Language of document : ECLI:EU:T:2019:236

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

10. April 2019(*)

„Rechtsangleichung – Verordnung (EU) Nr. 305/2011 – Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 – Bauprodukte – Harmonisierte Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 – Begründungspflicht“

in der Rechtssache T‑229/17

Bundesrepublik Deutschland, vertreten zunächst durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte, dann durch J. Möller als Bevollmächtigten im Beistand der Rechtsanwälte M. Winkelmüller, F. van Schewick und M. Kottmann,

Klägerin,

unterstützt durch

Republik Finnland, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch G. Zavvos und C. Hermes, dann durch C. Hermes und M. Huttunen als Bevollmächtigte,

Beklagte,


betreffend eine Klage gemäß Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung erstens des Beschlusses (EU) 2017/133 der Kommission vom 25. Januar 2017 über die Belassung mit Einschränkung des Verweises auf die harmonisierte Norm EN 14342:2013 „Holzfußböden und Parkett – Eigenschaften, Bewertung der Konformität und Kennzeichnung“ im Amtsblatt der Europäischen Union gemäß der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2017, L 21, S. 113), zweitens des Beschlusses (EU) 2017/145 der Kommission vom 25. Januar 2017 über die Beibehaltung des Verweises auf die harmonisierte Norm EN 14904:2006 „Sportböden – Sportböden für Hallen und Räume mehrfunktionaler Sportnutzung und Mehrzwecknutzung – Anforderungen“ im Amtsblatt der Europäischen Union mit einer Einschränkung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2017, L 22, S. 62), drittens der Mitteilung der Kommission vom 10. März 2017 im Rahmen der Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates (ABl. 2017, C 76, S. 32), soweit sie auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 Bezug nimmt, viertens der Mitteilung der Kommission vom 11. August 2017 im Rahmen der Durchführung der Verordnung Nr. 305/2011 (ABl. 2017, C 267, S. 16), soweit sie auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 Bezug nimmt, fünftens der Mitteilung der Kommission vom 15. Dezember 2017 im Rahmen der Durchführung der Verordnung Nr. 305/2011 (ABl. 2017, C 435, S. 41), soweit sie die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 betrifft, und sechstens der Mitteilung der Kommission vom 9. März 2018 im Rahmen der Durchführung der Verordnung Nr. 305/2011 (ABl. 2018, C 92, S. 139), soweit sie auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 Bezug nimmt,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová sowie der Richter V. Valančius (Berichterstatter) und U. Öberg,

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2018


folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Beseitigung der technischen Hemmnisse des freien Verkehrs der Bauprodukte im Binnenmarkt wurde durch den Erlass der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (ABl. 1989, L 40, S. 12) realisiert, die die wesentlichen Anforderungen festlegt, die diese Produkte erfüllen müssen. Die Ausarbeitung der technischen Spezifikationen für jedes einzelne dieser Produkte wurde dem Europäischen Komitee für Normung übertragen.

2        Die Richtlinie 89/106 wurde in der Folge durch die Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten (ABl. 2011, L 88, S. 5) aufgehoben und ersetzt.

3        In den Erwägungsgründen 6 und 10 der Verordnung Nr. 305/2011 wird hervorgehoben, dass das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel darin besteht, die technischen Handelshemmnisse für Bauprodukte durch harmonisierte technische Spezifikationen zu beseitigen, anhand derer die Leistung von Bauprodukten bewertet wird, um deren freien Verkehr im Binnenmarkt zu verbessern. Die Verordnung Nr. 305/2011 legt gemäß ihrem Art. 1 Bedingungen für das Inverkehrbringen von Bauprodukten oder ihre Bereitstellung auf dem Markt durch die Aufstellung von harmonisierten Regeln über die Angabe der Leistung von Bauprodukten in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale sowie über die Verwendung der CE-Kennzeichnung für diese Produkte fest.

4        Außerdem ist den Erwägungsgründen 1 und 3 der Verordnung Nr. 305/2011 zu entnehmen, dass den Vorschriften der Mitgliedstaaten zufolge Bauwerke so entworfen und ausgeführt werden müssen, dass sie weder die Sicherheit von Menschen, Haustieren oder Gütern gefährden noch die Umwelt schädigen, und dass diese Verordnung das Recht der Mitgliedstaaten unberührt lassen sollte, Anforderungen festzulegen, die nach ihrer Auffassung notwendig sind, um den Schutz der Gesundheit, der Umwelt und von Arbeitnehmern, die Bauprodukte verwenden, sicherzustellen.

5        Am 12. November 1997 erteilte die Europäische Kommission dem Europäischen Komitee für Normung das Mandat M/119 zur Erarbeitung harmonisierter Normen für Bodenbeläge. Diese Normen sollten eine Reihe wesentlicher Merkmale erfassen wie Brandverhalten, Wasserdichtigkeit, Bruchfestigkeit, Asbestemission, Formaldehydemission und Gehalt an Pentachlorphenol. Das Mandat M/119 wurde unter der Geltung der Richtlinie 89/106 erteilt und durch das Mandat M/137 vom 25. Juli 2000 sowie das Mandat M/119rev.1 vom 22. Juni 2010 geändert, um die Freisetzung einer Reihe weiterer gefährlicher Stoffe wie flüchtiger organischer Verbindungen (VOC) zu erfassen.

6        Zu diesen Normen gehörte die harmonisierte Norm EN 14342:2013 „Holzfußböden und Parkett – Eigenschaften, Bewertung der Konformität und Kennzeichnung“, die Verfahren und Kriterien für die Leistungsbewertung bezüglich einer Reihe wesentlicher Eigenschaften enthielt. Hinsichtlich der Abgabe anderer gefährlicher Stoffe wie VOC lautete Abschnitt 4.4 der harmonisierten Norm EN 14342:2013:

„Nationale Regulierungen gefährlicher Substanzen können die Feststellung und Angabe der Abgabe und manchmal auch des Gehalts anderer gefährlicher Substanzen, zusätzlich zu den bereits in anderen Abschnitten behandelten, erforderlich machen, wenn durch diese Norm abgedeckte Bauprodukte in diesen Märkten eingesetzt werden.

In Ermangelung harmonisierter Europäischer Prüfmethoden sollte die Feststellung und Angabe der Abgabe/des Gehalts unter Berücksichtigung nationaler Regelungen am jeweiligen Einsatzort stattfinden. … “

7        Auch die harmonisierte Norm EN 14904:2006 „Sportböden – Sportböden für Hallen und Räume mehrfunktionaler Sportnutzung und Mehrzwecknutzung – Anforderungen“ betraf eine Reihe wesentlicher Eigenschaften wie etwa Reibung, Dauerhaftigkeit, Brandverhalten, Emission von Formaldehyd und Gehalt an Pentachlorphenol. Für andere gefährliche Stoffe enthielt Anhang ZA.1 dieser harmonisierten Norm folgende Anmerkung 1:

„Zusätzlich zu möglichen spezifischen Abschnitten zu gefährlichen Substanzen in dieser Norm können weitere Anforderungen bestehen, die für Produkte innerhalb des Anwendungsbereichs gelten. Mit Blick auf die Erfüllung der EU-Bauprodukte-Richtlinie müssen auch diese Anforderungen immer und überall bei Gültigkeit erfüllt werden.“

8        Am 21. August 2015 erhob die Bundesrepublik Deutschland bei der Kommission gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 305/2011 formale Einwände gegen die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006.

