Language of document : ECLI:EU:T:2023:422

Rechtssache T776/20

Robert Stockdale

gegen

Rat der Europäischen Union u. a.

 Urteil des Gerichts (Siebte erweiterte Kammer) vom 26. Juli 2023

„Nichtigkeits- und Schadensersatzklage – Internationaler Vertragsbediensteter beim Sonderbeauftragten der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Kündigung des Arbeitsvertrags nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union – Zuständigkeit der Unionsgerichte – Vertragliche Natur des Rechtsstreits – Keine Schiedsklausel und keine Gerichtsstandsklausel – Art. 263, 268, 272 und 274 AEUV – Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 – Zulässigkeit – Angabe der Beklagten – Begriff ‚Einrichtung oder sonstige Stelle der Union‘ – Teilweise Unzuständigkeit und teilweise Unzulässigkeit“

1.      Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Begriff – Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen – Klage bei Vorliegen eines Vertrags, der den Kläger an ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle der Union bindet – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Verbindliche Rechtswirkungen, die außerhalb der die Parteien bindenden vertraglichen Beziehung angesiedelt sind und die Ausübung hoheitlicher Befugnisse voraussetzen

(Art. 263 AEUV)

(vgl. Rn. 31)

2.      Schadensersatzklage – Zuständigkeit der Unionsgerichte – Grenzen – Charakter der geltend gemachten Haftung – Gerichtliche Überprüfung – Beurteilungskriterien

(Art. 340 AEUV)

(vgl. Rn. 32)

3.      Organe der Europäischen Union – Gerichtshof der Europäischen Union – Zuständigkeit – Rechtsstreit über Ansprüche aus einem Vertrag – Voraussetzungen – Anrufung aufgrund einer Schiedsklausel – Keine Schiedsklausel – Folge – Allgemeine Zuständigkeit der nationalen Gerichte

(Art. 272 und 274 AEUV)

(vgl. Rn. 40)

4.      Gerichtliches Verfahren – Nichtigkeits- und Schadensersatzklage, die tatsächlich einen Rechtsstreit vertraglicher Natur betreffen – Nichtigerklärung einer Handlung, die in einem vertraglichen Rahmen erfolgt ist – Zuständigkeit des Unionsrichters nach den Art. 263 und 268 AEUV – Unzulässigkeit – Ausnahme – Notwendigkeit, die Kohärenz des Gerichtssystems der Union zu wahren und eine wirksame gerichtliche Kontrolle durch die Gerichte der Mitgliedstaaten oder die Unionsgerichte zu gewährleisten

(Art. 263, 268, 272 und 274 AEUV)

(vgl. Rn. 48, 49, 76)

5.      Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung Nr. 1215/2012 – Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge – Begriff des individuellen Arbeitsvertrags – Autonome Auslegung – Voraussetzungen – Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – Kriterien

(Verordnung Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 21)

(vgl. Rn. 61)

6.      Schadensersatzklage – Zuständigkeit der Unionsgerichte – Verurteilung der Union zum Ersatz eines Schadens im Bereich der außervertraglichen Haftung nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind – Naturalrestitution in Form der Anordnung eines bestimmten Handelns oder Unterlassens – Zulässigkeit – Voraussetzungen – Ausnahmefall eines Schadens, der nicht in vollem Umfang finanziell ausgeglichen werden kann und dessen besondere Merkmale eine Anordnung erfordern

(Art. 268 und 340 Abs. 2 AEUV)

(vgl. Rn. 81, 82)

7.      Gerichtliches Verfahren – Nichtigkeits- und Schadensersatzklage – Deklaratorischer Feststellungsantrag – Offensichtliche Unzuständigkeit

(Art. 263 und 268 AEUV)

(vgl. Rn. 85)

8.      Gerichtliches Verfahren – Nichtigkeits- und Schadensersatzklage – Gegenstand – Antrag auf Nichtigerklärung einer Handlung oder auf Schadensersatz – Begriff ,Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen‘ – Beurteilungskriterien – Handlungsfähigkeit – Auftrag, der untrennbar mit dem Funktionieren der Union verbunden ist – Einheit, die sich rechtlich von den bestehenden Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unterscheidet – Einbeziehung – Sonderbeauftragter der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina – Zulässigkeit

(Art. 263 und 268 AEUV)

(vgl. Rn. 130, 131, 134, 139)

