SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE
vom 5. September 2019(1)
Rechtssache C‑272/18
Verein für Konsumenteninformation
gegen
TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co. KG
(Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs [Österreich])
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Anwendbares Recht – Zwischen einem Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Staat und einem Unternehmer mit Sitz in einem zweiten Staat geschlossene Treuhandverträge über die Verwaltung von Beteiligungen an Kommanditgesellschaften – Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht – Verordnung (EG) Nr. 593/2008 – Ausnahmen vom Anwendungsbereich – Art. 1 Abs. 2 – Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen – Regeln für Verbraucherverträge – Ausgenommene Verträge – Art. 5 Abs. 4 Buchst. b des Übereinkommens von Rom und Art. 6 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 – Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen, in dessen Rahmen die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat – Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Missbräuchlichkeit einer Rechtswahlklausel, mit der das Recht des Sitzes des Dienstleistungserbringers gewählt wird“
I. Einleitung
1. Der Verein für Konsumenteninformation (im Folgenden: VKI), ein Verbraucherverband mit Sitz in Österreich, erhob gegen die TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co. KG (im Folgenden: TVP), eine Gesellschaft mit Sitz in Hamburg (Deutschland), eine Unterlassungsklage(2), mit der er begehrt, dass dieser Gesellschaft verboten wird, in ihrem geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern mit Wohnsitz in Österreich eine Reihe von Vertragsklauseln zu verwenden. Diese Klauseln sind in Treuhandverträgen enthalten, die die Verwaltung von Beteiligungen an in Deutschland ansässigen und als Kommanditgesellschaft gegründeten geschlossenen Immobilienfonds zum Gegenstand haben. Unter den fraglichen Klauseln findet sich eine Rechtswahlklausel, mit der das deutsche Recht gewählt wird.
2. Der Oberste Gerichtshof (Österreich) fragt sich nach der Vereinbarkeit dieser Rechtswahlklausel mit der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen(3), insbesondere im Hinblick auf die Auslegung dieser Richtlinie, die der Gerichtshof im Urteil Verein für Konsumenteninformation(4) vorgenommen hat. Die Antwort auf diese Frage hängt insbesondere davon ab, ob in Ermangelung einer solchen Wahl das österreichische Recht auf die streitigen Treuhandverträge anwendbar wäre oder ob vielmehr deutsches Recht gelte. Letzteres hängt von der Auslegung des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht(5) und der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht(6) ab.
3. Dieses Gericht hat dem Gerichtshof daher verschiedene Fragen gestellt, um zunächst zu bestimmen, ob diese Treuhandverträge „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen“ aufwerfen, die vom sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens von Rom und der Rom‑I-Verordnung ausgenommen sind, da sie Kommanditbeteiligungen betreffen und mit den Gesellschaftsverträgen der betreffenden Kommanditgesellschaften eng verbunden sind. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, betreffen diese Fragen sodann den Punkt, ob die genannten Verträge vom Anwendungsbereich der Schutzbestimmungen für Verbraucherverträge nach diesen Instrumenten ausgenommen sind, da die den Verbrauchern geschuldeten Dienstleistungen nach dem Wortlaut dieser Verträge ausschließlich außerhalb Österreichs erbracht würden. Die Fragen betreffen schließlich auch die Vereinbarkeit der streitigen Rechtswahlklausel mit der Klauselrichtlinie.
4. In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich darlegen, warum meines Erachtens das Recht, das auf Treuhandverträge wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anzuwenden ist, nach den im Übereinkommen von Rom und in der Rom‑I-Verordnung vorgesehenen Kollisionsnormen zu bestimmen ist. Außerdem werde ich die Gründe darlegen, aus denen meiner Meinung nach solche Verträge, in deren Rahmen Dienstleistungen im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers aus der Distanz aus dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates erbracht werden müssen, unter die Schutzbestimmungen für Verbraucherverträge nach diesen Instrumenten fallen. Schließlich werde ich ausführen, dass eine Rechtswahlklausel wie die in den streitigen Verträgen enthaltene missbräuchlich ist, da sie den Verbraucher nicht darüber unterrichtet, dass er ungeachtet der Rechtswahl den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts genießt.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Übereinkommen von Rom
5. Art. 1 („Anwendungsbereich“) des Übereinkommens von Rom bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:
„(1) Die Vorschriften dieses Übereinkommens sind auf vertragliche Schuldverhältnisse bei Sachverhalten, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen, anzuwenden.
(2) Sie sind nicht anzuwenden auf
…
e) Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie z. B. die Errichtung, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie die persönliche gesetzliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Schulden der Gesellschaft, des Vereins oder der juristischen Person;
…“
6. Art. 5 („Verbraucherverträge“) des Übereinkommens von Rom sieht Folgendes vor:
„(1) Dieser Artikel gilt für Verträge über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen an eine Person, den Verbraucher, zu einem Zweck, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Verbrauchers zugerechnet werden kann, sowie für Verträge zur Finanzierung eines solchen Geschäfts.
(2) Ungeachtet des Artikels 3 darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährte Schutz entzogen wird:
– wenn dem Vertragsabschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in diesem Staat vorausgegangen ist und wenn der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat oder
– wenn der Vertragspartner des Verbrauchers oder sein Vertreter die Bestellung des Verbrauchers in diesem Staat entgegengenommen hat oder
…
(3) Abweichend von Artikel 4 ist mangels einer Rechtswahl nach Artikel 3 für Verträge, die unter den in Absatz 2 bezeichneten Umständen zustande gekommen sind, das Recht des Staates maßgebend, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
(4) Dieser Artikel gilt nicht für
…
b) Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
…“
B. Rom‑I-Verordnung
7. Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Rom‑I-Verordnung bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:
„(1) Diese Verordnung gilt für vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen.
Sie gilt insbesondere nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.
(2) Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind:
…
f) Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie die Errichtung durch Eintragung oder auf andere Weise, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie die persönliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person;
…“
8. Art. 6 („Verbraucherverträge“) dieser Verordnung lautet:
„(1) Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann („Verbraucher“), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt („Unternehmer“), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer
…
b) eine solche Tätigkeit auf irgendeine Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet
und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 können die Parteien das auf einen Vertrag, der die Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt, anzuwendende Recht nach Artikel 3 wählen. Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.
(3) Sind die Anforderungen des Absatzes 1 Buchstabe a oder b nicht erfüllt, so gelten für die Bestimmung des auf einen Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer anzuwendenden Rechts die Artikel 3 und 4.
(4) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für:
a) Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
…“
9. Die Rom‑I-Verordnung ist an die Stelle des Übereinkommens von Rom getreten. Gemäß ihrem Art. 28 wird diese Verordnung auf ab dem 17. Dezember 2009 geschlossene Verträge angewandt. Es steht fest, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Unterlassungsklage sowohl vor diesem Zeitpunkt als auch nach diesem Zeitpunkt geschlossene und zu schließende Verträge betrifft, so dass diese beiden Instrumente zeitlich anwendbar sind.
C. Klauselrichtlinie
10. Art. 3 Abs. 1 der Klauselrichtlinie bestimmt:
„Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.“
III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof
11. Die Gesellschaft MPC Münchmeyer Capital AG Hamburg (im Folgenden: MPC) strukturiert und vertreibt geschlossene Immobilienfonds, bei denen es sich um Kommanditgesellschaften nach deutschem Recht handelt(7). TVP, die eine 100%ige Tochtergesellschaft von MPC ist, ist Treuhänderin und Gründungskommanditistin der fraglichen Gesellschaften.
12. Diese Fonds waren von Beginn an so konzipiert, dass sich Privatanleger und institutionelle Anleger als Kommanditisten beteiligen können. Die Kommanditgesellschaftsverträge zur Ausgestaltung dieser Fonds ermächtigen daher TVP als Treuhänderin und Gründungskommanditistin, weitere Kommanditisten aufzunehmen.