9        Sie machte geltend, dass die beiden verfahrensgegenständlichen Normen nicht vollständig mit dem von der Kommission erteilten Normungsauftrag übereinstimmten und Festlegungen in Bezug auf wesentliche Merkmale von Bauprodukten im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 vermissen ließen. Diese beiden Normen verstießen gegen Art. 17 Abs. 3 der Verordnung Nr. 305/2011 und gegen das Mandat M/119, da sie nicht die harmonisierten Verfahren zur Ermittlung der Abgabe anderer gefährlicher Stoffe wie VOC enthielten.

10      Deshalb forderte die Bundesrepublik Deutschland, die Verweise auf die Normen bis zum Vorliegen harmonisierter Prüfmethoden in Bezug auf die Abgabe anderer gefährlicher Stoffe und die Emission oder den Gehalt dieser Stoffe aus dem Amtsblatt der Europäischen Union zu streichen oder, hilfsweise, die Verweise unter Vorbehalt zu veröffentlichen, mit der Folge, dass der streitige Normabschnitt bezüglich der Abgabe anderer gefährlicher Stoffe als nicht harmonisiert gelte und den Mitgliedstaaten somit nationale Bestimmungen zu den Prüfmethoden erlaubt seien, damit die Grundanforderungen an Bauwerke im Hinblick auf die Gesundheit erfüllt werden könnten.

11      Am 25. Januar 2017 erließ die Kommission zwei Beschlüsse in Bezug auf die formalen Einwände der Bundesrepublik Deutschland gegen die Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006, mit denen sie den Antrag auf vollständige Streichung der betreffenden harmonisierten Normen zurückwies und die Verweise auf die Normen mit Einschränkung beließ, nämlich den Beschluss (EU) 2017/133 der Kommission vom 25. Januar 2017 über die Belassung mit Einschränkung des Verweises auf die harmonisierte Norm EN 14342:2013 „Holzfußböden und Parkett – Eigenschaften, Bewertung der Konformität und Kennzeichnung“ im Amtsblatt der Europäischen Union gemäß der Verordnung Nr. 305/2011 (ABl. 2017, L 21, S. 113) und den Beschluss (EU) 2017/145 der Kommission vom 25. Januar 2017 über die Beibehaltung des Verweises auf die harmonisierte Norm EN 14904:2006 „Sportböden – Sportböden für Hallen und Räume mehrfunktionaler Sportnutzung und Mehrzwecknutzung – Anforderungen“ im Amtsblatt der Europäischen Union mit einer Einschränkung gemäß der Verordnung Nr. 305/2011 (ABl. 2017, L 22. S. 62) (im Folgenden: angefochtene Beschlüsse).

12      Art. 1 des Beschlusses 2017/133 bestimmt:

„Der Verweis auf die harmonisierte Norm EN 14342:2013 ‚Holzfußböden und Parkett – Eigenschaften, Bewertung der Konformität und Kennzeichnung‘ wird mit einer Einschränkung belassen.

Die Kommission ergänzt das Verzeichnis der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Verweise auf harmonisierte Normen um folgende Einschränkung: ‚Abschnitt 4.4 der Norm EN 14342:2013 ist vom Geltungsbereich des veröffentlichten Verweises ausgenommen.‘“

13      Art. 1 des Beschlusses 2017/145 bestimmt:

„Der Verweis auf die harmonisierte Norm EN 14904:2006 ‚Sportböden – Sportböden für Hallen und Räume mehrfunktionaler Sportnutzung und Mehrzwecknutzung – Anforderungen‘ wird mit einer Einschränkung beibehalten.

Die Kommission ergänzt das Verzeichnis der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Verweise auf harmonisierte Normen um folgende Einschränkung: ‚Anmerkung 1 des Anhangs ZA.1 der Norm EN 14904:2006 wird aus dem Geltungsbereich des veröffentlichten Verweises ausgeschlossen.‘“

14      Am 10. März 2017 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung im Rahmen der Durchführung der Verordnung Nr. 305/2011 (ABl. 2017, C 76, S. 32, im Folgenden: Mitteilung vom 10. März 2017). Diese Mitteilung enthielt ein Verzeichnis sämtlicher harmonisierter Normen im Bereich der Verordnung Nr. 305/2011. Im Hinblick auf die beiden harmonisierten Normen wiederholte diese Mitteilung im Wesentlichen die bereits in den angefochtenen Beschlüssen festgelegten Einschränkungen.

15      Am 11. August 2017 veröffentlichte die Kommission eine neue Mitteilung im Rahmen der Durchführung der Verordnung Nr. 305/2011 (ABl. 2017, C 267, S. 16, im Folgenden: Mitteilung vom 11. August 2017). Darin wird auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 verwiesen.

16      Am 15. Dezember 2017 veröffentlichte die Kommission eine neue Mitteilung im Rahmen der Durchführung der Verordnung Nr. 305/2011 (ABl. 2017, C 435, S. 41, im Folgenden: Mitteilung vom 15. Dezember 2017). Darin wird auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 verwiesen.

17      Am 9. März 2018 veröffentlichte die Kommission eine neue Mitteilung im Rahmen der Durchführung der Verordnung Nr. 305/2011 (ABl. 2018, C 92, S. 139, im Folgenden: Mitteilung vom 9. März 2018). Darin wird auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 verwiesen.

 Verfahren und Anträge der Beteiligten

18      Mit Klageschrift, die am 19. April 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse sowie der Mitteilung vom 10. März 2017, soweit diese sich auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 bezieht, erhoben.

19      Mit Schriftsatz, der am 4. August 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Republik Finnland beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen zu werden.

20      Mit Beschluss vom 1. September 2017 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diese Streithilfe zugelassen.

21      Gemäß Art. 86 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts hat die Bundesrepublik Deutschland einen Schriftsatz zur Anpassung der Klageschrift eingereicht, der am 9. Oktober 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen und mit dem beantragt worden ist, die Mitteilung der Kommission vom 11. August 2017 für nichtig zu erklären, soweit sie sich auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 bezieht.


22      Die Kommission hat mit Schriftsatz, der am 27. Oktober 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zu diesem Schriftsatz Stellung genommen.

