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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 14. Oktober 2020(1)

Rechtssache C469/19

All in One Star Ltd

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Niederlassungsfreiheit – Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat errichten möchte – Eintragung in das Handelsregister – Regelung des Aufnahmemitgliedstaats, nach der die Höhe des Stammkapitals oder eines vergleichbaren Kapitalwerts anzugeben ist und der Geschäftsführer bestimmte Erklärungen abzugeben hat“






I.      Einleitung

1.        Die beiden vom Bundesgerichtshof (Deutschland) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen fallen in den Kontext der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Errichtung einer Zweigniederlassung in einem Mitgliedstaat durch eine Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats und zu dem insoweit bestehenden Handlungsspielraum des Aufnahmemitgliedstaats. Damit knüpfen diese Fragen u. a. an die Urteile Centros(2) und Inspire Art(3) an.

2.        Dem Wunsch des Gerichtshofs entsprechend werden sich die vorliegenden Schlussanträge auf die Untersuchung der zweiten Vorlagefrage beschränken. Diese betrifft die nach deutschem Recht bestehenden Verpflichtungen des Geschäftsführers einer Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats zur Abgabe der Versicherung, dass in seiner Person kein Bestellungshindernis besteht und dass er insoweit durch u. a. einen Notar über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt worden ist. In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht, ob diese Verpflichtungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

3.        Art. 29 („Offenlegung von Urkunden und Angaben über eine Zweigniederlassung“) Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2017/1132(4), der in deren Titel I Kapitel III Abschnitt 2 („Offenlegungsvorschriften für Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten“) steht, sieht vor:

„Die Urkunden und Angaben über eine Zweigniederlassung, die in einem Mitgliedstaat von einer in Anhang II genannten Gesellschaft errichtet worden ist, welche dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegt, sind nach dem Recht des Mitgliedstaats der Zweigniederlassung im Einklang mit Artikel 16 offenzulegen.“

4.        Nach Anhang II der Richtlinie 2017/1132 ist im Vereinigten Königreich eine „compan[y] incorporated with limited liability“ eine der Kategorien von Gesellschaften gemäß u. a. Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie.

5.        In Art. 30 („Offenzulegende Urkunden und Angaben“) der Richtlinie 2017/1132 heißt es:

„(1)      Die Pflicht zur Offenlegung nach Artikel 29 erstreckt sich lediglich auf folgende Urkunden und Angaben:

a)      die Anschrift der Zweigniederlassung;

b)      die Tätigkeit der Zweigniederlassung;

c)      das Register, bei dem die in Artikel 16 bezeichnete Akte für die Gesellschaft angelegt worden ist, und die Nummer der Eintragung in dieses Register;

d)      die Firma und die Rechtsform der Gesellschaft sowie die Firma der Zweigniederlassung, sofern diese nicht mit der Firma der Gesellschaft übereinstimmt;

e)      die Bestellung, das Ausscheiden und die Personalien derjenigen, die befugt sind, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten,

f)      –      die Auflösung der Gesellschaft, die Bestellung, die Personalien und die Befugnisse der Liquidatoren sowie den Abschluss der Liquidation gemäß der Offenlegung, die nach Artikel 14 Buchstaben h, j und k bei der Gesellschaft erfolgt,

–        ein die Gesellschaft betreffendes Konkursverfahren, Vergleichsverfahren oder ähnliches Verfahren;

g)      die Unterlagen der Rechnungslegung gemäß Artikel 31;

h)      die Aufhebung der Zweigniederlassung.

(2)      Der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung kann vorschreiben, dass Folgendes gemäß Artikel 29 offenzulegen ist:

b)      der Errichtungsakt und, sofern diese Gegenstand eines gesonderten Aktes gemäß Artikel 14 Buchstaben a, b und c ist, die Satzung sowie Änderungen dieser Unterlagen;

…“

B.      Deutsches Recht

1.      Handelsgesetzbuch

6.        In § 13e („Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland“) des Handelsgesetzbuchs (HGB) heißt es:

„(1)      Für Zweigniederlassungen von … Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland gelten ergänzend … die folgenden Vorschriften.

(3)      Für die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft gelten in Bezug auf die Zweigniederlassung … sowie § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung entsprechend.

…“

7.        In § 13g („Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland“) Abs. 1 bis 3 HGB heißt es:

„(1)      Für Zweigniederlassungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland gelten ergänzend die folgenden Vorschriften.

(2)      Der Anmeldung ist der Gesellschaftsvertrag in öffentlich beglaubigter Abschrift und, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht in deutscher Sprache erstellt ist, eine beglaubigte Übersetzung in deutscher Sprache beizufügen. Die Vorschriften des § 8 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 und 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind anzuwenden. …

(3)      Die Eintragung der Errichtung der Zweigniederlassung hat auch die Angaben nach § 10 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie … zu enthalten.“

2.      Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

8.        Nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (RGBl. 1898, S. 846, in der im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung, im Folgenden: GmbHG) kann

„Geschäftsführer … nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Geschäftsführer kann nicht sein, wer

2.      aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt,

3.      wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten

[aufgeführt in § 6 Abs. 2 Ziff. 3 Buchst. a bis e GmbHG]

verurteilt worden ist.

Satz 2 Nr. 3 gilt entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit den in Satz 2 Nr. 3 genannten Taten vergleichbar ist.“

9.        § 8 („Inhalt der Anmeldung“) Abs. 3 GmbHG lautet:

„In der Anmeldung haben die Geschäftsführer zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 entgegenstehen, und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. Die Belehrung nach § 53 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes kann schriftlich vorgenommen werden; sie kann auch durch einen Notar oder einen im Ausland bestellten Notar, durch einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten erfolgen.“

10.      Nach § 82 Abs. 1 bis 5 GmbHG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer „als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder als Geschäftsleiter einer ausländischen juristischen Person in der nach § 8 Abs. 3 Satz 1 … abzugebenden Versicherung … falsche Angaben macht“.

3.      Gesetz über das Zentralregister

11.      § 53 („Offenbarungspflicht bei Verurteilungen“) des Bundeszentralregistergesetzes vom 21. September 1984 (BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195) sieht in der seit dem 29. Juli 2017 geltenden Fassung (im Folgenden: BZRG) vor:

„(1)      Verurteilte dürfen sich als unbestraft bezeichnen und brauchen den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren, wenn die Verurteilung

1.      nicht in das Führungszeugnis oder nur in ein Führungszeugnis nach § 32 Abs. 3, 4 aufzunehmen oder

2.      zu tilgen ist.

(2)      Soweit Gerichte oder Behörden ein Recht auf unbeschränkte Auskunft haben, können Verurteilte ihnen gegenüber keine Rechte aus Absatz 1 Nr. 1 herleiten, falls sie hierüber belehrt werden.“

III. Sachverhalt, Verfahren vor dem Gerichtshof und Vorlagefragen

12.      All in One Star Ltd ist eine 2013 in das Handelsregister des Companies House in Cardiff eingetragene Gesellschaft mit auf den nominellen Betrag der Anteile beschränkter Haftung (private company limited by shares) mit satzungsmäßigem Sitz in Great Bookham (Vereinigtes Königreich).

13.      2014 meldete sie beim Amtsgericht – Registergericht – Frankfurt am Main (Deutschland) die Eintragung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister an.

14.      Das Registergericht teilte ihr mit Zwischenverfügung mit, der Anmeldung könne u. a. deshalb nicht entsprochen werden, weil erstens die Höhe des Stammkapitals der Beteiligten nicht angegeben sei und zweitens der Director und alleinige Gesellschafter der Gesellschaft in der Anmeldung zwar versichert habe, dass in seiner Person kein Umstand vorliege, der seiner Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 sowie Satz 3 GmbHG entgegenstehe, nicht aber, dass er insoweit auch über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht durch einen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten belehrt worden sei. All in One Star legte gegen diese Verfügung Beschwerde ein.

15.      Mit Beschluss vom 8. August 2017 wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Deutschland) diese Beschwerde gegen die Beanstandungen des Registergerichts zurück.

16.      All in One Star hat hiergegen Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (Deutschland) eingelegt. Nach dessen Auffassung hängt die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits von der Auslegung des Art. 30 der Richtlinie 2017/1132 sowie der Art. 49 und 54 AEUV ab.

