nationalen Gerichten darstellten.

(vgl. Rn. 33, 34)

3.      Eine Schadensersatzklage, die auf Ersatz des Schadens gerichtet ist, der durch die Übermittlung eines den Kläger betreffenden Untersuchungsberichts an die nationalen Behörden durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) entstanden ist, kann nicht wegen des Umstands, dass noch ein nationales Gerichtsverfahren anhängig ist, als verfrüht gelten, da der mögliche Ausgang dieses Verfahrens das vorliegende Verfahren nicht beeinflussen kann. Es geht nämlich hier nicht darum, ob sich der Kläger eine Unregelmäßigkeit oder einen Betrug hat zuschulden kommen lassen, sondern um die Prüfung der Art und Weise, in der das OLAF eine Untersuchung, die ihn namentlich nennt und ihm möglicherweise die Verantwortung für die Unregelmäßigkeiten gibt, durchgeführt und abgeschlossen hat, sowie des Verhaltens der Kommission im Kontext dieser Untersuchung. Auch wenn der Kläger von den nationalen Justizbehörden als nicht schuldig betrachtet werden sollte, würde dies den etwaigen Schaden, den er dann gleichwohl erlitten hätte, nicht unbedingt ausgleichen.

(vgl. Rn. 37)

4.      Die Bestimmungen der Verordnung Nr. 45/2001 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr sind Rechtsnormen, die bezwecken, den Personen, die von den im Besitz der Organe und Einrichtungen der Union befindlichen personenbezogenen Daten betroffen sind, Rechte zu verleihen. Der Zweck dieser Normen besteht nämlich darin, solche Personen gegen etwaige unzulässige Verarbeitungen der sie betreffenden Daten zu schützen.

Insoweit ist im Fall der durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) erfolgten Übermittlung eines Untersuchungsberichts an nationale Behörden davon auszugehen, dass diese Angaben „personenbezogene Daten“ sind und dass es zu einer „Verarbeitung“ dieser Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 45/2001 durch das OLAF gekommen ist.

(vgl. Rn. 51, 53)

5.      Wenn im Bereich der außervertraglichen Haftung der Union gegen Art. 25 Abs. 1 der Verordnung Nr. 45/2001 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr verstoßen worden ist, da die Meldung der Daten an den behördlichen Datenschutzbeauftragten nach ihrer Verarbeitung erfolgt ist, ist festzustellen, dass das betroffene Organ gegen eine Rechtsnorm verstoßen hat, die bezweckte, den Personen, die von den personenbezogenen Daten im Besitz der Organe und Einrichtungen der Union betroffen sind, Rechte zu verleihen. Allerdings stellt sich die Frage, ob ein solcher Verstoß als hinreichend qualifiziert angesehen kann. Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der behördliche Datenschutzbeauftragte gemäß der Verordnung Nr. 45/2001 die Aufgabe hat, darüber zu wachen, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten nicht in die Rechte und Freiheiten der von dieser Verarbeitung betroffenen Personen eingreift. In diesem Zusammenhang hat er u. a. die Aufgabe, den Europäischen Datenschutzbeauftragten auf eine Datenverarbeitung aufmerksam zu machen, die eine Gefahr im Sinne von Art. 27 der Verordnung Nr. 45/2001 darstellen kann. Daher kann er, wenn er über eine Datenverarbeitung nicht informiert ist, den EDSB nicht selbst in Kenntnis setzen und damit die ihm vom europäischen Gesetzgeber anvertraute wesentliche Überwachungsaufgabe nicht wirksam erfüllen.

Zum anderen finden die Vorschriften der Verordnung Nr. 45/2001 nach ihrem 14. Erwägungsgrund auf alle Verarbeitungen personenbezogener Daten durch alle Organe Anwendung. Die Organe und Einrichtungen der Union verfügen somit über keinerlei Wertungsspielraum bei der Anwendung der Verordnung Nr. 45/2001. Angesichts dieser Aspekte – Wesentlichkeit der Überwachungsaufgabe des behördlichen Datenschutzbeauftragten und Fehlen jeglichen Wertungsspielraums der Organe und Einrichtungen der Union – ist davon auszugehen, dass der bloße Verstoß gegen Art. 25 Abs. 1 der Verordnung Nr. 45/2001 ausreicht, um das Vorliegen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen eine Rechtsnorm festzustellen, die bezweckt, den Einzelnen Rechte zu verleihen.

