Language of document : ECLI:EU:T:2018:641

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

4. Oktober 2018(*)

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionsmarke FLÜGEL – Ältere nationale Marken … VERLEIHT FLÜGEL und RED BULL VERLEIHT FLÜÜÜGEL – Relative Eintragungshindernisse – Verwirkung durch Duldung – Art. 54 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 61 Abs. 2 der Verordnung [EU] 2017/1001) – Keine Verwechslungsgefahr – Keine Ähnlichkeit der Waren – Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 60 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) – Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001)“

In der Rechtssache T‑150/17

Asolo Ltd mit Sitz in Limassol (Zypern), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. Pors und N. Dorenbosch,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch M. Capostagno, A. Folliard-Monguiral und D. Walicka als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Red Bull GmbH mit Sitz in Fuschl am See (Österreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Renck und S. Petivlasova,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des EUIPO vom 17. November 2016 (Sache R 282/2015‑5) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Red Bull und Asolo

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias (Berichterstatter) sowie der Richter A. Dittrich und P. G. Xuereb,

Kanzler: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 8. März 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 23. Mai 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 6. Juni 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der schriftlichen Fragen des Gerichts an die Parteien und deren am 6. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antworten,

auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2018

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1        Am 24. September 1997 meldete die International Licensing Services, eine der Rechtsvorgängerinnen der Klägerin, der Asolo Ltd, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1] in geänderter Fassung, diese wiederum ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen FLÜGEL.

3        Es wurden folgende Waren in den Klassen 32 und 33 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 32: „Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“;

–        Klasse 33: „Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 1998/45 vom 22. Juni 1998 veröffentlicht, und die Marke wurde am 1. Februar 1999 eingetragen.

5        Am 7. September 2006 trug das EUIPO den Übergang der angegriffenen Marke auf die Klägerin ein.

6        Am 5. Dezember 2011 stellte die Streithelferin, die Red Bull GmbH, einen Antrag auf Nichtigerklärung gemäß Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 60 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung 2017/1001).

7        Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde auf folgende ältere Rechte gestützt:

–        das Wortzeichen … VERLEIHT FLÜGEL, in Österreich unter der Nr. 175793 als Marke eingetragen;

–        das Wortzeichen RED BULL VERLEIHT FLÜÜÜGEL, in Österreich unter der Nr. 161298 als Marke eingetragen.

8        Die beiden älteren nationalen Marken waren für „Energiegetränke“ in Klasse 32 eingetragen worden.

9        Mit Entscheidung vom 2. Dezember 2014 stellte die Nichtigkeitsabteilung unter Bezugnahme auf die Mitteilung Nr. 2/12 des Präsidenten des Amtes vom 20. Juni 2012 über die Verwendung von Klassenüberschriften in Verzeichnissen der Waren und Dienstleistungen für Gemeinschaftsmarkenanmeldungen und ‑eintragungen (ABl. HABM 7/2012) fest, dass „alkoholische Essenzen; alkoholische Auszüge; alkoholhaltige Fruchtextrakte“ im vorliegenden Fall wie „alkoholische Getränke“ in Klasse 33 einzuordnen seien.

10      Die Nichtigkeitsabteilung hielt es unter Hinweis auf die Bekanntheit der älteren Marke … VERLEIHT FLÜGEL (im Folgenden: ältere Marke) aus Gründen der Verfahrensökonomie für angezeigt, ihre Schlussfolgerungen auf die Bekanntheit dieser Marke zu stützen. Demgemäß gab sie in Anbetracht der Bekanntheit dieser Marke, der Verbindung, die das Publikum zwischen der älteren und der angegriffenen Marke herstellen könne, und der Möglichkeit, dass der Inhaber der angegriffenen Marke die ältere Marke in unlauterer Weise ausnutzen könne, dem Antrag auf Nichtigerklärung auf der Grundlage von Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 5 für sämtliche mit der angegriffenen Marke beanspruchten Waren statt. Zu der von der Klägerin geltend gemachten Verwirkung durch Duldung befand die Nichtigkeitsabteilung, dass Art. 54 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 61 der Verordnung 2017/1001) im vorliegenden Fall nicht anzuwenden sei, da, selbst wenn die Streithelferin Kenntnis vom Bestehen der angegriffenen Marke gehabt habe, nicht nachgewiesen sei, dass sie deren Benutzung in Österreich in Kenntnis dieser Benutzung in dem hier maßgebenden Zeitraum, d. h. vom 5. Dezember 2006 bis 5. Dezember 2011, geduldet habe.

11      Am 29. Januar 2015 legte die Klägerin beim EUIPO eine Beschwerde nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001) gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein, mit der diese dem Antrag der Streithelferin auf Nichtigerklärung stattgegeben hatte.

12      Mit Entscheidung vom 17. November 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück.

13      Im Einzelnen bestätigte die Beschwerdekammer als Erstes die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung insoweit, als diese das Vorbringen zur Verwirkung durch Duldung seitens der Streithelferin zurückgewiesen hatte. Sie befand hierzu, dass die von der Klägerin vor der Nichtigkeitsabteilung vorgelegten Beweise nicht für den Schluss ausreichten, dass die Streithelferin von der Benutzung der angegriffenen Marke Kenntnis gehabt habe oder eine solche Kenntnis vernünftigerweise vermutet werden könne. Zu den von der Klägerin erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegten Beweisen befand die Beschwerdekammer, dass diese nicht als ergänzend oder zusätzlich im Sinne der Rechtsprechung angesehen werden könnten. Jedenfalls würde es, selbst wenn die Beschwerdekammer diese Beweise zu berücksichtigen haben sollte, angesichts ihrer Beweiskraft und der dargetanen Intensität der Benutzung bei diesem Ergebnis bleiben. Zudem genüge auch eine Kenntnis oder eine mögliche Kenntnis der Streithelferin von der Eintragung der angegriffenen Marke aufgrund des Umstands, dass zwischen ihr und der Klägerin in Deutschland ein Rechtsstreit geführt worden sei, nicht als Beweis, dass sie Kenntnis von der Benutzung dieser Marke in Österreich gehabt habe.