9.      Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Operative Aktionen der Europäischen Union – Annahme von Beschlüssen zur Festlegung der Ziele, ihres Umfangs, der der Union zur Verfügung zu stellenden Mittel sowie der Bedingungen und des Zeitraums für ihre Durchführung – Zuständigkeit – Rat der Europäischen Union – Umfang – Internationales Zivilpersonal – Erlass einer für Vertragsbedienstete geltenden rechtlichen Regelung – Einbeziehung – Zurechnung einer rechtswidrigen Untätigkeit beim Erlass einer solchen Regelung an den Rat – Zulässigkeit

(Art. 26 und 28 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV

(vgl. Rn. 148, 152, 154, 157, 158, 162)

Zusammenfassung

Der Kläger, ein Staatsangehöriger des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, war von 2006 bis zum 31. Dezember 2020 Leiter der Abteilung Finanzen und Verwaltung beim Sonderbeauftragten der Europäischen Union (im Folgenden: Sonderbeauftragter) in Bosnien und Herzegowina und hatte in dieser Eigenschaft 17 befristete Arbeitsverträge mit diesem Sonderbeauftragten geschlossen. Im Anschluss an das am 1. Februar 2020 in Kraft getretene Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union und Euratom(1), das einen am 31. Dezember 2020 endenden Übergangszeitraum vorsah, erließ der Sonderbeauftragte in Bosnien und Herzegowina eine Entscheidung über die Kündigung des letzten Arbeitsvertrags des Klägers mit Wirkung zum 31. Dezember 2020.

Im Rahmen einer Nichtigkeits- und Schadensersatzklage gegen den Rat der Europäischen Union, die Europäische Kommission, den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und den Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina beantragte der Kläger die Nichtigerklärung der Kündigungsentscheidung sowie den Ersatz der Schäden, die ihm aufgrund dieser Entscheidung entstanden sein sollen. Er beantragte ferner, sein Vertragsverhältnis in einen unbefristeten Arbeitsvertrag umzuqualifizieren und ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden sei, dass keine auf ihn anwendbare eindeutige Regelung erlassen worden sei. Der Kläger beantragte außerdem hilfsweise, die außervertragliche Haftung der Union im Fall der Zurückweisung seines Hauptantrags auszulösen.

Das Gericht ist mit von den Beklagten erhobenen Einreden der Unzuständigkeit und der Unzulässigkeit befasst und gibt diesen Anträgen, bevor es in der Sache entscheidet, teilweise statt. Insoweit äußert sich das Gericht zu mehreren neuen Fragen. Zunächst stellt es fest, dass es, wenn ein Rechtsstreit vertraglicher Natur, an dem die Union beteiligt ist, beim Gericht anhängig gemacht wird, obwohl der in Rede stehende Vertrag keine Schiedsklausel zu seinen Gunsten enthält, für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen von Einrichtungen der Union(2) und für die Entscheidung über die Haftung der Union(3) zuständig bleibt, wenn sich auf der Grundlage des Vertrags oder der Brüssel‑Ia-Verordnung(4) kein zuständiges nationales Gericht bestimmen lässt. Anschließend bezeichnet es den Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina als Einrichtung der Union, die die Kündigungsentscheidung erlassen hat. Was schließlich den Antrag auf Ersatz der Schäden betrifft, die durch das Fehlen einer allgemeinen rechtlichen Regelung für die unter die GASP fallenden Bediensteten entstanden sein sollen, ist das Gericht der Ansicht, dass der Rat für den Erlass gegebenenfalls einer solchen Regelung zuständig ist.

Würdigung durch das Gericht

Als Erstes prüft das Gericht seine Zuständigkeit für die Entscheidung über die Anträge im Zusammenhang mit der Kündigungsentscheidung bzw. der Aufeinanderfolge der befristeten Verträge.

Zunächst stellt es fest, dass das Vorbringen des Klägers im Rahmen dieser Klageanträge vertraglicher Natur ist. Zum einen hat nämlich die Kündigungsentscheidung einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Vertrag, und zum anderen beruhen die Anträge auf Umqualifizierung des Beschäftigungsverhältnisses in einen unbefristeten Vertrag auf sämtlichen aufeinanderfolgenden befristeten Verträgen zwischen dem Kläger und dem Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina. Mangels einer in den befristeten Arbeitsverträgen des Klägers enthaltenen Schiedsklausel erklärt sich das Gericht jedoch für unzuständig, nach Art. 272 AEUV zu entscheiden, so dass diese Anträge gemäß Art. 274 AEUV grundsätzlich in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte fallen.