(vgl. Rn. 100-102)

6.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 140-142)

7.      Den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1073/1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) ist zu entnehmen, dass dem OLAF eine umfassende Befugnis im Bereich der Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union eingeräumt wurde. Um den in Art. 325 AEUV verankerten Schutz der finanziellen Interessen der Union wirksam zu machen, haben die Abschreckung und die Bekämpfung von Betrügereien und anderen Unregelmäßigkeiten zwingend auf allen Ebenen und für alle Tätigkeiten zu erfolgen, in deren Rahmen diese Interessen durch solche Vorkommisse beeinträchtigt werden können. Um diesen Zweck bestmöglich zu erfüllen, hat die Kommission vorgesehen, dass das OLAF ihre Befugnisse im Bereich der externen administrativen Untersuchungen ausübt.

In diesem Sinne hat auch der Art. 20 der Verordnung Nr. 2321/2002 über Regeln für die Beteiligung von Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen an der Durchführung des Sechsten Rahmenprogramms der Europäischen Gemeinschaft sowie für die Verbreitung der Forschungsergebnisse vorgesehen, dass die Kommission den Schutz der finanziellen Interessen der Union durch wirksame Prüfungen gemäß der Verordnung Nr. 1073/1999 sicherstellt. Die letztgenannte Verordnung sieht insbesondere vor, dass das OLAF die von der Kommission durch die Verordnung Nr. 2185/96 betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Europäische Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten verliehene Befugnis hat, Kontrollen und Überprüfungen vor Ort in den Mitgliedstaaten durchzuführen.

Offensichtlich hat somit das Bestehen einer Vertragsbeziehung zwischen der Union und juristischen oder natürlichen Personen, die rechtswidriger Handlungen verdächtigt werden, keine Auswirkung auf die Untersuchungsbefugnis des OLAF. Dieses kann trotz Vorliegens eines Vertrags zwischen den oben angeführten Parteien bei diesen Personen Untersuchungen durchführen, wenn sie unter Betrugsverdacht oder dem Verdacht rechtswidriger Handlungen stehen. In diesem Zusammenhang kann die Unabhängigkeit des OLAF nicht durch Geltendmachung eines Interessenkonflikts der Kommission im Falle eines von ihr im Namen der Union geschlossenen Vertrags in Zweifel gezogen werden. Der zwölfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1073/1999 streicht nämlich das Erfordernis der Gewährleistung der Unabhängigkeit des OLAF bei der Ausübung der ihm durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben hervor, indem seinem Direktor die Befugnis übertragen wird, Untersuchungen von sich aus einzuleiten. Art. 12 Abs. 3 dieser Verordnung setzt diesen Erwägungsgrund um.

(vgl. Rn. 144-147, 149)

8.      Die Entscheidung des Direktors des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) über die Einleitung einer Untersuchung – wie im Übrigen die Entscheidung eines Organs, einer Einrichtung oder eines Amtes oder einer Agentur, die durch die Verträge oder auf deren Grundlage geschaffen wurden, die Einleitung einer Untersuchung zu beantragen – kann nicht ohne hinreichend ernsthafte Verdachtsmomente in Bezug auf einen als Betrug oder Korruption oder sonstige rechtswidrige Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union zu qualifizierenden Sachverhalt ergehen.

(vgl. Rn. 175)

9.      Im Gegensatz zu dem, was Art. 4 der Verordnung Nr. 1073/1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) für die internen Untersuchungen vorschreibt, sieht keine Bestimmung ausdrücklich vor, dass das OLAF im Rahmen von externen Untersuchungen um mündliche Informationen ersuchen kann. Doch das Fehlen einer spezifischen Bestimmung hierzu kann nicht dahin ausgelegt werden, dass es dem OLAF verboten sei, im Rahmen von externen Untersuchungen Gespräche zu organisieren. Die Befugnis, Kontrollen und Überprüfungen vor Ort vorzunehmen, impliziert nämlich unweigerlich die Befugnis, Gespräche mit den von diesen Kontrollen und Überprüfungen betroffenen Personen zu organisieren. Zudem haben die vom OLAF geführten Gespräche keinen zwingenden Charakter, da die betroffenen Personen das Recht haben, die Teilnahme daran oder die Beantwortung bestimmter Fragen zu verweigern.

Überdies deutet Art. 7 der Verordnung Nr. 2185/96 betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Europäische Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten in Verbindung mit Art. 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 darauf hin, dass das OLAF unter denselben Bedingungen wie die Kontrolleure der einzelstaatlichen Verwaltungen und unter Einhaltung der einzelstaatlichen Vorschriften Zugang zu allen Informationen und Unterlagen über die betreffenden Vorgänge hat, die sich für die ordnungsgemäße Durchführung der Kontrollen und Überprüfungen vor Ort als erforderlich erweisen.