13. Zu diesem Zweck war eine andere Tochtergesellschaft von MPC für die Anwerbung potenzieller Anleger zuständig. Die Prospekte über die Beteiligungen an den von MPC strukturierten Fonds wurden insbesondere (und in bestimmten Fällen ausschließlich) in Österreich verteilt.
14. Die interessierten Anleger konnten insbesondere Beteiligungen an diesen Fonds erwerben, indem sie an TVP eine Beitrittserklärung in Form eines Angebots auf Abschluss eines Treuhandvertrags richteten. Der Beteiligungsbetrag war auf eines der Treuhandkonten einzuzahlen, die zu diesem Zweck bei österreichischen Banken eröffnet worden waren. Anleger sind diesen Fonds somit mittelbar als Treugeber über TVP, die als Treuhänderin ihrer Kommanditanteile handelte, beigetreten. Insoweit übt diese Gesellschaft im eigenen Namen, aber für Rechnung der fraglichen Anleger die Rechte der Letzteren aus ihren Beteiligungen aus. Sie leitet ihnen die Ausschüttungen sowie sonstigen vermögenswerten Vorteile aus den Beteiligungen weiter. TVP gibt auch die Informationen, die sie vom Fonds über den Geschäftsverlauf erhält, an die Anleger weiter. Als Gegenleistung für diese verschiedenen Dienstleistungen erhält TVP ein pauschales Entgelt.
15. Die mit TVP abgeschlossen Treuhandverträge enthalten u. a. die folgende Klausel (oder eine dieser entsprechende Klausel):
„Der Treuhandvertrag unterliegt dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Erfüllungsort und Gerichtsstand für sämtliche Streitigkeiten aus diesem Vertrag sowie über das Zustandekommen dieses Vertrags ist der Sitz der Treuhänderin, soweit dies gesetzlich zulässig vereinbart werden kann.“
16. Am 6. September 2013 erhob der VKI eine Unterlassungsklage vor dem Handelsgericht Wien (Österreich), mit der er begehrt, dass TVP verboten wird, in ihrem geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern mit Wohnsitz in Österreich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf denen die von ihr geschlossenen Treuhandverträge beruhen, und/oder in den dazu verwendeten Vertragsformblättern eine Reihe von Vertragsklauseln zu verwenden, weil diese missbräuchlich im Sinne der Klauselrichtlinie und des österreichischen Rechts zur Umsetzung dieser Richtlinie seien. Außerdem beantragt der VKI die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung.
17. Insbesondere bezieht sich die Klage des VKI auf die in Nr. 15 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebene Klausel über den Erfüllungsort der Treuhanddienstleistungen und das auf die Treuhandverträge anwendbare Recht. In diesem Rahmen machte der VKI geltend, dass u. a. nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht(8) die Zulässigkeit der beanstandeten Klauseln nicht nach dem auf diese Verträge anwendbaren Recht, sondern nach dem Recht des Ortes des Schadenseintritts, d. h. dem österreichischen Recht, zu beurteilen sei. Dieses Recht sei im Übrigen auch nach dem Übereinkommen von Rom und der Rom‑I-Verordnung anwendbar.
18. TVP beantragte die Abweisung der Klage des VKI. Nach Ansicht dieser Gesellschaft wäre nach den Bestimmungen der Rom‑I-Verordnung die Zulässigkeit der streitigen Klauseln nach dem deutschen Recht zu beurteilen, das für die Treuhandverträge gewählt worden sei. Außerdem seien diese Verträge und die Gesellschaftsverträge der betreffenden Kommanditgesellschaften so eng miteinander verzahnt, dass die erstgenannten Verträge zwangsläufig demselben Recht wie die zweitgenannten, d. h. auch hier dem deutschen Recht, zu unterliegen hätten. TVP habe darüber hinaus alle in diesen Verträgen vereinbarten Dienstleistungen in Deutschland erbracht und habe in Österreich weder eine Betriebsstätte noch eine Niederlassung oder Mitarbeiter.
19. Mit Urteil vom 3. September 2015 gab das Handelsgericht Wien der Klage des VKI statt. Dieses Gericht wendete österreichisches Recht an und gab TVP auf, es zu unterlassen, in ihrem geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern mit Wohnsitz in Österreich die von dieser Klage betroffenen Vertragsklauseln, darunter die Rechtswahlklausel, zu verwenden. Es gab auch dem Antrag auf Veröffentlichung des Urteils statt.
20. Mit einem Beschluss vom 13. September 2016 hob das Oberlandesgericht Wien (Österreich) das Urteil des Handelsgerichts Wien auf und verwies die Sache an dieses Gericht zur erneuten Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Insbesondere bezog sich das Berufungsgericht auf das Urteil VKI/Amazon und entschied, dass die Prüfung der Gültigkeit der streitigen Rechtswahlklausel zwar nach deutschem Recht zu erfolgen habe, aber auch nach diesem Recht eine solche Klausel missbräuchlich sei, sofern sie den Verbraucher in die Irre führe, indem sie ihm den Eindruck vermittle, auf den Vertrag sei nur deutsches Recht anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach dem Übereinkommen von Rom und der Rom‑I-Verordnung auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts des Landes seines gewöhnlichen Aufenthalts genieße, im vorliegenden Fall des österreichischen Rechts.
21. Der VKI und TVP erhoben gegen diesen Beschluss beide Rekurs an den Obersten Gerichtshof. Unter diesen Umständen hat dieses Gericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Erfasst die in Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom und in Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung vorgesehene Ausnahme vom Anwendungsbereich auch Vereinbarungen zwischen einem Treugeber und einem Treuhänder, der eine Gesellschaftsbeteiligung an einer Kommanditgesellschaft für den Treugeber hält, insbesondere wenn eine Verflechtung von Gesellschafts- und Treuhandverträgen vorliegt?
2. Für den Fall der Verneinung der Frage 1:
Ist Art. 3 Abs. 1 der Klauselrichtlinie so auszulegen, dass eine in einem zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher abgeschlossenen Treuhandvertrag über die Verwaltung einer Kommanditbeteiligung enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der das Recht des Sitzstaats der Kommanditgesellschaft anwendbar ist, missbräuchlich ist, wenn einziger Zweck des Treuhandvertrags die Verwaltung der Kommanditbeteiligung ist und dem Treugeber die Rechte und Pflichten eines unmittelbaren Gesellschafters zukommen?
3. Für den Fall der Bejahung der Fragen 1 oder 2:
Ändert sich diese Antwort, wenn sich der Unternehmer zur Erbringung der von ihm geschuldeten Dienstleistungen nicht in den Verbraucherstaat begeben muss, er aber verpflichtet ist, Ausschüttungen sowie sonstige vermögenswerte Vorteile aus der Beteiligung und Informationen über den Geschäftsverlauf der Beteiligung an den Verbraucher weiterzuleiten? Macht es dabei einen Unterschied, ob die Rom‑I-Verordnung oder das Übereinkommen von Rom anwendbar sind?
4. Für den Fall der Bejahung der Frage 3:
Hat es bei dieser Antwort zu bleiben, wenn zusätzlich der Zeichnungsantrag des Verbrauchers in seinem Aufenthaltsstaat unterfertigt wurde, der Unternehmer Informationen über die Beteiligung auch im Internet zur Verfügung stellt und eine Zahlstelle im Verbraucherstaat errichtet wurde, auf die der Verbraucher den Beteiligungsbetrag einzuzahlen hat, wenngleich der Unternehmer über dieses Bankkonto nicht verfügungsberechtigt ist? Macht es dabei einen Unterschied, ob die Rom‑I-Verordnung oder das Übereinkommen von Rom anwendbar sind?