17.      Dem vorlegenden Gericht zufolge unterliegt die Eintragung einer Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft in das deutsche Handelsregister den §§ 13d ff. HGB. Als Gesellschaft mit auf den nominellen Betrag der Anteile beschränkter Haftung (private company limited by shares) sei All in One Star der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung vergleichbar, so dass für die Eintragung ihrer inländischen Zweigniederlassung die für diese Gesellschaften geltenden Vorschriften entsprechend Anwendung fänden.

18.      Die Eintragung einer solchen Zweigniederlassung setze gemäß § 13g Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 8 Abs. 3 GmbHG voraus, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft bei der Anmeldung versichere, dass in seiner Person keines der in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2 und 3 sowie Satz 3 GmbHG genannten persönlichen Bestellungshindernisse bestehe. Außerdem habe er gemäß § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB in Verbindung mit § 8 Abs. 3 GmbHG zu versichern, dass er über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht durch einen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten belehrt worden sei.

19.      Das vorlegende Gericht führt aus, durch die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Abgabe einer solchen Versicherung solle das Anmeldungs- und Prüfungsverfahren für das Registergericht erleichtert werden. Ferner könne das Registergericht grundsätzlich unbeschränkte Auskunft verlangen. § 53 Abs. 2 BZRG setze zusätzlich voraus, dass der Betroffene über diese unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sei. Andernfalls dürfe er sich in bestimmten Fällen als unbestraft bezeichnen. Dagegen berührten die nach deutschem Recht geltenden Verpflichtungen nicht die Organstellung des Geschäftsführers nach dem für ihn geltenden ausländischen Gesellschaftsstatut, sondern verwehrten ihm, als Organ dieser Gesellschaft in Deutschland eine Zweigniederlassung zur Eintragung anzumelden.

20.      Die Verfahrensbevollmächtigte von All in One Star habe im Beschwerdeverfahren erklärt, sie habe deren Director vor der Abgabe seiner Erklärung entsprechend § 8 Abs. 3 GmbHG über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt. Die Erklärung müsse aber, so das vorlegende Gericht, von dem belehrten Geschäftsführer persönlich abgegeben werden und sei in öffentlich beglaubigter Form einzureichen.

21.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts wäre die Verpflichtung zur Abgabe der Versicherung gemäß § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB in Verbindung mit § 8 Abs. 3 GmbHG, sollte sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2017/1132 fallen, richtlinienwidrig. Allerdings sei der deutsche Gesetzgeber bei Einführung der genannten innerstaatlichen Bestimmungen davon ausgegangen, dass diese vom Anwendungsbereich der damals geltenden Richtlinie 89/666/EWG(5) nicht erfasst würden.

22.      Sollte die Verpflichtung zur Abgabe der Versicherung nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2017/1132 fallen, stelle sich die Frage ihrer Vereinbarkeit mit europäischem Primärrecht, konkret der Niederlassungsfreiheit gemäß den Art. 49 und 54 AEUV. Fraglich sei vor allem, ob diese Verpflichtung nicht über das hinausgehe, was zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels erforderlich sei. Zum einen gelte sie auch für ausländische Gesellschaften mit ausländischen Führungspersonen, bei denen nachhaltige Kenntnisse der deutschen Rechtsvorschriften in Bezug auf Bestellungshindernisse von Geschäftsführern nicht vorausgesetzt werden könnten. Diesem Personenkreis sei eine wahrheitsgemäße Versicherung daher nur sehr schwer möglich. Zum anderen diene die fragliche Verpflichtung bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte für die mangelnde Eignung einer Person für die Aufgabe des Geschäftsführers nur der vorbeugenden Bekämpfung von möglichen Missbräuchen der Niederlassungsfreiheit und von Betrügereien durch nach inländischem Recht ungeeignete Vertreter der Gesellschaft.

23.      Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Steht Art. 30 der Richtlinie 2017/1132 einer nationalen Regelung entgegen, nach der für die Eintragung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat in das Handelsregister die Angabe der Höhe des Stammkapitals oder eines vergleichbaren Kapitalwerts erforderlich ist?

2.      a)      Steht Art. 30 der Richtlinie 2017/1132 einer nationalen Regelung entgegen, nach der der Geschäftsführer der Gesellschaft bei Anmeldung der Eintragung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat in das Handelsregister die Versicherung abgeben muss, dass in seiner Person kein Bestellungshindernis nach nationalem Recht in Form eines gerichtlichen oder behördlichen Berufs- oder Gewerbeverbots, das mit dem Unternehmensgegenstand der Gesellschaft ganz oder teilweise übereinstimmt, oder in Form einer rechtskräftigen Verurteilung wegen bestimmter Straftaten vorliegt und dass er insoweit über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht durch einen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten belehrt worden ist?

b)      Falls die Frage 2a verneint wird:

Stehen die Art. 49 und 54 AEUV einer nationalen Regelung entgegen, nach der der Geschäftsführer der Gesellschaft bei Anmeldung der Eintragung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat in das Handelsregister eine solche Versicherung abgeben muss?

24.      All in One Star, die deutsche Regierung und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Verfahrensbeteiligten haben auch schriftlich Fragen des Gerichtshofs beantwortet, der entschieden hat, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

IV.    Prüfung der zweiten Vorlagefrage

25.      Mit seiner zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 30 der Richtlinie 2017/1132 oder die Art. 49 und 54 AEUV einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der bei Anmeldung der Eintragung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat in das Handelsregister die Person, die als Geschäftsführer dieser Zweigniederlassung eingetragen werden möchte, die Versicherung abgeben muss, dass zum einen in ihrer Person kein Bestellungshindernis nach nationalem Recht vorliegt und dass sie zum anderen insoweit über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht durch einen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten belehrt worden ist.

26.      Diese Vorlagefrage besteht aus zwei Teilen: Der erste betrifft die Beurteilung der nach deutschem Recht geltenden Verpflichtungen am Maßstab der Richtlinie 2017/1132 und der zweite die Beurteilung dieser Verpflichtungen am Maßstab der Art. 49 und 54 AEUV.

27.      Die Formulierung des Vorabentscheidungsersuchens kann den Eindruck erwecken, dass sich der zweite Teil der zweiten Frage nur stellt, wenn diese in ihrem ersten Teil verneint wird. Wie sich jedoch aus der Begründung des Vorabentscheidungsersuchens ergibt, wird dieser zweite Teil für den Fall gestellt, dass diese Verpflichtungen nicht unter die Richtlinie 2017/1132 fallen sollten. Denn die innerstaatlichen Bestimmungen, die in den Anwendungsbereich einer Richtlinie fallende Fragen betreffen, müssen anhand dieser Richtlinie geprüft werden, während solche, bei denen das nicht der Fall ist, am Maßstab des Primärrechts zu prüfen sind(6).

28.      Demgemäß werde ich nach der Prüfung der Zulässigkeit der zweiten Vorlagefrage (Abschnitt A) die beiden Teile dieser Frage in der vom vorlegenden Gericht vorgegebenen Reihenfolge prüfen (Abschnitte B und C).

A.      Zur Zulässigkeit

29.      Obwohl die Zulässigkeit der Vorlagefragen von den Verfahrensbeteiligten nicht in Zweifel gezogen worden ist, halte ich es für angebracht, diesen Aspekt in Bezug auf die zweite Vorlagefrage zu untersuchen.

30.      Ihrer Formulierung lässt sich entnehmen, dass diese zweite Frage zwei Verpflichtungen – und zwei zur Erfüllung dieser Verpflichtungen abzugebende Versicherungen – betrifft, die gelten, wenn eine Gesellschaft aus einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat errichten will. Erstens ist die Versicherung abzugeben, dass in der Person des Geschäftsführers dieser Gesellschaft kein Bestellungshindernis nach deutschem Recht vorliegt, und zweitens die Versicherung, dass dieser über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht durch einen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten belehrt worden ist.

31.      Der Begründung des Vorabentscheidungsersuchens zufolge hat der Director von All in One Star in der Anmeldung der Zweigniederlassung versichert, dass in seiner Person keines der gesetzlichen Bestellungshindernisse vorliegt. Die Versicherung, dass er über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt wurde, hat er dagegen nicht abgegeben.