Das Gericht weist jedoch darauf hin, dass, wenn der Unionsrichter in einem Rechtsstreit vertraglicher Natur auf die Ausübung der ihm durch die Art. 263 und 268 AEUV übertragenen Befugnisse verzichtet, damit eine kohärente Auslegung dieser Bestimmungen mit den Art. 272 und 274 AEUV gewährleistet und folglich die Kohärenz des Gerichtssystems der Union gewahrt werden soll, das aus einem vollständigen System von Rechtsbehelfen und Verfahren besteht, die die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union bzw. den Ersatz der von der Union verursachten Schäden gewährleisten sollen. Im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit vertraglicher Natur kann daher der Unionsrichter nicht auf die Ausübung der ihm durch den AEU‑Vertrag verliehenen Befugnisse verzichten, wenn dies zur Folge hat, dass Handlungen der Union oder eine Klage auf Ersatz der von der Union verursachten Schäden jeglicher gerichtlicher Kontrolle durch den Unionsrichter oder durch die Gerichte der Mitgliedstaaten entzogen wären.

Um eine wirksame gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, vergewissert sich das Gericht unter diesen Umständen trotz der vertraglichen Natur der im vorliegenden Fall gestellten Klageanträge, dass der Kläger diese Ansprüche vor einem Gericht eines Mitgliedstaats geltend machen kann. Aus diesem Grund verwirft es zunächst das Vorbringen der Beklagten, dass diese Klageanträge in die Zuständigkeit der bosnischen Gerichte fallen könnten. Ebenso wenig kann dem Argument gefolgt werden, dass der Kläger die in dem in Rede stehenden Vertrag vorgesehene Schiedsinstanz hätte anrufen können, da eine solche Instanz nur bei einem Ausschluss der Zuständigkeit des Unionsrichters oder der Gerichte der Mitgliedstaaten zuständig sein könnte.

Da sich im Übrigen aus dem Inhalt des in Rede stehenden Vertrags kein Gericht eines Mitgliedstaats ermitteln lässt, das für eine Entscheidung über die fraglichen Klageanträge zuständig ist, weist das Gericht darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber die Brüssel‑Ia-Verordnung erlassen hat, die im vorliegenden Fall Anwendung findet. Die Kündigungsentscheidung ist nämlich kein Hoheitsakt(5), sondern beruht auf dem in Rede stehenden Vertrag. Daher fallen die in Rede stehenden Klageanträge in den Bereich Zivil- und Handelssachen, und da sie einen Rechtsstreit vertraglicher Natur betreffen, der grundsätzlich in die Zuständigkeit der einzelstaatlichen Gerichte fallen soll, prüft das Gericht, ob sich anhand der Bestimmungen der Brüssel‑Ia-Verordnung ein Gericht eines Mitgliedstaats ermitteln lässt, das für eine Entscheidung über diese Anträge zuständig ist.

Hierzu stellt das Gericht fest, dass der Arbeitgeber des Klägers der Sonderbeauftragte in Bosnien und Herzegowina war und, da kein Gericht eines Mitgliedstaats für die Entscheidung über die fraglichen Klageanträge, die zu dem in Rede stehenden Vertrag eine Verbindung aufweisen, zuständig ist, grundsätzlich die allgemeine Bestimmung der Brüssel‑Ia-Verordnung Anwendung finden müsste, nach der sich, wenn „der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats [hat], … die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenem Recht [bestimmt]“(6).

Die Anwendung dieser Bestimmung würde aber dazu führen, dass die mögliche Zuständigkeit eines einzelstaatlichen Gerichts vom Zufall abhängig wäre, da das Recht eines jeden Mitgliedstaats bestimmen würde, ob die Gerichte dieses Staats mit einem solchen Rechtsstreit befasst werden können, mit der möglichen Folge, dass am Ende kein Gericht eines Mitgliedstaats zuständig wäre. Diese Konsequenz ist im vorliegenden Fall sogar besonders wahrscheinlich, da der Kläger wie der Sonderbeauftragte in Bosnien und Herzegowina seinen Wohnsitz in einem Drittstaat hat und es nicht offensichtlich ist, dass der vorliegende Rechtsstreit einen Anknüpfungspunkt zu einem Mitgliedstaat aufweist.

Da das Gericht jedoch im Rahmen eines Rechtsstreits vertraglicher Natur, in dem die Union Partei ist, nicht auf die ihm durch die Art. 263 und 268 AEUV übertragenen Befugnisse verzichten kann, wenn dies zur Folge hat, dass die Handlungen der Union oder eine Klage auf Ersatz der von der Union verursachten Schäden jeglicher gerichtlichen Kontrolle entzogen wären, prüft es, ob die fraglichen Klageanträge unter die Befugnisse fallen, die ihm durch diese Bestimmungen übertragen werden.