22. Die Vorlageentscheidung vom 28. März 2018 ist am 20. April 2018 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen. Der VKI, TVP und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Dieselben Beteiligten waren in der mündlichen Verhandlung vertreten, die am 27. Februar 2019 stattgefunden hat.
IV. Würdigung
23. Die im vorliegenden Fall vom VKI gegen TVP erhobene Unterlassungsklage hat die Beteiligungen von Privatanlegern mit Wohnsitz in Österreich an geschlossenen Immobilienfonds, bei denen es sich um Kommanditgesellschaften deutschen Rechts mit Sitz in Deutschland handelt, als Hintergrund(9). Insbesondere beteiligten sich die Anleger durch die Unterzeichnung eines Antrags auf Beitritt zu diesen Fonds nicht unmittelbar am Kapital der fraglichen Gesellschaften. In Wirklichkeit vertrauten sie den Betrag ihrer Beteiligungen TVP (der Treuhänderin und Gründungskommanditistin dieser Fonds) an und schlossen mit dieser Treuhandverträge über die Verwaltung dieser Beteiligungen(10).
24. An diesem Punkt ist kurz darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Treuhand (der Begriff steht für ein deutsches Rechtsinstitut, das der fiducie nach französischem Recht ähnlich ist) eine Person, der sogenannte Treugeber, einer anderen Person, dem sogenannten Treuhänder, das Eigentum an Vermögen überträgt, der diese Vermögenswerte von seinem eigenen Vermögen getrennt zu halten und sie zu einem bestimmten Zweck zugunsten eines Begünstigten (der der Treugeber sein kann, aber nicht muss) zu verwalten hat. Als Eigentümer des übertragenen Vermögens handelt der Treuhänder im eigenen Namen, aber für Rechnung des Begünstigten(11).
25. TVP, die „unmittelbare“ Kommanditistin der fraglichen Kommanditgesellschaften, verwaltet somit über die streitigen Treuhandverträge die ihr gehörenden Anteile an diesen Gesellschaften im eigenen Namen, aber für Rechnung einer Vielzahl von Anlegern, die gleichzeitig die Treugeber und Begünstigten der Treuhand betreffend diese Beteiligungen sind. Auf diese Weise sind die betreffenden Anleger (um die Worte des vorlegenden Gerichts zu übernehmen) den genannten Gesellschaften „mittelbar beigetreten“(12).
26. Die vom VKI gegen TVP erhobene Unterlassungsklage betrifft die Rechtmäßigkeit verschiedener in diesen Treuhandverträgen (oder, genauer gesagt, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf denen diese Verträge beruhen, und in den dazu verwendeten Vertragsformblättern) enthaltener Klauseln. Der VKI rügt insbesondere, dass diese Klauseln missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Klauselrichtlinie seien. Da sich der Gesellschaftssitz von TVP in Deutschland befindet und der VKI die Interessen der in Österreich ansässigen Verbraucher vertritt, stellt sich die Frage nach dem Recht, das auf die Klage anzuwenden ist.
27. Im Urteil VKI/Amazon hat der Gerichtshof im Wesentlichen entschieden, dass das auf eine Unterlassungsklage, die sich gegen die Verwendung vermeintlich unzulässiger Vertragsklauseln durch ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen richtet, das Verträge mit Verbrauchern abschließt, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, anzuwendende Recht nach Art. 6 Abs. 1 der Rom‑II-Verordnung zu bestimmen ist(13). Hingegen ist für die Frage der Missbräuchlichkeit einer bestimmten Vertragsklausel das auf den Vertrag anzuwendende Recht maßgebend, das sich grundsätzlich nach dem Übereinkommen von Rom oder der Rom‑I-Verordnung bestimmt(14). Für die Entscheidung über die vorliegende Klage des VKI gegen TVP bedarf es daher der Bestimmung des auf die streitigen Treuhandverträge anzuwendenden Rechts.
28. Insoweit stützt sich TVP auf eine in diesen Verträgen enthaltene Rechtswahlklausel, mit der das deutsche Recht, das Recht ihres eigenen Sitzes und des Sitzes der Kommanditgesellschaften, als das anwendbare Recht gewählt wird. Der VKI beruft sich darauf, dass diese Klausel missbräuchlich sei. Im Urteil VKI/Amazon habe der Gerichtshof nämlich entschieden, dass eine solche Klausel geeignet sei, den Verbraucher in die Irre zu führen, sofern sie ihn nicht darüber unterrichte, dass er nach den Schutzbestimmungen im Bereich der Verbraucherverträge nach der Rom‑I-Verordnung ungeachtet des gewählten Rechts den Schutz genieße, den ihm die zwingenden Bestimmungen des Rechts seines gewöhnlichen Aufenthalts gewährten(15). TVP hält dem entgegen, dass diese Rechtsprechung nicht auf das Ausgangsverfahren übertragen werden könne. Die streitige Rechtswahlklausel sei nämlich rein deklaratorisch: Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Treuhandverträge unterlägen jedenfalls dem deutschen Recht, das auf die fraglichen Gesellschaften anzuwenden sei.
29. In diesem Kontext möchte das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage vom Gerichtshof wissen, ob, wie TVP vorbringt, diese Treuhandverträge vom sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens von Rom und der Rom‑I-Verordnung aufgrund des Ausschlusses in Art. 1 Abs. 2 Buchst. e dieses Übereinkommens und Art. 1 Abs. 2 Buchst. f dieser Verordnung betreffend die „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen“ ausgenommen sind und, wenn dies der Fall sein sollte, inwieweit. Ich werde mich als Erstes mit dieser Fragestellung befassen (Teil A).
30. Für den Fall, dass die streitigen Treuhandverträge in den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens von Rom und der Rom‑I-Verordnung fallen, will das vorlegende Gericht mit seiner dritten und seiner vierten Frage bestimmen, ob diese Verträge unter die Schutzbestimmungen für Verbraucherverträge nach Art. 5 dieses Übereinkommens und Art. 6 dieser Verordnung fallen. Insbesondere fragt es nach der Tragweite des Ausschlusses in Abs. 4 dieser beiden Artikel, auf den sich TVP beruft, wonach diese Schutzvorschriften nicht für „Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen [gelten], wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“. Ich werde diese Fragen der Einfachheit halber gemeinsam als Zweites prüfen (Teil B).
31. Abschließend werde ich in den vorliegenden Schlussanträgen die zweite Frage des vorlegenden Gerichts prüfen, ob die streitige Rechtswahlklausel missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Klauselrichtlinie ist (Teil C).
A. Zur Unanwendbarkeit des Ausschlusses in Bezug auf „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen“ (erste Frage)
32. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom und Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung dahin auszulegen sind, dass der von ihnen vorgesehene Ausschluss in Bezug auf „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen“ vertragliche Schuldverhältnisse umfasst, die ihre Quelle in einem Treuhandvertrag haben, der die Verwaltung einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft zum Gegenstand hat, insbesondere wenn dieser Vertrag und die Gesellschaftsverträge miteinander verzahnt sind.
33. Das Übereinkommen von Rom und die Rom‑I-Verordnung gelten nach ihrem Art. 1 Abs. 1 für „vertragliche Schuldverhältnisse“(16). Das auf solche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht muss grundsätzlich nach den Kollisionsnormen dieser Instrumente bestimmt werden.
34. Art. 1 Abs. 2 dieser Instrumente nimmt jedoch bestimmte Bereiche ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich aus. Insbesondere nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom und Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung finden diese keine Anwendung auf „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen“. Daher ist das auf solche „Fragen“ anzuwendende Recht nach den nationalen Kollisionsnormen zu bestimmen(17).