32.      Die Zulässigkeit der zweiten Vorlagefrage kann daher zweifelhaft erscheinen, soweit sie sich auf die erste Verpflichtung bezieht. Ohne Auslegung des nationalen Rechts lässt sich indes nicht bestimmen, ob bei Fehlen der Versicherung betreffend die zweite Verpflichtung angenommen werden kann, dass die erste Verpflichtung im Ausgangsverfahren erfüllt worden ist.

33.      Jedenfalls geht aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, in Anbetracht der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit als auch die Erheblichkeit der Fragen, die es dem Gerichtshof vorlegt, zu beurteilen hat(7). Daher schlage ich vor, die zweite Frage als zulässig anzusehen.

B.      Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit der Richtlinie 2017/1132

34.      Mit dem ersten Teil der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2017/1132 den beiden Verpflichtungen entgegensteht, die für eine Gesellschaft aus einem Mitgliedstaat gelten, die in Deutschland eine Zweigniederlassung errichten möchte. Wie ich bereits in Nr. 27 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt habe, ist für die Prüfung dieser Verpflichtungen am Maßstab der Richtlinie 2017/1132 zunächst zu bestimmen, ob sie unter diese Richtlinie fallen. Hierfür ist vor der Prüfung des materiellen Anwendungsbereichs der Richtlinie 2017/1132 zu untersuchen, ob diese zeitlich auf das Ausgangsverfahren anwendbar ist.

1.      Zum zeitlichen Anwendungsbereich

35.      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Rechtsbeschwerdeführerin 2013 im Vereinigten Königreich eingetragen worden sei und 2014 die Eintragung einer Zweigniederlassung in das deutsche Handelsregister beantragt habe. Das Beschwerdeverfahren sei vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2017/1132 am 20. Juli 2017(8) eingeleitet worden. Das vorlegende Gericht habe jedoch im Rechtsbeschwerdeverfahren das bei Erlass seiner Entscheidung geltende Recht anzuwenden.

36.      Auch die Rechtsbeschwerdeführerin und die deutsche Regierung führen wie das vorlegende Gericht aus, dass nach der deutschen Rechtsprechung in einem Verfahren wie dem Ausgangsverfahren das bei Erlass der Entscheidung über das Rechtsmittel geltende Recht anzuwenden sei.

37.      Der Gerichtshof hat zwar im Urteil I.G.I.(9) befunden, dass, da der gesamte Sachverhalt des Ausgangsverfahrens vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2017/1132 liege, im Ausgangsverfahren die Vorgängerrichtlinie Anwendung finde. Entsprechend hat er sich im Urteil Miravitlles Ciurana u. a.(10) geäußert. Diese Ausführungen könnten nahelegen, dass die Richtlinie 2017/1132 auch im vorliegenden Ausgangsverfahren nicht anwendbar ist.

38.      Zu beachten ist jedoch, erstens, dass es in den beiden vorgenannten Urteilen um die Regelung ging, die auf die vor Klageerhebung eingetretenen Geschehnisse anwendbar war(11). In der vorliegenden Rechtssache geht es jedoch um die auf die Eintragung einer Zweigniederlassung anwendbare Regelung, und Gegenstand des Ausgangsverfahrens sind der Sache nach noch immer die bei dieser Anmeldung zur Eintragung angewandten Voraussetzungen. Unter diesen Umständen werde ich unter Berücksichtigung der übereinstimmenden Erläuterungen des vorlegenden Gerichts und der Verfahrensbeteiligten in Bezug auf die anwendbare Regelung die zweite Frage am Maßstab der Richtlinie 2017/1132 prüfen.

39.      Zweitens ist die Richtlinie 2017/1132 ihrem ersten Erwägungsgrund zufolge eine Kodifizierung der Richtlinien zum Gesellschaftsrecht. Diese Kodifizierung bewirkte u. a. die Ersetzung von Art. 2 der Richtlinie 89/666 durch Art. 30 der Richtlinie 2017/1132 ohne inhaltliche Änderung. Durch Art. 166 der Richtlinie 2017/1132 wird die Richtlinie 89/666 unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Umsetzung der Gesellschaftsrechtsrichtlinien aufgehoben. Nach dieser Bestimmung gelten zudem Bezugnahmen auf die aufgehobenen Richtlinien als solche auf die Richtlinie 2017/1132.

40.      Drittens schließlich wird die Überlegung zur zeitlichen Anwendung der Richtlinie 2017/1132 auf das Ausgangsverfahren nicht dadurch in Frage gestellt, dass diese Richtlinie seither durch die Richtlinie 2019/1151(12) in mehrfacher Hinsicht geändert wurde. Hierzu erläutert die deutsche Regierung, eine Anwendung der durch die Richtlinie 2019/1151 eingeführten Änderungen der Richtlinie 2017/1132 komme nach deutschem Recht nicht in Betracht, da die in Art. 2 der erstgenannten Richtlinie festgelegten Umsetzungsfristen noch nicht abgelaufen seien. Darüber hinaus muss ich darauf hinweisen, dass in der Richtlinie 2019/1151, anders als in der Richtlinie 2017/1132, die die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Umsetzung der früheren Richtlinien unberührt ließ, die Fristen für die Umsetzung der mit ihr eingeführten Änderungen festgelegt worden sind.

41.      Somit ist nun festzustellen, ob die Richtlinie 2017/1132 auf das Ausgangsverfahren materiell anwendbar ist.

2.      Zum materiellen Anwendungsbereich

42.      Nach ihrem Art. 1 legt die Richtlinie 2017/1132 Vorschriften u. a. für die Offenlegung von Zweigniederlassungen fest, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen(13). Die insoweit geltenden Bestimmungen sind in ihrem Titel I Kapitel III Abschnitt 2 („Offenlegungsvorschriften für Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten“) enthalten.

43.      Nach Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2017/1132 sind die Urkunden und Angaben über eine Zweigniederlassung, die in einem Mitgliedstaat von einer in Anhang II genannten Gesellschaft errichtet worden ist, welche dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegt, nach dem Recht des Mitgliedstaats der Zweigniederlassung offenzulegen. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Rechtsbeschwerdeführerin als private company limited by shares zu den in Anhang II der Richtlinie 2017/1132 genannten Gesellschaften (companies incorporated with limited liability) gehöre. Folglich unterliegen, wie das vorlegende Gericht ausführt, die Urkunden und Angaben über eine Zweigniederlassung der Rechtsbeschwerdeführerin den Offenlegungsregeln des genannten Abschnitts 2 dieser Richtlinie, einschließlich der in ihrem Art. 30 vorgesehenen.

44.      Fraglich ist jedoch, ob die Versicherungen im Zusammenhang mit den im deutschen Recht vorgesehenen Verpflichtungen Urkunden oder Angaben darstellen, die unter die Offenlegungspflicht gemäß den Art. 29 ff. der Richtlinie 2017/1132 fallen.

a)      Standpunkte der Verfahrensbeteiligten

45.      Die Rechtsbeschwerdeführerin macht geltend, nach Art. 30 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2017/1132 seien die Bestellung, das Ausscheiden und die Personalien der Vertreter der Gesellschaft bei der Eintragung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister offenzulegen. Sie schließt daraus, dass in dieser Bestimmung der Richtlinie 2017/1132 die Personalien der Vertreter abschließend geregelt seien. Dafür spreche auch deren achter Erwägungsgrund, wonach die Offenlegung Dritten erlauben solle, sich insbesondere über die Personalien derjenigen, welche die Gesellschaft verpflichten könnten, zu unterrichten.

46.      Dagegen ergibt sich nach Ansicht der deutschen Regierung aus Art. 30 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2017/1132 im Umkehrschluss, dass diese Richtlinie lediglich die Bestellung, das Ausscheiden und die Personalien des Vertreters der Gesellschaft betreffe. Ferner beziehe sich die Verpflichtung zur Abgabe der Versicherung, dass der Geschäftsführer über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht qualifiziert belehrt worden sei, auf den Teil des Registerverfahrens, der die Eintragung einer Zweigniederlassung betreffe. Diese Verpflichtung sei in einer Verfahrensbestimmung vorgesehen.