Insoweit ist erstens das Gericht im Rahmen des ersten Klageantrags für eine Entscheidung sowohl über die Rechtmäßigkeit der Kündigungsentscheidung, bei der es sich um eine Entscheidung handelt, die von einer nach den Verträgen errichteten Einrichtung der Union, nämlich dem Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina, erlassen wurde, auf der Grundlage von Art. 263 AEUV als auch über den Antrag auf finanzielle Entschädigung für den immateriellen und den materiellen Schaden, den der Kläger aufgrund dieser Entscheidung erlitten habe, auf der Grundlage von Art. 268 AEUV zuständig.

Was dagegen den Antrag des Klägers anbelangt, das Gericht möge seine Wiedereinstellung als Mitarbeiter des Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina anordnen, lehnt das Gericht seine Zuständigkeit ab, da der Unionsrichter einem Organ, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union auch im Rahmen einer Schadensersatzklage grundsätzlich keine Anordnungen erteilen kann, ohne in die ausschließlichen Befugnisse der Verwaltung einzugreifen. Zwar kann nach den Bestimmungen des AEU‑Vertrags, die die außervertragliche Haftung der Union betreffen, eine Naturalrestitution gewährt werden, die unter gewissen Voraussetzungen die Form einer Anordnung eines Handelns oder Unterlassens annehmen kann, die das beklagte Organ zu einem bestimmten Verhalten veranlassen kann, doch kann diese Möglichkeit nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden, in denen der Kläger einen Schaden geltend macht, der nicht in vollem Umfang finanziell ausgeglichen werden kann und dessen besonderen Merkmale die Anordnung eines bestimmten Handelns oder Unterlassens erfordern, insbesondere wenn diese Anordnung darauf gerichtet ist, die Schadensursache zu beseitigen, deren Wirkungen fortdauern, was vorliegend nicht der Fall ist.

Zweitens weist das Gericht den zweiten Klageantrag in vollem Umfang wegen Unzuständigkeit zurück. Zum einen ist es nämlich nicht dafür zuständig, über den Antrag auf Anordnung an den Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina als Arbeitgeber des Klägers zu entscheiden, dessen Arbeitsvertrag in einen unbefristeten Vertrag umzuqualifizieren. Zum anderen ist der Antrag, das Gericht möge feststellen, dass die Beklagten gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen haben, nicht zur Begründung eines Nichtigkeitsantrags und auch nicht zur Stützung eines Antrags auf Schadensersatz gestellt worden. Daher ist dieser Antrag dahin zu verstehen, dass er allein darauf abzielt, dass das Gericht im Wege einer allgemeinen oder grundsätzlichen Erklärung Stellung nimmt, was nicht zu den Befugnissen gehört, die dem Gericht durch die Verträge verliehen sind.

Als Zweites weist es zu den Einreden der Unzulässigkeit in Bezug auf die Identifizierung der beklagten Partei bzw. Parteien erstens hinsichtlich des ersten Klageantrags, soweit das Gericht dafür zuständig ist, ihn betreffend den Antrag auf Nichtigerklärung der Kündigungsentscheidung und auf Ersatz des durch diese Entscheidung angeblich verursachten materiellen und immateriellen Schadens zu prüfen, darauf hin, dass zum einen eine Nichtigkeitsklage daher gegen das Organ, die Einrichtung oder sonstige Stelle der Union zu richten ist, das bzw. die die in Rede stehende Handlung erlassen hat, und zum anderen das Gericht im Bereich der außervertraglichen Haftung der Union für Streitsachen über den Ersatz der von dieser verursachten Schäden zuständig ist. Die Union wird vor dem Gericht durch das Organ, die Einrichtung oder sonstige Stelle vertreten, dem bzw. der der haftungsbegründende Sachverhalt zur Last gelegt wird.

Im vorliegenden Fall bezieht sich der erste Klageantrag auf die Kündigungsentscheidung, die dem Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina zuzurechnen ist. Das Gericht prüft, ob der Sonderbeauftragte als Einrichtung oder sonstige Stelle der Union angesehen werden kann, die Beklagte im Rahmen einer Nichtigkeitsklage und einer Klage aus außervertraglicher Haftung sein kann.