14      Als Zweites befand die Beschwerdekammer, dass der Antrag auf Nichtigerklärung aus Gründen der Prozessökonomie nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zu prüfen sei. Hierzu stellte sie erstens fest, dass die maßgeblichen Verkehrskreise im vorliegenden Fall die durchschnittlichen österreichischen Verbraucher seien, wobei „Energiegetränke“ eher auf ein junges Publikum zielten. Zweitens stellte sie zu den mit den einander gegenüberstehenden Zeichen beanspruchten Waren fest, dass die mit der älteren Marke beanspruchten „Energiegetränke“ zum Teil identisch mit den mit der angegriffenen Marke beanspruchten Waren seien und zum Teil eine mittlere Ähnlichkeit mit diesen aufwiesen. Im Einzelnen schlössen die „anderen alkoholfreien Getränke“ die „Energiegetränke“ ein, so dass diese Waren identisch seien. Die mit der älteren Marke beanspruchten „Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte“, die sämtlich Getränke seien und dieselbe Bestimmung hätten wie die mit der älteren Marke beanspruchten „Energiegetränke“, nämlich „den Durst zu stillen“, seien mit den „Energiegetränken“ konkurrierende Waren, könnten in denselben Verkaufsstellen erworben werden und müssten daher als diesen zu einem mittleren Grad ähnlich angesehen werden. Gleiches gelte für die Waren „Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“. Zu den Waren „alkoholische Getränke“ schließlich stellte die Nichtigkeitsabteilung fest, zwischen diesen und den „Energiegetränken“ bestehe eine gewisse Verbindung. Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 9. März 2005, Osotspa/HABM – Distribution & Marketing (Hai) (T‑33/03, EU:T:2005:89), stellte die Beschwerdekammer fest, die Nichtigkeitsabteilung habe zutreffend darauf hingewiesen, dass Energiegetränke häufig mit alkoholischen Getränken gemischt „und/oder zusammen konsumiert“ würden. Gleiches gelte für die Waren „alkoholische Essenzen; alkoholische Auszüge; alkoholhaltige Fruchtextrakte“.

15      Was drittens den Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen angeht, befand die Beschwerdekammer, dass die Zeichen visuell und klanglich eine mittlere Ähnlichkeit aufwiesen, da sie zumindest in den beiden Silben „flü“ und „gel“ übereinstimmten. Gleiches gelte auch in begrifflicher Hinsicht, da beide Zeichen auf den Begriff „Flügel“ verwiesen.

16      Viertens befand die Beschwerdekammer, dass der Bestandteil „flügel“ das die ältere Marke dominierende Element sei. Zudem befand sie fünftens, dass die Beweise, die zum Nachweis der verstärkten Kennzeichnungskraft der älteren Marke vorgelegt worden seien, aus Gründen der Prozessökonomie nicht zu prüfen seien, und stützte ihre Würdigung auf deren originäre Kennzeichnungskraft.

17      Im Rahmen ihrer Gesamtwürdigung der Gefahr einer Verwechslung zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen gelangte die Beschwerdekammer zu dem Schluss, dass angesichts ihrer in den vorstehenden Rn. 14 bis 16 wiedergegebenen Feststellungen unter Berücksichtigung des „Grundsatzes der unvollkommenen Erinnerung“ und der Wechselbeziehung der beteiligten Faktoren die Ähnlichkeiten zwischen den betreffenden Zeichen ausreichten, um eine Verwechslungsgefahr für die mit ihnen beanspruchten Waren zu begründen.

18      Die Beschwerdekammer befand schließlich, dass die Nichtigkeitsabteilung hinsichtlich des Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 eine fehlerhafte Würdigung vorgenommen habe. Aus diesem Grund hob sie mit Nr. 2 des Tenors der angefochtenen Entscheidung die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung „insoweit [auf], als die Prüfung nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung im vorliegenden Fall nicht erforderlich war“.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

19      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

20      Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

21      Die Klägerin macht zwei Klagegründe geltend, erstens einen Verstoß gegen Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 61 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) und zweitens einen Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 1 Buchst. b.

22      Vor der Prüfung der Klagegründe ist die Tragweite der angefochtenen Entscheidung zu bestimmen.

 Zur Tragweite der angefochtenen Entscheidung

23      In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung nach Nr. 2 des Tenors der angefochtenen Entscheidung „insoweit aufgehoben [wurde], als die Prüfung nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung [Nr. 207/2009] … nicht erforderlich war“. In Rn. 82 der angefochtenen Entscheidung führte die Beschwerdekammer aus, die Nichtigkeitsabteilung habe „eine fehlerhafte Würdigung insoweit vorgenommen, als die Prüfung nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung [Nr. 207/2009] im vorliegenden Fall nicht erforderlich war“.

24      Eine Gesamtbetrachtung der angefochtenen Entscheidung ergibt indes, wie auch die in der mündlichen Verhandlung hierzu befragten Parteien anerkannt haben, dass Nr. 2 des Tenors der angefochtenen Entscheidung in dem Sinne zu verstehen ist, dass die Beschwerdekammer nur ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen der Nichtigkeitsabteilung gesetzt hat, indem sie die Nichtigerklärung der angegriffenen Marke auf einen anderen Grund als den von der Nichtigkeitsabteilung herangezogenen gestützt hat, womit sie von ihren Befugnissen nach Art. 64 der Verordnung Nr. 207/2009 Gebrauch gemacht hat.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009

25      Die Klägerin macht als Erstes geltend, die Beschwerdekammer habe die von ihr erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegten Beweise dafür, dass die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 erfüllt gewesen seien, zu Unrecht als unzulässig angesehen. Nach der Rechtsprechung könnten zusätzliche Beweise im zweiten Verfahrenszug berücksichtigt werden, wenn die ursprünglich vorgelegten Beweise wie im vorliegenden Fall für unzureichend erachtet worden seien. Mit den neuen Beweisen hätten klar die ursprünglich vor den Stellen des EUIPO vorgelegten Beweise bekräftigt oder verdeutlicht werden sollen. Zudem sei es nach der Rechtsprechung weder erforderlich, die verspätete Vorlage von Beweisen zu rechtfertigen, noch, die Verbindung zwischen den neuen Beweisen und den im ersten Verfahrenszug vorgelegten zu erläutern. Schließlich habe die Beschwerdekammer das ihr zustehende Ermessen hinsichtlich der Berücksichtigung von verspätet vorgelegten Beweisen nicht objektiv und unter Angabe von Gründen ausgeübt und damit dem nach der Rechtsprechung für sie bestehenden Begründungserfordernis nicht genügt.

26      Als Zweites macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe zu Unrecht befunden, dass die neuen Beweise selbst dann, wenn sie als zulässig anzusehen sein sollten, jedenfalls nicht für den Nachweis ausreichten, dass die Streithelferin tatsächlich Kenntnis von der Benutzung der angegriffenen Marke gehabt habe.