35. Es ist unstreitig, dass im Allgemeinen ein Treuhandvertrag zwischen den Parteien „vertragliche Schuldverhältnisse“ schafft, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens von Rom und der Rom‑I-Verordnung fallen.
36. Dennoch haben die Treuhandverträge, die vorliegend von der Klage des VKI gegen TVP betroffen sind, die Besonderheit, dass sie zum einen die Verwaltung von Beteiligungen an Kommanditgesellschaften betreffen und zum anderen, um den vom vorlegenden Gericht verwendeten Ausdruck zu gebrauchen, eine „Verflechtung“ von den Treuhand- und Gesellschaftsverträgen vorliegt.
37. Aus der Vorlageentscheidung und den Erklärungen vor dem Gerichtshof ergibt sich, dass diese Verflechtung darin besteht, dass die Möglichkeit für Anleger, mit TVP einen Treuhandvertrag zu schließen und „mittelbar“ den Kommanditgesellschaften als Treugeber beizutreten, in den Satzungen dieser Gesellschaften vorgesehen ist. Außerdem sähen die Gesellschaftsverträge vor, dass die Treugeber wie „unmittelbare“ Kommanditisten in den Beziehungen zu der betreffenden Gesellschaft und in den Beziehungen zu den anderen Gesellschaftern behandelt würden und dieselben Pflichten (wie Beteiligung am Kapital und am Verlust) und Rechte (wie der Bezug von Dividenden und das Stimmrecht) hätten. Die Vergütung selbst sei von TVP für ihre Dienstleistungen als Treuhänderin in den Gesellschaftsverträgen vorgesehen und werde nicht von den Treugebern, sondern von den Kommanditgesellschaften bezahlt. Die streitigen Treuhandverträge bezögen sich auch wiederholt auf die Gesellschaftsverträge dieser Gesellschaften.
38. Es stellt sich daher die Frage, ob sich in Anbetracht dieser Besonderheiten das Recht, das auf die in diesen Verträgen wurzelnden vertraglichen Schuldverhältnisse anzuwenden ist, nach dem für „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen“ geltenden Ausschluss in Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom und Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung nach den Kollisionsnormen des nationalen Rechts bestimmt.
39. Der VKI macht geltend, dass dies nicht der Fall sei. Die Treuhandverträge hätten eine einzige Beziehung zwischen den Treugebern und TVP geschaffen, die nicht unter das Gesellschaftsrecht, sondern unter das Schuldrecht falle. Die Treugeber hätten keine Gesellschafterstellung, die den Personen vorbehalten sei, die zu diesem Zweck im deutschen Handelsregister eingetragen seien. Zwischen den Treugebern und diesen Gesellschaften oder deren Gesellschaftern bestehe keine unmittelbare Rechtsbeziehung. Insbesondere könnten sie gegenüber der Gesellschaft nicht unmittelbar ein Stimmrecht oder einen Anspruch auf Dividenden geltend machen. Sie könnten nur TVP anweisen, ihnen die Dividenden zu überweisen, die diese als Gesellschafterin erhalte, und ihr Stimmrecht in bestimmter Weise für ihre Rechnung auszuüben.
40. Dagegen trägt TVP vor, dass die Treugeber, da sie dieselben Rechte und Pflichten wie die „unmittelbaren“ Gesellschafter hätten, unmittelbar in die Kommanditgesellschaften eingebunden seien und gesellschaftsrechtlich als Gesellschafter (oder „Quasigesellschafter“) anzusehen seien. Zwischen ihnen und den Gesellschaften und deren Gesellschaftern bestehe ein unmittelbares Rechtsverhältnis. Insbesondere könnten die Treugeber gegenüber diesen Gesellschaften unmittelbar das Stimmrecht und den Anspruch auf Dividenden ausüben. TVP sei als Treuhänderin zum alleinigen Zweck der leichteren registerrechtlichen Handhabung der Gesellschafterstellung der Treugeber und der Erleichterung der internen Verwaltung dieser Gesellschaften eingeschaltet. Das Verhältnis zwischen den Treugebern und TVP sei ebenfalls gesellschaftsrechtlich. Die Treuhandverträge seien daher von den Kommanditgesellschaftsverträgen untrennbar. Es liege ein einheitliches, die Gesellschaft, die „unmittelbaren“ Gesellschafter, den Treuhänder und die Treugeber umspannendes Rechtsverhältnis vor, das vollständig unter die Bereichsausnahme gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom und Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung falle(18).
41. Ich bin der Meinung, dass vertragliche Schuldverhältnisse wie diejenigen, die sich aus den streitigen Treuhandverträgen ergeben, nicht unter den Ausschluss betreffend „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom und Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung fallen, und zwar aus den im Folgenden genannten Gründen. Da diese Bestimmungen im Wesentlichen denselben Inhalt haben, werde ich mich in den folgenden Absätzen der Einfachheit halber nur auf diese Verordnung beziehen, wobei meine Prüfung jedoch vollständig auf dieses Übereinkommen übertragbar ist.
42. Die Rom‑I-Verordnung definiert den Begriff „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. f dieser Verordnung nicht. Dennoch kann seine Auslegung meines Erachtens nicht dem Recht jedes einzelnen Mitgliedstaats überlassen werden. Da er an der Definition des Anwendungsbereichs der Verordnung teilhat, und um eine einheitliche Anwendung der in ihr vorgesehenen Kollisionsnormen in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen, ist dieser Begriff unter Berücksichtigung des Wortlauts dieser Bestimmung, ihrer Entstehungsgeschichte sowie des Systems und der Zielsetzung dieser Verordnung autonom auszulegen(19). In Anbetracht des tatsächlichen Kontextes der vorliegenden Rechtssache werde ich nur bei den „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht“ verweilen und das Vereinsrecht und das Recht der anderen juristischen Personen außer Acht lassen.
43. Der Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung enthält eine Auflistung, die zwar nicht erschöpfend ist, aber dennoch illustriert, um welche „Fragen“ es sich handelt. Diese betreffen u. a. „die Errichtung …, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, … sowie die persönliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft“. Der Giuliano/Lagarde-Bericht gibt entsprechende Hinweise, indem er klarstellt, dass dieser Ausschluss „für alle jene sehr komplexen Rechtsakte (Verträge, Verwaltungsakte, Registrierung)“ gelte, „die für die Errichtung einer Gesellschaft erforderlich sind oder ihre innere Verfassung oder ihre Auflösung regeln“, d. h. für die Rechtshandlungen, die „unter das Gesellschaftsrecht fallen“(20).
44. Zur Entstehungsgeschichte dieses Ausschlusses legt der Giuliano/Lagarde-Bericht dar, dass seine Einführung in das Übereinkommen von Rom wegen der Arbeiten, die im Bereich des materiellen Gesellschaftsrechts zum Zeitpunkt der Ausarbeitung dieses Übereinkommens im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften im Gange gewesen seien, um die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet einander anzunähern, gerechtfertigt gewesen sei(21). Außerdem können meines Erachtens auch die zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede hinsichtlich der auf gesellschaftsrechtlichem Gebiet geltenden Kollisionsnormen diesen Ausschluss erklären(22).
45. Was schließlich System und Zielsetzung der Rom‑I-Verordnung betrifft, weise ich darauf hin, dass diese Kollisionsnormen enthält, die ein hohes Maß an Berechenbarkeit aufweisen sollen, um die Rechtssicherheit hinsichtlich des anwendbaren Rechts zu gewährleisten(23). Meines Erachtens trägt der Ausschluss der „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht“ in Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung zu diesem Ziel bei. International tätige Gesellschaften stehen unterschiedlichen Rechtsordnungen gegenüber, die den Anspruch erheben können, sie zu regeln. In diesem Kontext ist in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten allgemein anerkannt, dass in demselben Bestreben nach Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit, u. a. im Interesse ihrer Gläubiger und ihrer Gesellschafter, eine Reihe von Fragen bezüglich Gesellschaften einheitlich an ein bestimmtes Recht, das sogenannte Gesellschaftsstatut (lex societatis), angeknüpft werden müssen.