23      Gemäß Art. 86 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts hat die Bundesrepublik Deutschland einen zweiten Schriftsatz zur Anpassung der Klageschrift eingereicht, der am 2. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen und mit dem beantragt worden ist, die Mitteilung der Kommission vom 15. Dezember 2017 für nichtig zu erklären, soweit sie sich auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 bezieht.

24      Die Kommission hat dazu mit Schriftsatz, der am 27. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Stellung genommen.

25      Gemäß Art. 86 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts hat die Bundesrepublik Deutschland einen dritten Schriftsatz zur Anpassung der Klageschrift eingereicht, der am 20. Mai 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen und mit dem beantragt worden ist, die Mitteilung der Kommission vom 9. März 2018 für nichtig zu erklären, soweit sie sich auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 bezieht.

26      Die Kommission hat mit Schriftsatz, der am 15. Juni 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zu diesem Schriftsatz Stellung genommen.

27      Die Bundesrepublik Deutschland beantragt,

–        die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären;

–        die Mitteilungen der Kommission vom 10. März, 11. August und 15. Dezember 2017 sowie vom 9. März 2018 für nichtig zu erklären, soweit sie sich auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 beziehen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

28      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen.

29      Die Republik Finnland als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland beantragt nach ihrem letzten Schriftsatz,

–        die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären;

–        die Mitteilungen der Kommission vom 10. März, 11. August und 15. Dezember 2017 sowie vom 9. März 2018 für nichtig zu erklären, soweit sie sich auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 beziehen.

30      Am 19. Juni 2018 hat das Gericht die Kommission im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gemäß Art. 89 Abs. 3 der Verfahrensordnung aufgefordert, mehrere Fragen zu beantworten. Im Wesentlichen betreffen diese Fragen zum einen die Gründe, die rechtfertigen, dass im Bereich der europäischen Normung zwei Ausschüsse tätig werden, nämlich der Ausschuss gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. 1998, L 204, S. 37) und der Ausschuss gemäß Art. 22 der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2012, L 316, S. 12), und zum anderen die jeweiligen Zuständigkeiten dieser beiden Ausschüsse.

31      Die Kommission ist der Aufforderung des Gerichts mit Schreiben, das am 4. Juli 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, nachgekommen.

 Rechtliche Würdigung

 Zulässigkeit

 Zur Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Mitteilungen

32      Ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, macht die Kommission geltend, dass der in der Klage im vorliegenden Fall enthaltene Antrag, die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Mitteilungen für nichtig zu erklären, soweit diese sich auf die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 beziehen, unzulässig sei.

33      Zwar könne die Veröffentlichung des Verzeichnisses der Fundstellen harmonisierter Normen im Amtsblatt der Europäischen Union grundsätzlich Rechtswirkungen entfalten. So knüpfe die Verordnung Nr. 305/2011 in Art. 8 Abs. 3 und 4 Rechtsfolgen an die Veröffentlichung harmonisierter Normen, nämlich die Vermutung der Konformität des Bauprodukts mit der erklärten Leistung in Bezug auf die von dieser harmonisierten Norm erfassten wesentlichen Merkmale und die Garantie des freien Verkehrs des Bauprodukts in der Europäischen Union, wenn das Bauprodukt diese Anforderungen erfülle.

34      Dies gelte aber dann nicht, wenn die fraglichen Rechtswirkungen nicht durch die Veröffentlichung des Verzeichnisses, sondern in Wirklichkeit durch dieser Veröffentlichung vorgelagerte Handlungen ausgelöst worden seien. Dies sei der Fall, wenn die fraglichen Normen nach einem Beschluss der Kommission, mit dem Einwände zurückgewiesen worden seien, durch eine Mitteilung der Kommission veröffentlicht würden.

35      So liege es hier, da die angefochtenen Beschlüsse, die die Verweise auf die beiden harmonisierten Normen mit Einschränkungen beibehielten, mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt und ihrem Inkrafttreten (am 15. bzw. 16. Februar 2017) Rechtswirkungen entfalteten. Die danach veröffentlichten Mitteilungen der Kommission vom 10. März, 11. August und 15. Dezember 2017 sowie vom 9. März 2018, die ein konsolidiertes Verzeichnis von Fundstellen harmonisierter Normen im Bereich der Verordnung Nr. 305/2011 beträfen, entfalteten folglich in Bezug auf die streitigen harmonisierten Normen keine eigenständigen Rechtswirkungen.

36      Bestünde die Möglichkeit, Mitteilungen über konsolidierte Verzeichnisse von Fundstellen harmonisierter Normen mit einer Nichtigkeitsklage anzufechten, könnte ein Mitgliedstaat die Rechtswirkungen der in Art. 18 der Verordnung Nr. 305/2011 genannten Beschlüsse der Kommission außer Acht lassen und die Ausschlussfrist nach Art. 263 Abs. 6 AEUV umgehen.

37      Die Bundesrepublik Deutschland tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

38      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach den Erwägungsgründen 6 und 10 der Verordnung Nr. 305/2011 das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel darin besteht, die technischen Handelshemmnisse für Bauprodukte durch harmonisierte technische Spezifikationen zu beseitigen, anhand derer die Leistung von Bauprodukten bewertet wird, um deren freien Verkehr im Binnenmarkt zu verbessern.

39      Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 305/2011 sieht vor, dass für jedes Bauprodukt, das von einer harmonisierten Norm erfasst wird oder für das eine Europäische Technische Bewertung ausgestellt worden ist, die CE‑Kennzeichnung die einzige Kennzeichnung ist, die die Konformität des Bauprodukts mit der erklärten Leistung in Bezug auf die wesentlichen Merkmale, die von dieser harmonisierten Norm oder der Europäischen Technischen Bewertung erfasst sind, bescheinigt.

40      Der freie Verkehr, das Inverkehrbringen und die Verwendung eines solchen Produkts sind im Gebiet aller Mitgliedstaaten der Union zulässig, so dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 305/2011 insbesondere keine zusätzlichen Anforderungen für den wirksamen Marktzugang und die Verwendung dieser Produkte in ihrem Gebiet stellen dürfen (vgl. entsprechend Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction, C‑613/14, EU:C:2016:821, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Im Übrigen ist es die Veröffentlichung der Fundstelle der harmonisierten Norm im Amtsblatt der Europäischen Union durch die Kommission, die der harmonisierten Norm Rechtswirkung, insbesondere die in Art. 8 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 305/2011 vorgesehenen Rechtsfolgen, verleiht (vgl. entsprechend Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction, C‑613/14, EU:C:2016:821, Rn. 37 und 38). Hierzu bestimmt Art. 17 Abs. 5 dieser Verordnung, dass die Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union ein Verzeichnis der Fundstellen harmonisierter Normen, die den jeweiligen Mandaten entsprechen, und etwaige Aktualisierungen dieses Verzeichnisses veröffentlicht.