Hierzu führt es aus, dass eine Einheit oder Struktur, die im Organigramm der Union erscheint oder in deren Rahmen tätig ist, als eine Einrichtung oder sonstige Stelle der Union angesehen werden kann, wenn sie im Hinblick auf die Bestimmungen ihres Statuts eine ausreichende Rechtsfähigkeit besitzt, um als eine selbständige Einrichtung der Union angesehen werden zu können und die Beklagteneigenschaft zuerkannt zu bekommen. Insbesondere muss sie als Einrichtung oder sonstige Stelle der Union betrachtet werden, wenn ihr zum einen ein Auftrag übertragen ist, der untrennbar mit dem Funktionieren der Union verbunden ist, und wenn sie zum anderen von den bereits bestehenden Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union rechtlich getrennt ist.

Dem Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina ist aber ein solcher Auftrag übertragen, zunächst, da er vom Rat ernannt wurde, um ein „Mandat für besondere politische Fragen“ auszuüben(7). Dann ist der Sonderbeauftragte in Bosnien und Herzegowina zwar für die Ausführung des Mandats verantwortlich und handelt unter der Aufsicht des Hohen Vertreters der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, doch bezieht sich diese Aufsicht nicht auf die Verwaltung und insbesondere Personalverwaltung im Rahmen des Mandats. Darüber hinaus ist der Sonderbeauftragte in Bosnien und Herzegowina von den Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union rechtlich getrennt, da er die rechtliche Fähigkeit hat, Aufträge zu vergeben und Güter zu erwerben, mit der Kommission einen Vertrag über die Verwaltung seiner Ausgaben zu schließen und von den Organen der Union oder vom EAD abgeordnetes Personal zu beschäftigen. Schließlich kommt dem Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina in Bezug auf die Verwaltung seiner Vertragsbediensteten die rechtliche Fähigkeit zu, unabhängig zu handeln, und er ist dafür verantwortlich, einen Arbeitsstab aufzustellen, und kann Verträge zur Einstellung internationaler Mitarbeiter schließen, die er auswählt, ohne die Zustimmung anderer Organe, Einrichtungen oder sonstiger Stellen der Union einholen zu müssen, da ihm dieses Personal direkt unterstellt ist.

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache, in der es um die Frage der Verwaltung der Mitarbeiter des Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina geht, dieser den Organen und Einrichtungen der Union gleichzusetzen ist, die Beklagte im Rahmen einer Nichtigkeitsklage oder einer Klage aus außervertraglicher Haftung sein können, und dass der erste Klageantrag zulässig ist, soweit er den Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina betrifft.

Zweitens hat das Gericht in Bezug auf den Antrag auf Ersatz des Schadens, den der Kläger dadurch erlitten haben soll, dass keine auf ihn anwendbare eindeutige Regelung erlassen worden sei, festgestellt, dass ein etwaiges schuldhaftes Versäumnis im Hinblick auf den Erlass einer allgemeinen Regelung für die Vertragsbediensteten im Rahmen der GASP im Allgemeinen oder des Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina im Besonderen dem Rat zuzurechnen ist, so dass dieser Klageantrag zulässig ist, soweit er den Rat betrifft.

Es obliegt nämlich dem Rat, die GASP zu gestalten und die für die Festlegung und Durchführung dieser Politik erforderlichen Beschlüsse auf der Grundlage der vom Europäischen Rat festgelegten allgemeinen Leitlinien und strategischen Vorgaben zu fassen. Ein Erlass, sofern angebracht, einer auf die im Rahmen der GASP eingestellten Vertragsbediensteten anwendbaren rechtlichen Regelung fällt jedoch unter die Durchführung der GASP und damit in die Zuständigkeit des Rates. Im Übrigen stellt das Gericht fest, dass die Kommission dem Rat im Jahr 2012 vorgeschlagen hatte, die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union auf Vertragsbedienstete der GASP-Missionen und der Sonderbeauftragten anzuwenden. Der Erlass einer auf die im Rahmen der GASP eingestellten Vertragsbediensteten anwendbaren rechtlichen Regelung, die für die internationalen Vertragsbediensteten des Sonderbeauftragten in Bosnien und Herzegowina gilt, ist jedoch eine Entscheidung, für die der Rat zuständig ist und die auf Ratsebene getroffen wird, und wenn dieser Vorschlag nicht weiterverfolgt wurde, liegt das daran, dass die Delegationen der Mitgliedstaaten im Rat keine Einigung erzielt haben.


1      Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 2020, L 29, S. 7).


2      Gemäß Art. 263 AEUV.


3      Gemäß Art. 268 AEUV.


4      Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1, im Folgenden: Brüssel‑Ia-Verordnung).


5      Im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung.


6      Art. 6 Abs. 1 der Brüssel‑Ia-Verordnung.


7      Gemäß Art. 33 EUV.