46. Zusammengefasst soll Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung von deren Anwendungsbereich die gesellschaftsrechtlichen Fragen ausschließen, oder anders gesagt diejenigen, die als unter das Gesellschaftsstatut fallend angesehen werden, und zwar, um zu vermeiden, dass diese spezifischen Fragen unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen, da das Ziel darin besteht, die Vorhersehbarkeit und die Rechtssicherheit hinsichtlich des auf die Gesellschaften anzuwendenden Rechts und dadurch den Verkehr der Gesellschaften im internationalen Bereich zu gewährleisten(24).
47. In Ermangelung einheitlicher und vollständiger Regelungen, die im Unionsrecht für Gesellschaften gelten(25), ist es schwierig oder sogar unmöglich, erschöpfend zu definieren, was eine unter das Gesellschaftsrecht und das Gesellschaftsstatut fallende Frage darstellt. Man muss sich im Einzelfall den allgemeinen Grundsätzen, die sich aus den nationalen Rechtsordnungen ergeben, zuwenden. Außerdem enthalten in einigen Rechtsordnungen die Kollisionsnormen eine Auflistung der Fragen, die unter das Gesellschaftsstatut fallen. Jedoch sind diese Auflistungen nur illustrativ, und hinsichtlich der Fragen, die unter dieses Statut fallen, gibt es Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten(26). Angesichts dieser Unterschiede hat man sich sehr wahrscheinlich an den „harten Kern“ von Fragen zu halten, der in diesen Staaten gemeinhin anerkannt wird(27), und darauf zu achten, dass das mit Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung verfolgte Ziel der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit im Hinblick auf das auf eine Gesellschaft anzuwendende Recht gewahrt wird.
48. In diesem Kontext fallen in einem Gesellschaftsvertrag, soweit er Fragen im Zusammenhang mit der internen Funktionsweise der Gesellschaft, wie Umfang und Ausübung der sich aus der Gesellschafterstellung ergebenden politischen Rechte (zu denen das Stimmrecht gehört) und finanziellen Rechte (darunter der Anspruch auf Dividenden), regelt, unter den in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausschluss.
49. Dagegen kann meines Erachtens allein der Umstand, dass ein Vertrag einen Geschäftsanteil betrifft – gleichgültig, ob es sich z. B. um einen Kaufvertrag oder, wie im vorliegenden Fall, um einen Treuhandvertrag handelt –, es nicht rechtfertigen, die in diesem Vertrag wurzelnden Verpflichtungen vom Anwendungsbereich der Rom‑I-Verordnung nach deren Art. 1 Abs. 2 Buchst. f auszuschließen.
50. Zwar können Geschäfte wie die Veräußerung oder die Treuhand in Bezug auf Gesellschaftsanteile „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht“ aufwerfen, die von der Rom‑I-Verordnung ausgenommen sind(28). Allerdings sind diese Fragen meines Erachtens von denen zu unterscheiden, die diesen Geschäften zugrunde liegende Verträge aufwerfen, die ihrerseits unter das Vertragsstatut (lex contractus)(29) und diese Verordnung fallen.
51. Es geht daher in jeder Fallgestaltung darum, gewissenhaft eine Qualifikation vorzunehmen. In diesem Rahmen muss, worauf das vorlegende Gericht zu Recht hinweist, in der Regel eine differenzierende Qualifikation anhand der Rechtsfragen, die eine Klage aufwirft, vorgenommen werden.
52. In der Rechtssache, in der das Urteil KA Finanz(30) ergangen ist, das gerade den Ausschluss der „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht“ [in seiner Fassung in Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom] betraf, ging es z. B. um die Frage, welches Recht nach einer grenzüberschreitenden Verschmelzung durch Aufnahme auf die Auslegung, die Erfüllung der Verpflichtungen und die Arten des Erlöschens eines von der übertragenden Gesellschaft vor dieser Verschmelzung geschlossenen Anleihevertrags anzuwenden ist. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Auslegung, die Erfüllung und das Erlöschen der aus solchen Verträgen stammenden Pflichten Fragen sind, die unter das Vertragsstatut und dieses Übereinkommen fallen. Hingegen fällt die Frage der Wirkung einer Verschmelzung durch Aufnahme auf die von der übertragenden Gesellschaft geschlossenen Verträge ihrerseits unter das Gesellschaftsstatut und diese Ausschlussbestimmung(31).
53. Mit anderen Worten bewirkt allein der Umstand, dass ein Vertrag eine Verbindung zu „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht“ hat, nicht, dass die Verpflichtungen, die sich aus diesem Vertrag ergeben, vom Anwendungsbereich der Rom‑I-Verordnung ausgenommen sind. Dies wird nur bei eben diesen „Fragen“ der Fall sein, die daher getrennt von den vertraglichen Fragen zu qualifizieren sind(32).
54. Nach dieser Klarstellung weise ich darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Unterlassungsklage des VKI die Missbräuchlichkeit und somit die Zulässigkeit bestimmter Klauseln der Treuhandverträge betrifft, Klauseln, die sich auf Fragen wie den Umfang der Haftung von TVP als Treuhänderin, die Verjährungs- und Ausschlussfristen, in denen der Anleger als Treugeber eine Haftungsklage gegen TVP erheben kann, den Erfüllungsort der Treuhanddienstleistungen und das auf die Treuhandverträge anwendbare Recht beziehen. Meiner Meinung nach sind alle diese Fragen vertragliche Fragen und fallen folglich unter das Vertragsstatut und die Rom‑I-Verordnung.
55. Die Tatsache, dass zwischen den streitigen Verträgen und den Kommanditgesellschaftsverträgen eine „Verflechtung“ besteht, wie in Nr. 37 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt, stellt diese Auslegung meiner Ansicht nach nicht in Frage.
56. Die Parteien des Ausgangsverfahrens sind sich darüber uneins, ob unter Berücksichtigung dieser Verflechtung die Treugeber die Eigenschaft eines Gesellschafters haben. Meines Erachtens handelt es sich hier in der Tat um eine „Frage betreffend das Gesellschaftsrecht“, die von der Rom‑I-Verordnung ausgenommen ist und unter das Gesellschaftsstatut fällt. Allgemein obliegt es diesem Recht, die Personen zu bestimmen, denen die Gesellschafterstellung zukommt. Gegebenenfalls wäre es Sache des vorlegenden Gerichts, diese Frage nach dem deutschen Recht zu entscheiden(33).
57. Allerdings ist diese Frage im Rahmen der Klage des VKI nicht entscheidend. Es geht nicht darum, den Umfang etwaiger Rechte und Pflichten, die die Treugeber als Gesellschafter nach dem anwendbaren Gesellschaftsrecht unmittelbar gegenüber den Kommanditgesellschaften hätten, zu bestimmen. Wenn das auf diese Gesellschaften anwendbare Recht, nämlich das deutsche Recht, vorsehen sollte, dass im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Treugeber, wie sie in den Gesellschaftsverträgen vorgesehen sind, ihnen die Gesellschafterstellung zuzuerkennen ist(34), änderte das meines Erachtens nichts am vertraglichen Charakter der im vorliegenden Fall gestellten Fragen. Fragen wie der Umfang der Haftung von TVP als Treuhänderin oder Fristen für Verjährung und Verwirkung, bis zu deren Ablauf die Treugeber gegen diese vorgehen können, sind schlicht keine „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht“, die einheitlich an das Gesellschaftsstatut angeknüpft werden müssten. Eine gegenteilige Auslegung ginge, wie das vorlegende Gericht zu Recht darlegt, über das Ziel der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit, das der Ausschluss in Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung verfolgt, hinaus.