42      Im vorliegenden Fall erließ die Kommission auf die von der Bundesrepublik Deutschland am 21. August 2015 gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 305/2011 gegen die harmonisierten Normen EN 14342:2013 und EN 14904:2006 erhobenen formalen Einwände hin am 25. Januar 2017 die angefochtenen Beschlüsse in Bezug auf die streitigen Normen und wies darin den Antrag der Bundesrepublik Deutschland auf vollständige Streichung der fraglichen harmonisierten Normen zurück. Diese Beschlüsse wurden am 26. Januar 2017 in Bezug auf die harmonisierte Norm EN 14342:2013 und am 27. Januar 2017 in Bezug auf die harmonisierte Norm EN 14904:2006 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und traten am 15. bzw. 16. Februar 2017 in Kraft. Ab diesen Zeitpunkten erzeugten sie ihre Rechtswirkungen.

43      Im Anschluss daran veröffentlichte die Kommission am 10. März 2017 eine Mitteilung mit einem Verzeichnis sämtlicher Fundstellen der harmonisierten Normen im Bereich der Verordnung Nr. 305/2011, die im Hinblick auf die fraglichen harmonisierten Normen unstreitig die bereits in den angefochtenen Beschlüssen festgelegten Einschränkungen im Wesentlichen wiederholte.

44      Diese Feststellung lässt sich auch für die Mitteilungen vom 11. August und vom 15. Dezember 2017 treffen.

45      Das Gleiche gilt für die Mitteilung vom 9. März 2018, die eine Aktualisierung des Verzeichnisses sämtlicher Fundstellen der harmonisierten Normen im Bereich der Verordnung Nr. 305/2011 einschließlich der streitigen harmonisierten Normen darstellt.

46      Soweit die Bundesrepublik Deutschland jedoch im Rahmen der vorliegenden Klage beantragen wollte, die Mitteilungen vom 10. März, 11. August und 15. Dezember 2017 sowie vom 9. März 2018 aus dem Amtsblatt zu streichen, wäre dieser Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Nach der Rechtsprechung ist der Unionsrichter nämlich im Rahmen der von ihm ausgeübten Rechtmäßigkeitskontrolle nicht befugt, Anordnungen gegenüber den Organen zu erlassen. Nach Art. 266 AEUV hat das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, die sich aus dem Urteil des Unionsrichters ergebenden Maßnahmen zu ergreifen (Urteil vom 22. Januar 2004, Mattila/Rat und Kommission, C‑353/01 P, EU:C:2004:42, Rn. 15, und Beschluss vom 15. Oktober 2003, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, T‑372/02, EU:T:2003:269, Rn. 48 und 49).


47      Im Übrigen fällt die Klage der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie nicht nur auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse, sondern auch auf die Nichtigerklärung der nachfolgenden Mitteilungen gerichtet ist, mit diesem Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse zusammen und ist daher in diesem Rahmen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 25. Mai 2004, Schmoldt u. a./Kommission, T‑264/03, EU:T:2004:157, Rn. 41).

48      Unter diesen Umständen ist, soweit die Bundesrepublik Deutschland neben der Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse die Nichtigerklärung der nachfolgenden Mitteilungen der Kommission erreichen will, weil die beanstandeten harmonisierten Normen darin erneut veröffentlicht werden, darauf hinzuweisen, dass die auf Art. 263 AEUV gestützte Nichtigkeitsklage zwar gegen alle Handlungen der Organe gegeben ist, die – unabhängig von ihrer Rechtsnatur oder Form – dazu bestimmt sind, Rechtswirkungen zu erzeugen (Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9, vom 9. September 2015, Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission, C‑506/13 P, EU:C:2015:562, Rn. 16, und vom 20. September 2016, Mallis u. a./Kommission und EZB, C‑105/15 P bis C‑109/15 P, EU:C:2016:702, Rn. 51), bei der Feststellung, ob eine Handlung neue Rechtswirkungen erzeugt, nach ständiger Rechtsprechung jedoch auf ihren Zweck, ihren Inhalt, ihr Wesen sowie den tatsächlichen und rechtlichen Kontext, in dem sie erfolgt ist, abzustellen ist (vgl. Beschluss vom 8. März 2012, Octapharma Pharmazeutika/EMA, T‑573/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:114, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Die Mitteilungen der Kommission im Rahmen der Durchführung der Verordnung Nr. 305/2011 sind angesichts der oben in den Rn. 43 bis 45 geschilderten Eigenschaften als Aktualisierung des Verzeichnisses sämtlicher Fundstellen der harmonisierten Normen aufzufassen und beschränken sich hinsichtlich der fraglichen harmonisierten Normen darauf, auf diese zu verweisen, ohne neue Rechtswirkungen zu erzeugen, die die Rechtsstellung der Bundesrepublik Deutschland berühren könnten.

50      Insoweit macht die Bundesrepublik Deutschland zwar geltend, dass es sich bei den streitigen Mitteilungen um Rechtsakte handele, die als solche eigenständige Rechtswirkungen erzeugten und mit einer eigenständigen Nichtigkeitsklage anzufechten seien, legt aber nicht dar, dass diese Mitteilungen gegenüber den von der Kommission am 25. Januar 2017 erlassenen angefochtenen Beschlüssen neue Rechtswirkungen erzeugt hätten, die ihre Interessen berührten oder ihre Rechtsstellung in qualifizierter Weise änderten.


51      Unter diesen Umständen ist der Antrag der Bundesrepublik Deutschland auf Nichtigerklärung der Mitteilungen vom 10. März, 11. August und 15. Dezember 2017 sowie vom 9. März 2018 als unzulässig zurückzuweisen.

 Zur Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse

52      Ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, macht die Kommission geltend, dass der Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse unzulässig sei, da diese Beschlüsse der von der Bundesrepublik Deutschland in ihren formalen Einwänden hilfsweise geltend gemachten Forderung nachgekommen seien. Die Bundesrepublik Deutschland habe für den Fall, dass die Verweise auf die fraglichen harmonisierten Normen nicht vollständig aus dem Amtsblatt gestrichen würden, hilfsweise gefordert, die Verweise unter Vorbehalt zu belassen.

53      Da der von der Bundesrepublik Deutschland hilfsweise geltend gemachten Forderung in Art. 1 der angefochtenen Beschlüsse entsprochen worden sei, könne die Nichtigkeitsklage, die allein die Differenzen hinsichtlich der von der Verordnung Nr. 305/2011 im Rahmen eines Verfahrens formaler Einwände angeordneten Rechtsfolgen betreffe, nicht zulässig sein.