27      Im Einzelnen habe die Beschwerdekammer zum einen zu Unrecht befunden, dass die Erklärung des Veranstalters der Festivals von Westendorf (Österreich), Herrn S., er habe bei diesem Festival mit Vertretern der Streithelferin über das „Getränk Flügel“ gesprochen, von „geringem Beweiswert“ sei, was die Beschwerdekammer außerdem nicht rechtlich hinreichend begründet habe. Mit dieser Erklärung sei jedoch zur Genüge dargetan, dass die Streithelferin tatsächlich Kenntnis von der Benutzung der angegriffenen Marke in Österreich gehabt habe. Zum anderen habe die Beschwerdekammer fehlerhaft nicht berücksichtigt, dass das von der angegriffenen Marke geschützte Getränk in Österreich in 19 Bars zum Verkauf angeboten worden sei, wie dies auch bei der Ware der Streithelferin der Fall gewesen sei. Entgegen der Ansicht der Beschwerdekammer sei die Zahl dieser Schankbetriebe als solche im vorliegenden Fall nicht relevant, da das Anbieten zum Verkauf der von den einander gegenüberstehenden Zeichen geschützten Getränke in denselben Schankbetrieben für den Nachweis ausreiche, dass die Vertreter der Streithelferin Kenntnis von der Benutzung der angegriffenen Marke gehabt hätten.

28      Jedenfalls meint die Klägerin, sie habe auch ohne Berücksichtigung der zusätzlichen Beweise hinreichend nachgewiesen, dass die Tatbestandsmerkmale von Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 im vorliegenden Fall erfüllt seien. So habe die Beschwerdekammer zu den vor der Nichtigkeitsabteilung für die Jahre 2005 und 2006 vorgelegten Rechnungen zu Unrecht bestätigt, dass für die Feststellung eines Mindestmaßes der Benutzung der angegriffenen Marke quantitative Anforderungen bestünden. Der Begriff „Benutzung“ im Sinne von Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 entspreche nicht dem der „ernsthaften Benutzung“, und im vorliegenden Fall genüge es darzutun, dass die Streithelferin von dieser Benutzung Kenntnis gehabt habe oder eine solche Kenntnis vernünftigerweise vermutet werden könne. Zu beanstanden sei weiter, dass die Beschwerdekammer unberücksichtigt gelassen habe, dass die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft seit 2001 mit der Streithelferin vor Gericht über die Benutzung der angegriffenen Marke in den Niederlanden und im Benelux stritten. Die Beschwerdekammer habe auch die von der Klägerin vorgelegte Erklärung eines österreichischen Sängers mit der Begründung, dass diese keine objektive Beurteilung durch einen Dritten enthalte, als unbeachtlich angesehen, ohne diese Schlussfolgerung ordnungsgemäß zu begründen.

29      Schließlich, so die Klägerin, habe die Beschwerdekammer befunden, dass „jeder Beweis für sich genommen unzureichend sei“; sie hätte aber diese Beweise nicht isoliert würdigen dürfen, sondern in ihrer Gesamtheit betrachten müssen.

30      Das EUIPO und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.

31      Nach der Rechtsprechung müssen für das Ingangsetzen der Frist für die Verwirkung durch Duldung im Fall der Benutzung einer mit der älteren Marke identischen oder ihr zum Verwechseln ähnlichen jüngeren Marke vier Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens muss die jüngere Marke eingetragen sein, zweitens muss ihr Inhaber sie gutgläubig angemeldet haben, drittens muss sie in dem Mitgliedstaat benutzt werden, in dem die ältere Marke geschützt ist, und viertens muss der Inhaber der älteren Marke Kenntnis von der Benutzung dieser Marke nach ihrer Eintragung haben (vgl. Urteil vom 20. April 2016, Tronios Group International/EUIPO – Sky [SkyTec], T‑77/15, EU:T:2016:226, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Aus dieser Rechtsprechung geht auch hervor, dass der Zweck von Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 darin besteht, das Verhalten der Inhaber älterer Marken, die die Benutzung einer jüngeren Unionsmarke während eines zusammenhängenden Zeitraums von fünf Jahren in Kenntnis dieser Benutzung geduldet haben, mit dem Verlust der Nichtigkeits- und der Widerspruchsklage gegen diese Marke zu ahnden. Die Regelung soll auf diese Weise einen Ausgleich bewirken zwischen dem Interesse des Markeninhabers am Erhalt der wesentlichen Funktion seiner Marke und dem Interesse der anderen Wirtschaftsteilnehmer an der freien Verfügbarkeit von Zeichen, die ihre Waren und Dienstleistungen bezeichnen können. Dies setzt voraus, dass der Inhaber der älteren Marke, um sich diese wesentliche Funktion zu erhalten, in der Lage ist, der Benutzung der mit seiner Marke identischen oder ihr ähnlichen jüngeren Marke zu widersprechen. Erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Inhaber der älteren Marke von der Benutzung der jüngeren Unionsmarke weiß, hat er nämlich die Möglichkeit, dies nicht zu dulden und folglich Widerspruch zu erheben oder die Nichtigerklärung der jüngeren Marke zu beantragen, so dass erst dann die Frist für den Eintritt der Verwirkung durch Duldung zu laufen beginnt (vgl. Urteil vom 20. April 2016, SkyTec, T‑77/15, EU:T:2016:226, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Eine teleologische Auslegung von Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt, dass für die Berechnung der Verwirkungsfrist der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem Kenntnis von der Benutzung der jüngeren Marke erlangt wird (vgl. Urteil vom 20. April 2016, SkyTec, T‑77/15, EU:T:2016:226, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Diese Auslegung erfordert ebenfalls, dass der Inhaber der jüngeren Marke den Beweis dafür erbringt, dass der Inhaber der älteren Marke von der Benutzung der jüngeren Marke tatsächlich Kenntnis hatte, ohne die er nicht in der Lage wäre, der Benutzung der jüngeren Marke zu widersprechen. Insoweit ist die entsprechende Regelung der Verwirkung durch Duldung heranzuziehen, die in Art. 9 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1), ersetzt durch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25) enthalten ist. Bezüglich dieser Regelung heißt es im elften Erwägungsgrund der Ersten Richtlinie 89/104 und im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/95, dass der Einwand der Verwirkung nur erhoben werden kann, wenn der Inhaber der älteren Marke deren Benutzung während einer längeren Zeit wissentlich „geduldet“ [„knowingly tolerated“ in der englischen, „sciemment toléré“ in der französischen Sprachfassung] hat, d. h. „bewusst“ oder „in Kenntnis der Tatsachen“. Dies gilt entsprechend für Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009, dessen Wortlaut dem von Art. 9 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104 und der Richtlinie 2008/95 entspricht (vgl. Urteil vom 20. April 2016, SkyTec, T‑77/15, EU:T:2016:226, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Demnach kann sich der Inhaber einer mit einem Antrag auf Nichtigerklärung angegriffenen Marke nicht damit begnügen, die potenzielle Kenntnis des Inhabers einer älteren Marke von der Benutzung seiner Marke nachzuweisen oder übereinstimmende Indizien aufzuzeigen, die das Bestehen einer solchen Kenntnis vermuten lassen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 20. April 2016, SkyTec, T‑77/15, EU:T:2016:226, Rn. 34).