(vgl. Rn. 188-190)

10.    Keine Bestimmung der Verordnung Nr. 2185/96 betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Europäische Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten und im Übrigen auch keine Bestimmung einer anderen Verordnung hindern die Kommission oder das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) an der Vornahme einer Kontrolle oder Überprüfung vor Ort bei einem Unterauftragsnehmer, ohne zuvor eine Kontrolle und eine Überprüfung vor Ort bei dem Wirtschaftsteilnehmer vorgenommen zu haben, der des Betrugs verdächtigt wird. Denn das OLAF kann eine Kontrolle und eine Überprüfung vor Ort bei anderen Wirtschaftsteilnehmern vornehmen, sofern dies zur Feststellung einer Unregelmäßigkeit unbedingt erforderlich ist. Die Entscheidung, die Kontrolle bei diesem Unterauftragsnehmer vor der Kontrolle bei dem Wirtschaftsteilnehmer, der des Betrugs verdächtigt wird, vorzunehmen, kann dadurch gerechtfertigt werden, dass ein Überraschungseffekt erzielt werden muss. Jedenfalls ist, sofern die erfolgten Kontrollen im Einklang mit der Verordnung Nr. 2185/96 stehen, die Entscheidung, in welcher Reihenfolge diese vorgenommen werden, allein dem Ermessen der Kommission und des OLAF anheimzustellen.

(vgl. Rn. 197, 199)

11.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 213-215)

12.    Gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Europäische Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ist eine Unterbrechung der Verjährungsfrist für die Verfolgung der fraglichen Person nur durch eine ihr zur Kenntnis gebrachte Handlung denkbar. Wenn aber die Person durch ein Schreiben davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass sie als eine von einer Untersuchung des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) betroffene Person gelte, und mit Vertretern vom OLAF in Kontakt war, ist davon auszugehen, dass dieses Schreiben die Verjährungsfrist unterbrochen und bewirkt hat, dass ab dem Zeitpunkt dieses Schreibens eine neue Vierjahresfrist zu laufen begann.

(vgl. Rn. 217)

13.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 219)

14.    Keine Regelung stellt die Verpflichtung auf, die betroffenen Personen im Rahmen von externen Untersuchungen des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) zu unterrichten. Hingegen bestimmt Art. 4 des Beschlusses 1999/396 über die Bedingungen und Modalitäten der internen Untersuchungen zur Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der Interessen der Gemeinschaft, dass der Betroffene rasch zu unterrichten ist, sofern dies nicht die Untersuchung beeinträchtigt, außer in Fällen, in denen absolute Geheimhaltung gewahrt werden muss. Da die Wahrung der Verteidigungsrechte im Rahmen einer internen Untersuchung des OLAF hinreichend gewährleistet ist, wenn sich das OLAF an Art. 4 des Beschlusses 1999/396 hält, gilt dies auch für das externe Untersuchungsverfahren des OLAF. Somit ist die Wahrung der Verteidigungsrechte im Rahmen einer solchen Untersuchung hinreichend gewährleistet, wenn der Betroffene, wie das Art. 4 des Beschlusses 1999/396 vorsieht, rasch über die Möglichkeit einer persönlichen Implikation in Betrugs-, Korruptions- und sonstige rechtswidrige Handlungen zum Nachteil der Interessen der Union unterrichtet wird, sofern dies nicht die Untersuchung beeinträchtigt.

(vgl. Rn. 229-231)

15.    Das Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) ist nicht verpflichtet, einer von einer externen Untersuchung betroffenen Person Zugang zu den Dokumenten, die Gegenstand einer solchen Untersuchung sind, oder zu den Dokumenten, die von ihm bei dieser Gelegenheit erstellt wurden, zu gewähren, da die Wirksamkeit und Vertraulichkeit der dem OLAF übertragenen Aufgabe sowie seine Unabhängigkeit beeinträchtigt werden könnten. Die Wahrung der Verteidigungsrechte einer solchen Person ist nämlich durch ihre Unterrichtung sowie die Tatsache, dass sie im Rahmen der Vernehmung durch das OLAF gehört worden ist, hinreichend gewährleistet. Zudem ist zur Einsicht in den Abschlussbericht einer externen Untersuchung festzustellen, dass keine Vorschrift dem OLAF eine solche Verpflichtung auferlegt. Was den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens angeht, könnte ein dem OLAF anzulastender Rechtsverstoß nur dann festgestellt werden, wenn der Abschlussbericht veröffentlicht würde oder soweit er den Erlass einer beschwerenden Maßnahme zur Folge hätte.

Soweit die Adressaten der Abschlussberichte, d. h. die Kommission und die betroffenen nationalen Behörden, die Absicht hätten, auf der Grundlage des Abschlussberichts eine solche Maßnahme gegen die betroffene Person zu erlassen, wäre es gegebenenfalls Sache dieser anderen Behörden, und nicht vom OLAF, dieser Person nach ihren eigenen Verfahrensregeln Zugang zu diesen zu gewähren.

(vgl. Rn. 239-241)