54      Die Bundesrepublik Deutschland tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

55      Was die Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wenn ein Mitgliedstaat formale Einwände gegen harmonisierte Normen erhebt, gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 305/2011 nach Konsultation und Stellungnahme des gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingesetzten Ausschusses die Wahl zwischen mehreren Optionen hat. Sie kann beschließen, die Fundstellen der betreffenden harmonisierten Norm im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen, nicht zu veröffentlichen, unter Vorbehalt zu veröffentlichen, zu belassen, unter Vorbehalt zu belassen oder zu streichen.

56      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission die Fundstellen der fraglichen harmonisierten Normen nicht, wie von der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie beantragt, vollständig aus dem Amtsblatt gestrichen hat und dass sie beschlossen hat, sie mit einer Einschränkung beizubehalten, nach der die oben in Rn. 12 bzw. 13 genannten Abschnitte vom Geltungsbereich der fraglichen harmonisierten Normen ausgeschlossen sind.

57      Soweit die Kommission geltend macht, dass die gewählte Option der von der Bundesrepublik Deutschland hilfsweise geltend gemachten Forderung entspreche und der Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse daher nicht zulässig sei, ist darauf hinzuweisen, dass die hilfsweise geltend gemachte Forderung zwar darauf gerichtet war, die fraglichen harmonisierten Normen teilweise im Amtsblatt der Europäischen Union zu belassen, allerdings mit einem Vorbehalt, nach dem die Mitgliedstaaten befugt sein sollten, nationale Bestimmungen zur Leistungsbewertung bezüglich der Abgabe anderer gefährlicher Stoffe zu erlassen. Somit hat die Kommission die Forderungen der Bundesrepublik Deutschland zumindest teilweise abgelehnt.

58      Daher ist der Antrag der Bundesrepublik Deutschland auf Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse entgegen dem Vorbringen der Kommission zulässig.

 Begründetheit

59      Die Bundesrepublik Deutschland stützt die Nichtigkeitsklage auf drei Klagegründe. Im Wesentlichen macht sie erstens eine Verletzung wesentlicher, sich aus Art. 18 der Verordnung Nr. 305/2011 ergebender Formvorschriften, zweitens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht und drittens eine Verletzung materiell-rechtlicher Vorschriften der Verordnung Nr. 305/2011 geltend.

 Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

60      Mit dem zweiten Klagegrund macht die Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen geltend, die angefochtenen Beschlüsse verstießen gegen die Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV, da die Kommission darin nicht zu der Frage Stellung genommen habe, ob die betreffenden harmonisierten Normen den Anforderungen des dazugehörigen Mandats entsprächen und die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke gewährleisteten.

61      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland entgegen.

62      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die nach Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 Abs. 2 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).


64      Im vorliegenden Fall sind in den angefochtenen Beschlüssen die Gründe dafür hinreichend klar und präzise dargelegt, dass die Kommission der von der Bundesrepublik Deutschland hilfsweise geltend gemachten Forderung, die Fundstellen der fraglichen harmonisierten Normen mit einer Einschränkung zu belassen, mit der die streitigen Abschnitte aus dem Geltungsbereich dieser Normen ausgeschlossen werden, teilweise nachgekommen ist und nicht der von der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie geltend gemachten Forderung, die Verweise auf die fraglichen harmonisierten Normen vollständig aus dem Amtsblatt zu streichen.

65      Was vor allem die Rüge der Bundesrepublik Deutschland betrifft, die Kommission habe nicht zu der Frage Stellung genommen, ob die fraglichen harmonisierten Normen den Anforderungen des dazugehörigen Mandats entsprächen, ist festzustellen, dass die Kommission jeweils im neunten Erwägungsgrund der angefochtenen Beschlüsse zunächst darauf hingewiesen hat, dass nach Art. 17 Abs. 3 der Verordnung Nr. 305/2011 harmonisierte Normen die Verfahren und Kriterien für die Bewertung der Leistung der von ihnen abgedeckten Produkte in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale enthalten sollten, und dann eingeräumt hat, dass – wie Deutschland angemerkt habe – der Abschnitt 4.4 der Norm EN 14342:2013 bzw. die Anmerkung 1 des Anhangs ZA.1 der Norm EN 14904:2006 lediglich einen Verweis auf geltende nationale Anforderungen enthielten und die Anforderungen des Art. 17 Abs. 3 der oben genannten Verordnung nicht erfüllten.

66      Ausgehend davon hat die Kommission jeweils im elften Erwägungsgrund der angefochtenen Beschlüsse ausgeführt, dass der betreffende Abschnitt bzw. die betreffende Anmerkung nicht angewendet werden sollten, und jeweils in den Erwägungsgründen 14 und 15 der angefochtenen Beschlüsse unter Hinweis auf den abschließenden Charakter des harmonisierten Systems von Normen und auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs präzisiert, dass sie die Verweise auf die fraglichen harmonisierten Normen nicht, wie von der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie gefordert, vollständig aus dem Amtsblatt streichen werde, sondern im Amtsblatt belassen und den streitigen Abschnitt bzw. die streitige Anmerkung, wie von der Bundesrepublik Deutschland hilfsweise gefordert, ausdrücklich aus dem Geltungsbereich der Verweise auf die betreffenden Normen ausnehmen werde.

67      Somit ist festzustellen, dass die angefochtenen Beschlüsse hinreichend begründet sind und die erste Rüge der Bundesrepublik Deutschland, die Kommission habe nicht zu der Frage Stellung genommen, ob die fraglichen harmonisierten Normen den Anforderungen des dazugehörigen Mandats entsprächen, jeglicher Grundlage entbehrt.

68      Des Weiteren ist zu der zweiten Rüge, die die Bundesrepublik Deutschland gegen die angefochtenen Beschlüsse erhoben hat, wonach die Kommission nicht zu der Frage Stellung genommen habe, ob die fraglichen harmonisierten Normen die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke gewährleisteten, darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 305/2011 zur Gewährleistung des freien Verkehrs von Bauprodukten nicht die Anforderungen an Bauprodukte, sondern gemäß Art. 17 Abs. 3 dieser Verordnung lediglich die Art und Weise, wie die Leistung dieser Produkte bewertet und erklärt werden muss, festlegt. Im Übrigen obliegt es anschließend den Mitgliedstaaten, diese harmonisierten Regeln zur Leistungsbewertung in ihren Vorschriften über Bauprodukte anzuwenden.

69      Daraus folgt, dass die Kommission in den angefochtenen Beschlüssen zu der Frage, ob die fraglichen harmonisierten Normen die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke gewährleisteten, nicht Stellung zu nehmen hatte. Daher ist die zweite Rüge, die die Bundesrepublik Deutschland gegen die angefochtenen Beschlüsse erhoben hat, unbegründet.