58. Wie die Kommission geltend macht, kann man auch anhand von Rechtsverhältnissen argumentieren. Die streitigen Vertragsklauseln sollen die Rechtsverhältnisse zwischen dem Treugeber und dem Treuhänder regeln. Sie bestimmen die Rechte und Pflichten, die nach dem Treuhandvertrag zwischen ihnen bestehen. Selbst wenn dieser Vertrag die in einem Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten übernimmt, kann eine Vertragspartei sie der anderen nur so weit entgegenhalten, als dieser Vertrag dies vorsieht. Die betreffenden vertraglichen Verpflichtungen sind folglich verschieden von dem Gesellschaftsvertrag. Der Gesellschaftsvertrag und das Gesellschaftsstatut wären nur für diejenigen Fragen unmittelbar relevant, die die etwaigen Rechtsverhältnisse der Treugeber als Gesellschafter (unterstellt sie hätten diese Stellung) gegenüber der Gesellschaft und ihren Kommanditisten betreffen(35), die im vorliegenden Fall nicht in Rede stehen.
59. Die von mir vorgeschlagene Auslegung wird nicht widerlegt durch das Vorbringen von TVP, dass eine Trennung von Treuhand- und Kommanditgesellschaftsverträgen zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts Gefahr liefe, die Gleichheit zwischen den Gesellschaftern dieser Gesellschaften und den Treugebern in Bezug auf insbesondere die Haftung gegenüber Drittgläubigern von Kommanditgesellschaften für Gesellschaftsschulden aufzuheben. TVP trägt hierzu vor, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die Treugeber Drittgläubigern zwar nicht unmittelbar hafteten, jedoch verpflichtet seien, den Treuhänder von der ihn als Gesellschafter treffenden Haftung gegenüber Drittgläubigern zu befreien (so dass die Treugeber den Gläubigern „mittelbar“ hafteten). Insoweit räume ich ein, dass die gesetzliche persönliche Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden auch hier eine „Frage betreffend das Gesellschaftsrecht“ ist, die von der Rom‑I-Verordnung ausgenommen ist, wie in deren Art. 1 Abs. 2 Buchst. f im Übrigen ausdrücklich vorgesehen. Die Frage einer etwaigen Verpflichtung des Treugebers, den Treuhänder von seiner gesetzlichen Gesellschafterhaftung für die Schulden der Gesellschaft zu befreien, betrifft jedoch vor allem anderen die zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisse. Für sie gelten daher meines Erachtens das Vertragsstatut und die Rom‑I-Verordnung(36).
60. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die erste Frage zu antworten, dass der in Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom und Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung vorgesehene Ausschluss in Bezug auf „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen“ nicht für vertragliche Schuldverhältnisse gilt, die ihren Ursprung in einem Treuhandvertrag haben, der die Verwaltung einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft zum Gegenstand hat.
B. Zur Unanwendbarkeit des Ausschlusses in Bezug auf bestimmte von Verbrauchern geschlossene Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen (dritte und vierte Frage)
61. Sofern der Gerichtshof, wie ich ihm vorschlage, entscheiden sollte, dass vertragliche Verpflichtungen wie die sich aus den streitigen Treuhandverträgen ergebenden nicht unter die Ausschlussbestimmung des Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Rom‑I-Verordnung (oder der entsprechenden Ausschlussbestimmung des Übereinkommens von Rom) fallen, ist das auf diese Verträge anzuwendende Recht nach den von diesen Instrumenten vorgesehenen Kollisionsnormen zu bestimmen.
62. Insoweit hat das vorlegende Gericht festgestellt, dass die streitigen Treuhandverträge Verbraucherverträge sind, die unter die insoweit in Art. 5 dieses Übereinkommens und Art. 6 dieser Verordnung vorgesehenen Schutzbestimmungen fallen können(37). Sie binden nämlich einen „Unternehmer“, TVP, der in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt, vertraglich an verschiedene Anleger, die die Eigenschaft von „Verbrauchern“ haben, d. h. natürliche Personen, die durch den Abschluss dieser Verträge zu einem Zweck gehandelt haben, der nicht einer solchen Tätigkeit zugerechnet werden kann(38). Außerdem hat dieses Gericht festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Schutzbestimmungen erfüllt seien(39).
63. Dennoch schließen diese Artikel in Abs. 4 bestimmte Verträge ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich aus. Insbesondere sehen Art. 5 Abs. 4 Buchst. b des Übereinkommens von Rom und Art. 6 Abs. 4 Buchst. a der Rom‑I-Verordnung wortgleich vor, dass die Schutzbestimmungen für Verbraucherverträge nicht gelten für „Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“. Das auf die unter diesen Ausschluss fallenden Verträge anzuwendende Recht ist nach den allgemeinen Kollisionsnormen in den Art. 3 und 4 dieser Instrumente zu bestimmen.
64. Vor diesem Hintergrund möchte das vorlegende Gericht mit seiner dritten und seiner vierten Frage wissen, ob Treuhandverträge, wie die von der Unterlassungsklage des VKI betroffenen, von diesem Ausschluss umfasst sein können.
65. Der VKI und die Kommission machen im Wesentlichen geltend, dass dieser Ausschluss im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da die Verbraucher bestimmte Dienstleistungen, die sich aus den streitigen Treuhandverträgen ergäben, in Österreich erhielten. TVP bringt vor, sie erbringe ihre treuhänderischen Dienstleistungen, wie in den Treuhandverträgen vereinbart(40), ausschließlich in Deutschland, da die für die Durchführung dieser Verträge erforderlichen Tätigkeiten einzig und allein in diesem Mitgliedstaat ausgeführt würden.
66. Ich teile die Meinung des VDK und der Kommission aus folgenden Gründen. Da auch hier kein Unterschied zwischen dem Übereinkommen von Rom und der Rom‑I-Verordnung bezüglich der vorliegenden Problematik besteht, sind beide Instrumente gleich auszulegen. Ich werde mich daher im Folgenden der Einfachheit halber wieder nur auf die Rom‑I-Verordnung beziehen.
67. Aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 4 Buchst. a der Rom‑I-Verordnung ergeben sich zwei kumulative Voraussetzungen. Der darin enthaltene Ausschluss ist anwendbar, wenn zum einen „Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen“ vorliegen und zum anderen die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen „ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“.
68. Die Auslegung der ersten Voraussetzung lässt wenig Raum für Zweifel. Der Begriff „Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen“ in Art. 6 Abs. 4 Buchst. a der Rom‑I-Verordnung ist meines Erachtens autonom zu bestimmen und ist in derselben Weise auszulegen wie der des „Dienstleistungsvertrags“ in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung(41). Die Kategorie der von diesen beiden Begriffen betroffenen Verträge ist nämlich trotz eines leichten terminologischen Unterschieds offenkundig dieselbe. Diese Kategorie muss außerdem dieselbe Tragweite haben wie die Tragweite der „Erbringung von Dienstleistungen“, die für die gerichtliche Zuständigkeit für Klagen aus Vertrag in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Brüssel‑Ia-Verordnung vorgesehen ist(42). Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur letztgenannten Bestimmung ergibt sich, dass der Begriff „Dienstleistungen“ zumindest bedeutet, dass die Partei, die sie erbringt, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt durchführt(43). Wie TVP ausführt, stellt die Treuhand eine solche „Dienstleistung“ dar: Im Rahmen des Treuhandvertrags führt der Treuhänder gegen Entgelt eine bestimmte Tätigkeit durch, die in der Verwaltung des oder der treuhänderisch begebenen Vermögenswerte besteht.