36      Da die Beschwerdekammer zu dem Schluss gelangt ist, dass im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung sämtlicher – einschließlich der verspätet – von der Klägerin vorgelegten Beweise, eine tatsächliche Kenntnis von der Benutzung der angegriffenen Marke nicht nachgewiesen sei, ist zunächst im Licht der in den vorstehenden Rn. 31 bis 35 angeführten Rechtsprechung das Vorbringen der Klägerin zum Inhalt und zum Beweiswert der von ihr vor den Stellen des EUIPO vorgelegten Beweise zu prüfen.

37      Was in dieser Hinsicht zunächst das Vorbringen der Klägerin angeht, die Beschwerdekammer habe jeden Beweis isoliert geprüft und somit diese Beweise nicht in ihrer Gesamtheit berücksichtigt (siehe oben, Rn. 29), ist festzustellen, dass es auf einem unrichtigen Verständnis der angegriffenen Entscheidung beruht.

38      Die Beschwerdekammer hat nämlich die einzelnen Beweise nicht isoliert berücksichtigt. Sie hat zwar den Inhalt und den individuellen Beweiswert jedes einzelnen Beweises geprüft, sie hat aber, wie aus Rn. 21 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, ausdrücklich unter Bezugnahme auf die von ihr insoweit bestätigte Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung befunden, dass diese Beweise in ihrer Gesamtheit nicht für den Nachweis der Kenntnis von der Benutzung der von der Streithelferin angegriffenen Marke ausreichten.

39      Gleiches gilt, wie aus den Rn. 27 und 28 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, für die Beweise, die die Klägerin verspätet vor den Stellen des EUIPO vorgelegt hat.

40      Sodann ist das Vorbringen der Klägerin zum Inhalt und zum Beweiswert der von ihr vor den Stellen des EUIPO vorgelegten Beweise zu prüfen.

41      Was erstens die vor der Nichtigkeitsabteilung vorgelegten Rechnungen für die Jahre 2005 und 2006 (siehe oben, Rn. 28) angeht, ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Schluss gelangt ist, dass diese einen Grad der Benutzung der angegriffenen Marke zeigten, der für den Nachweis der Kenntnis der Streithelferin von dieser Benutzung nicht ausreiche.

42      Hierzu ist entschieden worden, dass ein relativ beschränktes Verkaufsvolumen zwar geeignet ist, eine gewisse Benutzung der angegriffenen Marke zu belegen, aber wie im vorliegenden Fall unzureichend sein kann, um zu beweisen, dass derjenige, der den Antrag auf Nichtigerklärung gestellt hat, tatsächlich Kenntnis von dieser Benutzung hatte (vgl. Urteil vom 20. April 2016, SkyTec, T‑77/15, EU:T:2016:226, Rn. 44), oder um jedenfalls ohne jeden Zweifel eine solche Kenntnis der geltend gemachten Benutzung vermuten zu lassen. Daher hat die Beschwerdekammer entgegen dem Vorbringen der Klägerin keine quantitativen Anforderungen hinsichtlich der Benutzung der angegriffenen Marke im vorliegenden Fall aufgestellt, die nicht in Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehen wären. Aufgrund dieser Feststellung und angesichts dessen, dass die Klägerin keinen konkreten Beweis dafür, dass die Vertreter der Streithelferin tatsächlich Kenntnis von der Benutzung der angegriffenen Marke hatten, vorgelegt, sondern sich insoweit mit allgemeinen Behauptungen betreffend das Angebot zum Verkauf der einander gegenüberstehenden Marken in denselben Schankbetrieben begnügt hat, ist das in der vorstehenden Rn. 27 wiedergegebene Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

43      Was zweitens die Erklärung eines österreichischen Sängers, Herrn R., betrifft, ist, insoweit dem EUIPO folgend, festzustellen, dass mit dessen bloßer Behauptung, vor Dezember seien in einem Schankbetrieb in Österreich alkoholische Getränke unter der angegriffenen Marke verkauft worden und er selbst sei seit 2005 von der Klägerin gesponsert worden, nicht bewiesen werden konnte, dass die Streithelferin tatsächlich Kenntnis von der Benutzung der angegriffenen Marke hatte. Für diese Behauptung werden keinerlei konkrete Informationen vorgetragen, durch die das Sponsoring von Herrn R. durch die Streithelferin oder dieser geschäftliche Vorgang bestätigt wird, oder gar Beweise vorgelegt, die den Verkauf oder das Anbieten der unter der angegriffenen Marke vertriebenen Getränke in dem von Herrn R. genannten Schankbetrieb betreffen. Diese Erklärung enthält auch keine konkrete Angabe, anhand deren die Vertreter der Streithelferin identifiziert werden könnten, die diesen Schankbetrieb „regelmäßig“ besucht haben sollen.

44      Was drittens den Werbezettel mit dem Ausdruck „Mmv FLÜGEL Events“ für das im März 2005 in Westendorf in Tirol (Österreich) veranstaltete Festival „Feestweek“ angeht, ist, abgesehen davon, dass dieser Ausdruck in kleinen Schriftzeichen gehalten ist und daher nicht unbedingt die Aufmerksamkeit auf sich zieht, festzustellen, dass dieser Ausdruck nicht zwingend als Hinweis auf eine Marke wie die angegriffene Marke wahrzunehmen ist.

45      Was viertens die Erklärung von Herrn S. (siehe oben, Rn. 27) betrifft, ist festzustellen, dass diese keine konkrete Angabe zu den behaupteten Besuchen der Vertreter der Streithelferin in seinem Schankbetrieb und insbesondere keinen Anhaltspunkt enthält, anhand dessen der von Herrn S. genannte Handelsvertreter identifiziert werden könnte. Der Umstand, dass Herr S. erklärt hat, er sei „bereit, seine Erklärung vor Gericht zu wiederholen“, kann für sich genommen den Beweiswert seiner Äußerungen nicht erhöhen.

46      Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Klägerin in der Klageschrift die Würdigung der übrigen von ihr vor den Stellen des EUIPO vorgelegten Beweise durch die Beschwerdekammer in keiner Weise konkret in Frage stellt.

47      Schließlich sind die Schlussfolgerungen der Beschwerdekammer hinsichtlich der Gerichtsverfahren zu bestätigen, in denen sich die Klägerin und die Streithelferin in anderen Mitgliedstaaten als Österreich gegenübergestanden haben sollen. Hierzu ist zum einen festzustellen, dass die Klägerin sich insoweit mit allgemeinen Behauptungen, z. B. zu einer persönlichen Befassung des Gründers der Streithelferin mit den in Rede stehenden Verfahren, begnügt, ohne jedoch konkrete Angaben zu machen, die ihre Behauptungen stützen könnten.

48      Zum anderen geht aus den Schriftsätzen der Parteien hervor, dass die in der vorliegenden Rechtssache in Bezug genommenen Rechtsstreitigkeiten nicht die Benutzung der angegriffenen Unionsmarke, sondern die anderer Zeichen betrafen. Dem EUIPO zufolge (vgl. Rn. 53 der Klagebeantwortung) wurde im Rahmen dieser Rechtsstreitigkeiten nur die Eintragung der angegriffenen Marke, nicht aber ihre Benutzung im Gebiet der Europäischen Union und schon gar nicht in Österreich erwähnt. Somit ist, insoweit dem EUIPO folgend, festzustellen, dass die eventuelle Kenntnis der Streithelferin von der Benutzung anderer – nationaler oder internationaler – der angegriffenen Marke ähnlicher Marken nicht für den Nachweis ihrer tatsächlichen Kenntnis von deren Benutzung und schon gar nicht von deren Benutzung im maßgeblichen Gebiet, d. h. in Österreich, ausreicht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Oktober 2013, SFC Jardibric/HABM – Aqua Center Europa [AQUA FLOW], T‑417/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:550, Rn. 41, und vom 20. April 2016, SkyTec, T‑77/15, EU:T:2016:226, Rn. 45).

49      Zu dem Gerichtsverfahren in Österreich zwischen der Klägerin und der Streithelferin hat die Klägerin in ihrer Antwort vom 6. März 2018 auf die Fragen des Gerichts ausgeführt, es handle sich um eine von der Streithelferin am 4. Oktober 2010 erhobene Verletzungsklage, zu der das Urteil des Oberlandesgerichts Wien (Österreich) vom 25. Mai 2012 und das Urteil des Obersten Gerichtshofs (Österreich) vom 18. September 2012 ergangen seien, die sie vor der Nichtigkeitsabteilung als Anlagen 14 und 15 zu ihrer Stellungnahme vom 1. September 2014 vorgelegt habe. Diese Urteile enthielten mehrere für den vorliegenden Fall relevante Würdigungen.

50      Indes könnte, selbst wenn diese Urteile als Beweis für die tatsächliche Kenntnis von der Benutzung der angegriffenen Marke in Österreich durch die Streithelferin geeignet sein sollten, diese Kenntnis erst ab 2010, d. h. ab dem Datum des in Rede stehenden Verfahrens festgestellt werden. Da die Streithelferin ihren Antrag auf Nichtigerklärung am 5. Dezember 2011 gestellt hat, würde eine solche Kenntnis, wäre sie denn nachgewiesen, nicht als Beweis ausreichen, dass sie die Benutzung der angegriffenen Marke während eines Zeitraums von fünf aufeinander folgenden Jahren im Sinne von Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 geduldet hat (siehe oben, Rn. 32).

51      Nach alledem ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung hinsichtlich der Frage, ob die Klägerin den Nachweis einer tatsächlichen Kenntnis der Streithelferin von der Benutzung der angegriffenen Marke in Österreich erbracht hat, zu Recht auf der Grundlage des gesamten Akteninhalts bestätigt hat, so dass der erste Klagegrund zurückzuweisen ist. Daher ist das Vorbringen der Klägerin, mit der sie die Feststellungen der Beschwerdekammer zur Zulässigkeit bestimmter von ihr erstmals vor dieser vorgelegter Beweise rügt, zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 1 Buchst. b

52      Nach Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 1 Buchst. b kann eine eingetragene Unionsmarke auf Antrag des Inhabers einer älteren Marke für nichtig erklärt werden, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt.

53      Nach ständiger Rechtsprechung liegt Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr umfassend, gemäß der Wahrnehmung der in Rede stehenden Zeichen und Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil vom 9. Februar 2017, International Gaming Projects/EUIPO – adp Gauselmann [TRIPLE EVOLUTION], T‑82/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:66, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und Identität oder Ähnlichkeit der durch sie erfassten Waren oder Dienstleistungen besteht. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen (vgl. Urteil vom 9. Februar 2017, TRIPLE EVOLUTION, T‑82/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:66, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist im vorliegenden Fall der zweite Klagegrund zu prüfen.

56      Nach Ansicht der Klägerin besteht keine Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen. Im Einzelnen macht sie zum Vergleich der mit diesen Zeichen beanspruchten Waren geltend, dass die Waren, „für die die Slogans in Klasse 32 benutzt werden, d. h. Energiegetränke, … den Waren nicht ähnlich [sind], für die die [angegriffene] Marke in Klasse 33 eingetragen ist“. Ihrer Ansicht nach genügen die Gründe, auf die die Beschwerdekammer insoweit ihre Würdigung gestützt habe, „nicht den Anforderungen des Art. 75 der Verordnung Nr. 207/2009 an die Begründung der Entscheidungen“. Zu Unrecht und ohne jede Begründung habe die Beschwerdekammer angenommen, dass zwischen alkoholischen Getränken in Klasse 33 und Energiegetränken eine gewisse Verbindung bestehe.

57      Die Klägerin bezieht sich hierfür auf das Urteil vom 15. Februar 2005, Lidl Stiftung/HABM – REWE-Zentral (LINDENHOF) (T‑296/02, EU:T:2005:49, Rn. 57), wonach viele alkoholische und alkoholfreie Getränke nacheinander konsumiert oder sogar miteinander gemischt werden könnten, ohne deswegen einander ähnlich zu sein, und das Urteil vom 18. Juni 2008, Coca-Cola/HABM – San Polo (MEZZOPANE) (T‑175/06, EU:T:2008:212).

58      Die Klägerin macht weiter geltend, die Streithelferin habe stets jede Verbindung zwischen Energiegetränken und alkoholischen Getränken verneint. In diesem Sinne habe die Streithelferin die Dosen, die die unter der älteren Marke vertriebene Ware enthielten, mit dem Aufdruck „nicht mit Alkohol mischen“ versehen. Die Streithelferin habe stets behauptet, ihre Ware verleihe ihren Verbrauchern mehr Energie und mache sie wacher, was die entgegengesetzte Wirkung des Verzehrs alkoholischer Getränke sei, so dass ein Verbraucher, der wach bleiben wolle, wie etwa ein Fahrzeugführer, nicht daran denke, ein alkoholfreies Getränk mit energiesteigernder Wirkung durch ein alkoholisches Getränk zu ersetzen.

59      Das EUIPO führt aus, obwohl die in Rede stehenden Waren unterschiedlicher Art seien, sei eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihnen nicht auszuschließen. Nach ständiger Rechtsprechung bestehe im Übrigen ein geringer Grad an Ähnlichkeit zwischen alkoholischen und alkoholfreien Getränken. Hierfür verweist das EUIPO auf die Urteile vom 5. Oktober 2011, Cooperativa Vitivinícola Arousana/HABM – Sotelo Ares (ROSALIA DE CASTRO) (T‑421/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:565), vom 21. September 2012, Wesergold Getränkeindustrie/HABM – Lidl Stiftung (WESTERN GOLD) (T‑278/10, EU:T:2012:459, Rn. 31 bis 41), vom 11. September 2014, Aroa Bodegas/HABM – Bodegas Muga (aroa) (T‑536/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:770, Rn. 32), und vom 1. März 2016, BrandGroup/HABM – Brauerei S. Riegele, Inh. Riegele (SPEZOOMIX) (T‑557/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:116, Rn. 26 und 27). Da die Beschwerdekammer den Ähnlichkeitsgrad der in Rede stehenden Waren nicht ausdrücklich bestimmt, aber gleichwohl festgestellt habe, dass „eine gewisse Verbindung“ zwischen ihnen bestehe, sei davon auszugehen, dass sie habe schlussfolgern wollen, dass ein geringerer als ein mittlerer Grad an Ähnlichkeit zwischen diesen Waren bestehe.

60      Zu der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung führt das EUIPO aus, das Urteil vom 18. Juni 2008, MEZZOPANE (T‑175/06, EU:T:2008:212), sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da der Vergleich alkoholfreie Getränke auf der einen und Schaumweine auf der anderen Seite betroffen habe, während im vorliegenden Fall Energiegetränke mit der weiteren Kategorie der alkoholischen Getränke verglichen werden müssten. Gleiches gelte für das Urteil vom 15. Februar 2005, LINDENHOF (T‑296/02, EU:T:2005:49), wegen der sehr verschiedenen Umstände des Warenvergleichs, um den es in jener Rechtssache gegangen sei. Das EUIPO verweist zudem auf das Urteil vom 9. März 2005, Hai (T‑33/03, EU:T:2005:89), in dem das Gericht festgestellt habe, dass Energiegetränke heutzutage häufig mit alkoholischen Getränken vertrieben und konsumiert würden.

61      Was zum einen den Vergleich der hier in Rede stehenden Waren angeht, stellt die Streithelferin fest, dass die Klägerin nicht den Schluss beanstande, den die Beschwerdekammer aus dem Vergleich zwischen „Energiegetränken“ und den Waren in Klasse 32 gezogen habe.

62      Was zum anderen die Waren in Klasse 33 betrifft, weist die Streithelferin als Erstes darauf hin, dass die unter der angegriffenen Marke vertriebene Ware „als Gemisch aus Wodka und Energiegetränk entwickelt“ worden sei. Bestimmter von der Klägerin vorgelegter Beweise zufolge bezeichneten Dritte diese Ware als „Flügel Wodka Energiegetränk“. Sie sei im Übrigen von roter Farbe, womit auf die von der Streithelferin vertriebene Ware angespielt werde.

63      Die Streithelferin pflichtet den Feststellungen der Beschwerdekammer zu den im vorliegenden Fall maßgeblichen Verkehrskreisen bei und vertritt die Ansicht, diese bestünden aus den jungen österreichischen Verbrauchern.

64      Die Streithelferin pflichtet auch den Feststellungen der Beschwerdekammer zur Ähnlichkeit von alkoholischen Getränken und Energiegetränken bei. Entgegen der anscheinend von der Klägerin vertretenen Ansicht sei das Mischen von Energiegetränken mit alkoholischen Getränken in Österreich bei jungen Personen weit verbreitet, was auch die von der Klägerin vorgelegten Beweise im Zusammenhang mit der als „FLÜGERL“ bezeichneten Mischung aus Wodka und Red Bull zeigten.

65      Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung hält die Streithelferin nicht für einschlägig. Insbesondere sei das Urteil vom 18. Juni 2008, MEZZOPANE (T‑175/06, EU:T:2008:212), ein isolierter Fall, während nach der überwiegenden Rechtsprechung zumindest ein geringer Grad an Ähnlichkeit zwischen den Waren der Klassen 32 und 33 bestehe.

66      Als alkoholhaltiges Energiegetränk weise das von der Klägerin vertriebene Getränk einen hohen Grad an Ähnlichkeit mit dem von der Streithelferin vertriebenen Getränk auf. Da beide Getränke als „für Feierzwecke bestimmte Getränke“ eingestuft werden könnten, unterschieden sie sich allein hinsichtlich des Alkohols, denn sie würden von denselben Verbrauchern an denselben Orten konsumiert, seien untereinander austauschbar und konkurrierten miteinander, könnten miteinander gemischt werden, hätten einen sehr ähnlichen stimulierenden und energiesteigernden Charakter und könnten von denselben Unternehmen hergestellt werden.

67      Schließlich seien „alkoholische Energiegetränke“ von der angegriffenen Marke umfasst, denn der allgemeinere Begriff „alkoholische Getränke“ schließe diesen Ausdruck ein. Die Streithelferin beruft sich hierfür auf die entsprechend heranzuziehende Rechtsprechung, nach der, wenn die mit der jüngeren Marke beanspruchten Waren die mit der älteren Marke beanspruchten einschlössen, diese Waren als identisch gelten.

68      Nach der Rechtsprechung sind für die Beurteilung der Ähnlichkeit der mit den einander gegenüberstehenden Zeichen beanspruchten Waren alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen diesen Waren kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Bestimmung und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Es können auch andere Faktoren wie beispielsweise die Vertriebswege der betreffenden Waren berücksichtigt werden oder der Umstand, dass die Waren häufig an denselben spezialisierten Verkaufsstätten verkauft werden, der die Wahrnehmung der zwischen den Waren bestehenden engen Zusammenhänge durch den angesprochenen Verbraucher begünstigen und den Eindruck verstärken kann, dass ihre Herstellung in der Verantwortung desselben Unternehmens liegt (vgl. Urteil vom 2. Oktober 2015, The Tea Board/HABM – Delta Lingerie [Darjeeling], T‑627/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:740, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer als die maßgeblichen Verkehrskreise zu Recht das vor allem aus jungen Personen bestehende österreichische Publikum bestimmt hat.

70      Als Zweites ist zum Vorbringen der Klägerin (siehe oben, Rn. 56) darauf hinzuweisen, dass zwar die Verwaltung nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verpflichtet ist, ihre Entscheidungen zu begründen. Diese Begründungspflicht, die auch in Art. 75 Satz 1 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001) niedergelegt ist, beinhaltet, dass in der Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts klar und eindeutig zum Ausdruck kommen müssen, und dient dem doppelten Ziel, zum einen die Beteiligten über die Gründe für die erlassene Maßnahme zu unterrichten, damit sie ihre Rechte verteidigen können, und zum anderen dem Unionsrichter zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen (vgl. Urteil vom 26. September 2017, La Rocca/EUIPO [Take your time Pay After], T‑755/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:663, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Die Frage, ob die Begründung einer Entscheidung diesen Anforderungen genügt, ist nicht nur im Hinblick auf deren Wortlaut zu entscheiden, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Gebiet regeln (vgl. Urteil vom 26. September 2017, Take your time Pay After, T‑755/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:663, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Schließlich ist auch zu beachten, dass es sich bei der Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Die Begründung einer Entscheidung soll nämlich förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen sie beruht. Weisen die Gründe Fehler auf, so beeinträchtigen diese die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung, nicht aber deren Begründung, die, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält, zureichend sein kann (vgl. Urteil vom 26. September 2017, Take your time Pay After, T‑755/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:663, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Klage, wie sich aus dem gesamten Vorbringen der Klägerin ergibt und wie diese in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, in Wirklichkeit nicht die Feststellungen der Beschwerdekammer zur Ähnlichkeit zwischen „Energiegetränken“, die mit der älteren Marke beansprucht werden und zu Klasse 32 gehören, und den Waren in Klasse 33, für die die angegriffene Marke eingetragen wurde, betrifft. Somit beanstandet die Klägerin nicht die Feststellung der Beschwerdekammer hinsichtlich des Bestehens von Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen, soweit diese die Waren „alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“ und „alkoholische Essenzen; alkoholische Auszüge; alkoholhaltige Fruchtextrakte“ in Klasse 33 und die Waren „Energiegetränke“ in Klasse 32 erfassen.

74      Insoweit ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer in den Rn. 48 und 49 der angefochtenen Entscheidung klar die Gründe angeführt hat, aus denen sie zu dem Schluss gelangt ist, dass die Waren „Energiegetränke“ in Klasse 32 und die Waren „alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“ in Klasse 33 einander ähnlich seien. Sie hat eine gewisse Verbindung zwischen diesen beiden Kategorien von Waren festgestellt, weil Energiegetränke häufig mit alkoholischen Getränken gemischt und/oder zusammen konsumiert würden. Gleiches gelte für die Waren „alkoholische Essenzen; alkoholische Auszüge; alkoholhaltige Fruchtextrakte“.

75      Angesichts des gesamten Vorbringens der Klägerin, mit dem eben diese Feststellungen der Beschwerdekammer gerügt werden, ist daher die Begründung der angefochtenen Entscheidung in dieser Hinsicht als ausreichend anzusehen, um es im Sinne der in der vorstehenden Rn. 70 angeführten Rechtsprechung sowohl der Klägerin zu ermöglichen, ihre Rechte vor dem Gericht zu verteidigen, als auch das Gericht in die Lage zu versetzen, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen. Somit ist das auf Art. 75 Satz 1 der Verordnung Nr. 207/2009 gestützte Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

76      Was als Drittes die Ähnlichkeit zwischen den mit den einander gegenüberstehenden Zeichen beanspruchten Waren betrifft, hat die Beschwerdekammer, wie aus Rn. 48 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, ihre Schlussfolgerung darauf gestützt, dass diese „häufig miteinander gemischt und/oder zusammen konsumiert“ würden. Aus dieser Formulierung und insbesondere der alternativen Verwendung der beiden Wörter „und“ und „oder“ geht hervor, dass ihre Schlussfolgerung entweder auf die Erwägung gestützt sein konnte, dass die Mischung der in Rede stehenden Waren eine gängige Praxis sei, oder auf die Erwägung, dass diese Waren zusammen konsumiert würden, oder aber jedenfalls auf diese beiden Erwägungen zusammen.

77      Es ist von vornherein festzustellen, dass diese in Rn. 48 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Erwägung nicht ausreicht, um das Bestehen einer Ähnlichkeit zwischen den im vorliegenden Fall in Rede stehenden Waren nachzuweisen.

78      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 48 der angefochtenen Entscheidung auf die Feststellungen der Nichtigkeitsabteilung Bezug genommen und diese bestätigt hat. Die Nichtigkeitsabteilung hatte ausgeführt, zwischen den mit der angegriffenen Marke und den mit der älteren Marke beanspruchten Waren bestehe eine gewisse Verbindung, da nach allgemeiner Lebenserfahrung alkoholische Getränke häufig mit Energiegetränken gemischt oder mit diesen zusammen konsumiert würden.