70      Somit ist der zweite Klagegrund in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

 Erster Klagegrund: Verletzung wesentlicher Formvorschriften, die in Art. 18 der Verordnung Nr. 305/2011 vorgesehen sind

71      Die Bundesrepublik Deutschland macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission beim Erlass der angefochtenen Beschlüsse die sich aus Art. 18 der Verordnung Nr. 305/2011 ergebenden wesentlichen Formvorschriften verletzt habe. Dieser erste Klagegrund gliedert sich in drei Teile.

72      Erstens habe die Kommission fälschlicherweise den gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 1025/2012 eingerichteten Ausschuss konsultiert, obwohl sie den gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichteten Ausschuss hätte konsultieren müssen. Zweitens habe der gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichtete Ausschuss nicht das entsprechende europäische Normungsgremium konsultiert. Drittens habe die Kommission die angefochtenen Beschlüsse erlassen, ohne eine Stellungnahme des gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichteten Ausschusses einzuholen.

73      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland entgegen.

74      Art. 18 der Verordnung Nr. 305/2011 bestimmt:

„(1) Ist ein Mitgliedstaat oder die Kommission der Auffassung, dass eine harmonisierte Norm den Anforderungen des dazugehörigen Mandats nicht vollständig entspricht, so befasst der betreffende Mitgliedstaat oder die Kommission nach Konsultation des Ständigen Ausschusses für das Bauwesen den aufgrund von Artikel 5 der Richtlinie 98/34/EG eingesetzten Ausschuss unter Angabe der Gründe mit dieser Angelegenheit. Der letztgenannte Ausschuss nimmt nach Konsultation der entsprechenden europäischen Normungsgremien dazu umgehend Stellung.

(2) Anhand der Stellungnahme des gemäß Artikel 5 der Richtlinie 98/34/EG eingerichteten Ausschusses beschließt die Kommission, ob die Fundstelle der betreffenden harmonisierten Norm im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen, nicht zu veröffentlichen, unter Vorbehalt zu veröffentlichen, zu belassen, unter Vorbehalt zu belassen oder zu streichen ist.

…“

75      Zu den Verfahren der Erhebung formaler Einwände gegen harmonisierte Normen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass zwei verschiedene rechtliche Regelungen bestehen, nämlich eine Regelung zur Festlegung der Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten, die in der Verordnung Nr. 305/2011 niedergelegt ist und die Zuständigkeit des gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichteten Ausschusses vorsieht, und eine Regelung zur europäischen Normung mit Vorschriften für die Zusammenarbeit zwischen den europäischen und den nationalen Normungsorganisationen, den Mitgliedstaaten und der Kommission, die in der Verordnung Nr. 1025/2012 niedergelegt ist und die Zuständigkeit des gemäß Art. 22 dieser Verordnung eingerichteten Ausschusses vorsieht.

76      Bis zu ihrer Änderung durch die Verordnung Nr. 1025/2012 galt die Richtlinie 98/34 sowohl für die in Art. 1 Nr. 6 dieser Richtlinie definierten „Normen“ als auch für die in Art. 1 Nr. 9 dieser Richtlinie definierten „technischen Vorschriften“. Folglich war der gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichtete Ausschuss sowohl für die technischen Vorschriften als auch für Normungsfragen zuständig.

77      Danach wurden sämtliche Bestimmungen der Richtlinie 98/34 im Bereich der europäischen Normung durch die Verordnung Nr. 1025/2012 ersetzt. Die Richtlinie 98/34 wurde infolgedessen dahin geändert, dass sie nur noch für Verfahren gilt, die die technischen Vorschriften betreffen, wie sich aus Art. 26 Abs. 2 Buchst. c, d und e der Verordnung Nr. 1025/2012 ergibt, durch den die Bestimmungen von Art. 6 der Richtlinie 98/34 aufgehoben wurden, die die Zuständigkeit des gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichteten Ausschusses im Bereich der Normung vorsahen.

78      So sollten nach der Übergangsregelung des Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1025/2012 in Rechtsakten der Union, die eine Vermutung der Konformität mit wesentlichen Anforderungen durch die Anwendung solcher harmonisierter Normen begründen, die im Einklang mit der Richtlinie 98/34 angenommen wurden, Verweise auf die Richtlinie 98/34 als Verweise auf diese Verordnung gelten, ausgenommen Verweise auf den gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichteten Ausschuss in Bezug auf technische Vorschriften.

79      Aus diesen Bestimmungen folgt, dass der gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichtete Ausschuss seit dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1025/2012 nur für die Verfahren zuständig ist, die die technischen Vorschriften betreffen.

80      Im vorliegenden Fall hat die Bundesrepublik Deutschland dadurch, dass sie der Kommission ihre formalen Einwände gegen die betreffenden harmonisierten Normen mitteilte und ihr die Initiative überließ, den für die Bewertung der streitigen Abschnitte dieser Normen zuständigen Ausschuss zu befassen, und dies nicht unmittelbar selbst tat, obwohl ihr diese Befugnis nach Art. 18 der Verordnung Nr. 305/2011 zustand, de facto das Verfahren nach Art. 11 der Verordnung Nr. 1025/2012, das die Konsultation des gemäß Art. 22 dieser Verordnung eingesetzten Ausschusses vorsieht, und nicht das Verfahren nach Art. 18 der Verordnung Nr. 305/2011 befolgt.

81      Was außerdem die Festlegung von Bewertungsverfahren und ‑kriterien bezüglich des wesentlichen Merkmals „Freisetzung anderer gefährlicher Stoffe“ betrifft, für das die fraglichen harmonisierten Normen, wie die Kommission einräumt, weder Bewertungsverfahren noch ‑kriterien definieren, betrifft eine solche Definition eine Normungsfrage, die in die Zuständigkeit des gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 1025/2012 eingesetzten Ausschusses fällt, und nicht eine technische Frage, die in die Zuständigkeit des gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichteten Ausschusses fällt.

82      Unter diesen Umständen hat die Kommission zu Recht eine Stellungnahme des Ausschusses gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 1025/2012 und nicht des Ausschusses gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingeholt.

83      Diese Auslegung wird im Übrigen, wie die Kommission hervorhebt, durch die Praxis der Mitgliedstaaten und der Organe in Bezug auf formale Einwände gegen harmonisierte Normen bestätigt, wie aus mehreren Durchführungsbeschlüssen hervorgeht, die auf formale Einwände hin erlassen wurden, die die Mitgliedstaaten gegen harmonisierte Normen erhoben hatten, mit denen der gemäß Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1025/2012 eingesetzte Ausschuss befasst wurde, obwohl die anwendbaren Verfahrensvorschriften weiterhin auf den gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichteten Ausschuss verwiesen.