69. Die Tragweite der zweiten Voraussetzung betreffend den Ort, an dem die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen „erbracht werden müssen“, ist weniger evident. Der Gerichtshof hat sich zwar bereits mit der Frage des Erfüllungsorts eines vertraglichen Schuldverhältnisses oder eines Vertrags für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit für Klagen aus Vertrag befasst und hat dabei verschiedene Kriterien herangezogen(44). Allerdings hat er diese Frage noch nicht im Kontext von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Rom‑I-Verordnung zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts geprüft. Zunächst ist zu präzisieren, ob sich die Frage des Erfüllungsorts nach nationalem Recht, insbesondere nach dem Vertragsstatut, bestimmt oder unionsrechtlich autonom zu definieren ist und welche Bedeutung dem gegebenenfalls im Vertrag vereinbarten Erfüllungsort zukommt.
70. Ich weise darauf hin, dass sich das vorlegende Gericht mit einigen spezifischen Verpflichtungen aus den streitigen Treuhandverträgen befasst hat, nämlich der Pflicht von TVP, dem Anleger Informationen über den Geschäftsverlauf des Fonds sowie Ausschüttungen und die sonstigen ihm geschuldeten vermögenswerten Vorteile weiterzuleiten, und bestimmt hat, wo diese Pflichten sowohl nach dem österreichische Recht als auch nach dem deutschen Recht, also nach den beiden potenziell auf diese Verträge anzuwendenden Rechtsordnungen, zu erfüllen sind(45). Dieses Gericht ist auch davon ausgegangen, dass die Klausel zur Bestimmung des Erfüllungsorts in den Treuhandverträgen nach dem einen oder dem anderen Recht nichtig ist(46).
71. Ich denke allerdings nicht, dass die Frage des Ortes der Erbringung der dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen (und der Wirkung einer etwaigen Vertragsklausel zur Bestimmung dieses Ortes) für die Anwendung des Ausschlusses nach Art. 6 Abs. 4 Buchst. a der Rom‑I-Verordnung dem Vertragsstatut zu überlassen ist. Diese Frage muss nämlich vor der Bestimmung des anwendbaren Rechts geklärt werden und ermöglicht gerade dessen Bestimmung. Zur Vermeidung einer zirkulären oder komplexen Logik(47) ist meines Erachtens für diese Bestimmung eine autonome Auslegung des Ortes, an dem die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen „erbracht werden müssen“, im Sinne dieser Bestimmung, heranzuziehen, die im Licht von Kontext und Zielen dieser Bestimmung herauszuarbeiten ist.
72. Erstens meine ich zum Kontext, in den sich Art. 6 Abs. 4 Buchst. a der Rom‑I-Verordnung einfügt, wie der VKI und die Kommission, dass diese Bestimmung eng auszulegen ist, da sie von dem allgemein mit diesem Artikel verfolgten Schutzziel abweicht(48).
73. Außerdem spricht der Umstand, dass sich ein dieser Bestimmung entsprechender Ausschluss in Art. 17 der Brüssel‑Ia-Verordnung für die gerichtliche Zuständigkeit in Verbrauchersachen nicht findet(49), meines Erachtens ebenso für eine solche enge Auslegung, damit diese Divergenz nicht noch weiter vertieft wird(50).
74. Zweitens ergibt sich zu dem mit dem fraglichen Ausschluss verfolgten Ziel aus dem Giuliano/Lagarde-Bericht betreffend Art. 5 Abs. 4 Buchst. b des Übereinkommens von Rom, dass dieser Ausschluss damit zu erklären ist, dass „bei Verträgen über Dienstleistungen (z. B. Hotelunterkunft oder Sprachkurs), die ausschließlich außerhalb des Aufenthaltsstaats des Verbrauchers erbracht werden, … dieser billigerweise nicht erwarten [kann], dass das Recht seines Heimatstaats(51) in Abweichung von den allgemeinen Regeln der Artikel 3 und 4 Anwendung findet“. In diesen Fällen „[weist d]er Vertrag … engere Beziehungen zum Aufenthaltsstaat des anderen Vertragsteils auf, auch wenn dieser eine der [in Art. 5 Abs. 2] beschriebenen Tätigkeiten (z. B. Werbeanzeige) im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers entfaltet hat“(52).
75. Außerdem ergibt sich aus den Erörterungen anlässlich des Erlasses der Rom‑I-Verordnung, insbesondere im Rat der Europäischen Union, dass dieser Ausschluss in der Verordnung insbesondere aus dem Grund beibehalten wurde, dass einige Delegationen einen „übermäßigen Schutz“ des Verbrauchers befürchteten und die kleinen und mittleren Unternehmen, insbesondere im Tourismussektor, nicht zu sehr belasten wollten(53).
76. Meines Erachtens ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass für die Bestimmung des Ortes, an dem die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen „erbracht werden müssen“, in tatsächlicher Hinsicht auf die Art der mit dem Verbraucher betreffenden Dienstleistungen abzustellen ist. Zwar kann in diesem Rahmen eine etwaige Klausel zur Bestimmung des Erfüllungsorts der vertraglichen Verpflichtungen gegebenenfalls insoweit einen Hinweis darstellen, doch ist sie keineswegs entscheidend. Der Ausdruck „erbracht werden müssen“ verweist in diesem Kontext nicht, wie TVP vorbringt, auf den Ort, an dem die Verpflichtungen nach den Klauseln des Vertrags zu erfüllen sind(54). Wie der VKI geltend macht, ist in Wirklichkeit zu prüfen, ob sich aus der Natur der vereinbarten Dienstleistungen selbst ergibt, dass diese zwangsläufig außerhalb des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zu erbringen sein werden(55).
77. Die Bestimmung des Ortes, an dem die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen zu erbringen sind, erscheint mir bei den im Giuliano/Lagarde-Bericht erwähnten und im Rat erörterten Dienstleistungen im Tourismussektor relativ offenkundig zu sein. In diesen Fällen beschränkt sich die Erbringung von Dienstleistungen naturgemäß auf einen einzigen Ort: Der Unternehmer erbringt die erforderlichen Tätigkeiten und der Verbraucher erhält die entsprechenden Ergebnisse an ein und demselben Ort.
78. Andere Dienstleistungen werden dagegen „aus der Distanz“ erbracht, wenn also der Ort der tatsächlichen Ausführung der Dienstleistungen und der Ort, an dem der Verbraucher die Ergebnisse erhält, auseinanderfallen. Insbesondere kommt es vor, dass diese beiden Orte in verschiedenen Staaten liegen. Die Dienstleistungen werden dann grenzüberschreitend erbracht, und der Unternehmer braucht sich nicht, wie das vorlegende Gericht in seiner dritten Vorlagefrage erwähnt, in den Verbraucherstaat zu begeben, um seine Verpflichtungen zu erfüllen.
79. Insoweit teile ich den Standpunkt des vorlegenden Gerichts und der Kommission, wonach man in dem in der vorstehenden Randnummer genannten Fall nicht davon ausgehen kann, dass die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen „ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“ im Sinne von Art. 6 Abs. 4 Buchst. a der Rom‑I-Verordnung(56). Mit anderen Worten sollte der in dieser Bestimmung vorgesehene Ausschluss in diesem Fall nicht gelten.