47.      Im gleichen Sinne macht die Kommission geltend, bei der Versicherung über die persönliche Eignung des Geschäftsführers handle es sich nicht um die Offenlegung von relevanten Eigenschaften einer Zweigniederlassung, sondern um eine verwaltungs- und verfahrensrechtliche Voraussetzung des deutschen Gesellschaftsrechts.

b)      Würdigung

48.      Für eine sachdienliche Beantwortung des ersten Teils der zweiten Vorlagefrage ist zu prüfen, ob die nach deutschem Recht bestehenden Verpflichtungen Offenlegungspflichten im Sinne von Art. 30 der Richtlinie 2017/1132 oder – wie die deutsche Regierung und die Kommission der Sache nach geltend machen – Voraussetzungen für die Errichtung oder die Eintragung einer Gesellschaft oder einer Zweigniederlassung derselben sind.

49.      In diesem Zusammenhang lassen sich dem Urteil Inspire Art(14) nützliche Hinweise entnehmen.

50.      Aus diesem Urteil geht zum einen hervor, dass eine nationale Bestimmung, wonach im Handelsregister des Aufnahmemitgliedstaats der Wohnsitz des Alleingesellschafters anzugeben ist, unter Art. 2 der Richtlinie 89/666 fällt und folglich unter Art. 30 der Richtlinie 2017/1132 fiele. Denn in diesem Urteil hat der Gerichtshof befunden, dass Art. 2 der Richtlinie 89/666 einer Bestimmung, mit der der Zweigniederlassung einer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft eine solche Verpflichtung auferlegt wird, entgegensteht, da diese in der Richtlinie 89/666 nicht vorgesehen ist(15). Die Richtlinie 89/666 kann einer derartigen Verpflichtung aber nur entgegenstehen, wenn diese in den materiellen Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.

51.      Art. 2 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 89/666 sah vor – wie es nunmehr Art. 30 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2017/1132 vorsieht –, dass sich die Pflicht zur Offenlegung auf die Urkunden und Angaben betreffend die Bestellung, das Ausscheiden und die Personalien derjenigen erstreckte, die befugt sind, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Den Erwägungsgründen 8 und 16 der Richtlinie 2017/1132 zufolge soll die Offenlegungspflicht Dritte schützen, die über eine Zweigniederlassung mit einer Gesellschaft in Beziehung treten. Die Kenntnis des Wohnsitzes des Vertreters der Gesellschaft ist für den Schutz dieser Dritten grundsätzlich nicht von Nutzen. Unter diesen Umständen erlaubt die Offenlegung des Wohnsitzes des Vertreters, obwohl sie diesen betrifft und als Offenlegungspflicht unter die Richtlinien 89/666 und 2017/1132 fällt, als solche nicht, diesen Vertreter zu identifizieren. Diese Offenlegung kann folglich einer Offenlegung der „Personalien“ im Sinne dieser Richtlinien nicht gleichgestellt werden.

52.      Zum anderen ergibt sich aus dem Urteil Inspire Art(16), dass die Richtlinie 89/666 demgegenüber nicht auf die nationalen Bestimmungen anwendbar war, nach denen die Gründung einer Zweigniederlassung in einem Aufnahmemitgliedstaat bestimmten in diesem Mitgliedstaat für die Gründung einer Gesellschaft geltenden Regeln unterliegt. Gleiches muss für die Richtlinie 2017/1132 gelten.

53.      Überträgt man die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Inspire Art(17) auf den vorliegenden Fall, so erscheint zweifelhaft, ob eine Verpflichtung zur Abgabe einer Versicherung in Bezug auf Umstände, die zur Disqualifizierung eines Vertreters eines Gesellschaft führen können, einer Offenlegungspflicht gleichgestellt werden kann. Nach § 6 Abs. 2 GmbHG bezieht sich diese Versicherung auf Umstände, die – insbesondere bei der Gründung einer Gesellschaft in Deutschland – die persönliche Eignung einer Person bestimmen, als deren Geschäftsführer eingetragen zu werden. Hinsichtlich der Versicherung, dass der Geschäftsführer über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht durch einen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten belehrt worden ist, weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass „ohne diese Versicherung keine Eintragung in das Handelsregister erfolg[en]“ könne. Unter bestimmten Umständen ist die Pflicht zur Abgabe dieser Versicherung auch strafbewehrt. Folglich ist die Verpflichtung eines Geschäftsführers zur Abgabe dieser beiden Versicherungen nicht mit der Unterwerfung der Gründung einer Zweigniederlassung in einem Aufnahmemitgliedstaat unter die Offenlegungspflichten, sondern mit der Unterwerfung unter bestimmte in diesem Mitgliedstaat geltende Regeln für die Gründung einer Gesellschaft vergleichbar.

54.      Ferner bestätigt auch die Richtlinie 2019/1151, dass die Versicherungen bezüglich der mit der persönlichen Eignung zusammenhängenden Umstände von vornherein nicht zum Gegenstand der Richtlinie 2017/1132 gehören.

55.      Wie die deutsche Regierung ausführt, wurden mit der Richtlinie 2019/1151 Bestimmungen über „disqualifizierte Geschäftsführer“ in die Richtlinie 2017/1132 eingefügt. Die Kommission verweist insbesondere auf Art. 13i Abs. 2 der Richtlinie 2017/1132 in der durch die Richtlinie 2019/1151 geänderten Fassung, wonach „[d]ie Mitgliedstaaten … verlangen [können], dass Personen, die sich als Geschäftsführer bewerben, erklären, ob ihnen Umstände bekannt sind, die dazu führen könnten, dass sie im betreffenden Mitgliedstaat disqualifiziert werden“, und „die Ernennung einer Person als Geschäftsführer einer Gesellschaft ablehnen [können], wenn diese zur fraglichen Zeit in einem anderen Mitgliedstaat für diese Tätigkeit disqualifiziert ist“.

56.      In diesem Zusammenhang wurde Art. 1 der Richtlinie 2017/1132, der deren Gegenstand festlegt(18), durch die Richtlinie 2019/1151 nur durch die Einfügung des Satzteils „Regelungen zur Online-Gründung von Gesellschaften, zur Online-Eintragung von Zweigniederlassungen und zur Online-Einreichung von Urkunden und Informationen durch Gesellschaften und Zweigniederlassungen“ geändert. Daraus ist zu schließen, dass nationale Bestimmungen über die Erklärungen der Kandidaten für die Aufgabe des Geschäftsführers betreffend die Hindernisse für ihre Bestellung im Sinne von Art. 13i der Richtlinie 2017/1132 in der durch die Richtlinie 2019/1151 geänderten Fassung aus der Sicht des Unionsgesetzgebers Vorschriften über die Gründung von Gesellschaften oder die Eintragung von Zweigniederlassungen sind. Für den Unionsgesetzgeber betreffen solche Bestimmungen dagegen nicht, um den ursprünglichen Wortlaut von Art. 1 der Richtlinie 2017/1132 aufzugreifen, „die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen“.

57.      Daher ist festzustellen, dass die in der zweiten Vorlagefrage bezeichneten Verpflichtungen nicht in den materiellen Anwendungsbereich der Richtlinie 2017/1132 fallen. Gemäß den Ausführungen in Nr. 27 der vorliegenden Schlussanträge ist nunmehr zu prüfen, ob diese Verpflichtungen mit den Art. 49 und 54 AEUV vereinbar sind.

C.      Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit der Niederlassungsfreiheit

58.      Das vorlegende Gericht selbst ist der Ansicht, dass die Verpflichtungen, die nach deutschem Recht für den Geschäftsführer einer Gesellschaft gelten, die eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat errichten möchte, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen.

59.      Wie das vorlegende Gericht ausführt, sind nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch das Primärrecht garantierten Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, unter vier engen Voraussetzungen gerechtfertigt. Sie müssen erstens in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen zweitens aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und drittens zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein, und sie dürfen viertens nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei(19).

60.      Dem vorlegenden Gericht zufolge sind nach Ansicht des deutschen Gesetzgebers die in der zweiten Vorlagefrage bezeichneten Versicherungen durch das zwingende Erfordernis des Schutzes des geschäftlichen Verkehrs vor ungeeigneten Vertretern einer Gesellschaft gerechtfertigt. Ziel sei es, zu verhindern, dass Personen, die nach deutschem Recht ungeeignet wären, als Organe einer Auslandsgesellschaft im Inland eine Zweigniederlassung eintragen ließen und damit die inländischen Bestellungshindernisse für Geschäftsführer umgingen. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts dienen diese Verpflichtungen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, nämlich dem Gläubigerschutz und dem Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs vor ungeeigneten Vertretern einer Gesellschaft.

61.      Das vorlegende Gericht ist jedoch der Auffassung, dass die Verpflichtungen über das zur Erreichung der genannten Ziele Erforderliche hinausgingen, weil die Geschäftsführer der ausländischen Gesellschaft damit einer sogar strafbewehrten Erklärungspflicht unterworfen würden. Bei ausländischen Geschäftsführern könnten aber nachhaltige Kenntnisse der inländischen Rechtslage in Bezug auf Hindernisse für ihre Bestellung nicht vorausgesetzt werden.

62.      Die Aufstellung solcher Anforderungen solle allein vorbeugend sicherstellen, dass inländische Bestellungshindernisse nicht auf dem Weg der Zweigniederlassung umgangen würden. Damit diene sie der vorbeugenden Bekämpfung von Missbräuchen der Niederlassungsfreiheit und von Betrügereien durch nach inländischem Recht ungeeignete Vertreter der Gesellschaft. Das könne jedoch nach dem Urteil Centros(20) keine Verweigerung der Eintragung der Zweigniederlassungsanmeldung rechtfertigen.

1.      Standpunkte der Verfahrensbeteiligten

63.      Alle Verfahrensbeteiligten räumen ein, dass die in der zweiten Vorlagefrage bezeichneten Verpflichtungen aus der Sicht der Art. 49 und 54 AEUV eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen; dieser Ansicht ist auch die Rechtsbeschwerdeführerin für den Fall, dass diese Verpflichtungen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2017/1132 fallen.

64.      Die Rechtsbeschwerdeführerin schließt sich der Auffassung des vorlegenden Gerichts an und rügt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die über das hinausgehe, was zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele erforderlich sei. Im gleichen Sinne macht die Kommission geltend, die fraglichen Versicherungen würden verlangt, obwohl der Geschäftsführer bereits in einem anderen Mitgliedstaat ordnungsgemäß zum Geschäftsführer bestellt worden sei. Dieser Geschäftsführer müsse somit ein zweiten Mal Nachweise über seine Befähigung als Geschäftsführer erbringen. Dies verstoße gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, aus dem sich u. a. ergebe, dass eine Verdoppelung, also die neuerliche Erbringung, von in einem anderen Mitgliedstaat bereits erbachten Formalitäten vermieden werden solle.

65.      Dagegen macht die deutsche Regierung geltend, die Art. 49 und 54 AEUV stünden der betreffenden Verpflichtung nicht entgegen, die durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, nämlich den Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs, gerechtfertigt sei. Diese Verpflichtung sei nicht diskriminierend, sie sei zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet, und sie sei verhältnismäßig. Eigene Recherchen des deutschen Registergerichts zu etwa bestehenden Bestellungshindernissen könnten die Erreichung dieses Ziels nicht gleichermaßen sicherstellen. Solche Recherchen würden ein bereits etabliertes System des automatisierten Informationsaustauschs zwischen den Registern der Mitgliedstaaten erfordern, wie es erstmals in dem mit der Richtlinie 2019/1151 eingefügten Art. 13i der Richtlinie 2017/1132 vorgesehen sei. Die Verpflichtung zur Abgabe der Versicherung nach § 8 GmbHG sei auch angemessen, da sie vorbeugend sicherstellen solle, dass inländische Bestellungshindernisse nicht durch die Errichtung von Zweigniederlassungen von in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaften umgangen würden.

2.      Würdigung

a)      Geltung der Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern für Zweigniederlassungen von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Gesellschaften

66.      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die in der zweiten Vorlagefrage bezeichneten Verpflichtungen vorbeugend und allgemein für Gesellschaften, die bereits nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats niedergelassen sind, und für die Geschäftsführer solcher Gesellschaft gelten, auch wenn diese als Geschäftsführer dieser Gesellschaften im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung eingetragen sind. Die Geltung dieser Verpflichtungen für die Geschäftsführer von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Gesellschaften beruht somit auf der Prämisse, dass die im deutschen Recht vorgesehenen Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern für diese Geschäftsführer gelten(21).

67.      Gemäß den Ausführungen in Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge knüpfen solche Hindernisse aus der Sicht des Unionsgesetzgebers an die Voraussetzungen für die Gründung von Gesellschaften oder gegebenenfalls die Eintragung ihrer Zweigniederlassungen an.

68.      Die in Art. 54 AEUV genannten Gesellschaften haben das Recht, ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat u. a. durch eine Zweigniederlassung auszuüben, wobei ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung dazu dient, ihre Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Mitgliedstaats zu bestimmen(22). Die Niederlassungsfreiheit für diese Gesellschaften umfasst u. a. deren Gründung und Leitung zu den vom Mitgliedstaat der Niederlassung für seine eigenen Gesellschaften festgelegten Bedingungen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Anwendung der deutschen Bestimmungen über die Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern nicht die Überlegung zugrunde zu liegen scheint, dass die Belegenheit des satzungsmäßigen Sitzes einer Zweigniederlassung in Deutschland die völlige Zugehörigkeit einer Gesellschaft zur Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats bedeutet(23).

69.      Unter diesen Umständen trifft es zwar zu, dass es keiner völligen Negierung der Niederlassungsfreiheit gleichkommt, wenn die Eintragung einer Zweigniederlassung zusätzlichen Voraussetzungen unterworfen wird, mit denen solche Hindernisse im Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Mitgliedstaats der Niederlassung der Gesellschaft aufgestellt werden, dem diese Gesellschaft zugehörig ist(24). Es erschwert jedoch zumindest eine Eintragung und stellt damit eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar(25).

70.      Es trifft auch zu, dass die in Rede stehenden Voraussetzungen nicht eine Gesellschaft selbst betreffen, sondern unmittelbar die persönliche Eignung des Geschäftsführers einer Gesellschaft. Jedoch führt die Nichtbeachtung dieser Voraussetzungen dazu, dass die Eintragung einer Zweigniederlassung dieser Gesellschaft abgelehnt wird. Daher ist festzustellen, dass die nach deutschem Recht bestehenden Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern nicht im Rahmen der eigentlichen Tätigkeit der Gesellschaften gelten, sondern vielmehr die Gründung einer Gesellschaft oder deren spätere Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat betreffen(26).

71.      Im Urteil Segers(27) hat der Gerichtshof festgestellt, dass eine Diskriminierung eines Geschäftsführers in Bezug auf den sozialen Schutz nach Maßgabe des Ortes des Sitzes der von ihm geleiteten Gesellschaft die Freiheit der Gesellschaften eines anderen Mitgliedstaats, sich mittels einer Agentur, einer Zweigniederlassung oder einer Tochtergesellschaft in dem betreffenden Mitgliedstaat niederzulassen, mittelbar einschränkt. Erst recht wird diese Freiheit auch durch die Anwendung zusätzlicher Voraussetzungen eingeschränkt, mit denen Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern errichtet werden.

72.      In diesem Zusammenhang kann ein Mitgliedstaat, in dem die Eintragung einer Zweigniederlassung beantragt wird, Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass sich einige seiner Staatsangehörigen unter Missbrauch der durch den Vertrag geschaffenen Möglichkeiten der Anwendung des nationalen Rechts entziehen(28). Es ist daher zu prüfen, ob die Anwendung der in einem solchen Mitgliedstaat geltenden Bestimmungen über Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern auf die Zweigniederlassungen von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Gesellschaften durch dieses Ziel gerechtfertigt ist.

b)      Zur Bekämpfung des Missbrauchs der Niederlassungsfreiheit

73.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Begriff des Rechtsmissbrauchs ein autonomer Begriff des Unionsrechts, wonach „[d]ie Feststellung eines Missbrauchs … zum einen voraus[setzt], dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der [unions]rechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde. Zum anderen setzt sie ein subjektives Element voraus, nämlich die Absicht, sich einen [unions]rechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden“(29).

74.      Im Kontext der Berücksichtigung der Ziele, die mit den Bestimmungen des Unionsrechts verfolgt werden, auf die sich eine Person nicht missbräuchlich oder betrügerisch berufen kann, scheint der Gerichtshof im Urteil Centros(30) bei den nationalen Bestimmungen, deren Anwendung sich die Betroffenen zu entziehen versuchten, eine Unterscheidung zwischen Bestimmungen über die Errichtung von Gesellschaften einerseits und solchen über die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten andererseits vorgenommen zu haben. Er hat hierzu festgestellt, dass die in Rede stehenden nationalen Bestimmungen in die erste Kategorie fielen und dass sich ihre Anwendung unter den gegebenen Umständen nicht mit der Bekämpfung des Missbrauchs der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen ließ. Im Schrifttum ist daraus geschlossen worden, dass von einem Missbrauch eher die Rede sein kann, wenn beabsichtigt ist, sich der Anwendung der Regeln über die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten zu entziehen(31)

75.      Die im deutschen Recht vorgesehenen Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern gelten jedoch für jegliche berufliche Tätigkeit, die über eine Zweigniederlassung ausgeübt wird, und knüpfen angesichts der mit der Richtlinie 2019/1151 erfolgten Entwicklungen an die Voraussetzungen für die Gründung von Gesellschaften oder die Eintragung von Zweigniederlassungen an(32).

76.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann zudem das Vorliegen von Missbrauch oder Betrug nicht systematisch und allgemein vermutet werden. Die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit kann vielmehr nur aufgrund einer Einzelfallprüfung verwehrt werden(33).

77.      In diesem Zusammenhang gibt es keinen objektiven oder subjektiven Anhaltspunkt dafür, dass der Antrag auf Eintragung einer Zweigniederlassung in das Handelsregister im Ausgangsverfahren ein missbräuchliches oder betrügerisches Verhalten darstellt. Zudem führt das vorlegende Gericht aus, es stehe weder fest, dass im vorliegenden Fall in der Person des Director ein Bestellungshindernis nach deutschem Recht bestehe, noch lägen Anhaltspunkte dafür vor. Die vorbeugende und allgemeine Anwendung der Bestimmungen über die Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern und über die in der zweiten Vorlagefrage bezeichneten Verpflichtungen aus Gründen der Bekämpfung des Missbrauchs der Niederlassungsfreiheit scheint somit auf der Prämisse zu beruhen, dass mit jeder Eintragung einer Zweigniederlassung in Deutschland beabsichtigt wird, sich diesen Hindernissen zu entziehen. Im Licht der Ausführungen in der vorstehenden Nummer kann weder die Anwendung dieser Voraussetzungen noch die der Bestimmungen, mit denen diese Verpflichtungen aufgestellt werden, als insoweit mit den Art. 49 und 54 AEUV vereinbar angesehen werden.

78.      Nur ergänzend macht die deutsche Regierung geltend, die mit der Richtlinie 2019/1151 eingetretenen Entwicklungen in Bezug auf disqualifizierte Geschäftsführer(34) zeigten, dass die Mitgliedstaaten unter der Geltung dieser Richtlinie weiter ermächtigt seien, selbst die erforderliche persönliche Eignung des Vertreters einer Gesellschaft zu definieren. Es gebe keinen Grund, warum die Mitgliedstaaten sich nicht des Instruments der vorbeugenden Missbrauchskontrolle sollten bedienen können.

79.      Diese Entwicklungen – die im Ausgangsverfahren keine Anwendung finden – stellen indes die Ausführungen in den vorstehenden Nummern dieser Schlussanträge nicht in Frage.

80.      Nach dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/1151 soll diese zwar die notwendigen Garantien gegen Missbrauch und Betrug bieten. In diesem Rahmen erlaubt deren 23. Erwägungsgrund den Mitgliedstaaten, die Ernennung einer Person zum Geschäftsführer einer Gesellschaft abzulehnen, wobei sie nicht nur das frühere Verhalten dieser Person in ihrem Hoheitsgebiet berücksichtigen, sondern, wenn dies im nationalen Recht vorgesehen ist, auch die von anderen Mitgliedstaaten bereitgestellten Informationen. Ebenso sollten nach dem 24. Erwägungsgrund dieser Richtlinie die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten, um den Schutz aller Personen sicherzustellen, die mit Gesellschaften oder Zweigniederlassungen interagieren, und um betrügerisches oder anderweit missbräuchliches Verhalten zu verhindern, die Möglichkeit haben, zu überprüfen, ob den Personen, die als Geschäftsführer ernannt werden sollen, die Ausübung der Tätigkeiten eines Geschäftsführers nicht untersagt ist.

81.      Der Begründung des Entwurfs der Richtlinie 2019/1151(35) zufolge liefert Art. 13i der Richtlinie 2017/1132 in der durch die erstgenannte Richtlinie geänderten Fassung den Mitgliedstaaten einen Rechtsrahmen für die Anforderung von Informationen von anderen Mitgliedstaaten über Personen, die als Geschäftsführer für ungeeignet erklärt wurden. Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten bei anderen Mitgliedstaaten prüfen, ob eine Person, die als Geschäftsführer einer Gesellschaft eingetragen werden soll, in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen nationalen Rechtsvorschriften dazu für ungeeignet erklärt wurde.

82.      Der Richtlinie 2019/1151 liegt die Prämisse zugrunde, dass in diesem Rechtsrahmen die systematische und allgemeine vorbeugende Bekämpfung von missbräuchlichem oder betrügerischem Verhalten in Form der Gründung einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu dem Zweck, sich einer Untersagung der Ausübung der Tätigkeiten eines Geschäftsführers zu entziehen, im Mitgliedstaat der Niederlassung der Gesellschaft erfolgen kann. In diesem Zusammenhang kann ein Mitgliedstaat gemäß Art. 13i Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2017/1132 in der durch die Richtlinie 2019/1151 geänderten Fassung die Ernennung einer Person als Geschäftsführer einer Gesellschaft ablehnen, wenn diese zur fraglichen Zeit in einem anderen Mitgliedstaat für diese Tätigkeit disqualifiziert ist.

83.      Diese Erwägung wird durch die Analyse anderer Bestimmungen der Richtlinie 2019/1151 bestätigt.

84.      Wie die Kommission geltend macht, gehören nach Art. 13g Abs. 3 Buchst. f der Richtlinie 2017/1132 in der durch die Richtlinie 2019/1151 geänderten Fassung zu den von den Mitgliedstaaten zu erlassenden Regelungen über die Online-Gründung von Gesellschaften u. a. Regeln über „die Verfahren zur Überprüfung der Bestellung von Geschäftsführern“. Art. 28a dieser Richtlinie enthält ähnliche Bestimmungen über die Online-Eintragung von Zweigniederlassungen. Die in Art. 28a Abs. 3 enthaltene Aufzählung der Bereiche, in denen die Mitgliedstaaten die vorgesehenen Regelungen erlassen müssen, ist zwar der in Art. 13g sehr ähnlich, doch sind in ihr die Verfahren zur Überprüfung der Geschäftsführer nicht genannt.

85.      Zu prüfen ist noch, ob eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die sich aus der Anwendung der deutschen Bestimmungen über die Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern ergibt, aus anderen sowohl vom vorlegenden Gericht als auch von der deutschen Regierung angeführten Gründen gerechtfertigt sein kann, nämlich durch den Schutz der Gläubiger und der Lauterkeit des Handelsverkehrs.

c)      Zum Schutz der Gläubiger und der Lauterkeit des Handelsverkehrs

86.      Obwohl der Schutz der Gläubiger und der Lauterkeit des Handelsverkehrs einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt(36), müssen die aus diesem Grund gerechtfertigten Maßnahmen auch den in Nr. 59 der vorliegenden Schlussanträge genannten Kriterien der Nichtdiskriminierung, der Wirksamkeit und der Verhältnismäßigkeit genügen.

87.      Da die nach deutschem Recht bestehenden Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern auch für in Deutschland niedergelassene Gesellschaften gelten, ist zunächst festzustellen, dass nichts darauf hinweist, dass diese Voraussetzungen in diskriminierender Weise angewandt werden.

88.      Was sodann den Schutz der Gläubiger und der Lauterkeit des Handelsverkehrs angeht, bedeutet zwar der Umstand, dass gegen eine Person, die ordnungsgemäß zum Geschäftsführer einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft bestellt worden ist, die Bestellungshindernisse nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2 und 3 sowie Satz 3 GmbHG bestehen, nicht notwendig, dass diese Person nicht befugt ist, die Gesellschaft außergerichtlich zu vertreten.

89.      Nach deutschem Recht gehört jedoch zu den Hindernissen für die Bestellung von Geschäftsführern zum einen ein gerichtliches oder behördliches Berufs- oder Gewerbeverbot, das der Tätigkeit der Zweigniederlassung entspricht. Ein solches Verbot gilt gerade dem Schutz des Handelsverkehrs. Zum anderen gehören zu diesen Bestellungshindernissen auch Verurteilungen wegen bestimmter vorsätzlich begangener Straftaten, und zwar solcher auf dem Gebiet des Insolvenzrechts, falscher oder unrichtiger Angaben im Geschäftsleben sowie Betrugs und Untreue. Nur das in Verurteilungen wegen solcher Straftaten bestehende Hindernis kann tatsächlich mit der Absicht zusammenhängen, die Lauterkeit des Handelsverkehrs zu schützen.

90.      Was schließlich ihre Verhältnismäßigkeit betrifft, gehen die nach deutschem Recht geltenden Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern nicht über das hinaus, was zur Erreichung des mit den entsprechenden Bestimmungen verfolgten Ziels erforderlich ist. Obwohl diese Hindernisse auch für Personen gelten, die bereits ordnungsgemäß als Geschäftsführer von Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten eingetragen sind, kann in Ermangelung einer Harmonisierung derartiger Hindernisse auf Unionsebene nicht vermutet werden, dass in jedem Mitgliedstaat ähnliche Hindernisse vorgesehen sind, so dass die nach deutschem Recht bestehenden Bestellungshindernisse zu einer Verdoppelung der Hindernisse oder der Formalitäten führen würden. Bei Gründung einer Gesellschaft lässt sich im Übrigen nicht abschließend vorhersehen, welche Entscheidungen diese hinsichtlich der Eintragung ihrer Zweigniederlassungen treffen wird. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass der Mitgliedstaat der Niederlassung einer Gesellschaft nicht in der Lage ist, die Beachtung der im Aufnahmemitgliedstaat der Zweigniederlassungen dieser Gesellschaft für die Bestellung von Geschäftsführern geltenden Verpflichtungen in vollem Umfang sicherzustellen. Ferner erlaubt die Anwendung der Bestimmungen über diese Hindernisse, die Wirksamkeit von gerichtlichen und behördlichen Berufs- oder Gewerbeverboten innerhalb der Union sicherzustellen.

91.      Zusammenfassend ist festzustellen, dass es somit eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt, wenn die Eintragung einer Zweigniederlassung von nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Mitgliedstaats der Niederlassung geltenden zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird, mit denen Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern von Gesellschaften errichtet werden, wie es im deutschen Recht der Fall ist. Diese Beschränkung kann jedoch zum Schutz der Gläubiger und der Lauterkeit des Handelsverkehrs gerechtfertigt sein.

92.      Festzustellen ist nun, ob dies auch für die in der zweiten Vorlagefrage bezeichneten Verpflichtungen gilt. Die Vereinbarkeit der aus dem nationalen Recht folgenden Bestellungshindernisse mit dem Unionsrecht impliziert nicht, dass dies notwendig für jede Maßnahme gilt, die es erlaubt, das Fehlen solcher Hindernisse nach diesem Recht zu prüfen.

d)      Zur Rechtfertigung der in Rede stehenden Verpflichtungen unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Gläubiger und der Lauterkeit des Handelsverkehrs

93.      Da die in der zweiten Vorlagefrage bezeichneten Verpflichtungen unter denselben Voraussetzungen gelten wie die im deutschen Recht vorgesehenen Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern von Gesellschaften, erlaubt nichts die Feststellung, dass diese Verpflichtungen in diskriminierender Weise angewandt werden.

94.      Die Wirksamkeit der Verpflichtung zur Abgabe der Versicherung, dass solche Hindernisse nicht bestehen, unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Gläubiger und der Lauterkeit des Handelsverkehrs wird in der Richtlinie 2019/1151 anerkannt. Der mit dieser Richtlinie in die Richtlinie 2017/1132 eingeführte Art. 13i Abs. 2 sieht im Licht der Erwägungsgründe 23 und 24 der Richtlinie 2019/1151 vor, dass die Mitgliedstaaten zum Schutz aller Personen, die mit Gesellschaften interagieren, verlangen können, dass „Personen, die sich als Geschäftsführer bewerben, erklären, ob ihnen Umstände bekannt sind, die dazu führen könnten, dass sie im betreffenden Mitgliedstaat disqualifiziert werden“.

95.      In Ermangelung eines Systems des automatischen Informationsaustauschs über die Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern von Gesellschaften scheint diese Verpflichtung nicht über das hinauszugehen, was zur Erreichung des Ziels des Schutzes der Gläubiger und der Lauterkeit des Handelsverkehrs erforderlich ist, ohne die betroffenen Personen unverhältnismäßig zu belasten. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Kenntnis der zwingenden Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats der Eintragung einer Niederlassung, in denen dafür mit der Vertrauenswürdigkeit im Geschäftsleben zusammenhängende Hindernisse aufgestellt werden, wie sie das deutsche Recht vorsieht, eine besonders eingehende Beschäftigung mit diesem Recht erfordert.

96.      Während die Verpflichtung zur Abgabe der Versicherung, dass keine Hindernisse für die Bestellung von Geschäftsführern von Gesellschaften bestehen, gerechtfertigt ist, gilt dies nicht für die Verpflichtung zur Abgabe der Versicherung, dass der Geschäftsführer über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht durch einen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten belehrt worden ist.

97.      Es ist nämlich durch nichts gerechtfertigt, dass diese Versicherung nur von einem Geschäftsführer und nicht von der Person abgegeben werden kann, die ihn über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt hat. Zudem ergibt sich die Verpflichtung zur Abgabe dieser Versicherung eher aus den nationalen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der strafrechtlichen Haftung. In Ermangelung dieser Versicherung wäre der Betroffene berechtigt, bestimmte Verurteilungen nicht zu offenbaren, und die für unrichtige Erklärungen über diese Verurteilungen vorgesehenen Sanktionen wären in seinem Fall nicht anwendbar. Das Interesse eines Mitgliedstaats an der Ausweitung der strafrechtlichen Haftung der Geschäftsführer auf Erklärungen, die das Bestehen von Hindernissen für ihre Bestellung betreffen, kann jedoch nicht unbedingt mit dem Interesse am Schutz der Gläubiger gleichgesetzt werden. Es würde genügen, dass Geschäftsführer grundsätzlich nicht von der Pflicht zur Angabe dieser Verurteilungen befreit sind.

98.      Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die vorstehenden Ausführungen nicht der Frage vorgreifen, ob die strafrechtlichen Sanktionen, mit denen die in der zweiten Vorlagefrage bezeichneten Verpflichtungen bewehrt sind, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

V.      Ergebnis

99.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die zweite Frage des Bundesgerichtshofs (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

1.      Die Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtungen, wonach bei der Anmeldung der Eintragung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Geschäftsführer der Gesellschaft die Versicherung abgeben muss, dass in seiner Person kein Bestellungshindernis nach nationalem Recht in Form eines gerichtlichen oder behördlichen Berufs- oder Gewerbeverbots, das mit dem Unternehmensgegenstand der Gesellschaft ganz oder teilweise übereinstimmt, oder in Form einer rechtskräftigen Verurteilung wegen bestimmter Straftaten vorliegt und dass er insoweit über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht durch einen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten belehrt worden ist, keine „Pflicht zur Offenlegung“ im Sinne von Art. 30 dieser Richtlinie darstellen.

2.      Die Art. 49 und 54 AEUV stehen einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der bei Anmeldung der Eintragung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat in das Handelsregister der Geschäftsführer der Gesellschaft eine Versicherung abgeben muss, dass keine Hindernisse für seine Bestellung bestehen.

3.      Die Artikel 49 und 54 AEUV stehen einer nationalen Regelung entgegen, nach der der Geschäftsführer dieser Gesellschaft die Versicherung abgeben muss, dass er insoweit über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht durch einen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten belehrt worden ist.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Urteil vom 9. März 1999 (C‑212/97, EU:C:1999:126).


3      Urteil vom 30. September 2003 (C‑167/01, EU:C:2003:512).


4      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (ABl. 2017, L 169, S. 46).