84      Diese Auslegung kann nicht durch die Argumentation der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt werden, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Praxis der Mitgliedstaaten das geltende Unionsrecht nicht ändern könne, da nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1025/2012 zum einen der gemäß Art. 22 dieser Verordnung eingesetzte Ausschuss, wie oben in den Rn. 78 und 79 ausgeführt, der für Normungsfragen zuständige Ausschuss ist und zum anderen der gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichtete Ausschuss nur für die technischen Vorschriften zuständig ist. Diese Argumentation kann demnach keinen Erfolg haben.

85      Das Gleiche gilt für die Argumentation der Bundesrepublik Deutschland, dass gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015, L 241, S. 1) Verweisungen auf den gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichteten Ausschuss als Verweisungen auf Art. 2 der Richtlinie 2015/1535 gälten, da dieser Ausschuss nur für die technischen Vorschriften zuständig ist und für Fragen, die die Normung und somit unvollständige harmonisierte Normen betreffen, der gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 1025/2012 eingesetzte Ausschuss zuständig ist.

86      Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland dadurch, dass sie den gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 1025/2012 und nicht den gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichteten Ausschuss befasst hat, nicht gegen wesentliche Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Somit kann dieser erste Teil des ersten Klagegrundes keinen Erfolg haben.

87      Auch die weiteren Rügen, mit denen die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des zweiten und des dritten Teils des ersten Klagegrundes beanstandet, dass der gemäß Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingerichtete Ausschuss das europäische Normungsgremium nicht konsultiert habe und eine Stellungnahme dieses Ausschusses fehle, wodurch gegen die Bestimmungen von Art. 18 der Verordnung Nr. 305/2011 verstoßen worden sei, greifen nicht durch, da für die Entscheidung über die von der Bundesrepublik Deutschland gegen die fraglichen harmonisierten Normen erhobenen formalen Einwände ausschließlich der von der Kommission befasste Ausschuss, d. h. der gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 1025/2012 eingesetzte Ausschuss, zuständig war. Diese beiden Teile des ersten Klagegrundes sind zurückzuweisen.

88      Somit ist der erste Klagegrund in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

 Dritter Klagegrund: Verletzung materiell-rechtlicher Vorschriften der Verordnung Nr. 305/2011

89      Mit dem dritten Klagegrund macht die Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen geltend, dass die angefochtenen Beschlüsse gegen materiell-rechtliche Vorschriften der Verordnung Nr. 305/2011 verstießen. Dieser Klagegrund gliedert sich in drei Teile.

90      Erstens verstießen die angefochtenen Beschlüsse gegen Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 305/2011, da die Kommission nicht geprüft habe, ob die betreffenden harmonisierten Normen mit dem dazugehörigen Mandat übereinstimmten. Zweitens habe die Kommission entgegen Art. 18 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 305/2011 nicht ermittelt, ob durch die betreffenden harmonisierten Normen die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke in Bezug auf die Abgabe anderer gefährlicher Stoffe sichergestellt werden könne. Drittens habe die Kommission einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen, indem sie die durch Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 eingeräumte Möglichkeit verkannt habe, die harmonisierten Normen mit den von der Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagenen Vorbehalten zu veröffentlichen, die es den Mitgliedstaaten erlaubt hätten, nationale Bestimmungen zur Leistungsbewertung für das wesentliche Merkmal der Abgabe anderer gefährlicher Stoffe zu erlassen.

91      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland entgegen.

92      Art. 17 Abs. 1, 3 und 5 der Verordnung Nr. 305/2011 sieht vor:

„(1) Harmonisierte Normen werden von den in Anhang I der Richtlinie 98/34/EG aufgeführten europäischen Normungsgremien auf der Grundlage von Ersuchen (im Folgenden ‚Mandate‘) … erstellt, die die Kommission gemäß Artikel 6 jener Richtlinie und nach Konsultation des Ständigen Ausschusses für das Bauwesen gemäß Artikel 64 der vorliegenden Verordnung (im Folgenden ‚Ständiger Ausschuss für das Bauwesen‘) unterbreitet.

(3) Harmonisierte Normen enthalten die Verfahren und Kriterien für die Bewertung der Leistung von Bauprodukten in Bezug auf ihre Wesentlichen Merkmale.

Sofern im jeweiligen Mandat vorgesehen, bezieht sich eine harmonisierte Norm auf einen Verwendungszweck der von ihr erfassten Produkte.

Harmonisierte Normen enthalten, soweit angemessen, Verfahren zur Bewertung der Leistung von Bauprodukten in Bezug auf ihre Wesentlichen Merkmale, die weniger aufwendig sind als Prüfungen, ohne dadurch die Genauigkeit, die Zuverlässigkeit und die Stabilität der Ergebnisse zu beeinträchtigen.

(5) Die Kommission prüft, ob die von den europäischen Normungsgremien erstellten harmonisierten Normen mit den dazugehörigen Mandaten übereinstimmen.

Die Kommission veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union ein Verzeichnis der Fundstellen harmonisierter Normen, die den jeweiligen Mandaten entsprechen.“

93      Der erste Teil des dritten Klagegrundes, mit dem die Bundesrepublik Deutschland geltend macht, dass die Kommission entgegen Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 305/2011 nicht geprüft habe, ob die betreffenden harmonisierten Normen mit dem dazugehörigen Mandat übereinstimmten, kann keinen Erfolg haben.

94      Die Kommission hat in den Erwägungsgründen 9, 11, 14 und 15 der angefochtenen Beschlüsse, wie oben in den Rn. 65 und 66 ausgeführt, bezüglich der streitigen Abschnitte eingeräumt, dass die für Bewertung der Leistung in Bezug auf andere gefährliche Stoffe erforderlichen Kriterien und Verfahren fehlten, dass diese Abschnitte nicht anwendbar seien und dass sie daher ausdrücklich von dem Geltungsbereich der Verweise auf die fraglichen harmonisierten Normen auszunehmen seien. Der erste Teil des dritten Klagegrundes ist somit in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend.

95      Zum zweiten Teil des dritten Klagegrundes, mit dem die Bundesrepublik Deutschland geltend macht, die Kommission habe entgegen Art. 18 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 305/2011 nicht geprüft, ob die fraglichen harmonisierten Normen die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke in Bezug auf die Abgabe anderer gefährlicher Stoffe gewährleisteten, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 17 Abs. 3 der Verordnung Nr. 305/2011 harmonisierte Normen die Verfahren und Kriterien für die Bewertung der Leistung von Bauprodukten enthalten. Somit ermöglichen sie die Bewertung dieser Leistung. Indessen bezwecken sie nicht, die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke zu gewährleisten. Diese Anforderungen werden, wie namentlich durch die Erwägungsgründe 1, 4, 12 und 41 der Verordnung Nr. 305/2011 bestätigt wird, von den Mitgliedstaaten festgelegt. Die Mitgliedstaaten haben in ihren Vorschriften über Bauprodukte, die die Einhaltung der Grundanforderungen sicherstellen, zur Gewährleistung des freien Verkehrs dieser Produkte die harmonisierten Normen in Bezug auf die Leistungsbewertung zu verwenden.