80. Meines Erachtens sollen nämlich zum einen der Nachdruck, den der Unionsgesetzgeber in Art. 6 Abs. 4 Buchst. a der Rom‑I-Verordnung darauf gelegt hat, dass die Dienstleistungen „ausschließlich“ außerhalb des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers erbracht werden müssen, und zum anderen die dieser Bestimmung zugrunde liegenden Erläuterungen(57) unterstreichen, dass der Ausschluss nur in dem Fall gelten sollte, in dem unter Berücksichtigung der Art der betreffenden Dienstleistungen sich der Verbraucher ins Ausland begeben muss, um diese zu erhalten. In diesem Fall weist der Vertrag zu vernachlässigende Bindungen zu dem Staat seines gewöhnlichen Wohnsitzes auf und andere (offenkundig) engere zu dem Staat, in dem die Dienstleistungen erbracht werden(58). Dagegen sind bei Dienstleistungen, die aus der Distanz im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers erbracht werden, die Bindungen des Vertrags zu diesem Staat von größerer Bedeutung, und der Verbraucher kann billigerweise davon ausgehen, dass das Recht dieses Staates (oder zumindest dessen zwingende Vorschriften) anzuwenden ist.
81. Diese Erwägungen gelten meines Erachtens in vollem Umfang in einer Rechtssache wie der vorliegenden. Insbesondere weist der Umstand, dass die für die Beteiligungen erforderlichen Beträge von den österreichischen Verbrauchern auf Treuhandkonten in Österreich einbezahlt wurden(59), dass TVP die ihnen geschuldeten Dividendenzahlungen und die sonstigen finanziellen Vorteile auf österreichische Konten überweist, dass diese Gesellschaft ihre Informationspflichten aus dem Treuhandvertrag erfüllt, indem sie ihnen Berichte über die Tätigkeit der Fonds in Österreich sendet, und über eine Website für diese Verbraucher verfügt, auf der diese Informationen abrufen und ihr Stimmrecht ausüben können(60), darauf hin, dass die österreichischen Verbraucher das Ergebnis der Dienstleistungen erhalten, die von TVP aus der Distanz im Staat ihres gewöhnlichen Aufenthalts erbracht werden. Folglich ist meiner Meinung nach der Ausschluss nach Art. 6 Abs. 4 Buchst. a der Rom‑I-Verordnung nicht anwendbar.
82. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 4 Buchst. b des Übereinkommens von Rom und Art. 6 Abs. 4 Buchst. a der Rom‑I-Verordnung dahin auszulegen sind, dass der darin vorgesehene Ausschluss in Bezug auf „Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“, nicht für einen Treuhandvertrag gilt, in dessen Rahmen Dienstleistungen im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers aus der Distanz vom Hoheitsgebiet eines anderen Staates aus zu erbringen sind.
C. Zur Missbräuchlichkeit der Rechtswahlklausel zugunsten des Rechts, das am Sitz des Unternehmers gilt, im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Klauselrichtlinie (zweite Frage)
83. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Klauselrichtlinie so auszulegen ist, dass eine in einem zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher abgeschlossenen Treuhandvertrag über die Verwaltung einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der das Recht des Mitgliedstaats des Sitzes des Unternehmers und dieser Gesellschaft anwendbar ist, missbräuchlich im Sinne dieser Bestimmung ist.
84. Wie ich in den vorliegenden Schlussanträgen ausgeführt habe, ist meiner Meinung nach das Recht, das auf vertragliche Schuldverhältnisse wie die sich aus den streitigen Treuhandverträgen ergebenden anzuwenden ist, nach den im Übereinkommen von Rom und in der Rom‑I-Verordnung vorgesehenen Kollisionsnormen zu bestimmen, insbesondere nach denjenigen für Verbraucherverträge in Art. 5 des Übereinkommens und in Art. 6 der Verordnung.
85. Nach Art. 5 Abs. 3 des Übereinkommens von Rom und Art. 6 Abs. 1 der Rom‑I-Verordnung unterliegt ein Verbrauchervertrag grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Im vorliegenden Fall wäre das daher das österreichische Recht.
86. Allerdings enthalten die streitigen Treuhandverträge, wie dargelegt, eine Rechtswahlklausel, mit der das Recht des Sitzes von TVP und der Kommanditgesellschaften, d. h. das deutsche Recht, gewählt wird. Der VKI trägt jedoch vor, dass diese Klausel rechtswidrig sei. Insbesondere sei diese Klausel, wie die anderen von seiner Klage betroffenen Vertragsklauseln, missbräuchlich.
87. Insoweit gestatten Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom und Art. 6 Abs. 2 der Rom‑I-Verordnung grundsätzlich eine solche Rechtswahlklausel. Nach diesen Bestimmungen darf diese Rechtswahl jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht des Landes, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf („zwingende Vorschriften“(61)). Im vorliegenden Fall kann daher die streitige Klausel die Verbraucher mit Wohnsitz in Österreich (und den VKI im Rahmen seiner Unterlassungsklage) nicht daran hindern, sich auf die zwingenden Vorschriften des österreichischen Rechts zu berufen.
88. Der Gerichtshof hat im Urteil VKI/Amazon entschieden, dass eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Gewerbetreibenden enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der auf einen auf elektronischem Weg mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrag das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden ist, in dem der Gewerbetreibende seinen Sitz hat, missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Klauselrichtlinie ist, sofern sie den Verbraucher in die Irre führt, indem sie ihm den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht dieses Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 6 Abs. 2 der Rom‑I-Verordnung (oder gegebenenfalls Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom) auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts genießt(62).
89. Wie der VKI und die Kommission bin ich der Ansicht, dass diese Rechtsprechung auf das Ausgangsverfahren übertragen werden kann. Insoweit teile ich den Standpunkt der Kommission, wonach der Umstand, dass die streitigen Treuhandverträge anscheinend nicht auf elektronischem Weg abgeschlossen wurden, keine Rolle spielt. Nach meinem Verständnis ist nämlich eine Rechtswahlklausel aus dem Grund missbräuchlich, weil sie entgegen dem in Art. 5 der Klauselrichtlinie aufgestellten Erfordernis einer klaren und verständlichen Abfassung den Verbraucher nicht darüber unterrichtet, dass er sich auf die zwingenden Vorschriften des Rechts des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts berufen kann(63). Die Form des Vertragsabschlusses ist im Rahmen dieser Begründung nicht relevant. Hingegen ist der Umstand, dass die streitige Klausel diesem Informationserfordernis nicht entspricht, entscheidend(64).
90. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Klauselrichtlinie so auszulegen ist, dass eine in einem zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher abgeschlossenen Treuhandvertrag über die Verwaltung einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der das Recht des Mitgliedstaats des Sitzes des Unternehmers und der Kommanditgesellschaft anzuwenden ist, missbräuchlich im Sinne dieser Bestimmung ist, sofern sie den Verbraucher nicht darüber unterrichtet, dass er ungeachtet dieser Rechtswahl nach Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens von Rom oder nach Art. 6 Abs. 2 der Rom‑I-Verordnung auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre.
V. Ergebnis
91. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Obersten Gerichtshofs (Österreich) wie folgt zu antworten:
1. Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom, und Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) sind dahin auszulegen, dass der darin vorgesehene Ausschluss in Bezug auf „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen“ nicht für vertragliche Schuldverhältnisse gilt, die ihren Ursprung in einem Treuhandvertrag haben, der die Verwaltung einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft zum Gegenstand hat.
2. Art. 5 Abs. 4 Buchst. b des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom, und Art. 6 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 593/2008 sind dahin auszulegen, dass der darin vorgesehene Ausschluss in Bezug auf „Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“, nicht für einen Treuhandvertrag gilt, in dessen Rahmen Dienstleistungen im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers aus der Distanz vom Hoheitsgebiet eines anderen Staates aus zu erbringen sind.
3. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist so auszulegen, dass eine in einem zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher abgeschlossenen Treuhandvertrag über die Verwaltung einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der das Recht des Mitgliedstaats des Sitzes des Unternehmers und der Kommanditgesellschaft anzuwenden ist, missbräuchlich im Sinne dieser Bestimmung ist, sofern sie den Verbraucher nicht darüber unterrichtet, dass er ungeachtet dieser Rechtswahl nach Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom, oder nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 593/2008 auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre.