Language of document : ECLI:EU:T:1998:215

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)

16. September 1998 (1)

„Wettbewerb — Remailing — Nichtigkeitsklage — Teilweise Zurückweisung einerBeschwerde“

In den Rechtssachen T-133/95 und T-204/95

International Express Carriers Conference (IECC), Berufsorganisation desschweizerischen Rechts mit Sitz in Genf (Schweiz), Prozeßbevollmächtigte:Rechtsanwälte Eric Morgan de Rivery, Paris, und Jacques Derenne, Brüssel undParis, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Alex Schmitt, 62, avenueGuillaume, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten zunächst durch FranciscoEnrique González Díaz, Juristischer Dienst, und Rosemary Caudwell, zurKommission abgeordnete nationale Beamtin, sodann durch Rosemary Caudwellund Fabiola Mascardi, zur Kommission abgeordnete nationale Beamtin, alsBevollmächtigte im Beistand von Nicholas Forwood, QC,Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, CentreWagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

in den Rechtssachen T-133/95 und T-204/95

unterstützt durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durchStephanie Ridley, Treasury Solicitor's Department, und in der mündlichenVerhandlung außerdem durch Nicholas Green, QC, als Bevollmächtigte,Zustellungsanschrift: Britische Botschaft, 14, boulevard Roosevelt, Luxemburg,

Deutsche Post AG, Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dirk Schroeder, Köln,Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Loesch und Wolter, 11, rueGoethe, Luxemburg,

und

Post Office, Prozeßbevollmächtigte: Ulick Bourke, Solicitor des Supreme Court ofEngland and Wales, und in der mündlichen Verhandlung außerdem die BarristerStuart Isaacs und Sarah Moore, Zustellungsanschrift: Kanzlei der RechtsanwälteLoesch und Wolter, 11, rue Goethe, Luxemburg,

und in der Rechtssache T-133/95

unterstützt durch

La Poste, Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Hervé Lehman und SylvainRieuneau, Paris, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Aloyse May,31, Grand-rue, Luxemburg,

Streithelfer,

im wesentlichen wegen Nichtigerklärung der Entscheidungen der Kommission vom6. April und 14. August 1995, mit denen die Kommission endgültig denjenigen Teilder Beschwerde der Klägerin vom 13. Juli 1988 zurückgewiesen hat, der sichdagegen richtete, daß Remailsendungen von einigen öffentlichen Postbetreibern aufder Grundlage des Artikels 25 des Weltpostvertrags angehalten wurden,

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie des Richters C. P. Briët, derRichterin P. Lindh und der Richter A. Potocki und J. D. Cooke,

Kanzler: H. Jung

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13.Mai 1997,

folgendes

Urteil

     Sachverhalt

International Express Carriers Conference (IECC) und Remailing

1.
    Die International Express Carriers Conference (IECC) ist eine Organisation zurVertretung der Interessen von Unternehmen, die Expreßdienstleistungen erbringen.Ihre Mitglieder bieten u. a. als „Remailing“ bezeichnete Dienstleistungen an, beidenen Post aus einem Land A in das Gebiet eines Landes B befördert wird, umdort bei dem inländischen öffentlichen Postbetreiber eingeliefert und schließlich vondiesem innerhalb seines eigenen Gebietes oder in ein Land A oder C weitergeleitetzu werden.

2.
    Üblicherweise wird zwischen drei Kategorien des Remailings unterschieden:

—    dem „ABC-Remailing“, bei dem die Post aus einem Land A vonPrivatunternehmen in das Postsystem eines Landes B befördert undeingeführt wird, um über das herkömmliche internationale Postsystem in einLand C weitergeleitet zu werden, in dem der Endadressat der Post ansässigist;

—    dem „ABB-Remailing“, bei dem die Post aus einem Land A vonPrivatunternehmen in das Postsystem eines Landes B befördert undeingeführt wird, um an den Endadressaten der Post weitergeleitet zuwerden, der in diesem Land B ansässig ist;

—    dem „ABA-Remailing“, bei dem die Post aus einem Land A vonPrivatunternehmen in das Postsystem eines Landes B befördert undeingeführt wird, um über das herkömmliche internationale Postsystem in dasLand A zurückbefördert zu werden, in dem der Endadressat der Postansässig ist.

3.
    Diese drei Formen des Remailings sind um das sogenannte „nichtmaterielleRemailing“ zu ergänzen. Bei dieser Form des Remailings werden Informationenaus einem Land A elektronisch in ein Land B befördert, wo sie unverändert oder

nach Umwandlung auf Papier ausgedruckt und anschließend in das Postsystem desLandes B oder eines Landes C befördert und eingeführt werden, um über dasherkömmliche internationale Postsystem in ein Land A, B oder C weitergleitet zuwerden, in dem der Endadressat der Post ansässig ist.

Endvergütungen und Weltpostvertrag

4.
    Der Weltpostvertrag, der am 10. Juli 1964 im Rahmen der Organisation derVereinten Nationen geschlossen wurde und dem alle Mitgliedstaaten derEuropäischen Gemeinschaft beigetreten sind, bildet den Rahmen für dieBeziehungen zwischen den Postverwaltungen der ganzen Welt. In diesem Rahmenwurde die Europäische Konferenz der Post- und Fernmeldeverwaltungen (CEPT)gegründet, der alle in der Beschwerde der Klägerin genannten europäischenPostverwaltungen angehören.

5.
    In den Postsystemen verursachen die Verteilung der „eingehenden“ Post und derenZustellung an die Endadressaten den öffentlichen Postbetreibern erheblicheKosten. Deshalb führten die Mitglieder des Weltpostvereins 1969 ein System festerAusgleichssätze je nach Postart, die sogenannten „Endvergütungen“, ein undschafften so ein seit der Gründung des Weltpostvereins geltendes Prinzip ab,wonach jeder öffentliche Postbetreiber die Kosten der Verteilung und Zustellungder eingehenden Post übernahm, ohne sie den öffentlichen Postbetreibern derHerkunftsländer der Post in Rechnung zu stellen. Der wirtschaftliche Wert derZustelleistung der verschiedenen Postverwaltungen, die Kostenstruktur dieserVerwaltungen und die den Kunden berechneten Gebühren konnten erheblichschwanken. Der Unterschied zwischen den Preisen für den Versand nationaler undinternationaler Post in den verschiedenen Mitgliedstaaten und die Höhe der„Endvergütungen“ im Verhältnis zu diesen verschiedenen auf der nationalen Ebenegeltenden Preisen waren entscheidende Faktoren bei der Entstehung desPhänomens des Remailings. Denn die Remailing-Betreiber versuchen u. a., ausdiesen Preisunterschieden Vorteil zu ziehen, indem sie Handelsunternehmenanbieten, ihre Post zu denjenigen öffentlichen Postbetreibern zu befördern, die füreinen bestimmten Zielort das beste Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten.

6.
    Artikel 23 des Weltpostvertrags von 1984, der zu Artikel 25 des Weltpostvertragsvon 1989 wurde, bestimmt:

„1.    Kein Land ist verpflichtet, Briefsendungen zu befördern oder denEmpfängern auszuliefern, die in seinem Gebiet ansässige Absender in einemfremden Land einliefern oder einliefern lassen, um aus den dort angewendetenniedrigeren Gebühren Vorteil zu ziehen. Das gilt auch für Sendungen, die in großerZahl eingeliefert werden, selbst dann, wenn nicht die Absicht besteht, dieniedrigeren Gebühren auszunutzen.

2.    § 1 gilt ohne Unterschied sowohl für Sendungen, die in dem Land, in demder Absender wohnt, vorbereitet und anschließend über die Grenze gebracht

werden, als auch für Sendungen, die in einem fremden Land versandfertighergestellt worden sind.

3.    Die betreffende Verwaltung kann die Sendungen an den Einlieferungsortzurücksenden oder sie mit ihren Inlandsgebühren belegen. Wenn sich der Absenderweigert, diese Gebühren zu zahlen, kann sie über die Sendungen nach ihrer innerenGesetzgebung verfügen.

4.    Kein Land ist verpflichtet, Briefsendungen zu übernehmen, zu befördernoder den Empfängern auszuliefern, die irgendwelche Absender in einem anderenLand als demjenigen, in dem sie ansässig sind, in großer Zahl eingeliefert habenoder haben einliefern lassen. Die betreffenden Verwaltungen haben das Recht,solche Sendungen an den Einlieferungsort zurückzusenden oder sie den Absendernohne Erstattung der Gebühr zurückzugeben.“

Beschwerde der IECC und CEPT-Übereinkunft von 1987

7.
    Am 13. Juli 1988 reichte die IECC gemäß Artikel 3 Absatz 2 der VerordnungNr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, der Ersten Durchführungsverordnung zuden Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204; im folgenden:Verordnung Nr. 17), eine Beschwerde bei der Kommission ein. DieBeschwerdeführerin behauptete im wesentlichen, daß erstens einige öffentlichePostbetreiber der Europäischen Gemeinschaft und aus Drittländern im Oktober1987 in Bern eine Preisfestsetzungsvereinbarung bezüglich der Endvergütungen (imfolgenden: CEPT-Übereinkunft) getroffen hätten und daß zweitens einigeöffentliche Postbetreiber versuchten, eine Vereinbarung über Marktaufteilungdurchzuführen, indem sie unter Berufung auf Artikel 23 des Weltpostvertrags dieZustellung der Post verweigerten, die ein Kunde bei einem anderen öffentlichenPostbetreiber als demjenigen des Landes, in dem er ansässig sei, aufgegeben habe.

8.
    Unstreitig unterzeichneten am 17. Januar 1995 vierzehn öffentliche Postbetreiber,darunter zwölf aus der Europäischen Gemeinschaft, eine vorläufige Vereinbarungüber die Endvergütungen, die die CEPT-Übereinkunft von 1987 ersetzen sollte.Diese sogenannte „REIMS-Vereinbarung“ (System der Vergütung für dieZustellung grenzüberschreitender Postsendungen durch öffentliche Postbetreibermit Universaldienstverpflichtung) sieht im wesentlichen ein System vor, in dessenRahmen die Bestimmungspostverwaltung der Herkunftspostverwaltung einen festenProzentsatz ihres Inlandstarifs für alle bei ihr eingehenden Sendungen berechnet.Eine endgültige Fassung dieser Vereinbarung wurde am 13. Dezember 1995unterzeichnet und am 19. Januar 1996 bei der Kommission angemeldet (ABl. 1996,C 42, S. 7).

9.
    Der erste Teil der Beschwerde der IECC betraf die Anwendung des Artikels 85EG-Vertrag auf die CEPT-Übereinkunft.

10.
    Im zweiten Teil ihrer Beschwerde warf die IECC einigen öffentlichenPostbetreibern vor, einen Plan durchzuführen, der auf die Aufteilung dernationalen Postmärkte auf der Grundlage des Artikels 23 des Weltpostvertragsgerichtet sei. Der britische, der deutsche und der französische öffentlichePostbetreiber (im folgenden: Post Office, Deutsche Post und La Poste) versuchtendarüber hinaus, Handelsunternehmen davon abzubringen, die Dienste privaterRemailing-Betreiber wie der Mitglieder der IECC in Anspruch zu nehmen, oderandere öffentliche Postbetreiber davon abzubringen, mit solchen Privatbetreibernzusammenzuarbeiten, wie u. a. aus einem Schreiben des Post Office vom Januar1987 an verschiedene öffentliche Postbetreiber, darunter einen aus derGemeinschaft, hervorgehe.

11.
    Zudem habe die Deutsche Post im Frühjahr 1988 versucht, das Remailing zubehindern, indem sie deutsche Nutzer dieser Dienstleistung auf Artikel 23 desWeltpostvertrags hingewiesen und internationale „eingehende“ Post für inDeutschland niedergelassene Adressaten angehalten und zurückgesandt habe.

12.
    Auf Verlangen der Kommission sandte die IECC ihr am 2. Juni 1989 einzusätzliches Memorandum zu Artikel 23 § 1 des Weltpostvertrags und insbesonderezum Problem des ABA-Remailings.

13.
    Außerdem übermittelte die IECC im Oktober 1989 Informationen der GesellschaftTNT Skypack über das Anhalten von Post nach Afrika durch La Poste.

Behandlung der Beschwerde durch die Kommission

14.
    Die in der Beschwerde der Klägerin genannten öffentlichen Postbetreiber reichtenihre Antworten auf die Fragen der Kommission im November 1988 ein. Von Juni1989 bis Februar 1991 fand ein umfangreicher Briefwechsel zwischen der IECC aufder einen und verschiedenen Bediensteten der Generaldirektion Wettbewerb (GDIV) sowie den Büros der Kommissionsmitglieder Bangemann und Sir Leon Brittanauf der anderen Seite statt.

15.
    Im April 1989 versicherte das Post Office der Kommission, daß es selbst keinenGebrauch von den Befugnissen nach Artikel 23 § 4 des Weltpostvertrags gemachthabe und dies auch nicht beabsichtige. Im Juni 1989 teilte die Deutsche Post derKommission mit, daß sie bereit sei, auf die Anwendung dieser Vorschrift zuverzichten, und im Oktober 1989, daß sie sie nicht mehr anwende.

16.
    Am 18. April 1991 teilte die Kommission der IECC mit, sie habe „beschlossen ...,ein Verfahren gemäß der Verordnung Nr. 17 ... auf der Grundlage der Artikel 85Absatz 1 und 86 EG-Vertrag [einzuleiten]“.

17.
    Am 7. April 1993 teilte sie der IECC mit, daß sie am 5. April 1993 eine Mitteilungder Beschwerdepunkte beschlossen habe, die den betroffenen öffentlichenPostbetreibern zugesandt werden müsse.

18.
    In einem Schreiben an die IECC vom 13. Juli 1994 erklärte die Kommission: „Ichbin jedoch wegen der wachsenden Zahl von Vorfällen besorgt, bei denenSendungen, die materiell z. B. in den Niederlanden hergestellt wurden, um andeutsche Kunden versandt zu werden, vom Deutschen Bundespost Postdienstangehalten und als .nichtmaterielle ABA-Remailsendungen' bezeichnet werden ...“

19.
    Am 26. Juli 1994 forderte die IECC die Kommission nach Artikel 175 desVertrages auf, ihr gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63/EWG derKommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und(2) der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268; im folgenden:Verordnung Nr. 99/63) ein Schreiben zu senden, falls sie den Erlaß eines Verbotesgegenüber den öffentlichen Postbetreibern nicht für erforderlich halte.

20.
    Am 23. September 1994 sandte die Kommission der IECC ein Schreiben gemäßArtikel 6 der Verordnung Nr. 99/63, das den Teil der Beschwerde betraf, in demes um die CEPT-Übereinkunft ging. Zum Anhalten nichtmaterieller ABA-Remailsendungen führte die Kommission aus, daß sie „dieses Verhalten für sehrbedenklich [halte] und [beabsichtige], jedem derartigen Mißbrauch ein Ende zubereiten“.

21.
    Am 23. November 1994 forderte die IECC die Kommission auf, gemäß Artikel 175des Vertrages zu ihrer Beschwerde insgesamt Stellung zu nehmen. Sie beantragteferner Akteneinsicht.

22.
    Am 15. Februar 1995 erhob die IECC eine im Register unter dem AktenzeichenT-28/95 eingetragene Untätigkeitsklage, da sie der Auffassung war, daß dieKommission nicht gemäß Artikel 175 des Vertrages Stellung genommen habe.

23.
    Am 17. Februar 1995 übersandte die Kommission der IECC die Entscheidung überdie Zurückweisung ihrer Beschwerde, soweit sie die Anwendung von Artikel 85 desVertrages auf die CEPT-Übereinkunft betraf, und ein Schreiben gemäß Artikel 6der Verordnung Nr. 99/63, in dem sie ihr mitteilte, aus welchen Gründen sie ihremAntrag bezüglich des Anhaltens von Post auf der Grundlage des Artikels 23 desWeltpostvertrags nicht stattgeben könne.

24.
    Am 22. Februar 1995 teilte die IECC der Kommission ihre Bemerkungen zu demletztgenannten Schreiben mit. Sie wies dabei u. a. auf folgendes hin:

„Soweit der IECC bekannt ist, handelte es sich bei allen von ihr genanntenBeispielen für Beschränkungen um gegen das ABC-Remailing gerichteteAnwendungen von Artikel 23 § 4 des Weltpostvertrags von 1984. Da Ihr Schreibenvom 17. Februar nicht auf die Beschränkungen des ABC-Remailings Bezug nimmt,kann die IECC es nicht als angemessene Begründung für die Zurückweisung ihrerBeschwerde ansehen.“

25.
    Am 6. April 1995 übersandte die Kommission der Klägerin eine Entscheidung überden zweiten Teil ihrer Beschwerde, in der sie u. a. ausführte:

„4.    Die daraufhin am 22. Februar 1995 durch Ihren gesetzlichen Vertreter ...in Ihrem Namen eingereichten Bemerkungen enthalten aus den unten dargelegtenGründen keine Argumente, die eine Änderung des Standpunktes der Kommissionrechtfertigen würden. Das vorliegende Schreiben soll Sie von der endgültigenEntscheidung der Kommission über die Behauptungen in Ihrer Beschwerdebezüglich des Anhaltens von Post auf der Grundlage des Artikels [23] desWeltpostvertrags unterrichten.

5.    Kurz zusammengefaßt, nannte das Schreiben, das die Kommission Ihnen am17. Februar 1995 gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 sandte, vier Postarten,die auf der Grundlage des Weltpostvertrags angehalten worden sind, und zwargeschäftliche materielle ABA-Remailsendungen, nichtgeschäftliche oder privatematerielle ABA-Remailsendungen, sogenannte .nichtmaterielle' ABA-Remailsendungen ... und gewöhnliche grenzüberschreitende Post ...

6.    Was geschäftliche materielle ABA-Remailsendungen betrifft, so kann nachAuffassung der Kommission das beim Wiedereingang im Land B erfolgendeAnhalten von Post, sofern deren geschäftsmäßiges Sammeln bei im Land Bansässigen Personen zum Zweck des anschließenden Remailings aus dem Land Azu endgültigen Bestimmungsorten im Land B eine Umgehung des nach dem Rechtdes Landes B bestehenden nationalen Monopols für die Zustellung inländischerPost darstellt, unter den gegebenen Umständen als rechtmäßige Handlungangesehen werden und ist daher kein Mißbrauch einer beherrschenden Stellung imSinne des Artikels 86 EG-Vertrag ... die Kommission [hat] ... speziell festgestellt ...,daß sich eine solche Umgehung des nationalen Monopols .aufgrund dergegenwärtigen Unausgewogenheit der Höhe der Endvergütungen rentiert' und daßgenau deswegen ein gewisser Schutz in diesem Stadium gerechtfertigt sein kann ...

7.    Durch das Anhalten nichtgeschäftlicher materieller ABA-Remailsendungen,.nichtmaterieller' Remailsendungen sowie gewöhnlicher grenzüberschreitenderPost werden die Mitglieder der IECC, soweit sie keine Tätigkeiten ausüben, die mitdiesen Postarten zu tun haben, nach Auffassung der Kommission nicht in ihrengeschäftlichen Aktivitäten beeinträchtigt und haben daher kein berechtigtesInteresse, wie es Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 17 fürAnträge an die Kommission wegen Verstößen gegen die Wettbewerbsregelnverlangt.

Nach Auffassung der Kommission ... gilt für das .nichtmaterielle Remailing'folgendes Szenario: Ein multinationales Unternehmen, z. B. eine Bank, ... errichteteine zentrale Druck- und Postversandstelle in einem bestimmten Mitgliedstaat A.Alle Tochtergesellschaften und Niederlassungen der Bank senden aufelektronischem Weg Informationen zu der zentralen Dienststelle, wo dieInformationen in materielle Sendungen, z. B. Kontoauszüge, umgewandelt werden,

die anschließend für den Postversand vorbereitet und beim inländischenPostbetreiber eingeliefert werden ...

... gibt es unseres Erachtens keine Hinweise darauf, inwiefern die Mitglieder derIECC mit dieser Art von Verfahren befaßt sein könnten.

8.    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen teile ich Ihnen mit, daß Ihr Antragvom 13. Juli 1988 gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 hiermitzurückgewiesen wird, soweit er das Anhalten geschäftlicher materieller ABA-Remailsendungen, nichtgeschäftlicher materieller ABA-Remailsendungen,nichtmaterieller Remailsendungen und gewöhnlicher grenzüberschreitender Postbetrifft.“

26.
    Am 12. April 1995 sandte die Kommission der IECC ein Schreiben gemäß Artikel6 der Verordnung Nr. 99/63, das die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf dasAnhalten von ABC-Remailsendungen betraf. Die IECC beantwortete diesesSchreiben am 9. Juni 1995.

27.
    Am 14. August 1995 erließ die Kommission eine endgültige Entscheidung über dasAnhalten von ABC-Remailsendungen durch einige öffentliche Postbetreiber, in dersie u. a. ausführte:

„A. Anhalten von ABA-Remailsendungen

3.    ... Sie [haben] am 6. April 1995 ein ... Schreiben erhalten, dem zufolge derTeil Ihrer Beschwerde, der das Anhalten geschäftlicher materieller ABA-Remailsendungen, nichtgeschäftlicher materieller ABA-Remailsendungen,.nichtmaterieller' Remailsendungen und gewöhnlicher grenzüberschreitender Postbetrifft, zurückgewiesen worden ist.

B. Anhalten von ABC-Remailsendungen

6.    Im Schreiben [der IECC] vom 9. Juni 1995 wird festgestellt, a) daß dieKommission nicht mehr dafür zuständig ist, eine weitere Entscheidung in dieserAngelegenheit zu treffen, und b) daß, selbst wenn die Kommission zuständig wäre,die Zurückweisung dieses Teils der Beschwerde ... aus mehreren Gründen nichtangebracht wäre.

...

11.    Am 21. April 1989 versicherte das Post Office der Kommission, daß es selbstkeinen Gebrauch von den Befugnissen nach Artikel 23 § 4 des Weltpostvertragsgemacht habe und dies auch nicht beabsichtige. Ebenso teilte der damaligeDeutsche Bundespost Postdienst der Kommission am 10. Oktober 1989 mit, daß

er Artikel 23 § 4 nicht mehr auf das ABC-Remailing zwischen den Mitgliedstaatenanwende ...

13.    Zwar kann die Kommission ein förmliches Verbot eines inzwischeneingestellten wettbewerbsfeindlichen Verhaltens erlassen, sie ist dazu jedoch nichtverpflichtet und entscheidet aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls, obeine solche Maßnahme angemessen ist. Im vorliegenden Fall gibt es keine Beweisedafür, daß die beiden in der Beschwerde der IECC von 1988 genanntenPostbetreiber ... ihre 1989 gegenüber der Kommission eingegangene Verpflichtung,sich bezüglich des ABC-Remailings nicht auf Artikel 23 § 4 zu berufen, nichteingehalten haben ...

14.5.    Die Kommission möchte darauf hinweisen, daß die bloße Existenz desArtikels 23/25 des Weltpostvertrags nicht zwangsläufig im Widerspruch zu dengemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln steht; nur die Nutzung der nach Artikel23/25 bestehenden Handlungsmöglichkeiten kann unter bestimmten Umständen —d. h. zwischen Mitgliedstaaten — einen Verstoß gegen diese Regeln darstellen ...

15.    Der Antrag der IECC, die Postverwaltungen streng zu bestrafen, um dieVerstöße gegen das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht abzustellen, verträgt sichnicht mit der Unfähigkeit der IECC, zu beweisen, daß die Verstöße fortgesetztwerden oder eine tatsächliche Gefahr ihrer Wiederaufnahme besteht.

...

18.    ... In ihrer Antwort vom 24. Oktober 1990 blieb La Poste dabei, daß eine... Anwendung von Artikel 23 des Weltpostvertrags ihres Erachtens mit demGemeinschaftsrecht im Einklang stehe. Auf den Vorfall wurde anschließend in derMitteilung der Beschwerdepunkte vom 5. April 1993 Bezug genommen ... La Postewiederholte ... ihre Auffassung, daß der Vorfall nicht mit dem Gemeinschaftsrechtunvereinbar sei.

19.    Unter den Umständen des vorliegenden Falles hält die Kommission es imHinblick auf den Einzelfallcharakter des Vorfalls und das Fehlen von Beweisen füreine Wiederholung des Verhaltens nicht für erforderlich, ein Verbot gegenüber LaPoste zu erlassen.“

Verfahren

28.
    Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 20. Juni 1995 bei der Kanzlei desGerichts eingegangen ist, eine Klage gemäß Artikel 173 des Vertrages aufNichtigerklärung der Entscheidung vom 6. April 1995 erhoben. Diese Rechtssacheist im Register unter dem Aktenzeichen T-133/95 eingetragen worden.

29.
    Mit Klageschrift, die am 28. Oktober 1995 bei der Kanzlei des Gerichtseingegangen ist, hat die Klägerin eine Klage gemäß Artikel 173 des Vertrages auf

Nichtigerklärung der Entscheidung vom 14. August 1995 erhoben. DieseRechtssache ist im Register unter dem Aktenzeichen T-204/95 eingetragen worden.

30.
    Mit Beschlüssen vom 6. Februar 1996 hat der Präsident der Dritten erweitertenKammer des Gerichts das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland,das Post Office, La Poste und die Deutsche Post als Streithelfer zur Unterstützungder Anträge der Kommission in der Rechtssache T-133/95 zugelassen.

31.
    Mit Beschlüssen vom 13. Mai 1996 hat der Präsident der Dritten erweitertenKammer des Gerichts das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland,das Post Office, La Poste und die Deutsche Post als Streithelfer zur Unterstützungder Anträge der Kommission in der Rechtssache T-204/95 zugelassen.

32.
    Am 7. August 1996 hat La Poste ihren Beitritt in der Rechtssache T-204/95zurückgenommen. Mit Beschluß vom 26. November 1996 hat der Präsident derDritten erweiterten Kammer des Gerichts die Rücknahme des Beitritts von LaPoste in der Rechtssache T-204/95 zur Kenntnis genommen.

33.
    Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) diemündliche Verhandlung eröffnet. Im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen hat eseinige Verfahrensbeteiligte aufgefordert, Unterlagen vorzulegen und schriftlich oderin der mündlichen Verhandlung Fragen zu beantworten. Diesen Aufforderungenist nachgekommen worden.

34.
    Mit Beschluß des Präsidenten der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts vom12. März 1997 sind die Rechtssachen T-28/95, T-110/95, T-133/95 und T-204/95, dievon derselben Klägerin anhängig gemacht worden sind und ihrem Gegenstand nachzusammenhängen, gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamermündlicher Verhandlung verbunden worden.

35.
    Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 13. Mai 1997 mündlichverhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

36.
    Nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten hat das Gericht gemäß Artikel 50 derVerfahrensordnung die Rechtssachen T-133/95 und T-204/95 zu gemeinsamerEntscheidung verbunden.

37.
    Am 26. September 1997 hat die Klägerin die Wiedereröffnung der mündlichenVerhandlung gemäß Artikel 62 der Verfahrensordnung beantragt. Die Kommission,das Post Office, La Poste und die Deutsche Post haben auf Anfrage des Gerichtsmitgeteilt, daß ihrer Ansicht nach kein Anlaß für eine Wiedereröffnung dermündlichen Verhandlung bestehe. Am 26. Februar 1998 hat die Klägerin erneutdie Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt. Das Gericht ist derAuffassung, daß im Hinblick auf die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen keinAnlaß besteht, ihren Anträgen stattzugeben. Denn die neuen Gründe, auf die die

Klägerin ihre Anträge stützt, enthalten entweder keine für den Ausgang desRechtsstreits entscheidenden Gesichtspunkte oder belegen nur das Vorliegentatsächlicher Umstände, die dem Erlaß der angefochtenen Entscheidungenoffenkundig nachgefolgt sind und daher deren Wirksamkeit nicht berühren können.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

Rechtssache T-133/95

38.
    Die Klägerin beantragt,

—    die Entscheidung der Kommission vom 6. April 1995 für nichtig zu erklären;

—    alle weiteren Maßnahmen anzuordnen, die das Gericht für geeignet hält,damit die Kommission Artikel 176 des Vertrages nachkommt;

—    der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

39.
    In ihrer Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen beantragt die Klägerinaußerdem,

—    den Streithilfeschriftsatz des Post Office für unzulässig zu erklären;

—    den Streithelfern die Kosten der Stellungnahme zu den Beitrittenaufzuerlegen;

—    die Vorlage bestimmter Unterlagen anzuordnen.

40.
    Die Kommission beantragt,

—    die Klage abzuweisen;

—    der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

41.
    Die Deutsche Post beantragt,

—    die Klage abzuweisen;

—    der Klägerin die Kosten ihres Beitritts aufzuerlegen.

42.
    La Poste beantragt,

—    die Klage abzuweisen;

—    der Klägerin die Kosten ihres Beitritts aufzuerlegen.

43.
    Das Vereinigte Königreich und das Post Office beantragen Klageabweisung.

Rechtssache T-204/95

44.
    Die Klägerin beantragt in ihrer Klageschrift,

—    das Schreiben der Kommission vom 14. August 1995 für inexistent zuerklären;

—    hilfsweise, die Entscheidung der Kommission vom 14. August 1995 fürnichtig zu erklären und alle weiteren Maßnahmen anzuordnen, die dasGericht für geeignet hält, damit die Kommission Artikel 176 des Vertragesnachkommt;

—    der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

45.
    In ihrer Erwiderung beantragt die Klägerin außerdem,

—    das Schreiben der Kommission vom 12. April 1995 für inexistent zuerklären;

—    gemäß den Artikeln 64 und/oder 65 der Verfahrensordnung anzuordnen,daß die Kommission vor der mündlichen Verhandlung bestimmteUnterlagen vorlegt, auf die sie sich in ihrer Entscheidung oder ihremVorbringen berufen hat, oder zumindest dem Gericht die Prüfung dieserUnterlagen gestattet, falls sie sich auf deren Vertraulichkeit beruft.

46.
    In ihrer Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen beantragt die Klägerinaußerdem,

—    den Streithilfeschriftsatz des Post Office für unzulässig zu erklären;

—    den Streithelfern die Kosten der Stellungnahme zu den Beitrittenaufzuerlegen;

—    die Vorlage bestimmter Unterlagen anzuordnen.

47.
    Die Kommission beantragt,

—    die Klage abzuweisen;

—    der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

48.
    Die Deutsche Post beantragt,

—    die Klage abzuweisen;

—    der Klägerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten derDeutschen Post aufzuerlegen.

49.
    Das Post Office und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirlandbeantragen Klageabweisung.

Zulässigkeit der Streithilfesätze des Post Office

50.
    Die Klägerin ist der Auffassung, die Streithilfeschriftsätze des Post Office in denRechtssachen T-133/95 und T-204/95 entsprächen nicht Artikel 116 § 4 Buchstabea der Verfahrensordnung des Gerichts, da sie nicht angäben, zu wessenUnterstützung sie eingereicht worden seien; sie seien daher für unzulässig zuerklären.

51.
    Gemäß Artikel 37 Absatz 3 der EG-Satzung des Gerichtshofes und Artikel 116 § 4Buchstabe a der Verfahrensordnung des Gerichts können mit den in einemStreithilfeschriftsatz gestellten Anträgen nur die Anträge einer Hauptparteiunterstützt werden. Aus dem Streithilfeschriftsatz des Post Office in jeder derbeiden Rechtssachen geht hervor, daß mit den Beitritten die Anträge derKommission unterstützt werden sollten, auch wenn förmliche Anträge in diesemSinne fehlten. Die Klägerin konnte daher keine ernsthaften Zweifel hinsichtlich derBedeutung oder des Zweckes der Streithilfeschriftsätze haben. Außerdementhielten die Streithilfeanträge des Post Office gemäß Artikel 115 § 2 Buchstabee der Verfahrensordnung die Anträge, zu deren Unterstützung das Post Office dieZulassung beantragte, und in der jeweiligen Nummer 1 des Tenors der bereitsgenannten Beschlüsse vom 6. Februar und 13. Mai 1996 ist der Beitritt des PostOffice „zur Unterstützung der Anträge der Beklagten“ zugelassen worden. DieserAntragspunkt ist daher abzuweisen.

Zulässigkeit des Antrags, der Kommission den Erlaß der geeigneten Maßnahmenaufzugeben, damit sie den Verpflichtungen aus Artikel 176 des Vertragesnachkommt

52.
    Nach ständiger Rechtsprechung ist es nicht Sache des Gemeinschaftsrichters, denGemeinschaftsorganen Anordnungen zu erteilen oder sich im Rahmen der von ihmausgeübten Rechtmäßigkeitskontrolle an ihre Stelle zu setzen. Es obliegt gemäßArtikel 176 des Vertrages dem betroffenen Organ, die Maßnahmen zu ergreifen,die sich aus einem auf eine Nichtigkeitsklage hin ergangenen Urteil ergeben.

53.
    Dieser Antragspunkt ist daher unzulässig.

Begründetheit

54.
    Zunächst ist die Tragweite der Entscheidungen vom 6. April und 14. August 1995zu bestimmen, da sich die Verfahrensbeteiligten insoweit nicht einig sind (A),anschließend sind die Klagegründe in der Rechtssache T-133/95 (B) und diebesonderen Anträge und Klagegründe in der Rechtssache T-204/95 (C) zu prüfen.Schließlich werden die in beiden Rechtssachen geltend gemachten Klagegründeeines Ermessensmißbrauchs und eines Verstoßes gegen bestimmte allgemeineRechtsgrundsätze zusammen geprüft (D).

A — Tragweite der Entscheidungen vom 6. April und 14. August 1995

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

55.
    Die Klägerin führt in ihrer Erwiderung in der Rechtssache T-133/95 aus, daß dieEntscheidung vom 6. April 1995, wie sich aus ihren Punkten 1 bis 4 ergebe, nichtnur das Anhalten von ABA-Remailsendungen, sondern auch das Anhalten vonABC-Remailsendungen betreffe. Diese Entscheidung enthalte also nichts, wasannehmen ließe, daß die letztgenannte Form des Anhaltens Gegenstand derEntscheidung vom 14. August 1995 sein werde. Außerdem habe die Kommissionin ihrer Klagebeantwortung in dieser Rechtssache eingeräumt, daß ihr Schreibenvom 17. Februar 1995 gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 den zweitenBeschwerdeteil insgesamt betroffen habe.

56.
    Die Kommission versuche, die Tragweite der Entscheidung vom 6. April 1995 imnachhinein zu beschränken, um deren fehlende Begründung zu bemänteln. Bereitsam 22. Februar 1995 habe die Klägerin die Kommission darauf aufmerksamgemacht, daß sie in ihrem Schreiben vom 17. Februar 1995 das ABC-Remailingausgelassen habe.

57.
    Die Kommission führt aus, daß sie den Beschwerdeteil in bezug auf das ABC-Remailing in ihrem Schreiben vom 17. Februar 1995 nicht behandelt habe unddarauf von der Klägerin in deren Schreiben vom 22. Februar 1995 hingewiesenworden sei. Aus diesem Grund befasse sich die Entscheidung vom 6. April 1995nicht mit diesem Beschwerdeteil, sondern nur mit den anderen Formen desAnhaltens.

Würdigung durch das Gericht

58.
    Aus Punkt 8 — dem Ergebnis — der Entscheidung vom 6. April 1995 und aus ihrenPunkten 5 bis 7 — den Gründen — geht hervor, daß die Entscheidung abschließenddie Beschwerdeteile betrifft, in denen es um das Anhalten der im Schreiben derKommission vom 17. Februar 1995 aufgeführten materiellen geschäftlichen ABA-Remailsendungen, materiellen nichtgeschäftlichen ABA-Remailsendungen,nichtmateriellen Remailsendungen und gewöhnlichen grenzüberschreitenden Postging. Die Klägerin hatte im übrigen in ihrem Schreiben vom 22. Februar 1995(zitiert oben in Randnr. 24) selbst die beschränkte Tragweite des gemäß Artikel 6

der Verordnung Nr. 99/63 zugesandten Schreibens der Kommission vom 17.Februar 1995 hervorgehoben, das dem Erlaß der Entscheidung vom 6. April 1995vorausging.

59.
    Folglich ergibt sich aus dem Wortlaut der Entscheidung vom 6. April 1995, daßdiese nicht den Beschwerdeteil regelte, der das ABC-Remailing betraf.

60.
    Daß diese Auslassung möglicherweise auf einem Versäumnis der Kommissionberuhte oder aber in ihrer Absicht lag, kann den sachlichen Geltungsbereich derEntscheidung vom 6. April 1995 nicht ändern.

61.
    Im übrigen folgt schon aus dem Wortlaut der Entscheidung vom 14. August 1995,daß diese nur die endgültige Beurteilung desjenigen Beschwerdeteils durch dieKommission betrifft, in dem es um das ABC-Remailing ging.

62.
    Die Einwände der Klägerin zur Tragweite der Entscheidungen vom 6. April und14. August 1995 sind daher zurückzuweisen.

B — Klagegründe in der Rechtssache T-133/95

Erster Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

63.
    Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, die Entscheidung vom 6. April 1995enthalte keine oder nur eine unzureichende Begründung für die Zurückweisungderjenigen Aspekte ihrer Beschwerde, die zum einen das ABC-Remailing und zumanderen das nichtmaterielle Remailing beträfen.

64.
    Außerdem enthielten weder die Mitteilung der Beschwerdepunkte noch das gemäßArtikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 zugesandte Schreiben vom 17. Februar 1995,noch die Entscheidung vom 6. April 1995 Anhaltspunkte dafür, daß dieKommission denjenigen Teil ihrer Beschwerde geprüft habe, in dem sie dargelegthabe, daß die Durchführung von Artikel 23 des Weltpostvertrags durchentsprechende Vereinbarungen der öffentlichen Postbetreiber sichergestellt werde,die gegen Artikel 85 des Vertrages verstießen.

65.
    Es sei zudem nicht hinnehmbar, daß die Kommission diesen letzten Aspekt derBeschwerde in einer Entscheidung prüfe, die sie in einem späteren Stadium erlasse(Urteile des Gerichts vom 24. Januar 1995 in der Rechtssache T-74/92,Ladbroke/Kommission, Slg. 1995, II-115, Randnr. 60, und vom 28. September 1995in der Rechtssache T-95/94, Sytraval und Brink's France/Kommission, Slg. 1995, II-2651, Randnr. 62). Dadurch habe die Kommission gegen Artikel 190 des Vertragesverstoßen.

66.
    Die Kommission entgegnet, daß die Entscheidung vom 6. April 1995 weder dieFragen des ABC-Remailings noch die angeblichen Zuwiderhandlungen gegenArtikel 85 des Vertrages betreffe. Im übrigen enthalte die Entscheidung eineausreichende Begründung zum nichtmateriellen Remailing.

Würdigung durch das Gericht

67.
    Zunächst folgt aus der Beurteilung der Tragweite der Entscheidung vom 6. April1995 durch das Gericht (siehe oben, Randnrn. 58 bis 62), daß diese nicht das ABC-Remailing betraf. Der Klagegrund, die Entscheidung sei insoweit nicht begründet,ist daher nicht stichhaltig.

68.
    Ferner hat die Kommission in dieser Entscheidung vom 6. April 1995 dieAuffassung vertreten, die Klägerin habe keine Beweise dafür vorgelegt, daß ihreMitglieder möglicherweise mit nichtmateriellem ABA-Remailing befaßt seien; diesehätten daher kein berechtigtes Interesse im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 derVerordnung Nr. 17. Die Entscheidung läßt also die Argumentation der Kommissionklar und eindeutig erkennen. Daher ist der Klagegrund, insoweit fehle eineBegründung, zurückzuweisen; ob die Feststellung der Kommission richtig ist, isteine materielle Frage.

69.
    Schließlich ergibt sich aus der Entscheidung vom 6. April 1995, daß sie nicht dieangeblichen Zuwiderhandlungen der öffentlichen Postbetreiber gegen Artikel 85des Vertrages betrifft. Hierzu ist festzustellen, daß die gesonderte Behandlungdieses Aspekts der Beschwerde nicht die Prüfung der anderen Aspektebeeinträchtigt. Im übrigen geht aus der Akte nicht hervor, daß die Klägerin geltendgemacht hat, diese verschiedenen Aspekte könnten nicht getrennt werden, obwohldie Kommission ihre Prüfung klar erkennbar zum einen auf die Anwendung vonArtikel 85 des Vertrages auf die CEPT-Übereinkunft und zum anderen auf dieAnwendung des Artikels 86 auf das angebliche Anhalten von Remailsendungenkonzentrierte.

70.
    Somit ist der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b der VerordnungNr. 17

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

71.
    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe durch ihre Feststellung, daß dieMitglieder der IECC kein berechtigtes Interesse daran hätten, gegen diemißbräuchlichen Praktiken der öffentlichen Postbetreiber beim nichtmateriellenRemailing vorzugehen, gegen Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b der VerordnungNr. 17 verstoßen.

72.
    Erstens habe die Kommission, um zu dieser Feststellung zu gelangen, den Begriffdes nichtmateriellen Remailings ungewöhnlich eng ausgelegt, indem sie ihn aufnichtmaterielles ABA-Remailing beschränkt habe, mit dem die Mitglieder desIECC per definitionem nicht befaßt seien.

73.
    Zweitens habe die Kommission dadurch ignoriert, daß die Mitglieder der IECC einberechtigtes Interesse daran hätten, gegen die Praktiken der öffentlichenPostbetreiber im Fall des nichtmateriellen ABCA-Remailings vorzugehen. Beidieser Form des Remailings werde nämlich die im Land B materiell hergestelltePost von einem privaten Remailing-Betreiber in das Postsystem des Landes Ceingeführt, um in das Land A weitergeleitet zu werden. Diese Form des Remailingskomme praktisch dem ABC-Remailing gleich. Gleichwohl könnten die öffentlichenPostbetreiber auf der Grundlage einer extensiven Auslegung von Artikel 23 § 1 desWeltpostvertrags diese Sendungen anhalten, indem sie sie als nichtmaterielleABCA-Remailsendungen einstuften. Ein solches Anhalten entsprechend dieserTheorie des nichtmateriellen Remailings stelle für die Mitglieder der IECC einetatsächliche Bedrohung dar; dies habe die Kommission jedoch nicht beachtet.