79      Diese Feststellungen sind jedoch in einem anderen Zusammenhang als dem der angefochtenen Entscheidung getroffen worden, nämlich im Rahmen einer von der Nichtigkeitsabteilung vorgenommenen Würdigung auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009, nicht aber von deren Art. 8 Abs. 1. In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass die Ähnlichkeit zwischen den mit den einander gegenüberstehenden Zeichen beanspruchten Waren kein Tatbestandsmerkmal von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009, wohl aber ein solches von Art. 8 Abs. 1 ist. Daher beabsichtigte die Nichtigkeitsabteilung, die die Bekanntheit der älteren Marken geprüft hatte, anders als die Beschwerdekammer nicht, eine Ähnlichkeit zwischen den in Rede stehenden Waren festzustellen, sondern wies lediglich darauf hin, dass das maßgebliche Publikum eine bloße Verbindung zwischen diesen Waren herstellen könnte.

80      Zur Anwendung von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ist darauf hinzuweisen, dass eine Vielzahl von alkoholischen und alkoholfreien Getränken in der Regel miteinander gemischt, zusammen konsumiert oder sogar zusammen vertrieben werden, sei es in denselben Schankbetrieben, sei es als bereits vorgemischte alkoholische Getränke. Diese Waren allein deshalb als ähnlich anzusehen, obwohl sie nicht dazu bestimmt sind, unter denselben Umständen, in derselben Stimmung oder gegebenenfalls von derselben Verbraucherkategorie konsumiert zu werden, würde eine große Zahl von Waren, die als „Getränke“ eingestuft werden können, für die Zwecke der Anwendung von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 einer einzigen Kategorie zuordnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2012, Yilmaz/HABM – Tequila Cuervo [TEQUILA MATADOR HECHO EN MEXICO], T‑584/10, EU:T:2012:518, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Somit können ein alkoholisches Getränk und ein Energiegetränk nicht allein deshalb als einander ähnlich angesehen werden, weil sie miteinander gemischt, zusammen konsumiert oder zusammen vertrieben werden können, denn diese Waren unterscheiden sich nach Art, Bestimmung und Nutzung, da die einen Alkohol enthalten und die anderen nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2008, MEZZOPANE, T‑175/06, EU:T:2008:212, Rn. 79). Zudem verkaufen Unternehmen, die mit einer nichtalkoholischen Zutat vorgemischte alkoholische Getränke vertreiben, diese Zutat nicht getrennt und unter derselben oder einer ähnlichen Marke wie das fragliche vorgemischte alkoholische Getränk (Urteil vom 3. Oktober 2012, TEQUILA MATADOR HECHO EN MEXICO, T‑584/10, EU:T:2012:518, Rn. 70).

82      Des Näheren ist bereits entschieden worden, dass der deutsche Durchschnittsverbraucher an die Trennung zwischen alkoholischen und alkoholfreien Getränken gewöhnt ist und auf sie achtet; sie ist im Übrigen notwendig, da bestimmte Verbraucher keinen Alkohol konsumieren möchten oder können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Februar 2005, LINDENHOF, T‑296/02, EU:T:2005:49, Rn. 54, und vom 18. Juni 2008, MEZZOPANE, T‑175/06, EU:T:2008:212, Rn. 80).

83      Nichts in der Akte deutet darauf hin, dass diese Beurteilung nicht auch für das hier maßgebliche österreichische Publikum gilt. Demnach ist davon auszugehen, dass auch dieses an die Trennung zwischen alkoholischen und alkoholfreien Getränken gewöhnt ist und auf sie achtet. Folglich wird es diese Unterscheidung beim Vergleich zwischen dem Energiegetränk der älteren Marke und dem alkoholischen Getränk der angemeldeten Marke vornehmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juni 2008, MEZZOPANE, T‑175/06, EU:T:2008:212, Rn. 81, und vom 3. Oktober 2012, TEQUILA MATADOR HECHO EN MEXICO, T‑584/10, EU:T:2012:518, Rn. 65). Der Umstand allein, dass Energiegetränke heutzutage häufig mit alkoholischen Getränken vertrieben und konsumiert werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2005, Hai, T‑33/03, EU:T:2005:89, Rn. 43), kann, selbst wenn er bewiesen wäre, diese Feststellungen nicht in Frage stellen.

84      In dieser Hinsicht ist das Vorbringen der Streithelferin, die in den vorstehenden Rn. 81 bis 83 angeführte Rechtsprechung sei im Kontext der vorliegenden Rechtssache nicht einschlägig, zurückzuweisen. Ungeachtet der Unterschiede, die gewiss zwischen den in der vorliegenden Rechtssache betroffenen Waren und denjenigen bestehen, die in der mit dem Urteil vom 18. Juni 2008, MEZZOPANE (T‑175/06, EU:T:2008:212), entschiedenen Rechtssache betroffen waren, gelten doch die Erwägungen des Unionsrichters zur Wahrnehmung der Getränke je nach ihrem Alkoholgehalt zweifellos in einem Kontext wie dem der vorliegenden Rechtssache.

85      Gleiches gilt für die übrige vom EUIPO angeführte Rechtsprechung. Auch wenn nämlich das Gericht unter Umständen, die mit denen der vorliegenden Rechtssache nicht identisch waren, einen geringen Grad an Ähnlichkeit zwischen alkoholischen und alkoholfreien Getränken anerkannt hat, kann dies nicht als ausreichend angesehen werden, um die Darlegungen in den vorstehenden Rn. 77 bis 84 in Frage zu stellen.

86      Daher ist dem zweiten Klagegrund zu folgen und demgemäß die angefochtene Entscheidung teilweise, und zwar insoweit aufzuheben, als die Beschwerdekammer mit ihr das Bestehen von Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen hinsichtlich der mit der angegriffenen Marke beanspruchten Waren in Klasse 33 und den mit der älteren Marke beanspruchten Waren „Energiegetränke“ in Klasse 32 festgestellt hat.

 Kosten

87      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da im vorliegenden Fall das EUIPO und die Streithelferin unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Klägerin neben ihren eigenen Kosten deren Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 17. November 2016 (Sache R 282/20155) wird insoweit aufgehoben, als mit ihr die Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung zur Nichtigerklärung der Unionswortmarke FLÜGEL für die Waren „alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“ und „alkoholische Essenzen; alkoholische Auszüge; alkoholhaltige Fruchtextrakte“ in Klasse 33 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung zurückgewiesen worden ist.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Das EUIPO und die Red Bull GmbH tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Asolo Ltd.

Gratsias

Dittrich

Xuereb

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Oktober 2018.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.