96      Da die harmonisierten Normen bezwecken, die Bewertung der Leistung von Bauprodukten zu ermöglichen, hat die Kommission folglich nicht zu prüfen, ob die betreffenden harmonisierten Normen die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke in Bezug auf die Abgabe anderer gefährlicher Stoffe gewährleisten. Somit kann der zweite Teil des dritten Klagegrundes keinen Erfolg haben.

97      Was schließlich den dritten Teil des dritten Klagegrundes betrifft, mit dem ein offenkundiger Beurteilungsfehler geltend gemacht wird, den die Kommission nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland dadurch begangen hat, dass sie die in Art. 18 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 305/2011 vorgesehene Möglichkeit, die betreffenden harmonisierten Normen mit den von der Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagenen Vorbehalten zu veröffentlichen, außer Acht gelassen habe, sind vor der Prüfung seiner Begründetheit die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu harmonisierten Normen in Erinnerung zu rufen.

98      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann ein Mitgliedstaat, selbst wenn er eine bestehende harmonisierte Norm für lückenhaft hält, keine einseitigen nationalen Maßnahmen treffen, die den freien Verkehr von dieser harmonisierten Norm entsprechenden Bauprodukten beschränken, ohne gegen seine Pflichten zu verstoßen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction, C‑613/14, EU:C:2016:821, Rn. 46). Jede andere Auslegung würde im Hinblick auf Bauprodukte, die unter eine europäische harmonisierte Norm fallen, dazu führen, dass es einem Mitgliedstaat allein deshalb, weil er der Auffassung ist, die Sicherheit eines solchen Produkts sei nicht ausreichend gewährleistet, gestattet wäre, Maßnahmen anzuordnen, die den freien Verkehr dieser Produkte beschränkten, womit die volle Wirksamkeit der harmonisierten Norm in Frage gestellt würde (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 16. Oktober 2014, Kommission/Deutschland, C‑100/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2293, Rn. 58 und 60, sowie vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction, C‑613/14, EU:C:2016:821, Rn. 41 und 42).

99      Dass es den Mitgliedstaaten obliegt, sicherzustellen, dass Bauwerke derart entworfen und ausgeführt werden, dass die Sicherheit von Menschen, Haustieren und Gütern nicht gefährdet wird, kann nicht dahin verstanden werden, dass den Mitgliedstaaten ein Kompetenzvorbehalt eingeräumt würde, der es ihnen gestattete, die Verfahren für die Überprüfung der harmonisierten Normen zu umgehen (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Oktober 2014, Kommission/Deutschland, C‑100/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2293, Rn. 61).

100    Selbst unter der Annahme, dass die nationalen Maßnahmen mit den Artikeln des Vertrags, die den freien Warenverkehr betreffen, vereinbar seien, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine nationale Maßnahme in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, wie dies für die streitigen Produkte der Fall ist, anhand der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht der des Primärrechts zu beurteilen (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Oktober 2014, Kommission/Deutschland, C‑100/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2293, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

101    Auch wenn die in den vorstehenden Randnummern angeführte Rechtsprechung die Richtlinie 89/106 betrifft, ist sie als entsprechend auf die Verordnung Nr. 305/2011 übertragbar anzusehen, durch die ein ebenso abschließendes Harmonisierungssystem geschaffen wurde wie durch die genannte Richtlinie. Gemäß Art. 8 Abs. 4 dieser Verordnung „[darf] ein Mitgliedstaat … in seinem Hoheitsgebiet oder in seinem Zuständigkeitsbereich die Bereitstellung auf dem Markt oder die Verwendung von Bauprodukten, die die CE‑Kennzeichnung tragen, weder untersagen noch behindern, wenn die erklärten Leistungen den Anforderungen für diese Verwendung in dem betreffenden Mitgliedstaat entsprechen“.

102    Im vorliegenden Fall genügt die Feststellung, dass weder der Zweck der Verordnung Nr. 305/2011, der darin besteht, die Vorschriften über die Bewertung der Leistung von Bauprodukten und nicht die Anforderungen an diese Produkte zu harmonisieren, ohne ihren freien Verkehr im Binnenmarkt der Union zu behindern, noch die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Grundsätze zum abschließenden Charakter der harmonisierten Normen die Kommission, die gemäß Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, verpflichten, die Verweise auf unvollständig harmonisierte Normen systematisch zu streichen oder unter einem Vorbehalt zu belassen, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, nationale Bestimmungen über die Versuchs- und Prüfmethoden in Bezug auf die Abgabe anderer gefährlicher Stoffe zu erlassen.

103    Diese Feststellung wird nicht durch die Argumentation der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt, wonach die Kommission den von der Bundesrepublik Deutschland hilfsweise geforderten Vorbehalt wegen der unterschiedlichen Konzeptionen der Richtlinie 89/106 und der Verordnung Nr. 305/2011 hätte ergänzen können, da diese Verordnung, wie vorstehend in Rn. 102 ausgeführt, nicht die Anforderungen an Bauprodukte, sondern lediglich die Art und Weise, in der die Leistung dieser Produkte zu bewerten und zu erklären ist, festlegt, und es den Mitgliedstaaten obliegt, diese harmonisierten Regeln zur Leistungsbewertung in ihren Vorschriften über Bauprodukte anzuwenden.

104    Im Übrigen hatte die Kommission entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland auch auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 305/2011 nicht die Möglichkeit, die Verweise auf die fraglichen harmonisierten Normen mit den von der Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagenen Vorbehalten zu veröffentlichen, da sich die Bestimmungen dieses Artikels auf ein Verfahren bezogen, in dem ein Europäisches Bewertungsdokument angenommen wurde, wenn ein Hersteller von Bauprodukten und nicht wie im vorliegenden Fall ein Mitgliedstaat eine Europäische Technische Bewertung beantragt hatte.

105    Nach alledem hat die Kommission frei von offenkundigen Beurteilungsfehlern entschieden, die Verweise auf die fraglichen harmonisierten Normen unter Vorbehalt zu belassen, ohne die von der Bundesrepublik Deutschland hilfsweise vorgeschlagenen Vorbehalte aufzunehmen.

106    Somit ist der dritte Klagegrund in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen. Da keiner der von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachten Klagegründe begründet ist, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

107    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

108    Da die Bundesrepublik Deutschland unterlegen ist, sind ihr dem Antrag der Kommission entsprechend die Kosten aufzuerlegen.

109    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Republik Finnland hat daher ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten und die der Europäischen Kommission entstandenen Kosten.

3.      Die Republik Finnland trägt ihre eigenen Kosten.

Pelikánová

Valančius

Öberg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. April 2019.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      I. Pelikánová


*      Verfahrenssprache: Deutsch.