5      Elfte Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen (ABl. 1989, L 395, S. 36).


6      Vgl. Urteil vom 30. September 2003, Inspire Art (C‑167/01, EU:C:2003:512, Rn. 73).


7      Urteil vom 9. Juli 2020, Raiffeisen Bank und BRD Groupe Société Générale (C‑698/18 und C‑699/18, EU:C:2020:537, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).


8      Vgl. Art. 167 der Richtlinie 2017/1132.


9      Vgl. Urteil vom 30. Januar 2020 (C‑394/18, EU:C:2020:56, Rn. 38).


10      Vgl. Urteil vom 14. Dezember 2017 (C‑243/16, EU:C:2017:969, Rn. 3 und 9).


11      Das Urteil vom 30. Januar 2020, I.G.I. (C‑394/18, EU:C:2020:56, Rn. 38), betraf eine actio pauliana gegen einen Spaltungsakt, während das Urteil vom 14. Dezember 2017, Miravitlles Ciurana u. a. (C‑243/16, EU:C:2017:969, Rn. 3 und 9), eine auf eine Gehaltsforderung gestützte Haftungsklage betraf.


12      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (ABl. 2019, L 186, S. 80).


13      Es ist darauf hinzuweisen, dass der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Union zumindest bis zum Ende des im Austrittsabkommen festgelegten Übergangszeitraums die Anwendbarkeit der Richtlinie 2017/1132 auf das Ausgangsverfahren nicht berührt. Für die Zwecke der Anwendung dieser Richtlinie ist die Rechtsbeschwerdeführerin weiter als Gesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat anzusehen.


14      Urteil vom 30. September 2003 (C‑167/01, EU:C:2003:512).


15      Urteil vom 30. September 2003, Inspire Art (C‑167/01, EU:C:2003:512, Rn. 65 und 73).


16      Urteil vom 30. September 2003 (C‑167/01, EU:C:2003:512, Rn. 65, 73, 101 und 105).


17      Urteil vom 30. September 2003 (C‑167/01, EU:C:2003:512).


18      Siehe Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge.


19      Urteil vom 30. September 2003, Inspire Art (C‑167/01, EU:C:2003:512, Rn. 133).


20      Urteil vom 9. März 1999 (C‑212/97, EU:C:1999:126, Rn. 38).


21      In diesem Sinne hat die Kommission in Beantwortung der Frage des Gerichtshofs ausgeführt, die in der zweiten Vorlagefrage bezeichneten Verpflichtungen erstreckten die Anwendung des deutschen Rechts betreffend die Disqualifizierung von Geschäftsführern auf Geschäftsführer von in anderen Mitgliedstaaten eingetragenen Gesellschaften, die in Deutschland eine Zweigniederlassung eröffnen wollten. Die deutsche Regierung hat unter Bezugnahme auf Materialien des Gesetzgebungsverfahrens darauf hingewiesen, dass es „allein darum [geht], zu verhindern, dass Personen, die nach deutschem Recht inhabil wären, also z. B. nicht Geschäftsführer einer GmbH werden könnten, als Organe einer Auslandsgesellschaft hier in Deutschland eine Zweigniederlassung eintragen lassen“.


22      Vgl. Urteil vom 30. September 2003, Inspire Art (C‑167/01, EU:C:2003:512, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die in der zweiten Vorlagefrage bezeichneten Verpflichtungen „auch [für] sämtliche ausländische Gesellschaften [gelten], die im Ausland mit ausländischem Führungspersonal gegründet werden und dort auch eine tatsächliche Hauptniederlassung unterhalten“. Vgl. zu dieser Problematik Avout, L., „L’entreprise et les conflits internationaux de lois“, Recueil des cours de l’Académie de La Haye, 2019, Bd. 397, S. 264.


24      Vgl. im Umkehrschluss für das Recht eines Mitgliedstaats, einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats, in dem sie ihren satzungsmäßigen Sitz hat, gegründet worden ist und von der angenommen wird, dass sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in den erstgenannten Mitgliedstaat verlegt hat, die Rechtsfähigkeit abzusprechen, Urteil vom 5. November 2002, Überseering (C‑208/00, EU:C:2002:632, Rn. 93). Vgl. auch entsprechend meine Schlussanträge in der Rechtssache McCarthy u. a. (C‑202/13, EU:C:2014:345, Nrn. 138 und 139).


25      Vgl. in diesem Sinne zur Frage der Geltung der Bestellungshindernisse für Zweigniederlassungen von in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaften Ebke, W. F., „The ‚Real Seat‘ Doctrine in the Conflict of Corporate Laws“, The International Lawyer, 2002, Bd. 36, S. 1031, Fn. 112; Gerner-Beuerle, C., Mucciarelli, F., Schuster, E., Siems, M., Study on the Law Applicable to Companies. Final Report, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2016, Luxemburg, S. 139; Sørensen, K. E., „Branches of Companies in the EU: Balancing the Eleventh Company Law Directive, National Company Law and the Right of Establishment“, European Company and Financial Law Review, 2014, Bd. 11(1), S. 83, und Tridimas, T., „Abuse of Rights in the EU Law: Some Reflections with Particular Reference to Financial Law“, in de la Feria, R., Vogenauer, S. (Hrsg.), Prohibition of Abuse of Law: A New General Principle of EU Law?, Hart Publishing, Oxford – Portland, 2011, S. 178.


26      Vgl. im Umkehrschluss Urteil vom 10. Dezember 2015, Kornhaas (C‑594/14, EU:C:2015:806, Rn. 28). In diesem Urteil hat der Gerichtshof befunden, dass die Anwendung einer nationalen Bestimmung, die weder die Gründung einer Gesellschaft in einem bestimmten Mitgliedstaat noch ihre spätere Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat betrifft und die dagegen im Rahmen der Tätigkeit dieser Gesellschaft Anwendung findet, die Niederlassungsfreiheit nicht beeinträchtigen kann.


27      Urteil vom 10. Juli 1986 (79/85, EU:C:1986:308, Rn. 15).


28      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2017, Polbud – Wykonawstwo (C‑106/16, EU:C:2017:804, Rn. 39).


29      Vgl. Urteil vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke (C‑110/99, EU:C:2000:695, Rn. 52 und 53).


30      Vgl. Urteil vom 9. März 1999, Centros (C‑212/97, EU:C:1999:126, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).


31      Vgl. in diesem Sinne Sørensen, K. E., „The fight against letterbox companies in the internal market“, Common Market Law Review, 2015, Bd. 25(1), S. 92, und Munari, F., Terrile, P., „The Centros case and the rise of an EC market for corporate law“, in Ferrarini, G., Hopt, K. J., Wymeersch, E. (Hrsg.), Capital Markets in the Age of the Euro: Cross-Border Transactions, Listed Companies and Regulation, Kluwer Law International, Den Haag, London, New York, 2002, S. 47.


32      Siehe Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge.


33      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 1999, Centros (C‑212/97, EU:C:1999:126, Rn. 25). Vgl. auch Tridimas, T., „Abuse of Rights in the EU Law: Some Reflections with Particular Reference to Financial Law“, in de la Feria, R., Vogenauer, S. (Hrsg.), Prohibition of Abuse of Law: A New General Principle of EU Law?, Hart Publishing, Oxford – Portland, 2011, S. 178.


34      Nach Art. 13i der Richtlinie 2017/1132 in der Fassung der Richtlinie 2019/1151 gelten mindestens die in Art. 14 Buchst. d Ziff. i der erstgenannten Richtlinie aufgeführten Personen als Geschäftsführer, d. h. die Personen, die als gesetzlich vorgesehenes Gesellschaftsorgan oder als Mitglieder eines solchen Organs befugt sind, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Aus dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen geht insoweit hervor, dass nach dem Sprachgebrauch des vorlegenden Gerichts ein „Geschäftsführer der Gesellschaft“ tatsächlich deren gesetzlicher Vertreter ist. Er kann somit als „Geschäftsführer“ im Sinne der vorgenannten Bestimmungen angesehen werden.


35      Vorschlag für eine Richtlinie des Rates und des Europäischen Parlaments zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht, COM(2018) 239 final, S. 15.


36      Vgl. Urteil vom 12. Juli 2012, VALE (C‑378/10, EU:C:2012:440, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 30. September 2003, Inspire Art (C‑167/01, EU:C:2003:512, Rn. 140).