74.
    Ihre Beschwerde und die Mitteilung der Bechwerdepunkte enthielten Beispiele fürABC-Remailsendungen, die die Deutsche Post als „nichtmaterielleRemailsendungen“ einzustufen versucht habe. Die Kommission habe sich in ihremSchreiben vom 13. Juli 1994 an die IECC als wegen der Anwendung dieser Theoriedes nichtmateriellen Remailings „besorgt“ bezeichnet. Zudem habe sie am 5. Mai1995 ein Schreiben an den Anwalt der Gesellschaft Lanier gerichtet, deren Post vonder Deutschen Post angehalten worden sei. Schließlich habe die Deutsche Post imJuni 1994 auf der Grundlage des Artikels 23 § 1 des Weltpostvertrags und derTheorie des nichtmateriellen Remailings einen erheblichen Teil der von derSchweizer Firma Matra AG versandten ABC-Remailsendungen angehalten.

75.
    Schließlich habe das Exekutivkomitee des Weltpostvereins im Mai 1994 dieErweiterung des Anwendungsbereichs von Artikel 23 § 1 des Weltpostvertragsvorgeschlagen, um das Anhalten nichtmaterieller Sendungen zu erleichtern. DieserVorschlag sei im September 1996 angenommen worden.

76.
    Die Kommission räumt ein, daß sie in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkteangegeben habe, daß die öffentlichen Postbetreiber Schwierigkeiten bei derAuslegung des Anwendungsbereichs von Artikel 23 § 1 des Weltpostvertrags gehabthätten. Ihre Rolle bestehe jedoch nicht darin, die möglichen Auswirkungen derAnwendung des Wettbewerbsrechts auf fiktive Szenarien zu bestimmen, sonderndarin, die Einhaltung dieser Regeln in konkreten Fällen durchzusetzen.

77.
    Im vorliegenden Fall habe die Klägerin bestätigt, daß ihre Mitglieder nicht mitnichtmateriellem Remailing im Sinne der Entscheidung vom 6. April 1995 befaßtseien und daß nichtmaterielles ABCA-Remailing dem ABC-Remailinggleichkomme.

Würdigung durch das Gericht

78.
    Gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 17 sind Personen undPersonenvereinigungen, die ein berechtigtes Interesse darlegen, zur Einreichungeiner Beschwerde wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Artikel 85 und 86 desVertrages berechtigt.

79.
    Daraus folgt, daß die Kommission unbeschadet ihres Rechts, gegebenenfalls vonAmts wegen ein Verfahren zur Feststellung einer Zuwiderhandlung einzuleiten,berechtigt war, der Beschwerde eines Unternehmens, das kein berechtigtesInteresse nachwies, nicht stattzugeben. In welchem Stadium der Untersuchung desFalles die Kommission festgestellt hat, daß diese Voraussetzung nicht vorlag, spieltdaher keine Rolle.

80.
    Im vorliegenden Fall ist die Kommission in ihrer Entscheidung vom 6. April 1995zu dem Ergebnis gelangt, daß die Mitglieder der IECC kein berechtigtes Interessedaran hätten, gegen die Praktiken beim nichtmateriellen ABA-Remailingvorzugehen.

81.
    In ihren Schriftsätzen bestätigt die Klägerin, daß ihre Mitglieder per definitionemnicht mit nichtmateriellem Remailing im Sinne der Entscheidung vom 6. April 1995befaßt seien.

82.
    Der in den Schriftsätzen der Klägerin besonders hervorgehobene Umstand, daßihre Mitglieder wegen der Anwendung der Theorie des nichtmateriellen Remailingsdurch die öffentlichen Postbetreiber mit einer anderen Form des nichtmateriellenRemailings, dem nichtmateriellen ABCA-Remailing, befaßt sein könnten, kann die— von der Klägerin im übrigen als begründet anerkannte — Feststellung derKommission zum nichtmateriellen ABA-Remailing nicht entkräften. Zudembestätigt die Klägerin, daß das nichtmaterielle ABCA-Remailing in Wirklichkeitdem ABC-Remailing gleichkomme, das von der Kommission in ihrer Entscheidungvom 14. August 1995 untersucht worden ist und deshalb vom Gericht im Rahmender Klage gegen diese Entscheidung erörtert werden wird.

83.
    Der Klagegrund ist folglich zurückzuweisen.

Dritter Klagegrund: Verstoß gegen die Artikel 85 und 86 des Vertrages

Erster und zweiter Teil

— Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

84.
    Die Klägerin trägt erstens vor, daß die Kommission bei der Entscheidung vom 6.April 1995, soweit sie geschäftliche ABA-Remailsendungen betreffe, von derPrämisse ausgehe, daß die öffentlichen Postbetreiber das Recht hätten, alle Post

anzuhalten, die nach ihrer Einschätzung unter Verletzung ihres gesetzlichenMonopols befördert worden sei. Diese Praxis verstoße aber gegen den Grundsatzder Trennung der Geschäfts- und der Regelungsfunktionen (Urteil desGerichtshofes vom 13. Dezember 1991 in der Rechtssache C-18/88, GB-INNO-BM,Slg. 1991, I-5941, Randnrn. 25 und 26).

85.
    Zweitens hätte die Argumentation der Kommission, wonach das Anhalten vonABA-Sendungen dem Schutz des Postmonopols der öffentlichen Postbetreiberdiene, nach Artikel 90 Absatz 2 des Vertrages gerechtfertigt sein müssen. DieKommission behaupte insoweit, daß das ABA-Remailing zu einer Senkung desUmsatzes der öffentlichen Postbetreiber führen und den von ihnen zu erbringendenUniversaldienst gefährden könne.

86.
    Drittens sei die Entscheidung vom 6. April 1995, soweit sie geschäftliche ABA-Sendungen betreffe, auf das gegenwärtige Ungleichgewicht zwischen den von denöffentlichen Postbetreibern getragenen Kosten und den Endvergütungen gestützt.Dieses Ungleichgewicht resultiere aber nur aus einer unerlaubtenPreisfestsetzungsvereinbarung öffentlicher Postbetreiber.

87.
    Viertens stelle die Beibehaltung eines solchen Systems eine mit Artikel 86Buchstabe c des Vertrages unvereinbare Diskriminierung dar.

88.
    Die Kommission erwidert zunächst, sie gehe von der Prämisse aus, daß dieöffentlichen Postbetreiber, denen eine Universaldienstaufgabe übertragen sei,berechtigt seien, ihr Monopol gegen Mißbrauch zu schützen. Das sei insbesondereder Fall, wenn zwischen den Kosten und den über das bestehendeEndvergütungssystem wieder eingetriebenen Beträgen ein Ungleichgewicht bestehe.Sie habe daraus geschlossen, daß das Anhalten von ABA-Sendungen, bei denen essich in Wirklichkeit nur um Inlandspost des Landes A handele, nicht gegen Artikel86 des Vertrages verstoße. Dadurch, daß sie diesen Standpunkt einnehme, wendesie nicht Artikel 90 Absatz 2 des Vertrages an. Ein derartiges Anhalten bedeutenicht zwangsläufig, daß eine Regelungsfunktion ausgeübt werde.

89.
    Die Kommission hebt sodann die Schwierigkeit für die öffentlichen Postbetreiberhervor, die Beachtung ihrer ausschließlichen Rechte durchzusetzen, solange diePost ihnen nicht zur Inlandszustellung zurückgesandt worden sei. Die betreffendeForm des Remailings sei von der CEPT-Übereinkunft nicht erfaßt worden.

90.
    Schließlich könne im vorliegenden Fall nicht von Diskriminierung gesprochenwerden, da die unterschiedlich behandelten Dienstleistungen nicht gleichwertigseien.

91.
    Die Deutsche Post vertritt die Auffassung, daß ein öffentlicher Postbetreiber nichtverpflichtet werden könne, Post verlustbringend zuzustellen, wenn sie rechtswidrigins Ausland befördert worden sei, um die Anwendung des nationalen Posttarifs zuverhindern.

92.
    Das Vereinigte Königreich führt aus, für das finanzielle Gleichgewicht der zurErbringung eines Universaldienstes verpflichteten öffentlichen Postbetreiber sei eserforderlich, daß der Verkauf von Postwertzeichen für die Inlandspost ausreichendeEinkünfte einbringe.

93.
    La Poste trägt vor, daß die Ausgaben für die Zustellung der Post an denEndadressaten den größten Teil der weltweiten Ausgaben der öffentlichenPostbetreiber darstellten. Im übrigen sei die Anwendung des Gemeinschaftsrechtsnur insoweit garantiert, als dieses Recht nicht mißbräuchlich genutzt werde, um dasnationale Recht zu umgehen (Urteile des Gerichtshofes vom 27. September 1989in der Rechtssache 130/88, Van de Bijl/Staatssecretaris van Economische Zaken,Slg. 1989, 3039, und vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-23/93, TV 10, Slg.1994, I-4795).

— Würdigung durch das Gericht

94.
    In ihrer Entscheidung vom 6. April 1995 hat die Kommission die Auffassungvertreten, daß geschäftliches ABA-Remailing in Wirklichkeit eine Umgehung desgesetzlichen Postmonopols der öffentlichen Postbetreiber darstelle. Das Anhaltendieser Remailsendungen sei unter den gegenwärtigen Umständen rechtmäßig undkönne daher nicht als Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 des Vertrages angesehenwerden. ABA-Remailing hindere die öffentlichen Postbetreiber desBestimmungslandes daran, ihre Ausgaben für die Postzustellung zu decken, da dieEndvergütungen nicht auf den tatsächlichen Kosten beruhten.

95.
    Unter Berücksichtigung der Argumentation der Kommission ist zu prüfen, ob dieUmstände, auf die sie sich beruft, die Anwendung von Artikel 86 des Vertragesausschließen können.

96.
    Die Existenz des Postmonopols und folglich seine angebliche Umgehung durch dasABA-Remailing können nicht als solche als Rechtfertigung für das Anhalten vonABA-Remailsendungen angesehen werden.

97.
    Weder die nationalen Rechtsvorschriften, durch die den öffentlichen Postbetreiberndie gesetzlichen Monopole eingeräumt werden, noch der Weltpostvertragverpflichten diese öffentlichen Postbetreiber dazu, Remailsendungen anzuhalten.Die öffentlichen Postbetreiber verfügen also über einen Handlungsspielraum, derihnen gegebenenfalls erlaubt, Post nicht anzuhalten.

98.
    Die für die öffentlichen Postbetreiber bestehende Notwendigkeit, ihr Monopol zuverteidigen, kann nicht als solche die Anwendung von Artikel 86 des Vertrages aufdas Anhalten eingehender ABA-Sendungen ausschließen. Eine solcheArgumentation liefe nämlich darauf hinaus, eine in den Anwendungsbereich dieserVorschrift fallende Praxis nur wegen des Bestehens einer beherrschenden Stellungauszunehmen.

99.
    Entgegen dem Vorbringen der Kommission läßt sich das streitige Anhalten nichtobjektiv dadurch rechtfertigen, daß die Endvergütungen, die im Fall des ABA-Remailings die Vergütung der öffentlichen Postbetreiber darstellen, diesen nichterlauben, ihre Ausgaben für die Postzustellung zu decken.

100.
    Zwar besteht ein Ungleichgewicht zwischen den Kosten eines öffentlichenPostbetreibers für die Zustellung eingehender Post und seiner Vergütung, dochresultiert dies aus einer von den öffentlichen Postbetreibern — darunter den drei inder vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden — selbst geschlossenenVereinbarung, wonach die Endvergütungen feste Beträge sind, die ohneBerücksichtigung der tatsächlichen Kosten des öffentlichen Postbetreibers desBestimmungslandes festgelegt werden.

101.
    Eine derartige Verhaltensweise, die darauf abzielt, für ein Unternehmen inbeherrschender Stellung die negativen Auswirkungen einer von ihm selbst mitausgearbeiteten und geschlossenen Vereinbarung zu beseitigen, kann nicht alsobjektive Rechtfertigung dafür betrachtet werden, eine Praxis des Anhaltensgeschäftlicher ABA-Sendungen vom Anwendungsbereich des Artikels 86 desVertrages auszunehmen.

102.
    Im übrigen ist nicht anzunehmen, daß das Anhalten eingehender Post das einzigeMittel ist, das es den öffentlichen Postbetreibern des Bestimmungslandes erlaubt,die Kosten der Zustellung dieser Post zu decken, wie der Umstand zeigt, daß dieDeutsche Post die Kosten wiederholt einfach bei den Versendern eingetrieben hat.Aus der angefochtenen Entscheidung geht aber nicht hervor, daß die Kommissiongeprüft hat, ob andere Maßnahmen als weniger einschränkend als das Anhaltenangesehen werden konnten.

103.
    La Poste, das Post Office und, wenngleich indirekt, das Vereinigte Königreichtragen vor, das Anhalten geschäftlicher ABA-Remailsendungen sei nach Artikel 90Absatz 2 des Vertrages durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, zu gewährleisten,daß die öffentlichen Postbetreiber ihre Universaldienstverpflichtungen einhielten.Jedoch geht aus der Entscheidung vom 6. April 1995 hervor, daß die Kommissionauf diese Vorschrift nicht Bezug genommen und sie im vorliegenden Fall nichtangewandt hat; dies hat sie in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt.

104.
    Die Argumente, die diese Streithelfer insoweit vorbringen, gehen folglich über denRahmen des vorliegenden Rechtsstreits hinaus. Das Gericht hat sich daher imRahmen der ihm aufgrund des Artikels 173 des Vertrages obliegendenRechtmäßigkeitskontrolle nicht zu diesen Argumenten zu äußern.

105.
    Die Kommission hat somit durch ihre Feststellung, daß das Anhalten geschäftlicherABA-Remailsendungen keinen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 des Vertragesdarstelle, einen Rechtsfehler begangen.

106.
    Folglich ist die Entscheidung vom 6. April 1995 für nichtig zu erklären, soweit dieKommission darin die Rechtmäßigkeit des Anhaltens kommerzieller ABA-Sendungen durch die öffentlichen Postbetreiber beurteilt.

107.
    Über die weiteren Argumente, die die Klägerin im ersten und im zweiten Teildieses Klagegrundes vorgebracht hat, ist daher nicht zu entscheiden.

Zum dritten und zum vierten Teil

108.
    Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, die Kommission habe gegen dieArtikel 85 und 86 des Vertrages verstoßen, indem sie die Bestrebungen deröffentlichen Postbetreiber, die Entwicklung des ABC-Remailings und desnichtmateriellen Remailings einzuschränken, nicht beanstandet habe.

109.
    Zunächst ist daran zu erinnern, daß die Entscheidung vom 6. April 1995 nicht dasAnhalten von ABC-Sendungen betrifft (siehe oben, Randnrn. 58 bis 62); außerdemhat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß sie ein berechtigtes Interesse daran hat,gegen die Praktiken der öffentlichen Postbetreiber beim nichtmateriellen Remailingim Sinne dieser Entscheidung vorzugehen.

110.
    Das Gericht weist diese beiden Teile des vorliegenden Klagegrundes folglichzurück.

C — Anträge und Klagegründe in der Rechtssache T-204/95

Zu den Hauptanträgen, die darauf gerichtet sind, das Schreiben vom 12. April 1995und die Entscheidung vom 14. August 1995 für inexistent zu erklären

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

111.
    Die Klägerin trägt vor, der das ABC-Remailing betreffende Teil ihrer Beschwerdesei in der Entscheidung der Kommission vom 6. April 1995 und nicht in derEntscheidung vom 14. August 1995 zurückgewiesen worden. Letztere sei somit diezweite Entscheidung, die die Kommission in bezug auf den gleichen Sachverhalterlassen habe, und vermenge in bedenklicher Weise die verschiedenen Stadien desVerwaltungsverfahrens.

112.
    Daher seien diese Entscheidung vom 14. August 1995 und das am 12. April 1995gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 zugesandte Schreiben überflüssig. Ausdiesem Grund seien diese beiden Akte für inexistent zu erklären (Urteil desGerichtshofes vom 15. Juni 1994 in der Rechtssache C-137/92 P, Kommission/BASFu. a., Slg. 1994, I-2555, Randnrn. 48 und 49).

113.
    Durch die Zusendung eines zweiten Schreibens gemäß Artikel 6 der VerordnungNr. 99/63 und einer neuen Entscheidung über die Aspekte, deren Regelung bereits

Aufgabe der Entscheidung vom 6. April 1995 gewesen sei, seien ihr einigegrundlegende, insbesondere nach Artikel 6 der EuropäischenMenschenrechtskonvention anerkannte Rechte genommen worden, wie z. B. dasRecht auf Zugang zu einem unabhängigen und unparteiischen Gericht, das Rechtder Waffengleichheit und das Recht, in angemessener Frist Gerechtigkeit zuerlangen.

114.
    Schließlich könne sich die Kommission nicht darauf berufen, daß sie sich darumbemüht habe, die Verfahrensrechte der Klägerin zu schützen. Diese habe nämlichin ihrem Schreiben vom 22. Februar 1995 hinsichtlich der im Schreiben derKommission vom 17. Februar 1995 ausgelassenen Aspekte auf alleVerfahrensrechte verzichtet.

115.
    Die Kommission entgegnet im wesentlichen, daß die Argumentation der Klägerindie Tragweite der Entscheidungen vom 6. April und 14. August 1995 verkenne. Aufjeden Fall könnten die von der Klägerin geltend gemachten Mängel es nichtrechtfertigen, die Entscheidung vom 14. August 1995 für inexistent zu erklären.Schließlich sei die Europäische Menschenrechtskonvention im vorliegenden Fallnicht anwendbar.

Würdigung durch das Gericht

116.
    Aus der Prüfung der Tragweite der Schreiben vom 6. April und 14. August 1995durch das Gericht (siehe oben, Randnrn. 58 bis 62) geht hervor, daß dieErwägungen der Klägerin auf einer falschen Prämisse beruhen. Ihre Argumentationzur Begründung ihrer Hauptanträge, die darauf gerichtet sind, die Entscheidungvom 14. August 1995 und das Schreiben der Kommission vom 12. April 1995gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 für inexistent zu erklären, ist dahernicht stichhaltig.

117.
    Auf jeden Fall ist daran zu erinnern, daß nur solche Rechtsakte der Organerechtlich inexistent sind, die offenkundig mit einem derart schweren Fehler behaftetsind, daß die Gemeinschaftsrechtsordnung ihn nicht tolerieren kann. Die Schwereder Folgen, die mit der Feststellung der Inexistenz eines Rechtsakts derGemeinschaftsorgane verbunden sind, verlangt aus Gründen der Rechtssicherheit,daß diese Feststellung auf ganz außergewöhnliche Fälle beschränkt wird (UrteilKommission/BASF u. a., Randnrn. 49 und 50). Im vorliegenden Fall wären aber dievon der Klägerin behaupteten Mängel selbst im Fall ihres tatsächlichen Vorliegenskein Fehler, der dazu führen könnte, die Entscheidung für inexistent zu erklären.

118.
    Dieser Antragspunkt ist daher abzuweisen.

Zum Hilfsantrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 14. August 1995

1. Erster Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages

a) Erster Teil: Fehlende Begründung bezüglich des angeblichen Verstoßes gegenArtikel 85 des Vertrages durch die öffentlichen Postbetreiber

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

119.
    Die Klägerin macht geltend, die Entscheidung vom 14. August 1995 verstoße gegenArtikel 190 des Vertrages, da die Kommission die Zurückweisung ihrer Beschwerdenicht hinreichend begründet habe, soweit diese die Beurteilung der von denöffentlichen Postbetreibern durchgeführten Vereinbarung über Marktaufteilung imHinblick auf Artikel 85 des Vertrages betreffe.

120.
    Die Kommission entgegnet, daß es in der Entscheidung vom 14. August 1995 nichtum die Anwendung von Artikel 85 des Vertrages auf die betreffende Vereinbarunggehe.

Würdigung durch das Gericht

121.
    Die Argumentation in diesem ersten Teil gleicht derjenigen im Rahmen des erstenKlagegrundes in der Rechtssache T-133/95. Das Gericht weist diesen ersten Teildes Klagegrundes daher aus den oben in Randnummer 69 genannten Gründenzurück.

b) Zweiter Teil: Unzureichende Begründung bezüglich des ABC-Remailings

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

122.
    Die Klägerin macht erstens geltend, daß die Entscheidung vom 14. August 1995 diefehlende Gefahr einer Wiederholung bestimmter Zuwiderhandlungen durch dieDeutsche Post und La Poste nicht hinreichend begründe, zumal die Kommissionin der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die öffentlichen Postbetreiber einenanderen Standpunkt eingenommen habe.

123.
    Zweitens seien die von den öffentlichen Postbetreibern eingegangenenVerpflichtungen, deren spätere Einhaltung die Kommission nicht überprüft habe,kein ausreichender Grund für die radikale Änderung in der Beurteilung durch dieKommission, die in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte die Vorstellung, daßdiese Verpflichtungen eine angemessene Reaktion auf die in der Beschwerde derIECC vorgebrachten Punkte darstellten, zurückgewiesen habe.

124.
    Die Kommission entgegnet, die Entscheidung vom 14. August 1995 beruhe alleindarauf, daß sie seit dem Zeitpunkt, zu dem die betroffenen öffentlichenPostbetreiber die Verpflichtungen eingegangen seien, keine Beweise dafür gefundenoder erlangt habe, daß sie weiterhin ABC-Remailsendungen anhielten.

Würdigung durch das Gericht

125.
    Nach ständiger Rechtsprechung soll die Begründung einer Einzelfallentscheidunges ihrem Adressaten ermöglichen, die Gründe für die erlassene Maßnahme zuerfahren, damit er gegebenenfalls seine Rechte geltend machen und dieBegründetheit der Entscheidung prüfen kann, und den Gemeinschaftsrichter in dieLage versetzen, seine Rechtmäßigkeitskontrolle auszuüben (Urteile des Gerichtsvom 24. Januar 1995 in der Rechtssache T-5/93, Tremblay u. a./Kommission, Slg.1995, II-185, Randnr. 29, vom 12. Januar 1995 in der Rechtssache T-102/92,Viho/Kommission, Slg 1995, II-17, Randnrn. 75 und 76, und vom 18. September1996 in der Rechtssache T-387/94, Asia Motor France u. a./Kommission, Slg. 1996,II-961, Randnrn. 103 und 104).

126.
    Im übrigen hängt nach der Rechtsprechung der genaue Umfang derBegründungspflicht von der Art des Rechtsakts und von den Umständen ab, unterdenen er erlassen wurde (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Januar 1981 in derRechtssache 819/79, Deutschland/Kommission, Slg. 1981, 21, Randnr. 19). Insoweitist daran zu erinnern, daß die Kommission im vorliegenden Fall in der Mitteilungder Beschwerdepunkte und in einem späteren Schriftwechsel bestimmte Praktikender öffentlichen Postbetreiber im Bereich des ABC-Remailings in Frage gestellthatte.

127.
    Aus der Entscheidung vom 14. August 1995 geht aber hervor, daß sich dieKommission erstens nicht für verpflichtet gehalten hat, ein Verbot in bezug aufeinen abgeschlossenen Sachverhalt zu erlassen.

128.
    Zweitens hat sie darauf hingewiesen, daß sich die Deutsche Post und das PostOffice dazu verpflichtet hätten, keine ABC-Remailsendungen mehr anzuhalten. Siehat festgestellt, daß sie keine Beweise dafür gefunden habe, daß diese öffentlichenPostbetreiber trotz ihrer Verpflichtungen weiterhin ABC-Remailsendungenanhielten. Dadurch erfüllt die Kommission unter den gegebenen Umständen inausreichendem Maß die Verpflichtung aus Artikel 190 des Vertrages. Denn dieBegründung, während eines Zeitraums von mehr als fünf Jahren einschließlich derbeiden Jahre nach dem Erlaß der Mitteilung der Beschwerdepunkte seien keineABC-Sendungen angehalten worden, läßt klar erkennen, aus welchen Gründen sichdie endgültige Beurteilung der Kommission von der früheren Beurteilungunterscheidet.

129.
    Im übrigen hat die Kommission unabhängig von der Richtigkeit ihrerTatsachenwürdigung oder ihrer Erwägungen die Entscheidung vom 14. August 1995hinreichend begründet, soweit sie die Unklarheit der von der Deutschen Posteingegangenen Verpflichtungen betrifft, da sie diese Unklarheit vernünftigerweisedeswegen für beseitigt halten konnte, weil sich der betreffende öffentlichePostbetreiber nach dem Erlaß der Mitteilung der Beschwerdepunkte viele Monatelang an ihre Anordnungen gehalten hatte.

130.
    Drittens hat die Kommission zunächst festgestellt, daß ein einziger Vorfall aus demJahr 1989, bei dem La Poste ABC-Remailsendungen angehalten habe, ermittelt

worden sei, und sodann bemerkt, daß es keinen Beweis für ein weiteres Anhaltenvon ABC-Remailsendungen durch diesen öffentlichen Postbetreiber gebe.Schließlich sei sie nicht verpflichtet, ein Verbot in bezug auf einen abgeschlossenenSachverhalt zu erlassen; der Einzelfallcharakter des Anhaltens durch La Posterechtfertige daher nicht den Erlaß einer Entscheidung. Damit hat die Kommissionangemessen begründet, warum sie es nicht für erforderlich gehalten hat, in bezugauf das Anhalten von Post durch diesen öffentlichen Postbetreiber ein Verbot zuerlassen.

131.
    Folglich ist dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2. Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen die Artikel 85 und 86 des Vertrages,offensichtliche Fehler bei der Tatsachenwürdigung und Rechtsfehler

a) Erster Teil: ABC-Remailing

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

132.
    Die Klägerin macht erstens geltend, daß die vom deutschen und vom britischenöffentlichen Postbetreiber eingegangenen Verpflichtungen keinen Auflagen oderBedingungen, z. B. Verpflichtungen zur Berichterstattung, unterworfen wordenseien, wie es im Rahmen der Verordnung Nr. 17 und der Verordnung (EWG)Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle vonUnternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1) üblich sei. Außerdem könntennicht bekanntgemachte Verpflichtungen nicht die nachteiligen Folgen einer imRahmen des Weltpostvertrags ausgearbeiteten wettbewerbsbeschränkendenVereinbarung beseitigen.

133.
    Zweitens habe die Kommission ihre Pflicht zur Kontrolle der Einhaltungübernommener Verpflichtungen verletzt (Urteil Sytraval und Brink'sFrance/Kommission, Randnrn. 76 und 77).

134.
    Drittens beträfen die Verpflichtungen nicht alle Praktiken, die sie den öffentlichenPostbetreibern in ihrer Beschwerde vorgeworfen habe. So habe sie dem Post Officevorgeworfen, daß es andere öffentliche Postbetreiber veranlaßt habe,Remailsendungen aus Großbritannien anzuhalten. Im übrigen habe das Post Officenicht darauf verzichtet, mittels der Theorie des nichtmateriellen RemailingsGebrauch von Artikel 23 § 1 des Weltpostvertrags gegen ABC-Remailsendungenzu machen.

135.
    Viertens habe die Kommission in ihren Schriftsätzen eingeräumt, daß die DeutschePost nach deutschem Recht nicht von der Anwendung des Artikels 23 desWeltpostvertrags habe absehen können und daß sie daher „freiwilligeVerpflichtungen“, die unvereinbar mit ihren gesetzlichen Verpflichtungen seien,vernünftigerweise nicht habe eingehen können.

136.
    Fünftens habe die Kommission einen offensichtlichen Fehler bei derTatsachenwürdigung begangen, indem sie erklärt habe, daß es im vorliegenden Fall„keine Beweise dafür [gibt], daß die beiden in der Beschwerde der IECC von 1988genannten Postbetreiber ... ihre 1989 gegenüber der Kommission eingegangeneVerpflichtung, sich bezüglich des ABC-Remailings nicht auf Artikel 23 § 4 zuberufen, nicht eingehalten haben“. Die Kommission habe nämlich Kenntnis voneinem Dokument haben müssen, das belege, daß der deutsche Regulierungsrat imDezember 1995 versucht habe, von der Inanspruchnahme von Remaildienstenabzuschrecken, und daß die Deutsche Post in Fällen wie dem der Matra AG, derCitibank, der GZS Bank, des Gartner-Konzerns und von Lanier ABC-Remailsendungen gemäß der Theorie des nichtmateriellen Remailings angehaltenhabe. Die Kommission habe übrigens in Schreiben vom 13. Juli und 23. September1994 eingeräumt, daß die Fälle des Anhaltens zunähmen.

137.
    Sechstens habe die Kommission in Punkt 14.4 der Entscheidung vom 14. August1995 ausgeführt, daß, „wären die Verpflichtungen derart verletzt worden, die IECCin der Lage gewesen wäre, einen Prima-facie-Beweis dafür zu erbringen“.Entsprechend der Situation in der Rechtssache Sytraval und Brink'sFrance/Kommission sei es für sie aber eindeutig schwieriger gewesen als für dieKommission, die Beweise für Zuwiderhandlungen durch die öffentlichenPostbetreiber zusammenzutragen. Die Kommission unterschätze somit ihreVerpflichtung zur Prüfung der ihr vorgelegten Beschwerden.

138.
    Siebtens habe es die Kommission in den Punkten 17 ff. der Entscheidung vom 14.August 1995 nicht für erforderlich gehalten, ein Verbot gegenüber La Poste zuerlassen. Dieser auf den Einzelfallcharakter eines Vorfalls gestützte Standpunkt seirechtswidrig, da La Poste keinerlei Absicht habe erkennen lassen, auf die Berufungauf Artikel 23 des Weltpostvertrags zu verzichten. Durch den Erlaß dieserEntscheidung habe die Kommission diesen öffentlichen Postbetreiber dazuermutigt, seine beschränkenden Praktiken beizubehalten; dies verstoße gegenArtikel 85 des Vertrages.

139.
    Schließlich habe sich die Kommission in der Entscheidung vom 14. August 1995 ankeiner Stelle ausdrücklich auf das „Fehlen eines Gemeinschaftsinteresses“ berufen.

140.
    Die Kommission entgegnet, die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt Beweise dafürvorgelegt, daß die drei betroffenen öffentlichen Postbetreiber weiterhin ABC-Sendungen anhielten. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung vom 14.August 1995 habe sie keine Beschwerde der IECC oder eines anderengeschäftsmäßigen Remailers wegen eines Anhaltens von ABC-Remailsendungenerhalten. In Ermangelung solcher Beschwerden sei sie nicht verpflichtet, ihrebegrenzten Möglichkeiten zu nutzen, um von den öffentlichen PostbetreibernBerichte über ihre Aktivitäten zu erlangen.

141.
    Außerdem seien die von den öffentlichen Postbetreibern übernommenenVerpflichtungen anderer Art als diejenigen, die der französische Staat in der dem

Urteil Sytraval und Brink's France/Kommission zugrunde liegenden Rechtssacheeingegangen sei. Der vorliegende Fall unterscheide sich von jener Rechtssache, daes in ihm nicht um einen Beschwerdeführer in einer staatliche Beihilfenbetreffenden Angelegenheit gehe. Im übrigen seien Beweise für Praktikenöffentlicher Postbetreiber gegenüber Privatbetreibern leichter zu erlangen alsBeweise für finanzielle Machenschaften zwischen einem Staat und einemPrivatunternehmen.

142.
    Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland führt aus, daß dieKommission bei Fehlen eines hinreichenden Gemeinschaftsinteresses befugt sei,den Erlaß eines Verbotes abzulehnen. So verhalte es sich vorliegend aufgrund dereingegangenen Verpflichtungen und des Fehlens von Beweisen für spätereVerletzungen. Die Klägerin habe sich übrigens als Vertreterin zahlreicher Remail-Unternehmen in einer besonders geeigneten Lage befunden, umZuwiderhandlungen aufzudecken und sie der Kommission mitzuteilen.

143.
    Das Post Office macht geltend, es habe sich entsprechend der mit Schreiben vom21. April 1989 eingegangenen Verpflichtung verhalten.

144.
    Die Deutsche Post erinnert an ihr Schreiben vom 10. Oktober 1989 an dieKommission, das Verpflichtungen bezüglich des ABC-Remailings enthalten habe.Die IECC habe im übrigen keine Beweise für etwaige Verletzungen dieserVerpflichtungen erbracht.

Würdigung durch das Gericht

145.
    Aus der Entscheidung vom 14. August 1995 über das ABC-Remailing geht hervor,daß die Kommission keine endgültige Prüfung der Rechtmäßigkeit der fraglichenPraktiken im Hinblick auf Artikel 86 des Vertrages vorgenommen hat. Sie hatnämlich im wesentlichen die Ansicht vertreten, daß bei abgeschlossenenZuwiderhandlungen, für deren Wiederholung keinerlei Beweis vorliege, kein Anlaßfür sie bestehe, von ihrer Befugnis zur Feststellung einer ZuwiderhandlungGebrauch zu machen, und hat deswegen die Beschwerde der Klägerinzurückgewiesen.

146.
    Berücksichtigt man zunächst das allgemeine, der Tätigkeit der Gemeinschaft imBereich des Wettbewerbsrechts in Artikel 3 Buchstabe g des Vertrages gesetzteZiel, ferner die der Kommission nach Artikel 89 Absatz 1 des Vertrages in diesemBereich übertragene Aufgabe und schließlich den Umstand, daß Artikel 3 derVerordnung Nr. 17 demjenigen, der einen Antrag nach diesem Artikel stellt, keinenAnspruch auf eine Entscheidung im Sinne des Artikels 189 des Vertrages über dasVorliegen eines Verstoßes gegen Artikel 85 und/oder Artikel 86 des Vertragesverleiht, so ist festzustellen, daß die Kommission vorbehaltlich der Begründungeiner solchen Entscheidung rechtmäßig beschließen konnte, daß es nicht

zweckmäßig war, einer Beschwerde wegen später eingestellter Praktikenstattzugeben.

147.
    Insbesondere darf die Kommission unter der Kontrolle des Gemeinschaftsrichtersdie Auffassung vertreten, es bestehe für sie nach sorgfältiger Prüfung desbetreffenden Sachverhalts kein Anlaß, die Prüfung der Beschwerde fortzusetzen,wenn Verpflichtungen der in der Beschwerde genannten Betreiber vorliegen unddie Klägerin keinen Beweis für eine Verletzung dieser Verpflichtungen erbrachthat.

148.
    Im übrigen ist die Kommission nicht verpflichtet, ausdrücklich auf den Begriff des„Gemeinschaftsinteresses“ Bezug zu nehmen. Es genügt insoweit, daß dieser Begriffder Argumentation, auf die sich die betreffende Entscheidung stützt, zugrunde liegt.

149.
    Im vorliegenden Fall hat die Kommission in ihrer Entscheidung vom 14. August1995 festgestellt, daß kein Anlaß für eine Fortsetzung der Prüfung der Beschwerdeim Hinblick auf die drei in ihr genannten öffentlichen Postbetreiber bestehe. DieFälle dieser öffentlichen Postbetreiber sind der Reihe nach zu untersuchen.

— Deutsche Post

150.
    In ihrem in der Mitteilung der Beschwerdpunkte erwähnten Schreiben vom 30. Juni1989 an die Kommission hat die Deutsche Post mitgeteilt, sie sei bereit, fürinnergemeinschaftliches Remailing auf die Anwendung von Artikel 23 § 4 desWeltpostvertrags zu verzichten, sofern ihr Recht auf Nutzung der Befugnisse nachArtikel 23 §§ 1 bis 3 dieses Vertrages anerkannt werde. Mit ebenfalls in derMitteilung der Beschwerdepunkte erwähntem Schreiben vom 10. Oktober 1989 hatsie mitgeteilt, daß sie Artikel 23 § 4 auf innergemeinschaftliches ABC-Remailingnicht mehr anwende.

151.
    Aus den Antworten der Deutschen Post in der mündlichen Verhandlung gehtdarüber hinaus hervor, daß sie nach deutschem Recht nicht von vornherein zumAnhalten von ABC-Remailsendungen verpflichtet ist (siehe oben, Randnr. 97). Dievon der Deutschen Post eingegangenen Verpflichtungen können also nicht wegenUnvereinbarkeit mit dem deutschen Recht in Frage gestellt werden.

152.
    Im übrigen geht aus den Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshervor, daß die Klägerin die Kommission nicht von erwiesenen Fällen desAnhaltens von ABC-Sendungen vor dem Erlaß der Entscheidung vom 14. August1995 unterrichtet hatte. Der einzige Streitfall in diesem Zusammenhang ist dersogenannte „Lanier“-Fall. Diese auf 1991 zurückgehende Rechtssache ist jedochbei den deutschen Gerichten anhängig, die festzustellen haben, ob es sich bei derangehaltenen Post um den ABA- oder den ABC-Typ handelte. Die bloße Existenzdieses Streitfalls kann jedoch die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 14. August1995 nicht in Frage stellen. Die Kommission könnte höchstens nach Maßgabe der

Feststellungen der zuständigen deutschen Gerichte das Verwaltungsverfahrenwiedereröffnen, wenn sie dies für erforderlich halten sollte.

153.
    Das Dokument des deutschen Regulierungsrates (siehe oben, Randnr. 136) betrifftdas ABA-Remailing und wurde im Dezember 1995 beschlossen. Die Schreiben derKommission vom 13. Juli und 23. September 1994 befassen sich mit dem Phänomendes nichtmateriellen ABA-Remailings, für das die Kommission in ihrerEntscheidung vom 6. April 1995 zu Recht das Fehlen eines berechtigten Interessesder Klägerin festgestellt hat, und nicht mit dem ABC-Remailing. Diese Dokumentekönnen daher die Gültigkeit der Entscheidung vom 14. August 1995, in der es nurum das ABC-Remailing geht, nicht berühren.

    

154.
    Zwar betrifft die Verpflichtung der Deutschen Post nur Artikel 23 § 4 desWeltpostvertrags und schließt folglich nicht aus, daß nichtmaterielle ABCA-Remailsendungen, die in Wirklichkeit materiellen ABC-Remailsendungengleichkommen, aufgrund einer extensiven Auslegung von Artikel 23 § 1 desWeltpostvertrags gemäß der Theorie des nichtmateriellen Remailings angehaltenwerden, doch geht aus den Akten nicht hervor, daß die Klägerin der Kommissionvor dem Erlaß der Entscheidung irgendwelche Beweise für die Anwendung dieserTheorie durch den betreffenden öffentlichen Postbetreiber vorgelegt hat.

155.
    Da die Klägerin im Verwaltungsverfahren keine Beweise dafür erbracht hat, daßdie Deutsche Post trotz ihrer Verpflichtungen ABC-Sendungen angehalten hatte,ist festzustellen, daß die Kommission zu Recht entschieden hat, es bestehe keinAnlaß, die Prüfung der vorgebrachten Beschwerdepunkte fortzusetzen.

— Post Office

156.
    Die vom Post Office am 21. April 1989 eingegangenen Verpflichtungen sindbezüglich der gegenwärtigen und künftigen Nichtanwendung des Artikels 23 § 4 desWeltpostvertrags unmißverständlich. Die Kommission hat im übrigen zu Rechtfestgestellt, es sei nicht nachgewiesen — nicht einmal behauptet — worden, daß dasPost Office später Post aufgrund dieses Artikels des Weltpostvertrags angehaltenhabe.

157.
    Da die Klägerin im Verwaltungsverfahren keine Beweise dafür erbracht hat, daßdas Post Office trotz seiner Verpflichtungen ABC-Sendungen angehalten hatte, istfestzustellen, daß die Kommission zu Recht entschieden hat, es bestehe kein Anlaß,die Prüfung dieses Aspekts der Beschwerde fortzusetzen.

158.
    Die Klägerin meint jedoch, daß diese Verpflichtungen in zweifacher Hinsicht zubegrenzt seien.

159.
    Erstens werde das Problem, daß andere öffentliche Postbetreiber zum Anhaltenvon Post aus Großbritannien aufgefordert worden seien, in Punkt 14.4 der

Entscheidung vom 14. August 1995 behandelt. In dieser Entscheidung habe dieKommission aber festgestellt, daß keine Gefahr einer Wiederholung derangegriffenen Praktiken bestehe, und sich dabei auf die Verpflichtungen derverschiedenen öffentlichen Postbetreiber sowie darauf bezogen, daß sie keineBeweise für die Verletzung dieser Verpflichtungen erlangt habe.

160.
    Die Verpflichtungen des Post Office betreffen zwar nur das Anhalten von ABC-Sendungen durch das Post Office selbst, prüft man sie aber im Kontext fehlenderBehauptungen einer erneuten Veranlassung zum Anhalten von Post seit demSchreiben des Post Office vom Januar 1987 u. a. an einen weiteren öffentlichenPostbetreiber in der Gemeinschaft, der Verpflichtung der Deutschen Post und desFehlens von Beweisen für das Anhalten von Post durch andere öffentlichePostbetreiber, so bilden sie eine hinreichende Grundlage für die Feststellung derKommission, es bestehe keine Gefahr mehr, daß das Post Office diese Praxis derVeranlassung zum Anhalten von Post wiederaufnehme, und daher brauche diePrüfung der Beschwerde insoweit nicht fortgesetzt zu werden.

161.
    Was zweitens die Beurteilung der Möglichkeit betrifft, daß sich das Post Office imRahmen einer extensiven Auslegung von Artikel 23 § 1 des Weltpostvertrags aufdie Theorie des nichtmateriellen Remailings beruft, so genügt die Feststellung, daßdie Klägerin weder bewiesen noch auch nur behauptet hat, daß das Post Officediese Theorie jemals vor oder nach der Übernahme der betreffendenVerpflichtungen angewandt hat.

— La Poste

162.
    Die Feststellung, daß das Anhalten von Post durch La Poste im Oktober 1989Einzelfallcharakter hat, wird nicht bestritten.

163.
    Unter diesen Umständen war die Kommission in Ermangelung des geringstenBeweises oder der geringsten Behauptung eines Anhaltens von Post während eineslangen Zeitraums von sechs Jahren zu Recht der Auffassung, es bestehe keineGefahr, daß dieser öffentliche Postbetreiber rückfällig werde, und somit braucheweder die Prüfung dieser Angelegenheit fortgesetzt noch ein Verbot gegenüber LaPoste erlassen zu werden.

164.
    Nach alledem hat die Kommission in bezug auf jeden der öffentlichen Postbetreiberzutreffend festgestellt, daß kein Anlaß bestehe, die Prüfung der Beschwerdeinsoweit fortzusetzen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß dieKommission in ihrer Entscheidung nicht endgültig zur Anwendung von Artikel 86des Vertrages auf die das ABC-Remailing betreffenden Praktiken der öffentlichenPostbetreiber Stellung genommen hat. Die Entscheidung berührt daher nicht dasRecht der Klägerin, von jedem ihr angemessen erscheinenden RechtsbehelfGebrauch zu machen, falls sie den Beweis für eine Wiederaufnahme der von ihrfür rechtswidrig gehaltenen Praktiken erlangt.

165.
    Folglich ist dieser erste Teil dieses Klagegrundes insgesamt zurückzuweisen.

b) Zweiter Teil: Beurteilung der Existenz von Artikel 23 des Weltpostvertrags imHinblick auf das Wettbewerbsrecht

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

166.
    Die Klägerin weist darauf hin, daß die Kommission in ihrer Entscheidung vom 14.August 1995 festgestellt habe, die bloße Existenz von Artikel 23 desWeltpostvertrags stehe nicht zwangsläufig im Widerspruch zu dengemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln; nur die Nutzung der nach Artikel 23gegebenen Handlungsmöglichkeiten könne unter bestimmten Umständen — d. h.zwischen Mitgliedstaaten — einen Verstoß gegen diese Regeln darstellen.

167.
    Jedoch brauchen nach Ansicht der Klägerin bei der Anwendung von Artikel 85Absatz 1 des Vertrages die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung nichtberücksichtigt zu werden, wenn sich ergebe, daß diese eine Einschränkung,Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecke (Urteil desGerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten undGrundig/Kommission, Slg. 1966, 322). Im Mai 1994 habe das Exekutivkomitee desWeltpostvereins vorgeschlagen, den Anwendungsbereich von Artikel 23 § 1 desWeltpostvertrags zu erweitern. Soweit Artikel 23 des Weltpostvertrags eineVereinbarung über Marktaufteilung zwischen öffentlichen Postbetreibern darstelle,reiche es für einen Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages also aus, wenn dieseübereingekommen seien, den erneuten Erlaß dieser Vorschrift und ihre Anwendungim Rahmen der REIMS-Vereinbarung zu unterstützen.

168.
    Die Kommission entgegnet, daß die öffentlichen Postbetreiber Vereinbarungen wieden abgeänderten Weltpostvertrag durchführen könnten, sofern sie sie nichtentgegen den Artikeln 85 und 86 des Vertrages anwendeten. So sei die Anwendungvon Artikel 23 des Weltpostvertrags hinnehmbar, wenn weder das Herkunftslandder Post noch das Land, deren Verwaltung das Remailing ausführe, Mitgliedstaatenseien.

Würdigung durch das Gericht

169.
    Zunächst ist festzustellen, daß die Klägerin keine Beweise für ihre Behauptungerbracht hat, daß die Unterstützung durch die öffentlichen Postbetreiber imHinblick auf die Beibehaltung von Artikel 23 des Weltpostvertrags und seineAnwendung im Rahmen der REIMS-Vereinbarung das Ergebnis einerVereinbarung zwischen Unternehmen, eines Beschlusses einerUnternehmensvereinigung oder einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweisevon Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages sei.

170.
    Selbst wenn es sich so verhielte, erklärt die Klägerin außerdem nicht, inwiefern dieangeblich abgesprochene Unterstützung der Beibehaltung von Artikel 23 desWeltpostvertrags durch die öffentlichen Postbetreiber geeignet wäre, dieFeststellung der Kommission, daß die bloße Existenz dieser Vorschrift nichtzwangsläufig im Widerspruch zu den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln stehe,in Frage zu stellen.

171.
    Schließlich ist daran zu erinnern, daß Artikel 23 des Weltpostvertrags, der formalein von Staaten geschlossener Vertrag mit einer Universalaufgabe ist, nicht zumAnhalten von Remailsendungen verpflichtet. Die bloße Existenz dieser Vorschriftstellt keine Zuwiderhandlung der öffentlichen Postbetreiber gegen diegemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln dar, die die Kommission bei der Prüfungeiner Beschwerde gegen die öffentlichen Postbetreiber feststellen könnte. DieKommission hat daher zutreffend festgestellt, daß allein die Berufung deröffentlichen Postbetreiber auf diese Vorschrift unter die gemeinschaftlichenWettbewerbsregeln fallen könnte, soweit dadurch der Handel zwischenMitgliedstaaten beeinträchtigt werde.

172.
    Folglich ist der zweite Teil dieses Klagegrundes zurückzuweisen.

c) Dritter Teil: Verstoß gegen die Artikel 85 und 86 des Vertrages wegen Fehlenseiner Verbotsentscheidung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

173.
    Die Klägerin macht zunächst geltend, daß das Anhalten von ABC-Sendungen einenMißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 des Vertragesdarstelle, der nicht nach Artikel 90 Absatz 2 des Vertrages gerechtfertigt werdenkönne. Zudem erfolge das Anhalten gemäß einer Vereinbarung überMarktaufteilung, die ihren Niederschlag in Artikel 23 des Weltpostvertragsgefunden habe. Da diese Vereinbarung von öffentlichen Postbetreiberndurchgeführt werde, die alle eine beherrschende Stellung auf ihrem jeweiligenMarkt einnähmen, mißbrauchten die öffentlichen Postbetreiber auch eine kollektivebeherrschende Stellung. Die Kommission habe somit gegen die Artikel 85 und 86des Vertrages verstoßen, indem sie die Beschwerde zurückgewiesen habe, ohne dasAnhalten von ABC-Remailsendungen zu verbieten.

174.
    Außerdem nähmen die öffentlichen Postbetreiber selbst komplizierte rechtlicheBeurteilungen hinsichtlich der Anwendung des Wettbewerbsrechts vor, da dieBeurteilung der Rechtmäßigkeit des Anhaltens von ABC-Sendungen eine Prüfungder Frage einschließe, inwieweit das Postmonopol zur Erfüllung der ihnenanvertrauten Aufgaben von allgemeinem Interesse erforderlich sei. Dieses Anhaltenverletze daher unter Verstoß gegen Artikel 86 des Vertrages den Grundsatz derTrennung der Geschäfts- und der Regelungsfunktionen.

175.
    Die Kommission macht geltend, daß dieser Teil des Klagegrundes unerheblich sei.Die Entscheidung stelle nämlich nicht fest, daß das Anhalten von ABC-Remailsendungen mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar sei.

Würdigung durch das Gericht

176.
    Die Kommission billigt in ihrer Entscheidung vom 14. August 1995 keineswegs dasAnhalten von ABC-Sendungen im Sinne von Artikel 23 § 4 des Weltpostvertrags.Sie stützt sich nämlich im wesentlichen darauf, daß es nicht erforderlich sei,abgeschlossene Praktiken zu verfolgen, bezüglich deren die öffentlichenPostbetreiber Verpflichtungen eingegangen seien, für deren Verletzung kein Beweisvorliege. Insoweit ist daran zu erinnern, daß das Gericht die Berechtigung dieserBeurteilung bestätigt hat.

177.
    Da die Kommission das fragliche Anhalten in keiner Weise gebilligt hat, greiftdieser Teil des Klagegrundes nicht durch.

178.
    Nach alledem ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

D — Gemeinsame Klagegründe in den Rechtssachen T-133/95 und T-204/95

Zu den Klagegründen, mit denen ein Ermessensmißbrauch geltend gemacht wird

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

179.
    Die Klägerin ist der Auffassung, die Kommission habe von ihren BefugnissenGebrauch gemacht, um die sektoralen Interessen der öffentlichen Postbetreiber zufördern, und so ihre Pflicht, den Wettbewerb zu schützen, vernachlässigt.

180.
    So habe die Kommission nach siebenjähriger Dauer des Verwaltungsverfahrens mitdem Schreiben vom 17. Februar 1995, der Entscheidung vom 6. April 1995 unddem Schreiben vom 12. April 1995 absichtlich eine unklare Verfahrenslagegeschaffen, da diese Dokumente von der bis dahin in diesem Verfahreneingehaltenen Symmetrie abwichen. Diese Aufspaltung der Entscheidungen undschließlich der Erlaß einer letzten Entscheidung über die Anwendung von Artikel85 des Vertrages auf die Durchführung von Artikel 23 des Weltpostvertrags durchdie öffentlichen Postbetreiber bezweckten eine politisch motivierte Verlangsamungdes Verwaltungsverfahrens.

181.
    Zudem widerspreche das Verhalten der Kommission ihrer ständigen Praxis, da sienicht den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung beanstandet und sich bereitgefunden habe, ihre Ermittlungen aufgrund bloßer Verpflichtungserklärungen desdeutschen und des britischen öffentlichen Postbetreibers einzustellen, ohne Beweisefür die tatsächliche Einhaltung dieser Verpflichtungen zu verlangen. La Poste hätte

zu keinem Zeitpunkt den Standpunkt der Kommission zur Auslegung von Artikel23 des Weltpostvertrags übernommen. Ein derart laxes Verhalten der Kommissionlasse sich nur mit einem beträchtlichen politischen Druck erklären.

182.
    Die Kommissionsmitglieder Sir Leon Brittan und Van Miert hätten in ihrenVorträgen vom 19. Mai 1992 und 7. April 1993 eingeräumt, daß der Fall„Remailing“ politisch behandelt worden sei. Dies ergebe sich auch daraus, daß dieKommission der Herausgabe eines Grünbuchs über die Postdienste Priorität vordem Erlaß von Verboten im Fall „Remailing“ eingeräumt habe.

183.
    Darüber hinaus habe Van Miert dem Bundesminister für Post undTelekommunikation in seinem Schreiben vom 28. März 1995 erklärt:„Zusammenfassend möchte ich feststellen, daß die Beschwerde der IECC ...nunmehr gegenstandslos ist.“ Die Kommission habe die Klägerin somit erst überden Erlaß einer endgültigen Entscheidung über ihre Beschwerde informiert,nachdem sie diesen Minister davon unterrichtet habe. Sie habe daher ihreBefugnisse mißbraucht, indem sie Dritten voreilig vertrauliche Informationenweitergegeben habe. Dieses Schreiben belege im übrigen die Absicht derKommission, von einem Vorgehen gegen die zahlreichen Fälle des Anhaltens vonPost abzusehen, um nicht das Mißfallen der deutschen Behörden zu erregen.

184.
    Die Strategie der Kommission, das Verfahren bezüglich des Remailings zuverlangsamen, gleiche ihrer Strategie bei der Behandlung anderer Beschwerdengegen öffentliche Postbetreiber.

185.
    In ihrer Erwiderung in der Rechtssache T-204/95 habe sie wiederholt Akteneinsichtbeantragt; dies habe die Kommission ihr gegenüber jedoch schriftlich und mündlichabgelehnt. Dadurch habe die Kommission ihre Verteidigungsrechte, den Grundsatzder Waffengleichheit und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, was denvon ihr begangenen Ermessensmißbrauch bestätige.

186.
    Die Kommission bestreitet, daß die Entscheidungen vom 6. April und 14. August1995 ermessensmißbräuchlich seien.

187.
    Das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der Akteneinsicht stelle ein neuesAngriffsmittel dar, das nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werde,die während des Verfahrens zutage getreten seien. Es sei daher gemäß Artikel 48§ 2 der Verfahrensordnung unzulässig.

Würdigung durch das Gericht

188.
    Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Entscheidung nur dannermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger undübereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie zu anderen als denangegebenen Zwecken getroffen wurde (Urteil des Gerichtshofes vom 12.

November 1996 in der Rechtssache C-84/94, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1996,I-5755, Randnr. 69; Urteil Tremblay u. a./Kommission, Randnrn. 87 ff.).

189.
    Im vorliegenden Fall rechtfertigt sich die Dauer des Verwaltungsverfahrens, das zudem Erlaß der beiden Entscheidungen geführt hat, weitgehend durch dieKompliziertheit der wirtschaftlichen Aspekte der aufgeworfenen Fragen, durch dieAnzahl der betroffenen öffentlichen Postbetreiber, durch die gleichzeitigeHerausgabe des Grünbuchs über die Postdienste sowie dadurch, daß dieEinführung eines Ersatzsystems wie der REIMS-Vereinbarung — die auch dieBeurteilung des Anhaltens von ABA- und ABC-Sendungen durch die Kommissionbeeinflußt hat — eine beträchtliche Zeit in Anspruch nimmt.

190.
    Sir Leon Brittan hat übrigens in seinem von der Klägerin selbst zitierten Vortragvom 19. Mai 1992 dargelegt, daß die Kommission im Postsektor in doppelter Weisevorgehe, um zugleich die Anwendung der Wettbewerbsregeln und den Erlaß vonRechtsvorschriften zur Liberalisierung dieses Sektors sicherzustellen. Die von derKlägerin zitierte Erklärung Van Mierts vom 7. April 1993 ist ebenfalls im Lichtdieses doppelten Vorgehens zu verstehen. In einem Fall wie dem vorliegenden, dersich in allgemeinerer Form in die Überlegungen der Kommission zur Zukunft desPostsektors in der Gemeinschaft einfügte, war dieses doppelte Vorgehengerechtfertigt. Es gibt folglich keinen Grund für die Annahme, daß dieses doppelteVorgehen einen Ermessensmißbrauch darstellt, mit dem die Entscheidungen vom6. April und 14. August 1995 behaftet wären.

191.
    Zur angeblichen Unklarheit der Tragweite der Entscheidung vom 6. April 1995 undzur angeblichen Absicht der Kommission, den Erlaß einer endgültigenEntscheidung nach dem Abschluß der gesamten „Remailing“-Angelegenheit auspolitischen Gründen durch eine Aufspaltung des Vorgangs zu verzögern, genügt derHinweis, daß sich bereits aus dem Schreiben vom 17. Februar 1995 und derEntscheidung vom 6. April 1995 ergibt, daß die letztgenannte Entscheidung nichtdie gesamte Beschwerde betraf. Zudem war die Kommission, da sie beabsichtigte,die anderen Aspekte der Beschwerde durch eine förmliche Entscheidungzurückzuweisen, gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 verpflichtet, derBeschwerdeführerin in einem neuen Schreiben insbesondere die Gründe dafüranzugeben, daß sie ihrer Beschwerde nicht stattgab. Die Klägerin hat darüberhinaus nicht dargetan, daß die Aufspaltung der Antworten auf die verschiedenenAspekte der Beschwerde deren Behandlung durch die Kommission hättebeeinträchtigen können oder daß die Kommission die Behandlung der Beschwerdeverlangsamen wollte.

192.
    Daß die Kommission den deutschen Postminister einige Tage bevor sie dieBeschwerdeführerin selbst unterrichtet hat, von der Entscheidung über dieBeschwerde in Kenntnis setzte, belegt nicht, daß die Entscheidung vom 6. April1995 zu anderen als den angegebenen Zwecken erlassen wurde.

193.
    Im übrigen ist die von der Klägerin erwähnte Behandlung sonstiger Beschwerdenoder Rechtssachen durch die Kommission, die aber eindeutig anderePostaktivitäten als die „Remailing“-Angelegenheit betreffen, für die Feststellungirrelevant, ob im vorliegenden Fall der Erlaß der betreffenden Entscheidungenermessensmißbräuchlich war.

194.
    Das Vorbringen bezüglich der Akteneinsicht ist kein besonderes Angriffsmittel derKlägerin, sondern nach ihrer Ansicht nur ein zusätzliches Indiz für den in ihrerKlageschrift behaupteten Ermessensmißbrauch. Die von der Kommission auf derGrundlage von Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung behauptete Unzulässigkeittrifft daher nicht zu.

195.
    Jedoch kann, wenn die Klägerin nicht ordnungsgemäß Einsicht in die Aktennehmen konnte, dadurch allein nicht belegt werden, daß die Entscheidung vom 14.August 1995, deren Nichtigerklärung in der Rechtssache T-204/95 beantragt wird,zu anderen als den angegebenen Zwecken erlassen wurde.

196.
    Somit sind die Klagegründe, mit denen ein Ermessensmißbrauch geltend gemachtwird, zurückzuweisen.

Zu den Klagegründen, mit denen ein Verstoß gegen bestimmte allgemeineRechtsgrundsätze geltend gemacht wird

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

197.
    Die Klägerin macht in einem ersten Teil geltend, daß die Kommission gegen dieGrundsätze der Rechtssicherheit, des Schutzes des berechtigten Vertrauens und derordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen habe, indem sie am 12. April 1995 einSchreiben gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 abgesandt habe, obwohlbereits eine endgültige Entscheidung über die gesamte Beschwerde erlassen wordensei. Dieses Schreiben habe sie nämlich in einen Zustand der Ungewißheithinsichtlich der Wirkungen der Entscheidung vom 6. April 1995 versetzt. Diegenannten Grundsätze seien zudem auch insofern verletzt worden, als dieEntscheidung nicht klarstelle, ob die Theorie des nichtmateriellen Remailingshinnehmbar sei.

198.
    In einem zweiten Teil führt sie aus, die Kommission habe zu verstehen gegeben,daß sie im vorliegenden Fall die Wettbewerbsregeln anwenden würde, indem siedie beanstandeten Schreiben versandt, Pressemitteilungen und die Vorträge desKommissionsmitglieds Sir Leon Brittan veröffentlicht sowie eine Mitteilung derBeschwerdepunkte in einer Rechtssache beschlossen habe, die den früherenRechtssachen, in denen sie Verbote erlassen habe, ähnele. Dieses Verhalten habein der Klägerin begründete Erwartungen geweckt, daß eine endgültigeVerbotsentscheidung erlassen werde.

199.
    In einem dritten Teil macht die Klägerin geltend, daß der Grundsatz derNichtdiskriminierung verletzt worden sei, da sich die Kommission im allgemeinennicht auf derart eingeschränkte und unvollständige Verpflichtungen stütze, um voneiner Bestrafung von Unternehmen abzusehen, die gegen das Wettbewerbsrechtverstoßen hätten.

200.
    In einem letzten Teil legt sie dar, daß die Kommission gegen den Grundsatz derordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen habe, weil 81 Monate für den Erlaß einerendgültigen Entscheidung über die Zurückweisung benötigt worden seien (UrteilSytraval und Brink's France/Kommission, a. a. O., Randnr. 56).

201.
    Die Kommission weist darauf hin, daß das Schreiben vom 12. April 1995 bezweckthabe, den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör zu schützen. Außerdemhabe ein Beschwerdeführer nach der Rechtsprechung keinen Anspruch auf eineEntscheidung über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung und könne daher auchkein berechtigtes Vertrauen in den Erlaß einer solchen Entscheidung haben.Schließlich berechtige die Dauer der Behandlung der Beschwerde die Klägerinnicht, die Art und Weise der Ausübung ihrer Befugnisse in Frage zu stellen.

Würdigung durch das Gericht

202.
    Der erste Teil des Klagegrundes stützt sich auf die Feststellung, daß dieEntscheidung vom 6. April 1995 die Beschwerde insgesamt zurückgewiesen habe.Aus der Prüfung der Tragweite dieser Entscheidung durch das Gericht (siehe oben,Randnrn. 58 bis 62) geht aber hervor, daß das nicht der Fall war. Der erste Teildes Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

203.
    Bezüglich des zweiten Teils des Klagegrundes ist darauf hinzuweisen, daß Artikel3 der Verordnung Nr. 17 demjenigen, der einen Antrag nach diesem Artikel stellt,keinen Anspruch auf eine Entscheidung der Kommission im Sinne von Artikel 189des Vertrages über das Vorliegen eines Verstoßes gegen Artikel 85 und/oderArtikel 86 des Vertrages verleiht (vgl. u. a. Urteil Tremblay u. a./Kommission,a. a. O., Randnr. 59). Daher kann die Klägerin unabhängig vom Fortgang derAngelegenheit und vom Stadium der Prüfung der Beschwerde, zu dem dieKommission gelangt ist, keine begründeten Erwartungen haben, daß dieangegriffenen Praktiken verboten werden.

204.
    Zum dritten Teil ist festzustellen, daß die Klägerin nicht bewiesen hat, daß dieKommission in einer Situation wie der vorliegenden die betreffenden Unternehmengleichwohl verurteilt hätte. Folglich hat die Klägerin den behaupteten Verstoßgegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung nicht nachgewiesen.

205.
    Hinsichtlich der übermäßigen Länge des Verwaltungsverfahrens wird schließlich aufdie Randnummern 189 ff. des vorliegenden Urteils verwiesen, in denen dargelegt

ist, aus welchen Gründen die relativ lange Zeit, die die Kommission für den Erlaßder endgültigen Zurückweisungsentscheidungen gebraucht hat, gerechtfertigt ist.

206.
    Aus all diesen Gründen ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Antrag auf Vorlage von Unterlagen

207.
    In ihrer Erwiderung in der Rechtssache T-204/95 und ihrer Stellungnahme zu denStreithilfeschriftsätzen in den Rechtssachen T-133/95 und T-204/95 hat die Klägerinbeantragt, die Vorlage bestimmter Unterlagen anzuordnen.

208.
    Im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen hat das Gericht die Vorlage einigerdieser Unterlagen verlangt. Da die Vorlage der übrigen Unterlagen für dieEntscheidung der Rechtssache T-204/95 nicht erforderlich erscheint, ist dem Antragder Klägerin insoweit nicht stattzugeben.

Kosten

209.
    Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei aufAntrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihremVorbringen in der Rechtssache T-204/95 unterlegen ist, sind ihr die Kosten derKommission in dieser Rechtssache aufzuerlegen. Da die Kommission mit ihremVorbringen in der Rechtssache T-133/95 teilweise unterlegen ist, sind ihr dieKosten der Klägerin in dieser Rechtssache aufzuerlegen.

210.
    Nach Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten,die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Folglichhat das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland seine eigenen Kostenzu tragen. Nach Artikel 87 § 4 Absatz 2 kann das Gericht entscheiden, daß einanderer Streithelfer als der in Absatz 1 genannte seine eigenen Kosten trägt. Dadie verschiedenen öffentlichen Postbetreiber, die dem Rechtsstreit beigetreten sind,mit ihrem Vorbringen in der Rechtssache T-133/95 unterlegen sind, in derRechtssache T-204/95 jedoch obsiegt haben, hat jeder Streithelfer seine eigenenKosten in den Rechtssachen T-133/95 und T-204/95 zu tragen.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.    Die Rechtssachen T-133/95 und T-204/95 werden zu gemeinsamerEntscheidung verbunden.

2.    Die Entscheidung vom 6. April 1995 wird für nichtig erklärt, soweit siematerielle geschäftliche ABA-Remailsendungen betrifft.

3.    Im übrigen werden die Klagen abgewiesen.

4.    Die Kommission trägt die Kosten der Klägerin in der RechtssacheT-133/95.

5.    Die Klägerin trägt die Kosten der Kommission in der RechtssacheT-204/95.

6.    Die Streithelfer tragen ihre eigenen Kosten in den Rechtssachen T-133/95und T-204/95.

Vesterdorf
Briët
Lindh

        Potocki                    Cooke

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. September 1998.

Der Kanzler

De
r Präsident

H. Jung

B. Vesterdorf

Inhaltsverzeichnis

    Sachverhalt

II - 3

        International Express Carriers Conference (IECC) und Remailing

II - 3

        Endvergütungen und Weltpostvertrag

II - 4

        Beschwerde der IECC und CEPT-Übereinkunft von 1987

II - 5

        Behandlung der Beschwerde durch die Kommission

II - 6

    Verfahren

II - 10

    Anträge der Verfahrensbeteiligten

II - 12

        Rechtssache T-133/95

II - 12

        Rechtssache T-204/95

II - 13

    Zulässigkeit der Streithilfesätze des Post Office

II - 14

    Zulässigkeit des Antrags, der Kommission den Erlaß der geeigneten Maßnahmenaufzugeben, damit sie den Verpflichtungen aus Artikel 176 des Vertragesnachkommt

II - 14

    Begründetheit

II - 15

        A — Tragweite der Entscheidungen vom 6. April und 14. August 1995

II - 15

            Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

II - 15

            Würdigung durch das Gericht

II - 15

        B — Klagegründe in der Rechtssache T-133/95

II - 16

            Erster Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages

II - 16

                Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

II - 16

                Würdigung durch das Gericht

II - 17

            Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b derVerordnung Nr. 17

II - 17

                Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

II - 17

                Würdigung durch das Gericht

II - 19

            Dritter Klagegrund: Verstoß gegen die Artikel 85 und 86 des Vertrages

II - 19

                Erster und zweiter Teil

II - 19

                    — Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

II - 19

                    — Würdigung durch das Gericht

II - 21

                Zum dritten und zum vierten Teil

II - 23

        C — Anträge und Klagegründe in der Rechtssache T-204/95

II - 23

            Zu den Hauptanträgen, die darauf gerichtet sind, das Schreiben vom 12. April1995 und die Entscheidung vom 14. August 1995 für inexistent zuerklären

II - 23

                Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

II - 23

                Würdigung durch das Gericht

II - 24

        Zum Hilfsantrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 14. August 1995

II - 24

                1. Erster Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages

II - 24

                    a) Erster Teil: Fehlende Begründung bezüglich des angeblichenVerstoßes gegen Artikel 85 des Vertrages durch die öffentlichenPostbetreiber

II - 25

                    Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

II - 25

                    Würdigung durch das Gericht

II - 25

                    b) Zweiter Teil: Unzureichende Begründung bezüglich des ABC-Remailings

II - 25

                    Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

II - 25

                    Würdigung durch das Gericht

II - 25

                2. Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen die Artikel 85 und 86 des Vertrages,offensichtliche Fehler bei der Tatsachenwürdigung und Rechtsfehler

II - 27

                    a) Erster Teil: ABC-Remailing

II - 27

                    Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

II - 27

                    Würdigung durch das Gericht

II - 29

                    — Deutsche Post

II - 30

                    — Post Office

II - 31

                    — La Poste

II - 32

                    b) Zweiter Teil: Beurteilung der Existenz von Artikel 23 desWeltpostvertrags im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht

II - 33

                    Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

II - 33

                    Würdigung durch das Gericht

II - 33

                    c) Dritter Teil: Verstoß gegen die Artikel 85 und 86 des Vertrageswegen Fehlens einer Verbotsentscheidung

II - 34

                    Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

II - 34

                    Würdigung durch das Gericht

II - 35

        D — Gemeinsame Klagegründe in den Rechtssachen T-133/95 und T-204/95

II - 35

            Zu den Klagegründen, mit denen ein Ermessensmißbrauch geltend gemachtwird

II - 35

                Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

II - 35

                Würdigung durch das Gericht

II - 36

            Zu den Klagegründen, mit denen ein Verstoß gegen bestimmte allgemeineRechtsgrundsätze geltend gemacht wird

II - 38

                Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

II - 38

                Würdigung durch das Gericht

II - 39

    Zum Antrag auf Vorlage von Unterlagen

II - 40

    Kosten

II - 40


1: Verfahrenssprache: Englisch.